2007/04 – Frauen, wie gehts?

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Kulturprogr amme

Anstiftungen zur Demokratie Ideologische Grenzen zählen nicht: In der Auslandsarbeit wollen alle politischen Stiftungen dasselbe – Demokratie fördern

von Christine Müller Als weltweit einzigartige Einrichtungen gelten die deutschen politischen Stiftungen. Auf der einen Seite gehen sie mit den Grundsätzen ihrer „Mutterparteien“ konform. Auf der anderen Seite betonte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil von 1986 die satzungsmäßige und organisatorische Unabhängigkeit der Stiftungen. Diese ermöglicht ihnen bei der Arbeit im Ausland oftmals einen größeren Spielraum als den Botschaften, die sich vorsichtiger bewegen müssen. In Zeiten des weltweiten Zusammenwachsens erhalten auch Konflikte eine offensichtlicher internationale Dimension. Die politischen Stiftungen leisten dabei mit ihrer Auslandsarbeit einen nicht zu

unterschätzenden langfristigen Beitrag zur Konfliktprävention: Demokratieförderung ist das große Schlagwort, unter dem sich ihre Arbeit subsummieren lässt, das heißt Regierungs- und Parlamentsberatung, Parteienförderung, Stärkung der Zivilgesellschaft, Forschungsförderung. Als älteste der Stiftungen wurde die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) 1925 gegründet, die jüngste im Bunde ist die PDS-nahe RosaLuxemburg-Stiftung (RLS, gegründet 2000). Formalrechtlich gelten die Stiftungen als Nichtregierungsorganisationen (NRO). Größtenteils werden sie jedoch aus staatlichen Mitteln finanziert. Im Jahr 2005 belief sich der Gesamthaushalt der sechs Stiftungen auf

rund 356 Millionen Euro. Etwa die Hälfte des Etats fließt in die Auslandsarbeit der Stiftungen. Zehn Prozent hiervon finanziert das Auswärtige Amt, den Großteil aber das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung macht sich im Besonderen für Unternehmerverbände stark. Gewerkschaften und freie Medien werden von der FES unterstützt. Heinrich-Böll-Stiftung (Die Grünen) und RLS arbeiten vor allem mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammen. Rechtsstaatlichkeit wiederum steht im Zentrum des Engagements der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP). Die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) konzentriert sich auf den selbstständigen Mittelstand. Siehe auch: Dr. Miriam Egger, Die Auslandsarbeit der politischen Stiftungen zwischen Entwicklungs- und Transformationskontext – Eine Untersuchung der Tätigkeit der FriedrichEbert-Stiftung in Lateinamerika und Osteuropa – eine Studie zum organisationalen Lernen http://www.diss.fu-berlin.de/2007/98/

Was politische Stiftungen im Ausland bewegen. Nachgefragt in Brasilien: Reiner Radermacher, Friedrich-Ebert-Stiftung (FES): Wir sehen uns als Wissensvermittler.

Dr. Thomas Fatheuer, Heinrich-Böll-Stiftung (HBS): Es überrascht sicher nicht, dass wir

Es ist ja nicht so, dass wir eine Straße bauen, die dann nach einigen Monaten beendet ist. Unsere Arbeit ist langfristig angelegt. Wir brachten etwa das Staatsministerium für Jugendfragen und Vertreter von Jugendorganisationen zusammen, daraus entstanden Leitlinien zur Jugendpolitik.

den Arbeitsschwerpunkt Ökologie haben. Wir zeigen, dass es zu Großprojekten wie Staudämmen und Atomkraftwerken Alternativen gibt. Die Idee ist nicht, das Modell „grüne Partei“ in die Welt zu schicken. Wir arbeiten zu grünen Themen, aber wir machen keinen Parteiaufbau.

Rainer Erkens, Friedrich-Naumann-Stiftung (FNSt): Auf Grund unseres Budgets arbeiten

Dr. Wilhelm Hofmeister, Konrad-AdenauerStiftung (KAS), Rio de Janeiro: Ohne Parteien

wir nur mit Eliten, die bereits in Amt und Würden sind. Denn wir brauchen ja Leute, die das, was sie bei uns lernen, an andere weitergeben.

funktioniert Demokratie nicht, das heißt, es ist manchmal schwierig zu entscheiden, mit wem man zusammenarbeitet. Manche Vertreter der Regierung mussten vor einigen Jahren wegen korrupter Machenschaften ihr Amt niederlegen, heute sind sie wieder mit von der Partie. In Deutschland wird immer sehr stark in Rechts-Links-Kategorien gedacht. So etwas funktioniert hier nicht, das ist zu deutsch gedacht. An unseren Seminaren neh-

Kathrin Buhl, Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS):

Wir kooperieren vor allem mit NROs, oftmals mit solchen, die aus der Landlosenbewegung stammen.

Kulturaustausch 1v /07

men durchaus auch Personen teil, die in der „Partei der Arbeiter“ organisiert sind, die typischerweise eher FES-nah ist. Erkens (FNSt.): Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, die politisch links zu verorten sind. Die überlassen wir dann den Kollegen der FES, der HBB oder auch der RLS. Was sollte denen vermittelt werden? Von Privatisierung halten die nichts. Buhl (RLS): Wir würden, wie in Deutschland auch, nicht mit Gruppen zusammenarbeiten, die rassistische, sexistische oder demokratiefeindliche Inhalte vertreten. Die Kontakte zu den anderen Stiftungen sind gut. Erkens (FNSt.): Mit den Stiftungen sind wir immer in Kontakt. Wir kommen uns aber nicht ins Gehege, jeder hat seine Lieblingspartei, -NRO und auch Lieblingsthemen.

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