Kleine Häuser - Katharina Matzig

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KATHARINA MATZIG

WOLFGANG BACHMANN

von 34 – 150 m2

4 Vorwort

Katharina Matzig

6 Wohnen im Grünen

PAC – Project Architecture Company in Zusammenarbeit mit Miriam Poch Architektin

10 Naturschauspiel Falkenberg

14 Das Schwarzwaldhaus

AMUNT Nagel Theissen Architekten und Designer PartG mbB

18 Kleines Haus

Lukas Lenherr Architektur

22 Jahreszeitenhaus undjurekbrüggen + KOSA 26 Bücherstadel

62 Landhaus

Modersohn & Freiesleben Partnerschaft Architekten mbB

66 Function follows form Yonder – Architektur und Design

70 Ornament und Konstruktion

AFF architekten und Stephan Hahn Architekt & Zimmerer

74 Kleine Welle werk A architektur

78 Spektakuläre Scheune

ANJA RICHTER MODERSITZKI ARCHITEKTIN

82 Die Landkapelle jan henrik jansen architekten

86 Erwartung übertroffen

Michael Aurel Pichler Architekten

90 Sommerhaus, farbig

Schuberth und Schuberth ZT-GmbH

94 Im Apfelgarten

Atelier Lüps

98 Resonanzkörper studioRAUCH

102 Herbergshaus

Architekten Mahlknecht Comploi

106 Bauen mit Verstand

Mareike Seyfang und Andreas Frank

110 Das Badehaus

Architekten Luger & Maul ZT-GmbH

114 Freundliche Festung

wespi de meuron romeo architekten bsa

118 Das Tiny-Haus

Architekten Luger & Maul ZT-GmbH

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Inhalt
LP architektur ZT GmbH 30 Wiederbelebung
Brandzeichen Backraum Architektur 38 Kraftort Innauer Matt Architekten
Weniger ist mehr motorplan Architekten und Ingenieure 46 Unter kreativem Dach
GbR 50 Kunst im Bau fabi architekten 54 Aus alt mach neu Architekturbüro Kurz 58 Haus im Hof Wendlingarchitektur
Architekt Stefan Hitthaler 34
42
Stadtmüller.Burkhardt.Graf.Architekten

122 Neues Haus auf altem Keller

Brandenberger Kloter Architekten AG

126 Die Kunst der Fuge

M. Sc. Lina Maria Mentrup, M. Sc. Julia Franziska Steffen, Moritz Mentrup

130 Unser Dorf soll schöner werden

Christian Groß Architektur

134 Tiny but shiny

FINCKH ARCHITEKTEN BDA

138 Almhütte 2.0 Architekten Mahlknecht Comploi

142 Das Thermohaus

Praeger Richter Architekten

146 Das kleine Schwarze

BUERO WAGNER

150 Leben im Verbund mna merten nibbes architekten PartG mbB

154 Alles nach B-Plan

Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten

158 Überirdisch

Feyferlik/Fritzer

162 Dem Himmel nah

Büro Klaus Scheibl Architektur und Hammerschmid, Pachl, Seebacher – Architekten

166 Kunst am Haus

Davide Macullo Architects

170 Komplexität auf engem Raum

Baumschlager Hutter Partners

174 Waidmanns Heilung

ramona buxbaum architekten

178 Am Deich

Thomas Kröger Architekten

182 Der Wachtturm

Kaundbe Architekten AG

186 Einraum für zwei Hohengasser Wirnsberger Architekten ZT GmbH

190 Sechs mal acht macht groß

Philipp Wündrich Architekten BDA/ Alexander Tochtermann Architekten BDA

194 Der Streckhof

Juri Troy Architects

198 Architektur schwarz-weiß

Sunder-Plassmann Architekten BDA

202 Wohnen, würzig-süß

DIIIP Architektur

206 Adressverzeichnis

208 Impressum

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Weniger ist mehr!

Es ist bis heute nicht eindeutig geklärt, wer der Schöpfer der berühmten Maxime „Less is more“ ist, oft wird sie dem 1813 verstorbenen Schriftsteller Christoph Martin Wieland zugeschrieben, der sein Gedicht „Neujahrswunsch“ mit folgendem Reim enden lässt: „… Ein guter Weg ist einen Umweg werth, Und minder ist oft mehr, wie Lessings Prinz uns lehrt.“

Sicher ist jedoch, dass der berühmte Architekt Ludwig Mies van der Rohe den Satz in den 1940er-Jahren zum geflügelten Wort adelte: „Less is more“ entsprach dem zentralen Prinzip seiner Design-Philosophie und seiner Entwürfe, die sich durch ihre Einfachheit und ihre klaren Linien auszeichneten, durch die Reduktion auf das gestalterisch Wesentliche – und das unter der bevorzugten Verwendung von industriellen Materialien wie Stahl und Glas.

Die Häuser, die wir für dieses Buch zusammengestellt haben, sind nicht nur aus Stahl und Glas. Sie sind zudem aus Holz, aus Mauerwerk oder aus Beton gefertigt, verkleidet bisweilen mit einer Textilfassade, mit Wellblech, Cortenstahl oder Polycarbonatplatten. Die Maßgabe „Weniger ist mehr“ erfüllen sie jedoch alle überzeugend, so unterschiedlich sie auch sind. Denn sie sind klein, das kleinste misst 34 Quadratmeter Wohnfläche, das größte 150. Bewohnt werden sie mitunter von einer Person. Es können aber auch bis zu acht Menschen bequemen Platz finden auf dem wenigen Raum. Es sind Neubauten und Umbauten darunter, in der Stadt, im Dorf, am See, auf dem Land, auf großem Grund ebenso wie auf einem Restgrundstück, das als unbebaubar galt. Die kleinen Häuser sind durchdachte, präzise geplante Raumwunder. Und dabei meist kostengünstig, denn sie sparen Grundfläche sowie Material und Zeit beim Bau; einige der gezeigten Beispiele konnten zudem durch viel Eigenleistung realisiert werden. Auch im Unterhalt sind die Kleinen den großen Volumina überlegen. Somit entspricht ein kleines Haus dem heutigen Anspruch, den wir an die

Architektur stellen müssen: Nachhaltigkeit und Effizienz in der Erstellung und im Betrieb. Und mehr noch: Vor allem erlaubt ein kleines Haus seinen Bewohnerinnen und Bewohnern, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die ihnen wirklich wichtig sind. „Ich liebe die Planung von Einfamilienhäusern, da bei dieser Aufgabe exakt auf die Bewohner eingegangen werden kann/muss. Wir bauen quasi ihre persönliche dritte Haut“, erzählt der Architekt Thomas Sixt Finckh. Auf einem ehemaligen Parkplatz in Esslingen, 304 Quadratmeter groß, entwickelte er für ein Bauherrenpaar ein „Zuhause, an dem sie jeden Tag im Urlaub sein dürfen“. 75 Quadratmeter Wohnfläche klein. Für 131.000 Euro.

Die 50 vorgestellten Häuser liegen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol. Sie alle wurden von renommierten Jurorinnen und Juroren bei den Wettbewerben „Häuser des Jahres“ 2016 bis 2022 ausgewählt. Grundrisse und Schnitte werden in der Regel im Maßstab 1:400 abgebildet und Lagepläne 1:2000. Die Pläne wurden uns von den Architekturbüros ebenso zur Verfügung gestellt wie die Fotos, auf den Erläuterungsberichten beruhen die von mir verfassten Texte. Das Wort „Experiment“ taucht in den Erzählungen und Beschreibungen der Architektinnen und Architekten immer wieder auf. „Auf möglichst geringer Grundfläche, möglichst ohne einen Apfelbaum zu fällen, möglichst ohne Bodeneingriff, möglichst einfach, möglichst aus Holz, ohne Keller und Fundament, ohne Folien, Abdichtungen oder Dämmplatten sollte das neue Haus entstehen – ohne Abstriche bei der Wohnlichkeit und mit größtmöglicher Lebensqualität. Wir, aber auch die jungen Bauherren waren bereit für ein Experiment ...“, erinnert sich Mauritz Lüps an die Bauzeit von 131 Quadratmetern Wohnfläche für eine vierköpfige Familie im bayerischen Finning. „Die besonderen Herausforderungen bei diesem Projekt? Die gewohnten Raumgrößen und Ausstattungsstandards zu hinterfragen. Es gibt im ganzen Haus nur eine Wand, die sämtliche Installationen beherbergt, die restlichen Leitungen und Kabel wurden ,auf Holz‘ verlegt. Der Garten? Eine Blumen-

Vorwort
4

wiese“, berichten Sonja Hohengasser und Jürgen Wirnsberger über den Bau eines 65 Quadratmeter kleinen Einraumhauses für zwei in Winkl bei Spittal an der Drau. Während die 50 Quadratmeter kleine Cascina im schweizerischen Castasegna, geplant von Armando Ruinelli, „das Ergebnis einer Architektur ist, bei der man die Sorgfalt der Ausführung und die Stimmung der Materialien wahrnimmt, ein Bau, der den Besucher emotional einbindet.“

Doch ob bewusst roh belassen oder fein detailliert: Kreativ und gekonnt wurden von den Architektinnen und Architekten gemeinsam mit der Bauherrschaft konventionelle Gedankenwege verlassen und maßgeschneiderte Gestaltungswege beschritten. Experiment gelungen: Ein Weniger an Raum schafft ein Mehr an Wohn- und Lebensglück.

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Wohnen im Grünen

in Berlin von PAC – Project Architecture Company in Zusammenarbeit mit Miriam Poch Architektin

Mehr

mit polygonalem

Zu verstehen ist es nicht, dass nicht mehr Bauherren ein individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Haus in Auftrag geben, das während der Planungs- und Bauzeit vom Experten betreut wird und nicht einmal mehr kostet als eines von der Stange. Und doch ist es in Berlin-Pankow so wie in vielen anderen neu erschlossenen Baugebieten, in denen gleichförmige Gebäude einfachster Bauart auf simplem Grundriss entstehen: Das von den Architekten Anne Menke und Richard Sharam gemeinsam mit Miriam Poch im Berliner Büro PAC entworfene Haus ist das einzige von knapp einhundert in den letzten zwei Jahren gebauten Einfamilienhäusern, das von Architekten realisiert wurde.

Seine Form, ein Polygon, verdankt sich dem Zuschnitt und den baurechtlichen Auflagen des Grundstücks: Die orthogonale Parzelle grenzt an der südöstlichen Seite an einen bestehenden Grüngürtel, so dass sie an dieser Kante schräg abgeschnitten wird. Aufgrund des vorgeschriebenen Grünabstands von zehn Metern und der ungünstigen Erschließungssituation mit einer Sackgasse über Eck ergab sich somit ein ziemlich kleines Baufeld mit schrägem Anschnitt, das sich der Bebaubarkeit mit einem „klassischen“ Einfamilienhausrechteck entzog.

Das Haus wurde monolithisch aus mit Mineralwolle gefülltem Porotonmauerwerk und Decken aus Ortbeton erstellt. Der Dachstuhl des flach geneigten und gekippten Satteldachs wurde als Pfettendach mit Zwischensparrendämmung ausgeführt. Flache Dachsteine und der fehlende Dachüberstand betonen das Volumen ebenso wie die verdeckt liegende Dachrinne, die die Architekten gemeinsam mit dem Dachdecker entwickelten: Für jeden Wandabschnitt wurde ein anders gewinkeltes Zink-Kantblech gefertigt, das an den beiden Tiefpunkten des Daches als Wasserspeier auskragt. Präzise gesetzte Öffnungen lassen Licht ins Haus und schützen vor ungewollten nachbarschaftlichen Einblicken, die dreifach verglasten Holz-Alu-Fenster sind außen in einem warmen Goldton eloxiert.

Im Inneren macht der offene Wohn- und Erschließungsbereich mit zweigeschossigem Luftraum über dem Essplatz die Höhe und Form des Hauses bis unters Dach erlebbar. Die Wangentreppe mit massiven Eschenholzstufen sorgt für Stauraum; das geschlossene, weiß lackierte Geländer hat tragende Funktion.

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Farbe wagen:
Grün gegen das grau-beige NeubauEinerlei.

Vorige Seite: Provozieren sollte das Haus nicht. Das Sparrendach und die mit einem grün durchgefärbten grobkörnigen Edelkratzputz gestaltete Fassade entsprechen den Häusern der Nachbarschaft und setzen sich doch wohltuend von ihnen ab.

Links: Grün ist das Haus nicht nur von außen, eine Luft-Wasser-Wärmepumpe heizt oder kühlt.

Der polygonale Grundriss wird von einem Satteldach überspannt. Nach außen entsteht ein prägnantes Volumen, im Inneren ergeben sich spannungsvolle Räume.

„Das Projekt zeigt einmal mehr, wie nützlich vermeintliche Schwierigkeiten und baurechtliche Einschränkungen im Planungsprozess sein können, sind sie doch Ausgangspunkt, um spezielle und teilweise auch überraschende Lösungen zu entwickeln.“

Anzahl der Bewohner: 3

Wohnfläche (m2): 137

Grundstücksgröße (m2): 488

Standort: Berlin

Zusätzliche Nutzfläche (m2): 21 (Garage)

Bauweise: monolithischer Massivbau

Baukosten: 320.000 Euro

Energiestandard: KfW 70

Fertigstellung: 2017

Architekturfotografie: bullahuth Fotografie und Gestaltung, Berlin www.bullahuth.de

9 Querschnitt
Grundriss Erdgeschoss Grundriss Obergeschoss N N Maßstab M 1:400 1 Eingang 2 Kochen 3 Essen, Wohnen 4 Bad 5 Zimmer 6 Garage
3 2 6 4 5 5 5 4 1
Anne Menke, Richard Sharam und Miriam Poch PAC – Project Architecture Company, Berlin www.project.ac
Lageplan

Naturschauspiel

in Brakel von Falkenberg

Manchmal haben Architekten die glückliche Gelegenheit, etwas Grundsätzliches auszuprobieren. Zum Beispiel, wie wenig Gebautes nötig ist, um ein bergendes Gehäuse mitten in der Natur zu schaffen, eine „moderne Höhle“, wie es die Innenarchitektin Heike Falkenberg nennt. Sie hat das kleine Haus, das mit seiner Terrasse über das romantische Flüsschen Nehte ragt, bauen dürfen, weil auf dem Grundstück bereits das Musterhaus eines Ferienhausanbieters stand.

Nur die Bodenplatte des aus dem Jahr 1954 stammenden kleinen Gebäudes blieb erhalten. Darüber wurde pavillonartig ein sehr reduzierter Neubau errichtet, der den Besitzern als erholsames Refugium dient und ihnen einen komfortablen Aufenthalt in der Natur schenkt. Vielleicht wird es der Prototyp für weitere Häuser. Denn es fehlt an nichts, damit drei Personen wohnen können. Der Zugang liegt an der zu einem massiven Winkel ergänzten Wand vom ehemaligen Schuppen des abgetragenen Ferienhauses. Hier wurden ein kleiner separater Stauraum und ein schmales Bad eingerichtet. Die Haustür in der Nische davor ist als typische „Klöntür“ geteilt, sie dient auch zur Lüftung.

Dahinter öffnet sich ein an zwei Seiten bis unters Dach verglaster Großraum. Lediglich zwei Schlafkabinette hinter der Küchenzeile, beide von oben belichtet und mit direktem Zugang zum Bad, ergänzen die Wohnfläche. Eine Schiebetür setzt die Rüsterverkleidung der gemauerten Wand fort. Lebhaft gemasertes Parkett, auch Rüster (Ulme), liegt auf dem Boden, es wird auf der Terrasse von Hartholzdielen abgelöst. Filigrane Stahlstützen tragen die mit Gipskarton verkleidete Holzbalkendecke. Eine Wärmepumpe versorgt die Fußbodenheizung, zusätzlich sorgt ein offener Kamin für atmosphärische Behaglichkeit.

Nur wenige Möbel gehören zur reduzierten Ausstattung, kein Wunder, dass sie aus dem Repertoire von Mies van der Rohe stammen. Ein Liegesessel hängt fast unsichtbar von der Decke. Sein leichtes Pendeln setzt die Wellen des Flüsschens fort, ein kleiner Teich reflektiert das Sonnenlicht zur Decke – innen und außen, Landschaft und Raum fließen zusammen.

Oben: Leerstelle. Eigentlich gibt es nur einen Hauptraum. Mit einer Schiebewand lässt sich ein Schlafkabinett separieren, eine zweite Schlafgelegenheit verbirgt sich hinter der Küche.

Unten: Der Bau konkurriert nicht mit der Natur, sondern deutet seine Existenz nur mit minimaler Konstruktion an.

Rechts: Elegantes Dschungelcamp. Nur die Bodenplatte und die über das Flüsschen ragende Terrasse blieben von einem Vorgängerbau erhalten. Der neue Pavillon verschwindet unentdeckt unter den Bäumen.

12
Auf einer bestehenden Bodenplatte entstand ein großzügig verglastes Refugium. Reduktion at its best.

„Architektur, reduziert auf das Wesentliche, macht die grandiose Natur zum Erlebnis für alle Sinne.“

Heike Falkenberg Falkenberg, Düsseldorf www.falkenberg.de.com

Anzahl der Bewohner: 3

Wohnfläche (m2): 90

Grundstücksgröße (m2): 221

Standort: Brakel

Zusätzliche Nutzfläche (m2): 10

Bauweise: Holzbau, Stahlkonstruktion, Mauerwerk

Baukosten: ca. 200.000 Euro

Fertigstellung: 2015

Architekturfotografie: Reimund Braun Objektdesign, Photographie, Neuss www.reimund­braun.de

Lageplan

13 Querschnitt Grundriss Erdgeschoss Querschnitt Benrodestraße 40597 Telefon Fax www.falkenberg.de.com Umbau Haus Projekt-Nr. Maßstab 1:200 006 Haus Datum 17.03.2016 Plan-Nr. Grundriss Projekt-Nr. Maßstab Datum Plan-Nr. 1 2 5 6 4 3
M 1:200 1
2 Haus­
5
Maßstab
Eingang
anschluss 3 Bad 4 Schlafen
Kind 6 Kochen, Essen, Wohnen

Das Schwarzwaldhaus

in Menzenschwand von AMUNT Nagel Theissen Architekten und Designer PartG mbB

An

er vielfältige Erlebnisse: Wanderurlaub im Inneren.

„Das Eigenheim ist der Wohntraum schlechthin, wie die Zahlen jedes Jahr belegen. Aber muss es immer das eigene Heim sein, oder könnte es nicht auch ein Haus für viele sein? Den Traum vom Eigenheim temporär in einer schönen Umgebung und interessanten Architektur leben? Reicht es für viele, diesen Traum ab und zu im Urlaub zu erleben, dann, wenn man Zeit hat zu wohnen? Im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte ist auch Urlaub in Deutschland wieder deutlich populärer geworden, und erstaunt entdecken viele Urlauber die vielfältigen Landschaften und schönen Naturräume zwischen der Küste im Norden und den Alpen im Süden. Nachhaltiges Verreisen ist vor dem Hintergrund des Klimawandels in aller Munde. Unsere Bauherren, die ausschließlich Urlaub in Deutschland machen, kamen auf uns zu und wollten genau das: ein nachhaltiges Ferienwohnhaus mit qualitätsvoller Architektur und dieses mit vielen teilen. Der Urlaubsort ihrer Wahl ist die malerische Ortschaft Menzenschwand im Südschwarzwald, eine Region, die in den vergangenen Jahrzehnten – wie viele ländliche Regionen – unter dem Wegzug der jüngeren Generationen leidet und zudem durch die zunehmend warmen, schneelosen Winter ohne Skisportmöglichkeiten mit einbrechenden Urlauberzahlen zu kämpfen hat.“

Eine befreundete Architektin empfahl den Bauherren das Stuttgarter Büro AMUNT, das von Sonja Nagel und Jan Theissen geführt wird. Für das Grundstück an einem nach Südwesten orientierten Hang mit Blick in das kleine Tal und die Ortschaft entwickelten sie ein Haus, das den steilen Hang auch im Inneren erlebund spürbar macht: „Wanderurlaub“, so die Architekten. Dachneigung, Firstrichtung, Traufhöhen und Dachüberstände sind im Bebauungsplan festgeschrieben, mit dem erhaltenswerten Baumbestand waren sie Sonja Nagel und Jan Theissen gleichermaßen Herausforderung wie Anhaltspunkt.

Das kompakte, 110 Quadratmeter große Holzhaus wurde aufgeständert, der Platz unter dem Baukörper wird zum Lagern und für den Aufenthalt genutzt, von der Straße erfolgt die Erschließung ebenerdig. Eine dünne Dachschale mit großen Überständen legt sich schützend über die beiden um 45 Grad zum Hang gedrehten Baukörper. Der dreieckige Vorplatz beschirmt den Hauseingang und lässt Raum für Schlitten, Ski und Wanderschuhe. Zweigeschossig öffnet sich im Inneren der Wohnbereich, abgetreppt folgt er der Topografie des Geländes: Von der Garderobe führen einige Stufen in die Küche und den Essbereich mit dem großen Balkon unter dem Ahorn. Weitere Stufen führen ins Wohn- und Kaminzimmer. Eine zentrale, offene Treppe führt über eine Galerie ins Obergeschoss, in kleine, intime und unterschiedliche Individualräume. Eine weitere Herausforderung war das Energiekonzept, denn die Anzahl der Gäste variiert zwischen einer und sechs Personen. Ein Gasanschluss besteht nicht, die Nachbarn sollten nicht mit den Lärmemissionen einer Luft-Wärmepumpe belästigt werden. In intensiver Zusammenarbeit mit dem Energieplaner ee-concept entstand daher ein „Experiment“, das hauptsächlich auf Flexibilität und einen geringen Technikanteil ausgelegt ist: Für das gut gedämmte Holzhaus sind die Fensterfalzlüftung, Infrarotheizplatten und die Nutzung von Strom wesentlich, der von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach geliefert wird. Das Haus selbst wird als Wärmespeicher genutzt, der Holzofen unterstützt und sorgt für Gemütlichkeit.

Die Materialien sind lokal, robust und werden ansprechend altern. Die Fensterrahmen greifen die Blütenfarbe des Ahorns vor dem Haus auf, Möbel und Vertäfelung erinnern an grünen Loden. Der petrolfarbene Treppenkörper und die Markisen setzen Farbakzente: ein fröhliches, lässiges Schwarzwaldhaus.

16
einem steilen Hang entwickelt sich das lässige, fröhliche Wohn- und Ferienhaus. Seinen Abdruck minimiert der aufgeständerte Bau, mit Ressourcen geht er sparsam um, räumlich bietet

Vorige Doppelseite: Gebaut wurde nur der notwendige Raum, auf einen Keller wurde verzichtet, um den Eingriff auf dem Grundstück zu minimieren. Die Baukörper sind um 45 Grad zum Hang gedreht: Sie fangen die Sonne im Süden ein und ermöglichen vielfältige Bezüge zum Ort, ohne der umgebenden Bebauung zu nahe zu kommen.

Grundriss Untergeschoss

Ferienhausim

GrundrisseM1:400Floorplans,Scale1:400

„Unvoreingenommenheit gegenüber Material, Form und den individuellen Anforderungen, verbunden mit der bedingungslosen Lust, jede Bauaufgabe mit Neugierde und Freude zu denken, ist die Basis unserer Projekte.“

WilhelmstraßeSonjaNagel,JanTheissen

151_FRIHA Haus am Hang. Ferienhaus im Südschwarzwald House on a Hill: Holiday Home at the Black Forest Region

Lageplan M 1:2000 Site plan, Scale 1:2000

Anzahl der Bewohner: bis maximal 6

T+49(0)711.8496341,F +49(0)711.8496331 stuttgart@amunt.info

Wohnfläche (m2): 108,5

3,70372Stuttgart

AMUNT Nagel

Grundstücksgröße (m2):

839 Standort: Menzenschwand Zusätzliche Nutzfläche (m2): 5

Bauweise: Holzrahmen­ und Brettsperrholzbau

Fertigstellung: 11/2021

Architekturfotografie: Rasmus Norlander, Zürich (CH) www.rasmusnorlander.se

AMUNT Nagel Theissen Architekten und Designer PartG mbB, Stuttgart www.amunt.info Lageplan

Architekten Sonja Nagel, Wilhelmstraße T +49(0)711.8496341, stuttgart@amunt.info

17 0 50 m
1:4001:400 10m
undDesignerPartGmbB
A- A B-B B-B
ArchitektenNagelAMUNTTheissen
SüdschwarzwaldHomeattheBlackForestRegion
Floorplans,Scale1:4000
amHang.Ferienhausim Südschwarzwald
0
amHang.Ferienhausim
GrundrisseM1:400
10m Haus151_FRIHA
HouseonaHill:HolidayHomeattheBlackForestRegion GrundrisseM1:400Floorplans,Scale1:400
10m Haus151_FRIHA
SüdschwarzwaldHouseonaHill:HolidayHomeattheBlackForestRegion
0
Hang.Ferienhausim SüdschwarzwaldaHill:HolidayHomeattheBlackForestRegion Schnitt 2 Schnitt 1
10m ArchitektenNagelAMUNTTheissenundDesignerWilhelmstraßeSonjaNagel,JanTheissen 3,70372T+49(0)711.8496341, stuttgart@amunt.info
Grundriss Obergeschoss Grundriss Dachgeschoss Grundriss Erdgeschoss Jan Theissen, Sonja Nagel
Maßstab M 1:400 1 Eingang/ Garderobe 2 Wohnen 3 Kochen, Essen 4 Bad 5 Schlafen 6 Terrasse 7 Lager
5 5 4 5 2 6 1 4 7 3

Kleines Haus

in Jonschwil (CH)

von Lukas Lenherr Architektur

„Mich reizte die kleine Ausgangslage“, erzählt Lukas Lenherr. „Die Neubelebung einer Remise. Die Verdichtungen im Dorfkern. Dies hat in der Schweiz großes Potenzial, da alle nur um die Dörfer herum bauen und überall in den Orten noch Scheunen leerstehen. Große Einfamilienhäuser, Villen, finde ich weniger spannend. Ich bin für eine Reduktion des Wohnbedarfs in Quadratmetern, auf Verzicht auch in technischen Bereichen. Für Vereinfachungen und traditionelles Handwerk. Aber auch Mini-Häuser sind zu guter Letzt eine nicht ganz ökologische Wohnvariante, da sie wie Mehrfamilienhäuser Leitungen, Anschlüsse, Zufahrtstraßen brauchen. Insofern begeistert mich ein Einfamilienhaus nur, wenn es im Inneren räumlich spannende Verbindungen zu entwickeln gibt ...“

So besehen war der Auftrag, die alte Remise mitten im nicht einmal 4000 Einwohner kleinen Jonschwil im Bezirk Alttoggenburg im Kanton St. Gallen umzubauen, genau das Richtige für den von Zürich aus arbeitenden Architekten: Sie ist klein, ließ sich konstruktiv ertüchtigen, geht sparsam mit Ressourcen um und sorgt innenräumlich für großzügiges, großartiges Wohnen.

Sechs auf sechs Meter misst der quadratische Grundriss, mit knapp 99 Quadratmetern kommt die Familie aus. Beengt muss sie sich trotzdem nicht fühlen: Vertikale und horizontale Öffnungen verbinden die Räume, die ohne Flure auskommen. Fenster gestatten Blicke in die Umgebung. Der Architekt beschränkte sich auf wenige Materialien, die natürlich belassen direkt aneinanderstoßen. Sie sind demontierbar und wieder verwendbar: Das Haus, meint Lukas Lenherr, sei „ein Lager für Baumaterialien“. Mancher Baustoff wurde zudem zweckentfremdet: Treppe und Küche sind aus Birken-Sperrholz-Siebdruckplatten gefertigt.

Aufgrund des hohen Grundwasserspiegels hat das Haus keinen Keller, die Technik findet Platz in einem Schrank im Waschraum. Klein heißt aber auch: Es muss nur wenig Volumen geheizt werden. Holzfaser und Schafwolle dämmen das Haus, der Holzofen wird unterstützt durch eine Fußbodenheizung im geschliffenen Unterlagsboden. Die Fassade ist aus Kanthölzern heimischer Lärche gefertigt, die Fenster sind aus Föhre. Das sichtbare Schraubenbild stemmt sich gegen die Patinierung.

Oben: Die Stapelung von drei Zimmern öffnet einen spiralförmigen Lebensraum, der sich durch alle drei Stockwerke nach oben entwickelt. Horizontale und vertikale Netze machen ihn im wahrsten Sinne des Wortes im Schwebezustand erlebbar.

Vorige Seite rechts: Less is more: Die Baukosten waren relativ niedrig, auch die Nebenkosten, die sich aus dem sparsamen Energieverbrauch ergeben, sind gering. Nachhaltigkeit war für die Bauherren und den Architekten entscheidend und das bedeutete: Reduktion und Verzicht. So nimmt in der Küche ein Holzgestell die technischen Geräte auf, die von der Bauteilbörse stammen. Die ausführenden Unternehmen mussten davon erst überzeugt werden ...

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„Schilte Siebni“ wurde die alte Remise genannt, „das schiefste Haus im Dorf“. Heute ist das kleine Wohnhaus außen- wie innenräumlich ausgezeichnet.

Grundriss Dachgeschoss

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Die Bauherren waren offen für Neues und hatten keine Angst, aus dem „Einheitsbrei auszubrechen“, wie Lukas Lenherr beschreibt. Mit dem Resultat sind sie sehr glücklich. Die Begeisterung der Nachbarschaft ließ etwas länger auf sich warten.

„Wiederverwendung, Verzicht, lokale Positionierung, Eigenproduktion, sozial­ und klimafreundliche Umsetzung sind Ausgangspunkte unserer Projekte.“

Lukas Aurel Lenherr Lukas Lenherr Architektur, Quinten (CH)

www.lukaslenherr.ch

Anzahl der Bewohner: 4

Wohnfläche (m2): 96

Grundstücksgröße (m2): 141

Standort: Jonschwil (CH)

Zusätzliche Nutzfläche (m2): 3

Bauweise: Holz­Kalksandstein­Beton

Baukosten: 438.475 CHF (BKP 1–5)

Fertigstellung: 06/2019

Architekturfotografie: Florian Amoser, Lausanne (CH) www.florianamoser.ch

21 Querschnitt
Maßstab M 1:200 1 Eingang 2 Kochen, Essen, Wohnen 3 Bad 4 Technik, Hauswirtschaft 5 Schlafen 6 Wohnen
Längsschnitt 012 m M 1:200 012 m M 1:200 N012 M 1:200 5 3 6 N012 M 1:200 1 2 5 4 3 N012 M 1:200 5 6 Lageplan

Tag, eine Oase der Erholung und Entspannung.

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