schau-Magazin, Ausgabe 4/2014

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„Most wanted“ in Niederösterreich TEXT VON ROLAND GRAF

Von wegen „Landessäure“: Die Festwochen und der Salon des Mostes stellen Sortenraritäten und die Vielfalt in den Mittelpunkt. Denn längst sorgen Spezialitäten wie Schaumwein und Brände aus Apfel und Birnen für Furore.

DAS KELTISCHE ERBE zeichnet sich noch heute in Europas Trinkgewohnheiten ab: Wo einst die Stämme siedelten, trinkt man heute gerne Most. Spitzenreiter Irland (mit einem jährlichen ProKopf-Verbrauch von 20 Litern) bestätigt dies, ebenso die Begeisterung der Bretagne für den Cider. Und auch rund um die keltische Wehranlage in Schwarzenbach, hart an der burgenländischen Grenze, blüht die Mostproduktion. Die erste urkundliche Erwähnung des ObstweinKonsums in der Buckligen Welt verdankt sich dem Unmut des Erasmus von Puchenheim, der 1557 seinem Tagebuch anvertraute, dass sein Pfarrer lieber dem Most zusprach, als die Messe zu lesen. Leitgeb = Most-Sommelier

Minnesänger Neidhart von Reuenthal schrieb bereits 1240 über das Getränk, das damals vom „Leitgeb“, wie der Most-Schenk mittelhochdeutsch hieß, ausgeschenkt wurde. Diese Berufsbezeichnung mag ausgestorben sein, die Mostheurigen hingegen blühen im südöstlichen Niederösterreich ebenso wie an der Grenze zu Oberösterreich. Das Mostviertel entdeckt das namensgebende Getränk in den letzten Jahren auch wieder als Besonderheit. Denn die über 100.000 Birnenbäume entlang der Moststraße prägen – europaweit einzigartig – das Getränk. Äpfel werden eher als Zusatz gese64 schau

hen, da sie eine höhere Säure in den bevorzugt milden Most der Region einbringen. Selbstbewusst sortenrein

Die Zeiten, als Kaiser Joseph II. Landwirte mit einer Medaille belohnte, wenn sie über 100 Obstbäume setzten, sind längst vorbei. Dafür entdecken immer mehr Genießer, die angesichts der Witze über „Mostschädeln“ und „Landessäure“ bisher einen Bogen um das Getränk machten, den Most für sich. Als alkoholarmer Speisenbegleiter findet er allmählich abseits der urigen Heurigen seine Freunde. Technisch verdankt sich diese Renaissance einer am Weinkeller orientierten Arbeitsweise: Temperaturgesteuerte Vergärung im Stahltank, aber auch das bewusste Zulassen von etwas Zucker sorgen für Qualität und Geschmack, die dem Zeitgeist entgegenkommen. Die nicht mehr über rabiate Säure definierten Fruchtweine neuen Zuschnitts stammen vermehrt aus einzelnen Apfel- oder Birnensorten. Auch diese reinen Braeburn-, Kronprinz-Rudolf- bzw. Pichlbirnenoder Speckbirnen-Moste zeugen von Selbstbewusstsein. Im Gegensatz zum gemischten, oft aus beiden Früchten bestehenden Most können sie um keine Geschmacksnuancen korrigiert werden. Umso erstaunter reagieren Kunden auf die leichten, aber ausdrucksstarken sortenreinen Füllungen.

Das Mekka des Mostes

Mit dem „Salon des Mostes“ unterstreicht man in der Schallaburg (siehe auch schau-Tipp) dieses neue Interesse am einstigen bäuerlichen Haustrunk. „Mit der Veranstaltung am 13. April 2014 stellen wir eindrucksvoll unter Beweis, dass das Mostviertel mit seinen regionalen Spezialitäten zur internationalen Spitze zählt“, verspricht Mag. Andreas Purt. Der Geschäftsführer des Mostviertel-Tourismus kann tatsächlich eine steigende Zahl von Gästen vorweisen, die sich dem Cidre, Cider oder Sidro verschrieben haben. Gianluca Telloli, der am Montblanc Schaumweine aus der alten Sorte Raventze produziert, gehört ebenso dazu wie Eric Bordelet aus der Normandie. /// april 2014


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