Richard Wagner in der zeitgenössischen Fotografie

Page 1

Braam

in der zeitgenössischen Fotografie

„Von mir kommt nie eine ordentliche Photographie zu Stande, und ich warte, bis sich einmal ein bedeutender Maler über mich hermacht!“ (November 1858)

Die ausführliche, reich bebilderte Einleitung stellt die Dokumente in den Kontext der frühen Portraitfotografie. Der Anhang illustriert, wie sich die Fotos schon zu Lebzeiten des Komponisten in den unter­ schiedlichsten Formen, bis hin zur Karikatur, verbreiteten.

„Wie die Rede vom Atelier war […], erwiderte er Mama, die ihn um Sitzung für sein Portrait bat, er wolle sich nicht mehr malen lassen, er sei mit der einen Photographie, trois quarts, zufrieden […]“ (Februar 1883)

ConBrio

ConBrio Verlagsgesellschaft CB 1244 · ISBN 978-3-940768-44-5

in der zeitgenössischen Fotografie

Zahlreiche Klapptafeln ermöglichen die Zusammenschau ganzer Auf­ nahmesitzungen und somit den Vergleich von Gesichtsausdrücken und Haltungen.

Gunther Braam

Richard Wagner

Erstmals werden sämtliche 68 Fotografien Richard Wagners in streng chronologischer Reihenfolge durchgehend farbig reproduziert, da­ runter auch eine erst kürzlich wieder aufgefundene stereoskopische Gruppenaufnahme der Familie.

Richard Wagner

ConBrio


Einleitung

Inhalt

Ehrentafel 7 Geleitwort von Eva Wagner-Pasquier GruĂ&#x;wort von Karl Russwurm

9 10

Einleitung 11 Danksagung 42 Chronologischer Katalog der fotografischen Bildnisse Richard Wagners

43

Anhang 133 Das Cosima-Album

209

Literaturverzeichnis 220 Bildnachweis 222 Personenregister 224 Zum Autor

227

Konkordanz 228

5


Einleitung

Geleitwort „Ich freue mich, dass dieser Bildband zum 200. Geburtstag unseres Ur-Großvaters erscheinen soll, und wünsche diesem Projekt jede nur denkbare Unterstützung, die ihm zuteilwerden kann.“ Mit diesen Worten lud ich zur Subskription des vorliegenden Buches ein. Dass der ursprünglich angepeilte Erscheinungstermin, das Wagner-Jahr 2013, nicht gehalten werden konnte, teilt dieses Projekt mit anderen, schmälert aber seine Bedeutung und seinen Wert in keiner Weise. Eine korrekte Gedenktag-Arithmetik ist kein Wert an sich. Eine andere Frage, als die nach dem Erscheinungsjahr, scheint eher berechtigt zu sein: Wagner in der Fotografie? Als mir Gunther Braam sein Projekt eines Bildbandes aller überlieferten Fotografien Richard Wagners erstmals vorstellte und mich um Unterstützung bat, zögerte ich nicht. Ich war mit seinem Katalog aller zeitgenössischen Portraits von Hector Berlioz gut vertraut und konnte daher bereits ahnen, was ihm vorschwebte. Als ich dann zum ersten Mal eine frühe Version des Buches als Layoutvorlage durchblättern konnte, war ich dennoch mehrfach überrascht: Zum einen über die ein oder andere Fotografie, die ich noch nie zuvor (oder noch nie so) gesehen hatte – etwa die frühe Aufnahme von Buchheister, oder die Stereoskopieaufnahme, auf der die ganze Wagner-Familie plötzlich dreidimensional auf der Gartentreppe der Villa Wahnfried zu stehen scheint –, obgleich mich die Portraits meines Ur-Großvaters natürlich begleiten, seit ich meine Umwelt bewusst wahrnehme. Zum anderen und vor allem aber über die neuartige Zusammenstellung bereits vertrauter Bilder in einer Dichte, der ich so zuvor noch nicht begegnet bin: Die Klapptafeln bieten die Möglichkeit, verschiedene Ausdrucksnuancen Wagners panoramaartig bequem vergleichen zu können, aber nicht nur das – sie animieren den Betrachter geradezu, selbst aktiv zu werden und Richard Wagner, in verschiedenen Konstellationen, mit sich selbst in Dialog treten zu lassen. Und schlägt man manche Seite etwas schneller um, kann man fast den Eindruck gewinnen, er würde sich bewegen. Das vorliegende Buch ist aber mehr als nur ein reiner Bildband. Der Betrachter und Leser erhält in einem mit Beispielen reich bebilderten Anhang Hinweise auf unterschiedlichste Rezeptionsgeschichten einzelner Fotografien sowie weitere, mitunter überraschende Informationen. In der ebenso üppig illustrierten Einleitung hingegen werden einzelne Aspekte der frühen Portrait-Fotografie beleuchtet, die dann im Katalogteil wieder aufgegriffen werden. Dass dazu viele von Wagners KomponistenKollegen ins Bild gerückt werden, mag mit dazu beitragen, unser eigenes Bild von Wagner wieder mehr im Kontext seiner Zeit zu platzieren und damit dieses ein wenig zurechtzurücken. Und dass Wagner selbst sich über manche auf diesen Seiten stattfindende Begegnung wundern würde, steht zu vermuten … In diesem Buch werden erstmals alle 68 überlieferten Fotografien, die Richard Wagner zeigen, in streng chronologischer Folge durchgehend in Farbe abgebildet. Ich möchte allen Unterstützern herzlich danken, die dazu beigetragen haben, dass dieser Bildband in dieser Ausstattung erscheinen kann. Eva Wagner-Pasquier Bayreuth, den 22. Mai 2015

9


Einleitung

Grußwort Die unfassbare Anzahl von 3,5 Billionen Bildern soll es derzeit bereits auf der Welt geben. Die stürmische Entwicklung der digitalen Techniken brachte die stete Verfügbarkeit von Aufnahmen und beeinflusst heute zunehmend unser Leben. Dabei ist es den Menschen erst seit gut 175 Jahren überhaupt möglich, Augenblicke, Stimmungen und Gesichter in Fotografien dauerhaft festzuhalten und zu dokumentieren. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – und damit in der ersten Hälfte von Wagners Lebenszeit – hingegen war eine fotografische Aufnahme noch eine Rarität und bestaunte Neuerung. Portraitmaler hatten bis dahin ein gutes Auskommen und konnten das Abbild des jeweiligen Modells subjektiv gestalten und ins rechte Licht rücken. Mit dem Beruf des Daguerreotypisten und später des Fotografen erlebte daher übrigens auch das Handwerk des Retuscheurs seine Blüte. Und heute bringt jeder Computer-Amateur Manipulationen durch Bildgestaltung in wenigen Minuten zustande. In den ersten 30 Jahren des neuen Mediums der Papierfotografien, in denen die Aufnahmen des vorliegenden Buches entstanden sind, spielten Verstellungen und Bild-Arrangements freilich noch eine untergeordnete Rolle. Somit bietet sich uns nun eine neue Chance, dem Jahrhundertgenie Richard Wagner in die Augen zu blicken und Zusammenhänge emotional neu zu bewerten. Der Vorstand des Richard Wagner Verbandes München e.V. freut sich sehr, dass er den Herausgeber Gunther Braam sowie Juan Martin Koch vom ConBrio Verlag unterstützen durfte, diesen außerordentlich wichtigen Band in die Welt zu bringen. Ihnen gilt unser Dank. Der Wagnergemeinde wünschen wir viel Genuss – ausnahmsweise einmal bei der ausschließlich visuellen Beschäftigung mit dem Bayreuther Meister. Karl Russwurm Vorsitzender Richard Wagner Verband München e.V.

10


Einleitung

Einleitung Warum sollte man sich mit den Fotografien von Richard Wagner beschäftigen? Zunächst ist dies eine Sache der Betonung: „Warum sollte man sich mit den Fotografien von Richard Wagner be­schäf­t i­gen?“ So gestellt ist die Frage eigentlich einfach zu beantworten. Nach gründ­li­cher Selbst­er­for­schung habe ich einen Artikel über die erhaltenen Portraits von Giacomo Mey­er­beer ein­ge­lei­tet, indem ich ver­suchte, ganz allgemein eine Rechtfertigung der Beschäftigung mit Kom­ponisten-Iko­no­gra­phien zu geben. Damals gipfelte dies in der Erkenntnis, man könne damit dazu bei­tragen, dem Wah­ren, Schö­nen, Guten zum Durchbruch zu verhelfen. Heute, sechs Jahre später, würde ich den Sachverhalt weniger pathetisch (ob­gleich schon da­mals au­gen­zwin­kernd), aber auch weniger apologetisch darstellen. Die Antwort ist schlicht: „Weil es sie gibt.“ Aber selbst wenn man sich diese Meinung zu eigen macht, hat die Frage dennoch, aber anders betont, ih­re Berechtigung: „Warum sollte man sich mit den Fotografien von Richard Wagner beschäftigen?“ Nun: Einerseits werden sie häufig als Illustrationen benutzt, andererseits sind die begleitenden Bildlegenden oft fehlerbehaftet. Die Antwort lautet also: „Weil es an der Zeit ist.“ Das vorliegende Buch war ursprünglich als Bildband geplant, der – analog zu meinem Katalog al­ ler Portraits von Hector Berlioz – alle überlieferten Portraits von Richard Wagner in chronologischer Rei­henfolge enthalten sollte, also auch Fotografien, aber ebenso Gemälde, Zeichnungen, Druck­gra­fi­ ken, Büsten und Karikaturen, unabhängig ob nach der Natur oder nach anderen Portraits angefertigt, so­lange sie nur zu Lebzeiten des Komponisten entstanden sind oder veröffentlicht wurden. Nachdem ich dieses Projekt über mehrere Jahre aktiv verfolgt und dabei mehrmals das Na­ti­o­nal­­archiv der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth aufgesucht hatte, wo Frau Dr. Gudrun Föttinger zusammen mit mir den Ge­samt­be­stand der dort aufbewahrten zeitgenössischen Bildnisse durchgesehen hatte, nahm der Verlag, der bis dahin das Projekt betreut hatte, nach drei Jahren intensiver Zusammenarbeit im November 2011 plötz­lich und überraschend Abstand. Als das Projekt dann glücklicherweise im ConBrio Verlag eine neue Heimat fand, war die Zeit bereits so weit fortgeschritten, dass an einen Abschluss der Arbeiten bis zum Jahr 2013, wie ursprünglich geplant, nicht mehr zu denken war – es sei denn, der geplante Um­fang würde inhaltlich drastisch reduziert, indem man sich nur auf eine Bildgattung, etwa die Fo­to­gra­fie, beschränkte. Und so geschah es auch. Dass sich die Arbeiten dann doch bis in das Jahr 2015 hin­zogen, war einzig in der lange Zeit ungesicherten Finanzierung begründet, da hier nach dem Ver­lagswechsel bei Null begonnen werden musste. Vorgänger Bildliche Darstellungen Wagners sind weit verbreitet und werden in der Literatur seit jeher als Illustrationen ver­wen­det, allerdings – in Textbänden – meist nur als Zugabe, die nicht wesentlich ist, oder – in Bild­bän­den – ver­mischt mit anderen Abbildungen, etwa Noten-, Libretto- und Brief-Faksimiles, Büh­nen­bild­ent­w ür­fen, Figurinen, Landschafts-, Stadt- und Gebäudeansichten oder Portraits von Menschen aus Wagners Umkreis.1 Die unterschiedliche Bedeutung, die dabei den fotografischen Portraits Wag­ners zukommt, sei an sechs Beispielen von Bildbänden illustriert, die in ihrer jeweiligen Zeit maß­geb­lich und weit verbreitet waren. Sie wurden im Deutschen Reich, in der Schweiz, in Öster­ reich, in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bun­des­republik Deutschland (vor und nach der Vereinigung) verlegt: · Julius Kapp, Richard Wagner. Sein Leben, sein Werk, seine Welt in 260 Bildern (Berlin) 1933 · Robert Bory, Richard Wagner. Sein Leben und sein Werk in Bildern (Frauenfeld, Leipzig) 1938 · Herbert Barth, Dietrich Mack, Egon Voss, Wagner. Sein Leben, sein Werk und seine Welt in zeitgenössischen Bildern und Texten (Wien) 1975 · Martin Gregor-Dellin, Richard Wagner. Eine Biographie in Bildern (München, Zürich) 1982 · Esther Drusche, Richard Wagner (Leipzig) 1983 · Udo Bermbach, Richard Wagner. Stationen eines unruhigen Lebens (Hamburg) 2006 1

Vgl. hierzu den Abschnitt „Zur Geschichte der Wagner-Ikonografie“ (S. 147–148) in Föttinger.

11


Einleitung

Abb. 14 Charles Gounod Fotografie (carte-de-visite), Pierre Petit, Paris, vor 1866.

Abb. 15 Jacques-Fromental-Élie Halévy Fotografie (carte-de-visite), Pierre Petit, Paris, vor 1862.

Abb. 16 Julius Benedict Fotografie (carte-de-visite), The London Stereoscopic & Photographic Company, London, vor 1873.

Abb. 17 Charles Gounod Fotografie (carte-de-visite), The London Stereoscopic & Photographic Company, London, wahrscheinlich zwischen 1873 und Mai 1874.

28


Einleitung

Abb. 18 Félicien David Fotografie (carte-de-visite), Pierre Petit, Paris, vor dem 14. August 1862.

Abb. 19 Hector Berlioz Fotografie (carte-de-visite), Pierre Petit, Paris, vor dem 28. Mai 1863.

Begegnungen Verfügten die großen Ateliers auch über einen angemessenen Fundus an Requisiten, so kamen auf den hunderten Fotografien, die monatlich in einem einzelnen Atelier angefertigt wurden, doch immer wie­der die gleichen Gegenstände zum Einsatz – zumal, wenn der Dargestellte keine besonderen An­sprü­che an das ihn umgebende Dekor stellte. Dies ermöglicht zum einen heute mitunter die Zuordnung von Fotografien, die ohne Atelier-Adresse überliefert sind, zum richtigen Atelier; zum anderen ergeben sich daraus interessante virtuelle „Begegnungen“ von Menschen, die sich zwar zu verschiedenen Zeit­punkten, aber doch am gleichen Ort, mitunter sogar auf dem selben Stuhl sitzend, fotografieren ließen. Es wäre eine eigene Studie wert, zu untersuchen, wer sich alles im Laufe der Jahre auf den in Abb. 3, 4 und 5 sichtbaren Säulenstumpf des Ateliers Nadar aufgestützt hat … Drei solcher „Begegnungen“ sind hier illustriert: Abb. 14 und Abb. 15: Charles Gounod und Jacques-Fromental-Élie Halévy (1799–1862) stützen sich auf den selben Stuhl im Atelier Pierre Petit in Paris. Abb. 16 und Abb. 17: Julius Benedict (1804–1885) und Charles Gounod posieren vor dem selben Klavier im Studio der Stereoscopic & Photographic Company in London. Abb. 18 und Abb. 19: Félicien David stützt sich im Atelier Pierre Petit auf den Stuhl, auf dem Hector Berlioz Platz genommen hat. Zwei solcher Begegnungen Wagners sind im Anhang auf S. 164/165 und auf S. 166/167 dokumentiert.

29


Katalog Nachdem Richard Wagner am 24. Oktober 1867 die Partitur von Die Meistersinger von Nürnberg be­ en­det hatte, gönnte er sich eine Woche Urlaub: Am 28. Oktober 1867 bestieg er um 5 Uhr in der Frühe den Zug nach Paris, wo er um 21.30 Uhr abends eintraf. Unter anderem besuchte er dort mehrere Stun­den lang die Weltausstellung und ließ sich im Atelier von Pierre-Louis Pierson fotografieren. In den Annalen hielt er da­zu fest: „Ausstellung: Schulkinder; Schmetterlinge. Einkäufe: Pottograph [sic!].“122 Am 3. No­vember ver­ließ Wagner Paris mit dem Nachtzug Richtung Luzern, wo er am 4. November 1867 um 13.30 Uhr ein­traf. Das von den beiden Brüdern Léopold-Ernest und Louis-Frédéric Mayer und Pierre-Louis Pierson (1822–1913) durch Fusion ihrer beiden Ateliers 1855 geschaffene Atelier Mayer frères & Pierson, Bou­ levard des Capucines, 3 („Photographes de S. M. l’Empéreur“) wurde bevorzugt von der ge­ho­be­nen Gesellschaft aufgesucht; Künstler und Journalisten hingegen gingen eher zu Nadar oder Carjat. Ab März 1864, nach dem Ausscheiden der Brüder Mayer, wurde es von Pierson alleine weitergeführt, von 1874 bis 1876 dann zusammen mit seinem Schwieger­sohn Gaston Braun (1845–1928), bis es 1876 von Adolphe Braun et Cie aufgekauft wurde. Glück­licherweise blieb das Verzeichnis erhalten, in dem sämtliche rund 75.900 Clichés aufgelistet sind, die bis 1884 im Atelier Pierson und seinen Vorläu­ fern angefertigt wurden. Es ist alphabetisch nach Nachnamen untergliedert, und in der Liste der im Französischen ty­pi­scherweise zusammengefassten Buchstaben V und W findet man zweimal, direkt untereinander, den Ein­trag „Wagner, Richard“, zuerst Cliché-Nummer 57.178, dann 57.179 zugeord­ net.123 Von diesen bei­den Clichés sind Glasnegative erhalten, in einem Fall wohl sogar das OriginalNegativ von 1867. Aber hier beginnen leider auch die Probleme: Im Musée Unterlinden in Colmar, wo der Fonds des Ateliers Pierson/Braun aufbewahrt wird, sind nicht nur zwei, sondern vier verschiedene Aufnahmen, in mehrfachen Exemplaren, teils als Ne­ga­tiv, teils auch als Positiv, überliefert. Die hier gezeigten Katalognummern 34 bis 37 sind Abzüge, die von Christian Kempf speziell für das vorliegende Buch mit den Me­tho­den des 19. Jahrhunderts von den im Musée Unterlinden aufbewahrten Glasnegativen angefertigt wurden: · Katalognummer 34 zeigt einen Abzug des originalen Kollodium-Glasnegativs. (ADHR 6 Fi Caissette no. 260 / 170 III)124 Cliché-Nummer: wohl 57.178 · Katalognummer 35 zeigt einen Abzug nach einem Duplikat (Silberbromidgelatine) des ori­ ginalen Glasnegativs (ADHR 6 Fi Caissette no. 261 / 328). Cliché-Nummer: wohl 57.178 · Katalognummer 36 zeigt einen Abzug nach einem Duplikat (Sil­ber­bro­mid­gelatine) des origina­ len Glasnegativs (ADHR 6 Fi Caissette no. 260 / 170 I). Rechts oben die (angeschnittene) ClichéNummer (wohl 57.179) · Katalognummer 37 zeigt einen Abzug nach einem Duplikat (Sil­ber­bro­mid­gelatine) des origina­ len Glasnegativs (ADHR 6 Fi Caissette no. 260 / 170 II). Rechts unten die Cliché-Nummer 57.179 Wa­rum wurden nur die beiden Aufnahmen, die Wagner im normalen Straßenanzug zeigen, von Pier­ son auf der Platte selbst mit der Cliché-Nummer versehen, die beiden im „alt­deut­schen“ Kostüm mit Barett jedoch nicht? Folgende zwei Szenarien sind denkbar: Ein­getaucht in die Meistersinger-Welt ließ sich Wagner in Luzern im häuslichen, alt­deut­schen Kos­tüm fotografieren, war aber mit den teilweise unscharfen Freilichtaufnahmen Nr. 31 bis 33 nicht zufrieden und … (1) … ließ sich deshalb von Bonnet auch noch in dessen Atelier in Luzern fotografieren. Die im Studio auf­genommenen Bonnet-Portraits nahm Wagner mit nach Paris, ließ sich bei Pier­son erneut im nor­ ma­len Anzug fotografieren, aber auch von den Luzerner Aufnahmen Kopien an­fertigen. Da es sich 122  DBB, S. 147. Die in Wagners Autograph eindeutig entzifferbare Schreibweise „Pottograph“ teilt er mit Meyerbeer, der des Öfteren die Orthografie „Potograph“ benutzte (siehe Braam 2005). 123  Die Tatsache, dass diese Einträge unter „Septembre“ in der Spalte 1867 angeführt sind, liegt daran, dass in der Monatsspalte vergessen wurde, den Monat „Octobre“ anzuschreiben: Ein Vergleich der Cliché-Nummern in den Listen der anderen Buchstaben des Alphabets hat ergeben, dass der dem Monat Oktober 1867 zugeordnete Be­reich der Cliché-Nummern mit 56.951 beginnt und bei 57.181 aufhört. Die Nummern Wagners gehören also ein­deutig dem Ende des Monats Oktober 1867 an, was mit seinem Aufenthalt in Paris übereinstimmt. Herrn Chris­ti­an Kempf sei für die Überprüfung dieser Angaben ganz herzlich gedankt. 124  Am oberen Bildrand schließt zudem der untere Teil der Po­se von Katalognummer 35 an.

92


Katalog

Abb. 85 | Katalognummer 35 | Richard Wagner Abzug nach einem Glasnegativ, Pierre-Louis Pierson, Paris, zwischen 29. Oktober und 3. November 1867.

95


Katalog

Katalog

Katalog

Abb. 131 | Katalognummer 1 | Fotografie (carte-de-visite), Pierre Petit, Paris, Abzug 1860er Jahre.

Abb. 130 | Katalognummer 1 | Fotografie, Pierre Petit & Trinquart, Paris, zwischen 12. September 1859 und 2. Februar 1860 Exemplar der Bibliothèque nationale de France, Paris.

Abb. 130 zeigt einen großformatigen Abzug von Katalognummer 1, wie Wagner ihn seinen Freunden und Bekannten hätte zukommen lassen können – wenn er mit der Aufnahme nur zufriedener gewesen wäre (siehe S. 45). Wie bei den großformatigen, zur repräsentativen Rahmung vorgesehenen Abzügen je­ner Zeit üblich, hat der Fotograf das Portrait handschriftlich signiert (hier unten rechts im Passe­par­tout). Das hier gezeigte, in der Bibliothèque nationale de France in Paris aufbewahrte Exemplar ist von er­staun­li­cher Qualität und Schärfe. Wagner dürfte nicht all­zu viele Exemplare der Fotografie wie in Abb. 130 gezeigt bei Petit bestellt haben, alleine schon aus Kos­tengründen; eventuell hat er auch nur eines seinem Pariser Verleger Flaxland zukommen lassen. Die­­­ser wird es dann an die illustrierte Presse weitergeleitet haben, damit Artikel über Wagner von des­sen Portrait begleitet werden konnten. Darauf deutet zumindest die folgende Bildlegende aus der Aus­ga­be der französischen illustrierten Zeitschrift Musée des familles vom April 1860 hin (siehe Abb. 133): „Portrait de Richard Wagner. Dessin d’Ed. Morin, d’après une photographie communiquée par M. Flaxland.“ Mit Ausbruch der „cartomanie“, dem Sammeln von carte-de-vi­site-Fotografien von Berühmtheiten, ab 1861 bot Petit natürlich auch von Wagners Portrait Abzüge im neuen Format an, die von Jedermann erworben werden konnten (siehe Abb. 131). Wie bereits auf Seite 47 erwähnt ist es eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet jene Fotografie von Pierre Petit, die Wagner nicht zusagte, über mehr als zehn Jahre hinweg in Frankreich das von ihm am häufigsten publizierte Portrait war. Auf den folgenden 17 Seiten folgen 18 Holzstiche und Lit­ho­gra­phien, die Katalognummer 1 als Vorlage hatten und die – mit vier Ausnahmen aus England, Deutsch­land, Ita­li­en und Belgien – alle in Paris in Zeitungen oder als Buchillustrationen erschienen sind. [Lässt man Seite 141 ausgeklappt, ist beim Durchblättern der Seiten 143 bis 159 der direkte Vergleich mit der originalen Fotografie möglich.]

141

142


Anhang

Abb. 132 | nach Katalognummer 1 | Holzstich von Louis-Paul-Pierre Dumont nach einer Zeichnung von Edmond Morin in: Le Monde illustré (Paris), 4. Februar 1860 (vgl. Abb. 135 und 145).

143


Zum Autor

Der Autor beim Betrachten von Katalognummer 66 und 67 im Nationalarchiv der Richard-WagnerStiftung, Bayreuth Foto: Gudrun Föttinger

Zum Autor Gunther Braam ist Mitherausgeber von Hector Berlioz in Deutschland. Texte zur deutschen BerliozRezeption (2002), Berlioz, Wagner und die Deutschen (2003), Autor von The Portraits of Hector Berlioz (2003) und Herausgeber der Memoiren von Berlioz (2007). Einen Schwerpunkt seiner Arbeit bilden die Ikonographien französischer Komponisten. Unter seiner Leitung entstanden Partitur-Neuausgaben von Werken Offenbachs, Davids und Méhuls. Er unterrichtet Mathematik und Physik am Pestalozzi-Gymnasium in München.

227


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.