STADTBLATT 2010.04

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Akademiker, Alumni und arbeitslos Vom Studi zum Hartzi. Der Einstieg ins Berufsleben wird Hochschulabsolventen heutzutage alles andere als leicht gemacht! Drei Abgänger der Osnabrücker Hochschulen berichten. VON MEREL NEUHEUSER | FOTOS JUDITH KANTNER

Vatern und Muttern prahlen heute noch

g davon, dass sie quasi mit Kusshand von der Uni in den Job gebeten wurden. Gewerkschaft wurde noch groß geschrieben. Und stimmten Arbeitsbedingungen nicht, dann stimmte eben auch der neue Arbeitsplatz nicht. Heute verlaufen die ersten Gespräche über mögliche Jobwünsche deprimierender. Wer jetzt noch aufmunternde Töne hören will, braucht Berufsbezeichnungen wie „Psychologe“ oder „Historiker“ nicht in den Mund zu nehmen und kann sich gleich einmal in der IT-Branche umsehen. Vitalij Prjadkin hat das nicht getan und trotz aller Gegenargumente etwas studiert, was nicht in der Liste der Studiengänge mit Top-Berufsaussichten steht. Die Rede ist von Energiepolitik. Ein Schwerpunkt, der ihm während seines Geschichts- und Politikstudiums sogar von Professoren empfohlen wurde.

„Hauptsache nicht den Status der Arbeitslosigkeit haben.“ KATHARINA HOLTKÖTTER

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Vitalij Prjadkin hängt weder zwingend an Osnabrück, nicht mal an Deutschland, spricht fließend Englisch und Russisch und doch bot sich ihm seit Beendigung des Studiums vor zwei Jahren keine Gelegenheit, das erlernte Wissen in die Praxis umzusetzen. Wieso? Seine Vermutung, er sei wohl ein wenig zu spezialisiert, klingt erst etwas absurd. Aber genau dies teilte ihm ein potenzieller Arbeitgeber mit. Vermutlich ist dies nicht der einzige Grund für die Schwierigkeiten bei der Jobsuche, auch die Wirtschaftskrise ist nicht gänzlich unschuldig an seiner misslichen Lage. Aber er ist kein Einzelfall – rund die Hälfte seiner ehemaligen Kommilitonen, schätzt er, haben den Berufseinstieg ebenfalls noch nicht geschafft. Manchmal fand sich lediglich eine Stellenausschreibung im Monat. Sein Abschlusszeugnis ziert zwar eine 1, aber die Praxis fehlt. „Die Firmen bevorzugen natürlich Bewerber mit mehr Erfahrung, aber

ohne eine erste Anstellung bekomme ich die nicht.“ Das schlägt auf Dauer aufs Gemüt und das ist Vitalij Prjadkin anzumerken. Wenn er erzählt, dass er Morgens meist recht optimistisch und tatenlustig aufwacht und Abends mit einem unguten Gefühl zu Bett geht, das ihn auch im Halbschlaf nicht loslässt, lassen sich Dimensionen erahnen. Und doch hat er keinen Groll auf seine Dozenten, die ihn einst falsch beraten haben. Aber er hat eine Wut auf die Situation, der er sich durch den fehlenden Berufseinstieg ausgesetzt sieht. Wut durch die schlechten Arbeitsbedingungen, die er in einer Zeitarbeitsfirma hinzunehmen hat und Wut auf potenzielle Arbeitgeber, die mehr oder weniger abweisend oder desinteressiert reagierten. „Arbeitgebermarkt“ nennt Jens Warnecke von der AGOS, der „ArbeitGemeinschaft für Osnabrück“, die Ursache. Das heißt: Bewerbungen


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