PB 3209 – Brahms, Tragische Ouvertüre op. 81

Page 1

PB 3209 Breitkopf & Härtel Partitur-Bibliothek

Brahms – TRAGISCHE OUVERTÜRE für Orchester d-moll

– TRAGIC OVERTURE for Orchestra in D minor op. 81

Partitur Score



JOhannes Brahms

1833–1897

Tragische Ouvertüre

für Orchester d-moll

Tragic Overture

for Orchestra in D minor op. 81

Partitur-Bibliothek 3209 Printed in Germany



Vorwort Wie die Akademische Festouvertüre op. 80 komponierte Johannes Brahms auch seine Tragische Ouvertüre op. 81 im Sommer 1880 in seinem damaligen Feriendomizil in Ischl. Bei der Tragischen Ouvertüre griff Brahms auf früheres Material zurück: Vom Schluß des Expositionsteils (T. 120–184) existiert eine Skizze aus den sechziger Jahren, die möglicherweise für ein sinfonisches Projekt bestimmt war. Brahms selbst betrachtete seine beiden Ouvertüren als ein gegensätzliches Werkpaar. Das zeigt seine knappe Charakterisierung im Brief an Carl Reinecke vom 7. Oktober 1880: „Die eine weint, die andre lacht“. Dem Komischen in op. 80 steht das Tragische in op. 81 gegenüber. Bei beiden Ouvertüren hatte Brahms Mühe, befriedigende Titel zu finden. Der Akademischen Festouvertüre beließ er den ursprünglichen Titel, obwohl er seinem Freund Bernhard Scholz geschrieben hatte: „Der Name gefällt mir nicht grade, fällt Dir ein andrer ein?“ Anders bei der Tragischen Ouvertüre. Am 28. August 1880 heißt es in einem Brief an Theodor Billroth: „Die ‚Akademische‘ hat mich noch zu einer zweiten Ouverture verführt, die ich nur eine ‚Dramatische‘ zu nennen weiß – was mir wieder nicht gefällt. Früher gefiel mir bloß meine Musik nicht, jetzt auch die Titel nicht, das ist am Ende Eitelkeit – ?“ Im Brief an Bernhard Scholz vom 17. September 1880 nannte Brahms das Werk „eine ‚dramatische‘ oder ‚tragische‘ oder ‚Trauerspiel-Ouvertüre‘“. Zu der von Hans Richter geleiteten Uraufführung am 26. Dezember 1880 im Wiener Musikvereinssaal hatte die Ouvertüre dann den endgültigen Titel gefunden. Im Januar und Februar 1881 dirigierte Brahms die Tragische Ouvertüre in verschiedenen deutschen und holländischen Städten aus dem Autograph, an dem er als Resultat dieser Erprobungen noch diverse Verfeinerungen vornahm. Im März desselben Jahres schickte er die handschriftliche Partitur an seinen Verleger Fritz Simrock nach Berlin. Dort wurden Partitur und Stimmen im Juli 1881 veröffentlicht. Es ist darüber gemutmaßt worden, ob Brahms die Tragische Ouver­türe im Hinblick auf ein bestimmtes Theaterstück konzipierte. Die Erwägung, die Komposition „Trauerspiel-Ouver­türe“ zu nennen, kann zu einer solchen Überlegung veranlassen. Max Kalbeck, Brahms’ Biograph und Freund, war sich sicher: „Nicht für den Konzert­saal, für das Theater und sein Orchester ist sie berechnet. Die Musik bietet dem Dichter ihre Dienste an, ohne seine Kreise zu stören. Sie möchte … den zerstreuten Geist des Zuschauers sammeln, ihn aufmerksam, fähig und geneigt machen, erhabene Gegenstände der tragischen Poesie in sich aufzunehmen.“ Kalbecks Vermutung, „daß die ‚Tragische Ouvertüre‘ einmal eine Faust-Ouvertüre war oder werden sollte“, bleibt allerdings eine unbewiesene Spekulation. Hypothetisch ist auch Eduard Hanslicks Überlegung, die er in einer Werkbesprechung anläßlich der Wiener Ur­aufführung äußerte: „Wenn wir uns durchaus für eine Tragödie entscheiden müßten, welche mit Brahms’ Ouvertüre einzuleiten wäre, so würden wir wohl ‚Hamlet‘ nennen.“ Brahms hat durch den Verzicht auf den erwogenen Titel „Trauerspiel-Ouvertüre“ dem Bestreben entgegengewirkt, den musikalischen Gehalt des Werkes auf ein bestimmtes literarisches Sujet oder gar eine bestimmte Dichtung festzulegen. Als Konzertouvertüre stellt das Werk „selbständige musikalische Gedanken, Themen hin, aus welchen mit der den Componisten charakterisierenden strengen Logik das Ganze sich organisch entwickelt.“ Die dichte thematische Arbeit, die Eduard Hanslick mit diesen Worten anspricht, gibt der Komposition ein sinfonisches Gepräge.

Die Tragische Ouvertüre beginnt mit einem hochdramatischen Impuls: Mit zwei energischen, von einem abschwellenden Paukenwirbel gefolgten Orchesterschlägen bricht die Musik gleichsam in eine bereits in Gang befindliche, spannungsvoll zugespitzte Handlung ein. Die wuchtigen Orchesterschläge, die mehrfach im Verlauf der Ouvertüre am Ende von Steigerungen wiederkehren, bannen die Aufmerksamkeit auf das anschließend erklingende Hauptthema – das hauptsächliche Material, mit dem Brahms den Grundcharakter des Tragischen realisiert. Das Thema beginnt mit einer legato geführten, melodisch weit ausgreifenden viertaktigen Doppelphrase (T. 3–6), die zweimal harmonisch labil auf der terzlosen Dominante endet und somit gewissermaßen „nicht vorankommt“. Dem Gestus gemessener Kraft in der in Dur-Dreiklangstönen aufwärtsstrebenden ersten Halbphrase antwortet als Gegenkraft der elegische Tonfall der nachfolgenden, mit einem diatonischen Abstieg beginnenden kor­respondierenden Wendung. Unschwer läßt sich dieser Themenbeginn als musikalisches Emblem des Tragischen auffassen: Das Erstreben eines hohen Zieles und das Verhängnis des Scheiterns verbinden sich zu einer Gestalt, die in ihrer lapidaren Struktur das dem Tragischen stets verbundene Erhabene verkörpert. Die Doppelphrase wird thematisch durch eine ebenfalls viertaktige, besonders rhythmisch kontrastierende Fortsetzung ergänzt. Die energische Marschmotivik ihrer lebhaften Punktierungen bewirkt eine rasche Steigerung und gibt den Anstoß zu den nachfolgenden Entwicklungen der Exposition. Als Ausdruck des Tragischen erweist sich das in der zweiten Themenhälfte eingeführte Marschmotiv später im verhaltenen und beruhigten Mittelteil der Ouvertüre (T. 208–263, Molto più moderato). Während in den bewegten Rahmenteilen die punktierten Rhythmen Energie und Entschiedenheit vermitteln, erscheint im Binnenteil die in der zweiten Hälfte des Hauptthemas exponierte Phrase in einer trauermarschartigen Gestalt, die einen resignativen Charakter zum Ausdruck bringt (T. 210–215). Das Trauermarsch-Thema bildet das wichtigste Material des Mittelteils. In der Disposition der drei Hauptteile verwirklicht sich eindrucksvoll der Grundcharakter des Tragischen. Dort, wo üblicherweise die zu einer Entfesselung und Kulmination thematischer Kräfte führende Durchführung beginnt, schlägt in der Tragischen Ouvertüre das musikalische Geschehen in einen verhaltenen Trauermarsch um, der im Folgenden thematisch weitläufig verarbeitet wird. Hier wie auch zu Beginn der verkürzten Reprise (sowie an der entsprechenden Stelle in der Exposition, T. 84ff.) nimmt die Tragische Ouvertüre einen spezifischen Ton an, der an manche Stellen in Gustav Mahlers Sinfonik denken läßt. Den Reprisenbeginn gestaltet Brahms nicht als erneute Kraftentfaltung, sondern als Fortsetzung der „Trauerarbeit“ in der Durchführung. Trotz des Tempowechsels zum Zeitmaß des Beginns bleibt die Musik zunächst (bis zum Einsatz des Seitensatz-Themas in T. 300) verhalten und getragen. Der Grundcharakter des Werks erfüllt sich, indem am Schluß keine Aufhellung erfolgt, sondern in einer letzten Steigerung mit Entschiedenheit die Grundtonart d-moll befestigt wird. Bis zum Schluß bleibt die Ouvertüre erfüllt „von einem pathetischen Ernste, der mitunter ans Herbe streift, aber niemals das ‚Tragische‘ ins Gräßliche verzerrt.“ (Eduard Hanslick)

Berlin, Frühjahr 1997

Ulrich Mahlert


Preface Johannes Brahms composed not only the Academic Festival Overture op. 80, but also the Tragic Overture op. 81 during the summer of 1880 at his summer residence in Ischl. The composer took up earlier material in his Tragic Overture: there is a sketch for the close of the exposition section (mm. 120 –184) dating from the 1860s and possibly intended for a symphonic project. Brahms himself considered his two overtures as a contrasting pair of works. This emerges in the succinct characterization he gives in a letter to Carl Reinecke of 7 October 1880: “One weeps, the other laughs.” The merriness of opus 80 was now tempered by the solemnity of opus 81. Brahms had trouble finding satisfying titles for each of his overtures. He settled on the original title for the Academic Festival Overture, even though he had written to his friend Bernhard Scholz: “I am not too happy with the title – maybe you can think of a better one?” The situation was different with the Tragic Overture. On 28 August 1880 he wrote to Theodor Billroth: “The ‘Academic’ has seduced me into writing another overture which I can only call ‘dramatic’, although I don’t like the term. Before I used to be dissatisfied only with my music, now it’s the titles as well. Is it nothing but vanity in the end?” In his letter to Bernhard Scholz of 17 September 1880, Brahms called the work “a ‘dramatic’ or ‘tragic’ or ‘Tragedy Overture’”. The piece acquired its definitive title by the time it was given its premiere by Hans Richter on 26 December 1880 in Vienna’s Musikvereinssaal. Brahms conducted the Tragic Overture in various German and Dutch cities in January and February 1881. He led these performances from the autograph, in which he made a number of fine-tunings as a result of his orchestral work. In March of the same year, he sent the manuscript score to his publisher Fritz Simrock in Berlin. Simrock published the score and parts in July 1881. It has been a matter of speculation whether Brahms conceived the Tragic Overture in connec­ti­on with a specific stage play, which would have given rise to the idea of calling the piece a “Tragedy Overture”. Max Kalbeck, Brahms’ biographer and friend, was absolutely certain: “It was not intended for the concert hall, but for the theater and its orchestra. The music offers the dramatist its services without disturbing his sphere. It seeks…to help the viewer collect his distracted thoughts, to make him attentive, able and willing to absorb the lofty objects of tragic poetry.” Kalbeck’s hypothesis “that the ‘Tragic Overture’ was, or was to have been, a Faust Overture” remains, however, unproven. Just as hypothetical is the theory advanced by Eduard Hanslick in a discussion of the work on the occasion of the Viennese premiere: “If one had to choose a tragedy to be introduced by Brahms’ overture, then it would no doubt have to be ‘Hamlet’.” By rejecting the possible title “Tragedy Overture”, Brahms counteracted the endeavor to mould the musical substance of the work onto a specific literary subject or a specific text. As a concert overture, the work “presents independent musical ideas and themes from which the whole unfolds organically with the rigorous logic characteristic of the composer.” The dense thematic elaboration which Eduard Hanslick alludes to with these words gives the work its symphonic character. The Tragic Overture begins with a forceful, dramatic impulse: two mighty orchestral attacks followed by a fading timpani roll.

It is as if the music is suddenly breaking into an activity which is already underway and has even reached a pitch level of excitement. The powerful chords – they return several times during the overture at the end of orchestral buildups – turn our attention to the main theme, which is now stated. Brahms shapes the basic “tragic” character of the work chiefly with this material. The theme begins with a double phrase (mm. 3– 6) in four bars with a grandly sweeping legato melody; this phrase is given two harmonically unstable cadences on the dominant but without the third. The effect is that the piece does not seem to “get going”. The gesture of measured power in the first half-phrase, which strives upwards with the notes of a major triad, is counterbalanced by the following half-phrase which begins on a diatonic descent. It is easy to view this thematic opening as a musical emblem of the tragic: the striving for an exalted goal and the eventuality of failure meld into one shape which, in its pithy structure, embodies the loftiness always connected with the tragic. The double phrase is thematically supplemented by a continuation, also in four measures, whose contrast lies above all in its rhythm. The energetic march motif of its lively dotted pace gives rise to a rapid buildup and supplies the incentive for the following developments of the exposition. The march motif introduced in the second half of the theme evolves into another expression of the tragic later on in the hushed and restrained middle section of the overture (mm. 208–263, Molto più moderato). Whereas the dotted rhythms conveyed energy and decisiveness in the turbulent flanking sections, in the inner section the phrase exposed in the second half of the main theme takes on the guise of a funeral march ‚dominated by a mood of resignation (mm. 210 –215). The funeral theme provides the most important material of the middle section. The fundamental atmosphere of tragedy is impressively realized in the layout of the three main sections. Where in other pieces a development usually begins, a section that unchains the powers contained in the themes and leads them to a climax, we have something com­pletely different in the Tragic Overture: the shift of the musical activity into a dignified funeral march that is later extensively elaborated. Here as well as at the beginning of the shortened recapitulation (and at the corresponding passage in the exposition, mm. 84ff.), the Tragic Overture takes on a specific tone which reminds us occasionally of Gustav Mahler’s symphonic music. Brahms does not fashion the beginning of the recapitulation as a renewed unleashing of power but as a continuation of the grieving, sorrowful mood of the development. In spite of the tempo’s shift back to its opening pace, the music remains solemn and restrained (until the entrance of the secondary theme in m. 300). The basic character of the work is affirmed again at the close when, instead of lightening the mood, Brahms establishes the main key of D minor with great decisiveness in a final buildup. Until the end, the overture is borne by “a poignant gravity which sometimes skirts harshness but never distorts the ‘tragic’ into frightfulness.” (Eduard Hanslick)

Berlin, Spring 1997

Ulrich Mahlert


Partitur-Bibliothek 3209

Š Breitkopf & Härtel, Wiesbaden


Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Leseprobe

Sample page

Breitkopf PB 3209


Haben wir Ihr Interesse geweckt? Bestellungen nehmen wir gern Ăźber den Musikalienund Buchhandel oder unseren Webshop entgegen. Have we sparked your interest? We gladly accept orders via music and book stores or through our webshop.


9 790004 200469

ISMN 979-0-004-20046-9

9 790004 200469 G 19

PB 3209

www.breitkopf.com


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.