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Kurz gemeldet

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Das DAV Klimaschutzkonzept

Ein Zwischenstand

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von Jochen Cantner

Vor knapp einem Jahr wurde auf der Jubiläums-Hauptversammlung des Deutschen Alpenvereins die „DAVKlimaresolution“ verabschiedet, die eine Selbstverp ichtung des Bundesverbandes und der Sektionen beinhaltet, CO2-Emissionen deutlich zu senken, um letztendlich „Klimaneutralität“ zu erlangen. Damit hat sich der DAV in einem historischen Moment deutlich zum Klimaschutz bekannt: „Die Zeit des Zauderns ist vorbei. Wir müssen handeln – jetzt!“. Hierzu wurde der Beschluss gefasst, dass bis zur Hauptversammlung 2020 unter Beteiligung der Sektionen und Landesverbände ein Gesamtkonzept zur Emissionsreduzierung unter anderem in den Handlungsfeldern „Emissionserhebung“, „Infrastruktur“ und „Mobilität“ mit konkreten Umsetzungsvorgaben vorzulegen ist. Im vorliegenden Beitrag wird über dieses sogenannte „DAV Klimaschutzkonzept“ berichtet und ein Ausblick auf die weitere Vorgehensweise gegeben.

Anfang des Jahres 2020 wurde eine rund 40-köp ge Arbeitsgruppe gegründet, die aus Vertreter*innen der Sektionen, des Präsidiums, des Verbandsrats und der Präsidialausschüsse

DAV Klimaschutzkonzept

sowie hauptberu ichen Mitarbeiter*innen aus den Fachressorts der Bundesgeschäftsstelle bestand. In zahlreichen virtuellen Tre en und unter erschwerten Bedingungen durch die CoronaPandemie wurde im Zeitraum März bis Juli ein fachlich basiertes, umfassendes Konzept erarbeitet, welches folgende Elemente enthält:

Maßnahmenbezogene Handlungsfelder Zunächst wurden die relevanten Handlungsfelder für klimawirksame Maßnahmen bestimmt. Eine vorherige Umfrage des DAV Bundesverbandes unter den Sektionen hatte ergeben, dass der größte Handlungsbedarf in Sachen Treibhausgasausstoß mehrheitlich in der Mobilität, d. h. bei Fahrten zu den Bergsportdestinationen, und der Infrastruktur, d. h. vor allem bei Hütten und Kletterhallen, gesehen wird. Weitere wichtige klimarelevante Felder sind Veranstaltungen (z. B. Vortrags- und Sportevents), die Verp egung (z. B. auf Hütten) sowie der große Bereich der Umweltbildung und Kommunikation, um das notwendige Know-how für klimadienliche Maßnahmen im gesamten DAV und darüber hinaus in der interessierten Ö entlichkeit wirksam zu verbreiten.

CO2 -Bilanzierung und Kompensation (konzeptionelle Herangehensweise) Maßnahmenorientierte Herangehensweise

Handlungsfelder Bilanzierung und Kompensation Mobilität

Veranstaltungen/ Verpflegung Infrastruktur

Umweltbildung/ Kommunikation

Abb. 2: DAV Klimaschutzkonzept – Handlungsfelder, Quelle: Präsentation „Vorstellung DAV Klimaschutzkonzept, Verbandsratssitzung am 3./4. Juli 2020“ © DAV Gesamtheit DAV Klimaschutzkonzept Abb. 1: Auf den Punkt gebracht (eigene Darstellung, Vorlage: https://twitter.com/nickheizmann/ status/ 1187369482685157377, © Die Peanuts / Charles M. Schulz)

CO2-Bilanzierung Grundvoraussetzung für mögliche Vermeidungs- und Reduzierungsmaßnahmen in den genannten Handlungsfeldern ist die Kenntnis des relevanten „CO2-Fußabdrucks“ und der sich daraus ergebenden Einsparpotenziale. Hierfür gibt es bislang kaum belastbare Zahlen. Daher ist eine Emissionserhebung, sprich CO2-Bilanzierung von Bundesverband und Sektionen erforderlich. Die Arbeitsgruppe hat die grundsätzliche Vorgehensweise skizziert, die sich am „Greenhouse Gas Protocol“ orientiert, einem weltweit etablierten Bilanzierungsstandard für Unternehmen und Organisationen. Dazu wurden Bilanzierungsbereiche mit unterschiedlicher Priorisierung de niert und auch über Systemgrenzen nachgedacht (z. B. die Einbeziehung des DAV Summit Club als 100-prozentige Tochter des DAV in die Bilanzierung respektive Konzeption).

Im Weiteren sollen 10 bis 20 Pilotsektionen ausgewählt werden, die nach Maßgabe eines noch zu entwickelnden Erhebungstools für fünf Bilanzierungsfelder – das sind Touren & Ausbildung, Veranstaltungen, Geschäftsstelle, Hütten & Wege und Kletterhallen – eine CO2-Bilanz erstellen und somit Erfahrungswerte für eine gesamthafte CO2 Bilanzierung für den DAV scha en werden. Aufbauend auf den Erkenntnissen Handlungsfelder der Pilotsektionen und mit Hilfe des Tools sollen die Sektionen dann ab dem Jahr 2022 entsprechende CO2-Bilanzen

im Zweijahresturnus erstellen. Der Bundesverband erstellt jährlich eine eigenständige Bilanz. Zudem ist er für die Koordinierung der Pilotphase und für die Unterstützung der Sektionen bei der Bearbeitung und Durchführung ihrer Bilanzierung zuständig.

Leitgedanke und Ziel Der Leitgedanke des DAV Klimaschutzkonzepts ist das Prinzip „vermeiden vor reduzieren vor kompensieren“. Dies besagt, dass das primäre Ziel immer die Vermeidung von CO2-Emissionen sein muss. Nur wenn dies nicht erreicht werden kann und Emissionen weitestgehend reduziert oder vermieden sind, werden verbleibende Emissionen kom pensiert. Alle Maßnahmen sind auf dieses Ziel hin ausgerichtet.

Unter diesem Leitgedanken ist auch das Ziel der „Klimaneutralität“ zu verstehen. Diese Neutralität wird schlussendlich durch die Kompensation nicht vermeid- und reduzierbarer Emissionen erreicht. Der Bundesverband soll bis 2026, die Sektionen bis 2028 klimaneutral werden. Damit setzt sich der DAV selbst ein ambitioniertes Ziel und lässt sich gleichzeitig genug Zeit dafür, in einer ersten Phase Vermeidungs- und Reduzierungsmaßnahmen anzugehen.

Vermeiden und Reduzieren Für die oben genannten Handlungsfelder wurden von der Arbeitsgruppe spezische CO2-Vermeidungs- und Reduzierungsmaßnahmen identiziert, bewertet und priorisiert, so dass eine Umsetzung unmittelbar beginnen kann: • Das Handlungsfeld Mobilität ist, wie bereits festgestellt, dasjenige mit den größten Potenzialen zur Reduk-

DAV Klimaschutzkonzept Leitgedanke des KonzeptsDAV Klimaschutzkonzept

Leitgedanke des Konzepts

CO2CO2

CO2CO2

CO2CO2

Vermeiden Vermeiden

ReduzierenReduzieren

Kompensieren Kompensieren

Abb. 4: DAV Klimaschutzkonzept – Leitgedanke, Quelle: siehe Abb. 2

DAV Klimaschutzkonzept

CO2 -Bilanzierung: Bereitstellung Erhebungstool für Sektionen

Pilotphase in 2021 mit 10 bis 20 Sektionen

358 Sektionen

Ab ca. Ende 2021: Nutzung des Tools für alle Sektionen

Abb. 3: DAV Klimaschutzkonzept – CO2-Bilanzierung, Quelle: siehe Abb. 2

tion von Treibhausgas-Emissionen. Es wurden insgesamt 18 priorisierte Maßnahmen erarbeitet, welche die Touren- und Ausbildungsprogramme klimaverträglicher gestalten und die Mobilitätsangebote verbessern sollen, eine klimaverträgliche Gestaltung der Gremien- und Verbandsarbeit zum Ziel haben und vor allem der Information und Sensibilisierung dienen sollen. Im Handlungsfeld Infrastruktur sind überwiegend Maßnahmen geplant, die auf einen energiee zienten und klimafreundlichen Betrieb der Hütten, Kletteranlagen und Geschäftsstellen abzielen. Dazu soll auch die nanzielle Unterstützung aus dem DAV-Klimafonds erweitert werden. Im Handlungsfeld Verpegung und Veranstaltungen wird der Schwerpunkt vor allem auf ein klimafreundliches Ernährungsangebot auf Hütten und bei Veranstaltungen gelegt. Das Handlungsfeld Umweltbildung und Kommunikation nimmt eine besondere, übergeordnete Rolle ein, weil es die Einzelbestrebungen des Klimakonzepts aufnimmt und intern wie extern kommuniziert. Es kommt entscheidend auf die Bewusstseinsbildung an, und hierzu müssen e ziente Wege und Mittel der Kommunikation und Information entwickelt werden (Motto: Nachhaltig übergreifend quer-denken!).

Kompensation Erst wenn Vermeiden und Reduzieren nicht weiter möglich ist, kommt als „ultima ratio“ die Kompensation zur Anwendung. Denn sie ist keine CO2-Einsparung, sondern nur eine Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle, und trägt daher nur in geringem Maß zur Eindämmung des Klimawandels bei. Bei der CO2-Kompensation gibt es zwei Formen, die „freiwillige“ und die „regulierte“ Variante. Erstere ist bekannt vor allem bei Urlaubsugreisen, wo die Treibhausgas-Emissionen möglichst kostengünstig kompensiert werden, so etwa durch Regenwaldauorstungen in Entwicklungsländern, dabei oftmals wenig nachhaltig. Bei regulierten Projektierungen, wie sie der DAV anstrebt, gelten dagegen strenge Qualitätskriterien. Hierbei ist insbesondere das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ zu nennen, welches bedeutet, dass mit den Kompensationszahlungen nur solche Projekte nanziert werden, die ohne diesen Beitrag nicht durchgeführt würden. Denn rentierliche Projekte (z. B. Investitionen in Erneuerbare Energien) werden vom freien Markt erbracht.

Für den DAV sind dies bei entsprechender Auslegung und Anwendung Projektierungen außerhalb des Vereins, aber am besten im eigenen Wirkungs- und Gestaltungsbereich: • Kontrollierte Kompensationsmaßnahmen sind idealerweise durch

Mitmach-Aktionen als „aktiver

Klimaschutz“ in Deutschland bzw. im europäischen Alpenraum durchführbar, verbunden mit weiteren positiven Eekten (Einbindung der

DAV-Mitglieder in den Natur- und

Umweltschutz, Außenwirkung des

DAV als Naturschutzverband). • Hierbei bietet sich insbesondere

Projektierung zur Scha ung von „CO2-Senken“ (klimadienliche Waldumbaumaßnahmen, Moorvernässung, Humusbildung) an. Damit ein einheitlicher Standard innerhalb des DAV bei der Bepreisung von Kompensationszahlungen vorliegt, wird von der Arbeitsgruppe empfohlen, sich bei der Festsetzung eines „DAV-CO2-Kompensationspreises“ an der ab kommenden Jahr geltenden CO2-Bepreisung für Emissionen aus fossilen Brennsto en (Ausnahme: Kerosin) zu orientieren (25 €/t CO2 mit jährlicher Steigerung bis hin zu einem Preiskorridor ab dem Jahr 2026 von 55 bis 65 €/t). Da sich dieser Preis jedoch nur an Vermeidungskosten, nicht aber an Schadenskosten und somit dem umweltpolitischen Verursacherprinzip orientiert, soll der CO2-Preis im DAV jeweils um 5 € höher liegen als der von der Bundesregierung angesetzte Preis, gegenwärtig also 30 €/t CO2. Gerade für den DAV als anerkannten Naturschutzverband, mit entsprechenden Rechten und P ichten, erscheint eine Ausrichtung an den Belangen des Verursacherprinzips naheliegend. Der vom Umweltbundesamt angesetzte schadenskostenbasierte Preis pro t/CO2 liegt übrigens bei 180 €, was auch von der „Fridays for Future“-Bewegung gefordert wird. Und für die besonders schädlichen Treibhausgas-Emissionen im Flugverkehr wird ein Gewichtungsfaktor von mindestens 2 empfohlen.

Ab dem Jahr 2022 (d. h. dem Vorliegen der DAV-CO2-Bilanzen) und bis zum Jahr 2028 (ab dann gilt DAV-„Klimaneutralität“) wird den Sektionen empfohlen, zur Berechnung eines CO2-Preises ihrer eigenen Aktivitäten ebenfalls den DAV-CO2-Preis zugrunde zu legen und diesen den jeweiligen Verursachern intern in Rechnung zu stellen. Damit können die Sektionen zusätzliche Mittel für die Vermeidungs- und Reduktionsmaßnahmen erwirtschaften und hohe Kompensationszahlungen ab 2028 vermeiden. Weitere Vorgehensweise des DAV Das beschriebene DAV Klimaschutzkonzept soll nun auf der diesjährigen Hauptversammlung des Deutschen Alpenvereins (13.–14. November in Friedrichshafen) vorgestellt und diskutiert, die endgültige Beschlussfassung aber erst in der darau olgenden Hauptversammlung vorgenommen werden. Die Zwischenzeit soll für einen intensiven Diskussionsprozess mit allen Beteiligten genutzt und auf diesem Wege eine überzeugende Identi kation und Unterstützung erreicht werden. Für die weitere Umsetzung schlägt der DAVVerbandsrat die Implementierung einer geordneten Projektstruktur mit gezielter Einbindung von Sektionenvertreter*innen sowie fakultativ von geeigneten Dienstleistenden (z. B. Beratungsunternehmen) vor. Diese Struktur soll sicherstellen, dass ein fundierter interner Beratungsprozess statt ndet und das Projekt zielorientiert im Rahmen der jeweiligen Beschlusslagen umgesetzt wird.

Auch in unserer DAV-Sektion Augsburg macht man sich über eine entsprechende Konzept-Umsetzung Gedanken. Bereits Ende letzten Jahres gab es einen „Workshop Naturschutz“, bei dem der Klimaschutz in der Sektion das zentrale Thema darstellte und erste sektionsspezi sche CO2-Vermeidungs- und Reduktionsmaßnahmen erarbeitet wurden. Im Sommer dieses Jahres fand eine Online-Mitgliederumfrage zum Klimaschutz statt. Ein weiterer Workshop zur Ergebnisauswertung und Maßnahmenfestlegung soll folgen. Zudem wurde das DAV Klimaschutzkonzept Mitte September auf dem Südbayerischen Sektionentag schon einmal in „Vorübung“ zur anstehenden Hauptversammlung debattiert, dabei zum Teil mit recht kontroversen Ansichten. Man merkt: Klimaschutz – das sind keine Peanuts.

Überdies besitzt ein so großer und traditionsreicher Bergsportverein und Naturschutzverband wie der DAV eine bedeutende gesellschaftliche Verantwortung. Demgemäß hat er eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Dies gilt im Übrigen gleichermaßen für die anderen drängenden Problemfelder, sprich Übertourismus und Beeinträchtigung der alpinen Natur- und Kulturlandschaft, insbesondere in Verbindung mit dem Verlust der Artenvielfalt. Der DAV muss wegkommen vom negativen Image des Vergnügungs- und Reiseveranstalters, sprich „ADAC der Berge mit angeschlossenem Reisebüro“, bei dem Naturschutz wie auch die bergsteigerischen Ideale auf der Strecke bleiben.

Sicherlich wird die Umsetzung des DAV Klimaschutzkonzepts sehr weitreichende Auswirkungen auf die DAVAktivitäten aller Ebenen haben. Was alles möglich ist, um eine Gefahrenab wehr ho entlich zu meistern, zeigen uns die – vormals wohl unvorstellbaren – Maßnahmen im Rahmen der gegenwärtigen Corona-Pandemie. Die Klimakrise ist bekanntermaßen ein viel weitreichenderes Problem. Wir Bergsportbegeisterten erleben sie in unseren Zielgebieten bereits sehr dramatisch. Wie heißt es so zutre end in der DAV-Klimaresolution: „Die Zeit des Zauderns ist vorbei, wir müssen handeln. Jetzt!”

Im Weiteren gibt es auf der nächsten Seite noch drei Literaturempfehlungen für ein Umdenken und einen kulturellen Bewusstseinswandel im Zeichen der Klimakrise sowie Informationen zu P anzen in unserem Alpengarten und danach wie üblich Anregungen, um „Umweltfreundlich in die Berge“ zu reisen. Die NUK-Tipps fallen diesmal aus Platzgründen aus, kommen aber wieder im alpenblick in der Ausgabe 1/2021.

Für Fragen und Anregungen stehe ich gerne zur Verfügung! Mit bergsportlichen und gleichsam naturverbundenen Grüßen

Ihr/Euer Dr. Jochen Cantner Vorstand / Beisitzer für Natur, Umwelt, Kultur (NUK) jochen.cantner@ dav-augsburg.de

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