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VLB Jahrestagung Online: 50. Int. Braugersten-Seminar – aktuell wie eh und je

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50. Int. Braugersten-Seminar: aktuell wie eh und je

Die Jubiläumsausgabe des Internationalen Braugersten-Seminars fand im Rahmen der „VLB Jahrestagung 2021 Online“ statt. Henrike Vorwerk vom VLB-Forschungsinstitut für Rohstoffe (FIR) würdigte den 50. Geburtstag der Veranstaltung mit einem Rückblick und freute sich auf vier spannende Vorträge, deren Themen Braugerstenmarkt, Züchtung und Sortenidentifikation genau wie das Seminar Tradition haben.

Henrike Vorwerk, VLB-Forschungsinstitut für Rohstoffe, und Winfried Manke, Avangard Malz, gehen in der Q&A auf die Fragen der Konferenzteilnehmer ein (ew) Pünktlich um 16.00 Uhr begrüßte Henrike Vorwerk die Teilnehmer zu einer besonderen Ausgabe des Braugersten-Seminars. Nicht nur, dass die Veranstaltung im Rahmen der „VLB Jahrestagung 2021 Online“ bereits zum zweiten Mal virtuell stattfindet. Es ist auch das 50. Braugersten-Seminar seiner Geschichte. „Heute haben wir einen Grund zu feiern. Ich habe lange überlegt, in welcher Form ich zurückblicken könnte. Doch ich kam zu dem Schluss: Es macht wenig Sinn, die Vergangenheit einer Veranstaltungsreihe zu betrachten, die ihrem Verständnis nach immer die Zukunft der Braugerste im Blick hatte“, sagte die Leiterin des VLBForschungsinstituts für Rohstoffe (FIR). Als Gastgeberin habe sie versucht, thematisch eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft zu schlagen. Prof. Reinhold Schildbach sei derjenige gewesen, der dem Seminar seinen festen Platz bei der VLBOktobertagung (mittlerweile: Jahrestagung) verschafft und es als Dialogplattform etabliert habe. Auf Schildbach folgte Prof. Frank Rath, der das Braugersten-Seminar erfolgreich und mit teils kontroversen Themen fortgeführt hat. „Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich Sie heute hier zum vierten Mal begrüßen darf“, führte die Moderatorin weiter aus. Vorwerk dankte den Rednern, die über all die Jahre ihre Erfahrungen geteilt haben, sowie allen Teilnehmern, die mit ihrer Diskussionsbereitschaft Jahr für Jahr das Seminar mit Leben füllen. „Ich hoffe, wir können im kommenden Jahr wieder eine Präsenzveranstaltung abhalten.“

Coronabedingt sei das vergangene Jahr kein einfaches gewesen. Die Pandemie habe auch die Aussichten auf dem Braugerstenmarkt getrübt, resümierte Vorwerk und leitete mit diesen Worten zum ersten Vortrag des 50. Braugersten-Seminars über. Im Eröffnungsvortrag gab Winfried Manke, Avangard Malz, einen Überblick über Aktuelle Entwicklungen

des nationalen und internationalen Braugerstenmarktes nach der

Ernte 2021. Die Anbauflächen sind 2021 zurückgegangen, u.a. da Landwirte im Zuge der Pandemie eine geringere Nachfrage der Brauereien erwartet und daher vermehrt auf Futtergerste gesetzt haben. Hinzu kommen die ungünstigen Witterungsbedingungen und die daraus folgenden Qualitätsmängel. Zu allem Überfluss gab es eine knappe Übergangsdeckung mit der Ernte aus dem Jahr 2020. Die Folge: „Die Preise kennen aktuell nur eine Richtung, und zwar nach oben“, schilderte Manke die Misere. Was die Qualität anbelangt, kann Deutschland mit anderen Ländern mithalten. Die Eiweißgehalte liegen im akzeptablen Bereich. In puncto Eiweiß schwächelten vor allem Schweden und Österreich. Doch die vorherrschende Feuchte während der Ernte begünstigte in vielen Regionen das Auftreten von Auswuchs. „Auswuchs ist das große Problem dieses Erntejahrgangs.“ Entsprechend steht 3G ganz oben auf der Tagesordnung: Neben Gushing ist Ganzglasigkeit das Problem. Hinzu kommt der potenzielle Einsatz von Glyphosat in Großbritannien, was die britische Gerste für die deutschen Brauer nahezu unbrauchbar macht. Seit 30 Jahren sind in Deutschland die Anbauflächen für Braugerste rückläufig. In diesem Jahr verzeichneten bis auf Thüringen alle Bundesländer ein Minus. Ähnlich verhält es ich auf europäischer Ebene: Auch hier war in allen Anbauländern ein Rückgang der Anbauflächen zu verzeichnen. Lediglich Frankreich, Großbritannien und Dänemark erwirtschaften noch ausreichende Mengen. Normalerweise verfügt Europa über eine positive Versorgungsbilanz. Doch in diesem Jahr bleibt in der Bilanz kaum ein Überschuss für den Export. Hinzu kommt, dass auch Kanada in diesem Erntejahr voraussichtlich von einer Export- zu einer Importnation wird. Auf der südlichen Hemisphäre steht die Ernte noch aus. Argentinien und Australien erwarten deutliche Überschüsse. Doch Australien fällt als Lieferant für den großen Verbraucher China aufgrund des anhaltenden Handelsstreits aus. Ob Argentinien alleine den riesigen Gerstenbedarf wird decken können, bleibt abzuwarten. Die globale Versorgungslage ist angespannt. Logistische Engpässe verschärfen die Lage zusätzlich.

Im Vortrag Ackerbaustrategie, Düngeverordnung, ZKL & Co. stellte Andreas Lege vom Verband der Landwirtschaftskammern die Frage Hat der Braugerstenanbau in

Deutschland noch eine Zukunft?

Generell seien die Anforderungen an die Landwirte hoch, erläuterte der Referent. Düngeverordnung, diskutierte Pflanzenschutzmittelverbote, Klimawandel – all das schwebe wie ein Damoklesschwert über der Landwirtschaft. Vor allem hinsichtlich der Düngung wird die Daumenschraube immer weiter angezogen. Nach der novellierten DüngeVO müssen die Landwirte den ermittelten Stickstoffdüngebedarf um 20 % reduzieren, wenn ihre Flächen in einem roten Gebiet liegen. Die betroffenen Bauern bangen um die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe. Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) empfiehlt vielgliedrige Fruchtfolgen. Sie seien essentiell, um Krankheiten, Bodenmüdigkeit und Missernten zu verhindern. „Darüber hinaus sind sie eine natürliche Waffe gegen Unkräuter“, so der Referent weiter. Versagt die Fruchtfolge, wird es teuer. Denn Probleme durch zu enge Fruchtfolgen wie Krankheiten oder den Wegfall fungizider Wirkstoffe sind meist langwierig. Vor dem Hintergrund, dass Braugerste einen niedrigen Stickstoffbedarf hat, kann sie beim Wechsel von Fruchtfolgen ihren Beitrag leisten. Für die Braugerste spricht außerdem, dass Deutschland seit Jahren ein Nettoimporteur ist, d.h. Marktchancen sind gegeben. Allerdings werden Landwirte das Getreide nur anbauen, wenn es sich für sie wirtschaftlich lohnt. „Wenn die Erzeugerpreise den Anbau interessant erscheinen lassen, hat die Braugerste in Deutschland eine Zukunft.“

Heinrich Maubach, Syngenta, skizzierte in seinem Vortrag Entwick-

lungen in der Braugerstenzüchtung – ein Blick aus der Vergangenheit in

die Zukunft zunächst die stetige EntwicklungverbesserterPflanzenzüchtungs-Verfahren in den vergangenen 120 Jahren. Ein Meilenstein der modernen Pflanzenzüchtung sei die Gentechnik, die seit den 1990erJahren allerdings ein Aufregerthema sei. „Ich glaube, wenn die CRISPRCas-Methode akzeptiert würde, könnte das der Pflanzenzüchtung einen Schub geben, ggf. die Pflanzen schneller den neuen Herausforderungen anzupassen“, erklärte Maubach. Seit 2010 wiederum hat die Genomische Selektion für enorme Fortschritte gesorgt und die Vorhersagbarkeit in der Züchtung deutlich verbessert. Was die Anpassungen der Sorten angeht, war es Anfang der 1950erJahre noch die Einführung des Mähdreschers, die neue Züchtungen erforderlich machte. Heute, 70 Jahre später, ist es u.a. der Carbon-Footprint. „Wir brauchen jetzt Sorten, die sowohl in der landwirtschaftlichen Produktion als auch in der Verarbeitung mit deutlich weniger CO2 auskommen.“ Die Sorten müssen außerdem mit den unterschiedlichen Witterungsabläufen zurechtkommen. Die Anbaufläche für Sommergerste hat sich in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren mindestens halbiert. „Glücklicherweise sind die Erträge gestiegen – da hat sicherlich auch die Züchtung ihren Anteil“, betonte der Referent. Dadurch konnte der Flächenrückgang, der vor allem in den alten Bundesländern stattgefunden hat, kompensiert werden. In der Ertragsentwicklung kann die Sommergerste daher mit dem Weizen noch immer mithalten. Das sei eine gute Nachricht, so der Referent. Doch die regionale Anbauverschiebung stellt große Herausforderungen an die Züchtung dar. Denn mit der deutlichen Abnahme der Vermehrungsflächen in den westdeutschen Bundesländern seien auch die Lizenzeinnahmen für die Züchter deutlich gesunken. „Wir sollten darüber nachdenken, ob wir andere Möglichkeiten finden, die Züchtung zu finanzieren“, schlug Maubach vor. So sei in Australien oder Südafrika das System der „end point royalty“ gängige Praxis. Ein weiteres mögliches Szenario: Mälzer und Brauer beteiligten sich (anteilig) an den Züchtungskosten.

Jaap Rommelaar, ZoomAgri, stellte in seinem englischsprachigen Vortrag ZoomBarley: A new method for

variety identification in agriculture

via artificial intelligence ZoomAgri vor, ein Unternehmen, das 2017 in Argentinien gegründet wurde, mit dem Ziel, die Qualitätsprüfung von Getreide mittels KI zu revolutionieren. 3 Mrd. t Getreide müssen jährlich an mehreren Stellen der Lieferkette auf ihre Qualität hin analysiert werden. Doch die schiere Masse allein wirft Probleme auf. Falsche Einschätzungen bezüglich der Qualität, Betrug oder Fahrlässigkeit führen oft zu mangelnder Objektivität bei der Qualitätskontrolle. „Mit ZoomBarley haben wir eine neue Technologie entwickelt. Das Mini-High-TechLabor prüft mittels Bilderkennung auf Basis von Algorithmen“, führte der Geschäftsführer aus. „Unsere Bilddatenbank besteht aus mehr als 100 Mio. Einzelbildern verschiedener Sorten und Defekten“, erklärte Rommelaar. Fast 400 Getreidekörner können innerhalb von drei Minuten analysiert werden. Für die Identifizierung der wichtigsten marktrelevanten Braugerstensorten seien bereits für mehrere Länder, darunter auch Deutschland, valide Modelle verfügbar. Die Erkennung weiterer Qualitätsmerkmale sei in der letzten Entwicklungsphase und werde kontinuierlich erweitert und verbessert. Rommelaar versprach, die Technologie werde auch bald in Deutschland zur Verfügung stehen.

Henrike Vorwerk dankte den Vortragenden und Teilnehmern für das rege Interesse und die Bereitschaft, einmal mehr zu einem lebendigen Braugersten-Seminar beizutragen. Neben der Aufforderung, im virtuellen Get-together weiter zu diskutieren, äußerte die Moderatorin erneut die Hoffnung, sich im kommenden Jahr wieder „live und in Farbe“ zu begegnen. Das Thema Sortenidentifizierung mittels KI, das ZoomAgrif-Chef Jaap Rommelaar vorstellte, stieß auf großes Interesse bei den Konferenzteilnehmern

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