Franz Kotteder - Sterne des Südens

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DIE RESTAURANTS
DAS ZWEITE MÜNCHNER KÜCHENWUNDER
MÜNCHNER STERNE
DANIEL BODAMER – BROTHERS
SIGI SCHELLING – WERNECKHOF
GREGOR GONCHAROV – PORTUN
BENJAMIN CHMURA – TANTRIS
LUKAS ADEBAHR – 1804
TOHRU NAKAMURA – TOHRU IN DER SCHREIBEREI
ROSINA OSTLER – ALOIS DALLMAYR
CHRISTOPH KUNZ – KOMU
JOSHUA LEISE – MURAL
NATHALIE LEBLOND – LES DEUX
JAN HARTWIG – RESTAURANT JAN
ANTON GSCHWENDTNER – ATELIER BAYERISCHER HOF
FRANZ-JOSEF UNTERLECHNER – SCHWARZREITER
DOMINIK KÄPPELER – SHOWROOM
FLORIAN BERGER – GABELSPIEL
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HANNES RECKZIEGEL – BOGENHAUSER HOF
FELIX ADEBAHR – GREEN BEETLE
JÜRGEN WOLFSGRUBER – SPARKLING BISTRO
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RICO BIRNDT – MURAL FARMHOUSE
MAIKE MENZEL 216 DER STERNE-GUIDE 218 REGISTER 222 ADRESSEN 224 IMPRESSUM
206

Landsberger Straße

BROTHERS RESTAURANT

Daniel Bodamer

Dienerstraße 14–15, 80331 München www.dallmayr.com 1 2

Kurfürstenstraße 31, 80801 München www.brothers-munich.com

WERNECKHOF SIGI SCHELLING

Sigi Schelling

Werneckstraße 11, 80802 München werneckhof-schelling.de

PORTUN RESTAURANT

Gregor Goncharov

Theresienwiese

Leopoldstraße 150, 80804 München www.portun-restaurant.de

TANTRIS

Benjamin Chmura

Johann-Fichte-Straße 7, 80805 München tantris.de

1804 RESTAURANT

Lukas Adebahr

Gyßlingstraße 15, 80805 München www.1804muc.de

TOHRU IN DER SCHREIBEREI

Tohru Nakamura

Dienerstraße 20, 80331 München schreiberei-muc.de

ALOIS DALLMAYR

Rosina Ostler

MURAL RESTAURANT

Joshua Leise

Hotterstraße 12, 80331 München muralrestaurant.de

LES DEUX RESTAURANT & BRASSERIE

Nathalie Leblond

Maffeistraße 3A, 80333 München lesdeux-muc.de

RESTAURANT JAN

Jan Hartwig

Luisenstraße 27, 80333 München jan-hartwig.com

RESTAURANT ATELIER

BAYERISCHER HOF

Anton Gschwendtner

Promenadeplatz 2–6, 80333 München www.bayerischerhof.de

SCHWARZREITER

TAGESBAR & RESTAURANT

Franz-Josef Unterlechner

Maximilianstraße 17, 80539 München schwarzreiter-muenchen.de

RESTAURANT SHOWROOM

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Nymphenburgerstraße Arnulfstraße Humboldtstraße

KOMU RESTAURANT

Christoph Kunz

Implerstraße

Hackenstraße 4, 80331 München komu-restaurant.de

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Dominik Käppeler

Lilienstraße 6, 81669 München www.showroom-restaurant.de

RESTAURANT GABELSPIEL

Florian Berger

Zehentbauernstraße 20, 81539 München www.restaurant-gabelspiel.de

BOGENHAUSER HOF

ODEONSPLATZ

RESIDENZ

19 16 20

Hannes Reckziegel

Ismaninger Straße 85, 81675 München bogenhauserhof.de

GREEN BEETLE RESTAURANT

18 17

Felix Adebahr

Schumannstraße 9, 81675 München

www.feinkost-kaefer.de/greenbeetle

RESTAURANT SPARKLING BISTRO Jürgen Wolfsgruber

Amalienstraße 89 (Amalienpassage), 80799 München

www.restaurantsparklingbistro.de

MURAL FARMHOUSE

Rico Birndt

Gmunder Straße 27, 81379 München muralfarmhouse.de

PRIVATKOCH

Maike Menzel maike-menzel.de

9 10 11 12 13
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MICHAEL JÜDISCHES MUSEUM HOFBRÄUHAUS 6 7 8 9 10 12 13
MARIENPLATZ ST.
3 8 4 5 6
7

Romanstraße

Waisenhausstraße

DachauerStraße

Leonrodstraße

Deutsches

Nymphenburgerstraße

Arnulfstraße

Schäftlarnstraße

Ostbahnhof

Rosenheimer

Prinzregententheater
Rosenheimer
Museum
Straße Leopoldstraße
1 2 11 ALTE PINAKOTHEK 18 PRINZREGENTENTHEATER Ifflandstraße Ungererstraße DEUTSCHES MUSEUM ENGLISCHER GARTEN 3 4 5 14 16 17 MARIENPLATZ RESIDENZ
Westendstraße Landsberger
Hohenzollernstraße Schellingstraße Herzogstraße Gabelsbergerstraße
Humboldtstraße
Implerstraße
Straße
Balanstraße OSTBAHNHOF THERESIENWIESE TIERPARK HELLABRUNN 20 15 19 Mauerkircherstraße
StadelheimerStraße

Auf einmal war es da, das neue Küchenwunder. Ein Fine-Dining-Restaurant nach dem anderen machte auf, hoch dekorierte Sterneköche und -köchinnen verließen ihre bisherigen Arbeitgeber, um sich selbstständig zu machen. Die Verlassenen wiederum holten sich neue Spitzenköche. Dazu kamen weitere junge Küchenchefs, die etwas andere Ideen hatten, was man heutzutage so auf Tisch und Teller bringen könnte. Die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns wirkten als Katalysator, krempelten die Gastro-Szene in München um. Und als das alles vorüber war, stand sie viel heller und strahlender da als zuvor. Dank junger, kreativer Köpfe und einem Publikum, das sich endlich wieder etwas leisten wollte und das auch konnte.

TTatsächlich ist die kulinarische Szene der Stadt heute so lebendig wie die letzten 30 Jahre nicht mehr. Auch im Rest der Republik blickt man staunend auf diese Entwicklung. Berlin, die Hauptstadt, mag inzwischen aufregender und experimentierfreudiger sein – man muss ja schließlich auch auffallen in einer derart großen Weltstadt, wenn man Gäste anziehen will. Aber in einer derartigen Vielfalt wie in München findet man in Deutschland keine andere Stadt, in der so viele junge Köche im Alter zwischen 30 und 40 zeigen, was sie draufhaben. Von einem neuen Küchenwunder kann man sprechen, weil sie fast alle auf der Grundlage einer klassischen Produktküche mit unterschiedlichsten Arten der Fortentwicklung weiterarbeiten – vor allem die Küchen Asiens dienen meist als Anreger und Impulsgeber. Aber nicht nur. Die jungen Köchinnen und Köche haben oft schon in ihrer Ausbildung ein breites Spektrum an Küchentechniken und Stilistiken kennengelernt, waren auch international unterwegs, haben sich in der Molekularküche ebenso versucht wie in der neuen nordischen Begrenzung auf strikte Regionalität. Und sie haben sich aus allen Küchen das herausgepickt, was sie für ihre eigene, individuelle Art zu kochen gebrauchen konnten.

Es steht dies alles in einer großen Tradition. Ziemlich zur gleichen Zeit, zu Beginn der Siebzigerjahre, entdeckten junge Köche die französische Nouvelle Cuisine für sich, ihre Lehrmeister und großen Vorbilder waren Paul Bocuse und Paul Haeberlin, und in Deutschland begann eine kulinarische Revolution. Die riefen Jörg und Dieter Müller 1971 in den neu eröffneten Schweizer Stuben in Wertheim-Bettingen aus, vor allem aber begann sie in München, das damals ziemlich überraschend zum Zentrum des „Deutschen Küchenwunders“ wurde, wie der Gourmetkritiker Wolfram Siebeck die Bewegung bald bezeichnete. Eckart Witzigmann war der erste Küchenchef im 1971 eröffneten Tantris, das sich der Bauunternehmer Fritz Eichbauer als moderne Kathedrale des guten Geschmacks von dem Schweizer Avantgarde-

Architekten Justus Dahinden in den Norden Schwabings hatte errichten lassen, um endlich auch daheim so erlesen speisen zu können wie sonst nur in Frankreich. Zugleich hatte Otto Koch mit seinem Nobelrestaurant Le Gourmet im Arbeiterviertel Schwanthalerhöhe ein Lokal eröffnet, das der neuen französischen Küche verpflichtet war und sie überraschend anders interpretierte. Hans-Peter Wodarz mit seiner Ente vom Lehel, die später nach Wiesbaden auswanderte, und Dieter Biesler vom Luxushotel Vier Jahreszeiten ergänzten das Glückskleeblatt. Die vier Gleichgesinnten bildeten anfangs sogar eine Einkaufsgemeinschaft und fuhren nach Paris, um in Les Halles und auf dem Rungis-Markt Foie Gras, Loup de Mer, Seeteufel, Seezunge, schwarze und weiße Trüffeln sowie Küchenkräuter, Rucola etwa, sowie viele andere Zutaten einzukaufen, die es in München noch nicht gab oder jedenfalls nicht in der gewünschten Qualität. „Meistens fuhren Dieter Biesler und ich über Nacht nach Paris“, erzählt Otto Koch, „dann trafen wir uns in der Ligsalzstraße beim Le Gourmet im Hof und verteilten die Ware.“

Nach und nach besserte sich die Versorgungslage, Lieferanten wie der 1978 gegründete Rungis Express spezialisierten sich auf Produkte für die Gourmetküche. Eckart Witzigmann erzählt: „Der Viktualienmarkt war bald führend in Deutschland, spätestens am Ende der Siebzigerjahre.“ Anfangs war er für die Marktfrauen noch „der Narrische“ gewesen, erzählt er lachend, der irgendwelche seltsamen Kräuter haben wollte. Aber mit der Zeit gab es immer mehr Händler, die sich den Bedürfnissen der Starköche öffneten und mit ihnen Geschäfte machen wollten. Von da an blieb den kreativen Küchenkünstlern auch wieder mehr Zeit für andere gemeinsame Aktivitäten. Fußballspielen etwa. Da spielten nicht nur die jeweiligen Küchenbrigaden gegenund miteinander, es kam sogar zu internationalen Auswärtsspielen. „Wir haben gelegentlich gegen die Haeberlins gespielt“, erinnert sich Otto Koch und muss lachen, „da habe ich dann schon mal die ProfiFußballer mitgenommen, die bei mir zum Essen gingen. Damals war so etwas noch möglich. Da haben die Haeberlins aber gestaunt!“

Auf diesem Hintergrund ist es dann doch eine überraschende Parallele, wenn man von Benjamin Chmura, dem Küchenchef im Tantris, hört, dass er mit seinen Kollegen Jan Hartwig, Tohru Nakamura und

Das Produkt ist der Star.

10 EINLEITUNG

Jürgen Wolfsgruber überlegt, ob sie nicht eine Gastro-Freizeitliga mit ihren Küchenbrigaden gründen sollten. Und wenn man so will: Auch eine gewisse Nähe zur Gartenarbeit vereint die alte und die neue Generation an Spitzenköchen: Rico Birndt im Mural Farmhouse hat in seinem Hotelrestaurant einen eigenen Dachgarten und baut auf 1000 Quadratmetern in Hochbeeten Salat, Kräuter und Gemüse an, Lukas Adebahr im 1804 Restaurant holt Pflanzliches aus eigenen Beeten und im Englischen Garten. Ähnliches berichtet Eckart Witzigmann aus seinen Anfangszeiten im Tantris, als er und sein Team versuchten, die nötigen Küchenkräuter für ihre moderne, leichte Küche im Restaurantgarten selbst zu ziehen. „Allerdings mit eher mäßigem Erfolg“, so der Jahrhundertkoch heute.

Manches lässt sich also vergleichen dem großen deutschen Küchenwunder zu Beginn der Siebzigerjahre, von dem Wolfram Siebeck damals schrieb, der Aufbruch sei so einschneidend gewesen, dass man von einer Zeit ante und post Witzigmann sprechen müsse. Sicher, so gewaltig ist das neue Münchner Küchenwunder nicht, kann es auch gar nicht sein. Dazu ist die gesamte kulinarische Welt in Deutschland sehr viel bunter und vielfältiger geworden. Da bräuchte es schon einen radikalen Umbruch, einen Paukenschlag wie die Erfindung der Molekularküche im El Bulli von Ferran Adrià oder der Nordic Cuisine, wie sie etwa im Kopenhagener Noma von René Redzepi betrieben wird und die keine Abweichung von der strikten Regionalität zulässt. Beides waren freilich Trends, die sich in Deutschland nie so richtig in der Breite durchsetzen konnten und nur vereinzelt tiefere Würdigung und Anwendung erfuhren und erfahren.

Freilich: Die neue Münchner Schule hat schon auch ihre Prinzipien, und die sind gar nicht so weit weg von denen der älteren Generation. Die Konzentration auf das Produkt ist wichtig, meistens steht eine Hauptzutat im Mittelpunkt des kulinarischen Bestrebens. Eckart Witzigmanns Diktum: „Das Produkt ist der Star“, ist nach wie vor richtig und wichtig – auch wenn der unausgesprochene Zusatz: „… und nicht der Koch“, gerne mal vergessen wird. Die französische Hochküche ist auch für die Jungen nach wie vor das Fundament, auf dem alles aufbaut. Und wie bei den Altvorderen werden oft regionale Gerichte und Zutaten dort mit eingebaut, so wie Eckart Witzigmann sein berühmtes „Kalbsbries Rumohr“ erfand, oder Otto Koch seine fast schon valentinesken Gerichte „Falsche Prinzregententorte“ oder „Weißwurst von Meeresfrüchten“ und Hans-Peter Wodarz seinen „Dialog von Früchten“.

Damals war München vielleicht noch einen Tick experimentierfreudiger, als es das heute ist. Das zum Teil sicher richtige Vorurteil, das Münchner Publikum sei vom Geschmack her eher konservativ, bevorzuge das Gediegene und Solide, nicht nur, was Bildende Kunst, Musik und Literatur angeht, trifft aber weniger auf die Restaurantszene und die Kochkunst zu. Was Witzigmann, Wodarz, Koch und Biesler hier gesät hatten, war ja auch auf fruchtbaren Boden gefallen. Köche wie Hans Haas im Tantris, Martin Fauster vom Königshof (heute in Freiburg) und Bobby Bräuer, der als einer der letzten der alten Garde im Esszimmer der BMW-Welt zwei Sterne hält, trugen die Flamme ebenso weiter wie Karl Ederer und dessen Schüler Ali Güngörmüş, wie Hans Jörg Bachmeier und Mario Gamba, um nur einige zu nennen. Sie bildeten Köchinnen und Köche aus oder inspirierten jene, die heute die neue Münchner Schule bilden. „Es ist sehr spannend, was

da gerade passiert“, sagt Bobby Bräuer, „in dieser Breite waren wir hier noch nie so aufgestellt wie jetzt, nicht einmal zu den Zeiten von Eckart Witzigmann und Heinz Winkler.“

Dabei baut die neue Münchner Schule also durchaus auf jener Bewegung auf, die vor 50 Jahren das „Deutsche Küchenwunder“ gewesen ist, und auf die französische Nouvelle Cuisine. Aber sie ist keineswegs stehengeblieben, sondern hat das, was sie unterwegs erlebt und erfahren hat, eingebaut in ihre spezielle, ganz eigene Stilistik. Denn die neue Generation hat sich umgesehen in den Küchen der Welt, von Norwegen bis ins Baskenland, von Neuseeland bis Kanada. Auffallend ist, dass vielen von ihnen besonders die asiatische Küche Anregungen gab. Und dass vor allem die japanische Art, Speisen zuzubereiten und hochwertigste Produkte gleichsam zu zelebrieren, sich häufig wiederfindet in der Küche der Jüngeren – als tragender Bestandteil einer neuen, sehr individuellen Fusionsküche, oder auch einfach nur als feines Zitat. Das ist einerseits ein Trend, den man derzeit in fast allen internationalen Hochküchen beobachten kann, andererseits passt er auch gut zu einer neueren Münchner Küchentradition, die das jeweilige Produkt sehr in den Mittelpunkt rückt.

Eines ist die neue Münchner Schule aber auf keinen Fall: eintönig und erwartbar. Sondern überraschend vielseitig und voller möglicher Entdeckungen. Man kann hier innerhalb einer Stadt auf eine spannende, kulinarische Reise gehen, die einem vielfältigste Erlebnisse bietet. Die Sterne des Südens funkeln jeweils auf ihre eigene Weise, und sie machen Lust darauf, auch die anderen Sterne kennenzulernen.

Die Rezepte in diesem Band sollen diese Vielfalt widerspiegeln. Und auch, wenn man nicht alle eins zu eins wird nachkochen können: Sie verraten viel über die jeweils ganz eigene Stilistik der Köchinnen und Köche, über ihre Vorlieben und Besonderheiten. Und, was noch viel wichtiger ist: Sie machen großen Appetit auf ihre Küche!

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EINLEITUNG
Es ist sehr spannend, was da gerade passiert, in dieser Breite waren wir hier noch nie so aufgestellt wie jetzt, nicht einmal zu den Zeiten von Eckart Witzigmann und Heinz Winkler.

MÜNCHNER

Normalerweise spricht man in Fine-Dining-Restaurants von einem bestimmten „Teller“, wenn man einen Gang in einem Menü meint. Bei Daniel Bodamer müsste man da schon genauer werden: Welcher Teller in welchem Gang ist denn genau gemeint? Denn bei diesem Sternekoch gibt es zu den meisten Gängen nicht nur einen Teller, sondern gleich mehrere.

BROTHERS

RESTAURANT

1 -> siehe Karte Seite 6: Kurfürstenstraße 31,
München | www.brothers-munich.com
80801

EEinen mit dem Hauptprodukt in der Mitte und drum herum einen oder mehrere kleinere für die „Side Dishes“, auf denen das Thema des Gangs noch einmal variiert, ergänzt oder umspielt wird. Das ist kein Tick von Bodamer, er hat das nicht erfunden, sondern sich nur abgeschaut, aus dem legendären Zwei-Sterne-Restaurant La Clarence in Paris, wo er seit 2019 Junior Sous-Chef gewesen ist, bevor ihn ein Headhunter als Sous-Chef für die Neueröffnung des Münchner Tantris empfahl. „La Clarence war sowieso eine ganz fantastische Erfahrung“, sagt er rückblickend, „der Begriff ,Schlaraffenland‘ trifft’s gut.“ Stets die besten Produkte für die Küche griffbereit zur Hand, ob es sich nun um Meeresfisch oder bestes Gemüse handelte: Die Ware kam täglich frisch ins Haus. Oft wurde ganz spontan die Karte umgeworfen und etwas anderes gekocht, weil die richtigen Zutaten frisch hereinkamen. Die beiden Chefköche Christophe Pelé und Giuliano Sperandio setzten großes Vertrauen in den Deutschen, der anfangs kaum ein Wort Französisch konnte, aber er hatte bis dahin ja auch schon eine beeindruckende Vita vorzuweisen.

Gästehaus Klaus Erfort, Atelier im Bayerischen Hof, Schwarzwaldstube: In diesen Drei-Sterne-Häusern hatte Daniel Bodamer schon mehrere Jahre lang gearbeitet, bevor er nach Paris gekommen war. Kein schlechter Lebenslauf für einen jungen Koch, der aus einem kleinen Dorf aus dem Badischen kommt. Sein Großvater hatte dort ein Wirtshaus mit Metzgerei übernommen und später einen Landgasthof ersteigert, den dann seine Tochter, eine gelernte Hotelfachfrau, und ihr Mann führten – die Eltern von Bodamer. Sohn Daniel wuchs also ziemlich nahtlos hinein in die Gastronomie, wobei nicht abzusehen war, wie sehr seine Karriere in Richtung Fine Dining gehen würde. Die Lehre machte er noch in einem familiären Traditionsbetrieb in der Region, schmeckte dort aber schon hinein in die Haute Cuisine, denn der Sohn des Hotelbetreibers hatte zuvor bereits im Berliner Sternerestaurant Vau als Koch gearbeitet. Bodamers Credo:

Man kann von jedem Chef und von jedem Mitarbeiter etwas lernen.

„Klassische Produktküche mit einem ungewöhnlichen Twist, das ist letztlich mein Ziel“, sagt Bodamer.

18 DANIEL BODAMER – BROTHERS

„Man kann von jedem Chef und von jedem Mitarbeiter etwas lernen.“

Und das tat er auch. Bei Klaus Erfort waren es zum Beispiel das Beharren auf höchster Produktqualität und die Sorgfalt bei der Zubereitung, bei Jan Hartwig im Atelier – „er ist ein Perfektionist durch und durch“ – die Fähigkeit zur Motivation, immer das Beste zu geben. In der Schwarzwaldstube bei Harald Wohlfahrt und Torsten Michel die Klassik in Reinkultur. Und bei Benjamin Chmura im Tantris wäre er gerne noch länger geblieben, um als Sous-Chef weiter mitzuarbeiten an der Neuerfindung einer Restaurantlegende.

Aber dann war da eben das Angebot der beiden Zwillingsbrüder Tobias und Markus Klaas, die zuvor bei Tohru Nakamura Sommelier und Restaurantleiter waren, bei ihrem neuen Projekt Brothers als dritter Bruder und Chefkoch einzusteigen. Die Entscheidung sei nicht ganz leichtgefallen, sagt Bodamer, aber wozu die ganzen erstklassigen Stationen, wenn der Küchenchef letztlich nicht das Ziel war? Im Dezember 2022 eröffnete das Restaurant mit finanzieller Unterstützung des Fintech-Investors und Weinenthusiasten Ingo Hillen in der Kurfürstenstraße, und ein paar Monate später bekam es schon den ersten Stern im Guide Michelin, eine Auszeichnung in Rekordzeit.

Die kriegt man nur, wenn man schon eine eigene Handschrift hat, eine eigene Stilistik. Wie sieht’s damit aus? Da möchte sich Daniel Bodamer jedoch noch nicht festlegen: „Ich plädiere auf Welpenschutz!“

Die kleinen „Side Dishes“ aber, sie haben schon ihren Sinn, sind nicht nur eine Pariser Spielerei. Bodamer sagt, mit ihnen könne man gut mit der Aromatik spielen, einen zusätzlichen Effekt einbringen, ein Gericht in eine neue Richtung schubsen. Das versteht er dann auch unter „klassischer Produktküche mit einem ungewöhnlichen Twist“. Vereinfacht gesagt: Eine Sauce wird nicht nur so zubereitet, wie man sie schon kennt, sondern durch ein ungewöhnliches Gewürz veredelt. Eine auf Holzkohlen gegrillte Wachtel schmeckt dann eben nicht nur wie eine Wachtel vom Rost, sondern bekommt zusätzliche Geschmacksnuancen, die man so nicht erwartet hätte. Und dann geht alles noch einmal zurück auf Anfang, denn es kommen noch Reminiszenzen aus der gutbürgerlichen Küche hinzu. „Ich habe zum Beispiel mal einen badischen Eierstich aus der Hochzeitssuppe nach einem Rezept meines Papas eingebaut“, erzählt Bodamer und lacht, „und im Winter gibt’s dann bestimmt mal Spätzle mit schwarzem Trüffel. Serviert mit einem Augenzwinkern, versteht sich.“

Geboren am 15. Juni in Bretten

Restaurant Falconera*, Öhningen, Demi-Chef de Partie

Hotel Europäischer Hof, Königsbach-Stein, Lehre

Die Langustine ist der Star auf dem Teller.

Atelier im Bayerischen Hof***, München, Chef de Partie

Gästehaus Klaus Erfort***, Saarbrücken, Chef de Partie

La Clarence**, Paris, Junior Sous-Chef

Schwarzwaldstube***, Baiersbronn, Chef de Partie

Tantris**, München, Sous-Chef

Brothers*, München, Küchenchef

1993 2009 2012 2013 2015 2017 2019 2022 2021
20
DANIEL BODAMER – BROTHERS

DIE LIEBLINGSSPEISE DES STERNEKOCHS

„Was ich am liebsten esse? Das ist schnell beantwortet. Den Linseneintopf meines Vaters mit Spätzle und Seitenwürstle von meinem Onkel. Seitenwürstle heißen bei uns die Wiener Würstchen. Da freue ich mich immer schon drauf, wenn ich nach Hause fahre. Da müssen mir meine Eltern immer eine große Portion reservieren. Und um das kulinarische Glück perfekt zu machen, müsste ich danach noch nach Pforzheim fahren und in dem Eiscafé, wo ich als Kind immer mit meiner Schwester war, noch ein Spaghetti-Eis essen.“

DANIEL BODAMER – BROTHERS

PROFITEROL mit Kaviar

Für 6 Portionen

PROFITEROL

100 ml Wasser

70 g Mehl Type 405

40 g Butter

50 g Comté, 24 Monate gereift, fein gerieben

2 Eier

2 g Salz

PROFITEROL-DECKEL

50 g Butter

50 g Mehl

50 g Comté

RINDERTATAR

150 g Rinderfilet

1 EL gehackte Kapern

1 EL fein gewürfelte Essiggurken

½ Schalotte, fein gewürfelt und blanchiert

1 EL fein geschnittener Schnittlauch

2 Schnittlauchspitzen als Garnitur

1 TL grober Senf

1 TL Ketchup

1 Eigelb

Salz und Pfeffer aus der Mühle

MISO-MAYO

1 Eigelb

1 TL Senf

2 EL Chardonnay-Essig

Traubenkernöl von Franz Keller

Miso-Paste

ANRICHTEN

Crème fraîche

etwa 60 g N25 Kaviar

PROFITEROL

Wasser, Butter und Salz in einen Topf oder eine Sauteuse geben. Langsam erhitzen, bis die Butter geschmolzen ist. Sobald das Wasser anfängt zu kochen, das Mehl hinzugeben. Die Masse so lange „abbrennen“, bis sich eine weiße Kruste am Topfboden bildet. Den heißen Teig mit dem geriebenen Comté in eine Rührschüssel geben und auf höchster Stufe, am besten in einer Küchenmaschine, verkneten. Dann die Eier hinzugeben und weiterhin auf höchster Stufe zu einem glatten Teig kneten. Anschließend in einen Spritzbeutel mit glatter Tülle geben.

PROFITEROL-DECKEL

Der Profiterol bekommt einen Deckel, der separat zubereitet werden muss. Dazu alle Zutaten verkneten, dünn ausrollen und mit einem Kreisausstecher mit ca. 1,5 cm Durchmesser kleine Kreise ausstechen. Nun den Profiterol-Teig mit dem Spritzbeutel auf Backpapier oder eine Silikonmatte in walnussgroße Mengen dressieren. Den ausgestochenen Deckel aufsetzen und leicht andrücken. In einem auf 180 °C vorgeheizten Ofen etwa 8–10 Minuten backen.

RINDERTATAR

Das Fleisch fein würfeln und alle Zutaten vermengen. Zum Schluss nochmals abschmecken.

MISO-MAYO

Alle Zutaten außer dem Öl in einem hohen Gefäß mit einem Stabmixer aufmixen. Danach langsam das Öl hinzugeben und unter ständigem Mixen alles zu einer Mayo emulgieren. Am Schluss je nach Geschmack die Miso-Paste hinzugeben und nochmals kurz mixen.

ANRICHTEN

Die Crème fraîche mit etwas Salz und Pfeffer aus der Mühle abschmecken. Ein wenig davon mit dem Spritzbeutel in den Profiterol geben. Dazu am besten mit der Spitze des Spritzbeutels von unten in den Boden des Profiterols hineinstechen.

Das Tatar mit einem Teelöffel vorsichtig auf den Profiterol geben und ganz leicht andrücken.

Auf das Rindertatar etwas Miso-Mayo geben. Danach eine kleine Menge Kaviar auf die Mayo geben. Zum Schluss mit den 2 kleinen Schnittlauchspitzen garnieren.

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EineaufregendeVielfaltexklusiver Lieblingsrezepte der Spitzengastronomie nI n o v ati

veInterpretationenbayerischerTraditionen bis hin zu internationalen Gerichten

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