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Durchs Gebirge

Sie hießen Lucienne Welschinger, Emmy Weisheimer, Alice und Marie-Louise Daul, Lucie Welker und Marcelle Engelen. Im Jahr 1940 war die älteste von ihnen 27, die jüngste 17 Jahre alt. Die sechs jungen Frauen gehörten zu den Pfadfinderinnen der katholischen Pfarrei St. Jean in Strasbourg, und sie bildeten eine Wandergruppe, die oft mehrere Tage in den Vogesen unterwegs war.

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Allerdings wanderten die Frauen nur selten zu sechst allein durchs Gebirge und über die Pässe: Solche Touren dienten der Erkundung neuer Routen, die sie danach meistens nur zu zweit zurücklegten – dafür aber in Begleitung von Menschen, die sie nicht kannten und denen sie zur Flucht aus dem von Nazi-Deutschland annektierten Elsass verhalfen. Während der zwei Jahre, die ihnen blieben, bis die Gestapo sie 1942 aufgriff und zu langen Haftstrafen mit Zwangsarbeit in Deutschland verurteilte, brachten die jungen Nazigegnerinnen mindestens 500 Menschen in Sicherheit.

Der Theologe und Historiker Thomas Seiterich hat sich mit ihrer bislang zumindest hierzulande weitgehend unbekannten Geschichte beschäftigt – und nun ein Buch vorgelegt, das sich spannend liest und die Geschichte der Résistance bereichert. ewei

Verlag:

800 Seiten, Broschur

Preis: 15 Euro

Hellsichtig

Nein, heiter und leicht sind die Geschichten nicht. Adelheid Duvanel, die in Basel lebte und 1996 in einer kalten Julinacht in einem stadtnahen Wald erfror, lässt in ihrer Kurzprosa eher jene Menschen zu Wort kommen, die vom Leben geplagt sind. Menschen, die mit den Spielregeln dieser Welt nicht zurechtkommen und sich in surreale, teils märchenhafte Szenarien träumen.

Mit unerhörtem Gespür für menschliche Abgründe, tiefer Einfühlung in verwundete Seelen, enormer sprachlicher Präzision und bildhafter Mehrschichtigkeit spiegelt Duvanel das Innenleben ihrer Figuren, verschafft ihnen Räume, in denen sie sich bewegen können. Zumindest eine Zeit lang, über alle äußeren und inneren Risse und Bruchstellen hinweg, manchmal sogar leichtfüßig und mit einer gewissen Komik.

Der nun vorliegende Sammelband enthält all ihre in knapp 30 Jahren entstandenen Erzählungen, die jeweils höchstens fünf Seiten umfassen, oft aber auch nur eine. Lesende können das Buch aufschlagen, wo sie wollen: Bei jeder einzelnen Geschichte werden sie unmittelbar in das jeweilige Geschehen gezogen – Adelheid Duvanel war eine Meisterin der verdichteten und somit poetischen Anfänge. ewei

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