Stadtblatt 2015 01

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Thomas Jankowski: „Ich mag dieses Morbide.“

Groß ist gut! Thomas Jankowski liebt es ungewöhnlich. Sein neues Atelier steht am Bahnhof. Wer es sehen will, betritt einen Wasserturm. VON: HARFF-PETER SCHÖNHERR

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a sind diese Namen, die jeder kennt. Ein wenig rätselhaft allesamt: Qulisse, Mondflug, Pferde haben keine Flügel, Träumen Wale vom Fliegen, 1 Stück Glück… Namen, hinter denen ein Name steht: Thomas Jankowski. Nur wenige Menschen hinterlassen Spuren im kollektiven Bewusstsein ihrer Stadt. Jankowski ist einer von ihnen. Gastronomie!, mag mancher sagen, und das stimmt. Jankowski hat legendäre Clubs geboren, Restaurants, Tapas-Bars. Inneneinrichtung!, mag mancher sagen, und das stimmt. Jankowski baut Möbel, entwirft Lichtobjekte, hat ganzen Locations ihr Gesicht gegeben, nicht zuletzt seinen eigenen. Kunst, mag mancher sagen, und das stimmt. Jankowski zeichnet, relieffiert, lasiert, seit jeher, und dass seine Arbeiten im Gedächtnis bleiben, hat nicht nur mit ihrer monumentalen Größe zu tun. Manchmal stimmt sogar alles miteinander. Was erst ein Atelier war, wurde später zur Discothek. Was eigentlich ein Restaurant war, wurde zwischendrin zum Atelier. Und nichts davon war je gewöhnlich. Kreativ? Thomas Jankowski mag dieses Wort nicht. Aber er verkörpert es wie kein Zweiter. Seit ein paar Jahren konzentriert er sich wieder auf seine Wurzeln: die Malerei. Wer Thomas Jankowski besuchen will, muss gut im Treppensteigen sein, und schwindelfrei am besten auch, denn sein Atelier ist ein Turm – der Was-

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serturm am Hauptbahnhof. 35 Meter hoch, wirkt er ein bisschen wie aus Rapunzel oder als klirre jeden Moment ein Ritter aus ihm hervor. Dabei ist er ein Relikt der Dampflokzeit. Gebaut kurz vor dem 1. Weltkrieg, fasst der gewaltige Tank in seiner Spitze eine Dreiviertelmillion Liter. Natürlich ist er schon lange leer. Aber die Leitungen, die hinaufund hinabführen, wie Lebensadern, die Wände entlang, sind noch da – dick wie alte Baumstämme. Jankowski: „Supercool.“ Bis ganz hoch zu den Rundumfenstern unterm Dach steigt er allerdings selten. Eng hier oben. Klamm. Kahl. Vibrierende Stufen aus Stahlrosten. Aber der Rest? Jankowski schaut runter zum Reichsbahnbunker, gleich nebenan, auch er ein halb vergessenes Relikt aus alter Zeit. „Der Turm ist echt toll. Hier geht’s mir gut. Hier fühl ich mich frei.“ Klar, ein bisschen einsam ist es manchmal, hier oben. Aber dafür herrlich ruhig, trotz der Bahn. Dicke Wände eben. Das Erdgeschoss? Atelier. Gerade entsteht hier ein Bild für eine Villa in Havanna. Der erste Stock? Atelier. „Da liegt im Moment alles durcheinander. Ich bin ein Vollchaot. Lass alles einfach irgendwo fallen, wenn ichs gerade nicht brauche: Pinsel, Lappen, Cuttermesser...“ Der zweite Stock, Deckenhöhe 4 Meter 60, mit herrschaftlichem, fast gottgleichem Blick über die Stadt? Schwere britische Ledermöbel in dunklem Blutrot, auf flammend rotem Boden. Orientteppiche. Viel Mediterranes, Afrika-

FOTOS: HARFF-PETER SCHÖNHERR

hochkultur

nisches. Die Wände glühen, strahlen, glimmen in vielfachem Grün, Gelb und Orange. „Ich liebe das einfach, dieses Südliche, Warme.“ Wie immer hat Jankowski alles selbst gestaltet. Und wie immer hat er dabei die Spuren der Zeit herausgearbeitet, statt sie zu verdecken: „Die Schrauben in der Decke hab ich einfach gelassen. Und wo der Putz abging, hab ich ihn einfach abgeschlagen. Ich mag dieses Morbide, Kaputte, Abgerockte, Verfallene.“ Ein Ort, der für sich selbst spricht. Viel erklären muss Jankowski also nicht, wenn er seine Kunden hier hineinführt: „Die sehen sofort, wer ich bin, wie ich lebe, wie ich arbeite, was sie erwartet, wenn sie mich engagieren.“ Seine Kunden? Die meisten sind gewerblich, vielfach aus der Gastronomie. Jankowski ist bundesweit unterwegs, von Job zu Job, ein paar Wochen hier, ein paar dort. Autohäuser, Messestände… „Alles natürlich auf meine eigene Art.“ Pause. „Ich mach natürlich auch Sachen für mich selbst. Aber das meiste ist schon Auftragskunst. Das Wichtigste ist, sich nicht zu verbiegen. Was ich mache, darauf hab ich auch Bock.“ Und das meiste des meisten ist eben auch dies: groß. „Sonst knallt es zu wenig. Überhaupt: Groß ist gut! Groß gibt dir einfach größere Freiheiten, für größere Gesten.“ Deshalb auch der Turm, mit seinen hohen Decken. Obwohl der eigentlich fast auch schon wieder zu klein ist. Ein Blick noch auf die goldene Warenhauskasse von 1908, aus Mexico City. Auf das alte Bandoneon aus Argentinien, auf dem schon Astor Piazzolla gespielt hat. Dann geht es die schmale Wendeltreppe runter. Vorbei an Miles Davis, statt mit Kohle mit der Säge gezeichnet. Ein Schlusswort, in Sachen Kunst? Jankowski: „Du machst es, weil du es machen musst!“


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