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Schubert goes Country

3 Fragen An David William Hughes

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Wie hätte es geklungen, wenn die Beatles klassische Musik interpretiert hätten? Das beantwortet der Freiburger Musik-Doktorand David William Hughes auf dem Album „Come Again“. Mit chilli-Volontär Pascal Lienhard hat der 33-Jährige über seine ausgefallene Idee gesprochen.

Wie sind Sie darauf gekommen, Alte Musik komplett neu zu interpretieren?

In meiner Forschung an der Musikhochschule Freiburg beschäftige ich mich mit dem Retro-Begriff. Ich habe mir überlegt, wie Bands der frühen Pop- und Rockmusik mit Alter Musik umgegangen wären. Daraus ist die Schallplatte „Come Again“ entstanden. Finanzielle Unterstützung habe ich vom Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst bekommen. Digital sind die Songs auf Bandcamp zu hören.

Wie klingt das Album?

Ich habe für die Aufnahmen Equipment aus den 1950er- und 1960er-Jahren verwendet. Die Songs habe ich mit befreundeten Musikern im Home-Studio aufgenommen. Das bekannteste Stück ist „Das Wandern ist des Müllers Lust“ von Franz Schubert. Da habe ich mich an einem Country-Sound orientiert. Das passt gut zur Thematik.

Was macht Alte Musik für Sie besonders?

Ich finde es cool, wie modern die Stücke thematisch wirken. Da finde ich häufig Dinge, die ich eher von Popmusik erwarte. Das ist wirklich spannend.

Wunsch vs. Realität

(pl). Poppige Gitarrenmusik mit Ohrwurmpotenzial: Damit hat sich die Simonswälder Band Über Ich seit 2021 einen Namen gemacht. Nachzuhören ist der eingängige Sound des Trios auf der aktuellen Single „El Dorado“. Damit erfinden die Jungs das musikalische Rad zwar nicht neu, dürften aber dennoch viele Hörer·innen ansprechen.

Die Nummer startet elektronisch, bevor die Gitarre einsetzt und Sänger und Bassist Stoi die Schere zwischen Träumerei und Realität besingt. Da bleibt das Abenteuer mal wieder Fantasie, die „Banalität verdrängt die mögliche Magie“, sEl Dorado wird nicht entdeckt. Doch nach einem melodiösen Gitarrensolo werden in der Bridge trotz allem die Segel in Richtung legendäres Goldreich gesetzt. Der Refrain der Nummer geht gut ins Ohr, ist aber kein so penetranter Ohrwurm wie die Debüt-Single „Welthit“ von 2021.

Der Sound von Über Ich erinnert phasenweise an eine softere Version der deutschsprachigen Songs der Donots. Wer seinen Punk lieber mit Ecken und Kanten hat, wird sich für Über Ich wahrscheinlich nicht begeistern können. Wer dagegen auf Gitarrenmusik mit viel Pop-Appeal steht, für den oder die könnte „El Dorado“ aus Simonswald zum Dauerbrenner werden.

Vielschichtiger Punk

(pl). „Bitte 3x Pommes“: Das klingt nach Freibad, Stadion, Malle. Auf dem zweiten Album der Freiburger Band Schalko werden aber keine Sommerhits, Fußballhymnen oder gar Schlager serviert. Auf dem Programm steht ungehobelte Gitarrenmusik.

„Eigenbedarf“ liefert gesellschaftskritischen Punk – und obendrauf einen einprägsamen Basslauf. Mit einer Kette von Begriffen wie „Abstiegsangst, Eigenbedarf, Altersarmut, Steuerfreibetrag“ werden aktuelle Themen angeschnitten. In eine ähnliche Kerbe schlägt „FR_HC“. Zeilen wie „Wozu denken, du bist so viel schlauer als ich“ thematisieren Algorithmen und den digitalisierten Alltag.

Der Einfluss von Bands wie Turbostaat ist kaum zu überhören. Wie die norddeutsche Genregröße ist auch das Breisgauer Trio weit davon entfernt, Drei-Akkorde-Punk zu spielen. Auf „Risse“ sorgt ein Break nach anderthalb Minuten für einen kompletten Kurswechsel. Eine melodisch-melancholische Gitarre und ein doppeldeutiger Text verleihen „Leichen im Keller“ eine bedrückende Atmosphäre. „Im Lärm“ kommt fast hymnisch daher. Wer auf vielschichtigen Punk steht, macht mit „Bitte 3x Pommes“ nichts falsch.

Schokolode und Soul

(tln). Eine der erfolgreichsten Bands Freiburgs meldet sich mit ihrem dritten Studioalbum zurück: Die Powerfunker von Fatcat haben zwölf Tracks auf „More Sugar“ gepackt. Nach Champagne Rush (2016) und Good. zip (2020) gibt’s jetzt also Zucker auf die Ohren.

Auf acht Musiker ist die Band gewachsen. Und da werden dicke Bretter gebohrt: Im Februar ist mit „2 Sexy“ die erste Single erschienen. Quietschende Gitarre, funky Horns und ein bestens aufgelegter Frontmann Kenny Joyner sorgen für Stimmung. Das ist wie gewohnt tanzbar und macht Laune.

Doch das Album zeigt auch neue Seiten: „More Than A Night“ überrascht mit Effektspielereien, Autotune trifft auf gepitchte Stimmen und soulige Passagen. Brillant ist auch „Payphone“. Auf einem rotzigen Klatschbeat geht’s da um Münztelefone, einen grimmig durch die City cruisenden Kerl und ausgefallene Systeme. Droht Freiburg ein Blackout? Unabhängig davon groovt das bärenstark.

„More Sugar“ liefert Funk, Disco und Soul. Das ist top produziert und bietet neben Rapausflügen viele Farben und Facetten. Die Band pflastert weiter ihren Weg als mitreißender Liveact, der mit solchen Releases auch Radios erobern dürfte. Nur eine Frage bleibt offen: Wann droppen Fatcat mal einen richtig politischen Track?

Flammender Vorbote

(tln). Das Freiburger Electro-PopDuo Willman arbeitet fleißig an neuen Songs. Im Frühjahr soll die All-FlintaEP erscheinen. Einen Vorgeschmack bieten die Musiker jetzt mit der Single „Brenn“. „Alles hat ein Ende, vielleicht nicht mal schlimm“, rappt Frontfrau Julia Lauber. „Ohne ein Ende wären wir nicht hier, wo wir gerade stehen.“

Es geht um einen Neuanfang – und der soll’s in sich haben: Im breit orchestrierten Chorus steigen die Flammen hoch. Mitsingtauglich ist das komponiert. Und es kommt mit Wucht um die Ecke. Der Wechsel aus einem minimalistischen Beat für die Strophen kontert den druckvollen Refrain gekonnt. Die Vocals wünscht man sich im Chorus etwas lauter.

Willman haben sich 2021 gegründet. Seitdem machen sie mit regelmäßigem Output von sich reden. Ihr Debütalbum „100 m2“ aus dem Gründungsjahr bietet mit Liebe zum Detail produzierten Sound zwischen Rap, Pop und Elektro. Lauber scheut sich nicht vor schweren Themen: Es geht um Alkoholabhängigkeit, Genderfragen und das Klima. Mit All Flinta dürfte ebenso kein Songwriting à la Herzschmerz und gebrochene Liebe zu erwarten sein. Willman – ein spannender Newcomer aus Freiburg. Als Referenzen nennen sie Mine, Großstadtgeflüster oder die Antilopengang. Ein bisschen frecher dürften die Texte aber noch werden.

... zum Panzer

Die Freiburger Geschmackspolizei ermittelt schon seit 20 Jahren gegen Geschmacksverbrechen – nicht nur, aber vor allem in der Musik. Für die cultur.zeit verhaftet Ralf Welteroth fragwürdige Werke von Künstlern, die das geschmackliche Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich beeinträchtigen.

Der Panzer, egal ob Leopard, Gepard oder Marder, erfreut sich in diesen Zeiten wieder größter Beliebtheit und ist schwer angesagt. Ein Mensch namens Gerhard Müller hat sich dazu hinreißen lassen, ein Lied aufzunehmen, welches im Titel das Wort Panzer trägt. Zwei Dinge sind dabei bemerkenswert. Gerhard Müller kann so gut singen wie Günther Oettinger Englisch spricht. Und bei dem Panzer handelt es sich nicht um schweres Kriegsgerät, sondern um einen das menschliche Herz umgebenden Panzer.

Ein Textauszug: „Ich glaub ich hab’ den Panzer gesprengt, den Panzer zu deinem Herzen, es fühlt sich so an als seien von dir alle Hemmungen genommen, was hindert dich noch es mit mir zu tun …“

Die Musik dazu ist entsprechend und kann es fast mit jedem Kriegsverbrechen aufnehmen. „Olé olé, heut fahren wir an den Bodensee im Cabriolet“ ist ein weiteres Machwerk von Gerhard Müller. Aber dazu ein anderes Mal mehr, für heute reicht’s. Nein, halt, einen Ausflugstipp hätten wir noch. Besuchen Sie das Deutsche Panzer-Museum in Munster, ein Spaß für die ganze Familie.

Gut gepanzert grüßt Ihre Geschmackspolizei

Ralf Welteroth

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