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Operation Umweltschutz
In Lichtenfels wurde 2018 der modernste Krankenhausneubau Bayerns eröffnet: Das "Green Hospital" soll nicht nur patienten-, sondern auch umweltfreundlich sein. Wissenschaftlich begleitet wird das Vorzeigeprojekt des Freistaates von Prof. Dr. Manfred Casties im Rahmen der TechnologieAllianzOberfranken (TAO).
Wenn ein Patient im Klinikum Lichtenfels das Fenster öffnet oder die Heizung hochdreht, dann wissen das 25 Kilometer entfernt in der Hochschule Coburg auch Prof. Dr. Manfred Casties und sein Mitarbeiter Dipl.-Ing Alexander Pabst. Zumindest theoretisch - sie bekommen Informationen über nahezu alles, was sich bei den Energieanlagen tut: "Wir haben im Klinikum circa 1.200 Datenpunkte, die uns Messwerte wie Temperaturen und Wärmemengen liefern", erklärt Casties, "aber auch so etwas wie Durchflüsse, Wasserverbrauch, Stromverbrauch." Mindestens im Viertelstundentakt messen die Zähler in Patientenzimmern, Operationssälen und an Großgeräten wie Kernspintomographen. Etwa vier Millionen Daten werden so jeden Monat an die Hochschule übertragen. Einzeln betrachtet würden sie zum Beispiel Auskunft darüber geben, wo und wann ein Fenster geöffnet wurde. Aber die Forscher sehen das komplexe System des Klinikums als Ganzes. Ihr Monitoring zeigt den Ressourcenverbrauch. Und ob das Gebäude so energiesparend funktioniert, wie es geplant war. Das Regiomed-Klinikum in Lichtenfels bezeichnet sich als das ökologischste Krankenhaus Deutschlands und war mit seinem umfassenden Konzept das erste seiner Art: ein "Green Hospital", wie es künftig im Freistaat Standard werden soll.
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EIN GEBÄUDE MIT BESONDEREN ANFORDERUNGEN
Ökologisch, nachhaltig und ressourcenschonend: So werden moderne Wohnhäuser gebaut. Aber auch Krankenhäuser? Casties, Professor für Gebäudetechnik, Energieanalyse und -optimierung von Gebäuden, hat
sich schon vor über einem Vierteljahrhundert beim Berliner Rudolf-Virchow-Krankenhaus intensiv mit diesem speziellen Gebäudetyp beschäftigt. Die Anforderungen haben zunächst einmal nichts mit Umweltschutz oder Energieeffizienz zu tun. "Zur Sicherheit lässt man da Systeme mitlaufen, die nicht gebraucht werden. Damit - wenn irgendwas ausfällt - der Patient an der Herz-Lungen-Maschine trotzdem weiteratmen kann", sagt der Professor. "Wir wollen keine Krankenhäuser, die Energie sparen, sondern Krankenhäuser, die uns gesund machen." Aber es gibt Bereiche, die sehr gut optimiert werden können: Die Bettenstation sieht der Gebäudetechniker wie ein Hotel. Sie kann energieeffizient arbeiten. Fortschrittliche Wärmedämmung, Verglasung und Belüftung sparen Energie und Kosten, auch Heizungssysteme und Stromerzeugung können nachhaltig sein, wenn sie wie in Lichtenfels aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Das Beleuchtungskonzept mit LEDs benötigt im Vergleich zu anderen Kliniken nicht einmal die Hälfte an Energie, außerdem wurden umweltschonende Materialien verarbeitet. Der Neubau soll eine Wohlfühlatmosphäre bieten, aber eben auch Natur und Finanzen schonen. Bei der Eröffnung 2018 sagte die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml: "Nur umweltbewusst wirtschaftende Krankenhäuser werden auch in Zukunft medizinische Spitzenleistung zu vertretbaren Kosten erbringen können."
ZUSAMMENARBEIT FRÄNKISCHER FORSCHER
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass sich eine Sanierung des alten Helmut-G.-Walther-Klinikums in Lichtenfels wirtschaftlich nicht rentiert, beschloss der Freistaat vor gut zehn Jahren den umfassend als "Grünes Krankenhaus" angelegten Neubau zu fördern. Planerisch, baulich und betrieblich wurde das Konzept auf Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtet. Von 116 Millionen Euro Gesamtkosten finanzierte das Land gut 80 Millionen, zehn Prozent davon flossen in die "Green Hospital Initiative" und davon wiederum 400.000 Euro in die wissenschaftliche Begleitung des Projekts. Als Forschungsverbund der Hochschulen Coburg und Hof und der Universität Bayreuth übernahm die TechnologieAllianzOberfranken (TAO) ab 2015 Planung, Aufbau und Durchführung eines Energie- und Anlagenmonitorings für den Neubau des Klinikums. Nicht beteiligt ist diesmal die Universität Bamberg, die ansonsten als vierter Partner zur TAO gehört. Die Allianz ermöglicht den Hochschulen Kooperationen in vielen Bereichen. Davon profitieren Studierende, Wirtschaft und Industrie in der Region - und in diesem Fall weit darüber hinaus: Die Erfahrungen aus Lichtenfels können für viele andere Krankenhausneubauten und Sanierungen genutzt werden. An der Uni Bayreuth werden verschiedene Anlagen-Betriebszustände mit realistisch gemessenen Randbedingungen simuliert, um das Zusammenspiel der Energieversorgungsanlagen zu optimieren. Die Erfassung und allgemeine Auswertung der Daten übernehmen hauptsächlich die Hochschulen Hof und Coburg. Allerdings dauerte es länger als geplant, bis die vielen Zähler installiert waren; zuverlässige Messergebnisse wurden erst ab 2020 geliefert. Erst gab es Verzögerungen beim Bau des Krankenhauses, dann kam den Forschern die Coronakrise in die Quere. "Wir machen uns Gedanken über eine Projektverlängerung", sagt Casties. Denn jetzt, wo nach jahrelanger Vorbereitungszeit endlich die Daten fließen, sei es superspannend. "Uns tut sich eine Welt auf." Eine sinnvolle Auswertung sei aber erst möglich, wenn Messwerte aus zwei Jahren vorliegen und die Entwicklung des Energieverbrauchs verglichen werden kann. Durch das Monitoring-Projekt werden Energieverbräuche auf Plausibilität untersucht und so unter Umständen fehlerhafte Einstellungen und unnötig hohe Verbräuche entdeckt. "Das beste Konzept nützt nichts, wenn man hinterher nicht nachschaut, ob auch rauskommt, was man sich vorgestellt hat: Wo nichts gemessen wird, kann man auch nichts lernen aus den Gebäuden." Aber wenn man die Ursache eines erhöhten Verbrauchs kennt, kann man gegensteuern. Pabst ergänzt: "Und wenn wir genug Daten haben, kann man simulieren, was Veränderungen bewirken. Dann zeigt sich, an welchen Schräubchen in der Regelungstechnik gedreht werden sollte."
ZUSAMMENSPIEL ENERGIEEFFIZIENTER TECHNIK
Das Krankenhaus ist zwar mit aller möglichen modernen und energieeffizienten Technik ausgestattet, aber welche liefert im Betrieb wann mit welcher anderen zusammen die beste Energiebilanz? Als Hauptheizung dient beispielsweise eine große Hackschnitzelanlage mit einer Leistung von 850 Kilowatt, es gibt Erdwärmesonden und Wärmepumpe. Auch die Abwärme der zur Stromerzeugung genutzten Blockheizkraftwerke mit 400 Kilowatt Leistung kann für Heizenergie genutzt werden. Alle Anlagen gleichzeitig werden aber eher selten benötigt, deshalb muss entschieden werden, ob Hackschnitzelheizung oder Blockheizkraftwerk genutzt werden soll. Welche Rolle spielen die Photovoltaikanlagen, die nicht nur auf dem Dach, sondern auch ganz unauffällig in der Fassade untergebracht wurden? Welches Gerät muss wann anspringen? "Es ist ja nicht so, dass ich nur einen Gas-, einen Wasser- und einen Elektrozähler habe", sagt Pabst. Die schiere Masse macht das Thema hochkomplex: "Wir haben eben 1200 Messpunkte." Es gibt unzählige mögliche Kombinationen, welche Geräte gleichzeitig laufen - und eine Menge weiterer Einflussfaktoren. Die Außentemperatur beispielsweise. Und das Verhalten der Menschen. "Das ist wie beim Wohnhaus: Oft hat der Nutzer einen größeren Einfluss auf die Energiebilanz als alle Wärmedämmung, die auf ein Haus gepackt wurde." Aus diesem Grund sammeln Prof. Dr. Manfred Casties und Alexander Pabst nicht nur Daten über die technischen Anlagen, sondern interessieren sich eben auch dafür, wenn 25 Kilometer von ihrem Büro entfernt im Klinikum Lichtenfels ein Fenster geöffnet wird. Text: Natalie Schalk
Ziele des Green Hospital
Der Neubau in Lichtenfels sollte energetisch und ökologisch neue Standards setzen. Ziele des Bayerischen Gesundheitsministeriums waren: 60 % Einsparung beim Strom für Beleuchtung durch optimierte Lichtsteuerung, bestmögliche Tageslichtnutzung und LED-Leuchten. Das entspricht einer CO 2 Einsparung von 163 Tonnen jährlich. 56 % Einsparung beim Heizenergiebedarf: Durch die Gebäudeoptimierung wird der Heizenergie¬verbrauch pro Bett im Jahr auf 10,1 MWh reduziert. 32 % weniger Primärenergiebedarf. Die Gebäudehülle entspricht annährend Passivhausstandard. Der Grundlastbetrieb des Gebäudes ist zu 100% regenerativ.