Der Stratege 7/13

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im Grunde ja nur warten muss. Mein Ziel ist es, solange wie möglich an der Schwelle zwischen Seien und Vergehen zu stehen; möglichst lange Ungewissheit zu haben, ob ein Sieg möglich ist, oder ob man kämpfen muss bis in den Untergang. Und hier kommt auch der eingangs als Leitthema deklarierte Fanatismus ins Spiel. Fanatismus erlangt man erst, wenn die Lage schwierig, ja hoffnungslos, geworden ist. Der in den letzten Kriegsmonaten von der deutschen Führung immer öfter beschworene unbedingte Durchhaltewille, gepaart mit einer fanatischen Kampfentschlossenheit, der lässt im Spiel das Verlieren zum Untergangs-Spektakel werden. Da es nicht mehr darum geht zu gewinnen, kann es nur noch darum gehen, den Gegner solange wie möglich aufzuhalten und ihm einen möglichst hohen Blutzoll abzutrotzen. In dieser Phase des Krieges, wenn das eigene Land schon wie ein waidwundes Tier am Boden liegt, kann man sich wahrlich spannende Geschichten ausdenken. Von heroischen Abwehrschlachten über die dramatische Evakuierungen bis hin zu selbstmörderischen Gegenangriffen. Da hinein gehört ja auch die Aufstellung des Deutschen Volkssturms. HoI III erlaubt ja sogar den Aufbau von Untergrundzellen in besetztem Feindesland. Herrlich! Man kann versuchen, die propagandistisch überhöhte Idee des „Werwolfs“ aufleben zu lassen und darum spannende Geschichten spinnen. Oder aber den Bau der Wunderwaffen, die in HoI dan-

kenswerter Weise zahlreich vertreten sind. Wunderwaffen nützen nur dem, der ein Wunder benötigt, nicht dem, der eh schon gesiegt hat. Die Verlagerung der Produktion der V-Waffen in die unteririschen Fertigungsstätten nach Thüringen lässt sich beispielsweise durch den Bau einer Raketenproduktionsstätte und einiger Industriekomplexe im dortigen Gebiet schon gut darstellen. Auch die sagenumwobene Alpenfestung kann in dieser Phase Wirklichkeit werden. Was soll man aber damit, wenn man sowieso am Ural steht und gewinnt? Hach, für einen Untergangs-AAR sprudeln zig Ideen aus mir hervor, die man in Geschichten verpacken könnte! Natürlich machen aber auch mal Offensiven Spaß. Aber auch hier verlege ich mich lieber auf die zweite Kriegshälfte. Besonders große Freude hat mir in Sudden Strike das Szenario der Plattenseeoffensive gemacht. Man beginnt als Kommandeur der 6. SSPanzerarmee mit einer ungewöhnlich großen Zahl von Einheiten um einen kleinen Feldflugplatz zu besetzen. Aber schon hier zeigt der Gegner erbitterten Widerstand. Diesen zu brechen braucht vom Sandkasten-General einiges an Geschick und Hartnäckigkeit. Auch die folgenden Angriffe auf die Stadt Stuhlweißenburg sind kein Zuckerschlecken. Man muss schon gehörig haushalten mit seinen Einheiten. Mein neuster AAR spielt derzeit in der dritten Schlacht um Charkow (Spiel: „Battles in Italy“). Auch dass ein Kampf ganz nach meinem Geschmack. Von

Osten drücken mehrere russischen Armeen auf die schwachen deutschen Linien, die sich hastig zurückziehen und eine neue Auffangsstellung errichten müssen. Erst nach mehreren Wochen kommen starke deutsche Verbände in Form des SS-Panzerkorps auf die Karte und man ist als Spieler angehalten, die Russen einzukreisen und aufzureiben, Mansteins berühmtes „Schlagen aus der Nachhand“. Aber während der ganzen Zeit stehen einem vielfach überlegene Gegner gegenüber, die ihre pure Masse schamlos ausnutzen. Das macht den Reiz aus. Das Gefühl, man wird in der nächsten Sekunden, im nächsten Zug, schier überrannt! Doch dann kommt die Wende, der Befreiungsschlag, der alle Feinde herniederwirft! Ich hoffe, ich konnte meine Begeisterung für ausweglose Situationen in Strategiespielen deutlich machen und vielleicht dem einen oder anderen Lust darauf machen, sich auf so etwas einmal einzulassen. Kampf und Durchhalten. Sich einer lenkenden Energie des Untergangs und der schöpferischen Kraft der Zerstörung hinzugeben, so „[...] das auch von uns einst die Sage berichten kann: ‚Die Toten hätten nach den Tagen der heißen Schlachten, in den dunkeldrohenden Nächten, in den Lüften weitergekämpft.‘" Es macht wirklich Spaß!


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