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Most wanted

„Most wanted“ in Niederösterreich

TEXT VON ROLAND GRAF

Von wegen „Landessäure“:

Die Festwochen und der Salon des

Mostes stellen Sortenraritäten und die Vielfalt in den Mittelpunkt. Denn längst sorgen Spezialitäten wie Schaumwein und Brände aus Apfel und Birnen für Furore.

DAS KELTISCHE ERBE zeichnet sich noch heute in Europas Trinkgewohnheiten ab: Wo einst die Stämme siedelten, trinkt man heute gerne Most. Spitzenreiter Irland (mit einem jährlichen ProKopf-Verbrauch von 20 Litern) bestätigt dies, ebenso die Begeisterung der Bretagne für den Cider. Und auch rund um die keltische Wehranlage in Schwarzenbach, hart an der burgenländischen Grenze, blüht die Mostproduktion. Die erste urkundliche Erwähnung des ObstweinKonsums in der Buckligen Welt verdankt sich dem Unmut des Erasmus von Puchenheim, der 1557 seinem Tagebuch anvertraute, dass sein Pfarrer lieber dem Most zusprach, als die Messe zu lesen.

Leitgeb = Most-Sommelier

Minnesänger Neidhart von Reuenthal schrieb bereits 1240 über das Getränk, das damals vom „Leitgeb“, wie der Most-Schenk mittelhochdeutsch hieß, ausgeschenkt wurde. Diese Berufsbezeichnung mag ausgestorben sein, die Mostheurigen hingegen blühen im südöstlichen Niederösterreich ebenso wie an der Grenze zu Oberösterreich. Das Mostviertel entdeckt das namensgebende Getränk in den letzten Jahren auch wieder als Besonderheit. Denn die über 100.000 Birnenbäume entlang der Moststraße prägen – europaweit einzigartig – das Getränk. Äpfel werden eher als Zusatz gesehen, da sie eine höhere Säure in den bevorzugt milden Most der Region einbringen.

Selbstbewusst sortenrein

Die Zeiten, als Kaiser Joseph II. Landwirte mit einer Medaille belohnte, wenn sie über 100 Obstbäume setzten, sind längst vorbei. Dafür entdecken immer mehr Genießer, die angesichts der Witze über „Mostschädeln“ und „Landessäure“ bisher einen Bogen um das Getränk machten, den Most für sich. Als alkoholarmer Speisenbegleiter findet er allmählich abseits der urigen Heurigen seine Freunde. Technisch verdankt sich diese Renaissance einer am Weinkeller orientierten Arbeitsweise: Temperaturgesteuerte Vergärung im Stahltank, aber auch das bewusste Zulassen von etwas Zucker sorgen für Qualität und Geschmack, die dem Zeitgeist entgegenkommen. Die nicht mehr über rabiate Säure definierten Fruchtweine neuen Zuschnitts stammen vermehrt aus einzelnen Apfel- oder Birnensorten. Auch diese reinen Braeburn-, Kronprinz-Rudolf- bzw. Pichlbirnenoder Speckbirnen-Moste zeugen von Selbstbewusstsein. Im Gegensatz zum gemischten, oft aus beiden Früchten bestehenden Most können sie um keine Geschmacksnuancen korrigiert werden. Umso erstaunter reagieren Kunden auf die leichten, aber ausdrucksstarken sortenreinen Füllungen.

Das Mekka des Mostes

Mit dem „Salon des Mostes“ unterstreicht man in der Schallaburg (siehe auch schau-Tipp) dieses neue Interesse am einstigen bäuerlichen Haustrunk. „Mit der Veranstaltung am 13. April 2014 stellen wir eindrucksvoll unter Beweis, dass das Mostviertel mit seinen regionalen Spezialitäten zur internationalen Spitze zählt“, verspricht Mag. Andreas Purt. Der Geschäftsführer des Mostviertel-Tourismus kann tatsächlich eine steigende Zahl von Gästen vorweisen, die sich dem Cidre, Cider oder Sidro verschrieben haben. Gianluca Telloli, der am Montblanc Schaumweine aus der alten Sorte Raventze produziert, gehört ebenso dazu wie Eric Bordelet aus der Normandie. ///

Äpfel mit Birnen vergleichen: Die Vielfalt der Most-Welt

Event MostFestWochen! im Mostviertel TIPP

Das Mostviertel in Niederösterreich lädt ab Freitag, 21. März zu den legendären MostFestWochen. Sieben Wochen lang beherbergt die 200 Kilometer lange Moststraße das Festival, bei dem das vielschichtige Getränk verdient im Mittelpunkt steht. Alle teilnehmenden Betriebe sind sehr gut über die A1 zu erreichen und wird die Tischreservierung dringend empfohlen. Die Birne hat sich im Mostviertel erfolgreichdurchgesetzt und so warten hier auf den Gast zahlreiche Köstlichkeiten wie Birnensuppe mit Mostelloschaum und Blunzentascherl.

MOSTFESTWOCHEN! Freitag, 21. März bis Samstag, 10. Mai im Mostviertel www.moststrasse.at

Birne zur Zigarre

„Bio-Obstdessertwein aus Birnen“ – was sperrig klingt, stellt die Veredelung von Birnen im Portweinstil dar. Die Gärung wird mit Destillat gestoppt, die Fasslagerung, mit der Josef Farthofer das Getränk abrundet, fügt die letzten Aromen hinzu. Bei der Führung durch die Mostelleria samt Verkostung (7 Euro) darf diese Edelvariante des Digestifs nicht fehlen. Farthofer selbst empfiehlt ihn als Zigarren-Begleiter.

Prickelndes Obst

Streuobstwiesen und Turopolje-Schweine liefern die Rohstoffe für Josef „Pepi“ Schwarz‘ Spezialitäten, denen er im Vorjahr in Bromberg einen modernen Ab-Hof-Laden eingerichtet hat. Der gemeinsam mit den Golser Schaumwein-Spezialisten Szigeti kreierte edle Frucht-Sekt „Unter dem Apfelbaum“ ist hier erhältlich, aber auch bei vielen Gastronomen der Region als Aperitif; für Abstinente gibt es feine Fruchtsaft-Cuvées.

Kaiserlich süß

Von der Hohen Wand stammt Andreas Mohr-Sederls moderne „Kaisermost“-Serie: Während „rudi“, sortenrein aus Kronprinz Rudolf-Äpfeln, und die Birnenvariante „sophie“ klassische, zum „Spritzen“ geeignete Moste darstellen, überrascht „sissi“. Durch Zugabe von Birnen-Holundersaft halbtrocken erinnert sie an rote Beeren. Eiskalt und mit ein paar Blättern Minze serviert, wird daraus der monarchische Hohe-Wand-Mojito.

Event Salon-fähig: Der Most-Feiertag TIPP

Zum zweiten Mal lädt die Schallaburg zum Salon des Mostes: Am Sonntag, den 13. April 2014, gibt es die Gelegenheit, Moste zu kosten und zu erstehen (für den Genießer-Nachwuchs gibt es die Kinder-Lounge mit Säften). Im Eintritt von 15 Euro ist der Besuch der Ausstellung „JUBEL & ELEND. Leben mit dem großen Krieg 1914–1918“ inkludiert. Die Kartenvorbestellung unter office@mostviertel.at zahlt sich aus. Schließlich wird unter allen Besuchern, die bis 6. April 2014 Karten bestellen, ein dreitägiger Kurzurlaub im Mostviertel verlost.

RENAISSANCE-SCHLOSS SCHALLABURG A-3382 Schallaburg 1 Tel. 02754/63170 www.schallaburg.at

Paul Lechner entdeckte am Ufer der Alten Donau ein Boot, dem er mit viel Hingabe und handwerklichem Geschick neues

Leben einhauchte. Fast eine Lebensaufgabe, denn repariert, abgeschliffen, lackiert und poliert werden muss immer, besonders jetzt, bevor die Segelsaison wieder startet.

Wie Mann sich ein Boot bastelt

TEXT: JUDITH JANDRINITSCH

NICHT ALLE Schätze schlummern in Schiffswracks verborgen am Meeresgrund und warten auf einen mutigen Entdecker, der sich in die Tiefe des Ozeans wagt, um sie zu bergen. Der Schatz kann vielmehr das Boot selbst sein, so wie die „Poseidon“, deren Besitzer mit dem kleinen Segelboot nichts anzufangen wussten und es dorthin brachten, wo es einst von Rudolf Slivka persönlich gebaut wurde: in die Werft von Slivkas Nachfahren. Dort lag es über 15 Jahre in einem Schuppen in seinem Dornröschenschlaf, bevor es Paul Lechner entdeckte und wachküsste. Der spürte Segelwind das erste Mal bei einem Törn, den er zu seinem 50. Geburtstag geschenkt bekam, und dieser Wind trieb ihn in die Segelschule Wien von Wolfganz Irzl – dem Enkel von Rudolf Slivka –, um selbst segeln zu lernen. Nach seinen bestandenen Prüfungen fehlte Paul Lechner nur noch ein schönes und funktionales Boot, um auf der Alten Donau segeln zu können.

Das Boot im Schuppen

In einem Gespräch mit Wolfgang Irzl fiel diesem plötzlich ein: „Du, Paul, ich hab’ da ein Boot im Schuppen, schau es dir mal an, ich glaube, das ist was für dich.“ Im Schuppen erblickte Lechner zuerst einmal nur Staub, doch als er begann, die Jolle von Schmutz und Spinnweben zu befreien, da begann das kleine Segelboot mahagonibraun zu schimmern. Das edle Holz, aus dem die Jolle gebaut war, zeigte seinen ganzen Glanz. Seit dieser Begegnung lässt die „Poseidon“ den mittlerweile passionierten Segler nicht mehr los. In seiner Freizeit unternimmt Paul Lechner alles, um das 1958 gebaute Schiff so makellos zu halten, wie es als Stolz der Werft Rudolf Slivka einst war.

Wochenenden gehören der „Poseidon“

Dazu investiert er viele Stunden seiner Freizeit nach Büroschluss, denn ein Vollholzboot stellt an seinen Besitzer andere Anforderungen als moderne Kunststoffboote, von Paul Lechner salopp als „Joghurtbecher“ bezeichnet. Die Devise heißt jetzt Unebenheiten und Risse abschleifen, lackieren und den Bootslack auf Hochglanz polieren. Nur die Segel und den Mast musste Lechner komplett durch neues Material ersetzen. „Es ist eben ein Boot für Bastler“, hält Paul Lechner fest. Seine erste Bastelarbeit war die Erneuerung der herausnehmbaren Fußbodenplanken, die alt und morsch waren. Die alten Planken wurden als Schablonen verwendet, Lechner fertigte den neuen Fußboden aus Mahagonivollholz. Mit kritischem Blick steht Paul Lechner jetzt nach dem Winter vor der Jolle, beäugt jeden noch

„Ich wollte ein schönes, funktionales Boot, um auf der Alten Donau in See stechen zu können.“

Paul Lechner über den Traum, der ihn zur „Poseidon“ geführt hat.

Noch liegt Paul Lechners „Poseidon“ im Winterschlaf. Nach einer ordentlichen Politur strahlt sie wieder, so wie am Bild rechts.

FOTOS: JUDITH JANDRINITSCH (3), PAUL LECHNER

so kleinen Riss, entscheidet dann, ob händisch mit dem Schleifpapier gearbeitet wird oder bei größeren Flächen doch lieber mit der Flex. Ästhet Lechner legt Wert auf liebe- volle Details, die natürlich auch alle aus Vollholz gearbeitet sind, wie z.B. die Pinne, in die Lechner der Länge nach Birkenholz einsetzen ließ, das sich deutlich vom dunklen Maha- goni abhebt.

Alle an Bord: vom Männer- zum Familienspielzeug

Also ist die Bootspflege die typi- sche Beschäftigung eines Mannes, der sein liebstes Spielzeug gefunden hat? „Ja klar ist die ‚Poseidon‘ ein Männerspielzeug“, gibt ihr Besitzer unumwunden zu, doch diese Fest- stellung trifft er mit einem Augen- zwinkern. Denn mittlerweile segeln auch seine Frau Susanne sowie Sohn und Tochter mit Begeisterung. Und die Damen der Familie Lechner sind in das Hobby von Paul Lechner voll eingebunden: Auch sie schleifen, la- ckieren und polieren. Belohnt wer- den sie dafür mit einem Boot, dem die bewundernden Blicke der an- deren Segler folgen, wenn die „Po- seidon“ auf der Alten Donau da- hingleitet – mit der Gewissheit, dass das Boot dort verankert bleibt, wo es einst gebaut wurde: bei den würdi- gen Nachfahren der Werft von Ru- dolf Slivka. ///