EB 8887 – Viardot, Lieder Band 1

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Edition Breitkopf

Viardot-García Ausgewählte Lieder für Singstimme und Klavier

Selected Songs for Voice and Piano Band I | Volume I

EB 8887



Pauline Viardot-García 1821–1910

Ausgewählte Lieder für Singstimme und Klavier

Selected Songs for Voice and Piano

herausgegeben von | edited by

Miriam-Alexandra Wigbers

Band I | Volume I Band II | Volume II

EB 8887 EB 8888

Edition Breitkopf 8887 Printed in Germany



Inhalt | Contents Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV Preface . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII 12 Vertonungen russischer Texte in der Übersetzung von Friedrich Bodenstedt 1

Das Blümlein – Цветок VWV 1018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Alexander Puschkin)

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2 Auf Grusiens Hügeln – На холмах Грузии VWV 1037 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Alexander Puschkin)

6

3 Ruhige, heilige Nacht – Тихая, звёздная ночь VWV 1038 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Afanassi Fet)

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4 Mitternächtige Bilder – Полуночные образы VWV 1039 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 (Afanassi Fet) 5 Flüstern, atemscheues Lauschen – Шёпот, робкое дыханье VWV 1040 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 (Afanassi Fet) 6 Die Beschwörung – Заклинание VWV 1041 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 (Alexander Puschkin) 7 Die Meise – Синица VWV 1042 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 (Iwan Turgenjew) 8 Zwei Rosen – Две розы VWV 1055 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 (Afanassi Fet) 9 Des Nachts – Мой голос для тебя и ласковый и томный VWV 1056 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (Alexander Puschkin) 10 Der Gefangene – Узник VWV 1057 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 (Alexander Puschkin) 11 Das Vöglein – Птичка божия VWV 1058 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 (Alexander Puschkin) 12 Die Sterne – Звёзды VWV 1059 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 (Afanassi Fet) 5 Toskanische Gedichte – 5 Canti Popolari Toscani (Giuseppe Tigri, dt. Übersetzung: anonym) 1 2 3 4 5

Florentinisches Ständchen – Serenata fiorentina VWV 1048 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Die Verlassene – C’era una volta VWV 1049 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Die Dorfsängerin – Non vi maravigliate VWV 1047 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Die Unglückliche – Povera me VWV 1050 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Doppel-Liebe – L’innamorata VWV 1051 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Kritischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Transliteration der russischen Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69


IV

Vorwort Biographisches Was anderen Komponistinnen des 19. Jahrhunderts vorenthalten blieb, wurde der vielseitigen Pauline Viardot-García1 schon zu Lebzeiten zuteil. Ihr kompositorisches Werk war durch die he­ rausragende Präsenz der Sängerin und gefragten Gesangspädagogin anerkannt und wurde in Frankreich, Russland und Deutschland gedruckt. Pauline Viardot wurde 1821 in Paris in eine spanische Sängerfamilie hineingeboren. Ihr Vater war der Sänger, Komponist und Gesangslehrer Manuel García, für den Gioachino Rossini u. a. die Rolle des Grafen Almaviva in seiner Oper Il barbiere di Sivi­glia (1816) komponiert hatte. Ihre Mutter Joaquina Sitchèz war ebenfalls Sängerin. Ihre Geschwister waren die früh verstorbene, legendäre Primadonna Maria Malibran und Manuel García jun., der das Laryngoskop erfand und einer der bekanntesten Gesangslehrer des 19. Jahrhunderts war. Pauline Viardot wurde eine umfassende musikalische Ausbildung zuteil: Ihren ersten Klavierunterricht erhielt sie auf einer Konzertreise der Eltern bei dem Organisten der Kathedrale von Mexiko-Stadt Marcos Vega. Nach Paris zurückgekehrt wurde sie von Meysenberg2 und später von Franz Liszt unterrichtet. In Harmonielehre erhielt sie Unterricht bei Anton Reicha und ihre Gesangslehrerin war ihre Mutter. Weitere musikalisch-prägende Einflüsse erhielt sie als Klavierbegleiterin der Gesangsschüler ihres Vaters. Die frühe familiäre Prägung von der Tradition des Belcanto – sie selbst debütierte auf der Opernbühne in Rossini-Rollen – führte bei Pauline Viardot zu einem Kunstverständnis, das überlieferte Notenmaterial als Sprungbrett für die eigene Phantasie zu begreifen, welches erst durch das Moment der Aufführung lebendig wird. Sie selbst verstand ihre Rolle als Interpretin auch als Mitgestalterin von Kompositionen und beeinflusste fast selbstverständlich den Entstehungsprozess von Werken, die sie uraufführte. Der Pianist und Komponist Ignaz Moscheles sagte von ihr: „Man kann mit Recht das französische ‚elle crée son rôle‘ auf sie anwenden. Ist es doch oft, als empfinge sie des Komponisten Arbeit als Rohmaterial und verarbeitete es erst; als verstände man den Charakter, den sie personifizieren will, erst durch ihre Darstellung.“3 Diese schöpferische Suche nach dem Charakteristischen und Ureigenen einer Figur sowie die psychologische Durchdringung derselben verleihen auch den Figuren in den von ihr vertonten Gedichten ihre Glaubwürdigkeit und Authentizität. Dabei verwendet sie auch im Lied Ausdrucksmittel aus der Belcanto-Stilistik, wie z. B. Portamenti, Vorschläge, Messa di voce sowie verschiedene Arten von Akzenten. Das Hauptaugenmerk lag auf dem Moment der Aufführung und weniger auf der schriftlich fixierten Vorlage.4 Als Sängerin war sie 25 Jahre lang auf internationalen Bühnen zu hören. Ihre wichtigsten Auftrittsorte waren London, Paris, Berlin, Leipzig, Wien und St. Petersburg, wo sie 1843 während eines Engagements den russischen Schriftsteller Ivan Turgenev kennenlernte, der der Familie Viardot bis zu seinem Tode eng verbunden blieb. Nach ihrem offiziellen Rückzug von der Opernbühne 1863 ließ sie sich mit ihrer Familie in Baden-Baden nieder, wo sie sich verstärkt dem Komponieren und Unterrichten widmete. Mit einer eigenen Tonhalle und einem Privattheater schuf sie sich

dort eine ganz eigene künstlerische Welt. Virtuosen, Dichter und Maler waren hier ebenso zu Gast wie Diplomaten, Gelehrte und Angehörige der Adelshäuser. Dazu gehörten neben Clara Schumann, Johannes Brahms, Anton Rubinštejn, Theodor Storm und Ivan Turgenev auch das preußische Königspaar und Otto von Bismarck. Künstler, Kunstliebhaber, Dilettanten und Kunst-Lernende traten dort in einen inspirierenden Dialog. Gemeinsam mit Familienangehörigen, Freunden und einer schnell wachsenden Zahl an SchülerInnen führte die gefragte Pädagogin und Komponistin ihre Musik regelmäßig auf. Der Deutsch-Französische Krieg veranlasste Pauline Viardot, Baden-Baden mit ihrer Familie zu verlassen und über London 1871 nach Paris zurückzukehren. Im Oktober begann sie am Pariser Konservatorium Gesang zu unterrichten, trat aber schon 1874 offiziell von ihrem Posten zurück, da ihr die Arbeitsbedingungen nicht zusagten. Bis zu ihrem Lebensende unterrichtete sie privat, komponierte und veröffentlichte ihre Kompositionen bis wenige Jahre vor ihrem Tod. Sie starb am 18. Mai 1910 in Paris.

Die Komponistin Pauline Viardot und ihre Lieder Zweifellos ist das klavierbegleitete Lied die zentrale Gattung im Gesamtwerk von Pauline Viardot. Darunter befinden sich Vertonungen von französischen, deutschen, russischen, italienischen und spanischen Texten. Manche Lieder erschienen in bis zu vier Sprachen, so zum Beispiel die vorliegende Auswahl toskanischer Gesänge, die Canti popolari toscani, die jeweils in einer zweisprachigen Ausgabe – im italienischen Original mit einer Übersetzung in die jeweilige Landessprache – in Deutschland, Frankreich und Russland erschienen. 12 Vertonungen russischer Texte Das Album 12 Gedichte von Puschkin, Feth und Turgeneff mit Vertonungen von Texten von Aleksandr Puškin, Afanasij Fet und Ivan Turgenev in einer Übersetzung Friedrich Bodenstedts erschien zunächst in St. Petersburg in einer Ausgabe mit deutschem und russischem Text. Im Dezember 1864 wurde es ausschließlich in der deutschen Übersetzung von Friedrich Bodenstedt im Musikverlag Breitkopf & Härtel gedruckt. Erste Lieder des Albums waren 1862 in Baden-Baden und Paris entstanden. Turgenevs Rolle im Entstehungs- sowie im Veröffentlichungsprozess der Lieder kann nicht hoch genug eingeschätzt werden: In einem Brief vom 6. Juli 1863 bat er den Slavisten Friedrich Bodenstedt um die deutsche Übersetzung von elf russischen Gedichten.5 Bereits am 11. Juli 1863 schickte Bodenstedt die Übersetzungen von fünf Gedichten an Turgenev. Neun der von Bodenstedt gesandten Übersetzungen gingen in das Album ein, drei der Lieder (Die Meise, Der Gefangene und Das Vöglein) entstanden erst später, sodass sich die Korrespondenz zu Details der deutschen Übersetzung bis zur Drucklegung des Albums hinzog und im Falle des Liedes Das Vöglein aus Zeitdruck sogar zu einer Mischübersetzung führte.6 Bei der Suche nach einem Verlag zur Veröffentlichung der Lieder bat Turgenev seinen Freund Pavel Annenkov um Unterstützung.7 In Briefen an den Dichter Fet pries Turgenev Viardots Vertonungen seiner Lyrik an. Schließlich


V reiste er am 13. Januar 1864 nach St. Petersburg und bereitete gemeinsam mit dem befreundeten Pianisten und Komponisten Anton Rubinštejn die Ausgabe für den Druck vor.8 Rubinštejn brachte Turgenev auch in Kontakt mit seinem Verleger Johansen. Der Verleger entschied, dass die Ausgabe zwölf Lieder umfassen sollte. Die Auswahl der einzelnen Stücke (von 15 vorliegenden Titeln), deren Sortierung innerhalb der Ausgabe sowie die Korrektur der Druckvorlage übernahm Rubinštejn.9 Dieser hatte im September 1862 das Konservatorium in St. Petersburg mitbegründet, an dem erstmals Russisch Unterrichtssprache war. In seinen Erinnerungen beklagte er die mangelhafte musikalische Ausbildung der russischen SängerInnen, das Fehlen professioneller russischer MusikerInnen und KomponistInnen und daraus resultierend eines russischen Liedrepertoires.10 Viardots Album deckte dieses Desiderat. Im März 1864 lag das Album gedruckt vor. Neben emotionalen Reminiszenzen (Das Blümlein) und heiteren Liedern (Die Meise, Das Vöglein, Zwei Rosen) liegt den meisten Liedern des Albums eine Nachtstimmung zu Grunde: eine leidenschaftliche Nacht in Grusien11, eine Ruhige, heilige Nacht, eine Nacht bedrohlicher Mitternächtige[r] Bilder, eine einlullende Nachtstimmung in Flüstern, atemscheues Lauschen, eine nächtliche Toten-Beschwörungsszene, das selig-träumerische Des Nachts und die feierlich-überhöhte Stimmung beim Betrachten des Himmels in Die Sterne. Eine Sonderstellung nimmt zweifelsfrei das Lied Der Gefangene ein. Es schildert eine Gefängnis­ szene, in der der Gefangene sich in die Freiheit träumt, während er einen aasfressenden Adler beobachtet. Bedenkt man, dass die Leibeigenschaft im zaristischen Russland erst 1861 aufgehoben wurde und viele Gegner des Systems unschuldig im Gefängnis saßen, ist dies ein besonders zeit- und systemkritisches Stück. Auf Grundlage des russischen Erstdrucks wurde die deutsche Ausgabe erstellt. Die junge Sängerin und Schülerin Viardots Julienne Flinsch-Oprawil übergab den russischen Druck dem Verlagshaus Breitkopf & Härtel, das am 6. August 1864 Kontakt mit Pauline Viardot aufnahm und um eine Autorisierung der Komponistin bat, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.12 ­Viardots Zustimmung lässt sich nur indirekt erschließen, da sich der Briefwechsel zwischen Breitkopf & Härtel und der Komponistin lediglich aus den Kopierbüchern des Verlags rekonstruieren lässt und Viardots Antworten fehlen. Es ist anzunehmen, dass sie in ihrem Brief vom 15. August 1864 der Verlagsübernahme zugestimmt hat, die der Verlag am 26. August 1864 mit dem Hinweis beantwortete, der Stich sei bereits in Arbeit.13 Aus dem Briefwechsel lässt sich auch ersehen, dass der Verlag mit der Bitte an Viardot herantrat, das ursprünglich für Singstimme, obligates Cello und Klavierbegleitung komponierte Lied Die Sterne für Singstimme und Klavier zu bearbeiten, um im Album eine einheitliche Besetzung zu haben.14 Diese Version des Liedes ist möglicherweise eine Bearbeitung des Verlags und nicht von Viardot. Die Originalversion mit obligatem Violoncello sollte als Separatdruck erscheinen. Am 17. Dezember 1864 erbat Viardot in einem Brief an Hermann Härtel für die Weihnachtstage einige Exemplare des Albums für ihre Schülerinnen.15 Die Alben kamen offenbar rechtzeitig an, denn Viardots Gesangsschülerin Aglaja Orgeni berichtete am 27. Dezember 1864: „Den Christabend brachten wir, ich und die [Viardot-Schülerin Louise von] Poellnitz, bei Madame Viardot zu. […] Ich bekam ein Heft ihres eben erschienenen Lieder-Albums mit paar lieben

Worten, ein kleines Pariser Notizbüchlein, hübschen Flakon und eine Schachtel aus Holz geschnitzt mit ihrer Norma-Photographie.“16 Das Album wurde im Dezember 1864 gedruckt und am 11. Januar 1865 an die Musikalienhandlungen verschickt.17 Die Einzelausgabe des Liedes Die Sterne mit obligatem Violoncello erschien im April 1865.18 Der Rezensent der Neuen Zeitschrift für Musik, Hermann Zopff, selbst Komponist und Wagnerianer, schrieb in seiner umfangreichen Besprechung unter der Rubrik Kammer- und Hausmusik am 23. Juni 1865 über das Album, man müsse „die Mehrzahl der vorliegenden Gesänge unleugbar für das Bedeutendste erklären“, was ihm „Frauenhände auf diesem Gebiete“ bisher geboten hätten. Die Lieder seien „das Resultat eines […] ächt männlichen Geistes, der sich alles Subjective der Empfindung fast durchgängig unterwirft“. Ihnen wohne ein „wirklich schöpferisch freier, melodischer Zug“ und ein „Zug wirklicher Polyphonie“ inne – ein Urteil, das für die Bewertung von Kompositionen einer Komponistin selten vergeben wurde. Besonders interessant ist das Herausstellen des Liedes Die Beschwörung, das im Vergleich zu den vorangegangenen – nach Ansicht des Rezensenten – am wenigsten überzeuge.19 Gerade dieses Lied findet in modernen Einspielungen einen großen Zuspruch.20 Das für heutige Ohren offensichtlichste Zitat, das Viardot im Mittelteil des Liedes Auf Grusiens Hügeln einbrachte, stammt aus Verdis Oper La forza del destino, die 1862 mit großem Erfolg in St. Petersburg uraufgeführt wurde. 5 Toskanische Gedichte Die zweite Liedgruppe dieses Bandes enthält eine Auswahl von Pauline Viardots toskanischen Gesängen. Die Veröffentlichungsgeschichte des Albums ähnelt in den Grundzügen der des russischen Albums. Zunächst wurden die Lieder im Frühjahr 1878 im Verlag Johansen in St. Petersburg gedruckt. Im Sommer 1878 bot Viardot sie Breitkopf & Härtel an21 und sandte sie dem interessierten Verlag am 22. August 1878 zu.22 Eine deutsche Übersetzung der Lieder von Viardot wurde nicht berücksichtigt, daher stammt die hier abgedruckte Übersetzung von einem nicht genannten Übersetzer des Verlags. Die in einem Brief vom 21. Februar 1879 erwähnten Korrekturbögen sind nicht erhalten. Am 1. April erhielt Viardot sechs Belegexemplare des Albums, und Hofmeister kündigte die Veröffentlichung im selben Monat an.23 Fünf Toscanische Gedichte war das erste neue Album, das Pauline Viardot nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges und ihrer Übersiedlung nach Paris in Deutschland veröffentlichte. Es umfasst fünf kurze italienische Lieder mit sehr genauen Situa­tionen: ein Florentinisches Ständchen, in dem ein Don-Giovanni-ähnlicher Charakter am Fenster der Liebsten sein Liebeslied singt, Die Verlassene, die ihre Trauer und das Ende ihrer Liebe besingt, Die Dorfsängerin, die mit fröhlichen Koloraturen unbeschwert ihrer Lebenslust frönt, Die Unglückliche, die auch im Tod noch liebt, sowie die Doppel-Liebe, ein Lied über eine Frau, die zwei Männer gleichzeitig liebt. Ob dies möglicherweise eine Anspielung auf ihre eigene Biographie oder das Leben ihrer berühmten Schülerin Desirée Artôt war, die 1868 kurzzeitig mit Čajkovskij verlobt war, muss an dieser Stelle offenbleiben. Eine vergleichsweise umfangreiche Rezension in der Allgemeinen musikalischen Zeitung wirkte versöhnlich auf die kriegsbedingte Funkstille zwischen Frankreich und Deutschland hin: Pauline Viardot verstehe


VI „es sehr gut, die Weisen verschiedener Nationen graziös mit einander zu vereinen und Producte zu liefern, die […] im guten Sinne als internationale Musik bezeichnet werden können“24.

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Zur Edition Der vorliegende Band ist die erste kritische Viardot-Edition. Die Entstehungsgeschichte des russischen Albums zeigt, dass ­Pauline Viardot die Drucklegung ihres russischen Albums in St. Petersburg aus der Ferne begleitet hat. Briefe mit möglichen Korrektur- oder Editionswünschen sind zum Teil verloren gegangen oder konnten aus zeitlichen Gründen keine Berücksichtigung für die Ausgaben finden. Aufgrund dieser intransparenten und unklaren Quellenlage sowie der Beteiligung mehrerer Parteien basiert die vorliegende Ausgabe zum größten Teil auf autographen Reinschriften Pauline Viardots, die sich gesammelt in einem Album befinden. Einzelheiten zu Abweichungen, zum Teil auch in der musikalischen Substanz, sind im kritischen Bericht vermerkt. Ob die in den Reinschriften vermerkten Metronomzahlen von ­Viardot stammen, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden.25 Daher sind sie in dieser Ausgabe in runde Klammern gesetzt. Tempo­ angaben aus den Erstdrucken, als Herausgeberkommentar in eckigen Klammern gesetzt, können den InterpretInnen als Inspiration dienen. Für heutige SängerInnen wurde die zu Pauline Viardots Zeit verwendete altrussische Schreibweise durch die seit 1918 gebräuchliche Rechtschreibung ersetzt. Ebenso ist der deutsche Text von Friedrich Bodenstedt modernisiert worden. Für die Schreibung der russischen Namen wird im Vorwort und im kritischen Bericht die wissenschaftliche Transliteration verwendet. Der Notentext selbst nutzt für die Praxis die in Deutschland verbreitete Schreibung Puschkin, Fet, Turgenjew. Aus der sängerischen Tradition des Belcanto kommend sah Viardots Aufführungspraxis auch die Verwendung von Stilmitteln des Belcanto, wie z. B. Portamenti, vor. Wegen der fehlenden Unterscheidbarkeit der Bögen im heutigen digitalen Satz sind Portamenti in dieser Ausgabe mit  gekennzeichnet. Mein herzlicher Dank gilt Prof. em. Nicholas Žekulin (University of Calgary) für seine Hinweise zur Turgenev-Forschung sowie Prof. Dr. Andranik Tumasjan (Universität Mainz) und Marina Imran für das Korrekturlesen der russischen Texte. Berlin, Frühjahr 2020

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Miriam-Alexandra Wigbers

Nach ihrer Eheschließung mit Louis Viardot im Jahr 1840 nannte sie sich selbst Pauline Viardot oder Pauline Viardot-García. Im Folgenden wird Pauline Viardot verwendet. Es existieren zwei Personen mit diesem Namen. Ob es sich dabei um ein und dieselbe Person handelt, konnte bisher nicht abschließend geklärt werden.

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Charlotte Moscheles (Hrsg.): Aus Moschelesʼ Leben. Leipzig 1873, Bd. II, S. 79. Vgl. Miriam-Alexandra Wigbers: Pauline Viardot und Deutschland. Diss. Musikhochschule Karlsruhe 2014. Die darin erwähnten elf Titel sind: Die Beschwörung, Die Wolke, Das Blümlein, Des Nachts, Auf Grusiens Hügeln, Aus fremden [sic] Land von Puškin sowie Flüstern, atemscheues Lauschen, Ruhige, heilige Nacht, Die Sterne, Zwei Rosen, Mitternächtige Bilder von Fet, vgl. I. S. Turgenev: Polnoe sobranie sočinenij i pisem. V tridcati tomach. Pis‘ma: v vosemnadcati tomach. Izdanie vtoroe, ispravlennoe i dopolnennoe. Moskau 1988, Bd. 5, Brief 1478, S. 183f. Vgl. Brief von Turgenev an Viardot vom 5. Oktober 1864, in: Henri Granjard: Quelques lettres d’Ivan Tourguénev à Pauline Viardot. Paris 1974, S. 201f. Wie Anm. 5, Brief 1510, S. 215f. Vgl. Briefwechsel zwischen Ivan Turgenev und Pauline Viardot, in: Alexandre Zviguilsky: Ivan Tourguénev – Nouvelle correspondance inédite. Paris 1971 [Bd. 1] und Paris 1972 [Bd. 2]. Henri Granjard / Alexandre Zviguilsky: Ivan Tourguénev – Lettres inédites à Pauline

­Viardot et à sa famille, Paris 1972. Granjard, wie Anm. 6.

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Vgl. Brief von Turgenev an Viardot vom 5./17. Januar 1864, in: Granjard / Zviguilsky, wie Anm. 8, S. 98. 10 Vgl. Anton Rubinstein: Erinnerungen. Leipzig 1893, S. 50, 59f., 77f. 11 Nach der russ. Bezeichnung Грузия wurde Georgien früher auch Grusien oder Grusinien genannt. 12 Vgl. Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Briefkopier­bücher des Verlags Breitkopf & Härtel, Kopierbuch B 786, 6. August 1864. 13 Vgl. ebd. Kopierbuch B 968, 26. August 1864. 14 Vgl. ebd. Kopierbuch C 109, 18. [oder 16.?] September 1864. Die ebenfalls in diesem Brief erwähnte Bearbeitung des Liedes Die Meise für Singstimme, Violine und Klavier ist nicht im Druck erschienen. 15 Vgl. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musik­ abteilung, Mus. Slg. Härtel 348. 16 Erna Brand: Aglaja Orgeni. Das Leben einer großen Sängerin. München 1931, S. 149. 17 Vgl. Anm. 12, Kopierbuch C 886, 20. Dezember 1864 und Kopierbuch A 272, 3. Februar 1865 sowie Hofmeister Monatsberichte, Februar 1865, S. 32. 18 Mit einem Brief übersandte der Musikverlag zwölf Exemplare der Einzelausgabe an Viardot. Vgl. Anm. 12, Kopierbuch A 458, 20. Februar 1865. Über das Erscheinen berichten die Hofmeister Monatsberichte, Juni 1865, S. 100. 19 NZfM 61 (1865), Nr. 26 vom 23. Juni, S. 225f. 20 Vgl. Diskographie, in: Wigbers, wie Anm. 4, S. 337f. 21 Vgl. Anm. 12, Kopierbuch F 145f., 19. August 1878. 22 Dies geht aus dem Dankesschreiben des Verlags hervor. Vgl. Anm. 12, Kopierbuch F 629, 9. September 1878. 23 Vgl. Hofmeister Monatsberichte, April 1879, S. 137. 24 AmZ 15 (1880), Nr. 6 vom 11. Februar, S. 93f. 25 Turgenev bat Viardot in einem Brief vom 14. Januar 1864, ihm unverzüglich eine „Métronomisation“ ihrer Lieder zu senden. Die Tatsache, dass er diese Bitte in folgenden Briefen nicht wiederholt, belegt noch nicht Viardots Autorschaft. Die Metronomangaben könnten auch von Anton Rubinštejn stammen, den er wenige Tage später traf, um das Album für die Drucklegung vorzubereiten, vgl. Granjard, wie Anm. 6, S. 126.


VII

Preface Biographical information The versatile Pauline Viardot-García1 was already endowed during her lifetime with what other female composers of the 19th century were denied. Thanks to the outstanding presence of the singer and sought-after vocal pedagogue, her compositional work was recognized and printed in France, Russia and Germany. Pauline Viardot was born in Paris into a Spanish family of singers in 1821. Her father was the singer, composer and vocal teacher Manuel García, for whom Gioachino Rossini had composed inter alia the role of Count Almaviva in his opera Il barbiere di Siviglia (1816). Her mother Joaquina Sitchèz was a singer as well. Her siblings were the legendary prima donna Maria Malibran, who died at an early age, and Manuel García jun., who invented the laryngoscope and was one of the most famous vocal teachers of the 19th century. Pauline Viardot was given a comprehensive musical education: She received her first piano lessons on a concert tour of her parents with the organist of the cathedral of Mexico City, Marcos Vega. Upon her return to Paris, she was taught by Meysenberg2 and later by Franz Liszt. She took harmony lessons with Anton Reicha and it was her mother who taught her singing. Being the piano accompanist of her father’s vocal students, she gained further musical experiences. The early family influence of the tradition of bel canto – she herself made her debut on the opera stage in Rossini roles – led Pauline Viardot to an understanding of art, to comprehend the handed down musical material as a stepping stone for her own fantasy, coming alive only through the moment of performance. She herself also understood her role as an interpreter as a co-creator of compositions and almost naturally influenced the genesis of works she premiered. The pianist and composer Ignaz Moscheles said of her: “One can rightly apply the French ‘elle crée son rôle’ to her. For it is often as if she received the composer’s work as raw material and processed it first; as if one understood the character she wants to personify only through her performance.”3 This creative search for the characteristic and original nature of a character and the psychological permeation of the same, also lends credibility and authenticity to the characters in the poems she set to music. In doing so, she also used means of expression from the bel canto style in the Lied, such as portamenti, appoggiaturas, Messa di voce as well as various types of accents. The main focus was on the very moment of the performance and less on the written model.4 As a singer, she performed on international stages for 25 years. Her most important performance venues were London, Paris, Berlin, Leipzig, Vienna and St. Petersburg, where she met the Russian writer Ivan Turgenev during an engagement in 1843; he remained closely associated with the Viardot family until his death. After her official retirement from the opera stage in 1863, she settled with her family in Baden-Baden, where she focused increasingly on composing and teaching. With her own concert hall and a private theatre, she created a whole new artistic world for herself. Virtuosos, poets and painters were guests here as were diplomats, scholars and members of the nobility. Along with Clara Schumann, Johannes Brahms, Anton Rubinštejn, Theodor Storm

and Ivan Turgenev, these included the Prussian royal couple and Otto von Bismarck. There, artists, art lovers, dilettantes and art students entered into an inspiring dialogue. Together with family members, friends and a rapidly growing number of students, the sought-after pedagogue and composer performed her music on a regular basis. The Franco-Prussian War caused Pauline Viardot to leave Baden-Baden with her family and to return to Paris via London in 1871. In October, she began teaching singing at the Paris Conservatory, but officially resigned from her post already in 1874 because the working conditions did not suit her. She gave private lessons, composed and published her compositions until a few years before her death. She died on 18 May 1910 in Paris.

The composer Pauline Viardot and her songs Without a doubt, the piano-accompanied Lied is the central genre in the oeuvre of Pauline Viardot. Included are settings of French, German, Russian, Italian and Spanish texts. Some songs were published in up to four languages, for example the present selection of Tuscan songs, the Canti popolari toscani, each published in a bilingual edition – both in the Italian original and in a translation into the respective national language – in Germany, France and Russia. 12 Settings of Russian Texts The album 12 Gedichte von Puschkin, Feth und Turgeneff with settings of texts by Aleksandr Puškin, Afanasij Fet and Ivan Turgenev in a translation by Friedrich Bodenstedt was first published in St. Petersburg in an edition with German and Russian texts. The music publisher Breitkopf & Härtel printed it in December 1864 exclusively in the German translation by Friedrich ­Bodenstedt. First songs of the album had been written in 1862 in Baden-Baden and Paris. Turgenev’s role in the creation and publication process of the songs cannot be rated highly enough: In a letter dated 6 July 1863, he asked the Slavist Friedrich Bodenstedt for the German translation of eleven Russian poems.5 Already on 11 July 1863, Bodenstedt sent the translations of five poems to Turgenev. Nine of the translations sent by Bodenstedt were included in the album, three of the songs (Die Meise, Der Gefangene and Das Vöglein) were written only later, so that the correspondence on details of the German translation dragged on until the album was printed; for the song Das Vöglein, the pressure of time even led to a mixed translation.6 In the search for a publisher to release the songs, Turgenev asked his friend Pavel Annenkov for support.7 In letters to the poet Fet, Turgenev praised Viardot’s settings of his poetry. Finally, on 13 January 1864, he travelled to St. Petersburg and, together with his friend pianist and composer Anton Rubinštejn, prepared the edition for printing.8 Rubinštejn also put Turgenev in contact with his publisher Johansen. The publisher decided that the edition was to include twelve songs. The selection of the individual pieces (from 15 available titles), their order within the edition and the correction of the material for the printer were determined by Rubinštejn.9 In September 1862, Rubinštejn had co-founded the conservatory in St. Petersburg, where for the


VIII first time Russian was the language of instruction. In his Erinnerungen [Memoirs], he lamented the poor musical education of Russian singers, the lack of professional Russian musicians and composers and the resulting lack of a Russian song repertoire.10 Viardot’s album covered this desideratum. In March 1864, the album was available in print. In addition to emotional reminiscences (Das Blümlein) [The Little Flower] and cheerful songs (Die Meise, Das Vöglein, Zwei Rosen) [The Tit, The Little Bird, Two Roses], most of the songs included in the album are based on a night mood: a passionate night in Georgia,11 a Ruhige, heilige Nacht [Quiet, Holy Night], a night of threatening Mitternächtige[r] Bilder [Midnight Images], a lulling night mood in Flüstern, atemscheues Lauschen [Whispers, Breathless Listening], a nightly scene of invocation of the dead, the blissful-dreamy Des Nachts [At Night], and the solemnly exaggerated mood when looking at the sky in Die Sterne [The Stars]. The song Der Gefangene [The Prisoner] undoubtedly occupies a special position. It describes a prison scene in which the prisoner dreams of freedom while watching a scavenging eagle. Considering that serfage was only abolished in Tsarist Russia in 1861 and that many opponents of the system were innocently imprisoned, this is a piece that is particularly critical of both the time and the system. The German edition was prepared on the basis of the Russian first printing. The young singer and student of Viardot, Julienne Flinsch-Oprawil, submitted the Russian print to the publishing house Breitkopf & Härtel, who contacted Pauline Viardot on 6 August 1864, asking for the composer’s consent in order to avoid legal disputes.12 Viardot’s authorization can only be reasoned indirectly, since the correspondence between Breitkopf & Härtel and the composer can merely be reconstructed from the publisher’s records, and Viardot’s answers are missing. It is to be assumed that in her letter of 15 August 1864, she agreed to the acquisition of the publishing house, to which the publisher replied on 26 August 1864, with the remark that engraving was already in progress.13 From the correspondence, it can also be seen that the publisher approached Viardot with the request that the song Die Sterne, originally composed for voice, obbligato cello and piano accompaniment, be arranged for voice and piano in order to have a uniform scoring in the album.14 This version of the song is possibly an arrangement by the publisher and not by Viardot. The original version with obbligato violoncello was to be published as a separate print. In a letter to Hermann Härtel dated 17 December 1864, Viardot asked for a few copies of the album for her students for the Christmas days.15 The albums apparently arrived in time, for Viardot’s singing student Aglaja Orgeni reported on 27 December 1864: “We, I and [Viardot’s student Louise von] Poellnitz spent Christmas Eve at Madame Viardot’s house. [...] I received a copy of her newly published song album with a few kind words, a small Parisian notebook, a pretty flacon and a carved wooden box with her Norma photo.”16 The album was printed in December 1864 and sent to music retailers on 11 January 1865.17 The single edition of the song Die Sterne with obbligato violoncello was published in April 1865.18 The critic of the Neue Zeitschrift für Musik, Hermann Zopff, himself a composer and Wagnerian, wrote about the album in his extensive review under the heading Kammer- und Hausmusik [chamber and house music] on 23 June 1865 that one must “un-

deniably declare the majority of the present songs to be the most important” what “women’s hands in this field” had offered him so far. The songs were “the result of an [...] genuinely masculine spirit, surrendering all subjectivity of sentiment almost throughout.” They had a “truly creative, free, melodic trait” and a “trait of real polyphony” – a rating rarely given for the evaluation of a woman composer’s works. Of particular interest is the emphasis on the Lied Die Beschwörung [The Incantation], which, in the reviewerʼs opinion, is the least convincing in comparison with the preceding ones.19 It is precisely this song that finds great popularity in modern recordings.20 The most obvious quote for today’s ears, introduced by Viardot in the middle section of the song Auf Grusiens Hügeln [On Georgian Hills], is from Verdi’s opera La forza del destino, which was premiered with great success in St. Petersburg in 1862. 5 Tuscan Poems The second group of songs in this volume includes a selection of Pauline Viardot’s Tuscan songs. The publishing history of the album resembles in the main features that of the Russian album. Initially, the songs were printed by the Johansen publishing house in St. Petersburg in spring 1878. In summer 1878, Viardot offered them to Breitkopf & Härtel21 and sent them to the interested publisher on 22 August 1878.22 A German translation of the songs by Viardot was not taken into consideration, therefore the translation printed here was done by an unnamed translator of the publishing house. The galley proofs mentioned in a letter dated 21 February 1879 have not survived. On 1 April, Viardot received six specimen copies of the album, and Hofmeister announced its publication in the same month.23 Fünf Toscanische Gedichte was the first new album that Pauline Viardot released in Germany after the end of the Franco-Prussian War and her move to Paris. It includes five short Italian songs with very precise situations: a Florentinisches Ständchen [Florentine Serenade], in which a Don Giovanni-like character sings his love song at the window of his beloved, Die Verlassene [The Forsaken One], singing of her grief and the end of her love, Die Dorfsängerin [The Village Singer], who with cheerful coloraturas, lightheartedly indulges in her lust for life, Die Unglückliche [The Unfortunate One], who loves even in death, as well as Doppel-Liebe [Double Love], a song about a woman who loves two men at the same time. Whether this was possibly an allusion to her own biography or the life of her famous student Desirée Artôt, who was briefly engaged to Čajkovskij in 1868, must remain unanswered at this point. A comparatively extensive review in the Allgemeine musikalische Zeitung seemed conciliatory to the wartime silence between France and Germany: Pauline Viardot understands “very well how to gracefully unite the melodies of different nations and deliver products that [...] can be described as international music in the good sense.”24

About the edition The present volume is the first critical Viardot edition. The genesis of the Russian album shows that Pauline Viardot accompanied the printing of her Russian album in St. Petersburg from afar. Letters with possible requests for corrections or editing were partly lost or could not be considered for the editions owing


IX to time constraints. Due to this intransparent and unclear source situation as well as the involvement of several parties, the present edition is based on autograph fair copies of Pauline Viardot, which are collected in one album. Details of deviations, some of them in musical substance, have been included in the critical report. Whether the metronome numbers noted in the fair copies are from Viardot, cannot be ascertained beyond doubt.25 For that reason, they are placed in parentheses in this edition. As an inspiration for the performers, tempo indications from the first editions appear in square brackets as editor’s commentary. For today’s singers, the Old Russian spelling used in Pauline Viardotʼs time has been replaced by the spelling in use since 1918. Likewise, the German text by Friedrich Bodenstedt has been modernized. For the spelling of Russian names, the scientific transliteration is used in the preface and in the critical report. The music text itself uses the practical spelling Puschkin, Fet, Turgenjew, which is common in Germany. Coming from the singing tradition of bel canto, Viardot’s performance practice also included the use of bel canto stylistic devices, such as porta­menti. Due to the lack of distinguishability of the ties in today’s digital setting, portamenti are marked with  in this edition. I would like to thank Prof. em. Nicholas Žekulin (University of Calgary) for his notes on the Turgenev research and Prof. Dr. Andranik Tumasjan (University of Mainz) and Marina Imran for proofreading the Russian texts. Berlin, Spring 2020 1

2 3 4 5

Miriam-Alexandra Wigbers

After her marriage to Louis Viardot in 1840, she called herself Pauline Viardot or Pauline Viardot-García. In the following, Pauline Viardot is used. There are two people with this name. Whether they are one and the same person, could not be conclusively clarified so far. Charlotte Moscheles (Ed.): Aus Moschelesʼ Leben. Leipzig, 1873, vol. II, p. 79. See Miriam-Alexandra Wigbers: Pauline Viardot und Deutschland. Diss. Musikhochschule Karlsruhe, 2014. The eleven titles mentioned therein are: Die Beschwörung, Die Wolke, Das Blümlein, Des Nachts, Auf Grusiens Hügeln, Aus fremden [sic] Land by Puškin as well as Flüstern, atemscheues Lauschen, Ruhige, heilige Nacht, Die Sterne, Zwei Rosen, Mitternächtige Bilder by Fet, cf. I. S. Turgenev: Polnoe sobranie sočinenij i pisem. V tridcati tomach.

Pis’ma: v vosemnadcati tomach. Izdanie vtoroe, ispravlennoe i dopolnennoe, Moscow, 1988, vol. 5, letter 1478, pp. 183f. 6 Cf. letter of Turgenev to Viardot dated 5 October 1864, in: Henri Granjard: Quelques lettres d’Ivan Tourguénev à Pauline Viardot. Paris, 1974, pp. 201f. 7 See note 5, letter 1510, pp. 215f. 8 Cf. correspondence between Ivan Turgenev and Pauline Viardot, in: Alexandre Zviguilsky: Ivan Tourguénev – Nouvelle correspondance inédite. Paris, 1971 [vol. 1] and Paris, 1972 [vol. 2]. Henri Granjard / Ale­ xandre Zviguilsky: Ivan Tourguénev – Lettres inédites à Pauline Viardot et à sa famille, Paris, 1972. Granjard, see note 6. 9 Cf. Letter of Turgenev to Viardot of 5/17 January 1864, in: Granjard / Zviguilsky, see note 8, p. 98. 10 Cf. Anton Rubinstein: Erinnerungen. Leipzig, 1893, pp. 50, 59f., 77f. 11 After the Russian Грузия, Georgia was formerly also called Grusien or Grusinien. 12 Cf. Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Briefkopierbücher of the publishing house Breitkopf & Härtel, Kopierbuch B 786, 6 August 1864. 13 Cf. ibid. Kopierbuch B 968, 26 August 1864. 14 Cf. ibid. Kopierbuch C 109, 18 [or 16?] September 1864. The arrangement of the song Die Meise for voice, violin and piano mentioned in the same letter has not appeared in print. 15 Cf. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung, Mus. Slg. Härtel 348. 16 Erna Brand: Aglaja Orgeni. Das Leben einer großen Sängerin. Munich, 1931, p. 149. 17 Cf. note 12, Kopierbuch C 886, 20 December 1864 and Kopierbuch A 272, 3 February 1865 as well as Hofmeister Monatsberichte, February 1865, p. 32. 18 In a letter, the music publisher sent Viardot twelve copies of the single edition. Cf. note 12, Kopierbuch A 458, 20 February 1865. The Hofmeister Monatsberichte, June 1865, p. 100 report on the publication. 19 NZfM 61 (1865), No. 26 of 23 June, pp. 225f. 20 Cf. Discography, in: Wigbers, see note 4, pp. 337f. 21 Cf. note 12, Kopierbuch F 145f., 19 August 1878. 22 This is evident in the letter of thanks from the publisher. Cf. note 12, Kopierbuch F 629, 9 September 1878. 23 Hofmeister Monatsberichte, April 1879, p. 137. 24 Cf. AmZ 15 (1880), No. 6 of 11 February, pp. 93f. 25 Turgenev asked Viardot in a letter of 14 January 1864 to send him a “métronomisation” of her songs immediately. The fact that he did not repeat this request in subsequent letters does not necessarily prove Viardot’s authorship. The metronome indications could also have come from Anton Rubinštejn, whom he met a few days later to prepare the album for printing, cf. Granjard, see note 6, p. 126.


Ausgewählte Lieder für Singstimme und Klavier

Pauline Viardot-García herausgegeben von Miriam-Alexandra Wigbers

12 Vertonungen russischer Texte in der Übersetzung von Friedrich Bodenstedt 1 Das Blümlein – Цветок (Alexander Puschkin)

Andante mosso (q = 69)

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* Alle Bögen, die mit ¬ gekennzeichnet sind, sollten als Portamenti behandelt werden. | All slurs marked with ¬ should be treated as portamenti.

Edition Breitkopf 8887

© 2021 by Breitkopf & Härtel, Wiesbaden


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6

2 Auf Grusiens Hügeln – На холмах Грузии (Alexander Puschkin)

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Andante mosso [q = 88]

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Auf Gru На хол

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liegt die Nacht schon Hü geln Гру - зи - и ле - жит но - чна - я

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Mir ist so trüb und leicht, Мне гру - стно и ле - гко;

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9

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voll von sü - ßen Träu я пол - на то - бо

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Breitkopf EB 8887


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von dir al - lein; то - бой о - дной ...

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nun не

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16

Leseprobe

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19

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21

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Breitkopf EB 8887

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8

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nicht zu lie не лю - бить

23

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weil nicht zu что не лю -

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Leseprobe

26

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29

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mög мо

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A Sample page [simile]

6

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3

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Breitkopf EB 8887

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Dies ist eine Leseprobe. Nicht alle Seiten werden angezeigt. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Bestellungen nehmen wir gern über den Musikalienund Buchhandel oder unseren Webshop entgegen.

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9 790004 184776

ISMN 979-0-004-18477-6

9 790004 184776 B 24

EB 8887

www.breitkopf.com


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