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Die Gründer-Generation von 2011

WOLFGANG DILLER, SEBASTIAN STICH & LARS MEISENBACH

Zwei Jahre nach dem Studium an der Hochschule Coburg gründete Lars Meisenbach zusammen mit drei Kommilitonen die HighTech-Firma BestSens AG. An die zehn Jahre ist das jetzt her und bereut hat er es nie. Aber hart war's manchmal schon.

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Hinter dem Unternehmen BestSens AG steckt eine dieser Geschichten, die auf besondere Weise mit der Hochschule Coburg und der Region verbunden sind. Vor über zehn Jahren kamen vier junge Ingenieure am Institut für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) zusammen. Sie waren wissenschaftliche Mitarbeiter, hatten ihren Abschluss frisch in der Tasche und die Köpfe voller Ideen. Eine war bahnbrechend - nicht im Alltag der Menschen, aber in speziellen Bereichen des Maschinenbaus und der Prozessindustrie. Die vier Coburger Hochschulabsolventen hatten die "aktive Ultraschalltechnologie" entwickelt. Damit lässt sich in Großmaschinen der Schmiermittel- und Lagerzustand von Wälzlagern digital überwachen. Einfach durch Sensoren, ohne dass jemand Hand anlegen muss. Es war ein frühes Beispiel für konkret nutzbare Industrie 4.0 zu einer Zeit, als die Industrie selbst gerade erst anfing, über die Digitalisierung der Produktion nachzudenken. Lars Meisenbach, damals einer der jungen Ingenieure, erklärt die Technik mit einem Vergleich. "Vor Jahren war es beim Auto noch so, dass es stehen geblieben ist, wenn etwas kaputt war. Warum, wusste man nicht". Das hat sich längst geändert. "In modernen Fahrzeugen messen viele Sensoren. Wenn etwas nicht stimmt, geht ein Warnlicht an und man lässt das Problem in der Werkstatt beseitigen." So intelligent sind durchschnittliche Industriemaschinen noch nicht. Sie bleiben wie alte Autos manchmal einfach stehen. Mit der "aktiven Ultraschalltechnologie" lassen sich solche ungeplanten Produktionsausfälle verhindern. Die Patente darauf sind Grundlage der BestSens AG. Lars Meisenbach ist heute einer der Vorstände einer Aktiengesellschaft.

GRÜNDER MÜSSEN VIEL LERNEN

Im Jahr 2011 war aus dem ISAT heraus zunächst eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes gegründet worden, bevor im Januar 2012 die heutige AG an den Start ging. "Wir haben zu viert angefangen und noch Aktionäre dazu genommen, um genug Kapital zusammen zu bekommen. Aber wir sind nicht börsennotiert - wir wissen genau, wem das Unternehmen gehört." Als großen Vorteil dieser Rechtsform sieht Meisenbach den Aufsichtsrat: "Mit Bernhard Höfer als Wirtschaftsprüfer, Martin Kapp als erfahrenem Unternehmer und Uwe Höhn als Marketingexperten haben wir Fachleute aus Coburg an der Seite, die uns von Anfang an super beraten haben." Ein Gründer muss alles machen. Elektrotechnik-Ingenieur Meisenbach ist zuständig für Marketing, Vertrieb und Personal. "Jahresabschluss, der ganze betriebswirtschaftliche Teil, das sind so Sachen" - als er das ausspricht, muss er lachen - "als technischer Gründer muss man die einfach mal schnell dazulernen." Er erzählt von ersten wichtigen Aufträgen, die sie von den Coburger Unternehmen Lasco und Kapp bekommen hatten. Und davon, dass ein anderer Unternehmensstandort als Coburg nie zur Diskussion stand. Ein Grund war, dass die Hochschule die jungen Ingenieure bei der Ausgründung unterstützte. So bekamen sie auch das EXIST-Stipendium des Bundeswirtschaftsministeriums für Existenzgründer aus der Wissenschaft. Aber

„Wir haben 13 Mitarbeiter, das sind alles Absolventen der Hochschule Coburg.“

Meisenbach wollte auch nie weg. Während des Studiums hat er Erfahrungen außerhalb der Region gesammelt, ein Industriepraktikum hat er sogar in Südafrika gemacht - aber Coburg dauerhaft zu verlassen, war kein Thema. "Ich bin hier geboren und habe zahlreiche Verbindungen hier. Genau wie die anderen." Wolfgang Diller, im Vorstand verantwortlich für Forschung & Entwicklung sowie Produktion, kommt ursprünglich aus dem Bamberger Raum und Vorstandsvorsitzender Sebastian Stich aus Neumarkt. Der vierte Gründer stammt aus dem Landkreis Haßberge. "Ihn haben wir in schwierigen Zeiten leider verloren", sagt Meisenberg. "Er ist in die Industrie gegangen." Dem ersten Hype, in dem das kleine HighTech-Startup mit Lob und Auszeichnungen überschüttet worden war, folgte drei, vier Jahre nach der Unternehmensgründung eine Phase, in der es "immer mal eng" wurde. "Wir mussten überlegen, wie es weitergeht." Manche Pläne waren nicht aufgegangen. Aber den Weg in die Selbstständigkeit habe er nie bereut. "Ich habe so viele Erfahrungen gemacht. Dadurch habe ich immer das Gefühl, dass ich die Welt mit anderen Augen sehe als andere. Mir hat das viel für meine persönliche Weiterentwicklung gebracht", er zögert, fügt nachdenklich hinzu: "Und ja: einfach auch Freude."

SMARTE TECHNIK, SMARTER TYP

Die BestSens AG richtete sich in der schwierigen Phase neu aus und wird langsam profitabel: Seit 2016 hat sich der Umsatz jedes Jahr verdoppelt. Inzwischen geht es nicht mehr nur um Wälzlager; das Unternehmen hat Sensoren, Elektronik und Software zur Überwachung verschiedener Maschinenteile entwickelt. Internationale Kunden werden zunehmend wichtig. "Das sind Entwicklungen, die wir bei der Gründung nie erwartet hätten. Deutschland ist technisch auf dem Stand der Industrie 3.0, da ist der Druck nicht so groß, noch einen draufzusetzen. Aber in Südamerika zum Beispiel ist die Automatisierung nicht so schick. Wenn die jetzt etwas Neues anschaffen, dann gleich 4.0-Standard." Die Coburger lieferten ihre Produkte in den vergangenen Jahren an südamerikanische Ölraffinerien. Auch mit Saudi-Arabien gab es Gespräche. Durch Corona ist zwar der Ölpreis eingebrochen und damit in diesen Ländern vorerst auch die Investition in neue Technologien - aber Maschinenüberwachung für Pumpensysteme sind ein internationaler Wachstumsmarkt. "Wir machen die Maschinen intelligent", sagt der Ingenieur und ist dabei ganz in seiner Rolle als Marketing-Beauftragter. Ein smarter Typ, der Hemd trägt. Keine Krawatte. "Und wir haben auch einen ganz tollen Referenzkunden hier vor Ort: die Fernwasserversorgung Oberfranken mit ihren hydraulischen Pumpaggregaten, die das Wasser aus der Ködeltalsperre in die Hochspeicher pumpen." Die Verankerung in der Region tut dem Unternehmen gut. Und umgekehrt: Lars Meisenbach war beispielsweise Jurymitglied beim Startup-Wettbewerb "Pitch & Beer" der Gründerinitiative Zukunft.Coburg.Digital. "Das mache ich gern, wir haben die Initiative ja auch mitgegründet", sagt Meisenbach. Auch die heutige Studierendengeneration der Hochschule profitiert vom Engagement der Firma: Es gibt immer wieder Praxissemester, Abschlussarbeiten, Werksstudierendenverträge - und insgesamt vielfältige Verbindungen: "Wir haben 13 Mitarbeiter", sagt Meisenbach, "das sind alles Absolventen der Hochschule Coburg." Text: Natalie Schalk

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