EB 9341 – Sibelius, Drei Stücke für Violine und Klavier

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SIBELIUS

Drei Stücke

für Violine und Klavier

Three Pieces for Violin and Piano op. 116

EB 9341

JEAN SIBELIUS

1865–1957

DREI STÜCKE

für Violine und Klavier

THREE PIECES

for Violin and Piano

op. 116

herausgegeben von | edited by Anna Pulkkis

Urtext der Gesamtausgabe Jean Sibelius Werke

Urtext from the Complete Edition Jean Sibelius Works

Edition Breitkopf 9341

Printed in Germany

Einleitung

Sibelius stellte im Frühjahr 1929, in der letzten aktiven Phase seiner Komponistenkarriere, Drei Stücke op. 116 (Scène de Danse, Danse caractéristique, Rondeau romantique) fertig. Gleichzeitig arbeitete er an seiner achten Symphonie, einem Projekt, das unvollendet blieb. Zusammen mit Vier Stücke op. 115, auch für Violine und Klavier, waren die Drei Stücke op. 116 seine letzten Werke mit Opusnummerierung.

Der Impuls zum Komponieren der Stücke für Violine kam vermutlich vom New Yorker Verleger Carl Fischer, mit dem Sibelius zuvor eine Vereinbarung über kleine Kompositionen getroffen hatte. In einem Brief an Sibelius im Oktober 1928 bekundete Fischer sein besonderes Interesse an Werken für Klavier, Gesang und Klavier sowie für Violine und Klavier und für „charakteristische Stücke in Form einer Orchestersuite“.1 Sibelius beherzigte den Hinweis. Seine Antwort ist als Briefentwurf vom 15. Februar 1929 erhalten geblieben; darin kündigt er Fischer vier Sammlungen von Kompositionen an: Opus 114 für Klavier solo, Opus 115 und 116 für Violine und Klavier und Opus 117, eine Suite für Violine und Streichorchester, die letztendlich keine Opusnummer erhielt. Im Briefentwurf haben die Stücke von Opus 115 die englischen Titel Moods of the Moor, Tale, Humoresque und The Bells (Capric[c]ietto) 2

Wann genau Sibelius die obengenannten Kompositionen vollendete, bleibt ungewiss. Dem Entwurf des Schreibens zufolge wäre es der 15. Februar. Auf jeden Fall waren die Werke vor dem 23. Mai fertig, dem Tag, an dem Fischer den Erhalt bestätigte. Zunächst äußerte der Verleger die Bereitschaft, die Kompositionen anzunehmen, jedoch erhielt Sibelius im September ein Ablehnungsschreiben. Mit Bezug auf „die äußerst unglückliche Konstellation im Musikverlagsbereich in den Vereinigten Staaten“ sendete Fischer die Kompositionen mit Bedauern zurück.3

Sibelius wandte sich an Breitkopf & Härtel, die 1926, nach einer kriegsbedingten Pause, das symphonische Gedicht Tapiola op. 112 veröffentlicht hatten. Am 1. Oktober 1929 teilte Sibelius Breitkopf mit, er habe ihnen ein paar neue Werke geschickt, und fügte hinzu, dass er auch seinen Vertrag mit Fischer auflösen würde. Das Paket enthielt wahrscheinlich die Opusnummern 114, 115 und 116, jedoch bat Sibelius Breitkopf kurz darauf, Opus 114 wieder an ihn zurückzusenden.4

Breitkopf & Härtel nahmen die neuen Werke an und versicherten, dass „[…] wir die beiden Werke Op. 115 Vier Violinstücke und Op. 116 Drei Violinstücke gern der grossen Reihe Ihrer früheren Werke in unserem Verlage anreihen.“ Sie boten ihm ein Gesamthonorar von 1.400 Rmk an und legten Verträge zwecks Übertragung des Urheberrechts zur Unterschrift bei.5 Sibelius akzeptierte die Bedingungen, und am 12. November schrieb Breitkopf, dass sie bald mit dem Notenstich beginnen würden. Sie versprachen auch, Fahnen zu schicken, jedoch sind weitere Dokumentationen dazu nicht überliefert.6

Wie es für die Zeit typisch war, machten Urheberrechtsprobleme die Dinge komplizierter. Breitkopf & Härtel schrieben am 15. April 1930 an Sibelius und informierten ihn, dass die Werke von einem deutschen Staatsbürger editiert werden müssten, um das US­Urheberrecht für diese zu erhalten. Somit baten sie Sibelius um Erlaubnis, in den Erstausgaben „Bearbeitet von Carl Ettler“ zu vermerken; Ettler war der Musikverlagsredakteur. Offenbar teilte Sibelius dem Verleger die jüngsten Veränderungen in den Urheberrechtsbezie­

hungen zwischen Finnland und den USA mit. Breitkopf & Härtel versprachen, die Sache weiter zu entwirren, und fügten mit Bedauern hinzu: „Das Wort Bearbeiter anzuwenden […] widerstrebte auch uns.“7 Letztendlich wurde Ettler in der Erstausgabe doch nicht erwähnt. Der Veröffentlichungsprozess zog sich noch einige Monate hin. Am 22. Dezember 1930 konnte Breitkopf Sibelius schließlich informieren: „Zu unserer Freude können wir Ihnen heute mitteilen, dass Ihre 7 Violinstücke Op. 115 und 116 fertiggestellt sind.“8

Die autographen Reinschriften von Opus 116 sind zwar verschollen, doch blieben Kopistenabschriften von Paul Voigt erhalten.9 Die Kopien enthalten einige Bleistiftkorrekturen von Sibelius. Generell berücksichtigen die Erstausgaben (die der vorliegenden Ausgabe als Hauptquelle dienten) die verbesserte Lesart, aber andere Unterschiede zwischen den Erstausgaben und Voigts Kopien lassen vermuten, dass noch weitere Überarbeitungen vor der Veröffentlichung stattgefunden hatten. Zum Beispiel lautet die Tempoangabe für Scène de Danse (Nr. 1) in Voigts Kopie „Commodo“, in der Erstausgabe hingegen steht „Tempo moderato“.

Die französischen Titel für die Stücke von op. 116 waren bereits in Sibeliusʼ Briefentwurf an Fischer festgelegt (siehe oben). Sibelius plante offensichtlich, die Titel zu übersetzen, und verfasste kurze Zeit nach dem Versand der Stücke an Breitkopf im Oktober 1929 (mit den Nummern 1 und 2 in umgekehrter Reihenfolge) Folgendes: „Was die Titeln des op 116 betrifft möchte ich dass N= 1 Tanz­Humoreske und N= 2 Tanz­Scene genannt wird. No. 3 (Rondeau romantique) könnte auch einfach Rondo heissen.“ Wahrscheinlich hat er den Brief nie verschickt, da die Titel auf Französisch blieben.10

Die vorliegende Ausgabe übernimmt den Notentext der Gesamtausgabe Jean Sibelius Werke, Serie IV Kammermusik, Bd. 6: Werke für Violine oder Violoncello und Klavier, herausgegeben von Anna Pulkkis, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2018. In diesem Band befindet sich auch ein detaillierter „Critical Commentary”.

Helsinki, Winter 2018

Anna Pulkkis

1 Fischers Brief an Sibelius, 5. Oktober 1928 (Finnische Nationalbibliothek [=NL], Coll. 206.44).

2 Sibeliusʼ Briefentwurf an Fischer, 15. Februar 1929 (NL, Coll. 206.44). Er ist nicht in Sibeliusʼ Handschrift, was für seine englische Korrespondenz typisch war.

3 Fischers Briefe an Sibelius, 23. Mai und 7. September 1929 (NL, Coll. 206.44).

4 Sibeliusʼ Brief an B&H, 1. Oktober 1929, und Telegramm an B&H, 12. Oktober 1929 (B&H­Archiv).

5 B&Hs Telegramm an Sibelius, 16. Oktober 1929, und B&Hs Brief an Sibelius, 19. Oktober 1929. Beide sind im Nationalarchiv Finnland, Sibelius­Familienarchiv [=NA, SFA], Kasten 42 aufbewahrt.

6 B&Hs Brief an Sibelius, 12. November 1929 (NA, SFA, Kasten 42).

7 B&Hs Briefe an Sibelius, 15. April 1930 and 26. April 1930. Beide sind im NA, SFA, Kasten 42 aufbewahrt.

8 B&Hs Postkarte an Sibelius, 22. Dezember 1930 (NA, SFA, Kasten 42).

9 Voigts Kopien sind in NL aufbewahrt.

10 Sibeliusʼ Briefentwurf an B&H, undatiert, vermutlich von Oktober 1929 (NL, Coll. 206.44).

Introduction

Sibelius completed Drei Stücke Op. 116 (Scène de Danse, Danse caractéristique, Rondeau romantique) in the spring of 1929, during the last active phase in his career as a composer. At the same time he was working on his Eighth Symphony, a project that was left unfinished. Together with Vier Stücke Op. 115, also for violin and piano, Drei Stücke Op. 116 were his last opus­numbered works.

The impetus for composing the violin pieces probably came from the New York publisher Carl Fischer, with whom Sibelius had earlier made an agreement regarding small compositions. In a letter to Sibelius in October 1928, Fischer expressed particular interest for works for piano, voice and piano, and violin and piano, and for “characteristic numbers in the form of an orchestra suite.”1 Sibelius heeded the suggestion. His reply has survived as a draft letter dated 15 February 1929, in which he announces sending four collections of compositions to Fischer: opus 114 for solo piano, opuses 115 and 116 for violin and piano, and opus 117, a suite for violin and string orchestra that finally remained without opus number. In the draft letter, the opus 115 pieces have the English titles Moods of the Moor, Tale, Humoresque, and The Bells (Capric[c]ietto) 2

When exactly Sibelius completed the above­mentioned compositions remains uncertain. According to the draft letter it would have been by 15 February, and in any case they were finished before 23 May, when Fischer reported having received them. At first, the publisher expressed a willingness to take the compositions, but in September, Sibelius received a rejection letter. Referring to “the extremely unfortunate constellation in the music publishing field in the United States,” Fischer returned the compositions with regrets.3

Sibelius turned to Breitkopf & Härtel, who, after a prolonged break caused by the war, had published the symphonic poem Tapiola Op. 112 in 1926. On 1 October 1929, Sibelius informed Breitkopf he had sent them some new works and added that he would also abrogate his agreement with Fischer. The package probably included opuses 114, 115, and 116, but Sibelius asked Breitkopf to return opus 114 shortly thereafter.4

Breitkopf & Härtel accepted the new works and assured: “[W]e gladly add both works, Vier Violinstücke Op. 115 and Drei Violinstücke Op. 116, to the large series of your earlier works published by us.” They suggested a total fee of 1,400 Rmk and enclosed agreements on copyright transfer to be signed.5 Sibelius agreed with the terms, and on 12 November Breitkopf wrote that they would soon begin the engraving. They also promised to send proofs, but further documentation about them is missing.6

As was typical of the time, copyright issues made things more complicated. Breitkopf & Härtel wrote to Sibelius on 15 April 1930 informing him that to obtain the US copyright for the works they had to be edited by a German citizen. Therefore, they asked Sibelius’s permission to note on the first editions “Bearbeitet von Carl Ettler,” Ettler being their publishing editor. Sibelius apparently informed the publisher of recent changes in copyright relations between Finland and the USA. Breitkopf & Härtel promised to further disentangle the issue, adding with regret: “To use the word Bearbeiter […] displeased us as well.”7 In the end, no mention of Ettler was made in the first edition. The publishing process dragged on for several

more months. Breitkopf was finally able to announce to Sibelius on 22 December 1930: “To our joy, we can inform you today that your 7 violin pieces Op. 115 and 116 have been completed.”8

The autograph fair copies of the opus 116 pieces are lost, but scribal copies by Paul Voigt survive.9 The copies include some pencil emendations by Sibelius. Generally, the first editions (which served as the main source in the edition at hand) include the emended reading, but other differences between the first editions and Voigt’s copies indicate that further emendations took place before the publication. For instance, the tempo indication for Scène de Danse (No. 1) is “Commodo” in Voigt’s copy, whereas the first edition has “Tempo moderato”.

The French titles for the Op. 116 pieces were established already in Sibelius’s draft letter to Fischer (see above). Sibelius evidently planned to translate the titles, drafting the following shortly after sending the pieces to Breitkopf in October 1929 (with Nos. 1 and 2 in reverse order): “As for the titles of Op. 116, I would like No. 1 to be called Tanz­Humoreske and No. 2, Tanz­Scene. No. 3 (Rondeau romantique) could also simply be called Rondo.” It is likely that he never sent the letter, because the titles remained in French.10

The present edition reproduces the music text of the Complete Edition of Jean Sibelius Works, Series IV Chamber Music, vol. 6: Works for Violin or Cello and Piano, edited by Anna Pulkkis, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2018. This volume also includes a detailed Critical Commentary.

Helsinki, winter 2018

Anna Pulkkis

1 Fischer’s letter to Sibelius, 5 October 1928 (The National Library of Finland [=NL], Coll. 206.44).

2 Sibelius’s draft letter to Fischer, 15 February 1929 (NL, Coll. 206.44). It is not in the hand of Sibelius, which was typical of his English­language correspondence.

3 Fischer’s letters to Sibelius, 23 May and 7 September 1929 (NL, Coll. 06.44).

4 Sibelius’s letter to B&H, 1 October 1929, and telegram to B&H, 12 October 1929 (B&H archives).

5 B&H’s telegram to Sibelius, 16 October 1929; B&H’s letter to Sibelius, 19 October 1929: “[…] wir die beiden Werke Op. 115 Vier Violinstücke und Op. 116 Drei Violinstücke gern der grossen Reihe Ihrer früheren Werke in unserem Verlage anreihen.” Both are preserved in the National Archives of Finland, Sibelius Family Archive [=NA, SFA], file box 42.

6 B&H’s letter to Sibelius, 12 November 1929 (NA, SFA, file box 42).

7 B&H’s letters to Sibelius, 15 April 1930 and 26 April 1930: “Das Wort Bearbeiter anzuwenden […] widerstrebte auch uns.” Both are preserved in NA, SFA, file box 42.

8 B&H’s postcard to Sibelius, 22 December 1930 (NA, SFA, file box 42): “Zu unserer Freude können wir Ihnen heute mitteilen, dass Ihre 7 Violinstücke Op. 115 und 116 fertiggestellt sind.”

9 Voigt’s copies are preserved in NL.

10 Sibelius’s draft letter to B&H, undated but probably from October 1929 (NL, Coll. 206.44): “Was die Titeln des op 116 betrifft möchte ich dass N=1 Tanz­Humoreske und N= 2 Tanz­Scene genannt wird. No. 3 (Rondeau romantique) könnte auch einfach Rondo heissen.”

Drei Stücke für Violine und Klavier

Scène de Danse

1930 by Breitkopf & Härtel, Leipzig
Härtel, Wiesbaden
Jean Sibelius op. 116 herausgegeben von Anna Pulkkis

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