Restauro 04/18

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ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

NO 4 2018

Enthüllung in Florenz Umfangreiche Instandhaltungsarbeiten an Michelangelos Grablege

BESTE AUSSICHT Türme des Orangerieschlosses Sanssouci wieder zugänglich

NEUER STAR Das Opernhaus in Bayreuth öffnet erneut seine Tore

VERSCHOLLENER SCHATZ Brandgeschädigte Skulpturen aus dem Zweiten Weltkrieg


INHALT

TITELTHEMA: DENKMALPFLEGE

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Susanne Lux M.A. Bayreuths neuer Star Feierliche Neueröffnung des Markgräflichen Opernhauses

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Dr. Ute Strimmer „National Trust“ auf Bayrisch Der junge Verein „Kulturerbe Bayern“ für Denkmalschutz

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Kristina Presser M.A. Ein neues Kleid für die Kelheimer Grande Dame Über die Sanierungsarbeiten an der Fassade der Befreiungshalle

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Susanne Lux M.A. Neues über die Entfernung von Epoxidharzen Mittelalterliche Glasmalerei aus Hessen entdoubliert und konserviert

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Susanne Lux M.A. Willkommen auf Schloss Bothmer Die Restaurierung barocker Fenster mit mundgeblasenem Flachglas

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Philipp Neuman M.A. Buongiorno, Buonarroti – Michelangelos Familiengrab wird restauriert Umfangreiche Stein- und Gemäldearbeiten

Bühnenöffnung in Bayreuth wieder hergestellt

STEINRESTAURIERUNG

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Dipl.-Rest. Ulrike Maier, Dipl.-Rest. Wolfgang Maßmann Verjüngungskur für einen ägyptisch-griechischen Gott Die Marmorplastik „Serapis“ aus der Berliner Antikensammlung

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Dr. Ellen Riemer, Dipl.-Rest. Matthias Steyer, Anna Steyer B.A. Ein wichtiges antikes Zeugnis der Mainzer Stadtgeschichte CT-Analyse der ältesten und größten bisher bekannten Jupitersäule

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Dipl.-Rest. Monika Vesela, Mgr. Petr Gláser, Dipl.-Rest. Boris Frohberg Drei Jahrhunderte brachten Schäden bis zur Transformierung Die Mariensäule im tschechischen Polička

Antiker Serapis-Marmorkopf

WIE STIFTUNGEN FÖRDERN

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Madonnen-Relief von Donatello, um 1440/45

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Dr. Ute Strimmer Berlins verschollene Kunstschätze Brandgeschädigte Werke aus dem Depot des Bode-Museums

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Frank Meißner M.A. Münchner Maler unterm Röntgenlicht Kunsttechnische Analysen der Münchner Forschungsstelle August Seidel

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Fotos (v. o. n. u.): © Bayerische Schlösserverwaltung / Achim Bunz; Ulrike Maier; Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / A. Voigt

Kommentar von Dr. Philip Lüth Denkmalpflege im Umbruch


INHALT

RUBRIKEN 6 8 8 10 11 11

KUNSTSTÜCK BLICKPUNKT Erstes Kirchenburgen-Symposium in Berlin Preview: Eine Tagung zu mechanischen Schwingungen in der Kunsthalle Mannheim Ende Juni 2018 Wien baut die Zusammenarbeit mit Indien aus Die Messeakademie der „denkmal“ ruft zum Architekturwettbewerb auf

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BERUF: Vom europäischen Nutzen einer Hamburger Innenwandheizung

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QUALITÄTSSCHMIEDE: DroidSolutions

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FIRMEN & PRODUKTE

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TERMINE Ausstellung: Europäische Seiden im 18. Jahrhundert in der Abegg-Stiftung (Riggisberg) Veranstaltungen Impressum Vorschau

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PORTRÄT: Wolfram Vormelker

Grüner Opalit aus Colorado

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Titelmotiv

Foto: Dario Garofalo/Archivio dell‘Opera di Santa Croce

Es ist eine gebührende Ruhestätte für ein Universalgenie – das Grab von Michelangelo Buonarroti und seiner Familie in der Basilika Santa Croce in Florenz. Vor dem Kenotaph betrauern die Allegorien der Malerei, Bildhauerei und Architektur, die drei Künste Michelangelos, ihren Meister. 1966 beschädigten Hochwasser und folgende Öleinschwemmungen die wertvollen Bildhauerarbeiten und das Altargemälde schwer. Nun konnte die Restaurierung der Steinmetzkunst abgeschlossen werden (s. S. 32).

Der grüne Opalit wird als glänzender, leicht brechender Stein in einer Wüste im Westen der USA gefunden. Man kann sich den Opalit als silikatische Verbindung vorstellen, welche vielleicht in Jahrmillionen später zu Opalen werden könnte. Die grüne Farbe kommt von Eisen (II) – Verbindungen, chemisch zählt grüner Opal zu den Glaukoniten. Die grüne Farbe ist sehr intensiv, da der Rohstein sehr rein gefunden wird. Erhätlich unter der Bestellnummer #11230 in 50 g, 100 g und 1 kg Gebinden.

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DENKMALPFLEGE

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Mit einem gigantischen Aufwand wurde das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth restauriert, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ende April wurde es feierlich eröffnet.

Prachtvolle Aussicht: Blick in den Zuschauerraum und auf die Fürstenloge, die Ränge und Decke des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth nach rund sechsjähriger Restaurierung

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Ein barockes Juwel ist wieder eröffnet: Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth, das weltweit einzigartige Barocktheater, wurde sechs Jahre lang restauriert und saniert. Ein Expertenteam führte seit 2012 unter der Fachaufsicht der Bayerischen Schlösserverwaltung und des Staatlichen Bauamts Bayreuth die aufwendigen Arbeiten am Kulturdenkmal, das im gleichen Jahr in die UNESCO-Welterbeliste eingetragen wurde, durch.

Das Opernhaus wurde von 1744 bis 1748 nach Entwürfen der Architekten Giuseppe und Carlo Galli-Bibiena erbaut, die Fassade 1750 von dem Architekten Joseph St. Pierre vollendet. Weniger als vier Jahre arbeitete man an dem Sandsteinbau, der ein aus Holz konstruiertes, teilweise mit Leinwand bespanntes und vollständig bemaltes Logenhaus beherbergt. Auftraggeber war das Markgrafenpaar Friedrich und Wilhelmine von Bayreuth. Die illusionistische Bemalung zeigt ein 4/2018

Foto: © Bayerische Schlösserverwaltung / Heiko Oehme

Bayreuths neuer Star


ENTAR KOMM ip Lüth il Dr. Ph

ist selbstständiger Archäologe und führt in Kiel sein Planungsbüro Archäologie & Beratung

Denkmalpflege im Umbruch

Logenhaus mit scheinbar aufwendig gearbeiteter Architektur und Ornamentik in Verbindung mit geschnitztem Blattwerk und gefassten Holzbildwerken über der Fürstenloge und dem Bühnenbogen sowie als Bekrönung der Trompeterlogen. Dieser Raumeindruck war durch Übermalungen gestört und wurde nun wieder hergestellt. Eröffnet wurde das imposante Gebäude 1748 mit einem Fest und den Opern Ezio und Artaserse anlässlich der Vermählung von Prinzessin Elisabeth 4/2018

Die Denkmalpflege in Deutschland durchläuft seit einigen Jahren einen tiefgreifenden Wandel. In der Bodendenkmalpflege schnellen nach der Verankerung des Verursacherprinzips die Zahlen der Rettungsgrabungen exponentiell in die Höhe. In der Baudenkmalpflege geraten vermehrt die Bauten der 1960er- bis 1980er-Jahre ins Blickfeld der Denkmalschützer und lösen nicht selten öffentliche Debatten und Widerspruch auf der politischen Ebene aus. Bei den Unterschutzstellungen führt die Hinwendung zum deklaratorischen Verfahren zuerst einmal zu einem erhöhten Arbeitsaufwand. Zudem werden die Behörden immer mehr in raumplanerische Prozesse eingebunden, die eine neue Art der denkmalpflegerischen Planung erfordern. In der Öffentlichkeit wird derweil der Ruf nach einer stärkeren Beteiligung am kulturellen Erbe lauter. In eine ähnliche Richtung geht die vom Europäischen Gerichtshof angemahnte Umsetzung eines Verbandsklagerechtes für die Denkmalpflege. Hier ist in den nächsten Jahren eine ähnliche Entwicklung wie im Umweltrecht zu erwarten. Bei all diesen zusätzlichen Aufgaben stoßen viele Behörden angesichts der stetigen Personalreduzierung an die Grenzen der Belastbarkeit. Da eine Verbesserung der Stellensituation nicht in Sicht ist, werden die Denkmalpflegebehörden in Zukunft noch mehr gezwungen sein, bestimmte Aufgaben auszulagern. Dieser spannende Prozess bietet für alle Beteiligten die Chance, zu neuen und noch besser akzeptierten Regeln des Denkmalschutzes zu kommen. Die Denkmalpflege musste sich in der Vergangenheit immer wieder neuen Herausforderungen stellen. Man darf positiv gestimmt sein, dass auch diese erfolgreich gemeistert werden.

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STEINRESTAURIERUNG

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Verjüngungskur für einen ägyptisch-griechischen Gott Das Marmorbildwerk der „Serapis“ aus dem Bestand der Berliner Antikensammlung wurde restauriert. Ziel der Restaurierungsmaßnahmen war zunächst, lose Marmorvierungen zu demontieren und diese mittels Edelstahldübeln und reversiblen Klebemitteln zu verbinden. Anschließend wurde eine Oberflächenreinigung unter Berücksichtigung und Erhalt der vermutlich antiken Farbfassungsreste durchgeführt. 38

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STEINRESTAURIERUNG 1 Vorzustand des lebensgroßen Serapis-Marmorkopfes, ein ägyptischgriechischer Gott, aus dem Bestand der Berliner Antikensammlung 2 Zustand nach der Restaurierung

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Dank großzügiger Unterstützung der Kulturstiftung der Länder im Rahmen des Bündnisses Kunst auf Lager wurde im Jahr 2015 ein Marmorbildwerk aus dem Bestand der Berliner Antikensammlung für die Sonderausstellung „Ein Gott – Abrahams Erben am Nil“ restauriert. Der lebensgroße Marmorkopf stellt Serapis, einen ägyptisch-griechischen Gott, dar. Aufgrund der parallelen, in die Stirn fallenden 4/2018

Haarsträhnen wird diese Bildfassung unter Archäologen „Fransentypus“ genannt, eine Schöpfung aus dem letzten Viertel des 2. Jahrhunderts n. Chr. (Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin, Inv.Nr. Sk 252). Der Serapis-Kult wurde in Alexandria Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. von Ptolemaios I. eingeführt. Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr., vor allem aber während der römischen Kaiserzeit, breitete sich 39


STIFTUNGEN

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STIFTUNGEN

Berlins verschollene Kunstschätze

Fotos: (1, 2) Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst; (3) Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / A. Voigt

Jahrzehnte lagerten sie im Depot des Berliner Bode-Museums: Knapp sechzig, durch zwei verheerende Brände im Zweiten Weltkrieg beschädigte Kunstwerke. Jetzt werden sie aufwendig konserviert und restauriert. RESTAURO traf Chefrestaurator Paul Hofmann in seiner Werkstatt.

jahrzehntelang überfordert war“, erklärt Dr. Julien Chapuis, Direktor der Skulpturensammlung im Bode-Museum. Unter der Leitung von Chefrestaurator Paul Hofmann werden dort jetzt knapp sechzig Werke mit Unterstützung freiberuflicher Restauratoren konserviert und restauriert – mit einem unteren siebenstelligen Betrag großzügig unterstützt von der Ernst von Siemens Kunststiftung. Im Fokus stehen dabei Fragen der Restaurierungsethik: Was rekonstruiert man, was nicht? Jedes Objekt wird einzeln analysiert. Das restauratorisch-kuratorische Team entscheidet gemeinsam, inwieweit eine Ergänzung für das Objekt förderlich ist. Zu den prominenten Stücken der Restaurierungskampagne – sie ist auf acht Jahre angelegt und läuft seit einem Jahr – gehört die Plastik „Madonna und Kind mit vier Cherubim“ (1440) von Donatello. Das Keramik-Relief des berühmten Florentiner Bildhauers war im Bunker geborsten. „In den Jahren 1957/58 wurde es in der Eremitage restauriert“, erzählt der Kunsthistoriker Julien Chapuis. „Es musste unbedingt restauriert werden, weil die Eisenkonstruktion, die damals benutzt wurde, anfing, das Kunstwerk selbst durch Rost zu gefährden.“ Die einstige Notsicherung drohte das Kunstwerk durch Korrosion zu sprengen. „Wir haben es röntgen lassen, um dann festzulegen, welches Risiko wir eingehen können,

Kistenweise wurden gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Kunstwerke aus dem Berliner KaiserFriedrich-Museum – so hieß das Bode-Museum früher – zur Sicherheit in Flakbunker gebracht. „Die Auslagerung der Sammlungsbestände begann mit dem Vorrücken der Alliierten auf Berlin ab 1941“, berichtet Paul Hofmann, der Chefrestaurator der Skulpturensammlung am Bode-Museum. „Dort wurden mehrere Auslagerungsorte auserkoren, zuerst war es der Flakbunker am Zoo und dann der Leitturm des Flakbunkers Friedrichshain.“ Kurz nach der Kapitulation brachen dann zwei Brände im Bunker aus. Temperaturen bis zu 1000 Grad richteten verheerende Schäden an. Möbel, Gemälde und Textilien wurden unwiederbringlich zerstört. Die verbliebenen stark geschädigten Stein- und Skulpturenfragmente brachte die Rote Armee in die Sowjetunion, nach St. Petersburg und nach Moskau. Ein Großteil der Objekte, darunter zwei Hauptwerke aus der Renaissance – sie galten einst als Highlight der Berliner Sammlung – wurden 1958/59 an die damalige DDR zurückgegeben und kamen ins Depot des Bode-Museums. Seitdem lagerten sie dort und waren aufgrund ihres Zustandes nicht ausstellungsfähig. „Die Problematik der brandgeschädigten Skulpturen war so dominant für das Bode-Museum, dass das Museum eigentlich

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1 Die historische Fotografie zeigt die Ausstellungsansicht von Donatellos Renaissance-Relief „Madonna und Kind mit vier Cherubim“ im KaiserFriedrich-Museum (heute BodeMuseum) zwischen den Jahren 1904 und 1911 2 Dokumentation anhand einer farbigen Katalogabbildung: Donatello, „Madonna und Kind mit vier Cherubim“, um 1440/45, Keramik, ursprünglich gefasst, Zustand vor 1945 3 Donatello, „Madonna und Kind mit vier Cherubim“, um 1440/45, Keramik, ursprünglich gefasst, Zustand 2017

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ABSTRACT Berlin's lost art treasures For decades they were stored away in the depot of the Bode-Museum in Berlin: Almost sixty works of art that were damaged by fire during World War II. They are now being extensively restored. RESTAURO spoke with restorer Paul Hofmann in his workshop.

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