Die grosse Kunstkammer

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Die grosse Kunstkammer B端rgerliche Sammler und Sammlungen in Basel

Christoph Merian Verlag


Die grosse Kunstkammer B端rgerliche Sammler und Sammlungen in Basel



Die grosse Kunstkammer B端rgerliche Sammler und Sammlungen in Basel

Christoph Merian Verlag



Grusswort

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Christiane Faesch Brunnschweiler

Vorwort

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Vom privaten zum institutionellen Sammeln Zur Entwicklung des Museumswesens in Basel Burkard von Roda

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II. Auswahlkatalog

149

Museum im Kleinen Sammlungsmöbel und Kabinettkästchen

151

Weltgeschichte in der Hand Münzen und Medaillen

167

Entdecken und Vermessen der Welt Globen, Uhren und Automaten

185

Kurioses und Spielereien Einhorn, Narrenkopf und Haselnuss

207

Zu schön für den Kampf Kostbare Waffen

227

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Burkard von Roda

Einführung

Sammeln und Reflexion über das Sammeln Der Kulturhistoriker Jacob Burckhardt (1818–1897) Nikolaus Meier

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Sabine Söll-Tauchert

I. Sammellust und Wissensdurst Zur Geschichte des Sammelns in Basel «Cabinet mit Bibliothec und übrigen Raritäten …» Basels frühe Rolle als Kunststadt im Spiegel seiner Privatsammlungen Franz-Josef Sladeczek

15

Der Nachlass des Erasmus von Rotterdam Grundstock des Amerbach-Kabinetts Lothar Schmitt

29

«ein ansehenlicher Schatz von allerley alten Mu°ntzen, Kunst vnd Rariteten» Das Amerbach-Kabinett Sabine Söll-Tauchert

41

59

Interesse am Entstehungsprozess Modelle, Abgüsse und Unvollendetes

239

Die Welt im Kasten Der sammelnde Kaufmann Andreas Ryff (1550 –1603) Raphael Beuing

259

«viel tausendt Kunststücke unnd Wunderwerck der Natur» Die Sammlung des Stadtarztes Felix Platter (1536–1614) Gudrun Piller

69

Veredelte Natur Gefässe und Preziosen aus Elfenbein, Kokosnuss und Gold Bilder der Heilsgeschichte Sündenfall, Verrat und Erlösung

295

«… mit grosser Müh, Sorgfalt und Unkosten, in dreissig und mehr Jahren zusammen geleget …» Das Museum Faesch André Salvisberg

81

Prominenz im Bild Porträts auf Wachs, Holz und Papier

309

Faszination der Antike Herkules, Janus und Inschriftensteine

323

Wissenssuche in der Aufklärung Daniel Bruckner (1707–1781) und Daniel Burckhardt-Wildt (1752–1819) Pia Kamber

95 Götter und Helden Kleinskulpturen aus Bronze, Buchsbaumholz und Elfenbein

331

III. Anhang

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Literaturverzeichnis Abbildungsnachweis Personenregister Ortsregister Dank, Autorinnen und Autoren Impressum

350 371 372 376 379 380

«Une espèce d’Histoire métallique» Münz- und Medaillensammlungen in Basel Michael Matzke

Inhaltsverzeichnis

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Grusswort Lange bevor der Begriff «Museum» allgemein verbreitet war, bezeichnete der Rechtsprofessor Remigius Faesch seine Sammlung bereits im 17. Jahrhundert als «Museum Faesch». Als eine der ersten Privatpersonen im Gebiet der Eidgenossenschaft öffnete er seine Kunst- und Wunderkammer einem interessierten Publikum und schuf damit eine vielgerühmte Attraktion für die Stadt Basel. Das Museum Faesch war eine Institution und hat – auch nach seiner Aufteilung auf mehrere Sparten der Öffentlichen Sammlung im 19. Jahrhundert – bis heute in der Fachwelt einen klingenden Namen. Über seine eigene Sammlung hinaus, deren Fortbestand der Rechtsgelehrte in seinem Testament sicherstellte, engagierte sich Remigius Faesch 1661 für den Ankauf des Amerbach-Kabinetts durch die Stadt und trug zur Begründung der öffentlichen Basler Sammlungen bei. Folglich bewahrt das Historische Museum Basel beachtliche Teile dieser beiden bedeutenden Kabinette des 16. und 17. Jahrhunderts. Es lag daher nahe, mit Mitteln des Faeschischen Familienlegats das verdienstvolle Projekt des Historischen Museums Basel zu unterstützen: Dieses stellt die Sammlung Faesch unter dem Titel Die grosse Kunstkammer. Bürgerliche Sammler und Sammlungen in Basel in den Zusammenhang anderer privater Kabinette und behandelt sie als Beispiel einer individuellen Sammlungsstrategie in der frühen Neuzeit. Die vorliegende Publikation präsentiert im Katalogteil zahlreiche Werke aus der Faeschischen Sammlung, von denen etliche erstmals veröffentlicht werden, und beleuchtet diese nach dem neuesten Forschungsstand. Die Unterstützung durch das Faeschische Familienlegat erscheint auch insofern angemessen, als das Historische Museum Basel gleichzeitig mit der neuen Dauerausstellung in der Barfüsserkirche die Kunstkammer als Sammlungskonzept ins Zentrum stellt. Publikation und Ausstellung besetzen damit ein Leitthema der europäischen Museumsgeschichte und rücken eine der vernachlässigten Stärken der Basler Museen ins rechte Licht. Christiane Faesch Brunnschweiler Präsidentin Faeschisches Familienlegat

Grusswort

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Vorwort Es waren vielfach private Sammler aus dem gebildeten Stadtbürgertum, die in ihren Kunst- und Wunderkammern das Sammlungskonzept der frühen Museumsgeschichte in Europa prägten. Dies geschah in einer Zeit, als die Erkundung des Globus nicht abgeschlossen und der Gelehrtenstreit noch darüber im Gange war, ob die Erde oder die Sonne im Zentrum unseres Kosmos stehe. Was hat das mit unserer heutigen Welt zu tun? Seit dem 16. Jahrhundert stand hinter dem Sammlungsmodell, das die Kunst- und Wunderkammer darstellte, die Metapher eines Theatrum mundi, die Vorstellung eines universellen Zusammenhangs aller Dinge. Diese heute auch über den Museumsbereich hinaus wieder auf das Vorbild der historischen Kunst- und Wunderkammer zurückgreifende Idee möchte eine ganzheitliche Wahrnehmung auf die Welt wiedergewinnen, nachdem zunehmendes Spezialistentum diese Wahrnehmung seit dem 18. Jahrhundert eingeschränkt hat. Zugrunde liegt das Staunen über Wunder der Natur oder Werke menschlicher Kreativität, wie es ein Besucher der privaten Sammlung des Stadtarztes Felix Platter in Basel 1612/1613 so treffend beschrieb: «dass einer sich darob vergafft und des Munds offen vergisst». Wir stellen fest, dass das Thema der Kunst- und Wunderkammer in den letzten drei Jahrzehnten zunehmende Aufmerksamkeit findet1: Davon künden Forschungen und Veröffentlichungen rund um das Sammeln, zur Geschichte einzelner Kunstkammern oder zur Entstehung der Institution des Museums. Die Idee der Kunstkammer ist in Ausstellungskonzepten bis hin zur zeitgenössischen Kunst, 2 in entsprechenden Inszenierungen im Kunsthandel oder sogar im Lifestyledesign präsent. 3 Und nicht zuletzt die Konzeptdiskussion um den Wiederaufbau des Berliner Schlosses gibt dem Thema eine aktuelle Dimension. Europäische und aussereuropäische Sammlungen sollen darin nach dem Vorbild der Kunstkammer mit ihrer globalen Präsentation unter dem Namen Humboldt-Forum zu einem Ort der Wissensvermittlung der Weltkultur verbunden werden. Das vorliegende Buch führt zu den Ursprüngen des privaten Sammelns zurück und fasst die verschiedenen bürgerlichen Kunstkammern der Renaissance- und Barockzeit in Basel zu einer «grossen Kunstkammer» zusammen. Es konzentriert sich dabei auf die im Historischen Museum Basel aufbewahrten Kunstkammerobjekte und begleitet die neue Dauerausstellung im Untergeschoss der Barfüsserkirche, in der die Kunstkammerbestände einen Schwerpunkt bilden. Das übergreifende Thema der Ausstellung, «Wege zur Welterkenntnis», ist aus der Idee der Kunstkammer abgeleitet. Der aktuelle Anlass für die Publikation – die Ausstellungseröffnung – fällt mit einem Jubiläum zusammen: vor 350 Jahren erwarb die Stadt Basel das Amerbach-Kabinett und begründete damit ihre Öffentliche Sammlung, aus der später die fünf staatlichen Museumsinstitutionen hervorgingen.

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Das Buch widmet sich im Aufsatzteil den namhaften Basler Sammlerpersönlichkeiten und der Geschichte ihrer Sammlungen. Es gibt darüber hinaus einen zusammenfassenden Überblick vom Erwerb des Amerbach-Kabinetts 1661 bis zu den Museumsinstitutionen in Basel heute. Insgesamt lässt das Buch eine modellhaft verstandene Entwicklungsgeschichte nachvollziehen, nämlich den Prozess der Wandlung vom Raritätenkabinett zur systematisch geordneten Sammlung und zunehmenden Spezialisierung seit der Zeit der Aufklärung. Der Katalogteil schöpft mit einer Auswahl aus den reichen Beständen insofern aus dem Vollen, als nicht die Herkunft der Objekte aus einer bestimmten Sammlung, sondern ihre thematisch-anschauliche Ordnung die Gliederung bestimmt. Auf diese Weise ergänzen sich in unserer mit Werken vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bestückten idealen Kunstkammer mehrere Sammlungen, deren ursprünglicher Bestand heute durch Verlust oder Aufteilung fragmentiert ist oder von vornherein durch Spezialisierung beschränkt war. Die thematische Gliederung erlaubt auch den Einbezug von einzelnen Erwerbungen mit Kunstkammercharakter, die erst im 20. und 21. Jahrhundert den Weg in die Sammlung des Historischen Museums Basel fanden. Die für die Sammlungsgeschichte so bedeutenden Provenienzen aus den verschiedenen Sammlungen mit ihren frühen Nachweisen werden selbstverständlich dokumentiert. Die grosse Kunstkammer, wie sie der Katalogteil präsentiert, ist also keine Rekonstruktion einer historischen Basler Kunstkammer, ebenso wenig wie dies die Inszenierung in der Ausstellung beabsichtigt. Es soll auch nicht Grösse und Kostbarkeit der fürstlich begründeten Sammlungen suggeriert werden. Es ist vielmehr der bisher nicht unternommene Versuch einer verdichteten Darstellung des Themas der bürgerlichen Kunstkammer am europäisch bedeutenden Basler Beispiel. An Die grosse Kunstkammer, wie sie in Form dieses reich bebilderten Buches mit zehn Aufsätzen und 106 Katalogbeiträgen jetzt vorliegt, haben viele beigetragen: Die Geschichte des Sammelns in Basel erkunden zehn Autorinnen und Autoren; sechs davon, Raphael Beuing, Pia Kamber, Michael Matzke, Gudrun Piller, Burkard von Roda und Sabine Söll-Tauchert gehören dem wissenschaftlichen Stab des Historischen Museums Basel an, vier externe Autoren, Nikolaus Meier, André Salvisberg, Lothar Schmitt und Franz-Josef Sladeczek, wurden aufgrund ihrer Spezialisierung zugezogen. Die Katalogbeiträge verfassten ebenfalls zum grössten Teil die durch ihre tägliche Arbeit mit den Sammlungen vertrauten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Museums, neben den bereits genannten Franz Egger, Christian Hörack, Wolfgang Loescher, Margret Ribbert und Christian Weiss, wobei auch hier Spezialgebiete von drei externen Autoren, Timm Delfs, Claude Kuhn und Fritz Nagel, bearbeitet wurden.


Das Buchkonzept folgt mit der monografischen Vorstellung der privaten Sammler und Sammlungen in den Aufsätzen sowie mit der Ordnung der Artificialia, Antiquitates und Scientifica nach Schwerpunkten der Sammlung im Katalogteil inhaltlich weitgehend dem Ausstellungskonzept. Sabine SöllTauchert übernahm mit Unterstützung von Raphael Beuing die Ausarbeitung dieses Konzepts und die wissenschaftliche Koordination. Das Bild- und Gestaltungskonzept wurde von Projektbeginn an im Herbst 2009 durch den Fotografen des Historischen Museums Basel, Peter Portner, und die Gestalterin, Manuela Frey, erdacht und umgesetzt. Besondere Erwähnung verdienen dabei die mit geübtem Auge inszenierten Sammelaufnahmen nach Themengruppen, die so nur in der Publikation, nicht aber in der Ausstellung erscheinen. Alle Objekte wurden für den Katalogteil neu fotografiert, viele werden zum ersten Mal in Farbaufnahmen veröffentlicht. Die Gestalterin und der Fotograf haben in enger Zusammenarbeit mit dem Lithografen der Fa. Bildpunkt AG in Münchenstein und der Druckerei Gremper AG in Basel/Pratteln auch dafür gesorgt, dass die Wiedergabequalität der Abbildungen dem gewohnt hohen Niveau des Museums entspricht. Miteingebunden waren auch der Bibliothekar, Daniel Suter, bei der Beschaffung der Vergleichsabbildungen und bei der Erstellung des Literaturverzeichnisses. Unverzichtbare Dienste bei der Bereitstellung der Objekte leisteten die Restauratorinnen und Restauratoren des Museums. Allen genannten Personen, besonders aber der für den Hauptteil des Kunstkammerbestandes verantwortlichen Kuratorin, Sabine Söll-Tauchert, und dem Projektkoordinator Raphael Beuing, gebühren herzlicher Dank und grosse Anerkennung für ihren Einsatz und ihre professionelle Leistung. Die grosse Kunstkammer, Buch und Ausstellung, hätten nicht ohne die kollegiale Hilfe der Institutionen zustande kommen können, die auch einen Teil des Kunstkammerpatrimoniums des Kantons Basel-Stadt in ihrer Obhut haben. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen im Kunstmuseum Basel, im Naturhistorischen Museum Basel, im Pharmazie-Historischen Museum und im Anatomischen Museum der Universität Basel und in der Universitätsbibliothek Basel für Leihgaben und Fotoaufnahmen und nenne stellvertretend die Direktoren Bernhard Mendes Bürgi, Christian Meyer, Michael Kessler, Hugo Kurz und Hannes Hug. Mein Dank gilt auch dem Christoph Merian Verlag mit dem Verlagsleiter Oliver Bolanz, mit Claus Donau und Andrea Bikle für die kompetente Beratung und die Übernahme der Publikation ins Verlagsprogramm sowie Doris Tranter für das sorgfältige Lektorat. Ebenso dem Leiter der Abteilung Kultur bei der Christoph Merian Stiftung, Beat von Wartburg, für seine Vermittlungsdienste.

Vorwort

Die grosse Kunstkammer ist ein neues Überblickswerk zur Basler Sammlungsgeschichte, angefangen beim Nachlass des Erasmus von Rotterdam von 1539 bis zum Beginn der Reflexion über das Sammeln und zur Begründung einer modernen Sammlungsgeschichte mit Jacob Burckhardt im 19. Jahrhundert. Dieses Werk hat das Faeschische Familienlegat mit einer gebundenen Vergabung vollumfänglich ermöglicht. Der Präsidentin der Kommission des Faeschischen Familienlegats, Christiane Faesch, besonders auch Lukas Faesch, ebenso allen weiteren Mitgliedern der Kommission, Ariane Faesch, Veronique Christ-Faesch und François Faesch, danke ich im Namen des Historischen Museums Basel für ihr grosses Vertrauen! Sie haben bereits im Juni 2009 ihre grosszügige Vergabung in Aussicht gestellt und damit frühzeitig die Planung des Projekts gesichert und die Verantwortlichen motiviert. Sie haben im besten Familiensinne dazu beigetragen, in Würdigung der berühmten Sammlung ihres Vorfahren der Sammlungstradition in Basel insgesamt ein Denkmal zu setzen. Burkard von Roda Direktor Historisches Museum Basel

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Wappenschmidt, Toni: Die Aktualität der Kunstkammer, in: Kunstchronik 23. Jg. Heft 9/10, 2010, S. 468 – 472. Kirstine Roepstorff. Dried Dew Drops: Wunderkammer of Formlessness. Kunstmuseum Basel, Museum für Gegenwartskunst, 23.10.2010  – 30.01.2011. Streiff Corti, David: Design. Mein Ding. Naturalia, Artificialia oder Scientifica, in: Z. Die schönen Seiten 3/11, 2011, S. 15. – Ian Phillips, Cora Büttenbender: Schwarzweise Stilmagie. Das neue Hotel-Interieur der Avantgardisten von Maison Martin Margiela ähnelt ihrer Mode: Cleverer Augenzauber, exquisit und bunt. In: AD Architectural Digest. Die schönsten Häuser der Welt. Juli/ August 2011, S. 108 –117, S. 168, 112 –113.

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Sabine Söll-Tauchert

Einführung «Mir ist, als befände ich mich in einem lieblichen Musenhain. Kaum zu sagen, so viele Gebildete, und Gebildete nicht im gewöhnlichen Sinne! Keiner ist da, der nicht Latein, der nicht auch Griechisch könnte, und die meisten verstehen auch Hebräisch. Dieser tut sich hervor mit seinen historischen Kenntnissen, jener versteht sich auf Theologie, dieser ist gewandt in Mathematik, ein anderer erforscht die Antike, jener aber ist ein Rechtskundiger […] Wahrlich, noch nie lebte ich in einer auch nur ähnlich glücklichen Gemeinschaft […]»1 Mit diesen überschwänglichen Worten beschrieb Erasmus von Rotterdam das Geistesleben Basels im frühen 16. Jahrhundert. Der bekannteste Humanist seiner Zeit sprach damit zugleich eine der Voraussetzungen dafür an, dass sich die Universitäts- und Buchdruckerstadt in der Frühen Neuzeit zu einem wichtigen Zentrum des privaten Sammelns entwickelte. Denn die von Erasmus gelobte Gelehrsamkeit auf den unterschiedlichsten Gebieten bildete einen wichtigen Nährboden für das sich hier etablierende Sammelwesen. Und bekanntlich legte Erasmus selbst – freilich ohne es zu wissen – mit seinem Bonifacius Amerbach anvertrauten Nachlass den Grundstock zum späteren Amerbach-Kabinett und somit zur Öffentlichen Sammlung Basels. In der Tat gehörten viele der Persönlichkeiten, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert in ihren Wohnhäusern beachtenswerte Kabinette anlegten, der Basler Hochschule an: allen voran der Rechtsgelehrte Basilius Amerbach, Sohn des mit Erasmus und der Künstlerfamilie Holbein eng vertrauten Humanisten Bonifacius Amerbach, sein Schwager, der Gräzist und Mediziner Theodor Zwinger sowie der Stadtarzt Felix Platter. Auch das Museum Faesch wurde Mitte des 17. Jahrhunderts von einem Rechtsprofessor, Remigius Faesch, begründet. Der Erkenntnisdrang der forschenden Sammler war zweifelsohne ein wichtiger Motor für das Zusammentragen von Werken aus den Bereichen von Kunst, Natur und Wissenschaft, zwischen denen die Grenzen noch nicht klar gezogen waren. Mit der Sammlung von wundersamen Schöpfungen der Natur, aussergewöhnlichen Zeugnissen menschlicher Kunstfertigkeit, wissenschaftlichen Geräten und Erfindungen, Grabungsfunden aus vergangenen Kulturen sowie Kuriositäten konnte eine Gesamtschau der Welt im Kleinen geschaffen werden. Durch die Vereinigung verschiedenartiger Dinge, die ein Zeugnis von der Vielfalt der Welt ablegen, sollte das gesamte Universum als zusammenhängender Organismus begreiflich gemacht werden: ein Mikrokosmos als Abbild des Makrokosmos. 2 Dies verbindet einige der Basler Privatsammlungen mit den zeitgleich an europäischen Höfen entstandenen berühmten Kunst- und Wunderkammern, wie sie heute beispielsweise in Wien und auf Schloss Ambras aus habsburgischem Besitz, im Grünen Gewölbe im sächsischen Dresden und in München mit der Kunstkammer der bayerischen Herzöge und Kurfürs-

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ten erhalten sind. Die im grossen Stile angelegten fürstlichen Sammlungen dienten neben Bildungs- und Erbauungszwecken in besonderem Masse fürstlicher Repräsentation. Mit dem Zugriff auf die gesamte Vielfalt der irdischen Welt wurde der Herrschaftsanspruch zum Ausdruck gebracht. Demgegenüber waren die bürgerlichen Sammlungen im reformierten Basel stärker als Studiensammlungen angelegt, die auch anderen Forschenden zugänglich gemacht wurden. Gleichzeitig zielten sie auch darauf ab, den Betrachter in Staunen zu versetzen. Die aus echtem Interesse an Geschichte, Natur oder Kunst entstandenen Kabinette sind stark von den Persönlichkeiten der Sammler, ihrer spezifischen Wissbegierde und Vorliebe sowie von ihrem Beziehungsnetz geprägt. Im Gegensatz zu den adeligen Sammlern, die in der Regel Agenten für die Erwerbung besonderer Kostbarkeiten aus aller Herren Länder einsetzten, sammelten die Bürger selbst. Durch persönliche Kontakte hatten sie bisweilen auch Zugriff auf ungewöhnliche Objektkategorien. So ist Basilius Amerbachs Interesse am Entstehungsprozess von Kunstwerken und seiner Erwerbung ganzer Werkstattnachlässe zu verdanken, dass sich einzigartige herstellungsgeschichtliche Zeugnisse erhalten haben. In der Regel war der lokale Bezug der bürgerlichen Sammler recht stark ausgeprägt, das eigene Lebensumfeld wurde als Teil der Geschichte erforscht und mit Sammlungsstücken dokumentiert. Dies zeigt sich auch beim Engagement einer Reihe von Sammlern bei der Ausgrabung der Römerstadt Augusta Raurica vor den Toren Basels.

Wie sind die frühen Sammlungen heute noch greifbar? Die heute so vielfältige Basler Museumslandschaft steht in der Tradition dieser frühen Sammlungen. Das Historische Museum Basel kann sich glücklich schätzen, neben dem Kunstmuseum und der Universitätsbibliothek beachtliche Teile dieser in Ausrichtung und Schwerpunktsetzung höchst unterschiedlichen Kabinette zu vereinen und erforschen zu können. Als Ort für die Vermittlung und Erhaltung von Geschichte und Kultur der Stadt und Region ist es in besonderer Weise eine Stätte für die Geschichte des Sammelns. Denn die intensive, über Jahrhunderte praktizierte Sammeltätigkeit einzelner Basler Bürger ist heute noch im Museum greifbar: Neben den Objekten selbst haben sich auch einzigartige Möbel erhalten, die nach persönlichen Vorgaben für den Sammlungsschatz gefertigt wurden und eine Vorstellung von der ursprünglichen Aufbewahrung der Objekte vermitteln. Zudem sind wir über einige Kabinette aussergewöhnlich gut informiert, da ihre Begründer eigenhändige Aufzeichnungen hinterlassen haben. Sie dokumentieren die Ordnung und Aufbewahrung der Sammlungsstücke. Von unschätzbarem Wert sind die Verzeichnisse, die Basilius Amerbach mit vorbildlicher Sorgfalt ab 1578 über seine Sammlung anlegte und anhand derer


ein Grossteil der erhaltenen Objekte identifiziert werden kann (s. S. 46– 47). 3 Auch die Inventare, die sein Freund Felix Platter sowie dessen Universalerbe Thomas II. Platter erstellten – die Suppellex Medica Felicis Plateri von 1595 und das Hauptbuch von 1615 – geben einen Einblick in das heute leider weitgehend verlorene, ehemals reichhaltig mit «tausend Kunststück unnd Wunderwerck der Natur» gefüllte «cabinet» des Stadtarztes (s. S. 74). 4 Von der ebenfalls nur noch in vereinzelten Stücken fassbaren, einst aber stattlichen Sammlung des Kaufmanns Andreas Ryff lässt sich dank dem ab 1594 eigenhändig geführten Münz- und Mineralienbuch zumindest ein ungefährer Eindruck gewinnen (s.  S.  65). 5 Remigius Faesch, der sein Museum am Petersplatz bereits 1653 für Interessierte öffnete, hatte seit 1628 diverse Verzeichnisse über seine Bibliothek und Teile seiner Sammlung niedergeschrieben (s.  S.  115). 6 Der Gesamtaufbau dieser Kunst- und Wunderkammer lässt sich jedoch erst dank des Inventarium über die in dem Kunst-Cabinet befindlichen Sachen von 1772 nachvollziehen, das über hundert Jahre nach dem Tod des Sammlungsgründers im Zuge von Eigentumsstreitigkeiten abgefasst wurde (s.  S.  92).7 Aus dem 18. Jahrhundert liegen eine Reihe von bemerkenswerten Aufzeichnungen und Sammlungskatalogen vor, die der Altertumsforscher Daniel Bruckner und der kunstbegeisterte Seidenbandfabrikant Daniel Burckhardt-Wildt sogar mit Kupferstichen oder eigenhändigen Zeichnungen illustrierten (s. S. 99, 106).

Sammeln hat Geschichte Die Geschichte der Erforschung Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts legten die Konservatoren der Öffentlichen Kunstsammlung die Grundlage für die genauere Erforschung des Amerbach-Kabinetts und des Museums Faesch, indem sie die massgeblichen Inventare auszugsweise veröffentlichten. 8 Mehrere Jubiläen führten im Laufe des 20. Jahrhunderts die Institutionen zu einer Beschäftigung mit ihrer eigenen Geschichte. Einen ersten Überblick über die Entwicklung der Öffentlichen Kunstsammlung Basel gab der Direktor des Kunstmuseums anlässlich des 1936 fertiggestellten modernen Neubaus.9 Auf dem Symposium «The Origins of Museums», das 1983 in Oxford stattfand, stellte der Direktor des Historischen Museums Basel die hiesigen Sammlungen einem internationalen Publikum vor.10 Damals entstand auch die Idee zu einer gross angelegten Ausstellung des Amerbach-Kabinetts, die 1991 anlässlich des 400. Todestages des Sammlungsgründers von Kunstmuseum und Historischem Museum Basel gemeinsam veranstaltet wurde. Sie führte die im 19. Jahrhundert auf die einzelnen Museumssparten verteilten Bestände erstmals wieder in repräsentativer Auswahl zusammen und gab Anlass zu einer eingehenden Erforschung zahlreicher Objekte sowie der schriftlichen Quellen.11 Dank der Initiative der Faeschischen Familienstiftung wurde dem Museum Faesch 2005 eine kleine Publikation gewidmet, die die

Einführung

Geschichte dieses ersten öffentlichen Privatmuseums der Schweiz von der Gründung 1653 bis zur Übernahme durch die Universität nachzeichnete. Auch stellte sie ein Verzeichnis der in den verschiedenen staatlichen Museen und der Universität nachweisbaren Objekte zusammen, deren Herkunft aus dem Museum Faesch gesichert ist. Und schliesslich kommt einem 2003 in Basel veranstalteten Kolloquium das Verdienst zu, das Phänomen des Sammelns erstmals mit dem Fokus auf die Schweiz im 18. Jahrhundert beleuchtet zu haben.12 Von der erstaunlich grossen Anzahl der Sammlungen im Zeitalter der Aufklärung befanden sich zahlreiche in Basel. Sie vermitteln zwischen der Frühzeit des Sammelns in Kunst- und Wunderkammern und der Institutionalisierung des Museums im 19. Jahrhundert.

Lassen sich einzelne Basler Kabinette noch rekonstruieren? Die vergleichsweise gute Quellenlage darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Sammlungen vor dem «geistigen Auge» nur annähernd rekonstruieren lassen. Selbst bei dem aussergewöhnlich gut dokumentierten AmerbachKabinett, bei dem die Inventare ein ungefähres Bild von der Anordnung der Gemälde und der in den Schränken verschlossenen Objekte vermitteln, lässt sich doch das ursprüngliche Erscheinungsbild des Sammlungsraumes nicht genau rekonstruieren. Da die Wohnhäuser auch der anderen Basler Sammler später stark umgebaut oder abgerissen wurden, existiert kein Sammlungsraum mehr in der ursprünglichen Raumausstattung. Ausserdem haben sich aus dem 16. und 17. Jahrhundert keine verbindlichen Abbildungen vom Interieur der Kabinette erhalten, wie sie seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert für manche Kunstkammern und Naturalienkabinette nördlich der Alpen überliefert sind. In Folge des wechselvollen Schicksals der einzelnen Sammlungen ist keine unter ihnen vollständig an einem Ort geblieben. Von der ursprünglichen Fülle einzelner Kabinette zeugen neben Inventaren und vereinzelt überlieferten Sammlungsstücken eindrückliche Beschreibungen begeisterter Besucher, wie des französischen Parlamentspräsidenten Jacques Auguste de Thou oder des Philosophen Michel de Montaigne.13 Sammlungen wie das Amerbach-Kabinett und das Museum Faesch, die im 17. bzw. im 19. Jahrhundert in öffentlichen Besitz gelangten und somit glücklicherweise noch in wichtigen Teilen erhalten sind, wurden im 19. Jahrhundert mit anderen Sammlungen vermischt und auf verschiedene Institutionen verteilt. Mit der Auflösung ihrer geschlossenen Einheit gingen auch die Kenntnisse über die Zugehörigkeit der Objekte zu einem bestimmten Kabinett verloren. Sie wurden in den öffentlichen Sammlungen oftmals nur mit dem Vermerk «Alter Bestand» inventarisiert. Der historische Sammlungszusammenhang sowie die ursprüngliche Aufbewahrung der Werke lässt sich somit nicht in einer Ausstellung rekonstruieren.

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Wie führt man heute eine Kunstkammer vor Augen? Mit der Neupräsentation der Kunstkammerbestände befindet sich das Historische Museum Basel in bester Gesellschaft. Das Thema der Kunst- und Wunderkammer erfreut sich seit den 1980er Jahren eines lebhaften Interesses und gesteigerter Aufmerksamkeit auch in Literatur und Kunst.14 Gerade die Museen haben dieses Thema für sich entdeckt und streben nach einer neuen Inszenierung ihrer Kernbestände. So hat eine Reihe von Institutionen die Ausstellung ihrer Kunstkammerschätze in den letzten Jahren erneuert: In den wiederhergestellten historischen Sammlungsräumen des Grünen Gewölbes im Dresdner Residenzschloss oder der nach dem Vorbild barocker Kuriositätenkabinette angelegten enzyklopädischen Sammlung des Theologen August Hermann Francke im Waisenhaus zu Halle konnte die ursprüngliche Präsentation anhand der erhaltenen Inventare teilweise rekonstruiert werden.15 Dort, wo dies aufgrund der Verstreuung der Objekte nicht möglich war, wie beispielsweise auf Burg Trausnitz in Landshut, wurde eine Inszenierung gewählt, die den speziellen Charakter einer Kunstkammer und die Sammelkriterien illustriert.16

«Die grosse Kunstkammer» Zum Konzept Die Erneuerung der Dauerausstellung im Untergeschoss der Barfüsserkirche bot die Gelegenheit, den Kern der Basler Museen deutlich umfassender vor Augen zu führen. Seit 1981 wurden die alten Sammlungsbestände im Historischen Museum Basel nach Provenienzen geordnet präsentiert. Demgegenüber wird für die Neupräsentation ab 2011 ein thematischer Zugang gewählt: Dieser eröffnet die Möglichkeit, neben dem gesamten Fundus der historischen Kunstkammern auch den reichen Bestand kunstkammertypischer Objekte wie beispielsweise Globen, Automaten und Waffen einzubeziehen, die zum Teil auf anderen Wegen oder erst später in Museumsbesitz gelangten. Sie werden in einer «grossen Kunstkammer» vereint. Das Konzept von Ausstellung und Publikation hat zwei Schwerpunkte: Einerseits soll die Bedeutung Basels als eines der wichtigen Zentren des frühen bürgerlichen Sammelns und eine der ersten öffentlichen Sammlungen eines Gemeinwesens zur Anschauung kommen. Andererseits wird der reiche Schatz an Sammlungsstücken in neuen Bezugsfeldern erschlossen. Die anlässlich der Neupräsentation der Kunstkammerbestände erscheinende Publikation spiegelt die Struktur der Dauerausstellung in Grundzügen wider. So orientiert sich der erste Teil des Buches an der im Museum präsentierten chronologisch geordneten Galerie der Sammler, die ausgewählte Persönlichkeiten vor Augen führt. Aus der Fülle der in Basel aktiven Sammler fiel die Auswahl auf jene Personen, die mit ihrer Sammlungs- und Forschungstätigkeit die Bestände des Histo-

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rischen Museums Basel besonders geprägt und mit Rücksicht auf die Verfügbarkeit von aussagekräftigen Objekten am besten visualisiert werden konnten.17 Neben bekannten Sammlergrössen wie Basilius Amerbach, Remigius Faesch und Felix Platter werden Persönlichkeiten vorgestellt, die bislang kaum als Sammler gewürdigt wurden, wie der Kaufmann Andreas Ryff, Daniel Burckhardt-Wildt oder Daniel Bruckner. Andere bedeutende Protagonisten werden in den Aufsätzen als Zeitgenossen der Sammler gewürdigt. So findet der Rechtshistoriker und Altertumsforscher Johann Jakob Bachofen18 im Hinblick auf den von ihm vor der Zerstreuung geretteten Münzschatz im Beitrag über Münz- und Medaillensammlungen in Basel Berücksichtigung. Die Aufsätze führen beispielhaft die Entwicklung des Sammlungswesens von den frühen, universal ausgerichteten Kabinetten hin zu den Spezialsammlungen vor Augen, wie sie sich im Zuge der Aufklärung ausbildeten. Dabei werden unterschiedliche Ordnungssysteme und die sich mit der Weltsicht wandelnden Interessenschwerpunkte deutlich. Der einführende Beitrag hebt die Sonderstellung Basels innerhalb der Schweiz hervor: In keiner anderen Stadt der Eidgenossenschaft hatte das Sammeln seit der Frühzeit einen entsprechend hohen Stellenwert. Die Reihe der acht ausgewählten Persönlichkeiten beginnt und endet mit zwei Basler Gelehrten, die zwar keine Sammler im herkömmlichen Sinne waren, jedoch mit ihrer materiellen oder geistigen Hinterlassenschaft einen wichtigen Beitrag zum Sammelwesen bzw. zur Reflexion über das Sammeln geleistet haben: Erasmus von Rotterdam und Jacob Burckhardt. Von Erasmus selbst hat sich im Vergleich mit anderen Gelehrten der Renaissance eine erstaunlich grosse Anzahl von persönlichen Gegenständen erhalten. Der Bedeutungswandel dieser unterschiedlichen Objekte, die dem Humanisten als Zeichen der Anerkennung und Freundschaft verehrt wurden und sich später zu Erinnerungs- und Sammlerstücken entwickelten, wird im entsprechenden Beitrag nachgezeichnet. Mit dem Kulturhistoriker Jacob Burckhardt wird abschliessend eine Geistesgrösse gewürdigt, die nicht nur eine Sammlung von mehreren Tausend Fotografien und Reproduktionsstichen zu Forschungs- und Vermittlungszwecken zusammentrug, sondern mit seinem umfangreichen Essay Die Sammler die moderne Sammlungsgeschichte mitbegründet hat. Und schliesslich spannt der letzte Beitrag einen entwicklungsgeschichtlichen Bogen von der frühen Entstehung der öffentlichen Sammlung in Basel im 17. Jahrhundert über die Herausbildung verschiedener Museumssparten im 19. Jahrhundert bis zur modernen Museumslandschaft.


Über hundert ausgewählte Kunstkammerobjekte Von Glanzstücken und Neuentdeckungen Von den annähernd 1500 in der Ausstellung präsentierten Kunstkammerstücken – darunter fast 1000 kleinteilige Objekte wie Goldschmiedemodelle und Plaketten – wird im zweiten Teil der Publikation eine Auswahl von über 100 Werken aus der Sammlung des Historischen Museums Basel vorgestellt. Dazu zählen bekannte Glanzstücke der historischen Kabinette, wie der Globuspokal von Jakob Stampfer, die Adam- und EvaStatuetten von Hans Wydyz oder der Faesch-Schrank (Kat.-Nr. 25, 81, 5) ebenso wie Neuentdeckungen: Zwölf bislang unpublizierte Objekte sowie rund zwanzig weitere Werke werden zum ersten Mal eingehender erforscht. Gerade aus der reichen Sammlung von Bronzestatuetten aus dem Museum Faesch können etliche Stücke erstmals genauer untersucht und wichtigen Kunstzentren zugeordnet werden, so beispielsweise die wohl in Augsburg entstandene Statuette der Venus oder der geflügelte Putto mit Delphin, der dem Nürnberger Bildhauer Peter Flötner zugeschrieben werden kann (Kat.-Nr. 98, 101). Neben einzigartigen Werken erscheinen hier typische Sammlerobjekte, von denen sich Vergleichsstücke in internationalen Kunstkammern finden. Zwanzig Jahre nach der grossen Amerbach-Ausstellung flossen eine Reihe von inzwischen gewonnenen Erkenntnissen ein. So stellte sich bei einigen der bislang dem Kabinett des Rechtsgelehrten zugeordneten Objekten wie dem Terrakottamodell eines nackten Knaben (Kat.-Nr. 57) oder dem Preziosenkästchen (Kat.-Nr. 4) heraus, dass sie anderen Kontexten entstammen. Auf der anderen Seite kommen Werke aus dem Amerbach-Kabinett ans Licht, die bislang nicht veröffentlicht waren, wie der «stock mit krummen löffeln» (Kat.-Nr. 54). Die so heterogenen Werke wurden thematisch zusammengestellt und innerhalb der Kapitel in der Regel chronologisch geordnet. Die elf Themenbereiche ergaben sich einerseits aus den Objektgattungen – wie Sammlungsmöbel, Münzen und Medaillen, Waffen, Porträts oder Kleinskulpturen. Andererseits waren inhaltliche Zugangsweisen ausschlaggebend, so beim «Entdecken und Vermessen der Welt», «Kurioses und Spielereien», «Faszination der Antike» oder den «Bildern der Heilsgeschichte». Auch persönliche Vorlieben eines Sammlers, wie Amerbachs Interesse am Herstellungsprozess, führten zu einer anregenden Zusammenführung dieser unterschiedlichen Werkstatterzeugnisse. Die doppelseitigen Sammelaufnahmen, die in die jeweiligen Themenbereiche einleiten, vermitteln in der dichten Zusammenschau der Objekte den Charakter früher Kunstkammern. Sie geben einen Eindruck von dem vielfältigen und reichen Fundus der Sammlung und dem breiten Spektrum des jeweiligen Themenkreises. Sie lassen erahnen, dass die Auswahl der anschliessend genauer in den Blick genommenen Objekte nicht immer leicht fiel. So gut wie alle Werke, die für diese fotografisch inszenierten «Sehinseln» zusammengetragen wurden, sind in

Einführung

der Dauerausstellung in anderer Anordnung zu sehen. Innerhalb der Themenbereiche wird jeweils ein Werk durch eine Zusammenschau von Einzelaufnahmen besonders hervorgehoben, die den Blick auf leicht zu übersehende Details eröffnet. Das faszinierende Erscheinungsbild der kunstvoll ausgearbeiteten oder kuriosen Werke, das schon die Sammler und die Besucher der historischen Kabinette in ihren Bann zog, wird – so hoffen wir – auch das sinnliche Erleben des heutigen Betrachters fördern.

Anmerkungen 1 Brief von Erasmus an Johannes Sapidus, Basel, wohl Oktober 1515; vgl. Allen 1910, Bd. 2, S. 153 –155, Nr. 364, hier S. 154. Übersetzung zitiert nach Durant 1965, Bd. 18, S. 172; vgl. auch Guggisberg 1986, S. 26 –31, hier S. 27, mit Anm. 4. 2 Grote 1994. 3 Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett. Vgl. Landolt 1991, S. 73–303. 4 Universitätsbibliothek Basel, A λ V 9. 5 Universitätsbibliothek Basel, A λ II 46a. Vgl. Koprio 1960. 6 Universitätsbibliothek Basel, AR I 10 –13. Vgl. Major 1908, S. 1– 69. Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett: Archivalien zum Museum Faesch. 7 Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett: Archivalien zum Museum Faesch, Nr. 3. Ediert bei Major 1908, S. 46–62. 8 Ganz/Major 1907; Major 1908, S. 1– 69. 9 Fischer 1936, S. 7–118. 10 Ackermann 1985, S. 62– 68. 11 Sammeln in der Renaissance. Das Amerbach-Kabinett, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, 5 Bde, Basel 1991. Vgl. Boerlin 1991; Müller 1991; Tanner 1991; Landolt/ Ackermann 1991 und Landolt 1991. 12 Schubiger 2007. 13 De Thou 1714, S. 67–68; Montaigne 1777–1779, S. 144–145. 14 Wappenschmidt 2010, S. 468–472. 15 Anlässlich des 450-jährigen Jubiläums der Dresdner Kunstkammer haben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im November 2010 eine mehrbändige Edition der kurfürstlich-sächsischen Kunstkammer herausgegeben. Vgl.  Syn dram 2010. Bei dem im gleichen Jahr in Zusammenarbeit mit der Humboldt Universität zu Berlin veranstalteten internationalen Kolloquium mit dem Titel «Kunstkammer. Die permanente Modernisierung» wurde auch die Frage nach den Chancen und Möglichkeiten der modernen Inszenierung einer «Kunst und Wunderkammer» thematisiert. Zu den 1992–1995 wiederhergestellten Franckeschen Stiftungen vgl. Müller-Bahlke 1998. 16 Sangl 2007, S. 38–39. 17 Lang war die eingangs geführte Liste der in Frage kommenden Persönlich keiten, darunter Ludovic Demoulin de Rochefort (1515–1583), Theodor Zwinger (1533–1588), Samuel Burckhardt-Zäslin (1692–1766), Johann Heinrich Harscher (1733–1771), Johann Jakob d’ A nnone (1728–1804), Johann Konrad Dienast (1741– 1824), Emilie Linder (1797–1867), Auguste Quiquerez (1801– 1882), Johann Jakob Bachofen (1815–1887), Oberst Rudolf Brüderlin-Ronus (1853 –1917) sowie Fritz Sarasin (1859–1942) und Paul Sarasin (1856–1929), um nur einige zu nennen. 18 Das Historische Museum Basel widmete Johann Jakob Bachofen (1815–1887) eine eigene Ausstellung, vgl. Huber 1987.

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Franz-Josef Sladeczek «Cabinet mit Bibliothec und übrigen Raritäten …» Basels frühe Rolle als Kunststadt im Spiegel seiner Privatsammlungen


Franz-Josef Sladeczek

«Cabinet mit Bibliothec und übrigen Raritäten …»* Basels frühe Rolle als Kunststadt im Spiegel seiner Privatsammlungen «Sammeln ist wohl die reinste und idealste Art des Erwerbens. Wer Bücher, Kunstwerke, Altertümer sammelt, erwirbt nicht Dinge der Notdurft und nicht Mittel des gewöhnlichen Genusses. Er vereinigt um seine Person Gegenstände in einer Weise, dass zwischen diesen und ihm sofort eine Art innerer Beziehungen entstehen müssen. Eine solche Sammlung ist immer ein Objekt, das, wenn auch nur zu geringfügigem Teile, doch einen Inhalt für ein Leben bildet. Sie ist zugleich der schöne Punkt, in welchem eigene und fremde geistige Interessen zusammentreffen und sich finden können.» Rudolf Wackernagel, Über Altertümer-Sammlungen (siehe Wackernagel 1894)

Museen, wie wir sie heute kennen, sind recht junge Einrichtungen: Die meisten von ihnen entstanden erst gegen Ende des 18. und im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts. Mit der Französischen Revolution und der Bildung von Nationalstaaten setzte sich auch in Bezug auf die Sammlungen der Anspruch durch, Museen nationaler Ausprägung zu errichten, gewissermassen als Spiegel der nationalen Identität. Seither erfüllen Museen durchwegs öffentlichen Anspruch, seither werden sie überhaupt erst für ein breites Publikum geplant.1 Gemäss den neuesten Erhebungen des Schweizerischen Museumsverbandes existieren nahezu 1000 Museen in der Schweiz (von diesen knapp ein Fünftel als Kunstmuseen). Ausser den Kunstmuseen und Historischen Museen als den klassischen Musentempeln schlechthin umfasst die Museumsliste eine ganze Anzahl weiterer spezieller wie kurioser Sammlungen: Vom Armeemuseum über das Ernährungs- und Kindermuseum bis zum Kamm-, Parfum- und Zinnfigurenmuseum findet sich darin alles, was irgendwie, irgendwann mit Passion und unter erheblichem finanziellem Aufwand zusammengetragen wurde. Allein in der Stadt Basel und in der näheren Umgebung finden sich heute vierzig Museen mit eigener Schausammlung (s. S. 129 –148). Bei der Konsultation dieser «Sammlungsmuseen» könnte vielleicht der Eindruck entstehen, Sammlungen seien von jeher öffentlich legitimiert gewesen, also als Sammlungsinstitutionen entstanden. Ein solcher Eindruck ist jedoch nicht richtig: Das Sammeln – und dazu zählt insbesondere auch das Sammeln kultureller Güter – ist dem Ursprung nach keine öffentliche, sondern eine private, persönliche Angelegenheit. Sammlungen sind stets Spiegel individueller Neigungen und

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Prägungen von Persönlichkeiten, in deren Sammelleidenschaft ein eigenes, unverwechselbares Profil zum Ausdruck kommt. In dieser Ausprägung vermag eine Privatsammlung dann auch Akzente im öffentlichen Raum zu setzen, dann nämlich, wenn sie museal verortet wird – sei es als Teilkollektion innerhalb eines bestehenden Museums oder als Hauptattraktion in Gestalt eines imposanten Sammlermuseums mit entsprechend eigener Rechtsform. 2 Auch der Sammlungsbestand des am 21. April 1894 in den Räumlichkeiten der ehemaligen Barfüsserkirche errichteten Historischen Museums Basel basiert zu Teilen auf diversen privaten Sammlungen, von denen diejenigen des AmerbachKabinetts und des Privatmuseums Faesch wohl die bedeutendsten vorstellen (s. S. 41–58 und S. 81–94). In ähnlicher Weise rekrutierte sich auch das Kunstmuseum Basel aus etlichen privaten Kunstsammlungen: Zu erwähnen gilt es hier etwa die von Johann Rudolf Thurneysen-Faesch zusammengetragene Sammlung altdeutscher und Schweizer Meister, welche 1762 in städtischen Besitz überging. Sie gelangte in das 1671 eröffnete Haus zur Mücke, dessen Sammlungsbestand im 18. und 19. Jahrhundert durch eine Fülle weiterer Schenkungen und Vermächtnisse – sowohl aus privater Hand als auch durch einzelne Gesellschaften – begünstigt wurde, weshalb schliesslich auch um 1849 ein Museumsneubau, das sogenannte Alte Museum, realisiert wurde. 3 So ist 1859 in der Biografie über den Basler Maler und Sammler Peter Birmann, dessen Nachlass ebenfalls an die öffentliche Sammlung gegangen ist, nachzulesen: «Die Zeit der vielen Privatgallerien, wie sie vor 50 Jahren noch bestanden, ist vorüber; dafür wird die öffentliche Sammlung unter der Leitung einer trefflichen Commission immer mehr eine allgemeine Bildungsstätte des Sinnes für das Schöne.»4 Schon diese ersten Hinweise zeigen an: In Basel hatte das Sammeln und das Stiften von Kunst von jeher einen grossen Stellenwert. Nirgends sonst in der Schweiz treffen wir auf eine so lange und facettenreiche Tradition des Sammelns, aber auch des Mäzenatentums wie in der Rheinstadt. 5 Sie blieb gerade auch dann prägend, als sich ab den 1520er Jahren in weiten Teilen der Eidgenossenschaft ein eher kunstfeindliches Klima auszubreiten begann: Mit Einführung der Reformation blieb hier die Kunst fortan stark reglementiert. Eigentlich stehen wir vor einem Paradoxum: Ähnlich anderen Städten wie Zürich, Bern, Genf war auch Basel (1529) dem neuen reformierten Glaubensbekenntnis beigetreten, unter dem den Bildern weitestgehend missbilligend begegnet wurde. 6 Und dennoch stand die Bürgerschaft dieses reformierten Gemeinwesens der Bildenden Kunst, im Besonderen der Malerei, weiterhin sehr aufgeschlossen gegenüber, so dass sich hier – trotz Bilderverbots – eine bedeutsame Enklave für Kunstliebhaber herausbildete. In keiner anderen Stadt der Eidgenossenschaft wurde seit dem 16. Jahrhundert so viel und vor allem so konsequent Kunst von privater Hand erworben wie in der Rheinstadt.


Das Bilderverbot und die Folgen für die Kunst in der Schweiz Bekanntlich führte die Einführung der neuen Glaubenslehre nicht nur zur Auslöschung des Bilderkultes und der bisherigen Kunstleistungen, sondern legte fortan auch die Grundlage für ein stark zensuriertes Bildverständnis, das in erster Linie auf die Illustrationen zur Schrift abgestellt blieb.7 Das Bilderverbot hatte die Schweiz künstlerisch Jahrhunderte lang in eine absolute Isolation manövriert: Es stürzte vorübergehend die Künstler in eine enorme existenzielle Krise 8 und wirkte sich auch nachhaltig auf die Kunstausbildung und Kunstproduktion in diesem Lande aus. Freiräume für künstlerische Winkelzüge waren in einem solch kunstfeindlichen Klima kaum mehr gestattet, aber ebenso wenig auch noch zu erwarten.9 Tatsächlich war die «frühere Schweiz» kein ideales Pflaster für einen Künstler, der hier Karriere zu machen und öffentliche Anerkennung zu finden suchte. Davon wusste auch der Berner Maler Wilhelm Stettler (1643–1708) zu berichten, der seinen erneuten Berner Aufenthalt (1682–1695) nach Jahren künstlerischer Tätigkeit im Ausland mit einem «Fisch» verglich, der «seines Wassers fast ganz beraubt» worden sei. Und er fügte hinzu, dass die Antihaltung gegenüber der Kunst ihm schon in seiner Kindheit manifest geworden sei: Mittels Strafen und Spottversen habe man den Kindern dazumal schon die Freude am Malen und Sudeln auszutreiben versucht.10 Wie stark deprimierend die Künstlerrolle innerhalb der Eidgenossenschaft selbst noch im 18. Jahrhundert empfunden wurde, belegt u. a. die Aussage des Lausanner Gelehrten, Kunstsammlers und Kunstkritikers, Jean-Louis-Philippe Bridel (1759–1821) in Bezug auf die hiesige Kunstförderung und das Ansehen des Künstlers: Es gäbe, so Bridel, «in der Schweiz […] keine Hilfe am Beginn, keine Unterstützung in der Karriere, kein Gewinn und Ansehen, wenn man am Ziel angelangt ist».11 In dieses Bild passt schliesslich auch ein berühmtes Zitat Goethes, der moniert hatte, dass man hinsichtlich des 1778 in Cheyres am Neuenburger See entdeckten antiken Orpheus-Mosaiks jegliche Sorgfaltspflicht vermissen liess: «Es ist ziemlich erhalten, geht aber auch nach und nach zugrunde. Die Schweizer traktieren so etwas wie die Schweine.»12 Das Land der Eidgenossen war alles andere als eine Ideallandschaft der Künste: Zwischen dem Ausbruch der Reformation und dem Ende des 18. Jahrhunderts, als mit der Genfer Schule um Alexandre Calame (1810–1864) eine neue Aufbruchstimmung in der Malerei einsetzte, gebärdete sich das künstlerische Credo denn hier auch eher provinziell als professionell. Die durch den Bildersturm der Reformation ausgelöste «kulturelle Abschnürung der Eidgenossenschaft»13 fand erst zur Zeit der Aufklärung ihr Ende, als die seit dem Ausbruch der Reformation erlassenen Sittengesetze vielerorts wieder abgeschafft wurden, so 1775 in Genf. Das Bilderverbot erwies sich so gesehen für die Kunst als ein Verbot mit fatalen Folgen: Es gab in dem Lande Zwinglis

Basels frühe Rolle als Kunststadt im Spiegel seiner Privatsammlungen

und Calvins nirgends eine professionelle Ausbildungsstätte, keinen Ort, an dem der Künstlerberuf offiziell hätte erlernt werden können. Keine Akademie wie in anderen europäischen Ländern, nur eine Zeichenschule vermochte sich hier überhaupt zu etablieren – und das erst noch recht spät, nämlich um die Mitte des 18. Jahrhunderts, so zuerst 1751 in Genf. Nimmt man all diese Eckdaten zusammen, so benötigte das Land gut zweieinhalb Jahrhunderte (!), um das durch das Bilderverbot verursachte Dilemma für die Kunst – ihre Förderung und Entfaltung – überwunden zu haben. In dieser Zeitspanne entwickelte sich aber nicht nur im Hinblick auf die Kunstproduktion ein Klima des Mittelmasses,14 ein Wirken im «Schatten des Goldenen Zeitalters».15 Das Bilderverbot zeitigte – was unseres Erachtens bislang viel zu wenig gesehen wurde – ebenso spürbare Auswirkungen im Hinblick auf das Kunstverhalten und den Kunstgenuss an sich, indem Entdeckerfreude und Lust am Sammeln von Werken der Bildenden Kunst in diesem Land über lange Zeit gar nicht erst gross geweckt worden waren. Die reformatorische Bildfeindlichkeit hatte, was nachfolgend erläutert werden soll, insofern auch Auswirkungen auf das Sammelverhalten an sich, wobei die Basler Bürgerschaft hier von Beginn an einen konsequent anderen Weg einschlug.16

Kollektives Sammeln anstelle privaten Kunstgenusses Seit Einführung der Reformation entstanden in verschiedenen Städten der Eidgenossenschaft öffentliche Bibliotheken als neue Orte des Versammelns sowie der Wissensbewahrung und -vermittlung. Sie traten an die Stelle der nicht als öffentlich bestimmten Klöster- und Stiftsbibliotheken, die im Zuge der Reformation mehrheitlich aufgelöst worden waren. Mit der «Gemeinen Bürger-Bücherei» verband sich zunächst der Wunsch – dies durchaus im Sinne des neuen Glaubensbekenntnisses –, dass das Wort jedermann zugänglich gemacht werden sollte. Die Bürgerbibliotheken entstanden in engem Kontext zu der Reform des Schulwesens17 und wurden damit zu einem wichtigen Gradmesser bezüglich der Neuausrichtung des frühneuzeitlichen Bildungswesens. Zugleich sollten sie aber auch ein reformatorisches Bollwerk des Wissens werden, mittels dessen man sich vor Verunglimpfungen und Verfälschungen durch gegenreformatorische Kreise zu schützen suchte. Die Bürgerbibliotheken speisten sich in erster Linie aus privaten Vergabungen. Sammeln für die Gemeinschaft anstatt für sich selbst, hiess die Losung. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zählte man hierzulande knapp neunzig Bibliotheken, darunter mindestens zehn angegliederte Naturaliensammlungen.18 Private Sammlungen, namentlich Kunstkabinette, hatten dagegen eher Seltenheitswert, zum Teil suchten Kunstreisende sie in manchen Städten sogar vergebens. Als der Jurist und Kunstsachverständige Johann Friedrich Reiffenstein (1719–1793)

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Abb. 1 Das Kunstkabinett des Antwerpener Kaufmanns Cornelis van der Geest, Gemälde von Willem van Haecht, 1628, Öl auf Leinwand, H. 100 cm, B. 130 cm Antwerpen, Rubenshuis

die Schweiz bereiste und hier auch diverse Privatsammlungen aufsuchte, vermeldete er 1761 in Bezug auf Zürich, er habe dort über sechs Tage lang versucht, einen Sammler von Format ausfindig zu machen. Aber in der Limmatstadt gäbe es einfach «keine Liebhaber der Malerey»19 und auch in Bezug auf andere Städte wie z. B. Schaffhausen 20 habe er einen ähnlichen Eindruck gewonnen. Die ersten Bürgerbibliotheken verzeichnen wir 1528 in Bern, dann 1551 in St. Gallen und 1559 in Genf. Zürich folgte 1629. Nicht selten spielten zunächst die Rathäuser eine erste wichtige Anlaufstelle als neue Orte des Sammelns und der Wissensvermittlung. Etwaiges ist z. B. überliefert für die Städte Genf, Rapperswil und Winterthur, wo die Bibliothek nahezu 200 Jahre, nämlich von 1662 bis 1842, im Rathaus domiziliert blieb. 21 In Bern und Zürich dagegen suchte man nicht die Anbindung an ein Rathaus, sondern favorisierte als Bibliotheksstandort ehemalige, mit der Reformation zur Umnutzung freigestellte sakrale Anlagen respektive Gebäude. In der Aarestadt, die 1528 zum neuen Glauben übertrat, nutzte man das

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ehemalige Franziskanerkloster an der Herrengasse zur Unterbringung der Bibliothek: Sie wurde Teil der dort ab 1535 ansässigen Theologenschule (auch «Hohe Schule» genannt) und diente zunächst fast ausschliesslich als theologische Fachbibliothek, sollte dann aber im 17. Jahrhundert durch namhafte Schenkungen (Jacques Bongars, Wilhelm Fabry) den Wandel zur barocken Universalbibliothek vollziehen. 22 Die Bürgerbibliothek der Limmatstadt nahm ab 1634 Sitz in der Wasserkirche, in der vor der Reformation die Zürcher Stadtpatrone Felix und Regula verehrt worden waren. Die Kirche, in die man nach Einführung der neuen Lehre Zwischenböden eingezogen hatte, stand zunächst als Lagerraum und Markthalle in Gebrauch, bevor hier um die Mitte des 17. Jahrhunderts die Bibliothek eingerichtet wurde. 23 Den Bibliotheken jeweils angeschlossen war auch eine Kunst- oder Wunderkammer, entweder als separierter Teil innerhalb oder als Annexraum ausserhalb der Bibliothek. Diese hatte aber, wovon noch zu sprechen sein wird, kaum etwas von jener Ausprägung europäischer Wunderkammern, wie sie sich seit dem 16. Jahrhundert vielerorts ausgebildet hatten. 24


Abb. 2 Die Kunstkammer in der Burgerbibliothek Zürich. Aus: Neujahrsblatt der Burgerbibliothek Zürich, 1688 (einzige zeitgenössische Abbildung) Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv

Mit den Wunderkammern, die übrigens für Sammler wie Kunsthändler bis heute ein Faszinosum geblieben sind, 25 verband sich der Anspruch einer Sammlung kosmologischen, enzyklopädischen Zuschnitts. Es fand darin all das Eingang, was zur Erforschung und Erklärung der Welt wie auch des Universums von Bedeutung war – und gemessen an dem dazumal noch jungen Forschungshorizont und der Entdeckerfreude boten solche Sammlungen Platz für allerhand Interessantes, Kurioses und Wissenswertes. Sie umfassten sowohl natürliche als auch kunstvolle, von Menschenhand gefertigte Objekte. In ihnen trafen wir auf «Launen der Natur» wie Monstren, missgestaltete Tiere oder weitere merkwürdige Kreaturen, auf seltene Pflanzen, Fossilien, Knochen, Muscheln

Basels frühe Rolle als Kunststadt im Spiegel seiner Privatsammlungen

und Skelette; ferner auf Münzen, Gemmen, Vasen, Inschriften, auf Gebrauchsgegenstände, Globen, Karten und Messinstrumente sowie schliesslich auch auf eine Kunstabteilung, d. h. einen Sammlungsbereich mit Gemälden und Skulpturen, als auch Fragmenten aus der Antike. Manche dieser Wunderkammern nahmen dabei den Charakter einer eigentlichen Kunst- und Gemäldegalerie an, wie es auf dem Gemälde Willem van Haechts über das Kunstkabinett des Antwerpener Kaufmanns Coenelis van der Geest eindrücklich vor Augen gestellt ist (Abb. 1). Im Nebeneinander von natürlichen und von artifiziellen, also von Menschenhand geschaffenen Objekten wurden die Kunstkammern zu intimen Orten der Wissenserschliessung und -vermittlung. Sie verkörperten den Makrokosmos im

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Abb. 3 Die Berner Bibliothekskommission entscheidet im Büchersaal über den Erwerb neuer Schriften, Gemälde von Johannes Dünz, 1696 Burgerbibliothek Bern

Mikrokosmos. Von Reisenden für Reisende geschaffen, gingen sie früh in die Reiseliteratur ein, so dass die Kabinette auch mit Vorliebe von Reisenden aufgesucht wurden. Gleichzeitig mit den ersten Kabinettsammlungen erschienen auch Traktate über die Systematik des Sammelns, in denen die Forderung von Sammlung und Bibliothek als Einheit erhoben wurde. 26 In den Kunstkammern gab es schon früh etliche Schnittstellen zwischen Kunst und Wissenschaft; ihren hohen didaktischen und wissenschaftlichen Ansprüchen zufolge treffen wir in ihnen auch auf die ersten Einrichtungen musealen Zuschnitts. 27 Bei den «Kunstkammern» der hiesigen Bibliotheken dürfen wir den Terminus «Kunst» indes nicht zu hoch gewichten. Weder eine Kunstsammlung noch eine ihrer spezifischen Präsentationsformen wie z.  B . eine Gemäldegalerie (Abb.  1) hat es hier jemals gegeben. Der gut erschlossene Sammlungsbestand der Zürcher Kunstkammer (Abb.  2) beispielsweise enthielt nur wenige Kunstwerke im engeren Sinne, dafür aber neben zahlreichen Münzen und Naturalien auch kunstgewerbliche Objekte, wissenschaftliche Instrumente und Antiquitäten. Jedoch galt das Hauptaugenmerk eindeutig der Bibliothek und deren kontinuierlichen Vergrösserung, so dass die «Kammer der Natur und freyen Künste» an Umfang und Bedeutung weitaus geringer war als der Bibliotheksbestand. 28

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Ähnlich erging es auch den übrigen Kunstkammern in den Schweizer Städten. Sie fristeten ein doch eher kärgliches Dasein. Mancherorts existierte nicht einmal ein Inventar über die darin aufbewahrten Bestände, die mehrheitlich aus Münzen und «Naturalia», also allerlei Erzeugnissen aus dem Erd-, Pflanzen- und Tierreich bestanden. Nicht selten, so auch in Bern, glichen die Kunstkammern mit den darin aufbewahrten Münzen, Naturalien und Raritäten eher «Rumpelkammern», da man sich mit der Ordnungssystematik der dort angehäuften Objekte ziemlich überfordert fühlte. 29 Bezeichnenderweise treffen wir mit Ausnahme der Zürcher Kammer auch nirgends sonst auf eine zeitgenössische Abbildung dieser institutionellen Kunstkammern in der Schweiz. Im Zentrum stand das Wort. Das Bildhafte war eigentlich eine «quantité négligeable». Demzufolge bildete auch die Bibliothek den zentralen Ort des Versammelns. Die «Kunstkammer» war dieser sowohl an Umfang als auch gemäss der Bedeutung ihrer Exponate eindeutig untergeordnet. Von dieser Losung kündet auch das bekannte kurz vor 1700 entstandene Bild von Johannes Dünz (1645–1736), das die Bibliothekskommission im neu eingerichteten, repräsentativen Bibliothekssaal zeigt (Abb.  3). 30 Nur wenige Kunstobjekte sind auf dem Bild abgebildet: Ausser einer Porträtgalerie mit städtischen Repräsentanten, unter ihnen vor


allem Dekane und Schultheissen, entdecken wir im Bildvordergrund zwei Globen sowie auf der Büchergalerie im Hintergrund einige Skulpturen. Unter diesen stellt die vordere links eine um 1660 entdeckte Skulpturengruppe vor. Die Paniska von Muri – darstellend eine Faunin mit einem kleinen Satyr – zählte zu den berühmtesten Antikenfunden der Schweiz. Es war zweifellos eines der Prunkstücke der Berner Kunstkammer, die ausserdem Teile mittelalterlicher Kirchenausstattungen, des Kirchenschatzes von Königsfelden und der Burgunderbeute sowie diverse Naturalien und astronomische Instrumente und ebenfalls Kunsthandwerk aus Übersee enthielt. 31 Ihr grösster aus privaten Vergabungen gespeister Bestand rekrutierte indes, wie aus dem Donationenbuch zu entnehmen ist, eindeutig aus Münzen und Medaillen. Mit dem Ausbruch der Reformation sind somit für das Sammeln in der Eidgenossenschaft folgende Entwicklungen auszumachen: Weniger das private, sondern eher das institutionelle Sammeln rückt fortan ins Zentrum. Sammeln für die Gemeinschaft! – Diese Losung liess den Gedanken an eine «collection privée» in den reformierten Städten gar nicht oder nur erschwert aufkommen! Derjenige, der etwas für wertvoll erachtete, leitete es im Sinne des Gemeinsinns weiter an die Bürgerbibliothek, wo es entweder der Bibliothek oder der Kunstkammer «zugeschlagen» wurde. Kollektives Sammeln trat vielerorts an die Stelle privaten Kunstgenusses. Die Bibliothek stand im eigentlichen Interesse öffentlichen Sammelns. Die Kunst als Sammelobjekt rückt ins zweite Glied, wird der Bibliothek beigeordnet. Über die Berner Kunstkammer zum Beispiel wurde kein gesondertes Inventar geführt; die ihr überstellten Objekte fanden als Neuzugänge ebenfalls Erwähnung im Donationenbuch der Bibliothek. Die Bürgerbibliotheken waren indes mehr als Archive und Orte der Wissensvermittlung. Sie entwickelten sich zur Urzelle des städtischen Museums, die in dieser Funktion bis weit ins 19. Jahrhundert fortdauerten. Erst im Zuge der Entstehung des modernen Museumswesens, mit der auch eine Aufteilung und Spezialisierung der Sammlungsbestände vollzogen wurde, erfolgte auch eine spezifische Zuleitung des bis anhin gesammelten Gutes auf die entsprechenden Häuser. Die Buchbestände der Berner Bibliothek zum Beispiel fanden späterhin Eingang in die Burgerbibliothek sowie in die Stadtund Universitätsbibliothek, diejenigen der Zürcher Gelehrtenbibliothek in die Zentralbibliothek. Die Exponate der eigentlichen Kunstkammer dagegen gelangten mehrheitlich in die gegen Ende des 19.  Jahrhunderts mit dem Anspruch als Nationalmuseum neu errichteten Häuser, das Historische Museum Bern (1894) respektive das Landesmuseum Zürich (1897). Basel schlug, wie nachfolgend zu zeigen sein wird, in Bezug auf diese Entwicklung institutionellen wie privaten Sammelns eine vollkommen eigenständige Richtung ein. Eine «Bürgerbibliothek» fand in der Rheinstadt bezeichnenderweise ebenso wenig eine Form der Einrichtung wie eine ihr angeschlossene «Kunstkammer». Dagegen gab es bereits seit

Basels frühe Rolle als Kunststadt im Spiegel seiner Privatsammlungen

1460, dem Gründungsjahr der alma mater, eine Universitätsbibliothek, 32 deren anfänglich recht bescheidener Bestand sich mit der Auflösung der klösterlichen Bibliotheken zur Zeit der Reformation allerdings schlagartig vergrössern sollte. Hinzu kamen kurz nach der Mitte des 17. Jahrhunderts das erste private und das erste städtische Museum eines schweizerischen Gemeinwesens, welche für lange Zeit parallel und unabhängig voneinander als öffentliche Einrichtungen geführt wurden. Beide Häuser dienten der Präsentation zweier bürgerlicher Privatsammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts, welche anzeigen, dass die Freiheit des privaten Sammelns in der Rheinstadt auch nach Einführung der Reformation nicht – oder zumindest nicht gross – eingeschränkt blieb.

Von Amerbach bis Faesch: Basler Privatsammlungen des Humanismus und der Frühen Neuzeit Um 1500 rückt die Stadt Basel mit Erasmus von Rotterdam und der Familie Amerbach erstmals in den Kreis der europäischen Privatsammler auf. 33 Der Stammvater Johannes Amerbach (um 1441–1513), als Johann Welcker in Amorbach im Bistum Würzburg geboren und ab 1478 in Basel als Buchdrucker nachweisbar, stand mit namhaften Gelehrten und Künstlern in regem Kontakt. Der hervorragende Ruf der Amerbachschen Offizin hatte u. a. Erasmus von Rotterdam dazu veranlasst, sich in Basel niederzulassen, das sich gegen 1500 zu einem blühenden Zentrum des Buchdrucks und der humanistischen Literatur entwickeln sollte. Johannes Amerbach war zwar Besitzer einer umfangreichen Bibliothek und einiger Pretiosen, dennoch wäre es überzeichnet, ihn einen Sammler zu nennen. Ähnliches gilt auch für seinen Sohn Bonifacius (1495–1562), der in Basel, Freiburg und Avignon Jurisprudenz studierte und anschliessend an der Universität Basel als Dozent für römisches Recht wirkte. 34 Schon in jungen Jahren hatte sich eine Freundschaft zwischen ihm und Erasmus von Rotterdam entwickelt, der ihn schliesslich auch als Universalerben bedachte. Als der «Humanistenfürst» 1536 starb, gelangte so ein grösserer Bestand an Münzen, Medaillen und Plaketten, Gold- und Silbergerät, Gemälden und Zeichnungen zu dem Amerbachschen Besitz hinzu, für dessen Aufbewahrung Bonifacius 1539 eigens eine Truhe (Kat.-Nr.  1) herstellen liess 35 (s.  S.  43). Auch die Amerbachsche Münz- und Medaillensammlung, die in Teilen ebenfalls auf das Erbe des Erasmus zurückgeht, erhielt ein ähnlich unikates Sammlungs- und Aufbewahrungsmöbel: einen Münzkasten (Kat.-Nr.  2), den Bonifacius Sohn Basilius Amerbach (1533–1591) in Auftrag gab. Der Professor für Codex an der Universität Basel, der mit namhaften Gelehrten in Europa und auch mit vielen Künstlern in regem Austausch stand, sollte die Kunstsammlung zu dem ausbauen, was wir gemeinhin mit dem Amerbach-Kabinett verbinden (s.  S.  41–58).

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Der Schwerpunkt der Sammlung Amerbach lag in der bildenden Kunst, der Numismatik sowie der Goldschmiedekunst. Es existiert zwar keine Illustration von der Sammlung, doch wissen wir, dass Amerbach keine Objekte an der Decke präsentiert hatte, wie wir dies von anderen zeitgenössischen Sammlungsinszenierungen her kennen. 36 Die Präsentation erfolgte insgesamt sehr zurückhaltend, da die meisten der Exponate in Truhen und Schränken verschlossen blieben, d. h. es war im eigentlichen Sinne eine Studiensammlung, die ausser ihm nur wenigen Kreisen zugänglich war. Erst die spätere Übernahme in das Haus zur Mücke öffnete das Amerbach-Kabinett für ein grösseres Publikum (s. S. 56–57). Nach dem Tod von Basilius, der ohne direkte Nachkommen starb, wurde die Sammlung bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts im Haus zum Kaiserstuhl von Anverwandten der Familie Iselin betreut. Als Basilius Iselin, der Sohn des Neffen und Erben von Basilius Amerbach, 1648 verstarb, entspann sich eine lebhafte Diskussion um die Zukunft der Sammlung, die ins Ausland veräussert zu werden drohte. Verschiedene Kaufangebote, so u. a. auch von Königin Christina von Schweden (1616 –1689) und einem Amsterdamer Kaufmann gingen ein. Seitens der Bürgerschaft schien man sogar geneigt, nur einen Teil der Sammlung, nämlich die Bibliothek, zu behalten und die Kunst- und Altertumssammlung zu veräussern. Das Argument des Bürgermeisters Rudolf Wettstein (1594– 1666), ein Teil des Kabinetts verdanke sich auch der Privatsammlung des Erasmus von Rotterdam, führte jedoch am Ende zur Entscheidung, das Amerbach-Kabinett geschlossen beieinander zu halten. Am 20. November 1661 fiel der Entscheid für den Ankauf der Sammlung durch die Stadt. Die enorme Kaufsumme von insgesamt 9000 Reichstalern, an der sich die Universität zu rund einem Sechstel beteiligte, wurde in drei Jahresraten abbezahlt. Von 1671 an war die Sammlung im Haus zur Mücke ausgestellt. Allerdings war sie anfänglich nur einmal wöchentlich, nämlich jeweils am Donnerstagnachmittag, zu besichtigen. Über die dort gezeigten Exponate sind wir durch Inventare und Beschreibungen recht gut informiert (s. S. 132–137). Parallel zum Amerbach-Kabinett waren im Verlauf des 16. Jahrhunderts weitere Privatsammlungen in Basel entstanden: Zu ihnen zählten diejenigen des Universitätsprofessors Theodor Zwinger (1533–1588), des Stadtarztes Felix Platter (1536–1614) und des Tuchhändlers und Politikers Andreas Ryff (1550–1603) (s.  S.  59–68 und S.  69–80). Die Sammlungen im Rang eines Kunst- und Raritätenkabinetts und einer Münz- und Mineraliensammlung (Ryff) ereilte allerdings das Schicksal vieler Privatsammlungen: Nach dem Ableben ihrer Initianten wurden sie von den Erben durch Verkauf aufgelöst und in alle Winde zerstreut. Aus diesem Grunde ist es auch recht schwierig, Umfang und Qualität dieser Sammlungen enger einzugrenzen resp. zu bestimmen. Allerdings besitzen wir im Historischen Museum Basel noch einzelne Sammlungsmöbel, die zumindest über das Archivierungssystem einzelner dieser Sammlungen sehr gut Aufschluss geben. 37

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Zu den Ausstattungsinsignien einer weiteren Basler Privatsammlung gehörte auch ein äusserst reich verzierter Spätrenaissance-Kabinettschrank, der 1619 von dem aus dem Burgundischen nach Basel gekommenen Tischler und Schnitzer Franz Pergo (um 1570–1629) geschaffen wurde. 38 Der nach ihm benannte Pergo-Schrank (Kat.-Nr.  5) befand sich ursprünglich in der Sammlung des Basler Rechtsgelehrten Remigius Faesch (1595–1667), der die Tradition der Sammlungen Amerbach, Platter, Ryff und Zwinger im 17. Jahrhundert würdig fortsetzte. Das Kabinett Faesch stellt «die bedeutendste der zahlreichen Basler Wunder- und Kunstkammern»39 nach dem AmerbachKabinett vor (s.  S.  81–94). Während nahezu zweier Jahrhunderte verblieb die Sammlung in Familienbesitz – zunächst als Privatkabinett und sodann als öffentlich zugängliches Privatmuseum – und wurde erst Anfang des 19. Jahrhunderts einer neuen Trägerschaft, nämlich der Basler Universität, zugeführt. Die Mitte des 17. Jahrhunderts (1653) erstmals öffentlich zugängliche Privatsammlung Faesch war das erste Sammlermuseum der Schweiz. Es bestritt den Unterhalt absolut aus eigenen Mitteln – u.a. durch Eintritte, Führungen – 40 und war damit acht Jahre vor dem Ankauf des Amerbach-Kabinetts (1661) und achtzehn Jahre vor dessen Eröffnung im Haus zur Mücke (1671) der erste öffentlich zugängliche Museumsbau der Schweiz. Vom Amerbach-Kabinett unterschied das Museum Faesch vor allem die Tatsache, dass es nun vollständig in privater und nicht in öffentlicher Hand war. 41 Beide zeitlich parallel, aber unter getrennten Trägerschaften geführten Häuser verkörpern ausgesprochen frühe Beispiele öffentlicher Museen in Europa, initiiert von bürgerlichen Vertretern einer Kommune, die mit ihren dazumal annähernd 10  0 00 Einwohnern zu den «Städten ersten Ranges innerhalb der Eidgenossenschaft» zählte. 42 Indes verfügte die Rheinstadt mit dem Museum Faesch und dem Haus zur Mücke nicht über die ersten öffentlichen Museen überhaupt, was die nachfolgenden Ausführungen kurz an einigen repräsentativen Beispielen darzulegen suchen.

Privatsammlungen und Öffentlichkeit Nach dem, was wir bis heute wissen, 43 entstanden die ersten Privatsammlungen44 in den Kreisen venezianischer Gebildeter, welche sich für die Antike, namentlich für Münzen mit antiken Kaiserporträts interessierten. Zu den ersten Sammlern gehörten neben Künstlern und Juwelieren auch Notare wie z. B. Oliviero Forzetta (um 1300–1373) aus Treviso, den wir wohl den ersten Privatsammler modernen Zuschnitts nennen dürfen. Aber erst mit seinem Zeitgenossen Petrarca (1304–1374) sollte ein Gelehrter und Sammler von Format die Bühne betreten, der dann auch vorbildhaft wurde für weitere Sammlerkreise in Italien. Nicht nur südlich, auch nördlich der Alpen treffen wir im 14. und 15. Jahrhundert – wenngleich auch zunächst eher vermehrt in höfischen Kreisen – auf private Kollektionen. Als


Beispiele können hierfür die Sammlungen des französischen Königs Karl V. (1334–1380) oder auch diejenige seines Bruders und burgundischen Herzogs Jean de Berry (1340–1416) gelten. Zwar wurde letztere Sammlung nach dem Tod des Herzogs aufgelöst und Teile daraus eingeschmolzen, doch sind wir durch entsprechende Inventare, übrigens den ersten in der neueren Geschichte, sehr gut über ihren Bestand informiert. In der Sammlung Jean de Berrys befanden sich neben illuminierten Handschriften, Edelsteinen und Perlen auch zahlreiche Reliquien, Petschafte sowie antike Gemmen und Ringe mit Kameen. Blieben diese gehobenen Privatsammlungen der breiten Öffentlichkeit auch weitgehend verschlossen, so waren sie dennoch stets interessierten Kreisen zugänglich; dies allein schon wegen des Sammlerstolzes und der Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. So deuten denn auch «zahlreiche Belege darauf hin, dass grundsätzlich unzugängliche Sammlungen zu allen Zeiten die Ausnahme waren.»45 Bereits im 15.  u nd 16.  Jahrhundert treffen wir auf solche Privatsammlungen, die nachweislich zugänglich und zum Teil als museale Institutionen auch bereits öffentlich waren. So hielt Isabella d’Este (1474–1539) ihr Studiolo im Palazzo Ducale in Mailand grundsätzlich für interessierte Kreise offen, selbst dann, wenn sie selbst nicht zugegen war. Von Fulvio Orsini (1529–1600), dem Verwalter der Sammlung Kardinal Alessandro Farneses, ist überliefert, dieser habe nicht nur Künstler und Gelehrte, sondern auch «Dilettanten» durch die Sammlung geführt. Ebenfalls im gleichen Zeitraum hören wir bereits von den ersten Museumsgründungen: So war das 1471 unter dem Pontifikat von Papst Sixtus IV. (1471–1484) errichtete Museo Capitolino im Kapitolspalast allein der römischen Antikensammlung wegen initiiert worden. Und wenig später wurden unter Julius  I I. (1503–1513) und Leo  X . (1513–1521) auch die Antiken im Statuenhof des vatikanischen Belvedere erstmals öffentlich. Ebenfalls zu besichtigen war die Antikensammlung der Grimani: Sie befand sich ab 1539 als «statuario publico» in der Biblioteca Marciana in Venedig. Auch in England, wo 1683 in Oxford das Ashmolean Museum, so genannt nach dessen Stifter Elias Ashmole (1617– 1692), aufging, fanden sich schon zu Beginn des 17.  Jahrhunderts Sammler, die ihre Sammlungen öffentlich machten. Beispielhaft genannt sei hier die Privatsammlung von John Tradescant (1570–1638), der zusammen mit seinem gleichnamigen Sohn als königlicher Gärtner in verschiedenen Diensten bei Hofe stand. 1626 nahm er Wohnsitz in South Lambeth, unweit der Residenz des Erzbischofs von Canterbury, und öffnete drei Jahre später seine Sammlung der Öffentlichkeit. Das 1629 eröffnete Museum enthielt allerlei erdenkliche Kuriositäten, die der Sammler von ausgiebigen Weltreisen mitgebracht hatte. Es gilt als das älteste öffentliche Museum Englands, dessen Bestände späterhin von Elias Ashmole erworben wurden und so in den Gründungsbestand des Ashmolean Museums eingingen, das der Oxforder Universität übereignet und auch von ihr verwaltet wurde.

Basels frühe Rolle als Kunststadt im Spiegel seiner Privatsammlungen

Für Dänemark liesse sich das Museum des dänischen Archivars und Mediziners Olaus Worm (1588–1654) in Kopenhagen benennen, über das 1655 ein ausführlicher Katalog erschien. Und bezüglich der bürgerlichen Sammlungen in Deutschland sei auf das bereits erwähnte Kabinett der Familie Praun (1548–1616) verwiesen, 46 die sich im Besonderen auf den Handel mit Seidenstoffen verlegt hatte. Es wurde allerdings erst nach dem Tode von Paulus Praun (1548–1616) öffentlich, der die bereits von seinem Vater angelegte Kunstsammlung konsequent mit altdeutschen und italienischen Gemälden und Zeichnungen weiter ausgebaut hatte. Mittels «Vorschickung», einer besonderen Form des Nürnberger Erbschaftsrechtes, hatte Praun verfügt, dass die Sammlung künftig an den jeweils ältesten männlichen Erben zu übereignen und sie auch unverändert zusammenzuhalten sei. Parallelen zu der Erbnachfolgeregelung des Remigius Faesch werden hier spürbar, der die Weitergabe der Sammlung an ähnliche Vorgaben geknüpft hatte (s. S.  81– 94). Noch im Todesjahr 1616 wurde das Praunsche Kabinett inventarisiert und als eine der frühesten deutschen Privatsammlungen öffentlich zugänglich gemacht. Bis 1801 verblieb es in Familienbesitz und wurde aus finanziellen Gründen verkauft, so dass die rund 10 000 Objekte des einstigen Praunschen Sammlermuseums heute in alle Welt verstreut sind. 47 Diese kurze Auswahl sollte gezeigt haben: Bereits vor dem Gründungsjahr des Museums Faesch (1653) gab es öffentlich zugängliche Privatmuseen in Europa. Basel war somit nicht das erste Gemeinwesen mit einem öffentlich zugänglichen Museum. Aber es steht als ein gutes Beispiel dafür, dass zeitgleich an verschiedenen Orten ähnliche Entwicklungen festzustellen sind. In diesem Sinne erfolgte die museale Aufbereitung der Sammlungen Faesch und Amerbach in engem Kontext früher europäischer Sammlungsgeschichte. Vor diesem Hintergrund liesse sich auch darüber debattieren, ob – was immer wieder behauptet wird – tatsächlich dem Ashmolean Museum (1683) in Oxford das Privileg zukommt, das älteste in Verbindung mit einer Universität errichtete Museum zu sein. Oder ob hierfür nicht doch eher das Haus zur Mücke in Basel (1671) in Betracht zu ziehen ist, das ja immerhin gut zehn Jahre zuvor mit der Sammlung Amerbach einen ersten Schritt in Richtung Öffentlichkeit vollzogen hatte. Dass ähnlich wie in Oxford auch in Basel die Verwaltung und Öffentlichkeitsfunktion der ehemaligen Privatsammlung (Amerbach-Kabinett) von der alma mater an die Hand genommen wurde, erklärt sich zuallererst wohl mit der Kompetenz dieser Forschungs- und Verwaltungsinstanz zu einer Zeit, in der das Museum überhaupt noch nicht institutionalisiert war. Gleichzeitig könnte es aber auch die Frage beantworten helfen, weshalb sich ausgerechnet in der Rheinstadt zu einem so frühen Zeitpunkt überhaupt ein Sammlertum entfalten konnte – und dies unbeeindruckt von den religiösen Umwälzungen in jenen Tagen. Schon lange ist erkannt worden, dass die Entstehung der frühen Basler Sammlungen nicht ohne Kontext zum humanistischen Gedankengut gesehen werden kann: «[…] the various

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Abb. 4 Allegorie auf die Geschichtskunde und das Sammeln von Altertümern, Miniatur von Wilhelm Stettler (1643–1708), 1672/73, Deckfarbenmalerei auf Pergament Rektoratsmatrikel der Universität Basel, Bd. 3, fol. 47r, Universitätsbibliothek Basel, AN II 4a.

collections should not be seen as individual phenomena, but rather as part of the humanistic tradition, which at that time was strong enough amongst the Basle bourgeoisie to support establishment of so many cabinets of art and curiosities.»48 Zumindest für das 16. und 17. Jahrhundert lässt sich aufzeigen, dass hier das Gros der herausragenden Sammlerpersönlichkeiten tatsächlich auch mit der Universität in Verbindung stand. Basilius   Amerbach, Theodor   Zwinger, Felix Platter und Remigius Faesch bekleideten allesamt das Amt eines Professors an der Basler Hochschule, welche schliesslich auch Eigentümerin zweier dieser Sammlungen wurde.

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Der Institution Universität verdanken wir letztlich auch eine Darstellung, die gemäss der bisherigen Forschung als ein Teilausschnitt der Faeschischen Sammlung interpretiert werden darf. Sie findet sich im dritten Band der Basler Rektoratsmatrikel zu Christoph Faeschs Rektoratsjahr 1672/73 (Abb.  4). 49 Christoph war nach dem Tod seines Bruders Remigius Konservator der Sammlung Faesch, welche er auch weiter ausbaute. Die Illustration, welche begleitet wird durch ein lateinisch verfasstes Gedicht vom Sohn des Rektors, Sebastian Faesch (1647–1712), gewährt Einblick in ein Interieur mit Kassettendecke, in dem wir auf diverse Ausstattungsstücke treffen: Skulpturen, Gemälde, Globen und einen geöffneten Kabinettschrank mit Bücherregal und Münzschubladen. Im Bildvordergrund sehen wir eine Gruppe allegorischer und mythologischer Gestalten, die folgendermassen erklärt werden: Zur Rechten stehend in blauem Gewand und mit Posaune die geflügelte Fama, welche der sitzenden Wahrhaftigkeit Ereignisse der Geschichte in die Feder diktiert; vor dieser kniend der Titan Saturn, der sich anschickt, eine antike Skulptur – und damit einen Sammlungsgegenstand – zu verschlingen, die ihm der Amorknabe zu seiner Rechten allerdings zu entreissen sucht. Die Inszenierung der Figurenszene im Gewand barocker Gelehrsamkeit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Innenraum, in dem sich die Darstellung vollzieht, tatsächlich mit einem Ensemble verschiedener Versatzstücke aus einer Sammlung aufwartet. Jedenfalls lassen sich die beiden dargestellten Inschriftensteine mit Sammlungsobjekten aus dem Museum Faesch identifizieren (s.  S.  84). So liegt die Vermutung nahe, die Illustration als «freie Wiedergabe eines Raumes des Museum Faesch am Petersplatz»50 zu interpretieren. Nirgends sonst in der Basler Rektoratsmatrikel stossen wir auch nur annähernd auf eine Illustration ähnlichen Zuschnitts, so dass uns durchaus ein Kontext zu der Sammlung Faesch für gegeben erscheint – dies trotz der allegorischen Thematik. Mit der Miniatur aus der Basler Universitätsmatrikel verbindet sich so gesehen die vielleicht «früheste» bildliche Reminiszenz an eine Kunstkammer und damit an eine Museumsinstitution in der Schweiz.

Sammeln in Basel Von jeher eine Frage von Geschmack und Kennerschaft Die Geschichte privaten wie öffentlichen Sammelns in Basel ist ohne die Hochschule als Träger- und Verwaltungsinstitution nicht oder nur unzureichend erklärbar. Die Universität lieferte den Schlüssel für die frühe Entwicklung Basels zur Sammler- und Kunststadt. Die ersten Sammler gehörten zur geistigen Elite, waren überwiegend Gelehrte und keine Kaufleute, Bankiers und Fabrikanten, wie sie die weitere Sammlungsgeschichte Basels insbesondere im 18. Jahrhundert prägen sollten.


Abb. 5 Das Angebot des Händlers, Zeichnung von Daniel Burckhardt-Wildt, 1789, Federzeichnung, H. 9,5 cm, B. 16,5 cm Historisches Museum Basel, Inv. 2011.335., Geschenk Dr. Nikolaus Thurnherr

Kein anderes Gemeinwesen innerhalb der Schweiz vermag auf einen ähnlichen Leistungsausweis im Sammeln von Kunst zu verweisen wie Basel, dessen frühe Entwicklung zur Kunststadt so gesehen eigentlich «uneidgenössisch» zu nennen ist. Bezüglich ihrer Sammlungsgeschichte erscheint sie eher wie der verlängerte Arm der markgräflichen Sammlungen in Baden und Karlsruhe, mit denen namentlich die Basler Sammler des 18. Jahrhunderts dann auch in regem Austausch standen. Einige von ihnen, wie der Bankier Samuel Burckhardt-Zaeslin (1692–1766) und der Ratsherr Samuel Heussler-Burckhardt (1730–1770), sollen sich mit ihren prunkvollen Sammlungen denn auch ausgesprochen «fürstlich» gebärdet haben. 51 Bereits gegen Ende des Mittelalters hatte sich in der Rheinstadt, getragen von einer Kunst und Wissenschaft gleichermassen zugewandten Bürgerschaft, eine private Sammlerklientel herausgebildet, die auch in den folgenden Jahrhunderten nie versiegen sollte. Mit dem Museum Faesch (1653) und dem Haus zur Mücke (1671) entstanden hier bereits um die Mitte des 17. Jahrhunderts sowohl das erste private als auch das erste öffentliche Museum der Schweiz. Eine klug geführte Nachlassregelung auf der einen, aber auch der beherzte Entscheid von Stadt und Universität zum Sammlungserwerb auf der anderen Seite sorgten dafür, dass die bedeutsamen Bas-

Basels frühe Rolle als Kunststadt im Spiegel seiner Privatsammlungen

lerischen Kernsammlungen dem Gemeinwesen auch weiterhin erhalten blieben. Verglichen mit anderen europäischen Städten dürfte Basel zudem eine der ersten Kommunen gewesen sein, in der bereits kurz nach der Mitte des 17. Jahrhunderts beide Museumsformen – die private wie die städtische – gleichberechtigt nebeneinander existierten und ohne Weiteres auch zugänglich waren. Ihre Bestände legten den Grundstock für eine Sammeltradition, die in der Rheinstadt selbst dann nicht abbrechen sollte, 52 als mit dem Ableben der Malerfamilie um Hans Bock († 1624) «ein langes Ausblühen der Bildkünste»53 zu verzeichnen war, das erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts im Zuge einer erstarkten Bautätigkeit überwunden werden konnte. Seit dann erhielt auch die Sammeltätigkeit in Basel neuen, regen Auftrieb, über die der Berner Bibliothekar und Landvogt zu Erlach, Johann Rudolf von Sinner (1730–1787), späterhin einmal befinden sollte: «Le goût des tableaux est la dépense favorite des Balois.»54 Im Unterschied zu den meisten europäischen Sammlungen waren jene in Basel jedoch nie höfisch, sondern bürgerlich. Sicherlich profitierte die Rheinstadt von ihrer strategisch günstigen Lage zum deutschen und französischen Einzugsgebiet, die auch einem intensiven Kunsthandel Vorschub leistete.

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