Dominikaner in Bozen

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DOMINIKANER IN BOZEN

Stadt Bozen CittĂ di Bolzano Stadtarchiv Archivio Storico

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Hefte zur Bozner Stadtgeschichte Quaderni di Storia Cittadina


Hefte zur Bozner Stadtgeschichte 2

DOMINIKANER IN BOZEN


Umschlagbild

Erster Meister der Dominikaner, Madonna mit Kind zwischen Dominikus und Petrus M채rtyrer, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle Seite 6 Erster Meister der Dominikaner, Triumph des Todes, Detail, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle Seite 10 Erster Meister der Dominikaner, Hochzeitszug der Jungfrau, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle


DOMINIKANER IN BOZEN

Kuratoren: Silvia Spada Pintarelli und Helmut Stampfer


Š 2010 Stadtarchiv Bozen Alle Rechte vorbehalten


Dominikaner in Bozen Bozen, Stadtgalerie und Dominikanerkreuzgang 20. März – 20. Juni 2010

Assessorato alla Cultura, Ricerca, Piano di Sviluppo Strategico Ufficio Servizi Museali e Storico-Artistici

Assessorat für Kultur, Forschung, Strategischen Entwicklungsplan Amt für Museen und kunsthistorische Kulturgüter

Ausstellungsleitung und Koordinierung Silvia Spada Pintarelli

Wir danken P. Martin Angerer OSB, Calogero Arceri, Alessandro Campaner, Andrea de Marchi, Stefan Demetz, Salvatore Ferrari, Pietro Fogale, Vincenzo Gheroldi, Luciana Giacomelli, Paola Hübler, Arnaldo Loner, Sara Marazzani, Roland Mayer, Don Carlo Moser, Elisa Nicolini, Giovanni Novello, Hannes Obermair, Luca Pedrotti, Gustav Pfeifer, Attilio Piller, Flavio Pintarelli, Christian Prantl, Thomas Righetti, Christine Roilo, Carlo Romeo, Irene Spada, Charlotte Strobele, Laura Trazzi

Ausstellungsprojekt Roberto Festi, Trient Ausstellungsaufbau esaExpo, Trient Ausführung des Modells Lorenzo Nainer, Trient Video multimedia project, Bozen Verwaltungssekretariat Laura Bottesi Transporte Museumspartner, Innsbruck Grafische Entwürfe für Katalog und Werbematerial Roberto Festi, Trient Layout und Fotolithografien Gianfranco Rizzoli, Trient Übersetzungen Wolftraud de Concini (ins Deutsche) Paola Rosà (ins Italienische) Lea Steger (Beitrag von L. Mor) Christian Terzer (Beitrag von A. Alberti, G. Bombonato, L. dal Ri) Transkription der Archivurkunden Plazidus Hungerbühler, Sonia Pinato, Harald Toniatti

Leihgeber Benediktinerabtei Muri-Gries, Bozen Südtiroler Landesarchiv, Bozen Stadtarchiv Bozen Stadtbibliothek Bozen Propsteibibliothek, Bozen Dompfarrkirche Mariä Himmelfahrt, Bozen Stadtmuseum Bozen Museumsverein Bozen Pfarrei St. Paul, Eppan Tiroler Landesarchiv, Innsbruck Ein besonderer Dank gilt allen privaten Sammlern, die zum Gelingen der Ausstellung beigetragen haben, der Familie Dr. Romeo Letterio, Bozen, die unveröffentlichte Aufnahmen des Militärspitals von Dr. Lorenz Böhler zur Verfügung gestellt hat, Luca Pedrotti und Mario Pintarelli, die ihr Bildarchiv zur Verfügung gestellt haben, und Mario Pintarelli für die Durchführung der Fotokampagne.

Bibliografische und ikonografische Recherchen Giovanna Tamassia Bibliografie Giovanni Novello Presseamt Presseamt der Stadt Bozen

Offizielle Webseite www.gemeinde.bozen.it/cultura


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Was anderes wäre Kultur, wenn nicht das intensive Erleben der Gegenwart, das Wissen um die eigene Vergangenheit und der Blick in die Zukunft? Die städtische Gemeinschaft, in der wir leben, wird zwar stark von den Passionen des Heute geprägt, möchte aber auch die Zukunft ergründen und dabei die Wurzeln des in der Vergangenheit Erlebten neu entdecken. Die Ausstellung „Dominikaner in Bozen“ ist all dieses! Sie stellt einen weiteren Schritt auf dem langen Weg dar, der das Wissen der Stadt über die Stadt erweitert und schon von bedeutungsvollen Veranstaltungen gezeichnet war wie den Ausstellungen Bozen im 17. Jahrhundert. Die Malerei (1994), Trecento. Gotische Maler in Bozen (2000) und Bozen 1700-1800. Eine Stadt und ihre Kunst (2004). Sie wurden, unter besonderem Engagement des Amtes für Museen und kunsthistorische Kulturgüter, im Rahmen eines Projekts ausgerichtet, das in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv in allernächster Zeit auch die Publikation einer dem Neuen Bozner Rathaus gewidmeten Monografie vorsieht und im Herbst 2010 eine Ausstellung über das ehemals als „Verdi-Theater“ bezeichnete Stadttheater. Das Bozner Dominikanerkloster wurde im späten 13. Jahrhundert gegründet und 1785 aufgehoben, aber auch in Zeiten, in denen es anders genutzt wurde – als Kaserne, als Sitz einer Bau- und Kunsthandwerkerschule und eines von Lorenz Böhler geleiteten Militärspitals –, stellte es für das städtische Leben immer einen bedeutungsvollen Bezugspunkt dar. Heute befinden sich in diesen Räumen das Konservatorium „Monteverdi“ und die Stadtgalerie. Die perfekt restaurierte, dem heiligen Dominikus geweihte Kirche ist nach langjährigen Arbeiten wieder als Kultstätte zugänglich, während der Kreuzgang noch auf die Finanzierung zur Beendigung der Wiederherstellungsarbeiten wartet. Der Gebäudekomplex des Dominikanerordens hat für die Stadt Bozen immer eine bedeutsame Rolle gespielt. Die Dominikanermönche brachten mit den giottesken Malern des 14. Jahrhunderts große künstlerische Innovationen in die Stadt, verstanden es aber auch, im Laufe der Jahrhunderte am wirtschaftlichen und sozialen Leben der Stadt mitzuwirken. Die im Zuge der illuministischen Strömungen der Zeit bewirkte Aufhebung des Klosters durch Kaiser Joseph II. hatte die Zerstreuung reicher Kulturgüter zur Folge, die leider unwiederbringlich verloren gegangen, aber durch die anlässlich dieser Ausstellung vorgenommenen Untersuchungen der Vergessenheit entrissen worden sind, sodass die Fäden der Erinnerung wieder miteinander verknüpft werden konnten. Die Ausstellung „Dominikaner in Bozen“ will Wissenschaftlern und Gelehrten, vor allem aber den Einheimischen neue Kenntnisse und bis heute vergessene Aspekte vor Augen führen, damit sie zu gemeinsamer Erinnerung werden.

Stadtrat für Kultur, Forschung, Strategischen Entwicklungsplan der Stadtgemeinde Bozen

Primo Schönsberg

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Das ehemalige Dominikanerkloster ist zu den herausragenden Denkmälern des Landes zu rechnen. Die im 13. Jahrhundert ansetzende Geschichte notiert den ersten gotischen Chor und damit untrüglich den Beleg für neues Bauen im Spätmittelalter. Die Ausmalung der Johanneskapelle ist in der Rezeption immer als ein Schmelztiegel ober- und mittelitalienischer Malerei des Trecento gesehen worden: Die Giottorezeption hat die Kapelle zu einem überregional bedeutsamen Kunstdenkmal erkoren. Das auf Themen und Stil rekurrierende Interesse in der Forschung lässt für Interpretationen und Ansichten immer noch einen breiten Raum. Die Forschung daran reißt nicht ab und bietet immer wieder neue Aspekte. Im Langhaus der ehemaligen Klosterkirche spiegeln sich lokale Bautraditionen, die einheimischen Hütten verpflichtet sind. Auch im Barock schufen die Bozner Kaufleute mit der Merkantilkapelle in der Stadt erstmals den Typus des sakralen Zentralbaus mit Kuppel: Die einmal reich mit Gemälden und Stuck dekorierte Kuppel war der Vorläufer für eine weitere Reihe zeitgenössischer Modelle. Im Kreuzgang bleiben in der älteren Fassung Aspekte dominikanischer Ikonografie und Ordensspiritualität bewahrt, dasselbe gilt für den Kapitelsaal. Erst mit den jüngeren, spätgotischen Wandmalereien schuf zunächst die Werkstatt Friedrich Pachers Stationen des Christuslebens, die sich in den heilsgeschichtlich relevanten Bezügen an markanten Stellen des Ganges festmachen. In die Bilderwelt von Kirche und Kreuzgang treten Zeugnisse städtischer Auftraggeberschaft, allein die Johanneskapelle als Grabplatz des Vannino de Bamborociis ist ein einzigartiges Funeralmonument, das im Lokalen seinesgleichen sucht. Die Verpflichtung der Erhaltung des einmal weitläufigen Komplexes wurde nicht zu allen Zeiten gleichermaßen verspürt. Im 19. Jahrhundert verschwanden die anliegenden Kapellen, dabei wurden kulturhistorische Zeugnisse ersten Ranges zerstört. Die Beeinträchtigung des Raumes durch Fehlnutzungen schadete um ein Weiteres. Was vor allem durch Nicolò Rasmo in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg für das Kulturdenkmal getan wurde, wird als grundlegend für die weitere Existenz angesehen. Wenn sich nun die Ausstellung auch mit den Zeugnissen der Bodendenkmalpflege gleicherweise wie mit dem Bau, seinen Kunstwerken und seiner Geschichte auseinandersetzt, so lenkt dies immer auch den Blick auf die Restaurierungsgeschichte, die als Rezeption der kulturellen Zeugenschaft gesehen werden kann. Mit der am 15. Dezember 1998 erfolgten Kompetenzübergabe zur denkmalpflegerischen Betreuung des Denkmals an die Abteilung Denkmalpflege der Autonomen Provinz Bozen begann ein neuer Abschnitt in der Obsorge des Komplexes. Denkmalschutz und -pflege werden gerade in solchen vorbildlichen Aktionen als Chance gesehen, im Unterbewussten der Geschichte konkrete Spuren ihres faktischen Verlaufes zu finden und zu orten. Der Respekt vor der historischen Materie anerkennt in ihr das Zeugnis geschichtlichen Wandels. Geschichte fordert den Respekt vor dem, was Menschen geleistet haben. Aus der langen Distanz zur Istzeit des Geschehens ergeben sich vielfältige Einblicke und Erkenntnisse, die immer dem Menschen in seiner Entwicklung gelten. Das gebaute Denkmal ist somit nichts anderes als eine beschreitbare Quelle, die neben dem Reiz des Authentischen auch die Emotionalität des Originals vermittelt. Im ehemaligen Bozner Dominikanerkloster greifen originaler Restbestand und Rekonstruktion eng ineinander. Beide sind zur gewohnten Matrix in der Wahrnehmung des Kulturguts geworden.

Direktor der Landesabteilung Denkmalpflege

Leo Andergassen

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Allen Personen, die sich mit großem, generösem Engagement zur besseren Kenntnis und Wertschätzung des religiösen und kulturellen Reichtums des Bozner Dominikanerklosters eingesetzt haben, gilt der Dank der Geistlichen von St. Dominikus. Wer sich dem Gebäudekomplex aufmerksam und unvoreingenommen nähert und sich dessen Bedeutung in der Geschichte unseres Landes vor Augen führt, findet hier vielerlei Motive, um über die tief verwurzelte Spiritualität des Dominikanerordens nachzudenken. Diese Spiritualität hat als Tragpfeiler zwei Wesensmerkmale:

- die Armut als Ausdruck bescheidenen Lebens und der Hingabe an die göttliche Vorsehung; - das Predigen, das heißt die Barmherzigkeit der Wahrheit, damit das Evangelium und die Doktrin mit einfachen, leicht verständlichen Worten verkündet werden, getragen von intensiver intellektueller und kultureller Betätigung, um möglichst alle anzusprechen, Getaufte, Häretiker und Ungläubige. Die Gebäude, die Kirche und das Kloster, mussten den grundlegenden Ausrichtungen der Ordensspiritualität entsprechen: Sie sollten die Karitas des Evangeliums als gute Nachricht ausstrahlen, die dem Leben der Menschen einen Sinn gibt, und zugleich in der schlichten Architektur die Verpflichtung bezeugen, die Würde jeder einzelnen Person und die gemeinsame Nutzung der Güter zu fördern, um das Leiden in so vielen Teilen der Gesellschaft herabzumindern. Ich bringe meinen innigsten Wunsch zum Ausdruck, dass die Ausstellung über die Dominikaner in Bozen die Besucher veranlassen möge, in den – wiewohl im Laufe der Zeit umgestalteten – Räumen des Gebäudekomplexes den wahren Geist zu finden, den sie übermitteln wollen: die Stille, um tief in unser Innerstes einzukehren, gestützt von den Worten Gottes, dem die Worte der Menschen zu Diensten stehen, damit unter der ganzen Menschheit Freude und Hoffnung herrschen. Pfarrer und Verantwortlicher der Kirche zum heiligen Dominikus

Don Carlo Moser

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Einführung Silvia Spada Pintarelli Helmut Stampfer

„Dominikaner in Bozen“ ist eine Ausstellung, die aus der Stadt selbst erwächst und in erster Linie für die Stadt und ihre Bewohner gedacht und erdacht worden ist. Die Kirche und der ehemalige Konvent, in dem jetzt prestigeträchtige kulturelle Einrichtungen wie das Konservatorium und die Stadtgalerie ihren Sitz haben, liegen mitten in der Altstadt und werden von Boznern wie Touristen täglich zu verschiedenen Anlässen aufgesucht. Aber die Geschichte dieses Klosterkomplexes, der 1272 von den Predigermönchen gegründet, 1785 von Kaiser Joseph II. aufgehoben und dann im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts unterschiedlich „weltlich“ genutzt worden war, ist bis heute nicht ausreichend bekannt. Jetzt aber haben wir eine Lücke geschlossen: Die Untersuchungen, die viele und vielfältige Neuigkeiten an den Tag gebracht haben, machen auch deutlich, eine wie eng verflochtene, faszinierende Beziehung zwischen der Geschichte und Kunst des Dominikanerkomplexes und der Geschichte und Kunst der Stadt Bozen bestand und besteht, zeigen zugleich aber auch, wie viel es noch zu erforschen, entdecken und interpretieren gibt. Gewiss, die im 19. Jahrhundert vorgenommenen Umgestaltungen und die Zerstreuung des Archivs, der Bibliothek und der Einrichtungen und die verheerenden Bombenschäden des Zweiten Weltkriegs können nie mehr wiedergutgemacht werden. Doch die gewissenhaften, komplexen Restaurierungsarbeiten, die im Kreuzgang im Übrigen noch nicht abgeschlossen sind, heilen alte Wunden und ermöglichen eine neue Nutzung dieser jahrhundertealten Räumlichkeiten. In Studien und Recherchen lebt die Vergangenheit auf, während erneut wieder die Stimmen zu hören sind – die Stimmen der Mönche, der Künstler, der Stifter, der Soldaten, der Schüler, der Lehrer, der Kranken, der Musiker –, die hier schon erklangen. Nach einer nationalistisch gefärbten Interpretation zwischen den beiden Weltkriegen kann der gesamte Gebäudekomplex heute als hochbedeutendes Zeugnis von kultureller Valenz und europäischer Tragweite gesehen und geschätzt werden. Die Ausstellung wartet auch konkret mit zwei Novitäten auf: mit der Wiederentdeckung eines Exemplars des Inventariums des Klostervermögens zur Zeit der Aufhebung (das Pater Lindner für verschollen gehalten hatte) und der Auffindung eines ansehnlichen Teils des Bestands der

Kloster- und der Fachschulbibliothek. Dazu dann die sehr vielen neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse: Die mehrfachen, auf dem Klostergelände durchgeführten Ausgrabungskampagnen haben im Laufe der Jahre viele interessante Ergebnisse gezeitigt: von außergewöhnlicher Bedeutung die Identifizierung der Form der ursprünglichen Kirche, die sich im ausgehenden 13. Jahrhundert – und somit zu einem für Bozen außergewöhnlich frühen Zeitpunkt – schon in gänzlich gotischer Gestalt präsentierte. Durch die systematische und gründliche Untersuchung der Malereizyklen im Kreuzgang unter stilistischem wie ikonografischem Aspekt konnten Intentionen und Pläne ausgemacht werden und der rote Faden entdeckt werden, der den Bozner Konvent mit dem Habsburgerkaiser Maximilian verband. Die Abhandlung über die kostbar-prächtige und fast ganz verloren gegangene barocke Ausstattung rückt die Bozner Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts in ein neues Licht. Bedeutungsvoll auch der Beitrag über den Dominikanerkomplex als Begräbnisstätte: Bisher kam die Erinnerung an diese Funktion nur in den wenigen, bis auf den heutigen Tag erhaltenen Grabplatten zum Ausdruck, aber dem aufmerksamen Besucher tritt sie auch in vielen der noch erhaltenen mittelalterlichen Fresken vor Augen. Aus den Recherchen über die besondere Nutzung des Klosters und die philologische Rekonstruktion der vom 20. Jahrhundert bis auf den heutigen Tag auf diesem Gelände durchgeführten Restaurierungskampagnen ergeben sich Kenntnisse über die Ausführungstechniken, noch mehr aber über die Kulturgeschichte, die sich gerade in den Restaurierungsmethoden widerspiegelt. Fast in Vergessenheit geraten waren auch Einrichtungen, die heute wieder ins Gedächtnis gerufen worden sind: die Kaserne im 19. Jahrhundert, das Militärspital, in dem der zielstrebige und trotz seines jungen Alters schon kompetente Arzt Lorenz Böhler wirkte, und die Fachschule für Holzindustrie, die vom Jahr 1901 an im Kloster untergebracht war. Diese Schulanstalt ist nicht nur wegen ihrer erstrangigen Lehrtätigkeit von Bedeutung, sondern sie bringt durch die Ausbildung von Kunsthandwerkern und Künstlern auch Formen und Ideen hervor, die zur Gestaltung des neuen Antlitzes der Stadt im beginnenden 20. Jahrhundert beitragen.

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GESCHICHTE


1272 Gründung des Konventes in Bozen. 1273, 7. August Empfehlungsschreiben des Bischofs von Regensburg, Leo Thundorfer, für die neue Niederlassung der Dominikaner in Bozen. 1276, 31. Mai Bischof Heinrich von Trient und Graf Meinhard II. von Görz-Tirol treffen in der ecclesia Jesu Christi fratrum Praedicatorum in Bozen eine Übereinkunft. 1283

Chronologischer Überblick

Das Kapitel der Provinz Lombardiae ordnet an, dass die Bozner Gründung dem Prior des Konventes von Trient unterstellt werde.

Walter Schneider

1287, 14. November Meinhard II. von Görz-Tirol gewährt der erstmals als Konvent bezeichneten Niederlassung der Dominikaner in Bozen Zollfreiheit auf Lebensmittel und Waren, die für Unterhalt und Kleidung gebraucht werden. 1313 Anna von Böhmen, die Gemahlin des Tiroler Landesfürsten König Heinrich, wird im Chor der Kirche bestattet. 1335. 7. März Das Gewölbe im Chor ist noch nicht vollendet. 1335, 1. August Erwähnung eines den Heiligen Petrus und Paulus und allen Aposteln geweihten Altars, dessen Instandsetzung und Weihe bereits erfolgt ist. 1439 Das Kloster wird durch den Nürnberger Konvent reformiert. 1468 Beginn der Einwölbung des Langhauses. 1494–1495 Rechnung über 360 Gewölberippen. Der Kreuzgang wird unter der Leitung von Hans Hueber aus Villach eingewölbt.

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1509, 1511, 1513 Das Heilig-Geist-Spital von Bozen liefert den „Predigern“ beträchtliche Mengen an Baumaterialien, wohl für den Umbau des Klosters. (SLA Archiv des Heilig-Geist-Spitals, Rechnungen der entsprechenden Jahre) 1569 Der Konvent wird der venezianischen Ordensprovinz eingegliedert. 1574, 5. Mai Jakob Freiherr von Boymont-Payrsberg schlägt vor, den Jesuiten zu Aufrichtung eines Seminars in Bozen und Meran das Dominikanerkloster Bozen, „dessen die Botschen fundatores sein“, und einige Benefizien in Meran einzugeben. (TLA, Regierungskopialbuch 55, 1574, fol. 279-281) 1600, 10. März Landeshauptmann Hans Jakob von Khuen schreibt an die Jesuiten in Innsbruck, ob sie nicht bereit wären, das Kloster zu Bozen, das jährlich bis zu 1200 Gulden Einkommen haben soll, „zu Aufrichtung eines Collegs“ zu übernehmen. Weiters erfahren wir, dass „die Prediger ordentlich wenig heilsam in Gemein schaffen, eher missbrauchen, täglich liederlich leben“. (TLA, Jesuitenarchiv Rep. 534) 1601 Das Generalkapitel in Rom gibt den Bozner Konvent wieder zur Provinz Teutonia. 1616 Der Stadtrat von Bozen erlaubt den Predigern, ihren Wein am Buschen auszuschenken. 1643 Im Kloster wird ein Studium generale eingerichtet, d. h. es wurde dort Philosophie und Theologie gelehrt. Bis zum Jahre 1766 hatte die philosophischtheologische Anstalt im Kloster das Recht, nicht nur den Ordensmitgliedern, sondern auch auswärtigen Klerikern und Laien den Doctor gradus aus Philosophie, Theologie und Kirchenrecht zu verleihen. Außerdem führten die Dominikaner eine längere Unterrichtstätigkeit in der Lateinschule. Die Erlaubnis zur Errichtung eines Gymnasiums,

gegeben von der Kaiserin Maria Theresia am 5. Oktober 1780, ging aber an die Franziskaner. 1702 Der Bozner Konvent kommt zur österreichischungarischen Dominikanerprovinz. 1771 Der Bozner Konvent umfasst 71 Personen: 31 Priester, 12 Kleriker und 10 Laienbrüder im Kloster, 15 Priester, 3 Kleriker und 1 Laienbruder auswärts. 1782 Die Konvente Bozen, Freiburg im Breisgau, Konstanz, die Residenz Kitzbichl und 16 Nonnenklöster sollen abgetrennt und für sie eine neue vorderösterreichische Provinz errichtet werden. 1783 Die Regierung nimmt diesen Schritt zurück und untersagt alle weitere Verbindung des Bozner Klosters, ausgenommen mit Kitzbichl und Lienz. 1785, 19. Februar Dekret Josephs II. : „Se. Majestät haben bei der neuen Seelsorgseinrichtung das Dominikanerkloster zu Bozen als entbehrlich befunden, und sub. 19. Febr. beschlossen das gemeinschaftliche Leben der darin befindlichen Personen aufzuheben.“ 1785, 3. März Der Kreishauptmann von Bozen, Johann Andreas von Franzin, gibt dem Kloster das Aufhebungsdekret bekannt. 1794, 18. Juni Laut Hofdekret sollten die Klostergebäude als Spital verwendet werden. 1801, 26. Februar Der Magistrat von Bozen ersucht Se. Majestät, dass ihm das Klostergebäude und die Kirche als Kaserne überlassen werden. Die förmliche Übergabe scheint 1803 erfolgt zu sein.

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Das Dominikanerkloster in Bozen wird 1272 gegründet, vier Jahre später erscheint in einer Urkunde erstmals die „ecclesia Iesu Christi fratrum Praedicatorum“1. Die 2004 bei der Verlegung der Bodenheizung im heutigen Chor zum Vorschein gekommenen Mauerzüge sind dieser ersten Kirche zuzuweisen2. Die Ostmauer und die polygonal abschließende Südmauer verlaufen parallel zu den heutigen Mauern, die Westmauer wurde nicht gefunden, wohl weil sie unter der bestehenden Mauer liegt. Man sah weiters einen vorgelegten Strebepfeiler, der auf ein Gewölbe schließen lässt, und den Ansatz des Triumphbogens an der Ostseite. Die Mauer westlich des Bogens wurde

Die beste gothische Reliquie in Botzen. Zur Bau- und Restaurierungsgeschichte der Dominikanerkirche Helmut Stampfer

1993 im Bereich der Johanneskapelle anlässlich der Erneuerung des Bodenbelages nachgewiesen. Aus diesem Bau stammt mit großer Wahrscheinlichkeit das Fragment einer zeitlich nicht näher zu bestimmenden Wandmalerei, das außerhalb der heutigen Ostmauer gefunden wurde. Während im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts in Bozen und Umgebung spätromanische Architekturformen noch allgemein verbreitet waren, stellt die 1276 vollendete oder zumindest benutzbare erste Dominikanerkirche in dieser Hinsicht eine völlige Ausnahme dar. Galten bisher die um 1300 entstandenen Chöre der Dominikaner und Franziskaner in Bozen als die ältesten Zeugnisse gotischer Sakralarchitektur in Tirol, so rückt die archäologisch nachgewiesene erste Dominikanerkirche deren Beginn um ein Vierteljahrhundert zurück. Die heute bestehende und daher zweite Kirche wurde um 1300 begonnen. Der Mönchschor konnte 1313 jedenfalls schon benutzt werden, da Anna von Böhmen, die Gemahlin des Tiroler Landesfürsten König Heinrich, in jenem Jahr ihrer testamentarischen Verfügung entsprechend dort ihre letzte Ruhe fand3. Das Gewölbe hingegen war 1335, wie dem Testament des Rueblinus von Obertor zu entnehmen ist, noch nicht fertig gestellt4. Die Ausrichtung der Kirche nach Süden und nicht, wie üblich, nach Osten, dürfte mit dem Verlauf der Straße von der Stadt zur Brücke über den Eisack zusammenhängen. Im Unterschied zum 1348 geweihten Chor der Franziskanerkirche, der keine barocke Um-

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gestaltung erfahren hat, fehlen heute die Gewölberippen und das Steildach aus der Bauzeit. Erhalten haben sich hingegen die Maßwerke aus Sandstein der drei Fenster in der Ostwand und der fünf Fenster im Chorhaupt, die in der Barockzeit nicht zerstört, sondern nur vermauert wurden (Abb. 1–6). Alois Messmer, Korrespondent der k.k. Central-Commission, der die Kirche erstmals unter kunsthistorischem Aspekt betrachtet hat, schreibt 1857: „Das Mittelfenster des Chores hat auf dem Mörtel zufällig noch sein Maßwerk behalten und dasselbe ist von so eleganter Zeichnung und leichten Schwung, dass es nach meinem

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Gefühl die beste gothische Reliquie in Botzen ist; ein Beweis, was die Kirche in ihrer besten Zeit gewesen sein muß“5 (Abb. 5, 7). Tatsächlich weist das mittlere Chorfenster mit drei Bahnen besonders reiches Maßwerk auf, das wie jene der drei Ostfenster im Zuge der Restaurierungsarbeiten ab 1935 auch an der Innenseite über den barocken Segmentbögen sichtbar gemacht wurde. Die Maßwerke der beiden Fenster in den Chorschrägen sind hingegen nur von außen zu sehen, am südwestlichen Fenster haben sich sogar die Butzenscheiben aus der Zeit vor dem barocken Umbau erhalten. Die Chorräume der Prediger und der Franziskaner zu Bozen gelten zu Recht als die frühesten und bedeutendsten Zeugnisse gotischer Sakralarchitektur in Tirol (Abb. 8–9), wobei Nicolò Rasmo den Dominikanerchor als den älteren sogar noch „in die letzten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts“ datiert6, ein unserer Meinung nach zu früher Zeitansatz. Der größere Anteil an Fensterfläche – alle Fenster weisen drei Bahnen auf – , die stärkere Höhenentwicklung des Baues und die weiter entwickelte Form der Strebepfeiler mit Kreuzblume und schrägem Dach bis zur Traufe sprechen dafür, dass der Franziskanerchor jünger ist. Die größere Länge von vier statt drei Jochen wie bei den Dominikanern dürfte hingegen auf die Anzahl der Mönche zurückzuführen sein. Es ist anzunehmen, dass die Fenster beider Chöre ursprünglich mit Farbgläsern versehen waren, auch wenn keine Zeugnisse vorliegen. Rasmos

1.–4. Chorfenster

Vermutung, dass die Steinmetze, die am Domini-

5. Mittleres Chorfenster

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kanerchor gearbeitet haben, im Gefolge der ersten Mönche aus Regensburg gekommen seien, ist nach dem heutigen Stand der Forschung überholt, da diese vom Kloster San Lorenzo in Trient nach Bozen kamen und nur ein Empfehlungsschreiben des Regensburger Bischofs mit sich führten. Mit größerer Wahrscheinlichkeit dürften die Bauleute aus dem südwestdeutschen Raum stammen, hat doch die Kunst des Bodenseegebietes während des ersten Viertels des 14. Jahrhunderts die frühgotische Wandmalerei in Bozen nachhaltig geprägt. Diese Einflüsse lassen sich auf bestehende Handelsbeziehungen zurückführen. Martin Laimer datiert den Chorbau „um 1314“ und weist auf eine sekundäre Erhöhung und Erweiterung zum dreijochigen Polygonalchor hin7. Antonino Rusconi hat schon in der Zwischenkriegszeit Analogien zwischen der Dominikanerkirche von 8

Bozen und jener von Erfurt festgestellt8. Für den Lettner mit Mitteldurchgang zwischen je zwei Kapellen trifft dies zu, allerdings ist jener in Erfurt erst um 1400 entstanden und weist außerdem

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zwei seitliche Durchgänge auf. Der 1272–1273 vollendete Mönchschor in Erfurt zeigt aber eine dreischiffige Anlage, die sich in gleicher Breite im Langhaus, dessen Erbauungszeit heute zwischen 1360 und 1380 angenommen wird9, fortsetzt. Weit näher steht der Mönchschor der Dominikanerkirche von Friesach in Kärnten, der um 1270–1280 datiert wird, obwohl Weihedaten erst für 1300 und 1320 überliefert sind10. Er weist genau wie in Bozen drei Joche mit 5/8-Schluss auf (Abb. 10–12). An der Westflanke des Chores fehlen die Strebepfeiler, die dort angebaute Johanneskapelle muss somit gleichzeitig entstanden sein. Der Raum ist schmäler und kürzer, hat aber auch drei Joche, die bis an den polygonalen Abschluss des Chores heranreichen. Die Kreuzrippen liegen auf Konsolen, die mehrere Köpfe zeigen und eine

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Vorstellung vom ehemaligen Gewölbe im Chor vermitteln (Abb. 13–14). Nur zwei Fenster, eines an der Stirnwand im Süden und ein später teilweise vermauertes im Westen, die Türen zur

6. Zeichnerische Rekonstruktion der Chorfenster (L. Bardelli) 7. Zeichnung des mittleren Chorfensters (aus: Mitth. der k.k. Central Commission, 1857)

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Sakristei, zum Kreuzgang und zum Chor, deren 8. Chor der Dominikanerkirche

rote Farbfassung auf der Chorseite erst kürzlich


restauriert wurde, und eine ursprüngliche Bogennische für die Treppe zum Lettner unterbrechen die für einen Bilderschmuck geradezu vorbestimmten Wände, die zur Gänze ausgemalt sind. Als Erbauer der Kapelle gilt Banninus de Bamborociis de Florentzia de populo ste. Felicitatis, der sich in Bozen niedergelassen hatte und 1324 in der Kapelle bestattet worden ist. Eine erste, nur in Resten erhaltene Ausmalung erfolgte noch zu seinen Lebzeiten um 1320. Sein zweiter Sohn, Botsch genannt, von dem das Geschlecht den zukünftigen Namen erhielt, vermehrte den Wohlstand der Familie, indem er spätestens 1332 den Zoll und die Pfandleihanstalt in Bozen pachtete. Zwischen 1324 und 1329 ließ er die Johanneskapelle mit Fresken neu ausschmücken, sich selbst und seine Frau Gerwiga von Niederthor als Stifterfiguren unter dem Schmerzensmann an der Südwand darstellen. Die westlich der Johanneskapelle errichtete Sakristei weist ein Kreuzrippengewölbe über zwei Joche auf und schließt den bereits ursprünglich gewölbten und nach Südwesten gestaffelten sakralen Kernbereich ab. Die parallele Ausrichtung von Mönchschor und Familienkapelle unterstreicht die außergewöhnliche Bedeutung des Banninus

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und seines Sohnes im Zuge der Bautätigkeit. Dass der Glockenturm zugleich mit der Kapelle und somit ebenfalls als Stiftung der Botsch errichtet worden ist, belegen der ungewöhnliche Standort über dem nördlichen Kapellenjoch und die beiden Wappenschilde der Botsch über den Schallöffnungen. Auch der 1376 vollendete Turm der Franziskanerkirche wurde nach Ausweis der Botsch-Wappen am achteckigen Aufsatz von derselben Familie, wenn nicht gar von derselben Person, dem 1374 verstorbenen „Botsch“, wesentlich gefördert (Abb. 15–16). Der Glockenturm der Erfurter Dominikanerkirche ist erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden, eine hochadelige Stiftung wie Königsfelden in der Schweiz, gegründet 1310, weist überhaupt nur einen Dachreiter auf. Noch knapp 300 Jahre später schreibt Marx Sittich von Wolkenstein „Die clain kürch haben die Wotschen gestift“, in weiterem Sinne also Mönchschor, Johanneskapelle

9. Chor der Franziskanerkirche

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10. Grundriss der Dominikanerkirche in Erfurt (aus: Schenkluhn, 2000) 11. Grundriss der Dominikanerkirche in Friesach (aus: Schenkluhn, 2000)

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12. Grundriss der Dominikanerkirche in Bozen (aus: Spada Pintarelli/Bassetti, 1989)


und Sakristei, „die groß kürch ist aber hernach von unterschidlichen adel gestift worden11“, ein Hinweis auf die von verschiedenen Familien geförderte Umgestaltung des Langhauses gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Der westlich an die Sakristei anschließende Kapitelsaal hatte ursprünglich eine Flachdecke, die erst in der Spätgotik durch das Gewölbe auf einem Mittelpfeiler ersetzt wurde (Abb. 17). Die Ausmalung stammt aus den Jahren um 1340. Zum alten Bestand des Klosters zählen auch der ursprünglich mit einem Pultdach versehene Kreuzgang und die von seinem Südflügel zugäng-

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liche Katharinenkapelle (Abb. 18). Der ehemals flach gedeckte Raum schloss im Süden mit einem Polygonalchor ab und erhielt um 1335–1340 eine vollständige Ausmalung. Im ausgehenden 15. Jahrhundert wurde ein Gewölbe zu drei Jochen

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eingezogen, zu Beginn des folgenden Jahrhunderts die Westwand neu bemalt. An der Ostseite des Langhauses wurden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zwei Kapellen angebaut. Beide hat man 1820 abgebrochen, erhalten haben sich aber die hohen Spitzbogen zum Langhaus. Die südliche Thomaskapelle war eine Stiftung der Herren von Brandis, an der Bo-

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genlaibung sieht man noch Reste der ursprünglichen Bemalung, Brustbilder von Aposteln und Heiligen in Vierpassrahmen aus den Jahren um 1325–1330 (Abb. 19). Die nördliche Nikolauskapelle ließ der bereits genannte Botsch von Bozen errichten, der hier 1374 seine letzte Ruhe fand. Zur Kirche weist die Sandsteinrahmung des Bogens zwei Ausnehmungen und Konsolen für Skulpturen auf, die zwar nicht mehr vorhanden sind, den gehobenen Anspruch des Erbauers aber deutlich unter Beweis stellen (Abb. 20). An

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der nördlichen Ausnehmung erkennt man zwei gemalte Flügel, wir dürfen also annehmen, dass sich hier eine ebenfalls farbig gefasste Engelsfigur befand. Nach dem Erdbeben von 1348 wurde aus statischen Überlegungen die aus der Mauer zwischen Chor und Johanneskapelle ausgesparte Nische, in der sich auf der Kapellenseite die Treppe zum

13. Gewölbe der Johanneskapelle

Lettner befand, geschlossen. Die in der Kapelle

14. Konsole der Johanneskapelle

15. Glockenturm der Dominikanerkirche mit dem Wappen der Botsch 16. Glockenturm der Franziskanerkirche mit dem Wappen der Botsch

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hinzugewonnene Fläche bemalte um 1370 der sogenannte Meister der Urbanslegende. Das zugleich mit dem Chor errichtete Kirchenschiff schloss ursprünglich mit einer flachen Holzdecke oder, weniger wahrscheinlich, mit einem offenen Dachstuhl ab. Die zwei Lisenen vor der Nordfassade, deren Fundamente archäologisch nachgewiesen wurden, könnten einer bereits ursprünglich vorhandenen und nicht erst in der Spätgotik eingeführten dreischiffigen Unterteilung des Raumes entsprechen. In diesem Falle müsste man zwei Pfeilerreihen mit Bogen annehmen, auf denen die Decken- oder Dachbalken la-

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gen. Der von Anfang an gewölbte Chor überragte demnach das Dach des Schiffes, dessen flachere Neigung sich an der Nordseite des Glockenturmes ablesen lässt. So findet auch die Rundöffnung in der nördlichen Giebelwand des Chores eine Erklärung, die ursprünglich sichtbar war und erst mit der Anhebung des Daches über dem Schiff am Ende des 15. Jahrhunderts im Dachboden verschwand. Auch die Neigung dieses zweiten, viel

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steileren Daches aus spätgotischer Zeit hat sich als Abdruck am Glockenturm erhalten. Eine Rechnung von 1494–1495 über 360 Gewölberippen belegt, dass der Kreuzgang in jener Zeit unter der Leitung von Hans Hueber aus Villach eingewölbt wurde12. Dem gleichen Meister schreibt Erich 20

Egg auch das um 1498 vollendete Gewölbe im Langhaus zu, wobei er auf die in Bozen nicht üblichen Achteckpfeiler aus Ziegeln und die in der Pustertaler und Oberkärntner Gotik verbreiteten quadratischen Schlusssteine am Gewölbe hinweist13. Nur an den vier südlichen Schlusssteinen haben Reste von Malereien die Bombardierung überstanden, von denen der Kopf einer heiligen Nonne am besten erhalten ist (Abb. 21). Verloren sind die Medaillons mit Christus, Maria lactans, Petrus, Andreas und Dominikanerheiligen (Abb. 22–24), die das Gewölbe schmückten14. Vier achteckige Pfeilerpaare, deren Sockelzone heute unverputzte Werksteine aus Porphyr und Sandstein zeigt, während an den verputzten Schäften Reste von schwarzweißer Fugenmale-

17. Kapitelsaal

19. Detail des Zugangsbogens zur Brandiskapelle

rei zu sehen sind, und zwei Halbpfeiler an der

18. Katharinenkapelle

20. Detail des Zugangsbogens zur Nikolauskapelle

Nordwand teilen den Raum in drei Schiffe zu

22


fünf Jochen. Die gleich hohe Halle entspricht den bürgerlichen Traditionen der deutschen Sondergotik (Abb. 25). Das Rippengewölbe weist im Mittelschiff eine symmetrische Konfiguration mit fünf Rauten auf, während sie in den Seitenschiffen aufgrund der zwei Kapellen an der Ostseite und älterer Fenster nicht gleich gestaltet ist. 1509, 1511 und 1513 finden sich in den Rechnungen des Heilig-Geist-Spitals von Bozen15 beträchtliche Mengen an Baumaterialien wie Kalk, Sand, Stein, Plattziegel, Haggen und Preys (Hohlziegel), Gewölbstein und Steinziegel, die den „Predigern“ geliefert wurden. Ob sich der Umbau des Lang-

21

hauses so lange hingezogen hat oder ob das Ma-

22

terial bei Arbeiten im Kloster Verwendung fand, ist nicht klar. Die aufwändige Baumaßnahme konnte nur durch die großzügige finanzielle Unterstützung von Bürgern und Adeligen verwirklicht werden. Das erhaltene Steinrelief mit dem Wappen des Anthon Minnig und der Jahreszahl 1468 am dritten Pfeiler von Norden der Westreihe (Abb. 26) bildet den ältesten Hinweis auf einen Stifter. Rasmo identifizierte ihn mit dem Bozner Bürger Anton Domenig, der 1459 eine im Archiv von Kloster Neustift erhaltene Urkunde mit seinem Siegel versah16. Am südlichsten Pfeiler der Ost-

23

reihe sieht man ein gemaltes Wappen der Römer von Maretsch (Abb. 27), wohl jenes Johannes, der

25

1505 im Kreuzgang bestattet wurde. Dem Maler des Römer-Wappens schrieb Rasmo auch die bei der Bombardierung zerstörten Malereien am Gewölbe zu, im Mittelschiff verschiedene Heilige sowie die Wappen von Tirol und Österreich, im östlichen Seitenschiff die Wappen der Botsch vor der Nikolauskapelle, der Niederthor im zweiten und der Weinegg im dritten Joch17. An der Ostwand außen dokumentierte ein ebenfalls von Rasmo überliefertes Wappen der Bozner Familie Hailwiger aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Mithilfe beim Bau des Langhauses. Ul-

21. Schlussstein im Kirchenschiff

rich Hailwiger ist als Wohltäter der Pfarr- und

22. Schlussstein mit Maria lactans, ehemals im Kirchenschiff

der Franziskanerkirche bekannt, in der er 1349

23. Schlussstein mit Christus, ehemals im Kirchenschiff

bestattet wurde18. Am Übergang vom Langhaus zum Chor befindet sich der nach dem Zweiten

24. Schlussstein mit dem heiligen Andreas, ehemals im Kirchenschiff

Weltkrieg rekonstruierte Lettner, der zu beiden

25. Das Kirchenschiff

24

23


Seiten des Durchganges je zwei zum Kirchenschiff offene Kapellen aufweist. In dreien davon haben sich Freskenreste aus der Zeit um 1350 bis 1380 erhalten. Der mit der Bestattung Annas von Böhmen gleichsam von höchster Stelle eingeführte Brauch, sich bei den Dominikanern in Bozen begraben zu lassen, hielt bis um 1600 ununterbrochen an, 28 26

sodass Marx Sittich von Wolkenstein zu Recht schreiben konnte „es ist in Tyrol kaum ein kloster, das sovil stattliche begrebnus und adel alda ligen als in disem kloster“19. Abgesehen vom Klosterfriedhof, der schon 1319 dokumentiert ist20, scheint 1349 erstmals ein Friedhof bei den Predigern auf, in dem auch auswärtige Personen

29

bestattet werden21. Der selten reiche Bestand an Grabplatten wurde auf Betreiben der Patres in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entfernt und ist nach der Aufhebung des Klosters zerstreut worden und fast zur Gänze verloren gegangen. Stephan von Mayrhofen sah in der Aufhebung des Klosters und der Profanierung der Kirche sogar eine gerechte Strafe für die Zerstörung der Grabdenkmale der Botschen und anderer Geschlechter22. Einzelne Verluste hatte es aber schon vorher gegeben, so berichtet z. B. Marx Sittich von Wolkenstein, dass der Altar und das „schön begräbnus“ des Valentin von Koburg, 1495 errich-

27

30

tet, „so ihnen aber derzeit (um 1600) ein Bürger, genannt der Koller, alles verkert und zerrissen“23. Vielleicht lag im Streit um neue Plätze ein Grund dafür, dass die Dominikaner den beliebten Begräbniskult abstellen oder wenigstens eindämmen wollten. Während der Restaurierung der Kirche 1939–1940 wurden im Boden der Kirche die Reste von acht Grabplatten gefunden, die Nicolò Rasmo 1941 publiziert hat24. Der nur fragmentarisch erhaltene Grabstein des Volkmar von Niederthor (1347), des Schwagers des Botschen, den bereits Marx Sittich von Wolkenstein in der Johanneskapelle erwähnt, befindet sich heute wieder dort (Abb. 28). Besondere Bedeutung kommt dem unter den Trümmern des Lettners gefundenen,

28. Grabplatte des Volkmar von Niederthor

später im Kreuzgang aufgestellten, heute ebenfalls

26. Wappen der Minnig an einem Pfeiler im Kircheninneren

29. Grabplatte des Leonhard von Völs-Colonna

in der Johanneskapelle liegenden Grabstein des

27. Wappen der Römer an einem Pfeiler im Kircheninneren

30. Kapelle mit dem Merkantilaltar und dem Guercino-Gemälde

Landeshauptmannes Leonhard von Völs-Colonna

24


(1530) zu (Abb. 29). Das Sandsteinrelief ver-

spart, in denen die Rosenkranzgeheimnisse von

bindet späte Gotik der Wappendarstellung mit

der Verkündigung im Norden bis zur Krönung

Renaissanceformen des Rahmendekors und der

im Süden eine Huldigung an die Gottesmutter

Kapitalis-Inschrift. Zwei weitere Grabsteine für

darstellen (Spada 2, Abb. 17–19). Den Auftakt

einen Herrn von Knöringen (um 1350) und für

bildet eine Stuckkartusche mit dem Namen Mariä

Karl von Völs-Colonna (1585) kamen 1992 eben-

zwischen Engeln an der Chorseite des Triumph-

falls wieder in die Johanneskapelle. Zwei barocke

bogens. Die Künstler sind nicht bekannt, der

Grabsteine sind seit kurzem an der Nordwand des

Stuck dürfte von Hannibal Bittner aus Kärnten

Langhauses angebracht.

stammen, für die Malereien, von denen nur ein

1640 wurde unter der Katharinenkapelle

kleiner Teil die Bombardierung überstanden hat,

eine Gruft für die Mönche erbaut oder erneuert.

hat Silvia Spada Pintarelli Giacomo Antonio De-

Zur gleichen Zeit ließ der Merkantilmagistrat

lai vorgeschlagen25, der mit Bittner ungefähr zur

zwischen den beiden gotischen Kapellen die dem

gleichen Zeit in St. Mauritius in Moritzing zu-

Ordensgründer geweihte Kapelle der Kaufleute

sammengearbeitet hat. Wohl zur gleichen Zeit hat

errichten. Der Altar des Mattia Pezzi wurde ein

man den gotischen Lettner abgebrochen und, wie

Jahr später geliefert, das Altarblatt, ein Meister-

auf dem Bestandsplan von 1785 zu sehen, durch

werk von Guercino, das die Muttergottes mit

ein Trennelement im Chorraum auf Höhe der

dem Dominikusbild von Soriano zeigt, kam erst

St.-Rosa-Kapelle ersetzt. Weiter südlich wurde

1655 hinzu (Spada 2, Abb. 10). Altar und Bild

als Höhepunkt der barocken Neugestaltung der

befinden sich heute in einem schlichten Raum,

Marmoraltar mit dem Rosenkranzbild von Mi-

der 1972 am Standort der alten Thomaskapelle

chelangelo Unterberger (1744) aufgestellt, der

wieder aufgebaut wurde (Abb. 30). Auch die Ka-

sich heute in der Pfarrkirche von Kaltern befin-

pelle zur hl. Rosa am Schnittpunkt von Chor und

det (Abb. 32).

Langhaus entstand in jenen Jahren.

31

Die Umgestaltung des Chores wurde von

Die Brandiskapelle wurde 1635–1640 barock

Messmer 1857 („in der Zopfzeit sind unschöne

umgestaltet und erhielt dabei einen türmchenar-

Erneuerungen und Zubauten darüber gekom-

tigen Abschluss. Die bis zur Bombardierung von

men“26) bis Martelli 1947 („pesante imbaroc-

1944 erhaltenen Stuckkapitelle an den spätgoti-

chimento“27) negativ bewertet, was im Hinblick

schen Pfeilern im Langhaus stammten ebenfalls

auf die Verluste an mittelalterlicher Architektur

aus den Jahren um 1640 (Spada 2, Abb. 5–6).

und Wandmalerei bis zu einem gewissen Grade

Gegen 1730–1740 erfolgte die Barockisie-

verständlich ist. Andererseits dokumentiert sie

rung des Mönchschores (Abb. 31). Die Rippen

die Aufgeschlossenheit der Klostergemeinschaft

wurden entfernt, den Wänden starkfarbig polierte

der damals neuen Kunstströmung gegenüber.

Pilaster mit zweifachen Kapitellen vorgelegt, de-

Im Vergleich mit zahlreichen anderen süddeut-

ren obere die gotischen Konsolen ersetzen oder

schen und österreichischen Klöstern, in denen

ummanteln. Die Fenster erhielten einen Seg-

mittelalterliche Kirchen ganz oder teilweise ab-

mentbogenabschluss, indem man das spitzbogig

gebrochen und durch barocke Neubauten er-

aufragende Maßwerk vermauerte. Das Gewölbe,

setzt wurden, begnügte man sich in Bozen mit

die unteren Kapitelle, die Fensterlaibungen und

vergleichsweise sanften Maßnahmen. Dazu zählt

die Fensterrahmungen wurden auf farbigem

auch die Anschaffung einer prächtigen Rokoko-

Grund mit reichem Stuckdekor überzogen, der

Kanzel, die nach der Aufhebung des Klosters in

Engelsköpfchen, Rosettengitter und Ranken zeigt.

die Pfarrkirche von Völs am Schlern gekommen

Um den Symmetrievorstellungen des Barock zu

ist28 (Abb. 33).

entsprechen, malte man auf der westlichen Chor-

Schwerste Verluste am Bau- und Kunstbe-

wand Scheinfenster mit gleicher Stuckrahmung

stand begannen mit der Aufhebung des Klosters

auf. Im Gewölbe hat man elf Bildfelder ausge-

durch Joseph II. am 3. März 1785. Die Gebäude

32

31. Chorinneres 32. Hochaltar, ehemals in der Dominikanerkirche, Kaltern, Pfarrkirche

25


wurden 1794 zeitweilig als Krankenhaus verwen-

nen Gemache“, wohl die Johanneskapelle, ober-

det, am 23. September 1812 erhielt der Architekt

halb des Langhausgewölbes „eine gemalte Reihe

Antonio Caminada aus Brienno den Auftrag, die

majestätischer Engels- und Heiligenfiguren von

Kirche zu einem Militärmagazin umzubauen .

frühgotischem Stilcharakter“ und an der Giebel-

Das Langhaus wurde in zwei Geschosse unterteilt,

fassade eine übertünchte Verkündigung an Maria

im Chor die Heeresbäckerei eingerichtet, die der

erwähnt39. Zwei Jahre später berichtet Alois Riegl,

spätere (1910) Nobelpreisträger Paul Heyse 1861

der sich vor Ort ein Bild gemacht haben dürfte,

anschaulich schildert: „... in einer alten Kirche,

dass „Nachforschungen nach weiteren Wandmale-

die eingegangen, eine Militärbäckerei, nackte Sol-

reien in Kirche und Kreuzgang derzeit untunlich“

daten, Hosen, Schurz und Schuhe, die blaugraue

seien, „da die Wände frisch getüncht“ seien40. Erst

Feldmütze auf dem Kopf, vorm Feuer, schichten

1910, aus heutiger Sicht unerklärlich spät, nimmt

29

die Brote auf einen Karren“ . Aus dem Jahr 1819

die Zentralkommission in Wien, die oberste, da-

hat sich ein Projekt von Alois Negrelli, dem spä-

mals noch ehrenamtliche Denkmalpflegeinstanz

teren Projektanten des Suezkanales, zum Umbau

der Donaumonarchie, erstmals zum Nutzungs-

des Klosters in eine Kaserne erhalten31.

problem Stellung und formuliert vorsichtig, dass

30

Die völlig unangemessene Nutzung, die bis

sie eine Wiederverwendung als Kirche „auf das

1924 andauern sollte , lag anscheinend im Trend

wärmste begrüßen“41 würde. Im Kriegsjahr 1915

der Zeit. Die Dominikanerkirche in Frankfurt

erfahren wir, dass in der „sogenannten Sakristei“

am Main wurde 1803 in einen Warenspeicher

der ehemaligen Dominikanerkirche Toni Grub-

umgewandelt33, jene von Bamberg 1842 als Mi-

hofer, der frühere Direktor der Bau- und Kunst-

litärmagazin verwendet . Der Prokurator des

handwerkerschule Bozen, „in mustergültiger

Dominikanerordens P. Albert Edl hatte 1858 die

Weise“ Fresken freigelegt habe. Genannt werden

Wiederherstellung des Klosters angeregt35, die

zwei Bilder des heiligen Nikolaus, das Geschenk

Gemeinde Bozen aber den Ankauf der „alten,

an die drei Jungfrauen und der Seesturm, die vor-

baufälligen Kirche“ abgelehnt . Auch eine 1871

züglich erhalten sind und den Einfluss der Vero-

von Propst Josef Maria Thaler verfasste und von

neser Schule zeigen. Auf der gegenüberliegenden

32

33

34

36

34

zahlreichen Bozner Bürgern unterzeichnete Peti-

Wand Maria Heimsuchung, die „an Giotto in

tion an den Kaiser um Rückführung der ehema-

Padua“ erinnert und eine Frau mit Spinnrocken,

ligen Dominikanerkirche in ihre ursprüngliche

die „vollständig mit der Verkündigung an Anna

Bestimmung brachte nicht den gewünschten

in Padua übereinstimmt“. Das Bild könne nicht

Erfolg37. Im Gegenteil – 1877 wird der Chor der

ohne Vorlage aus dem Paduaner Bild entstanden

Katharinenkapelle abgebrochen. Aus demselben

sein, der Maler komme aus Oberitalien. Diese

Jahr datiert ein Projekt von Sebastian Altmann

stilkritische Zuordnung war für den damaligen

zur Reconstruction der Dominikaner Kaserne in

Stand der Forschung sehr zutreffend, der Datie-

Bozen, das die Kirche als Aerarisches Magazin, die

rungsvorschlag „um 1400“ allerdings zeitlich zu

Johanneskapelle als Bataillons-Magazin, Sakristei,

spät. Interessant schließlich die Feststellung „Die

Kapitelsaal, Katharinenkapelle als Mannschafträu-

Bloßlegung der vielen noch verborgenen Fresken

me und drei Arkaden des Kreuzgangsostflügels als

dürfte eine kleines ,Assisi’ für Tirol bringen“42.

Turn- und Fechtsaal vorsieht (Abb. 34).

1922 fasst Giuseppe Gerola, der erste italie-

Im Verlauf der Umbauarbeiten für die

nische Denkmalpfleger für Südtirol und Trenti-

k.k. Fachschule für Holzindustrie legt man 1901

no, den Forschungsstand zusammen und gibt

im Kreuzgang zwei Wandbilder frei, eine Kreuzi-

bekannt, dass der italienische Staat, der den ös-

gung und ein Jüngstes Gericht . In diesem Zusam-

terreichischen als Eigentümer abgelöst hatte, die

33. Kanzel, ehemals in der Dominikanerkirche, Völs am Schlern, Pfarrkirche

menhang werden erstmals Freskenreste mit einem

Kirche in ihrer alten Form wiederherzustellen

34. Sebastian Altmann, Projekt zur Rekonstruktion der Dominikanerkaserne in Bozen, Bozen, Stadtarchiv

betenden Mönch und einer Marienkrönung durch

beabsichtigt, und zwar nicht nur, um die Ehre

Christus in einem „am Chor der Kirche gelege-

des alten Denkmals wieder aufzurichten, son-

38

26


dern auch, um der italienischen Bevölkerung

Barockzeit entfernten Steinpfosten neu eingesetzt

von Bozen eine Kirche zur Verfügung zu stellen.

wurden49. Für die Form der Verglasung orientier-

Er hält das Projekt für nicht sehr schwierig und

te man sich bewusst an den Scheinfenstern der

schließt mit den Worten, dass es ein Werk der

Westwand. Wie Fotografien festhalten, Rusconi

Vaterlandsliebe und der Kultur sein wird43. Tat-

aber nicht erwähnt, wurden in das Mittelfenster

sächlich berichtet Gerola vier Jahre später, dass

im Süden vier gemalte Wappen – Savoia, Italien,

die Wiedereröffnung der Dominikanerkirche zu

Bozen, Botsch – und eine weitere, auf den Fotos

Kultzwecken im Gange sei , ein genaues Datum

nicht zu identifizierende Glasmalerei eingelassen

der Weihe konnte aber nicht gefunden werden.

(Abb. 35).

44

1931 stand die Zukunft der Kirche noch nicht

Rusconi weist ausdrücklich darauf hin, dass

fest, da die Finanzintendanz Bozen bei der bi-

eine Wiederherstellung des gotischen Bauzustan-

schöflichen Kurie in Trient anfragte, ob die Wie-

des, so wünschenswert sie wäre, von Anfang an

derherstellung zu Kultzwecken als notwendig oder

ausgeschlossen wurde, da keine Anhaltspunkte

zumindest nützlich erachtet werde und ob die

für die Dienste und für die Formen des Gewöl-

kirchliche Behörde für die Adaptierung und Ein-

bes vorhanden waren. Bedenkt man, dass bis in

richtung des Baues aufkomme . In der Antwort

die Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts bei ähnli-

wird darauf hingewiesen, dass die Kirche „für ge-

chen Ausgangspositionen Barock abgeräumt und

meinsame Kindergottesdienste, Vereinsandachten

Mittelalter „erfunden“ wurde, so weiß man aus

usw. sehr brauchbar wäre“, dass aber die nötigen

heutiger Sicht diese Entscheidung zu schätzen.

Geldmittel nicht zur Verfügung stehen46. Noch

Als Nächstes erfolgte die Absenkung des Bodens

1934 beklagt Antonio Morassi, ein Mitarbeiter

auf das ursprüngliche Niveau, wobei man auf

Gerolas am Denkmalamt in Trient, dass die Kir-

die Reste der Altarmensa stieß. Die Freilegung

che unglücklicherweise als Militärmagazin diene.

der an der Innenseite bemalten Sitznische im

Die geplante Wiederherstellung von Kirche und

Westen und des von Architekturmalerei gerahm-

Kloster bezeichnet er als „Erlösung eines Denk-

ten Tabernakels im Osten brachte drei wichtige

mals“ (un lavoro di redenzione monumentale),

Elemente des gotischen Chores zum Vorschein

wobei die religiöse und politische Befrachtung

(Abb. 36). Ein neuer Terrazzoboden (Fa. Antonio

der Wortwahl in die Augen sticht47.

Politti, Bozen), Ausbesserungen am Stuck und an

45

1935 beginnen dann tatsächlich die Res-

den Pilastern sowie die Neutünchung von Wän-

taurierungsarbeiten, wie eine Kurznotiz im Ar-

den und Gewölben beendeten Anfang August

chivio per l’Alto Adige in emphatischen Worten

die Maßnahmen im Chor. Gleichzeitig wandte

überliefert .

man sich auch der Johanneskapelle zu, die nach

48

Noch im gleichen Jahr veröffentlicht An-

langen Verhandlungen mit der Schule, die einen

tonino Rusconi, Architekt und Mitarbeiter von

Teil als Magazin nutzte, und den Etschwerken,

Giuseppe Gerola am Denkmalamt in Trient, einen

die im anderen Teil eine Kabine eingebaut hat-

entsprechenden Bericht. Nach Überwindung der

ten, geräumt wurde. Die Zwischenböden und

Widerstände von Seiten des Militärs, der Kirche

-wände wurden entfernt, die beiden Fenster und

und anderer Stellen sowie Beschaffung der nötigen

Türen der Kapelle wieder geöffnet, die Freilegung

Geldmittel von den Ministerien für Unterricht

der Wandmalereien in Angriff genommen. Die-

und Öffentliche Arbeiten – zusätzliche 50.000

se war bei Abfassung des Berichts zwar noch im

Lire hatte der Regierungschef Benito Mussolini

Gange, sie übertraf aber nach den Worten Rus-

bereitgestellt –, konnte im Januar 1935 im ehema-

conis alle Erwartungen und werde künftig das

ligen Mönchschor begonnen werden. Die Back-

bedeutendste Denkmal der Wandmalerei des 14.

öfen wurden abgetragen, die vermauerten Fenster

Jahrhunderts in Südtirol darstellen. Im Herbst

wieder geöffnet, wobei das fast unbeschädigte

erfolgte die Außenrestaurierung von Chor und

Maßwerk zum Vorschein kam, während die in der

Langhaus, in dessen Ostmauer die beiden Bogen

35

35. Chorinneres. Am Mittelfenster die Wappen Italiens, der Savoyer, der Stadt Bozen und der Familie Botsch, 1935

27


36

36. Altarmensa, Nische und Tabernakel im Chor

28


zu den ehemaligen Kapellen sichtbar gemacht

so ersucht Rusconi im Herbst den Präfekten um

wurden, während die Nordfassade aufgrund der

zusätzliche Finanzierung, da trotz Einstellung der

vorgeschrittenen Jahreszeit nicht mehr bewältigt

Arbeiten bereits Kosten in Höhe von 60.000 Lire

werden konnte. Der Autor stellt schließlich in

aufgelaufen sind.

Aussicht, dass Christus der Erlöser, dem die Kir-

Der größte Teil der Wandmalereien in der

che von Anbeginn geweiht war, nach Abschluss

Johannes- und Katharinenkapelle sowie in der

der Restaurierung endgültig in seinen „politisch

Kirche wurde noch im Winter 1939–1940 frei-

und materiell erlösten Tempel zur höheren Ehre

gelegt, so dass Roberto Salvini, damals Kunst-

des Schicksals der Nation zurückkehren wird“ .

historiker am Denkmalamt in Trient, jene der

Die heute unglaublich, um nicht zu sagen blas-

Johanneskapelle 1941 publizieren konnte54. 1942

phemisch klingende Aussage war damals durchaus

veröffentlichte Agostino Podestà drei politisch

kein Einzelfall. Auch das in den gleichen Jahren

motivierte Sammelbände, Dokumente von italie-

freigelegte römische Theater in Triest wurde, um

nischen Kulturleistungen in Südtirol aus Malerei,

nur ein weiteres Beispiel zu nennen, als erlöstes

Musik, Architektur usw. Auch wenn damit, wie

Denkmal bezeichnet51. Trotz der großen Worte

im Vorwort des Kapitels Malerei nachzulesen ist,

kamen die Bauarbeiten ins Stocken und wurden

vor allem bewiesen werden sollte, dass „Südtirol

erst 1937 für kurze Zeit wieder aufgenommen .

fast in jedem Augenblick eine italienische Kunst-

Im Februar 1940 fragt die Baufirma Augusto

provinz war“55, beanspruchen die knappen, aber

Mazzonelli nach, wann in der Kirche weiterge-

präzisen Ausführungen von Nicolò Rasmo über

baut werden soll, im Herbst desselben Jahres be-

die giottesken Fresken in der Johanneskapelle56,

stätigt der inzwischen zum Nachfolger Gerolas

den Zyklus des Guariento , das Votivbild der

beförderte Rusconi eine Spende des Präfekten

Herren von Castelbarco im Langhaus der Kirche58

von Bozen, Agostino Podestà, über 10.000 Lire

und die Fresken der Katharinenkapelle59 großes

für die Wiederaufnahme der letzten Arbeiten.

Interesse, stellen sie doch, abgesehen vom oben

Am 20. November 1940 beginnt die Bauunter-

erwähnten Beitrag Roberto Salvinis, überhaupt

nehmung Albino Pizzolato, Vicenza und Bozen,

die ersten wissenschaftlichen Arbeiten zu den

tatsächlich mit statischen Sicherungsmaßnahmen

sensationellen Neufunden dar. Außerdem halten

am Glockenturm, gleichzeitig ersucht Rusconi

die zahlreichen und gut gedruckten Abbildungen

den Podestà von Bozen, dafür zu sorgen, dass

den Zustand der Wandmalereien gleich nach ihrer

die Soldaten Johanneskapelle und Kapitelsaal

Aufdeckung fest. Im Falle des wenig später unter

räumen. Unter den Handwerkern scheint auch

dem Bombenhagel weitgehend zerstörten Apo-

der Tischlermeister Anton Lobis aus dem Sarntal

stelfrieses in einer der Lettnerkapellen60 sind sie

auf, der für die Kirchentür aus Lärchenholz be-

sogar dessen einzige Bilddokumentation.

50

52

37

38

57

zahlt wird. Weder Bestandspläne noch Projekte

Im Herbst 1941 beschwert sich der Militär-

sind in den Unterlagen vorhanden. Einzig eine

kaplan Don Calogero Guttilla, der auf einen bal-

undatierte Ansicht der Nordfassade liegt auf, die

digen Abschluss der Arbeiten drängte, um gemäß

Fugenmalerei und Freskenreste im Bereich der

mündlicher Absprache mit der Militärverwaltung

Kirchentür zeigt (Abb. 37–38). Außer dem Ma-

den Raum als Garnisonskirche zu verwenden,

rientod rechts und der Verkündigung über der Tür

über Rusconi beim Ministerium in Rom. Der

sind links davon noch drei Heilige zu erkennen,

Bischof von Trient hätte schon im April 1940

von denen Morassi einen als heiligen Martin be-

dem kommandierenden General die Kirche für

zeichnet . Im Frühjahr 1941 erfolgt einerseits die

die Soldaten zugesprochen, Rusconi habe aber

Verlegung der Porphyrstufen und des Bodens im

die Arbeiten hinausgezögert und erst im Novem-

Langhaus, andererseits eine Spende der Sparkasse

ber des Jahres mit großer Langsamkeit wieder

von 10.000 Lire, die sofort der Baufirma über-

aufgenommen. Besondere Klage führt Guttilla

37. Zeichnung der nördlichen Kirchenfassade, um 1940

wiesen werden. Das Geld reichte aber nicht, und

über die von Rusconi geplante Rekonstruktion

38. Nördliche Kirchenfassade

53

29


des Lettners, den er als „eine Brücke, welche die Kirche überqueren sollte“ bezeichnet. Da er darin eine sinnlose Teilung des Kirchenraumes sah, polemisierte er gegen Rusconi, der selbst nicht wisse, welchen Zweck der Lettner habe, wenn man ihn frage, „ob er eine Wasserleitung, eine Autobahn oder eine Eisenbahn tragen solle“. Der Brief schließt mit dem Wunsch, das Unterrichtsministerium, von dem Rusconi abhängt, möge eine entsprechende Weisung erlassen. Rusconi nahm zu dieser massiven Kritik Stellung und legte, um sich abzusichern, im Januar 1942 das entsprechende, leider nicht erhaltene Projekt dem Consiglio Nazionale della Educazione, delle Scienze e delle Arti vor. Wie Guglielmo De Angelis d’Ossat schon im März Rusconi vertraulich mit39

teilt, gab der Beirat ein positives Gutachten ab und stellte sich somit hinter den Soprintendente. Im gleichen Monat verfasst Rusconi eine neuerliche Bitte um Geldmittel, diesmal nicht an den Präfekten Agostino Podestà, der inzwischen zum Hochkommissar für das Umsiedlungsabkommen ernannt worden war, sondern an das Unterrichtsministerium in Rom. Im Juli 1942 ersucht der Bischof von Trient, Celestino Endrici, in einem persönlichen Handschreiben an Rusconi um die Fertigstellung der Restaurierung. Er möchte die Kirche nicht für das Militär, sondern für die Seelsorge der italienischen Bevölkerung von Bozen verwenden. Dem Bischof dürfte kaum bekannt gewesen sein, dass bereits 1858 das Dekanalamt Bozen um die Überlassung der Dominikanerkirche „für die Abhaltung des Italienischen GottesDienstes“ angesucht hatte. Mit „Rücksicht auf die Notwendigkeit dieses Gebäudes für die Militärverwaltung“ wurde damals die Bitte abgelehnt61. Am 8. September 1943 erfahren wir aus einem Schreiben Rusconis, dass die Maurerarbeiten noch nicht abgeschlossen sind, drei Wochen später bemüht sich Josef Ringler, der Leiter der Abteilung Kunst der Kulturkommission, um die Behebung

40

von Schäden am Kirchendach, die infolge von Bombenabwürfen auf Bozen entstanden sind.

39. Die Kirche nach den Bombenangriffen im Jahr 1944, Bozen, Südtiroler Landesarchiv

Rusconi bedankt sich dafür bei Ringler und er-

40. Die Kirche nach den Bombenangriffen im Jahr 1944, Bozen, Denkmalamt

schädigt worden ist, reparieren zu lassen. Dies

30

sucht ihn auch, die Kirchentür, die ebenfalls be-


sollten aber nur vergleichsweise geringe „Kratzer“

abzutragen, „um eine ruhige Ecke als Grünfläche

sein, denn am 29. März und am 13. Mai 1944

gestaltet“ zu gewinnen. Seiner Meinung nach sei

trafen mehrere Bomben die Kirche und richteten

mit der Erhaltung des Chores die Erinnerung an

schwerste Schäden an (Abb. 39–40). Dach, Ge-

die Kirche gewahrt, und außerdem würde man

wölbe sowie ein großer Teil der Ost- und Nord-

auf diese Weise einen „Schandfleck“ beseitigen,

mauer des Langhauses waren völlig zerstört, im

der mit dem bereits wieder aufgebauten Rest des

Chor hatte ein Treffer Dach und Gewölbe durch-

Platzes kontrastiere. Guiotto reagiert geschickt

geschlagen, die beiden letzten Geschosse und der

und reicht den Fall an das Ministerium in Rom

Helm des Turmes waren eingestürzt.

weiter, nicht ohne eine ausführliche negative

Zwei Monate nach Kriegsende, im Juli 1945,

Stellungnahme zum Vorschlag der Gemeinde

erstellte Rusconi einen Kostenvoranschlag zur Be-

beizulegen. Als Alternativen schlägt er vor, die

hebung der ärgsten Schäden wie Abräumen des

Außenmauern des Langhauses aufzubauen und

Bauschutts, Bergung von Architekturelementen,

mit einem offenen Dachstuhl zu versehen oder

Stützmaßnahmen an einsturzgefährdeten Bau-

den ehemaligen Kirchenraum zu einem Audi-

teilen, Aufsetzen eines Daches auf die Johan-

torium für künstlerische und kulturelle Zwecke

neskapelle, Schutzdächer über den Fresken im

umzugestalten. Schon vor der offiziellen Antwort

Langhaus und an der Fassade, Anbringen von

aus Rom berichtet die Presse63, dass sich Unter-

Japanpapier auf den Fresken. Im Januar 1946

staatssekretär Vischia und der Generaldirektor

wird nochmals die noch nicht erfolgte Räumung

des Denkmalamtes in Rom, De Angelis d’Ossat,

von Schutt verlangt, im Frühjahr ein weiterer

anlässlich eines Besuches in Bozen für den Wie-

Voranschlag erstellt, im Juli der Vertrag für die

deraufbau des Langhauses ausgesprochen haben.

Deckung des Chores ausgefertigt. Das Dach über

Im April 1952 entscheidet das Unterrichtsminis-

der Johanneskapelle ist im August bereits fertig.

terium für den Wiederaufbau, wobei die Bauar-

Von Wasserschäden im Kapitelsaal erfahren wir

beiten vom Provveditorato alle Opere Pubbliche

im Herbst, da dort noch kein Dach vorhanden

di Trento und vom Ufficio del Genio Civile in

war. Rusconi ersucht den Bürgermeister um ra-

Bozen durchgeführt werden sollen.

sche Maßnahmen, sieben Monate später antwortet

Im Mai 1953 kommt endlich der Vertrag

die Gemeinde, dass die Abdeckung des darüber

zwischen dem Denkmalamt und der Bauunter-

liegenden Konzertsaals gut voranschreite. Ende

nehmung Angelo Turetta zur Unterschrift, es

1946 schätzt Rusconi den gesamten Wiederauf-

sollte aber noch mehr als ein Jahr vergehen, bevor

bau der Kirche auf 33 Millionen Lire. Im März

im Juli 1954 „nach gewissen lokalen Hindernis-

1949 beginnt das Denkmalamt mit den Arbeiten

sen“64, die Arbeiten endlich wieder aufgenommen

an der Nordfassade der Kirche, im Frühjahr 1951

wurden. Warum in den ersten Nachkriegsjahren

wird an der Holzdecke der Katharinenkapelle ge-

nicht mehr weitergearbeitet wurde, dafür hatte

arbeitet, anschließend restauriert Carlo Andreani

auch Mario Guiotto keine Erklärung. Für die

die Fresken der Kapelle.

Abschlussmauer der ehemaligen Thomaskapelle

In einem Zeitungsartikel wird erstmals

an der Ostseite liefert Guiotto eine Zeichnung.

die Möglichkeit erwogen, das ehemalige Lang-

Im Herbst wird an den Außenmauern, an den

haus der Kirche in eine Grünfläche umzugestal-

Pfeilern und an der Rosette gearbeitet, weitere

ten. Mag dies als Meinung eines Journalisten

Maßnahmen sind am Turm und am Gewölbe des

im berüchtigten Sommerloch abgetan werden,

Kapitelsaals geplant. Im Juni 1955 ist der Wie-

so staunt man, dass wenig später, im Oktober

deraufbau des Gewölbes im Chor vorgesehen.

1951, der Bozner Bürgermeister Lino Ziller dem

Drei Jahre später erfolgt der Wiederaufbau des

neuen Leiter des Denkmalamtes, Mario Guiotto,

Lettners, um dessen Erforschung sich Rusconi

allen Ernstes den gleichen Vorschlag unterbreitet,

besonders verdient gemacht hatte. Die Polemik

nämlich die Ost- und Nordmauer des Langhauses

des Militärkaplans von 1941 war längst verges-

62

41

41. Kunstausstellung im Dominikanerkreuzgang. Links Nicolò Rasmo, um 1952–1956, Bozen, Stiftung N. Rasmo-A. von Zallinger

31


sen, die seltene Möglichkeit, einen Lettner, den einzigen in Südtirol, wieder erstehen zu lassen, konnte nunmehr entsprechend umgesetzt werden. Gisberto Martelli hatte schon 1947 auf dieses interessante Architekturelement hingewiesen und in der Franziskanerkirche von Rothenburg ob der Tauber ein Vergleichsbeispiel ausgemacht, das ebenso wie in Bozen vier Kapellen und einen zentralen Durchgang aufweist und zwischen 1285 und 1309 entstanden ist65. Ähnliche Lettner findet man auch in den Dominikanerkirchen von Gebweiler im Elsaß und von Erfurt, dort aller42

43

dings aus späterer Zeit. Martellis Erwähnung des Lettners in der Franziskanerkirche von Bozen, der bis 1792 bestanden hatte66, konnte im Verlauf der Kirchengrabung von 1990 bestätigt werden. Zugleich mit dem 1348 geweihten Mönchschor entstand auch in jener Kirche eine Lettneranlage mit einem zentralen Durchgang und je zwei seitlichen Kapellen wie in der Dominikanerkirche. 1959 wird die Innenrestaurierung des Chores durch Siegfried Valtingojer unter der Aufsicht von Nicolò Rasmo durchgeführt. Als neu ernannter Leiter des Denkmalamtes in Trient fordert dieser am 17. Mai 1960 die Fertigstellung der Stuckaturen im Chor, des Lettnerbodens in Kalkstein, der Ausmalung der Kirche in Kalk. Wann genau die Entscheidung des Ministeriums fiel, die wieder aufgebaute Kirche für den Kult zu nutzen, scheint nicht auf. Im Sommer 1953 meldet die Gemeinde in einem Schreiben an das Denkmalamt Interesse am zukünftigen

44

45

Raum für Kunstausstellungen und für Vorträge wissenschaftlicher und kultureller Art an. Neben einer kirchlichen Zweckbestimmung und einer Nutzung im Rahmen des Konservatoriums wäre dies eine dritte Möglichkeit. Tatsächlich fand im Oktober 1955 die IV. Regionale Kunstausstellung in der inzwischen eingedeckten Kirche statt (Abb. 41). Auch der Südtiroler Künstlerbund stellte im

42. Gewölbe des Kapitelsaals mit „Guckloch“ zur Sichtbarmachung der Trecento-Fresken

September 1956 und im Mai/Juni 1957 in der

43. Malerische Rekonstruktion der Stuckaturen im Kirchenchor, 1986–1987

dem Pfarramt Bozen in Konzession überlassen,

44. Plastische Rekonstruktion der Stuckaturen im Kirchenchor, 1986–1987 45. Fugenmalerei an der Kirchenostseite

32

Kirche aus. Im gleichen Jahr wurde die Kirche 1960 tritt zum ersten Mal die Rettoria della chiesa di S. Domenico als Nutzerin der Kirche auf. 1959 fehlten noch die Gewölbe im Langhaus und die


Vollendung des Turmes, von dem damals erst ein Stock wieder aufgebaut war. 1961 wurden 20 Millionen Lire für die Rekonstruktion des Langhausgewölbes, weitere fünf für jene der zerstörten Stuckaturen im Chor in Anschlag gebracht. Die Ragioneria dello Stato beanstandete aber letztere Summe, da sie einer künstlerischen Maßnahme galt und daher vom Unterrichtsministerium hätte bezahlt werden müssen. Im Februar 1961 begannen die Arbeiten am Langhausgewölbe, für die Stuckaturen fehlte die Finanzierung. Während Mario Guiotto nur den Wiederaufbau der Außenmauern des Langhauses geplant hatte, ist es Nicolò Rasmo zu verdanken, dass auch die Gewölbe wieder rekonstruiert wurden. Auf diese Weise hat man nicht nur den Vorkriegszustand wiederhergestellt, son46

dern auch einer verlockenden Versuchung widerstanden. In Italien wie in Deutschland nahmen Denkmalpfleger häufig die Kriegszerstörungen zum Vorwand, um einen vermeintlichen „Originalzustand“ zu präparieren und dabei jüngere Umbauten und Umgestaltungen bedenkenlos zu opfern. Eine ähnliche Diskussion gab es auch beim Wiederaufbau der Franziskanerkirche in Bozen. Das Denkmalamt unter der Leitung von Mario Guiotto wollte das Langhaus in den älteren Zustand mit Holzdecke ohne Gewölbe zurückführen, die Patres und der von ihnen beauftragte Architekt Erich Pattis67 das Gewölbe wieder aufbauen. Aus heutiger Sicht war die Entscheidung richtig, in beiden Fällen den historisch gewachsenen Zustand mit den spätgotischen Gewölben in den frühgotischen Außenmauern wiederherzustellen. Auch die Vollendung der Turmrekonstruktion, die 1959 noch nicht abgeschlossen war68, fällt in

47

jene Zeit. Die Restaurierung der Wandmalereien im Kapitelsaal erfolgt im Herbst 1968. Dabei ließ Rasmo originelle „Gucklöcher“ ins spätgotische Gewölbe schneiden, um einzelne Köpfe und Figuren der älteren Ausmalung sichtbar zu machen (Abb. 42). Zu gleicher Zeit wurde auch die Apsis der Katharinenkapelle wieder rekonstruiert. Mit dem 1972 errichteten Anbau der neuen Kapelle an der Ostseite des Langhauses zur Aufnahme

46. Das Marientod-Fresko während der Restaurierung, Kirchenfassade 47. Deckenbild mit den Geheimnissen des Rosenkranzes nach der Restaurierung, Chorgewölbe

33


48

48. Deckenbild mit den Geheimnissen des Rosenkranzes während der Restaurierung, Detail, Chorgewölbe

34

des Merkantilaltars fanden die Maßnahmen des

Langhauses vorgenommen, anschließend erfolgte

Denkmalamtes in Trient ein Ende. Am 1. De-

nach Entfernung der vorhandenen synthetischen

zember 1973 wurde das Amt aufgelöst, die Zu-

Anstriche eine Neutünchung in Kalktechnik (Fa.

ständigkeit für den Bereich Denkmalschutz und

Tecnobase, Trient). Die Sandsteinrahmungen an

Denkmalpflege im Sinne des Autonomiestatutes

Türen und Fenstern und die Rosette im Norden

von 1972 den autonomen Provinzen Bozen und

wurden gefestigt, an den Fenstern zum Kreuzgang

Trient übertragen. Die ehemalige Dominikaner-

wurden Reste einer jüngeren Graufassung, wohl

kirche in Bozen und die ehemaligen Klosterbauten

um 1600, in Sicht belassen. Architekt Bardelli

verblieben aber mit wenigen anderen Bau- und

hatte vorgeschlagen, die an zwei Stellen sichtbare

Bodendenkmälern weiterhin in der Zuständig-

spätgotische Oberflächengestaltung mit weißem

keit des Staates. Das Denkmalamt von Verona,

Fugennetz auf grauem Naturputz vollständig zu

in dessen Obhut die Bauten standen, ließ 1978

rekonstruieren, das Denkmalamt verlangte, bei

das Mauerwerk im Bereich des Chores und der

der bestehenden Fassung zu bleiben und einzig

Johanneskapelle sanieren, die Wandmalereien in

an der Ostfassade eine bereits früher freigelegte

der Kapelle restaurieren. 1981 restaurierte Mau-

Musterfläche als „Fenster in die Vergangenheit“

rizio Tagliapietra die Malereien, die in den beiden

sichtbar zu lassen (Abb. 45). Ob diese in der Ti-

Lettnerkapellen und am Bogen der Thomaskapelle

roler Spätgotik weit verbreitete Fassadengestal-

erhalten geblieben sind. Wenig später, 1985 und

tung ins 14. Jahrhundert oder wahrscheinlicher

1986, nahm die Firma Tecnobase aus Trient Aus-

auf den Umbau im ausgehenden 15. Jahrhundert

besserungen am Dach beziehungsweise Restau-

zurückgeht, ist nicht klar. Der Marientod rechts

rierungen am Verputz und an den Werksteinen

vom Nordportal der Kirche war, obwohl vor rund

außen am Mönchschor vor. Nachdem das Denk-

20 Jahren restauriert, wiederum so verschmutzt,

malamt in Trient schon 1961 den Vorschlag zur

dass Adriano Salvoni eine Reinigung und Fes-

Rekonstruktion der fehlenden Stuckornamente

tigung vornehmen musste (Abb. 46). Von der

ausgearbeitet hatte, kam es 1986–1987 endlich

darüber dargestellten, heute nicht mehr leserli-

dazu (Fa. Arecon) (Abb. 43). Das Amt in Verona

chen Marienkrönung kam ein Engelskopf zum

hatte eine Ergänzung rein malerischer Art in Auf-

Vorschein, und oberhalb des Portals wurde eine

trag gegeben, das heißt, die Stuckaturen sollten

schwungvolle Vorzeichnung eines Frauenkopfes

auf die neue Putzfläche nur gemalt werden. Nach

freigelegt. Im folgenden Jahr ließen Besorgnis

Abbau des Gerüstes erkannte man vom Boden

erregende Rissbildungen im Fensterbereich des

aus, dass das Ergebnis unbefriedigend war, und

ehemaligen Mönchschores eine Monitorüber-

ließ nunmehr die Ornamente wie ursprünglich

wachung des Schadensbildes ratsam erscheinen.

dreidimensional in Stuck anbringen (Fa. Eugenio

Das Ergebnis erforderte keine zusätzlichen Siche-

Talenti, Bozen) (Abb. 44). Die Farbfassung erfolg-

rungsmaßnahmen. Die Sandsteinrahmungen und

te dabei unverständlicherweise nicht in Kalktech-

das Maßwerk der Fenster wurden gereinigt und

nik, sondern in Kunstharzfarben.

stellenweise gefestigt. Dabei zeigte sich, dass im

Ende 1998 wurden mit anderen Bauten auch

Maßwerk des Südwestfensters gefärbte Butzen-

die Dominikanerkirche und das ehemalige Klos-

scheiben aus der Zeit vor dem barocken Umbau

tergebäude in die Denkmalpflegezuständigkeit des

noch vorhanden waren. Die Fassaden erhielten

Landes überführt. Auf Betreiben des Pfarrers Don

einen hellen Kalkanstrich, dessen Ton sich am

Carlo Moser erstellte Architekt Luciano Bardel-

Langhaus orientierte. 2004 wurde im Chor eine

li, der schon 1990 umfassende Instandhaltungs-

Bodenheizung eingebaut, anschließend wieder ein

maßnahmen geplant hatte, ein Gesamtprojekt

Terrazzoboden verlegt. Die Innenrestaurierung

für die Restaurierung der Kirche, das vom Lan-

des Chores umfasste die Reinigung sowie vor

desdenkmalamt Bozen genehmigt wurde. 2001

allem die Entfernung des Dispersionsanstriches

wurden Putzausbesserungen an den Fassaden des

von 1987–1988 an den Wänden und am Ge-


wölbe. Außer notwendigen Ausbesserungen am originalen und am rekonstruierten Stuck wurden die Wandpilaster aus Stuckmarmor wieder aufpoliert. Adriano Salvoni reinigte und restaurierte die barocken Deckenbilder mit den Geheimnissen des Rosenkranzes (Abb. 47–48). Zwei der drei bombenzerstörten Medaillons am Gewölbescheitel wurden im Auftrag der Kirchenverwaltung von Robert Scherer neu bemalt. Die Taufe im Jordan und die Rosenkranzkönigin, mit vorherrschenden Blau- beziehungsweise Rottönen in alter Freskotechnik ausgeführt, stellen einen kleinen Beitrag zeitgenössischer Kunst zur Ausschmückung des Raumes dar (Abb. 49–50). Schließlich restaurierte Adriano Salvoni die Reste des rot-weißen Schachbrettmusters an der Stirnseite der gemauerten Altarmensa, das Fragment eines gemalten Sakramentshäuschens links und das blau-grüne Blattornament in der steingerahmten Sitznische

49

rechts vom Altar sowie zwei Fragmente rechts ne-

50

ben der Nische. Die Malereien stammen alle aus dem 14. Jahrhundert, auf einem Fragment liegt eine spätere Malschicht mit einem Gerippe aus der Zeit um 1600. In den Jahren 2007–2008 konnte die Gesamtrestaurierung im Langhaus abgeschlossen werden. Putzschäden am Gewölbe und an den Wänden wurden behoben, anschließend eine Kalktünche aufgetragen (Fa. Tecnobase, Trient). Besondere Sorgfalt verwendete die Restauratorin Sara Metaldi auf die Untersuchungen zur Farbigkeit der spärlichen Reste an originalen Rippen und Pfeilern69. Die im unteren Abschnitt vermauerten Fenster in der Westwand wurden wieder geöffnet und neu verglast. Die Wandmalereien im Inneren hat Adriano Salvoni gereinigt und stellenweise gefestigt. Nach dem Einbau einer Bodenheizung wurden helle Kalksteinplatten verlegt, die Treppe, die den Höhenunterschied vom Platz zum Kircheninneren überwindet, laut Entwurf von Architekt Luciano Bardelli neu gestaltet. Das gotische Kreuz wurde als Triumphbogenkreuz oberhalb des Lettners angebracht. Die Herkunft der bedeutenden, stark expressiven Skulptur ist nicht geklärt. An der Mauer zur ehemaligen Nikolauskapelle, wo früher das Kreuz hing, fand nunmehr das An-

49. Robert Scherer, Rosenkranzkönigin, Chorgewölbe

50. Robert Scherer, Taufe im Jordan, Chorgewölbe

35


51

52

53

tependium aus getriebenem Silber mit den vier

beeinflusst sind. Den Bezug zu Verona und Padua

Evangelisten und zwei biblischen Szenen, das der

hatte man ja schon 1915 von deutscher Seite er-

Bildhauer Iginio Legnaghi (geb. 1936 in Verona)

kannt, die Herkunft der wichtigsten Auftragge-

in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts ge-

ber, der Botsch aus Florenz, bot eine zusätzliche

schaffen hatte, einen neuen Platz. Der damalige

und einleuchtende Erklärung. Davon ausgehend

Pfarrer Adelio Frasnelli hatte es für den Choraltar

sollte aber eine italianità oder latinità Südtirols

in Auftrag gegeben, zugleich mit dem Kreuz, das

bewiesen werden, was damals ja kein Einzelfall

heute noch darüber hängt, Nicolò Rasmo aber

war. Mit ähnlichen, archäologisch-kunsthistori-

sofort seine Entfernung angeordnet, da es die

schen Argumenten wurde das Gleiche auch für

gemalte Schachbrettdekoration der Mensa aus

Dalmatien versucht.

dem 14. Jahrhundert verdeckte. Auf dem Ante-

Die an dieser Kirche so besonders offenkun-

pendium stehen zwei moderne Holzskulpturen,

digen Wechselbeziehungen von Nord und Süd hat

Maria und Antonius. Der Grödner Künstler Paul

man hingegen bewusst ausgeblendet. Einige dieser

de Doss Moroder (geb. 1964 in St. Ulrich) ge-

Aspekte sollen daher hier aufgezeigt werden. Ob-

staltete die neuen liturgischen Orte, Volksaltar,

wohl das Kloster nicht von Regensburg, wie frü-

Ambo und Sedilien (Abb. 51). Seine Tonmodelle

her behauptet, sondern von Trient aus gegründet

wurden vom Atelier wiener&winzig in Thalgau

wurde, entsprechen Langchor und Lettner dem

bei Salzburg in Neusilber gegossen und auf einem

Typus oberdeutscher Bettelordenskirchen des frü-

Holzpodium vor dem Lettner aufgestellt. Schließ-

hen 14. Jahrhunderts, deren Langhaus allerdings

lich entwarf der Bildhauer Iginio Legnaghi die

meist dreischiffig gegliedert war, während man

neuen Portale zum Platz und zur Straße, die als

sich in Bozen wohl aufgrund der geringeren Nut-

Bronzeplatten auf Holz ausgeführt wurden (Abb.

zungsansprüche mit einem einschiffigen Saalraum

52). Die minimalistisch schlichten Türen – den

begnügte. Die Wandmalereien ab 1320 sind hin-

einzigen Schmuck des Hauptportals bildet die In-

gegen der oberitalienischen Malerei in der Nach-

schrift „Ego sum ostium per me si quis introierit

folge Giottos verpflichtet und bringen erstmals

salvabitur et ingredietur et egredietur et pascua

diese neue Kunstrichtung ins südliche Tirol. Die

inveniet“ (Joh 10,9) – stellen den künstlerischen

Fülle von Fresken, die in der Folge Tiroler Adelige

Schlusspunkt der Arbeiten dar. Aus technischer

und Bürger in ihren Kirchen und Kapellen stiften,

Sicht ist noch die neue Beleuchtungsanlage her-

wäre in diesem Ausmaß ohne das faszinierende

vorzuheben (Abb. 53).

Vorbild der Botsch in Bozen, das sich nicht auf

In einer Wertung der sich über einen langen

die Dominikaner beschränkt, sondern auch die

Zeitraum hinziehenden Restaurierungsschritte

Franziskaner und die Kirche St. Johann im Dorf

(1935–2008) gilt es zwischen den ausgeführten

umfasst, wohl nicht denkbar. Andererseits erfolgt

Arbeiten und deren ideologisch gefärbter Inter-

im ausgehenden 15. Jahrhundert die Einwölbung

pretation zu unterscheiden. Die Maßnahmen

des Langhauses in den Formen einer Hallenkirche

selbst zeugen von hohem Verantwortungsgefühl

der süddeutschen Sondergotik und arbeitet ein

und Können gegenüber dem Denkmal in all sei-

Friedrich Pacher im Kreuzgang, dessen Stil die

nen Phasen, die Barockzeit mit einbezogen, was

Tiroler Spätgotik wesentlich prägt. Schließlich

weder vor noch unmittelbar nach dem Zweiten

steht dem prachtvollen, vom Merkantilmagistrat

Weltkrieg selbstverständlich war. Die nationalis-

bestellten Altarblatt des Guercino die Stuckaus-

tisch überhöhte Interpretation der Arbeiten mit

stattung des Mönchschores in süddeutsch-öster-

ihrer grotesken Ausdrucksweise gehört einem

reichischen Rokokoformen gegenüber. In dieser

vergangenen Kapitel der Zeitgeschichte an. Nie-

Fülle von verschiedenen Einflüssen, die trotz

51. Paul de Doss Moroder, Altar

mand wird leugnen, dass die Wandmalereien des

großer Verluste dank sorgfältiger Restaurierungen

52. Igino Legnaghi, Hauptportal

14. Jahrhunderts in der Dominikanerkirche und

auf uns gekommen sind, besteht der einzigartige

53. Beleuchtungsanlage

ihren Kapellen zur Gänze von italienischer Kunst

Reiz der Kirche.

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Die vor 225 Jahren erfolgte Aufhebung hat die geistlichen, geistigen und kulturellen Verbindungen zwischen dem Dominikanerkloster und den Bürgern von Bozen plötzlich unterbrochen, während sie zum Franziskanerkloster bis auf den heutigen Tag bestehen. Die Nutzung der Gebäude durch das österreichische Militär verstärkte die Entfremdung. Die Vereinnahmung durch den italienischen Staat, die nicht zuletzt in der bis 1998 anhaltenden Zuständigkeit des Denkmalamtes von Verona sichtbaren Ausdruck fand, und die stark nationalistisch gefärbte Propaganda der Zwischenkriegszeit taten ein Weiteres, um bei vielen Bozner Bürgern deutscher Muttersprache die Kirche zu verdrängen. Deren künstlerische Bedeutung verdient es heute nach abgeschlossener Restaurierung mehr denn je, dass sie nicht nur von Touristen, sondern auch von Einheimischen aller drei Sprachgruppen als großartiges Bau- und Kunstwerk wahrgenommen, besucht und geschätzt wird.

Meinhard Reg. Nr. 172. Vgl. den Beitrag von Alberti/Bombonato/Dal Ri in der vorliegenden Publikation. 3 Atz/Schatz 1903, S. 58. 4 Obermair 2005, Nr. 507. 5 Messmer 1857, S. 97. 6 Rasmo 1980, S. 48. 7 Laimer 2007, S. 174. 8 Archiv des Landesdenkmalamtes Bozen, Akte Dominikanerkirche Bozen. 9 Schenkluhn 2000, S. 196 ff. 10 Russwurm-Birò 2001, S. 168. 11 Wolkenstein 1936, S. 165. 12 Atz/Schatz 1903, S. 217. 13 Egg 1986, S. 223. 14 Atz/Schatz 1903, S. 61. Fotos haben sich erhalten von Christus, Andreas und einer Maria lactans. 15 Südtiroler Landesarchiv, freundlicher Hinweis von Dr. Walter Schneider. 16 Rasmo 1941, S. 366. 17 Rasmo 1941, S. 366–368. Das Wappen der Küsfelder identifizierte Rasmo 1947, S. 39. 18 Rasmo 1941, S. 365. 19 Wolkenstein 1936, S. 165. Vgl. den Beitrag von Alberto Alberti in der vorliegenden Publikation. 20 Obermair 2005, Nr. 319. 21 Obermair 2005, Nr. 633. 22 Zitiert nach von Hohenbühel 1891, S. 52. 23 Zitiert nach Mayerhofen, Kapitel Edle von Koburg. 24 Rasmo 1941, S. 359–360. 25 Spada Pintarelli/Bassetti 1989, S. 42. 26 Messmer 1857, S. 97. 27 Martelli 1947, S. 48. 28 Sparber 1930, S. 202. 29 S. Weber, Artisti Trentini 1977, 73. 30 Hettche 2008, S. 7. 31 Tiroler Landesarchiv TLA Innsbruck Karten und Pläne, Nr. 473/8. 32 Guiotto 1960, S. 97. 33 Schenkluhn 2000, S. 11. 34 100 Jahre 2008, S. 311. 35 Propsteiarchiv Bozen, Schachtel 598, Brief vom 27. August 1858. 36 Propsteiarchiv Bozen, Schachtel 598, Brief vom 24. November 1858. 37 Propsteiarchiv Bozen, Schachtel 598, Brief vom 2. April 1871. 38 Mittheilungen1902, Sp. 348, Atz 1902, Sp. 353. 39 Atz 1902a, Sp. 353. 40 Mittheilungen 1903, S. 59. 41 Mittheilungen 1910, S. 349. 42 Garber 1915, S. 145–148. 43 Gerola 1922 (1990), S. 476–477. 44 Gerola 1926 (1990), S. 705. 45 Propsteiarchiv Bozen, Schachtel 1637, Brief vom 26. August 1931. 46 Propsteiarchiv Bozen, Schachtel 1637, Brief vom 1. Dezember 1931. 47 Morassi 1934, S. 193, Anm. 25. 48 “I lavori nell’antica chiesa di San Domenico a Bolzano, che abbiamo così lungamente invocati, sono stati iniziati ed hanno portato alla scoperta di affreschi che si sapeva trovarvisi coperti dal vandalico scialbo dei tempi austriaci. Lo scoprimento totale di quello che si può dire il più grande complesso pittorico di Bolzano sta rendendo già i migliori risultati: nuovo documento dell’antica e profonda italianità di queste terre. […]. Salutiamo con 1 2

profonda gioia, nel cuore di Bolzano d’Italia, l’insigna testimonianza.“ Antichità 1934, S. 947. 49 Das Maßwerk im nördlichen Fenster der Ostwand wurde ebenfalls rekonstruiert. Freundliche Mitteilung von Arch. Luciano Bardelli. 50 Rusconi 1935, S. 622. 51 Verzár-Bass 1991, S. 252–262. 52 Die weitere Darstellung stützt sich, wenn nicht anders angegeben, auf die seit 2008 im Archiv des Landesdenkmalamtes Bozen gelagerten Akten. 53 Morassi 1934, S. 193. 54 Salvini 1941, S. 228–254. 55 Podestà 1942, I, S. 25. 56 Rasmo 1942a, I, S. 26–30. 57 Rasmo 1942b, I, S. 60–68. 58 Rasmo 1942c, I, S. 69–76. 59 Rasmo 1942d, III, S. 18–20. 60 Morassi 1934, S. 25. 61 Propsteiarchiv Bozen, Schachtel 598, Brief vom 3. Februar 1858. 62 L’Adige, 30. August 1951. 63 L’Adige, 16. März 1952. 64 Guiotto 1960, S. 97. 65 Martelli 1947, S. 50. 66 Martelli 1947, S. 49. 67 Pattis 1980. 68 Guiotto 1960, S. 98. 69 Ausführlicheres zu den Restaurierungsmaßnahmen im Beitrag von Adriano Salvoni und Maria Rosa Fattoretto und in dem von Sara Metaldi in der vorligenden Publikation.

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Geschichte und Funktion Zum ursprünglichen Baubestand des 1272 gegründeten Dominikanerklosters in Bozen gehörte neben der Kirche, dem Kapitelsaal, dem Refektorium, dem Dormitorium und den Wirtschaftsräumen der vierflügelige Kreuzgang an der Westseite der Kirche (Abb. 1). Der Kreuzgang ist in jedem mittelalterlichem Kloster schon durch seine Lage das architektonische und funktionale Zentrum1. Als vierflügeliger Arkadengang auf beinahe quadratischem Grundriss mit eigener Bedachung und innen liegendem Garten samt Brunnen ist er auch in Bozen an das Langhaus der Kirche gesetzt, die

Zur Restaurierungsgeschichte des Dominikanerkreuzgangs in Bozen

mit Ausnahme des vorspringenden Chorraumes und des nördlichen Joches innerhalb der Ausdehnung des Kreuzganggevierts bleibt (Stampfer, Abb. 12). Im Wesentlichen folgte man in der räumlichen Ausrichtung des Klosters auf das

Waltraud Kofler Engl

Kreuzgangsquadrat wie bei anderen Bettelordensklöstern auch hier dem Idealplan der Zisterzienser. Als Verbindungsraum zwischen den wichtigsten Konventsbauten Kirche, Johanneskapelle, Sakristei, Kapitelsaal, Katharinenkapelle, Dormitorium, Refektorium, Küche, Wirtschaftstrakt und dem Vorhof sowie als Stätte alltäglicher und liturgischer Tätigkeiten hatte der Kreuzgang verschiedenste Funktionen inne. Er war zudem Ort von Rechtshandlungen und schließlich Grablege vornehmer Laien und Stifter2. Der Kreuzgang strukturierte und ordnete die Raumbeziehungen innerhalb der Klausur, bestimmte die Wege der Bewohner und Besucher. Die Stifterbilder, die Grabsteine und die archivalischen Nennungen sprechen zudem für eine öffentliche Zugänglichkeit, wenn auch, wie für monastische Anlagen im Vergleich zu den Kathedral- oder Domkreuzgängen üblich, in begrenztem Ausmaß. Seiner Bedeutung entsprechend war der Kreuzgang neben der Klosterkirche und den Kapellenbauten Gegenstand besonderer architektonischer Gestaltung und künstlerischer Ausstattung. Den 1308 als Ort einer Beurkundung erstmals erwähnten Kreuzgang des Dominikanerklosters in Bozen3 haben wir uns mit flacher Holzdecke, Bogenöffnungen zum Garten und Pultdach vor-

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zustellen. Er entsprach im Ausmaß der heutigen Anlage. Einzelne Bildfelder und Fragmente von Wandmalereien lassen auf eine zumindest partielle Ausmalung in dem der Kirche nahen Ostund Südflügel bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts schließen. Ein zusammenhängendes ikonografisches Programm ist allerdings nicht zu erkennen. Es dürfte sich um Einzelbilder im Auftrag von Stiftern und im Kreuzgang Bestatteter gehandelt haben. Der Totenschild über dem Zugang zur Johanneskapelle (um 1348), das Wappen eines Fuchs von Fuchsberg beim Stifterbild der Maria mit Kind und der heiligen Katharina im Südflügel über der Tür zum Kapitelsaal aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und das Stifterbild mit der Thronenden Madonna, den Heiligen Jakob und Antonius Abt von 1395–1400 weisen eindeutig darauf hin. Von den giottesken, 1329 datierten Malereien sind nur noch die Fragmente eines Schmerzensmannes mit Ordensheiligen, des Schweißtuches der Veronika und eines Bildes mit Stifterpaar erhalten geblieben4 (Abb. 2). Eine wesentliche Veränderung im Vergleich zu seiner heutigen Baugestalt erfuhr der Kreuzgang mit dem Umbau am Ende des 15. Jahrhunderts. Die Einwölbung ist durch eine Rechnung

1

von 1494/95 über 360 Gewölberippen belegt5. Meister Hans Hueber von Villach, dem auch die Einwölbung des Langhauses zugewiesen wird, leitete die Arbeiten6. Die vier Flügel erhielten großzügige Spitzbogenöffnungen mit SandsteinDreipassbögen zum Garten (Abb. 3). Je vier Joche in den Flügeln und vier in den Ecken sind mit wechselnden Kreuzrippengewölben überspannt. Die Wandflächen entlang der Kirchenwand und der Fassaden von Sakristei, Kapitelsaal und Katharinenkapelle im Ost- und Südflügel wurden vollständig, der West- und Nordflügel partiell mit einer neuen malerischen Ausstattung versehen. Die Wappen belegen, dass die Ausmalung der einzelnen Arkaden im Auftrag profaner Stifter wie der Liechtenstein-Schrofenstein, der Botsch, Rogger, Wirsung, Niederthor und Wolkenstein erfolgten. Obwohl von verschiedenen Auftraggebern und Malern stammend, wurde ein mit der Verkündigung neben dem Hauptzugang im Ostflü-

1. Dominikanerkreuzgang, Westflügel

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gel beginnendes und im Westflügel mit dem Tod Mariens endendes fortlaufendes, in sich geschlossenes ikonografisches Programm ausgeführt7. Die Hauptszenen sind auf den kirchenseitigen Ostflügel und auf den Südflügel vor dem Kapitelsaal konzentriert – Bereiche, die aufgrund der räumlichen Lage und der zentralen Konventsfunktion einen herausragenden Stellenwert hatten. Eine übergeordnete Konzeption des Programms durch den Konvent, der bei nur begrenzter öffentlicher Zugänglichkeit auch der Hauptrezipient war, ist anzunehmen. Friedrich Pacher und seine Werkstatt, darunter der sogenannte Korbinian- oder Barbarameister, malten um 1496 im Ostflügel neben dem Hauptzugang die Verkündigung im Hortus Conclusus mit der mystischen Einhornjagd 8, in den folgenden Arkaden die Heimsuchung und Geburt Christi samt den zugehörigen Gewölbefeldern mit Propheten und Kirchenvätern, in der sechsten, siebten, achten und elften Arkade des Südflügels Szenen aus dem Leben und der Passion Christi mit alttestamentarischen Vorbildern und Prophetenbüsten. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts schufen der Bozner Maler Sylvester Müller und sein Zeitgenosse Konrad Waider die Heilige Sippe, 2

die Anbetung der Könige im Ostflügel, die Dornenkrönung und Geißelung Christi im Südflügel, die Auferstehung und die Himmelfahrt sowie das Pfingstwunder und den Tod Mariens im Westflügel9. Teilweise bemalt wurde auch der Nordflügel; die Malereien sind allerdings derart schlecht erhalten, dass Ikonografie und Autor nicht mehr bestimmbar sind. Das Bildprogramm ist in den rhythmisch akzentuierten Arkadenfolgen nur im Abschreiten, in der Bewegung les- und rezipierbar. Die Malereien hatten neben der Vorführung der christologischen Inhalte zur Belehrung und Meditation wohl auch die Funktion der Erinnerung und des Gedenkens an die Wohltäter und Stifter durch die Ordensmitglieder. Zwar nicht in dem Ausmaß und nicht in der prominenten Besetzung wie die Klosterkirche war bekanntlich auch der Kreuzgang Ort der Bestattung für adelige Stifter. Marx Sittich von Wolkenstein führt in

2. Trecento-Malereien mit Stiftern, Dominikanerkreuzgang, Ostflügel

40

seiner Landesbeschreibung Hans Römer als 1505 im Kreuzgang der Dominikaner bestattet an10.


Im Unterschied zur Klosterkirche, die in der

mit dem spätgotischen Kreuzgangsportal führt.

Barockzeit weitreichende Umgestaltungen und

In den von Alois Negrelli 1819 kopierten Plänen

Ausstattungen erfuhr, wurden an der gotischen

des Maurermeisters Johannes Staudach ist die Ver-

Baustruktur des Kreuzgangs keine wesentlichen

bindungstür noch vorhanden. Die Pläne zeigen

Änderungen vorgenommen. Sie beschränkten

zudem den Baubestand des Kreuzgangs vor dem

sich auf eine neue Fensterordnung in den Ober-

späteren Altmann-Umbau16 (Mura, Abb. 6–7).

geschossen, die Überputzung und Übertünchung

In der Folge blieb dem Kreuzgang dank seiner

der aus der Mode geratenen gotischen Wandmale-

zentralen Lage innerhalb des Baukomplexes und

reien und Putzoberflächen, die Anbringung neuer

seiner Verbindungsfunktion der Korridorcha-

Bildzyklen in Form von Tafel- oder Leinwandbil-

rakter erhalten, man versuchte jedoch durch das

dern und die anfallenden Instandsetzungsarbeiten.

Einstellen von Trennwänden abgeschlossene, ef-

Das Inventar von 1785/88 führt für den Kreuz-

fizienter nutzbare Raumeinheiten zu schaffen. Im

gang 26 Tafeln verschiedener Dominikanerklöster,

Stadtarchiv Bozen vorhandene Planskizzen, die

vermutlich der eigenen oder der benachbarten

weder datiert noch signiert sind17, bezeugen, dass

Ordensprovinz, 24 große Tafeln, das Leben des

bereits vor dem Projekt von Sebastian Altmann

heiligen Dominikus darstellend, 41 Tafeln von

aus dem Jahre 1877 derartige Absichten bestan-

“Cardinalen“ und eine Pförtnerglocke an . Der

den. Während der Süd- und Westflügel ohne Ein-

Verbleib der Bilder ist unbekannt12.

bauten blieben, waren im Ost- und Nordflügel

11

3

mehrere kleine Raumeinheiten geplant. Auch das Umnutzungen nach der Aufhebung des Klosters

Altmann-Projekt sah im Ostflügel kleinräumliche Verbauungen vor. Nord-, Süd- und Westflügel

Mit der Aufhebung des Klosters 1785 werden

blieben ohne entsprechende Trennwände. Aus den

auch der Kreuzgang und die anliegenden Räum-

Plänen resultiert die Aufstockung aller vier Kreuz-

lichkeiten neuen Verwendungszwecken zugeführt.

gangflügel mit neuer Mansardendachformation

Im Vergleich zu anderen Klöstern in Mitteleuro-

und -neigung sowie mit jeweils vier Dachgaupen

pa, die dasselbe Schicksal ereilte, zog das Domi-

zur Belichtung des Dachgeschosses. Die Fassaden-

nikanerkloster Bozen ein noch günstiges Los. Es

ansichten zeigen die Neugestaltung mit je vier,

blieb trotz der mit den neuen Nutzungen in Zu-

mittig über die Arkadenbogen gesetzten Rechteck-

sammenhang stehenden Umbauten und Zerstö-

fenster samt Rahmung. Altmanns Projekt ließe –

rungen zumindest als Gebrauchsobjekt erhalten.

mit Ausnahme der Aufstockung, der eingestellten

1794 wurde ihm zunächst eine Verwendung als

Trennwände für die kleinen Raumeinheiten im

Krankenhaus zugedacht. Dafür sind im Kreuz-

Ost- und Nordflügel und der Neugestaltung der

gang keine baulichen Änderungen bezeugt. Seine

Fassaden für die Obergeschosse – in der Beibe-

Funktion dürfte sich auf die der Verbindung und

haltung der Kernstruktur des Kreuzgangs einen

Erschließung der anliegenden Gebäude und als

gewissen Respekt dem historischen Baubestand

Garten beschränkt haben. Auch von der Neunut-

des Klosters gegenüber vermuten, wären da nicht

zung des Klosters als Kaserne ab 1803 scheint

die Zerstörungen durch den Abbruch der dem

der Kreuzgang unberührt geblieben zu sein13. Ab

Kreuzgang nordseitig vorgelagerten Gebäude auf

1812 sind Umbauten nach Plänen des Architek-

dem Areal des heutigen Dominikanerplatzes, die

ten Antonio Caminada bezeugt. 1851 ging der

Verbauung der Kirche und der Johanneskapelle.

Kreuzgang besitzrechtlich an die Stadt Bozen.

Anlässlich des Umbaus des Klosters für die

Im Kaufvertrag wird der Stadt das Recht einge-

k. k. Fachschule für Holzindustrie im Jahre 1901

räumt, die Verbindungstür zwischen Kirche und

siedelt Stadtarchitekt Kürschner18 im Ostflügel

Kloster zu vermauern . Dabei handelt es sich mit

des Kreuzgangs einzelne Räume für die fertig ge-

Sicherheit um die Tür in der Westwand des ersten

stellten Arbeiten der Steinmetzabteilung und im

Gewölbejoches der Kirche, welche in den Raum

Nordosteck die Schuldienerwohnung an19. Mög-

14

15

3. Arkade des Kreuzgangs gegen den Garten

41


licherweise hielt er sich bei der Ausführung an die

bereit erklärt, das Bild zu restaurieren. Hans

bereits bestehenden Trennwände des Altmann-

Semper beschreibt die Kreuzigung erstmals aus-

Umbaus. Alle anderen Flächen sind als Korridore

führlich, vergleicht sie mit anderen Tiroler Dar-

ausgewiesen. Im Hofraum war die Abortgrube

stellungen, verweist auf Einflüsse aus der Pacher-

lokalisiert (Spada/Tamassia, Abb. 1, 3).

schule und schlägt eine Datierung ans Ende des 15. Jahrhunderts vor24. 1905 erhielt der aus Hall

Erste denkmalpflegerische Eingriffe

stammende Maler und öfter zu Restaurierungen herangezogene Alfons Siber von der k.k. Statthal-

4

Im Zuge der Umbauarbeiten für die Fachschule

terei für Tirol und Vorarlberg den Auftrag, die in

entdeckte man 1901 beim Abschlagen von Putz-

Kloster und Kirche noch vorhandenen Malereien

flächen im Kreuzgang Fragmente von Wandma-

zu untersuchen, Vorschläge zur Erhaltung, eine

lereien. Aus den Akten der k.k. Central-Com-

Kostenschätzung und einen Bericht zu erstellen.

mission zur Erforschung und Erhaltung der

Leider fehlt in den zeitlich nachfolgenden Ak-

kunst- und historischen Denkmale erfahren wir

ten das Gutachten Sibers. Wohl in Anbetracht

vom Neufund20. Auf eine Zeitungsnotiz in der

der weitaus größere Aufmerksamkeit erwecken-

Reichspost vom 12. August 1902 folgten mehre-

den Wandmalereifunde in der Johanneskapelle

re Berichte des k.k. Conservators Karl Atz sowie

werden jene im Kreuzgang nicht mehr erwähnt.

die Veröffentlichung in den Mitteilungen21. Atz

Die in einem Schreiben von 1913 angekündigte

berichtet, dass man auf die Reste zweier größerer

Würdigung der Wandmalereien durch J. Garber

figuraler Darstellungen stieß, „denen sich viel-

in den Mitteilungen der Zentralkommission ist

leicht noch weitere anreihen würden, wenn man

nicht erfolgt. 1926 erwähnt Josef Weingartner

rechtzeitig danach geforscht und die sämmt-

in seiner Publikation über die Kunstdenkmäler

lichen Kreuzgangwände nicht vollständig mit

Südtirols25 sowohl das Kreuzigungsbild, an dem

neuer Tünche überzogen hätte, deren neuerliche

er die Hand Friedrich Pachers vermutet, als auch

Entfernung nach so kurzer Zeit auf verschiedene

ein Wappen aus dem 14. Jahrhundert und eine

Bedenken stößt. Bloßgelegt wurde erstens eine

darüberliegende architektonische Umrahmung

Kreuzigung, anscheinend ein Werk der Bozener

des 15. Jahrhunderts.

Malerschule des XV. Jh., namentlich merkwürdig durch die geringe Anzahl von Figuren, die darauf

Die Restaurierung

erscheinen Zweitens die Reste einer Darstellung,

der Zwischen- und Nachkriegszeit

in welcher man ein jüngstes Gericht vermuthen darf.“ Weiters verweist er auf die dringende Not-

In der Zwischenkriegszeit wurde, bis 1941 die

wendigkeit „die im Kreuzgang unter der Tünche

Adaptierung als Konservatorium begann, die Nut-

hervorgeholten und dadurch angegriffenen Ge-

zung als Schule (Scuola Industriale) beibehalten.

mälde durch Überziehung mit einer deckenden

1942 ist von Arbeiten im Kreuzgang – und zwar

Schutzschicht vor dem erfahrungsgemäß zu ge-

von einem Projekt der Südfassade, dort zu täti-

wärtigenden raschen Verwittern und Schwinden

genden Abbrüchen und der Instandsetzung des

zu bewahren.“ (Papola/Scattolini, Abb. 4, 10b).

Konzertsaales – die Rede26. Aus einem Bericht von

1903 wird diese Forderung erneut angeführt und

Nicolò Rasmo, Inspektor des Staatlichen Denk-

berichtet, dass „ein weiteres Nachforschen nach

malamtes in Trient, an den Konservator Mario

Wandmalereien in der ehemaligen Dominikaner-

Guiotto von 1950 erfahren wir, dass zur Zeit der

kirche und dem anstoßenden Klosterkreuzgange

nationalsozialistischen Besetzung Südtirols im

zu Bozen derzeit untunlich wäre, da die Wände

Jahre 1944 der von den Nazis als Nachfolger von

frisch getüncht seien...“ Laut Atz23 hatte sich der

Konservator Antonino Rusconi ernannte Kom-

aus Bozen gebürtige J. Delueg, Historienmaler

missar Josef Ringler von unkompetenten Perso-

und Professor an der Malerakademie in Wien,

nen Wandmalereien freilegen sowie vom Restau-

22

4. Korbinianmeister, Kreuzigung, Detail, Dominikanerkreuzgang, elfte Arkade

42


rator Walliser aus Wien das Kreuzigungsbild von

verdi. Das Ministerium stellte jedoch nur eine

Friedrich Pacher ablösen ließ. Rasmo kritisiert,

Teilsumme zur Verfügung, sodass die Arbeiten

dass Ringler die freigelegten Malereipartien noch

nicht begonnen werden konnten. Der Direktor

größeren Beschädigungen auslieferte, während die

des Konservatoriums, C. Nordio, beklagt sich

Abnahme durch konservatorische Maßnahmen zu

1949 in einem Schreiben an den mittlerweile nach

verhindern gewesen wäre. Zudem hätte das abge-

Neapel versetzten Rusconi, dass Bozen immer

nommene Wandgemälde durch die unsachgemä-

noch ohne zuständigen Denkmalpfleger und der

ße Aufbewahrung am Boden im Erdgeschoss des

Kreuzgang und der Eingang zum Konservatori-

Museums zusätzliche Schäden davongetragen .

um eine unwürdige Ansammlung von Abfall und

Die Bombardierung von 1944 fügte dem Kreuz-

Bauschutt sei29 („chiostro e ingresso al Conservatorio

gang im Verhältnis zur Kirche geringere Schäden

sono sempre un indecoroso cumulo di immondizie

zu. Zwar wurden die Dächer vollständig zerstört,

e calcinacci“) (Abb. 7). Ein vom neu ernannten

die Gewölbe blieben jedoch weitgehend erhalten.

Soprintendente Arch. Mario Guiotto kurze Zeit

Die verlassene Anlage wurde als Depot, Müllde-

später verfasster Kostenvoranschlag samt Bericht

ponie und sogar für die Haltung von Hühnern

führt zum Teil dieselben Arbeiten und zusätzlich

genutzt (Abb. 5–6). Die 1946 erfolgte Schlie-

die Restaurierung der Sandsteinrahmungen der

ßung, „um Vandalenakte zu vermeiden“, sollte

Triforien sowie den Abbruch von Trennwänden,

auch den unsachgemäßen Nutzungen ein Ende

wahrscheinlich jener im Ostflügel, an und wird

machen . 1948 erstellte der Soprintendente (Kon-

mit 1.650.000 Lire beziffert . Guiotto drängte auf

servator) von Trient, Antonino Rusconi, einen

die Restaurierung zumindest der zwei Flügel, die

Kostenvoranschlag über 2.500.000 Lire sowie

bei internationalen Veranstaltungen des Konser-

einen technischen Bericht für die Restaurierung

vatoriums (Busoni-Wettbewerb) einsichtig sind.

des gesamten Kreuzgangs. Aus der Auflistung der

Nachdem das Ministerium doch eine Teil-

notwendigen Arbeiten kann auch auf die Kriegs-

summe gewährt hatte, begannen die Arbeiten

schäden geschlossen werden. Für die Rekonstruk-

im Frühjahr 1950. Die Baufirma des Geometer

tion des vollkommen zerstörten Daches hatte die

Giuseppe Praga aus Bozen und die Firma Ger-

Gemeinde Bozen aufzukommen. Die Kosten für

mano Ravanelli aus Trient verrechneten einen

die Absenkung des seit der Gotik stetig erhöhten

Teil der Bauarbeiten. Die Neuerrichtung der

Bodenniveaus im Kreuzgang um einen Meter –

Dächer durch die Gemeinde Bozen dürfte eben-

damit die originale Proportion wiederhergestellt

falls in diese Zeit fallen. Leider fehlt dazu jegli-

würde –, die mögliche Freilegung, Abnahme

che Nachricht. Der heutige Bestand zeigt, dass

oder Restaurierung der arg beschädigten Wand-

die Aufstockung Altmanns – wohl aus Gründen

malereien, die Restaurierung und Ergänzung der

der besseren Nutzbarkeit des Obergeschosses –

Innen- und Außenputze, welche als Folge der

beibehalten wurde, die Dächer allerdings nicht

Bombardierungen zum Großteil abgefallen wa-

als Mansardendächer rekonstruiert, sondern als

ren, die Konsolidierung und Restaurierung der

einfache Pultdächer ausgeführt wurden. Aus ei-

Gewölbe und Gewölberippen, die Entfeuchtung

nem Bericht des die Arbeiten leitenden Inspektors

des Mauerwerks, neue Fenster und Türen sowie

Rasmo an Guiotto31 erfahren wir von der in zwei

die Freilegung der Tür und der zwei Fenster zum

Arkaden beinahe abgeschlossenen Freilegung von

Kapitelsaal, von denen eindeutige historische Spu-

Wandmalereien Friedrich Pachers, vom Fund an

ren vorhanden waren, und schließlich die Verle-

Trecento-Malereien in einer nicht benannten an-

gung eines neuen Porphyrplattenbodens sollten

deren Arkade und der Freilegung der zweiseitigen

vom Ministerum getragen werden. Rusconi be-

gotischen Lichtnische im Südosteck (Abb. 8).

tonte die Bedeutung des Kreuzgangs als heraus-

Rasmo erwähnt zudem die Inspektionsöffnungen,

ragendes gotisches Bauwerk sowie als würdigen

welche im Gewölbe des Kapitelsaales gemacht

Eingang zum Musikkonservatorium C. Monte-

wurden, um die darüber liegenden Wandma-

27

28

5

30

6

5.–6. Der Kreuzgang nach der Bombardierung von 1944, Bozen, Stiftung N. Rasmo-A. von Zallinger

43


lereien zu begutachten. Diese befänden sich in perfektem Erhaltungszustand, könnten jedoch aufgrund des direkt auf das Gewölbe gesetzten Konservatoriumssaals nicht freigelegt werden. Weiter ersucht Rasmo seinen Vorgesetzten um Intervention gegen die Absicht der Gemeinde Bozen, im Nordflügel Fenster für die gegen den Dominikanerplatz geplanten Geschäfte zu öffnen, was Guiotto mit der Anforderung des Projektes dann auch tat. Restaurator Carlo Andreani verrechnete für die Restaurierung von drei Lünettenbildern Friedrich Pachers 130.000 Lire32. Er ist aber, wie wir aus oben genanntem Bericht Rasmos erfahren haben, aus Unkenntnis der verwendeten Materialien und des Erhaltungszustandes nicht gewillt, das von Walliser im Strappo-Verfahren abgenommene Kreuzigungsbild wieder anzubringen33. Rasmo trat daher mit Einwilligung des 7

Konservators Guiotto34 mit Restaurator Walliser aus Wien in Verbindung. Dieser übernahm die Wiederanbringung für 100.000 Lire (Abb. 10a), die Beistellung eines Quartiers, eines Tischlers, eines Maurers und einer Hilfskraft und führte sie ab 8. Mai 1951 durch35. Unterkunft erhielt er wie Restaurator Andreani und Bergonzoni in der „Villa Lidia“, Dependance des ehemaligen Palazzo Reale und Sitz des Regierungskommissariats36. Ein Briefwechsel aus dem Jahre 1950 zwischen der Stadtgemeinde Bozen und dem Denkmalamt Trient37 gibt Einblick in die Absicht der Stadt, im Nordflügel Fensteröffnungen für die Toiletten der Geschäftsräume am Dominikanerplatz auszubrechen und im Südflügel des Kreuzgangs eine Elektrokabine zu errichten, was Guiotto und Rasmo erfolgreich verhindern konnten. Guiotto forderte die Gemeinde immer wieder auf, die Vorschriften des Amtes einzuhalten und

8

9

der Bedeutung des geschützten Objektes Rechnung zu tragen. Im Genehmigungsschreiben38 des Projektes für das nordseitige neue Gebäude machte das Amt zur Auflage, dass die WC-Fenster

7. Bombenschutt im Kreuzgang, Bozen, Stiftung N. Rasmo-A. von Zallinger

nicht ausgeführt wurden und der erdgeschossige Raum westlich der Kirche, wo der ursprüngliche

8. Lichtnische, Dominikanerkreuzgang, Südostecke

Zugang zum Kreuzgang gefunden wurde, nicht

9. Ursprünglicher Zugang zum Kreuzgang

als Geschäft genutzt wurde, um eine direkte Ver-

44


bindung vom Dominikanerplatz und von der noch zu rekonstruierenden Kirche in den Kreuzgang zumindest als Möglichkeit offen zu halten. Die Gemeinde Bozen hielt sich aufgrund einer Konvention, die ihr das Lokal zusprach, jedoch nicht an die Vorgabe. Guiotto richtete daher ein Protestschreiben an den Bürgermeister39, in dem er die Vorgangsweise der Schaffung vollendeter Tatsachen, die negative Vorbildwirkung einer öffentlichen Einrichtung, die vor allen anderen das Gesetz respektieren und mit gutem Beispiel vorangehen müsse, und die Unmöglichkeit der Öffnung des originalen Zugangsportals beklagt. Nach der Antwort von Bürgermeister Lino Ziller, der die bestehende Konvention geltend machte, bestand Guiotto lediglich auf der Restaurierung des Portals. Rasmo, der sich kämpferischer zeigt, auf die getroffenen Vereinbarungen nicht verzichten will und die Vorgangsweise der Gemeinde und das Nachgeben Guiottos massiv kritisiert,

10a

wird von Guiotto mit dem Hinweis auf solch inopportune Polemiken im politisch und verwaltungsmäßig ohnehin schwierigen Umfeld zurechtgewiesen40. Das Geschäftslokal wurde von der Gemeinde Bozen erst 2008 im Rahmen der geplanten Gesamtrestaurierung und in Hinblick auf die Aktivierung des originalen Zugangs aufgegeben (Abb. 9). Offenbar ebenfalls ohne Genehmigung der Denkmalpflege begann der damals 30-jährige Südtiroler Künstler Peter Fellin (1920–1999), eine Wand des Eingangsraumes zum Kreuzgang zu freskieren. Rasmo berichtet an Guiotto, dass ein gewisser Maler Fellin („certo Fellin“) ohne sein Wissen und laut seiner Nachforschungen auch ohne offiziellen Auftrag der zuständigen Gemeindeämter am 6. Dezember im Eingangsbereich einen Entwurf an die Wand malte. Er beurteilt Fellins Malereien als von schlechter Qualität und hält

10b

sie als Einführung zum ästhetischen Genuss der mittelalterlichen Fresken im Kreuzgang, die der Staat zurzeit mit viel Geld restaurieren lässt, für ungeeignet41. Die Arbeit Fellins wurde eingestellt und im Rahmen einer Sitzung am 14. Dezember, zu der Architekt G.T. Pellizzari – Projektant und Bauleiter für das Konservatorium – geladen hatte,

10a.–10b. Das Kreuzigungsfresko bei der Neuanbringung (1950) und im heutigen Zustand, Dominikanerkreuzgang, elfte Arkade

45


11

12

begutachtet. Die Teilnehmer, C. Nordio, Direk-

Religiöse Themen, darunter häufig der Schöp-

tor des Konservatoriums, Konservator Guiotto,

fergott, gehörten in den frühen Fünfzigerjahren

Inspektor Rasmo, Mons. Kalser und Arch. Ing.

zu seinen bevorzugten Sujets. Die Beauftragung

L. Plattner hielten mit Ausnahme von Architekt

erfolgte vermutlich durch den Bozner Bürger-

Pellizzari, der eine Malerei nach Abschluss der

meister Ziller, einen Cousin Fellins, der den erst

noch laufenden Freilegungs- und Restaurierungs-

aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten

arbeiten an den Fresken für durchaus angebracht

mittellosen Künstler unterstützen wollte.

erachtete, eine neutrale Färbelung für günstiger.

Zum Jahresende 1950 sah das Denkmalamt

Mons. Kalser war zudem der Ansicht, dass die

für die Fortsetzung der Restaurierung eine Summe

künstlerische Qualität der von Engeln umgebenen

von 1.850.000 Lire aus dem Budget des Ministe-

Darstellung Gottvaters als Schöpfer nicht ange-

riums und 2.000.000 Lire aus jenem der Region

messen sei, um den hohen Sinngehalt der Thema-

vor. In den entsprechenden Kostenvoranschlägen

tik auszudrücken. Dem Vorschlag der Denkmal-

und Auflistungen der Arbeiten werden die Res-

pfleger, die nicht genehmigte Probe (saggio) vor

taurierung der Sandsteintriforien und der Putze

Ort so schnell als möglich zu entfernen und den

an den Außenfassaden, die Freilegung der ehema-

nun vorgelegten bozzetto aus kompositioneller,

ligen Bodenniveaus in einem Kreuzgangflügel44,

farblicher und dimensionaler Unvereinbarkeit mit

die Fortsetzung der Freilegungsarbeiten an den

dem architektonischen Umfeld nicht zu genehmi-

Innenwänden des Kreuzgangs, die Restaurierung

gen, schlossen sich alle Teilnehmer an . Betont

der Wandmalereien, die Wiederherstellung der

wurde weiters die außerordentliche Schwierigkeit,

Tür, der Fenster und des Bodens im Kapitelsaal,

ein zeitgenössisches Werk mit dem bedeutendsten

die Anbringung einer neuen Balkendecke laut

mittelalterlichen Wandmalereikomplex in Südtirol

vorhandener originaler Befunde, die Restaurie-

– eine eindeutige Überbewertung – in Einklang zu

rung der bereits freigelegten Wandmalereien,

bringen. Leider konnte der Entwurf Fellins nicht

die Errichtung eines gemauerten Abschlusses im

ausfindig gemacht werden. Wohl aber fanden sich

Bereich der abgebrochenen Apsis in der Kathari-

in Privatbesitz mehrere, 1950 datierte Entwürfe

nenkapelle sowie die Anfertigung von Türen und

für ein Wandbild (vier singende Engel und ein

Verglasungen für verschiedene Räumlichkeiten

Lyraspieler mit Lorbeerkranz) an der Fassade des

und einem geschmiedeten Eisengitter angeführt45.

Konservatoriums (Abb. 11–12). Auch dieses Fres-

Erstmals enthalten die Kostenschätzungen auch

ko wurde nicht realisiert. Der aus dem Nonstal

Angaben über die zu verwendenden Materialien

stammende, in Meran lebende Peter Fellin war

bei der Restaurierung der Wandmalereien. 1951

damals als Künstler zwar kaum bekannt, löste

erging an die Gemeinde Bozen die Bitte, für die

aber aufgrund seiner aufrührerischen Kunst zum

Ableitung des Regenwassers und die Absenkung

Teil heftige Reaktionen aus. Vor seiner Studienzeit

des vorhandenen Sammelbeckens im Innenhof

bei Prof. Herbert Boeckl an der Wiener Kunst-

zu sorgen, da das dortige Niveau noch weiter ab-

akademie hatte er eine professionelle Ausbildung

getieft werden müsse. Vor dem Einbringen der

für Wandmalerei an der Kunstgewerbeschule in

Böden im Obergeschoss wurden zudem Überle-

Graz erfahren43. Die Wandgemäldeentwürfe für

gungen zur Beleuchtung für notwendig erachtet46.

das Konservatorium sind nicht von der reduzier-

Restaurator Carlo Andreani erhielt im April 1951

ten, beinahe ikonenhaften Zeichensprache wie die

den Vertrag für die Restaurierung der Wandma-

zeitgleichen Ölbilder, sondern bleiben stärker der

lereien in der Katharinenkapelle. Für die Restau-

real-figuralen Formensprache verhaftet. Fellin ar-

rierung des Westflügels, welcher durch den neuen

42

beitet in dieser Zeit aus Gründen des Broterwerbs

Eingang vom Dominikanerplatz im Nordwesteck

11. Peter Fellin, Entwurf für Fassadenmalereien am Konservatorium (nicht ausgeführt), Privatsammlung

immer wieder als Anstreicher in Bozen. Seine

als Vestibül für das Konservatorium diente, und

12. Peter Fellin, Entwurf für Fassadenmalereien am Konservatorium (nicht ausgeführt), Privatsammlung

Wandgemälde betrachtete er selbst als Dekora-

um die Restaurierung der interessanten Kathari-

tion, Arbeiten zum Leben, Gelegenheitswerke.

nenkapelle abschließen und sie für Kunstliebhaber

46


und Wissenschaftler öffnen zu können, wurde im

Thomas von Aquin mit einem heiligen Bischof

November erneut eine Summe von 1.500.000

und das Stifterbild des Fuchs von Fuchsberg mit

Lire gebunden . In einem zweiten Kostenvor-

der thronenden Madonna und der heiligen Katha-

anschlag zur Finanzierung der Restaurierung des

rina53 (Abb.13) sichtbar zu machen, ließ Rasmo

Ostflügels und der anderen Wandmalereien des

in der Folgezeit die Wandgemälde abnehmen und

Kreuzgangs vom Dezember 1951 werden die

in die leere 21. Arkade im Nordflügel übertragen

Arbeiten in der Katharinenkapelle als beinahe

(Abb. 14). Die Gewölbebilder blieben vor Ort.

abgeschlossen erwähnt. Trotzdem beurteilten

Mit der in den Akten nicht dokumentierten Ak-

Guiotto und Rasmo die Anfrage der Dompfarrei

tion hat Rasmo die Geschlossenheit und Abfolge

Bozen vom August 1952, Kapelle und Kapitel-

des spätgotischen Zyklus seinem Interesse für die

saal für die Messfeiern der italienischsprachigen

Malerei des Trecento geopfert.

47

48

Gläubigen zur Verfügung zu stellen, als verfrüht und verwiesen gleichzeitig auf die Zuständigkeit

Restaurierungsarbeiten in der zweiten Hälfte

der Gemeinde Bozen als Eigentümerin . Vermut-

des 20. Jahrhunderts

49

13

lich hatte die Denkmalpflege eine reine Besichtigungsnutzung vorgesehen. Die Restaurierung

Nach 1953 beschränken sich die Nachrichten

wurde im Herbst abgeschlossen und von Rasmo

lediglich auf Anfragen und Genehmigungen für

in der Zeitschrift „Cultura Atesina / Kultur des

Veranstaltungen wie Ausstellungen und Konzerte.

Etschlandes“ vorgestellt . Im Dezember erkun-

Erst wieder 1968 werden Restaurierungsarbeiten

digte sich das Fremdenverkehrsamt Bozen nach

am Freskenzyklus des Kapitelsaales durch Carlo

der Zugänglichkeit der Katharinenkapelle und des

Andreani, am Putz von A. Turetta54 und 1973 an

Kreuzgangs und bedankte sich gleichzeitig für die

den Wandmalereien in der Stadtgalerie durch Re-

erlaubte Nutzung des Kreuzgangs für die erfolg-

stauratorin Gabriella Serra55 verrechnet. Mit dem

reich stattgefundene Internationale Ausstellung

Übergang der Zuständigkeit für die Denkmalpfle-

“Pittura femminile“ . Nach einem Bericht samt

ge vom Staat auf die Autonome Provinz Bozen

Kostenvoranschlag vom Oktober 1953, der sich

1973 wird das ehemalige Dominikanerkloster

zum Teil bereits auf die Arbeiten an der Kirche

neben anderen geschützten Bauten und archäo-

bezieht, stand im Kreuzgang noch die Anbringung

logischen Zonen als von nationalem staatlichem

des Sockelputzes an. Damit hat die Restaurierung

Interesse erklärt und dem Denkmalamt Verona

wohl ein Ende gefunden. Die Auflistung führt

unterstellt. Rasmo, der die bis dahin durchge-

zudem die Öffnung der Sichtfenster zu den sich

führten Arbeiten begleitet hatte und zweifellos

unter der Einwölbung befindlichen Fresken im

der profundeste Kenner der gesamten Anlage

Kapitelsaal und die Sicherung der noch verbliebe-

war, hatte keine Zuständigkeit mehr. Auch der

nen Spuren der abgebrochenen Apsis der Katha-

Stadt Bozen schien das ohnehin nicht sehr große

rinenkapelle an . Rasmo beschreibt und datiert

Maß an Identifikation noch weiter abhandenge-

1953 in einem Kunstführer erstmals alle bis dahin

kommen zu sein.

50

51

52

aufgedeckten Wandmalereien des Kreuzgangs.

In den Achtzigerjahren mehrten sich die

Für die Wand der achten Arkade führt er das

Klagen über die Verwahrlosung des Kreuzgangs.

letzte Abendmahl, den Ölberg, den heiligen Georg

Die an den Wandmalereien in drei Arkaden des

im Drachenkampf und das Begräbnis des heiligen

Ostflügels arbeitende Restauratorin Gabriella

Stephanus, in den Gewölbefeldern zwei Prophe-

Serra wird 1984 im “Alto Adige“56 zitiert. Sie

tenbüsten von Friedrich Pacher und das auf der

hält die Situation im Kreuzgang für untragbar

älteren Malschicht liegende Wappen eines Fuchs

(inammissibile) und beklagt, dass die Gemein-

von Fuchsberg an. Um die Malereien des 14. Jahr-

de Bozen den Kreuzgang nicht pflege, sich der

hunderts mit dem Ordensgründer, der seine Mit-

Innenhof als Müllansammlung (immondezzaio)

brüder zum Schweigen auffordert, dem heiligen

präsentiere, die Beleuchtung fehle, der Boden

14

13. Außenfassade des Kapitelsaals, Dominikanerkreuzgang, achte Arkade 14. In der achten Arkade abgelöstes und in die 21. Arkade übertragenes Fresko

47


und das Mauerwerk in schlechtem Zustand seien. An den Wandmalereien habe sich eine schmutzige Staubschicht abgelagert, die in Kombination mit Feuchtigkeit zu Versalzungen geführt hätte, welche stellenweise die Stärke von mehr als einem Zentimeter erreichen, berichtet Gabriella Serra. Die Gemeinde Bozen versicherte, aktiv zu werden und die dringend notwendige Restaurierung in die Wege zu leiten. 1985 legte Gabriella Serra dem Denkmalamt Verona einen Kostenvoranschlag für die Restaurierung der Kreuzigung von Friedrich Pacher und der dazugehörigen vier Gewölbefelder vor. Im selben Jahr finanzierte der Rotary Club die Restaurierung eines Freskos von Friedrich Pacher; wohl jenes der Gewölbefelder in der achten Arkade. Gabriella Serra hat in den folgenden Jahren die Wandmalereien aller Arkaden des Ostflügels und der sechsten und siebten Arkade des Südflügels restauriert. 1988 datiert eine Kostenberechnung für die fünfte und sechste Arkade. Für den 18. September 1989 wird der Beginn der Restaurierung an den Wandmalereien der vierten und fünften Arkade durch G. Serra sowie an der rechten Wand der Katharinenkapelle durch J. P. Zocca angekündigt57. Zocca restaurierte 15

zudem die Wand- und Gewölbefelder der achten bis elften Arkade des Südflügels, mit Ausnahme der Kreuzigung. Nicht restauriert wurden der West- und der Nordflügel. 1986 erarbeitete der Bozner Architekt Hans von Klebelsberg im Auftrag der Gemeinde Bozen ein detailliertes Projekt für die Gesamtrestaurierung des Kreuzgangs. Rund 400.000.000 Lire waren für Maßnahmen wie die Behebung der Feuchtigkeitsschäden durch eine Dränierung und entsprechende Abwasserleitungen, den Einbau eines Elektroosmosesystems gegen die aufsteigende Feuchtigkeit, die Erneuerung der Böden mit Porphyrplatten, die Restaurierung der Sandsteinbogen, der Brüstungsabdeckungen und der Partien mit Sichtmauerwerk, den Ersatz der morschen Putze, die Wiederherstellung des Gartens im Innenhof und den Einbau einer Glastür beim Eingang vorgesehen. Die Arbeiten wurden

15. Restaurierungsprojekt für eine Triforie des Kreuzgangs, 1986 (Arch. Hanns Klebelsberg)

48

vom Denkmalamt Verona mit Ausnahme der Glastür und mit den Auflagen, die historische


Gartengestaltung eingehender zu recherchieren,

Eingriffen – wie der Aufgabe der Geschäftsnut-

die Ausbesserungsarbeiten an den Putzen und das

zung im westlich der Kirche gelegenem Raum, der

zu verwendende Material genauer zu definieren

Aktivierung des 1950 wiederentdeckten histori-

und die Böden näher zu untersuchen, geneh-

schen Portals zum Kreuzgang, der Öffnung der

migt58 (Abb. 15).

Verbindungstür zur Kirche, der Wiederöffnung

Die Ausführung sollte innerhalb eines Jahres

des Zugangs zur Johanneskapelle im Ostflügel des

erfolgen. Die Arbeiten begannen zwar im Okto-

Kreuzgangs und der geplanten Zusammenfüh-

ber 1987, gingen jedoch nur schleppend weiter,

rung des in zwei Räume unterteilten ehemaligen

verzögerten sich durch Voruntersuchungen, büro-

Winterrefektoriums – soll eine den historischen

kratische Hürden, wohl auch mangelnde Zusam-

Funktionen besser entsprechende Verbindung der

menarbeit und schließlich aufgrund der fehlenden

nutzungs- und besitzrechtlich getrennten Teilbe-

Finanzierung. 1989 klagte der Direktor des Kon-

reiche Kirche, Kreuzgang samt Katharinenkapelle

servatoriums über schon seit zwei Jahren offene

und Kapitelsaal, Stadtgalerie und Konservatorium

Sondierungsgräben im Garten und stillstehende

erreicht werden.

Arbeiten59. Die vorgesehenen Gelder wurden

Die Restaurierung nahm zunächst mit den Schlit-

wahrscheinlich für die zunächst nicht geplante,

zen für eine neue, nicht genehmigte Elektroos-

jedoch unbedingt notwendig gewordene statische

moseanlage im Kreuzgang einen unglücklichen

Sicherung der Decken im Süd- und Westflügel

Beginn. Nicht nur, dass das Mauerwerk in der

(Konzertsaal und Foyer) verwendet . Bis 1990

zwar nicht von Wandmalereien besetzten So-

kamen nur die Elektroosmose, die Reparatur der

ckelzone tief aufgeschlitzt wurde, die ausführen-

Regenabwasserführung, die Verfugung der Sand-

de Firma schloss die Öffnungen auch noch mit

steinabdeckplatten der Arkaden, die Abdeckung

Zementmörtel. Eine Entfernung desselben war

der Strebepfeiler an den Innenhoffassaden, einige

unumgänglich. Nach der statischen Sicherung

Ausbesserungen an den Gewölbeflächen und der

der Decken im Nord- und Ostflügel sah das erste

Einbau einer neuen Beleuchtung zur Ausführung.

Baulos die Anlage einer Dränierung entlang der

Daraufhin stand das Vorhaben Gesamtrestaurie-

Mauern (Abb. 16), die Reinigung, Konservie-

rung wieder für Jahre still.

rung und Restaurierung der historischen Putze

60

16

an den Fassaden und die Reparatur oder NeuBeginn der Gesamtrestaurierung

abdeckung der Strebepfeiler vor. Nachdem das Denkmalamt eine Summe von 545.107,00 €uro

Erst nachdem am 15. Dezember 1998 die Zu-

aus dem staatlichen Lottoprogramm 2004–2006

ständigkeit für das Dominikanerkloster vom

zur Verfügung gestellt hatte, stand dem Beginn

staatlichen Amt in Verona an die Denkmalpflege

der Restaurierung nichts mehr im Wege. Die

der Autonomen Provinz Bozen übergegangen war

Ausschreibung gewann die Restaurierungsfirma

und der Kreuzgang mit Ausnahme der Wandma-

Nerobutto aus Trient. Die Arbeiten begannen

lereien im Ost- und Südflügel nach wie vor einer

im Sommer 2006. Bei der Sichtung aus nächster

Restaurierung bedurfte, richtete Landeskonser-

Nähe zeigte sich, dass die Fassadenflächen Putze

vator Helmut Stampfer 1999 ein Schreiben an

unterschiedlichster Zeiten, Zusammensetzungen

die Gemeinde Bozen, in dem er die dringende

und Erhaltungszustände aufwiesen (Abb. 17). Im

Notwendigkeit einer solchen betonte . Architekt

Zuge der Entfernung der ästhetisch und vom Ma-

Luciano Bardelli erstellte, auf vorausgegangenen

terial her nicht kompatiblen zementhaltigen Putze

Recherchen basierend, ab dem Jahre 2000 eine

aus der Nachkriegszeit wurden nicht nur zahlrei-

Machbarkeitsstudie und in der Folge ein Gesamt-

che Spuren historischer Veränderungen entdeckt

projekt für die Restaurierung der Kirche und des

und laufend dokumentiert, sondern auch der spät-

Kreuzgangs, das in mehreren Baulosen finanziert

gotische Quaderputz freigelegt. Dabei stieß man

und realisiert werden soll. Mit geringen baulichen

auf die spätgotische Trauflinie, die Erhöhung des

61

16. Dränierungsarbeiten im Kreuzgang, 2006

49


Altmann-Umbaus, die Spuren des Erkervorbaus

schadhaft waren und der maschinell perfekte Zu-

an der Westfassade, auf eine vermutlich noch

schnitt optisch eine zu harte, starre Wirkung hat-

Bemerkungen zum denkmalpflegerischen Umgang

spätgotische steingerahmte Fensteröffnung samt

te, entschied man sich für die Wiederherstellung

Eine Bewertung des denkmalpflegerischen Um-

originalem Fensterrahmen im nördlichen Eck

der historisch älteren Form der Abdeckung. Der

gangs mit dem Kreuzgang und seinen malerischen

der Westfassade, auf alle vermauerten barocken

Sockelputz aus den Achtzigerjahren des 20. Jahr-

Ausstattungen ist nur vor dem Hintergrund der

Fensteröffnungen und an der Nordfassade auf

hunderts musste vollständig erneuert werden. Die

jeweils geltenden Kriterien gerechtfertigt. Sowohl

eine vorher kaum sichtbare barocke Sonnenuhr.

im Projekt vorgesehene Erneuerung der doppel-

von Seiten der k.k. Zentralkommission zu Beginn

Der zum Teil schadhafte spätgotische Quaderputz

flügeligen Kastenfenster des Obergeschosses aus

des 20. Jahrhunderts, als auch des Denkmalamts

musste mittels Injektionen partiell hinterfüllt,

den Fünfzigerjahren wurde in Anbetracht ihrer

Trient im Rahmen der äußerst aufwändigen,

von späteren Tüncheschichten befreit, gereinigt

handwerklichen Qualität fallen gelassen und eine

organisatorisch und finanziell schwierig zu rea-

und gefestigt werden. Die Fehlstellen wurden mit

Restaurierung vorgenommen.

lisierenden Nachkriegsrestaurierung und des ab

Kalkmörtel geschlossen und mit Kalkfarbe optisch

In einem zweiten Baulos, das 2010 durch-

1974 für den Staat zuständigen Denkmalamtes

integriert. Die durch die Abnahme des Zement-

geführt werden soll, steht die Restaurierung der

von Verona, welches die Restaurierungsphase in

putzes offenen Flächen des abgebrochenen Erkers,

Sandsteinelemente der Triforien, welche – wie

den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts durch-

die geschlossenen barocken Fensteröffnungen und

Voruntersuchungen zeigten – noch rote spätgo-

führte, ist ein großes Engagement und Verant-

die Erhöhung des Umbaus von Altmann wurden

tische Fassungsspuren aufweisen, die mit dem

wortungsbewusstsein dem Objekt und seinen

nach einer systematischen grafischen und fotogra-

Abbruch der Fußböden einhergehende Ent-

Ausstattungen gegenüber anzumerken. Bereits

fischen Dokumentation62 mit einem zweilagigen

feuchtung der Mauern, die Absenkung auf die

mit dem Kasernenumbau und der Adaptierung

Kalkmörtel in neutraler, jedoch zum Quaderputz

ursprüngliche Kote und die Erneuerung der Bö-

zur Schule wurde der Kreuzgang weitaus weniger

passender Farbigkeit geschlossen (Abb. 18). Das

den, die Restaurierung der Gewölberippen und

zweckentfremdet und verbaut als die Kirche oder

Ziel, die historischen Veränderungen lesbar zu

der Putze an. Eine detaillierte Voruntersuchung

die Johanneskapelle. Die Abnahme des Kreuzi-

lassen und trotzdem eine optische Integrität der

durch Restaurator Adriano Salvoni zeigt, dass an

gungsfreskos von Friedrich Pacher auf Anordnung

Fassaden zu gewährleisten, wurde damit erreicht

den Wandmalereien des Ost- und Südflügels le-

von Ringler im Jahre 1944 war tatsächlich kein

(Abb. 19). Die Sonnenuhr erfuhr nach der Frei-

diglich Reinigungs- und partielle Konservierungs-

schonender Umgang mit dem Original.

legung eine Reinigung, Hinterfüllung der Hohl-

maßnahmen vorzusehen sind .

Die Gründe Ringlers sind nicht bekannt, mögli-

63

stellen zwischen Malputz und Untergrund, eine

Die Restaurierung der Achtzigerjahre des 20.

cherweise wollte er das Gemälde vor den Schäden

Festigung der Malschicht und nach Schließen

Jahrhunderts durch die Restauratoren G. Serra

einer befürchteten Bombardierung bewahren.

der Fehlstellen eine Punktretusche. Leider gin-

und J.P. Zocca hat sich als nachhaltig erwiesen. Im

Rasmo seinerseits widerstand der Versuchung

gen mit einer größeren Fehlstelle die zwei letzten

damals nicht restaurierten Nord- und Südflügel

nicht, die unter den jüngeren Malereien liegende

Zahlen der Datierung ins 17. Jahrhundert (16..)

sind jedoch weitreichende Maßnahmen erforder-

ältere Trecento-Malerei sichtbar zu machen, und

verloren. Die Spuren der Befestigungslöcher für

lich, welche nach detaillierten Voruntersuchun-

ließ die Bemalung Friedrich Pachers in der achten

den Zeigerstab und dessen Stützen erlaubten eine

gen die Abnahme der zementhaltigen Mörtel der

Arkade abnehmen, im Nordflügel wieder anbrin-

Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit (Abb.

Nachkriegsrestaurierung, die Reinigung, Entsal-

gen und zerriss damit den Bilderzyklus in seiner

20). Einer grundlegenden Restaurierung muss-

zung, Festigung und Restaurierung der Wandma-

ikonografischen Abfolge. Eine Maßnahme, die in

ten auch die mit der Einwölbung des 15. Jahr-

lereifragmente und der Gewölberippen beinhal-

Hinblick auf die Achtung des jüngeren, aber des-

hunderts angebrachten Stützpfeiler unterzogen

ten werden. Da mittlerweile der Raum mit dem

halb nicht weniger bedeutenden Zustandes nicht

werden. Die Sandsteineinfassungen waren von

ursprünglichen Zugang zum Kreuzgang von der

positiv zu bewerten ist. Auffallend ist zudem, dass

diversen Schmutzablagerungen und biologischem

Geschäftsnutzung befreit wurde, kann das Portal

nach der Phase der ersten baulichen Sicherung

Befall zu reinigen. Der schadhafte Fugenmörtel

wieder geöffnet werden. Der von der Denkmal-

die Aufmerksamkeit der Denkmalpfleger in ers-

und die Ergänzungen von Fehlstellen der Nach-

pflege über Jahrzehnte gewünschten Verbindung

ter Linie der Freilegung und der Restaurierung

kriegsrestaurierung wurden entfernt und farblich

zum Dominikanerplatz und zur Kirche steht da-

der neugefundenen Wandmalereien galt. Eine

passend durch Kalkmörtel ersetzt. Gezielte Un-

mit nichts mehr im Wege. Die Anpassung der

Tatsache, die sich auch in den Publikationen,

tersuchungen ergaben, dass die Pfeiler vor den

Zugänge zum Konservatorium, die Gartengestal-

welche vorwiegend von Rasmo stammen, nie-

1987 angebrachten Abdeckungen in Sandstein

tung samt geplantem zentralem Brunnen und die

derschlug. Allerdings bleiben die den Kreuzgang

mit Mönch- und Nonne-Tonziegeln eingedeckt

Anbringung einer adäquaten Beleuchtung werden

betreffenden Veröffentlichgungen im Vergleich

waren. Da die Sandsteinplatten teilweise bereits

die Gesamtrestaurierung abschließen.

zu denen über die Neufunde in der Kirche und

50


17

18

17. Der Nordfl端gel des Kreuzgangs vor der Restaurierung, 2006 18. Zeichnerische Aufnahme der Spuren von Fenster旦ffnungen im Nordfl端gel des Kreuzgangs, 2006 (Firma Nerobutto, Grigno, TN) 19. Der Nordfl端gel des Kreuzgangs nach der Restaurierung, 2007

19

51


in der Johanneskapelle zahlenmäßig weit zurück.

des 20. Jahrhunderts haben zu einem Verlust an

Der Bilderzyklus von Friedrich Pacher fand erst in

Wertschätzung, Identifikation und Bindung an

den Siebziger- und Achtzigerjahren gebührende

die Stadt geführt – was wiederum Ursache für

Beachtung. Bauliche Eingriffe wie auch der Um-

die nur schleppend vorangegangenen Restaurie-

gang mit undekorierten Oberflächen wurden mit

rungen bis in die jüngste Zeit war. Die Gemeinde

Ausnahme der letzten Restaurierung an den Fas-

Bozen als Eigentümerin hatte mit Ausnahme des

saden überhaupt nicht dokumentiert.

kulturellen Nutzens keinen unmittelbaren Vorteil.

Die Aufhebung des Klosters, die nach reinen Verwertungskriterien erfolgte Neunutzung als Ka-

20

20. Detail der Sonnenuhr nach den Restaurierungsmaßnahmen, Kreuzgang, Nordfassade

52

Der Kreuzgang fungierte lediglich als Foyer des Konservatoriums.

serne und Schule, die Trennung und Eliminierung

Die abgeschlossene Restaurierung der Kir-

der Funktionszusammenhänge zwischen der Kir-

che und die begonnene des Kreuzgangs bieten

che und den verbliebenen Konventsräumen, die

die Voraussetzung für eine wachsende Wahrneh-

zeitweise besitzrechtliche und bis 1998 denkmal-

mung dieser historisch, baulich, künstlerisch und

pflegerische Inanspruchnahme durch den Staat

religiös bedeutenden Anlage durch die Menschen

und die trotz aufwändiger Wiederherstellungs-

und ihre Rückbindung an die Stadt Bozen, in de-

und Restaurierungsarbeiten jahrelange Vernach-

ren Kontext das Kloster entstand, sich veränderte

lässigung in den Siebziger- und Achtzigerjahren

und in den es wieder eingebunden werden soll.


1 Zum Bautypus, zur Genese und zu Funktionen des Kreuzgangs siehe: Klein 2004; Legler 2007; Schenkluhn 2000. 2 Vgl. die Beiträge von Alberti und Franco in der vorliegenden Publikation. 3 Atz/Schatz 1903, S. 58; laut Ladurner (Klammer 1982), S. 52 wurde 1308 im Dominikanerkreuzgang eine Urkunde ausgestellt. 4 Zu den Wandmalereien des 14. Jhs. siehe Cozzi in: Atlas 2002, S. 145–148, 155–156; dort auch die vollständige Literatur zitiert. 5 Atz/Schatz 1903, S. 217. 6 Siehe dazu den Beitrag von Helmut Stampfer in der vorliegenden Publikation. 7 Vgl. den Beitrag von Papola/Scattolini in der vorliegenden Publikation. 8 Vgl. den Beitrag von Laura Dal Prà in der vorliegenden Publikation. 9 Zu den spätgotischen Malereien siehe die erste systematische Beschreibung und Zuweisung bei Rasmo 1953a, S. 7–13; zu den Malereien von Friedrich Pacher und seiner Werkstatt siehe Herzig 1973, S. 82–88, 130–131; Pan 1987; zu Friedrich Pacher siehe auch den Katalog der Ausstellung Michael Pacher 1998, speziell Madersbacher 1998a, S. 225–228 und Kofler Engl 1998, S. 275–297. Über Waider vgl. auch den Beitrag von Spada (1) in der vorliegenden Publikation. 10 Wolkenstein 1936, S. 165. 11 Inventarium über das samentliche Vermögen des aufgehobenen Dominicaner Kloster zu Botzen in Tiroll, 1785, Bozen, Stiftsarchiv Muri-Gries, fol. 31v. 12 Lindner 1886, S. 21 berichtet, „dass sich im Kreuzgange mehrere alte und beschädigte Ölgemälde befanden, die nebst einigen hölzernen Behältnissen der St. Catharina Kapelle nur nach dem Rupfen geschätzt und verkauft wurden“. 13 Lindner 1886, S. 25. 14 Weber 1977, 73. 15 Kaufvertrag im Pfarrarchiv der Dominikanerkirche. 16 Vgl. den Beitrag von Mura in der vorliegenden Publikation. 17 Stadtarchiv Bozen, ABZ 4. 5. 1. 3. Cartella/Mappe 4. 18 Stadtarchiv Bozen, ABZ 4. 5. 1. 3: Rotolo/Rolle 2. K.k. Fachschule. Scuola industriale in Piazza Domenicani 153. 19 Vgl. den Beitrag von Spada/Tamassia in der vorliegenden Publikation. 20 Siehe dazu: Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Landesdenkmalamt, Armando-Diaz-Str. 8, Bozen, Faszikel Bozen. Ehemaliges Dominikanerkloster. 21 Atz 1902, Sp. 348, S. 353, S. 369. 22 K. Atz, Sitzungsberichte vom 13. Februar 1903, in: Mitteilungen 1903, S. 59. 23 Atz 1902b, S. 103–104. 24 Semper 1903, S. 173–184. 25 Weingartner 1926, S. 121. 26 Briefwechsel zwischen dem Denkmalamt in Trient und der Gemeinde Bozen von 1942 (leider fehlt das zitierte Projekt) im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 27 Schreiben von Rasmo an Guiotto vom 28.11.1950, Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang oder Stiftung N. Rasmo – A. von Zallinger, Kiste R 17. 28 Siehe dazu die Schreiben vom 24. April 1946 an die Gemeinde Bozen und vom 14. Juni 1946 von der Gemeinde Bozen an das Denkmalamt in Trient im Archiv

des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 29 Schreiben vom 4. Juli 1949 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 30 Bericht und Kostenvoranschlag von Guiotto vom 8. August 1949 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 31 Schreiben vom 16. und vom 20. April 1950 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 32 Rechnung vom 28. November 1950 und Kollaudierung des Soprintendente Guiotto vom 30. November 1950 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 33 Siehe dazu Anm. 22. 34 Schreiben von Guiotto an Rasmo vom 30. November 1950 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen, Dominikanerkreuzgang. 35 Kostenvoranschlag von Dr. Franz Walliser vom 26. April 1951, der bis 30. April im Hotel Elefant in Brixen weilte, im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 36 Mitteilung des Regierungskommissariats vom 7. Mai 1951 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 37 Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 38 Schreiben des Soprintendente Arch. Guiotto vom 7. Juni 1950 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 39 Schreiben vom 11. November 1950 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 40 Antwort des Bürgermeisters von Bozen an Guiotto vom 24. November 1950; Schreiben von Guiotto an die Gemeinde und z. K. an Rasmo vom 28. November 1950; Protestschreiben von Rasmo an Guiotto vom 7. Dezember 1950 sowie die Antwort von Guiotto an Rasmo vom 11. Dezember 1950 mit der Bemerkung unangebrachter Polemiken und der Aufforderung sich um die Restaurierung des Portals zu kümmern. Alle im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 41 Schreiben von Rasmo an Guiotto vom 7. Dezember 1950 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. „…pitture che mi sembrarono senz´altro di deteriore qualità, in ogni caso inadatte a introdurre al godimento degli affreschi medioevali che con tante spese lo Stato sta restaurando“. 42 Siehe dazu das Protokoll der Sitzung vom 9. Dezember 1950 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 43 Zu Peter Fellin siehe: Wielander 1986; Fellin Peter, in: Kreuzer-Eccel 1982, S. 67–71, 304; Gufler 1989; F wie Fellin…, derzeit in Druck. 44 Mit Sicherheit handelt es sich um den Südflügel, der einzige, in dem das Bodenniveau tatsächlich abgesenkt wurde. 45 Schreiben an das Ministero della Pubblica Istruzione Direzione Generale Antichita´e Belle Arti sowie der beiliegende Kostenvoranschlag über Lire 1.850.000 von Guiotto vom 13. November 1950; Schreiben und beiliegender Kostenvoranschlag vom 8. Dezember 1950 über Lire 2.000.000 von Guiotto an das Assessorat der Region vom 11. Dezember 1950 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 46 Siehe dazu das Schreiben Guiottos an die Gemeinde Bozen vom 6. Februar 1951 und den Bericht von Rasmo

an Guiotto vom 30. März 1951 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 47 Bericht und Kostenvoranschlag vom 5. November 1951 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 48 Siehe Bericht und Kostenvoranschlag über Lire 1.330.000 von Guiotto vom 20. Dezember 1951 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 49 Schreiben von Mons. Tschon vom 13. August 1952 und die Antwort vom 18. August 1952 von Guiotto im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 50 Zur Restaurierung der Katharinenkapelle und zu den Wandmalereien siehe Rasmo 1953b, S. 152–160. 51 Anfrage des Fremdenverkehrsamtes vom 9. Dezember 1952 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 52 Bericht von Guiotto vom 16. Oktober 1953 und Kostenvoranschlag vom 16. November 1953 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 53 Zu den Malereien des 14. Jh. mit Bibliografie siehe Cozzi in: Atlas 2002, S. 145–148, 155–156. 54 Schreiben des Regionalassessors für öffentliche Arbeiten V. Pasqualin vom 7. und vom 14. Oktober 1968 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 55 Schreiben des Regionalassessors für öffentliche Arbeiten S. Matuella vom 4. September 1973 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 56 „È una vergogna quel chiostro sporco, degradato e abbandonato“ in: Alto Adige vom 20. November 1984, Nr. 272. 57 Schreiben vom 16. September 1989 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 58 Siehe dazu das von Konservator R. Boschi mit Datum 18. Juni 1986 genehmigte Projekt im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. Die Tageszeitungen berichten über das Restaurierungsprojekt. Siehe den Artikel in den „Dolomiten“ vom 12. September 1986 und im „Alto Adige“ vom 14. September 1986. 59 Siehe dazu das Schreiben des Konservatoriumsdirektors Prof. H. Stuppner vom 30. Juni 1989 sowie den Artikel im „Alto Adige“ vom 15. November 1989 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 60 Die Angaben stammen aus der Machbarkeitsstudie vom Januar 2001 von Arch. Luciano Bardelli im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 61 Schreiben von Helmut Stampfer an die Gemeinde Bozen vom 23. August 1999 im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 62 Siehe dazu die Dokumentation der Restaurierung der Firma Nerobutto im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang. 63 Siehe dazu den Bericht von A. Salvoni in der Machbarkeitsstudie des Jahres 2001 von Arch. L. Bardelli im Archiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Faszikel Bozen Dominikanerkreuzgang.

53


Jede Konservierung, die an Bauwerken, besonders aber an Wanddekorationen, vorgenommen wird, gibt uns Gelegenheit, ausführlicher sowohl über die Beweggründe nachzudenken, die zur Entstehung dieser Wandmalereien geführt haben, als auch über die dabei angewandten Techniken und vor allem über die Art und Ursachen ihres Verfalls. In den Jahren 2004–2005 wurde der Chor der Dominikanerkirche (Abb. 1) restauriert. Er zeigt sich noch in seiner gotischen Baustruktur1, während die Dekorationen, denen er sein heutiges Rokoko-Aussehen2 zu verdanken hat, auf die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückgehen. Diese radikalen Veränderungen und die bewegte

Bemerkungen zur konservierenden Restaurierung der Wandmalereien im Kirchenchor Adriano Salvoni Maria Laura Fattoretto

Kirchengeschichte hatten zur Folge, dass die mittelalterlichen Wandmalereien, die sich mit Sicherheit ursprünglich im Chor befunden hatten3, fast gänzlich verloren gegangen sind. Heute haben sich nur bescheidene bemalte Fragmente erhalten, während sich vor der letzten Konservierung im unteren Teil der Apsis auch einige unbemalte, gepickte Putzfragmente befunden hatten, die den im 14. Jahrhundert vorgenommenen Schlussarbeiten der Wandmalereien zuzurechnen waren4. Die heute sichtbaren bemalten Wandflächen waren schon im Zuge der vor dem Zweiten Weltkrieg durchgeführten Restaurierung ans Tageslicht gekommen, dann aber durch die Bombenangriffe im Jahr 1944 teilweise beschädigt worden5. Die Fragmente des rechten Teils befinden sich an der Wand zwischen der großen Nische und der Flachbogentür, die direkt in die Johanneskapelle führt. Einer der Gründe für die zumindest partielle Erhaltung dieser Fresken war die Erhöhung des Bodenniveaus, wodurch die Malereien bedeckt wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde die vorerwähnte Tür vermauert, und ein Teil der Werksteine der Türrahmung wurde zur Anlage einer neuen Öffnung verwendet, die im Vergleich zum ursprünglichen Bodenniveau um 80–100 Zentimeter höher liegt. Auf diesen Steinen finden sich Farbspuren, die denen an der Sandsteinrahmung der breiten Spitzbogentür ähneln, die sich auf derselben Seite in Lettnernähe auftut. Angesichts der Schäden,

54


die am Putz zu verzeichnen sind, können wir die Anlage der Tür auf einen Zeitpunkt nach dem 17. Jahrhundert festsetzen, wahrscheinlich auf das 18. Jahrhundert, als im Chor Modernisierungsarbeiten vorgenommen wurden. Die heute an der rechten Seite sichtbaren Fragmente lassen mehrere gepickte Malschichten erkennen, die unterschiedlichen Epochen zuzuschreiben sind (Abb. 2). Auf der untersten, direkt auf der Mauer liegenden Schicht aus Kalkschlämme, die geringe Spuren einer Sinopie aufweist, befindet sich ein freskenbemalter Intonaco, der auf das 14. Jahr-

1

hundert zu datieren ist, darüber eine weitere, im 17. Jahrhundert aufgetragene Putzschicht. Alle diese Schichten wurden bei der Barockisierung des Chors zugedeckt. Auf der obersten Malschicht ist auf einer braunen Unterlage ein Gerippe zu sehen (Abb. 3)6. Der obere Teil der Figur ruht auf einem hohen

3

roten Kissen. Die Knie sind gebeugt und leicht gegen das Becken angezogen. Die rechte Hand des Gerippes ruht auf der Unterlage, die linke auf

2

dem rechten Knie. Auf der Höhe des Beckens ist senkrecht ein Gegenstand zu erkennen, der als Buch interpretiert werden kann7. Die Gestalt ist in entspannter Haltung wiedergegeben, mit an den Oberkörper gezogenen Beinen, was aktive

4

Muskeln erfordert. Die Arme dagegen sind auf der Unterlage ausgestreckt, also nicht wie bei einer Auferstehung, bei der auch die Arme beteiligt sein müssten. Die Figur wird als noch lebende Person dargestellt, wenn die völlige Entfleischung auch an einen „lebenden Kadaver“ denken lässt, ein vom 15. Jahrhundert an geläufiges ikonografisches Thema8. Beim Gemälde könnte es sich somit um eine Art memento mori handeln, um den Betrachter daran zu erinnern, dass wir alle sterblich sind. Auf einer gelappten roten Fläche rechts sind ein Schädel und mehrere Knochen zu sehen (Abb. 4). Aus den Augenhöhlen und dem Mund schlängelt sich ein dicker, langer Wurm heraus, fast eine Schlange. Diese makabre Figur wird durch ein architektonisches Element ergänzt, in dessen Voluten sich ein ähnlicher Wurm windet. Ikonografische Motive dieser Art sind vor

1. a) Freskenbemaltes eucharistisches Tabernakel b) Monochrome Nische mit Steinumrahmung (Waschbecken?) c) Nische mit in Seccotechnik ausgeführter Scheintapete d) Freskofragment e) Überlagerung von drei bemalten Intonacoschichten f ) Altar mit Schachbrettdekoration, Chor. Die restaurierten Flächen sind rot umrahmt. 2. Bemalte Intonacofragmente zwischen der großen Nische und der Tür zur Johanneskapelle, Chor, rechte Wand 3. Grafische Wiedergabe der ein menschliches Gerippe darstellenden Malerei, Chor, rechte Wand 4. Detail des Totenschädels, Chor, rechte Wand

55


5

allem nach der Gegenreformation anzutreffen,

1313 verstorbenen Stifterin des Klosters, die den

auf steinernen Grabreliefs und auf Mauerfriesen

Quellenangaben nach hier im Kirchenchor bestat-

an Gräbern. Ursprünglich wurden – bisweilen

tet worden war. Diese Hypothese wurde schon von

geflügelte – Schädel dargestellt, die dann in den

Enrica Cozzi vorgebracht, die die große Qualität

Grabdekorationen des 17. Jahrhunderts mit ei-

des malerischen Fragments unterstrichen und sie

nem Skelett verbunden und schließlich davon

mit dem Veroneser Kreis des Maestro del Redentore

verdrängt wurden9.

in Beziehung gebracht hatte13.

Die hier beschriebene Darstellung könnte

Die Malerei könnte einen Marientod dar-

daher mit einem nahen Bodengrab in Bezug ste-

gestellt haben oder eine andere Begräbnisszene

hen10. Die Malerei des 17. Jahrhunderts ist in Sec-

eines oder einer Heiligen – ein Sujet also, das

cotechnik mit einer sehr verdünnten Untergrund-

einen als Grablege dienenden Raum angemessen

farbe, deren senkrechte Pinselstriche zu erkennen

ergänzt hätte.

sind, auf einen geglätteten und kalkgeschlämmten Intonaco aufgetragen worden.

darauf hinweisen, dass sich – wie Silvia Spada

Die unmittelbar darunterliegende Schicht, die auf die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts

Pintarelli freundlicherweise mitgeteilt hat – eine

11

Zeichnung des Grabes der Anna von Böhmen

zurückgeht, stellt wahrscheinlich ein Grabmal

im Manuskript Iter Athesinum von Anton Rosch-

aus rosafarbenem Stein dar, an der linken kurzen

mann aus dem Jahr 1740 befindet (Abb. 7), das in

Seite eine Figur, von der das weite, grüne, mit

der Bibliothek des Ferdinandeums in Innsbruck

Helldunkeleffekten wiedergegebene Faltenge-

aufbewahrt wird. Es stellt die thronende Gottes-

wand zu sehen ist (Abb. 6) . Der obere Teil des

mutter mit Kind dar, die mit gefalteten Händen

Sarkophags, der bisher nicht aufgefallen war, ist

wiedergegebene Königin Anna und das Kärntner

auf einem winzig kleinen Fragment zu erkennen,

Wappen. Oswald Trapp, der die Zeichnung 1932

das sich isoliert im rechten oberen Teil des Putzes

publiziert hat14, vertrat die Ansicht, dass es sich

befunden hatte (Abb. 5). Über dem Grabdetail

um die Seitenansicht des Grabs handelte und

ist die braune Untergrundfarbe zu erkennen, die

dass neben dem erwähnten Wappen auch noch

als Basis für das Blau diente. Was im Grabinne-

andere Wappen vorhanden waren, die mit dem

ren dargestellt werden sollte, ist angesichts einer

Haus Görz-Tirol, dem Anna entstammte, in Be-

spärlichen braunen Farbspur am unteren Rand

ziehung standen.

12

des Fragments zu erahnen. Der Sarkophag wird perspektivisch wiedergegeben. 6

In diesem Zusammenhang möchten wir

Auf das 14. Jahrhundert ist auch ein höher an der Wand (308 cm vom heutigen Bodenniveau)

Die Frontseite wird teilweise von einem grü-

befindliches Fragment zu datieren. Es weist eine

nen Faltenwurf verdeckt, der auf den grünbraunen

ausgedehnte braune Grundierung als Vorberei-

Fußboden herabfällt. Oberhalb dieser Draperie ist

tung einer in Seccotechnik aufgetragenen blauen

ein mit einer Festonbordüre verziertes Stück Stoff

Farbe auf und im linken oberen Teil eine Archi-

zu erkennen, das wahrscheinlich zu einem Kissen

tektur (Abb. 8)15.

gehörte, auf dem der Leichnam ruhte. Von die-

Rechts davon hatte sich auf der Höhe des

sem hat sich allerdings nichts erhalten, mit Aus-

Scheinfensters ein weiteres, kleines und stark be-

nahme vielleicht von Farbspuren auf dem oben

schädigtes Fragment aus derselben Zeit befunden.

beschriebenen Fragment. Das Ganze befindet sich

Nach der Restaurierung wurde es verschleiert und

auf einem grauen Untergrund.

verputzt, um die Rokokodekoration nicht zu un-

Das malerische Bruchstück ist so klein, dass

terbrechen (Abb. 9).

es schwierig ist, sich die gemalte Szene und deren

An diese Grabmalereien schließt gegen das

5. Fragment mit dem oberen Teil einer Grabstätte, Chor, rechte Wand

Bestimmung vorzustellen. Möglicherweise stand

Chorende eine große, flachbogige Nische mit

6. Detail des grünen Gewands neben einer Grabstätte, Chor, rechte Wand

diese Malerei mit dem Grab von Königin Anna

gotischer Umrahmung (Abb. 10–11) an. Das

von Böhmen in Zusammenhang, einer im Jahr

Nischeninnere ist teilweise in Seccotechnik aus-

56


gemalt, und die Malerei greift auch auf die obere Steinumrahmung über. Der bemalte Intonaco wird gegen die Umrahmung hin zunehmend dünner und weist an den Steinelementen eine Stärke von nur wenigen Millimetern auf. Die bemalte Oberfläche ist fragmentarisch erhalten. Außerdem ist sie geschwärzt und beschädigt, da in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,

7

als die Kirche als Kaserne diente, in Nischennähe ein Rauchabzug für die Brotöfen angelegt wurde, deren Mauerblöcke bei den Restaurierungen nach

9

dem Ersten Weltkrieg entfernt wurden16. Auch an der Steinumrahmung finden sich Schäden, die wahrscheinlich durch das Einschlagen von Haken verursacht wurden. Die Malerei täuscht eine Tapete aus kreisförmigen geometrischen Motiven vor, die mithilfe eines Zirkels auf den frischen Mörtel aufgetragen wurden. Durch die sich überschneidenden Kreise entstehen blau-himmelblaue Blätter mit einem kleinen Viereck in der Mitte, auf dem sich eine

8

10

gemalte rote Blume mit vier Blütenblättern befindet. Besonders gut hat sich dieses Motiv an der Bogeninnenseite erhalten. Die Dekoration ist nicht leicht zu datieren, da die Technik – Seccomalerei auf einem nicht geglätteten Bildträger aus grobkörnigem Mörtel – auf eine Zeit nicht vor dem 16. Jahrhundert verweist. Es wäre auch möglich, dass die Mörtelschicht schon vorhanden, aber beschädigt und erodiert war. Bei diesem Ornament handelt es sich um eine Variante des geometrischen Motivs der Tapete auf dem Giotto-Fresko in der Oberkirche von Assisi, das die Bestätigung der Regel (Abb. 12–13) darstellt. Das ist natürlich nur eine Suggestion, die aber zu der Vermutung Anlass geben könnte, dass es im Kirchenchor ein ähnliches, aus dem 14. Jahrhundert stammendes Motiv gegeben hatte, das in der Folgezeit übernommen wurde, von dem sich aber keine Spuren mehr erhalten haben. An der linken Chorwand befindet sich über der Nische zwischen zwei Fenstern, in der das Tabernakel aufbewahrt wird, ein ausgedehntes Freskofragment, das bei den 1935 durchgeführten Restaurierungsarbeiten aufgedeckt wurde

7. Anton Roschmann, Zeichnung der Seitenansicht des Grabmals von Anna von Böhmen (aus: Trapp 1932) 8. 308 Zentimeter über dem derzeitigen Bodenniveau angebrachtes Fragment, Chor, rechte Wand 9. Mit Scheintapete dekorierte Nische, Chor, rechte Wand 10. Restauriertes, verschleiertes und teilweise übertünchtes Fragment, Chor, rechte Wand

57


11

(Abb. 14)17. Auf der sehr lückenhaften Male-

nerkirche betrifft die Ausstattung des Kirchen-

rei sind im oberen Teil des Putzes Spuren von

schiffs im 17. Jahrhundert, und im Zuge der

Sinopien zu sehen.

jüngsten Restaurierungsmaßnahmen konnten

In einer bewegten gotischen Architektur

die entsprechenden Ergebnisse der 1999 vorge-

kann man zwei Figuren erkennen: den heiligen

nommenen Ausgrabungskampagne ergänzt und

Johannes, dessen Antlitz einen leidenden Aus-

vervollständigt werden. In der ersten Hälfte des

druck zeigt, und die Jungfrau Maria, von der

17. Jahrhunderts erhielten die großen, aus dem

sich ein Teil der Aureole und der Grundierung

15. Jahrhundert stammenden achteckigen Pfei-

des Mantels erhalten hat. An der heutigen Fehl-

ler ionische Stuckkapitelle, und sie wurden mit

stelle zwischen diesen zwei Gestalten hatte eine

architektonischen Lisenen und Scheinmarmor

Darstellung Christi bestanden, von dem einzig

einschließenden Feldern verkleidet21.

die rechte Hand erhalten ist18.

Auch die Zugangsbogen zu den Seitenka-

Im unteren Teil hatten sich zwei anbetende

pellen wurden barockisiert und mit Engelsfigu-

Engel befunden – die auf einer im Fotoarchiv

ren dekoriert. Die Stuckaturen im Kirchenschiff

Rasmo-Zallinger aufbewahrten Fotografie19 zu

wurden wahrscheinlich zu zwei unterschiedlichen

erkennen sind und die auch Rusconi bei der 1935

Zeitpunkten zerstört: einmal durch den Abriss

durchgeführten Restaurierung erwähnt hatte .

der östlichen Kapellen im 19. Jahrhundert, zum

20

Auf dem Foto wird auch die nach der Restaurierung von 1935 verloren gegangene Wandfläche

12

11. Mit Scheintapete dekorierte Nische (Detail), Chor, rechte Wand 12. Giotto, Die Bestätigung der Regel. Assisi, Oberkirche 13. Giotto, Die Bestätigung der Regel. Detail der Scheintapete. Assisi, Oberkirche

58

Weltkrieg.

gezeigt (Abb. 14–15), die nicht nur den Bom-

Bruchstücke von modelliertem Stuck sind

benangriffen zum Opfer fiel, sondern auch der

sowohl als Füllmaterial für die nach der Öffnung

Gleichgültigkeit, die den bemalten Fragmenten

der heutigen Eingangstür zur Johanneskapelle ver-

bis zur letzten Konservierungsmaßnahme entge-

mauerten Tür aufgefunden worden (Abb. 17–18),

gengebracht wurde.

als auch im Bereich der Torggl auf dem Platz vor

Die 1935 vorgenommene Restaurierung

dem Kircheneingang (Ausgrabung 1999)22. Dar-

betraf auch die im Chor befindliche Altarmensa.

unter fallen vor allem zwei gefaltete Hände (Abb.

Sie wurde teilweise rekonstruiert, da der obere

19), Kapitellvoluten, drei kleine Fragmente von

gemauerte Teil bei der Benutzung der Kirche als

Gesimsen mit Spuren von Blattgold auf rotem

Kaserne demoliert worden war.

Bolus und viele Fragmente aus mehrfarbigem

Bei der Absenkung des Fußbodens auf das

13

anderen durch die Bombenschäden im Zweiten

Scheinmarmor auf.

ursprüngliche Niveau stieß man auf die originale

Die Fragmente, die aus der Vermauerung der

Ausmalung mit Schachbrettmotiven, die nur an

Tür stammen (Abb. 20–21), stellen architektoni-

der unteren Stirnseite der gemauerten Altarmensa

sche Elemente dar, wie zum Beispiel Kapitellvo-

erhalten sind. Die Dekoration in Elfenbeinweiß

luten. Darunter war auch eine drapierte Figur,

und Rot ist auf einer Kalkschlämme ausgeführt,

die sich noch in der Türfüllung befindet und mit

die Vorzeichnung in den frischen Mörtel einge-

den Dekorationen an den Bogen der Seitenkapel-

ritzt worden (Abb. 16).

len der Kirche, die Anfang des 19. Jahrhunderts

Bei der in den Jahren 2004–2005 durchge-

abgerissen wurden, in Verbindung gebracht wer-

führten Restaurierung ist der Malerei die originale

den kann (Abb. 22–23). Die Entscheidung, diese

Farbigkeit zurückerstattet worden, die durch me-

Stuckfragmente als Füllmaterial für einen Chor-

chanische Einwirkungen beschädigt und teilweise

zugang zu verwenden, wurde wahrscheinlich von

durch Salzeffloreszenzen, kohärente Staubabla-

praktischen Überlegungen der Arbeiter diktiert,

gerungen und Zementationsbildungen verdeckt

die nach der Absenkung des Fußbodens im Raum

worden war.

Ordnung schaffen wollten.

Ein weiteres Kapitel der Geschichte und

Die Fragmente zeugen von einem großen

der künstlerischen Entwicklung der Dominika-

technischen Können, was – zieht man die Aus-


16

14

14. Eucharistisches Tabernakel während der Restaurierungsarbeiten 1935, Chor, linke Wand

15

15. Eucharistisches Tabernakel nach den Restaurierungsarbeiten 2004–2005, Chor, linke Wand

16. Altarmensa, originale Dekoration im Schachbrettmuster

59


führung und das Material in Betracht – für Plastiker aus Norditalien spricht, besonders aus dem

A

Gebiet der lombardischen Seen. Die Analyse der entdeckten Fragmente liefert uns Rückschlüsse auf die Ausführungstechnik: Die Handwerker modellierten ihre Stuckaturen bisweilen direkt auf das Mauerwerk, in anderen Fällen mithilfe von gitterartigen Holzkonstruktionen, die aus mit Draht verflochtenen Schilfhalmen bestanden und durch Aufhängeeisen an

17

den Wänden befestigt wurden. An den glatten Flächen weist der Marmorstuck drei Schichten auf: Die am Geflecht angetragene Schicht ist rund 20

zwei Zentimeter stark, die zweite etwa 0,8 Zentimeter, während die sehr feine Pigmentschicht des Überzugs eine Stärke zwischen 0,4 und 0,6 Zentimetern aufweist. An den auskragenden Konsolen und den als Engel erkenntlichen Rundplastiken ist die Stuckmischung mit großen Kohlestücken vermengt worden. An den ans Tageslicht gekommenen Fragmenten sind die Spuren von Stäben, Raspeln und Feilen zu erkennen, die zur Modellierung verwendet wurden. An der stark polierten Oberfläche hat sich teilweise noch die besonders

21

glänzende Endschicht erhalten. Die Fragmente weisen die Farbgebung des Marmors auf, den man jeweils imitieren wollte: mit gelben, rosa-roten, blauen, schwarzen, grauen

18

und elfenbeinfarbenen, flecken- oder aderförmigen Maserungen, wie sie der Marmor auch in der Natur besitzt. Die Fragmente aus der Türfüllung im Apsisraum wie die Bruchstücke, die im Torgglinneren vor der Kirche gefunden wurden, weisen die gleiche technische Qualität und ästhetische Wirkung auf, während sie sich durch den Erhaltungszustand der Oberflächen unterscheiden. Die

19

17. A: Größe des Mauerausbruchs nach der Öffnung der im 18. Jahrhundert wiederhergestellten Tür, Chor, rechte Wand

in der Kelter auf dem Kirchplatz ans Tageslicht

18. Bei der Anlage der Tür im 18. Jahrhundert verursachte Lücke. Sie betraf einen Teil der damals vermauerten originalen Tür und einen Teil der Stoffimitation am Sockel, Johanneskapelle

da sie der Bodenfeuchtigkeit ausgesetzt waren,

19. Stuckfragment von gefalteten Händen, aus der Torggl 20. Stuckvolute, aus dem Füllmaterial der 2004–2005 restaurierten Tür, Chor, rechte Wand 21. Stuckfragment, aus dem Füllmaterial der 2004–2005 restaurierten Tür, Chor, rechte Wand

60

gekommenen Fragmente sind stärker beschädigt, während sich die zur Türvermauerung verwendeten Bruchstücke perfekt erhalten haben.


1 Es handelt sich um die zweite Bauphase. Die Ausgrabungen haben gezeigt, dass die Apsis ursprünglich kleiner war und aus der Zeit vor dem 14. Jahrhundert stammte. 2 Vgl. den Beitrag von Helmut Stampfer in der vorliegenden Publikation. 3 Vgl. den Beitrag von Tiziana Franco in der vorliegenden Publikation. 4 Fragmente von unbemaltem Intonaco wurden einer Konservierung unterzogen und aus ästhetischen Gründen wieder verdeckt. 5 Restaurierung des Jahres 1935 unter Leitung von Antonino Rusconi. 6 Grafische Aufnahme: A. Colosimo. 7 Das Buch könnte auf eine gebildete Person oder einen Schriftsteller verweisen. Es handelt sich um ein häufig auftretendes Attribut, das die Tugend verkörpert; in diesem Fall könnte es ein Stundenbuch versinnbildlichen. Holl 1983, S. 244–245; Mohr 1984, S. 201. 8 Wirth 1979, S. 269–271. 9 Das Gerippe symbolisiert das Wissen dessen, der die Schwelle des Unbekannten überschritten hat und durch den Tod in das Geheimnis des Jenseits eingegangen ist. Um dem Menschen die Hinfälligkeit des Lebens vor Augen zu führen, wird ihm das von Würmern zerfressene Skelett gezeigt. Derartige Bilder sollten beim Betrachter Furcht vor dem göttlichen Gericht erwecken. Dieses eschatologische Thema, das sich unter den Dominikanerpredigern großer Beliebtheit erfreute, umfasste die letzten vier Schlusspunkte des Menschen: den Tod, das Jüngste Gericht, das Paradies und die Hölle. Ähnliche Themen finden sich oft an Grabstätten in Kirchen und Kreuzgängen. Die Knochen des Verstorbenen erinnern auch an die Vision des Propheten (Ez 37), in der berichtet wird, wie dem geschlagenen und verbannten Volk Israel ein neues Leben verheißen wird – was in der Folge von der christlichen Theologie als eine Präfiguration der allgemeinen Auferstehung der Toten gedeutet wurde. Mohr 1984, S. 258, 308–309. 10 Bei der Restaurierung des Fußbodens wurde festgestellt, dass die wahrscheinlich der Grabstätte entsprechende Fläche beim Bau der alten Heizungsanlage zerstört worden war. 11 Cozzi in: Atlas 2002, S. 103–104, 3.9 12 Ibd., S. 103–104, 3.9. 13 Ibd. 2001, S. 103–104, 3.9. 14 Trapp 1932, Tafel 2, Abb. 2, S. 97. 15 Größe: ca. 80 x 90 cm. 16 Rusconi 1935, S. 621; vgl. den Beitrag von Angela Mura in der vorliegenden Publikation. 17 Rusconi 1935, S. 618; Cozzi 2001, S. 103–104, 3; Spada Pintardelli 2001, S. 287. 18 Adriano Salvoni, Restaurierungsbericht 2005. 19 Fotoarchiv FRZ. 20 Rusconi 1935, S. 621. 21 Ibd. 1935, S. 616. 22 Von der Firma Archeostudio (Alberto Alberti, Maria Laura Fattoretto) ausgeführte Arbeit anlässlich der archäologischen Kontrolle unter Leitung des Bozner Landesamts für Bodendenkmäler. Denkmalpflege 1999, S. 12.

22

23

22. Fragment eines Stuckengels, Chor, rechte Wand 23. Fragment eines Stuckengels (Detail), Chor, rechte Wand

61


Mit dem vorliegenden Beitrag sollen die Untersuchungen und Ergebnisse der im Auftrag des Rektorats der Dominikanerkirche von der Firma Tecnobase Restauri s.r.l. durchgeführten Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen dargelegt werden, die im Oktober 2007 begonnen und im August 2008 abgeschlossen wurden und die mit Dekorationen versehenen Wandflächen im Schiff der Bozner Dominikanerkirche betrafen. Durch die Untersuchung des Erhaltungszustands und die Durchführung der Restaurierungen konnten die Wandmalereien besser beurteilt und dokumentiert werden – was zu interessanten Neuigkeiten hinsichtlich der in der Dominika-

Bemerkungen zur Restaurierung des Schiffs der Bozner Dominikanerkirche Sara Metaldi

nerkirche vorhandenen Kunstwerke geführt hat. Die entdeckten, ans Tageslicht gebrachten und restaurierten polychromen Elemente schmücken heute erneut wieder die Architekturen und ermöglichen damit die Rekonstruktion der für die Gotik typischen, aufstrebenden Formen, die das Bauwerk charakterisieren. Die analytischen Daten haben die notwendige Grundlage zur Ausarbeitung der Konservierungsmaßnahmen geliefert. Die Untersuchungen haben es ermöglicht, eine Zeit auszumachen, zu der eine Beziehung zwischen den Bauelementen bestand, die auf die Umgestaltung des Gebäudekomplexes im 15. Jahrhundert zurückgehen. Bei den komplexen Analysen der stratigrafischen Proben und der ausgeführten Schnitte hat sich gezeigt, wie heterogen die bemalten Flächen derzeit sind. Die ursprüngliche, gemeinsame Ausführungstechnik konnte bei einem Gang durch die Geschichte und die Techniken der „Restaurierung“ wiederentdeckt werden. Die Ausmalung betrifft die Gewölberippen, die Konsolen, die Öffnungen, die großen Spitzbogenfenster und die Dekorationen an der Laibung des Zugangsbogens zur Brandiskapelle. Die lange Geschichte der vorausgegangenen Restaurierungen und Umbauten, die in der Dominikanerkirche aufeinander gefolgt sind, ist das Ergebnis mehrerer partieller, abschnittweise durchgeführter Kampagnen. Dazu kam, dass die Elemente, an denen sporadische Restaurierungen

62


und unbestimmte Konservierungsmaßnahmen vorgenommen worden waren, die den Bauflächen

Konsole 3

ein äußerst dishomogenes Aussehen verliehen, niemals ganzheitlich interpretiert worden sind. Die im Zuge der Restaurierungen durchgeführten Untersuchungen haben sich mit den Besonderheiten der sich überlagernden Farbschichten und den Beziehungen zwischen diesen und

Aufriss Westwand

der Farbigkeit der Dekoration beschäftigt, deren Ausführungstechnik aus teilweise abgebundenen und unter Rückgriff auf organische Bindemittel

Konsole 7

in Seccomalerei aufgetragenen Schichten besteht. Bei einer kritischen Lektüre der verschiedenen an der Kirche vorgenommenen Umgestaltungen können die wichtigsten Bauphasen und die Dekorationen miteinander in Bezug gebracht

Aufriss Ostwand

werden. Die analytischen Daten haben die notwendige Grundlage zur Ausarbeitung der Konservie-

1

rungsmaßnahmen geliefert, die es – angesichts einer nun besseren Kenntnis der Materialien – ermöglicht haben, unter Einsatz der wissenschaftlichen Geräte unterschiedliche Lösungen zu formulieren. Die Untersuchungen der Oberflächen und die Archivdaten1 sind miteinander verglichen und durch stratigrafische, petrografische und diagnostische Analysen ergänzt worden, durch die der Wissensstand beträchtlich erweitert werden konnte. Die stratigrafischen Untersuchungen, die am bemalten Intonaco, an den Baustrukturen und den Steinelementen vorgenommen wurden und einen Zeitaufwand von mehr als einem Monat erforderten, haben uns die Möglichkeit gegeben, die verschiedenen „Mosaiksteine“ erneut zusammenzufügen und ein weiteres, bedeutsames Kapitel der Geschichte der mit Malereien versehenen Wandflächen zu schreiben und sie dabei neuerlich wieder miteinander in Verbindung zu bringen. Die vorliegende Dokumentation liefert uns heute, aber auch künftigen Untersuchungen, weitere Kenntnisse zur Begegnung und zum Umgang mit den Kunstschätzen, die im Herzen der Stadt Bozen anzutreffen sind. 1. Grafische Erhebungen. Messungen an Konsole 3 und Konsole 7

63


Untersuchung der Malschichtenfolge Die stratigrafischen Untersuchungen sind – als erste nicht invasive Methode – systematisch auf den von den Konservierungsmaßnahmen betroffenen Oberflächen durchgeführt worden. Bei der Realisierung der stratigrafischen Pro-

Aufriss Westwand Schicht 0 1 2 3 4

ben an den Oberflächen erkannte man, dass sich

Ausführungsphase Quarzhaltiger Sandstein Originale Polychromie Schlämmschicht Typ A Schlämmschicht Typ B Schlämmschicht Typ C

die Schichtenfolgen an den einzelnen Elementen erheblich voneinander unterschieden. Durch die progressive Abnahme konnten die Anzahl sowie die das Material und die Far-

Probeentnahme 2

durchgeführte Analysen

Schichten ausgemacht werden. Anhand der Untersuchung der Malschich-

Schaubild Probe 3 Art der Probeentnahme Probeentnahmepunkt Zweck der Untersuchung

ben betreffende Abfolge der sich überlagernden

tenfolgen und der Querschliffe konnte festgestellt

Fragment mit oberflächlicher Schlämmschicht Westschiff Untersuchung der Schichtenfolge mikroskopische Analyse in Querschliff/Dünnschliff, spektrofotometrische Messung (FTIR) – IMC DACD-SUPSI

werden, dass die Farbfassungen – je nach den von den Maßnahmen betroffenen architektonischen Elementen – bisweilen von nur zwei, in anderen Fällen von vier Schlämmschichten überdeckt worden waren, sodass entsprechend den verschiedenen Situationen unterschiedliche Eingriffe und Maßnahmen vorgenommen werden mussten. Die anzuwendende Methode wurde von Fall zu Fall entschieden und die Verfahrensweise nach der Identifizierung der Konservierungsprobleme des Objekts und einem direkten Vergleich mit den analytischen Daten festgesetzt. Die Analyse der Labordaten, die vor Ort durchgeführten stratigrafischen Untersuchungen sowie die Kenntnis der verwendeten Materialien und der Ausführungstechnik haben eine Reihe von Daten geliefert, die die Grundlage zur praktischen Anwendung der Restaurierungsmaßnahmen bildeten. Die Spitzbogenfenster wurden unter Anwendung von Chelatoren2 gereinigt, an der Zugangs3

tür zum Lettner mussten Verdickungsmittel mit Lösemitteln und Ultraschallablatoren eingesetzt werden, auf die Konsolen wurden Mikroemulsionen aufgetragen, während die Pfeiler mit mechanischen Geräten behandelt wurden. Die auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlicher Tiefe vorgenommenen Reinigungsmaßnahmen haben uns die Möglichkeit gegeben,

2. Stratigrafie an der Konsole 3 und entsprechender Aufriss

die zeitliche Entwicklungsgeschichte der einzelnen

3. Schaubild 9, Spektrum „A“ FTIR von der Oberfläche der Probe 3

Objekte zu analysieren.

64


Eingehendere Untersuchungen der Ausführungstechniken haben das Ergebnis erbracht, dass die steinernen Bildträger aus quarz- und feldspathaltigem Sandstein aus dem Marmoladagebiet bestehen. Zum besseren Verständnis der unterschiedlichen Sachverhalte, die wir bei der Arbeit angetroffen haben, folgt eine detaillierte Analyse der farbigen Oberflächen der Konsolen; dazu werden zwei Elemente an einander gegenüberliegenden Wänden miteinander verglichen und ihre unterschiedliche Konservierungsgeschichte dargelegt. Die Proben sind an den grafisch hervorgehobenen Stellen der Konsole Nr. 3 und der Konsole Nr. 7 an der West- beziehungsweise der Ostwand des Kirchenschiffs entnommen worden (Stratigrafie, Abb. 2, 9). Eines der Hauptziele der Arbeit war die Identifizierung der tatsächlichen Ausdehnung und Konservierung der originalen Farbfassung. In der Tat konnten wir die auf den Konsolen vorhan-

4

denen Schlämmschichten katalogisieren und auf den beiliegenden Schaubildern aufzeichnen. Bei dieser Aufzeichnung ergaben sich auf der Konsole Nr. 3 drei übereinander liegende Schichten, auf der Konsole Nr. 7 dagegen zwei Schichten. Die Schlämmschichten sind in chronologischer Reihenfolge erfasst und durch eine auf der Untersuchung der Schichtenfolge basierende Datierung rekonstruiert worden. Zur Entnahme der Proben wurden solche Stellen ausgewählt, die Rückschlüsse auf die verwendeten Materialien, die originalen Ausführungstechniken und die verschiedenen, im Laufe der Geschichte durchgeführten Restaurierungsverfahren liefern konnten. Die Analysen wurden von Dr. Giovanni Cavallo vom Analyse- und Forschungslabor L.T.S. bei der SUPSI in Trevano (Lugano) durchgeführt. Querschliffe

5

In den Querschliffen werden die unterschiedlichen Schichtenfolgen der Dekorationen an zwei einander gegenüberliegenden Wänden

4. Mikrofotografie der Probe 3, mit optischem Mikroskop im Labor ausgeführt – IMC DACD-SUPSI

deutlich gemacht.

5. Vergrößertes Detail der Probe

65


6

7

6. Mikrofotografie 7 der Probe 3, mit optischem Mikroskop im Labor ausgeführt (Nicols X) – IMC DACD-SUPSI 7. Mikrofotografie 7 der Probe 3, mit optischem Mikroskop im Labor ausgeführt (Nicols //) – IMC DACD-SUPSI

66


Probe Nr. 3, Westwand

– Bildträger: Stein – originale Polychromie aus Fe-oxiden unter Zusatz von Rebschwarz – Kalkschlämme (200–300 Mikron) – aus verschiedenen Materialien hergestellte Schlämme (60–80 Mikron) Probe Nr. 7, Ostwand

– Bildträger: Stein – originale Polychromie aus Fe-oxiden unter Zusatz von Rebschwarz – Alterationsprodukt: schwarze Verkrustungen – aus verschiedenen Materialien hergestellte Schlämme (80–140 Mikron) Das Vorhandensein von Eisen konnte durch mikrochemische Tests nachgewiesen werden. Durch die Querschliffe konnten die verschiedenen Typologien der Schlämmen identifi-

8

ziert werden, und weitere Informationen hat die Gegenüberstellung der historischen und analytischen Daten wie die aufmerksame Betrachtung des Manufakts geliefert. Die Daten, die sich aus den Untersuchungen der Querschliffe ergeben, finden Entsprechung in dem uns schon bekannten Wissen um den historischen Ablauf. Dünnschliffe Hier anschließend werden die Ergebnisse der petrografischen Analysen dargelegt. Probe Nr. 3, Westwand (Abb. 6–7) und Probe Nr. 7, Ostwand (Abb. 13–14) Bildträger: Beim Gestein handelt es sich um quarz- und feldspathaltigen Sandstein (Quarzarenit), der überwiegend aus einzelnen Kristallen aus Metamorphquarz besteht (0,4–1,2 mm), aus Fragmenten (1 mm) aus Ergussgesteinen mit porphyrischer Struktur, Spuren von stark gespaltenen Feldspaten und Spuren von Muskovit. Kieselzement, Porosität und geometrisch unregelmäßige

8. Mikrofotografie 5 der oberen Schichten der Probe 3, mit optischem Mikroskop im Labor ausgeführt (Nicols //) IMC DACD-SUPSI

67


Entwicklung, von der Alteration der Feldspate herrührende Spuren von tonhaltigen Mineralen (in Verbindung mit FeOOH). Unter geologischem Gesichtspunkt handelt es sich um gelben, grauen und roten Sandstein (Grödner Sandstein aus den westlichen Dolomiten) mit häufigen Siltablagerungen sowie an

Aufriss Ostwand Probeentnahme

Schicht 0 1 2 3

Ausführungsphase Quarzhaltiger Sandstein Originale Polychromie Schlämmschicht Typ A Schlämmschicht Typ B

der Basis konglomeratischen und an der Spitze mergeligen und karbonatischen Einschaltungen. 9

Schaubild Probe 7 Art der Probeentnahme Probeentnahmepunkt Zweck der Untersuchung Durchgeführte Analysen

Fragment mit oberflächlicher Schlämmschicht Westschiff Untersuchung der Schichtenfolge mikroskopische Analyse in Querschliff/Dünnschliff, spektrofotometrische Messung (FTIR) – IMC DACD-SUPSI

– Ursprüngliche Polychromie: Malschicht aus Kalk (mittlere Stärke 200 Mikron) aus Feoxiden und/oder Fe-Hydroxiden und Teilchen aus Rebschwarz, Calcitkristalle. Die Farbe lässt sich in die Rot- und die Blauskala einordnen und nimmt auf den caput mortum Bezug. In der Probe Nr. 7 (Abb. 11) sind zwei in der originalen Ausführungstechnik aufgetragene Schichten zu erkennen. Die originale Malschicht ist direkt auf den Kalk aufgetragen worden, wahrscheinlich unter Zusatz von proteinhaltigem Material. – Kalkschlämme (mittlere Stärke 300 Mikron), nur in der Probe Nr. 3 auszumachen, mit Spuren von Rebschwarz. Die Farbe ist der Grauskala zuzuordnen. – Schwarze Verkrustung (mittlere Stärke 200 Mikron), nur in der Probe Nr. 7 auszumachen; sie besteht aus globularen Teilchen aus Kohle und Gips. – Aus verschiedenen Materialien bestehende Schlämme (mittlere Stärke zwischen 20 und 400 Mikron) aus einem modernen Pigment mit optisch isotropischen Merkmalen. An der Oberfläche sind Staubablagerungen nachzuweisen, die für die makroskopisch zu beobachtende Grautönung verantwortlich sind.

10

Der Gehalt an sekundärem Gips konnte auch durch spektroskopische Analyseverfahren (FTIR) nachgewiesen werden, was aus den im Anhang wiedergegebenen Spektren A und B zu ersehen ist (Abb. 3, 10). Gips ist überwiegend in der Probe 3 enthalten, in geringerem Maße in der Probe 7. Außer Gips enthalten die Proben auch 9. Stratigrafie an der Konsole 7 und entsprechender Aufriss 10. Schaubild 10, Spektrum „B„ FTIR von der Oberfläche der Probe 7

68

Calcit und Spuren von Ca-Oxalaten. An der von den Bomben stärker beschädigten Ostwand fehlt die an der Westwand ausge-


11

12

11. Mikrofotografie der Probe 7, mit optischem Mikroskop im Labor ausgeführt – IMC DACD-SUPSI 12. Vergrößertes Detail

69


machte mittlere Schlämmschicht Nr. 2 gänzlich. Außerdem befindet sich diese Wand in einem schlechteren Erhaltungszustand, der auf die Witterungseinflüsse während der langen Verwahrlosung der Kirche zurückzuführen ist. An der Westwand dagegen haben sich die originalen Farbschichten entschieden besser erhalten. (Während des Zweiten Weltkriegs erlitt der Dominikanerkomplex im Jahr 1944 schwere Bombenschäden3, unter anderem die völlige Abdeckung des Dachs der in die Stadt eingebundenen Kirche. Erst im Jahr 1952 wurde anhand von Funden und Bruchstücken mit dem Wiederaufbau der Gewölbe des Kirchenschiffs begonnen.) Der Querschliff der am Quarzarenit-Bildträger der Konsole Nr. 7 entnommenen Probe zeigt, dass die ursprüngliche Schlämmschicht die gleichen Merkmale (und somit die gleiche Technik des Farbauftrags) aufweist wie der Querschliff der an der Konsole Nr. 3 entnommenen Probe. Es fehlt allerdings 13

die an der Probe Nr. 3 ausgemachte „mittlere“ Schicht, das heißt, außer der ersten Schicht ist nur eine weitere Schicht zu erkennen, die die gleichen Charakteristika aufweist wie die letzte, aus verschiedenen Materialien hergestellte Schlämme der Probe von der Konsole Nr. 3. Dagegen sind Alterationsprodukte (schwarze Krusten) festzustellen. Diese Fakten geben zu der Vermutung Anlass, dass die ursprüngliche Farbigkeit an den steinernen Konsolen der Ostwand stärker den Witterungseinflüssen, besonders den meteorischen Niederschlägen, ausgesetzt war, eben weil diese Mittelschicht fehlte. Die Konsolen an der Westwand dagegen wurden durch die Schlämmschicht Nr. 2 „geschützt“, was zum besseren Erhaltungszustand der originalen Farbschicht beigetragen hat. Diese diagnostischen Untersuchungen haben einmal mehr erwiesen, dass jedes Bau- und Kunstwerk uns sehr komplexe Daten und Infor-

14

mationen auf verschiedenen Ebenen liefern kann. Der derzeitige Erhaltungszustand der Konsolen zeugt von mangelndem Einfühlungsvermögen

13. Mikrofotografie 8 der Probe 7, mit optischem Mikroskop im Labor ausgeführt (Nicols X)– IMC DACD-SUPSI

bei den vorgenommenen Restaurierungs- und

14. Mikrofotografie 8 der Probe 7, mit optischem Mikroskop im Labor ausgeführt (Nicols //)– IMC DACD-SUPSI

naus müssen wir uns dessen bewusst sein, dass

70

Konservierungsmaßnahmen, und darüber hi-


die übereinander aufgetragenen Schichten den „Informationsgehalt“ der Werke beeinträchtigen. Dennoch beweisen diese zusätzlichen, an den Konsolen vorgenommenen Untersuchungen, dass die mittleren Schlämmschichten – sofern sie (wie an der Westwand) vorhanden waren – die ursprüngliche Polychromie geschützt und zu ihrer guten Erhaltung beigetragen haben.

1 Die Recherchen beziehen sich auf das fotografische und dokumentarische Material bei der Stiftung N. Rasmo – A. von Zallinger in Bozen. 2 Bei Chelatoren handelt es sich um organische oder anorganische Verbindungen, die zwei oder mehr freie Elektronenpaare aufweisen und damit mehr als eine koordinative Bindung mit einem zentralen Metall-Ion eingehen können. Sie haben die Fähigkeit, zwei- oder mehrwertige Kationen in stabilen, ringförmigen Komplexen, sogenannten „Chelaten“, zu fixieren. 3 Vgl. Abb. 39 im Beitrag von Helmut Stampfer. Die Fotografie zeigt die eingestürzte Ostwand und die herabgefallenen Steinkonsolen, die bei dem 1952/1953 erfolgten Wiederaufbau an ihrem früheren Platz angebracht wurden (Denkmalpfleger M. Guiotto).

15

15. Mikrofotografie 6 der oberen Schichten der Probe 7, mit optischem Mikroskop im Labor ausgeführt (Nicols //)

71


Eine umfassende und systematische archäologische Untersuchung im Bozner Dominikanerkloster steht bis dato aus, sollte jedoch für die Zukunft ins Auge gefasst werden, da einige ausgedehnte Bereiche von zentraler Bedeutung – wie Teile des Kirchenschiffes und des Altarraumes, die Seitenkapellen an der Ostflanke der Kirche (dem Erlöser Jesu Christi geweiht) und ein Großteil des Kreuzgangs1 – noch unberührt sind, weshalb sie großes archäologisches Potential in sich bergen. Im Laufe der letzten 30 Jahre wurden im Bereich des einstigen Klosterareals zahlreiche archäologische Untersuchungen durchgeführt. Dabei handelte es sich jedoch um eine Reihe von relativ

Archäologische Befunde und Funde vom Dominikanerkloster in Bozen Alberto Alberti Gino Bombonato Lorenzo Dal Ri

kleinflächigen Eingriffen, die punktuell angesetzt wurden und stets an die Restaurierungsmaßnahmen geknüpft waren (Taf. 1). Diese erfolgten zudem unter Federführung von vier unterschiedlichen Ämtern2, was eine kontinuierliche Fortführung der Arbeiten erschwerte. Dennoch erbrachten die jeweiligen Untersuchungen mitunter aufschlussreiche Ergebnisse, die es durchaus lohnt, nunmehr in einer ersten Zusammenschau darzustellen. Die erfassten Befunde lassen sich in vier Kategorien gliedern: älteste archäologische Funde, hochmittelalterliche Baureste, klosterzeitliche Befunde im Zusammenspiel mit der komplexen Baugenese der Anlage und Fundmaterialien aus der Zeit nach der Säkularisierung (1785). Älteste archäologische Funde Für die erste Kategorie lassen sich lediglich vereinzelte Fundobjekte anführen. Dennoch verweisen die vor Ort geborgenen Überreste auf eine bereits mehrfach nachgewiesene Besiedlung des Bozner Talkessels in den beiden vorchristlichen Jahrtausenden. Insbesondere ein retuschierter Silex und drei Henkelfragmente eines handaufgebauten Keramikgefäßes belegen eine Nutzung des Areals im Zeitraum vor Christi Geburt. Für den Ort der späteren Klostergründung ließ sich jedoch nur eine gelegentliche Nutzung während der vorangegangenen Zeitalter nachweisen. Ein richtiggehendes Siedlungsareal hätte hingegen

72


Tafel 1

Tafel 1 Grundrissplan des Dominikanerklosters Farblegende: -dunkelbraun/hellbraun (erhalten/ergänzt) Ende 13. Jahrhundert; -dunkelgrau/hellgrau (erhalten/ergänzt) archäologische Befunde/ Ergänzungen; -schwarz heutiger Bestand (Mitte 14.–18. Jh.); -blau Verblendungen/spätere Erweiterungen -rot Gräber

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eine weitaus größere Menge an Fundmaterialien erbracht. Auch die römische Epoche schlägt im Fundbild lediglich mit sporadischen Funden wie einer Fibel, einigen Münzen und Fragmenten von Leistenziegeln zu Buche (Abb. 1–3). Ebenfalls römisch könnten Überreste von Kalkmörtelmauern sein, die am Kirchplatz in großer Tiefe zum Vorschein 1

2

3

kamen (vor allem unter den Böden des sogenannten Torgglhauses) (Abb. 4). Das Frühmittelalter ist durch einige schwer zu datierende Keramikfragmente3 und einen aus einem Ziegel gewonnenen Spinnwirtel vertreten (Abb. 5). Diese Fundsituation entspricht im Wesentlichen jener, die in diesem Teil Bozens auch andernorts dokumentiert ist. Generell dem Neolithikum zuordenbare Funde sowie zahlrei-

5

4

che Überreste einfacher Gebäude aus spätrömischer Zeit kamen vor Jahren bei Grabungen auf dem benachbarten Areal beim Alten Spital4 zum Vorschein (Abb. 6). Ein vorgeschichtliches Keramikfragment und eine römische Münze fanden sich 2004 bei einer Untersuchung in der Goethestrasse5; vereinzelte eisenzeitliche Keramikfragmente stammen vom Waltherplatz6. Weitere spätantik-frühmittelalterliche Befunde (Abb. 7) konnten unmittelbar südöstlich des Domes erfasst werden (1990), ebenso römerzeitliche Mauerreste bei Grabungen im Kapuzinerkloster (1999), wo zudem frühmittelalterliche Überreste zum Vorschein kamen7. Hochmittelalterliche Befunde Die Klostergründung erfolgte auf einem Areal, das sicherlich schon genutzt wurde. Der Zufahrtsweg in die Stadt, an dem sich die Dominikaner niederlassen durften, war zweifellos bereits von Gebäuden gesäumt8. Vor allem in den tiefsten Schichten am Kirchplatz und unterhalb des Torgglhauses breitete sich ein feinsandiger Trampelhorizont aus, der einem älteren Hofareal samt benachbarten Gebäuden zuzuordnen ist. Zu letzteren

1. Antonian des Gallienus, 254–268 n.Chr. 2. Konstantinische Bronzemünze, 4. Jahrhundert

4. Innenbereich Torgglhaus mit römerzeitlichen Schichten und Mauerresten

3. Kräftig profilierte Bronzefibel, 2.–3. Jahrhundert

5. Spinnwirtel, aus Ziegel gefertigt

74

gehörte eine Grube, die in einer Hofecke ausgehoben wurde und vermutlich als Latrine diente9. Deren trockengemauerte Seitenwände ziehen


annähernd glockenförmig nach oben, um am Mauerscheitel in eine Öffnung zu münden. Diese Bauart ist seltener als die häufiger vertretenen zylinderförmigen Latrinen, die über eine flache hölzerne Deckkonstruktion verfügten (Abb. 8). Die aus Steinen und Erde (vermischt mit unterschiedlichen Abfällen wie Holzkohle, Keramikbruch, Tierknochen usw.) bestehende Verfüllung dürfte in einem Arbeitsgang eingebracht worden sein, der vermutlich Anfang der Siebzigerjahre des

6

8

7

9

13. Jahrhunderts erfolgte, als eine Latrine in unmittelbarer Nähe einer Kirche (Kirchplatz) nicht mehr angebracht schien, da hier bald darauf die ersten Gräber angelegt wurden. Bei dem Fundmaterial aus der Latrinenfüllung handelt es sich demnach um einen geschlossenen Fundkomplex von großem archäologischem Interesse. Zum Trampelhorizont (Abb. 9) mit der soeben beschriebenen Latrine gehörten außerdem einige offene Feuerstellen und mehrere Gruben unterschiedlicher Funktion, darunter sicherlich Brenn- und Kalkschichten, sowie kleine, mörtellose Steinreihen usw. Die spärlichen Funde aus diesen Befundsituationen erschweren eine Datierung der Überreste, die auch sukzessive entstanden sein könnten. Mehrere kleine Scheiben10, die aus Porphyrplatten (Abb. 10), aber auch aus Ziegelbruch gewonnen wurden und deren Verwendung rätselhaft bleibt, erinnern an vergleichbare Funde aus dem 1985 am Waltherplatz freigelegten mittelalterlichen Gebäude: Demnach dürften die Funde spätestens aus dem 11.–12. Jahrhundert stammen. Auch einige andere Befunde (Steinansammlungen usw.), die bei Sondagen im Hof des Kreuzgangs zum Vorschein kamen, könnten vorklösterlicher Zeitstellung sein (Abb. 11). Klosterzeitliche Befunde Die erste Kirche Zwischen der Ankunft der Klosterbrüder 1272 und dem Jahr 1276 wurde mit Sicherheit ein von Spada/Bassetti11 als „chiesa primigenia“ bezeichnetes Sakralgebäude errichtet, also eine

6. Spätrömische Befunde auf dem Areal des Alten Spitals in der Sernesistraße 7. Grabung im ehemaligen Garten des Pfarrhauses südlich des Doms mit Resten einer Straßentrasse und Gebäuden des 5.–7. Jahrhunderts

8. Grabung am Dominikanerplatz (1988) mit vorklösterlichen Siedlungsresten 9. Mittelalterliche Befunde vorklösterlicher Zeitstellung

75


10

11

Erstkirche, die dem Erlöser Jesu Christi („ec-

in einem Arbeitsgang eingebrachte Auffüllung

clesia Iesu Christi“) geweiht war. Im selben Jahr

hin, ohne dass sich in den Hohlräumen feineres

fanden im Zuge des Friedensvertrages zwischen

Material ablagern konnte. Offensichtlich stammt

Meinhard II. und Bischof Heinrich von Trient

das Schuttmaterial vom Abbruch eines großen

tatsächlich drei bedeutende Veranstaltungen12

steingemauerten Gebäudes.

in diesem Gebäude statt. Dem neuen Kloster in

Der Abriss von gewöhnlichen Wohngebäu-

Bozen wurde ein Standort entlang der einstigen

den, die im Bozen des 13. Jahrhunderts großteils

Nord-Süd-orientierten Einfallstraße in die Stadt

in Holzbauweise errichtet waren15 (zumindest

zugewiesen. Diese führte Richtung Eisackbrücke

was die aufgehenden Teile anbelangt), hätte wohl

und erhielt im Anschluss daran gerade wegen des

kaum eine solche Menge an derartigem Bauschutt

Klosters den Namen „Predigergasse“. Hier dürfte

erbracht. Hält man sich außerdem den Fundort

sich auch das sogenannte „Jägerhaus“ befunden

vor Augen, könnte man in den Ablagerungen

haben, das nach Trojer13 die erste Unterkunft der

ohne Weiteres das Abbruchmaterial der ersten

Dominikaner in Bozen darstellte.

Dominikanerkirche vermuten. Offensichtlich ließ

Bisher war von diesem ersten Baukörper aus der

sich das heterogene Material16 für den Bau neuer

Gründerzeit der Dominikaner in Bozen nichts

Gebäude nicht mehr verwenden, wurde jedoch

Genaueres bekannt. Nunmehr lassen sich jedoch

dazu genutzt, das Gelände vor Ort künstlich anzu-

anhand der in den letzten 30 Jahren ergrabenen

heben, um so den Gehhorizont im Außenbereich

Bodenbefunde einige diesbezügliche Hypothesen

an das Bodenniveau im Gebäudeinneren anzu-

erstellen, die durchaus glaubwürdig erscheinen

gleichen. Zusammenhängende Befunde kamen

(Taf. 2).

im Zuge der Untersuchungen in anderen Teilen

1980 wurde an der Ostseite des Chores am

Tafel 2

10. Aus Porphyrplatten hergestellte Scheiben

des Klosters ans Tageslicht.

Dominikanerplatz eine Sondage durchgeführt14.

198917 wurde entlang der Ostmauer des

Dabei stieß man unter dem heutigen Pflasterbo-

Kreuzgangs, die zugleich die Westmauer des Kir-

den auf eine Schichtabfolge anthropogenen Ur-

chenschiffs bildet, ein kleinflächiger Suchgraben

sprungs. Zunächst kam eine einen Meter mächtige

angelegt. Dabei kamen drei aufeinanderfolgende

Schuttschicht ans Tageslicht (Schicht A), bei der

Mauerabschnitte unterschiedlicher Machart zum

es sich wohl um das Abbruchmaterial der Ka-

Vorschein. Ersterer bestand aus Rechteckquadern,

pellen, insbesondere der um 1820 abgerissenen

die beiden folgenden aus unterschiedlich behau-

St.-Rita-Kapelle, handelt. Darauf folgte eine et-

enen Geröllsteinen. Außerdem ließen sich eine

wa 50 Zentimeter starke, kompakte und beinahe

vermauerte Türöffnung und Überreste zweier

steinfreie Erdschicht (Schicht D), die vermutlich

weiterer Mauern nachweisen.

für einen Garten eingebracht wurde. Darunter

199318 wurde in der Johanneskapelle der bei

breitete sich in etwa 1,70 Meter Tiefe eine weitere

den Restaurierungsarbeiten der Nachkriegszeit

Schuttschicht aus (die nach oben hin von einem

eingebrachte Fußboden entfernt. Dabei stieß man

Brandhorizont begrenzt wurde). Dieses Schicht-

unter anderem auf einen Ost-West-orientierten

paket (Schicht G) setzte sich beinahe ausnahmslos

Mauerzug, der das Kapellenschiff quert. Die

aus Steinen und Kalkmörtel zusammen, vermischt

Mauer misst im Aufgehenden 90 Zentimeter; an

mit Wandverputz und Estrichresten. Aus der

der Basis schließen nach außen hin mehrere Ab-

Schicht stammt ein kleiner Verputzrest mit Fres-

sätze an, weshalb sich die Mauerstärke auf etwa

komalerei (geometrische Motive). Aufgrund der

140-150 Zentimeter erhöht. Daran lehnen nach

begrenzten Grabungsfläche konnte die Sondage

Norden hin jüngere gemauerte Grabkammern an.

lediglich bis in eine Tiefe von 2,50 Metern geführt

200419 konnte beim Einbau der Bodenhei-

11. Künstlich angehäufte Steinansammlungen vorklösterlicher Zeitstellung im Kreuzgang (1998)

werden, wobei sich letztgenannte Schuttschicht

zung im Chorraum eine großflächigere Unter-

Tafel 2 Grundriss des Dominikanerklosters im ausgehenden 13. Jahrhundert

unverändert fortsetzte. Hohlräume zwischen den

suchung durchgeführt werden. Nach dem Ent-

darin enthaltenen Steinen deuten auf eine eiligst

fernen des neuzeitlichen Bodenbelags kamen die

76


Mauerkronen eines Baukörpers zum Vorschein, der sich innerhalb des heutigen Chors ausdehnte. Offensichtlich handelt es sich dabei um einen früheren Chorbau, der wesentlich schmäler und kürzer als der heutige war und nahezu parallel zu diesem verlief (Abb. 12). Sowohl Länge als auch Breite dieses älteren Chors lassen sich annähernd bestimmen. Das an der Außenfassade erhaltene Fundament eines Eckpfeilers belegt zudem, dass dieser erste Chorbau bereits über ein Gewölbe

13

verfügte (Abb. 13). Die Mauer zeigt eine ziemlich regelmäßig gestaltete Innenfassade, die ihr Erscheinungsbild bis in eine Tiefe von etwa zwei Metern unverändert beibehält (Abb. 14). Fehlende Gewölbeansätze an der Innenfassade sprechen dabei gegen einen eingetieften Innenraum, also einer Art Krypta unterhalb des

12

Chors. Eine solche Altarkrypta wäre für die Kirchenbauten der damaligen Bettelorden ohnehin völlig unüblich gewesen. Die Mauer zeigt deut-

14

liche Spuren einer intentionalen Zerstörung, von der die Außenschale abschnittsweise weit mehr betroffen war als die Innenfassade. An der Außenseite kamen zwei aufeinanderfolgende Absätze zum Vorschein. Ein weiterer Absatz zeichnete sich an der Innenfassade etwa 20 Zentimeter unterhalb des heutigen Chorbodens ab. Allerdings fanden sich keine Hinweise auf einen dazugehörigen Boden. Womöglich handelte es sich dabei ursprünglich um einen Holzfußboden, wie er in unserem Raum für vergleichbare Bauten des Öfteren nachgewiesen ist. Ein derartiger Bodenbelag, der im Zuge von Erneuerungsarbeiten vollständig entfernt wird, hinterlässt klarerweise nur sehr geringe Spuren. Bei einem dünnen Kalkestrich, der im Innenraum in etwa zwei Meter Tiefe entlang zieht, handelt es sich vermutlich um eine provisorische Arbeitsplattform.

15

In diesem Fall dürfte das Bodenniveau im Chorraum weit höher gelegen haben als der außerhalb davon verlaufende Gehhorizont. Die Verwendung sehr tiefer Fundamente beim Bau des ersten Chors wird wohl aufgrund des beachtlichen Geländegefälles nötig gewesen sein. Auch die relativ grobe Mauertextur (be-

12. Mauerzüge im Innenraum des heutigen Chors der Dominikanerkirche 13. Detail des Pfeilerfundaments an der Ostseite des Chors der Erstkirche 14. Detail der Innenfassade des Chors der Erstkirche 15. Fundament der Nordmauer der Erstkirche

77


16

hauene Steine) erklärt sich daraus, dass es sich

Mehr lässt sich über die Erstkirche derzeit

zumindest an der Innenfassade um unverputzte

nicht sagen, außer dass sie mit Wandmalereien

Mauerabschnitte handelte, die von jeher in den

geschmückt und in den Augen der Zeitgenossen

Boden eingetieft waren. Jedenfalls ist davon aus-

ausreichend repräsentativ gestaltet (und ausrei-

zugehen, dass es sich bei den 2004 freigelegten,

chend groß) war, um darin wichtige öffentliche

polygonal verlaufenden Mauerzügen um den

Veranstaltungen abzuhalten. Freilich wissen wir

Chorbau der zwischen 1272 und 1276 errichte-

nicht, ob der Erstbau einzig aufgegeben wurde,

ten Erstkirche handelt.

um einem prestigeträchtigeren Bau zu weichen,

Bei der Erneuerung des Fußbodens im Kir-

der den mittlerweile gestiegenen Ansprüchen der

chenschiff im Jahr 200720 konnten einige Mau-

Klostergemeinschaft Rechnung trug, die sich un-

erzüge erfasst werden, die sich bereits an der

ter anderem neuen architektonischen Trends an-

Oberfläche der Steinrollierung für den Fußboden

passen wollte, oder ob mitunter auch ein plötzlich

des 19. Jahrhunderts abzeichneten. Dazu gehört

eintretendes Katastrophenereignis mit für den

eine durchschnittlich etwa 80 Zentimeter starke

Abbruch verantwortlich zeichnet23.

(annähernd Ost-West-orientierte, aber etwas von der heutigen Fassade abweichende) Quermauer,

Der Kreuzgang

die bis an die Westmauer des heutigen Kirchen-

17

schiffes reichte, während das gegenüberliegende

Unter Berücksichtigung der für Klostergrün-

Mauerhaupt zwei Meter vor der Ostmauer am

dungen24 der Bettelorden geltenden Schemata ist

Leitungsgraben der in den Sechzigerjahren des

von Beginn an mit einem Kreuzgang zu rechnen.

20. Jahrhunderts verlegten Heizung abbricht

Archaisch anmutende Fassadenabschnitte aus

(Abb. 15). Besagte Mauer zeigte verschiedene

Geröllsteinen mit Fugenstrich lassen sich an der

Ausbrüche aufgrund der Abrissarbeiten, jedoch

Südmauer des heutigen Kreuzgangs ausmachen.

keine regelmäßige Ausnehmung, die von einer

Sie dürften auf diese frühe Bauphase verweisen.

Türschwelle oder einem Türdurchbruch herrüh-

Auf der Westseite lehnte der südlichste Abschnitt

ren könnte. Ihre Ausrichtung stimmt exakt mit

der Kirchenschiffmauer an die Ostmauer eines als

dem zweiten bereits weiter oben beschriebenen,

Sakristei genutzten Gebäudes an beziehungsweise

deutlich erkennbaren Wechsel der Mauertextur

stimmte damit überein. An diese Sakristei schloss

an der Außenfassade der Kirchenschiffwestmau-

ein weiterer Raum an, der als Kapitelsaal diente.

er überein. Zumindest hypothetisch könnte es sich bei

Die Ringmauer

den beiden Brüchen in der Textur der Kirchenschiffwestmauer um Hinweise auf die jeweils

Zum ursprünglichen Bestand der Klosteranlage

einstigen Nordwestecken der Erstkirche handeln:

gehörte die einstige Ringmauer, die das Kloster-

nämlich jener des Originalbestandes sowie einer

areal im Norden zur Ziegelgasse hin begrenzte

möglichen Verlängerung des Kirchenschiffes21.

und im Osten (Abb. 16) der Predigergasse folgte.

Das neu erbaute Dominikanerkloster in Bo-

Später wurde die Mauer mehrmals beim Bau der

zen orientierte sich also an der Achse eines von

östlichen Seitenkapellen geschnitten. Die Stadt-

der Talfer gebildeten Geländekegels mit einem

ansicht von Pfendter (1607) (Spada 2, Abb. 1)

ursprünglichen Gefälle von 2,5 Prozent. Daher

liefert zudem einige Hinweise zum Verlauf einer

mussten sich bereits die Baumeister der Erstkir-

Ringmauer, die auch an der Süd- und Westseite

che künstlicher Hilfsmittel bedienen, um die

entlang zog. Vermutlich stimmt deren Verlauf

Geländeneigung auszugleichen und ein ebenes

mehr oder weniger mit der ursprünglichen Si-

Bodenniveau zu schaffen: Tatsächlich musste der

tuation überein.

22

16. Östliche Begrenzungsmauer

bergseitige Teil des Baugeländes abgetieft und der

17. Apsisfundament der Nikolauskapelle

talseitige Abschnitt erhöht werden.

78


Die Umgebung des Klosters

konnte. Auf der Nordseite der Johanneskapelle sind eine Reihe von Strebebogen in der Stärke

Während der 2001 durchgeführten Grabung auf

der Kapellenwestwand als Überreste einer Treppe

dem Areal des Alten Spitals kamen interessante

zu deuten, die zumindest teilweise in der Mauer

Hinweise auf Bonifizierungsmaßnahmen ans

selbst verlaufen sein dürfte und zum Lettner be-

Tageslicht. So stieß man in großer Tiefe auf eine

ziehungsweise von dort aus in das Dormitorium

Reihe parallel verlaufender Bodenfurchen, die

und den Glockenturm führte. Diese Treppe wurde

mit organisch angereichertem Erdmaterial verfüllt

bereits im 14. Jahrhundert durch eine außenseitige

waren und zahlreiche hoch- und spätmittelalterli-

Wendeltreppe ersetzt, die an die Rückwand der

che Funde enthielten (mehrheitlich Keramik und

Sakristei anlehnt. Der einstige Stiegenaufgang27

Tierknochen, aber auch Münzen usw.). Der Be-

wurde vermauert und verschwand unter einer

fund wurde als Beleg für die Urbarmachung und

bemalten Verputzschicht.

25

regelmäßige Düngung des Bodens interpretiert,

Die Notwendigkeit, sich der Geländenei-

die in Zusammenhang mit der Selbstversorgung

gung anzupassen und dabei die Ausrichtung der

des nahen Klosters standen. Tatsächlich sind auf

älteren Kirche beizubehalten, brachte für die

der obgenannten Ansicht von 1607 an dieser Stelle

Baumeister weitaus größere Herausforderungen

Obstgärten zu erkennen.

mit sich als beim Bau der Erstkirche. Wie bereits zuvor galt es ein annähernd ebenes Bodenniveau

Die zweite Kirche

zu schaffen, allerdings mit einer weit größeren

18

Nord-Süd-Ausdehnung als bisher. Um eine derart Um 1300 wird eine neue Kirche mit einer ge-

ausgedehnte Bodenebene (die vom Haupteingang

genüber dem Vorgängerbau etwas verschobenen

im Norden des Kirchenschiffs bis zum Scheitel des

Längsachse errichtet. Neben einem neuen, lang

Chorraums im Süden über 60 m misst) zu erhal-

gezogenen Chorraum verfügte der Neubau über

ten, musste das Gelände bergseitig abgegraben

ein mächtiges Kirchenschiff, das vom Chor durch

werden (heute besteht zum Dominikanerplatz

einen Lettner getrennt war.

hin ein Niveauunterschied von 1,5 m; gemessen

Die westliche Chormauer der jüngeren Kirche

an einer freigelegten älteren Schwellensituation

orientiert sich zumindest im südlichsten Abschnitt

sind es etwa 90 cm). Parallel dazu wurde auch das

am Verlauf der Westmauer eines bereits bestehen-

Bodenniveau außerhalb der Kirche angehoben,

den Gebäudes (Sakristei). Der neuen Erlöserkirche

was gegen Süden hin mit weiteren aufwändigen

wurde an der Westseite ein Glockenturm zur Sei-

Erdbewegungsarbeiten verbunden war. Gerade

te gestellt und vermutlich gleichzeitig damit ein

deshalb wurde der beim Abriss der Erstkirche

seitlicher Anbau (Johanneskapelle), dessen nörd-

angefallene Bauschutt großteils wohl in Gruben

licher Abschnitt die ersten beiden Turmgeschosse

angehäuft und direkt außerhalb des Chors vor Ort

einnimmt. Tatsächlich bildet die Westmauer des

verteilt. Darüber lagerte man Erdmaterial ab, das

neuen Chorraums zugleich die Ostmauer der

möglicherweise als Gartenerde diente. Dadurch

Kapelle. Der Umstand, dass die Achse des neuen

lag das Bodenniveau vermutlich weitaus höher als

Chors gegen Osten hin verschoben wurde, dürf-

in der Predigergasse, weshalb auf dieser Straßensei-

te wie erwähnt damit zusammenhängen, dass im

te eine Art Geländeterrassierung vonnöten war28.

Westen bereits einige Gebäude standen, die es

Laut M. Laimer29 wurde der obere Mauer-

zu berücksichtigen galt. Aus demselben Grund

abschnitt des Chors sekundär erheblich aufge-

fehlen an der Fassade der Chorwestwand (die

stockt. Auf diesen Eingriff verweist möglicher-

zugleich die Ostwand der Johanneskapelle bil-

weise eine 1335 verfasste Nachricht30, in der von

det) Negativspuren einstiger Stützpfeiler, die gar

einer Spendensammlung unter Gläubigen für die

nicht nötig waren , da der Chor auf dieser Seite

Eindachung des Chors die Rede ist. Laut Grund-

an ein bereits bestehendes Gebäude anlehnen

riss entspricht der Chorraum der zweiten Kirche

26

18. Fundament eines der Stützpfeiler an der Kirchenfassade

79


19

jedenfalls jenem des heutigen Kirchengebäudes.

(Abb. 19) angebaut (1636-1641), die auch als

Das Kirchenschiff musste bis zum Erreichen

Merkantilkapelle bekannt ist, da sie auf Betrei-

seiner heutigen Ausmaße deutlich verlängert wer-

ben des Bozner Merkantilmagistrates auf dem bis

den. Diese Verlängerung dürfte bereits frühzeitig

dahin unverbauten Areal zwischen der Nikolaus-

erfolgt sein, da an das Kirchenschiff bald (um

und der Thomaskapelle errichtet wurde. Etwas

die Mitte des 14. Jh.) zwei Seitenkapellen (Hl.

später folgte der Bau einer vierten und letzten

Nikolaus und Hl. Thomas) (Abb. 17) angebaut

Kapelle (1640?), die der heiligen Rosa von Lima

wurden. Die Außenmauern sowohl dieser als auch

geweiht ist. 1740 wurde unter anderem auch das

der jüngeren Kapellen konnten während der ver-

Dach des Chorraums abgesenkt.

schiedenen Grabungskampagnen zwischen 1987 und 1999 freigelegt werden. Die Apsismauer die-

Die Nordfront des Klosters und der Kirchplatz

ser Kapelle durchbrach für gewöhnlich die einsti-

20

ge Ringmauer des Klosters, die der Predigergasse

Bei den Grabungen 1998 kamen am Domini-

folgte und den Klosterbereich nach außen hin

kanerplatz die Fundamente von einem der zwei

deutlich abgrenzte.

Gebäude zum Vorschein, die gegen Norden hin

Über etwaige Schäden durch das Erdbeben

den Kirchplatz säumten. Das Haus ist auf der An-

im Januar 1348, das den Bestand der nahe gele-

sicht von Pfendter 1607 und auf zeitgenössischen

genen Burg Wendelstein31 und späteren Kapuzi-

Darstellungen (18. Jh.) abgebildet. Aufgrund der

nerklosters arg in Mitleidenschaft zog, lassen sich

hauptsächlichen Nutzung der Erdgeschossräume

keine genauen Angaben machen.

ist das Gebäude als Torgglhaus bekannt (Abb. 20).

Zwei freigelegte Fundamente beidseitig des

Im Barock besaß der Bau einen kleinen Lauben-

nördlichen Portals könnten von zwei Strebepfei-

gang und verfügte über zwei Obergeschosse. Bei

lern stammen (Abb. 18), die die Fassade der neuen

den Grabungen zeichneten sich im Fundament-

Kirche schmückten. Strebepfeiler an der Fassade

bereich zwei Gruben ab, von denen eine den

deuten für gewöhnlich auf ein mehrschiffiges Kir-

zylinderförmigen Torgglstein aufnahm (Abb.

chenschiff hin. In unserem Fall sind die Lisenen

21), während die zweite dem Gewindestock der

nicht exakt auf die bestehenden Säulenreihen

„Torggl“ (Weinkelter) vorbehalten war (Abb. 22).

ausgerichtet, was als Hinweis auf einen bereits

Letztere wurde während jüngerer Baumaßnahmen

dreischiffigen Erstbau interpretiert werden könn-

zur Anpassung des Gebäudegrundrisses an den

te, dessen Viereckpfeiler in der Folge von den

Verlauf der Ziegelgasse geschnitten.

spätgotischen Polygonalsäulen einverleibt und überlagert wurden32.

Die Gräber

Die spätgotische und barocke Kirche

Gutbetuchte Gläubige betrachteten das Klos-

Tafel 3

ter stets als bevorzugten Bestattungsort. Deren

19. Detail der Südostecke der Merkantilkapelle 20. Fundament des Torgglhauses nach der Freilegung 1998 Tafel 3 Grundriss des Dominikanerklosters Mitte des 14. Jahrhunderts

80

Der spätgotische Umbau (zweite Hälfte 15. Jh.)

privilegierte Gräber33 lagen im Kircheninneren,

(Taf. 3) betraf nahezu ausschließlich den aufge-

im Kreuzgang und in den Grabkapellen. Einige

henden Baubestand, während der Grundriss der

Gräber besaßen sicherlich monumentalen Cha-

Kirche mit geringfügigen Ausnahmen, wie etwa

rakter, wie etwa jenes der Anna von Böhmen oder

dem Abriss der Strebepfeiler an der Fassade, im

die der Florentiner Familie dei Rossi. Ihnen sind

Wesentlichen unverändert blieb. Außerdem er-

insbesondere reich ausgestattete Gräber (Schwer-

hielt die Kirche ein neues, höheres und steileres

ter34, Rädchensporen und vermutlich Stoffreste)

Dach, dessen Negativspuren sich am Glocken-

zuzuschreiben, die in der Nikolauskapelle zum

turm abzeichnen und das auf der Ansicht von

Vorschein kamen. Die vermögende Bankiersfami-

Pfendter aus dem Jahr 1607 gut zu erkennen ist.

lie Rossi, die sich später in Botsch35 umbenannte,

Im 17. Jh. wurde die Dominikuskapelle

ließ den Glockenturm der Dominikaner (Abb.


23) und zwei Grabkapellen (Johanneskapelle und Nikolauskapelle) erbauen und letztere dem damaligen „italienischen“ Zeitgeist gemäß mit reichen Fresken ausstatten. Das Familienoberhaupt Boccio Rossi (+1374) zeichnete für den Bau des Glockenturms der Franziskaner verantwortlich, steuerte zum Bau der Marienpfarrkirche bei und stattete die Kirche St. Johann im Dorf mit Fresken aus. Weitere Waffen (Schwerter und Rädchensporen aus Eisen und Bronze des 16. Jh.) wurden 1922 zufällig auf dem Lettner geborgen36 (Abb. 24–25), wo man sie nach ihrer zufälligen Auffindung37 augenscheinlich abgelegt und vergessen hatte. Offenbar erlebte also der Brauch der Waffenbeigabe38, der im Laufe des 8. Jahrhunderts im langobardischen und später karolingischen Italien aufgegeben wurde, im feudalzeitlichen Norditalien eine Kontinuität (oder eine singuläre Renaissance), die sich auf Adelsgräber beschränkte. Wie die oben

21

zitierten Schwerter zeigen, hielt sich dieser Usus zumindest bis in das 16. Jahrhundert39. Dasselbe Phänomen lässt sich sowohl in Südtirol als auch andernorts belegen40. Gestörte und mit Erde und Abfall verfüllte Kammergräber (Abb. 26) fanden sich im Kreuzgang (1990) und auf dem Kirchplatz. Dazu gehörte auch eine an die Fassade angelehnte Krypta direkt vor dem Eingangsportal (Abb. 27). Eine gemauer-

23

22

te Grabkammer an der Wand der Thomaskapelle war intakt und enthielt ein Paar ringförmiger Schnallen (Abb. 28). Derartige Schnallen41 gehörten zu Ledergürteln der Männertracht. Dabei handelt es sich weniger um echte Grabbeigaben als vielmehr um Gewandaccessoires. Einfache Gräber fanden auf dem Kirchplatz vor dem Haupteingang der Kirche (neben dem Torgglhaus) ihren Platz, wo 27 Erdgräber42 (Grabung 1998) freigelegt wurden. Zu den geborgenen Fundgegenständen zählen Ringschnallen aus Eisen und Kupfer. Ein Grab (Abb. 29) enthielt eine im Atlantik beheimatete Muschelart (pecten jacobaeus oder Jakobsmuschel), die als Symbol der Pilger auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela gilt (Abb. 30). Die Fundlage (im Brustbereich) und zwei Perforierungen beidseitig des Muschelwirbels deuten darauf hin, das die Muschel um

21. Grube für den Torgglstein (Grabung 1999) 22. Grube für den Gewindestock der Torggl, von jüngeren Mauern geschnitten

23. Wappen der Botsch an zwei Seiten des Glockenturms

81


den Hals getragen wurde oder am Pilgermantel befestigt war und nicht am Pilgerstab. Möglicherweise handelt es sich bei dem Verstorbenen um einen Bozner, der eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela unternommen hatte und mit seinem Pilgergewand (Mantel) bestattet werden wollte, um an ein prägendes Ereignis in seinem Leben zu erinnern. Allerdings könnte es sich auch um einen 25

ortsfremden Pilger43 handeln, der auf seinem Weg nach Santiago zufällig in Bozen verstarb. Fundobjekte aus unterschiedlichen Befundsituationen Einige ausgesprochen qualitätsvolle Freskenfragmente, die sich zwischen den eingeebneten Fundamentresten des Torgglhauses und in den

24

26

Auffüllungen der Kammergräber entlang der Kirchenfassade fanden, stammen vermutlich von den Wandmalereien der 1820 abgerissenen Kapellen, insbesondere der von Guariento ausgeschmückten Nikolauskapelle. Ihnen als auch einigen Überresten einer hochwertigen barockzeitlichen Stuckverzierung ist ein eigener Beitrag in diesem Band gewidmet44. Eine Terrakottafliese45 (Abb. 31) mit vor dem Brand eingeritztem Dekor (laufender Hund, Sterne usw.) gehörte wohl zu einem hochwertigen Bodenbelag eines Klosterraumes außerhalb des sakralen Bereiches. Zahlreiche einfache und ornamentierte Ofenkacheln stammen von verschiedenen Öfen, die periodisch erneuert oder im Laufe der Jahrhunderte ersetzt wurden und zur Ausstattung des Klosters gehörten (Abb. 32). Von besonderem Interesse ist eine zum Ofenmantel gehörende Kachel mit

27

der Darstellung eines Kindes, das auf einem ausgebreiteten Tuch sitzt (Abb. 33). Wahrscheinlich handelt es sich um den Ausschnitt einer Darstellung der Geburt Christi und somit um ein seltenes Beispiel für einen Ofen mit religiösen Motiven,

25. Sporenpaar aus Eisen und Bronze, am Lettner geborgen

24. Oxydierte Reste eines Schwertes (16. Jh.), das am Lettner geborgen wurde

82

der eigens für das Kloster geschaffen wurde. Die Kachel dürfte um die Mitte des 15. Jahrhunderts

26. Gemauerte Grabkammer im Garten des Kreuzgangs (Grabung 1990)

zu datieren sein46. Vermutlich stand der Ofen in

27. Grabungsareal vor dem Haupteingang der Kirche (Nordfassade) mit Resten der Krypta

lefactorium?).

einem repräsentativen Teil des Klosters (im Ca-


Die wenigen restlichen dekorierten Ofenkacheln gehören zu weit verbreiteten Ofentypen, wie

Produktionszentren im mittleren Donauraum zu suchen sind.

sie mitunter heute noch in bürgerlichen Häusern

Unter den Glasfunden verdient der kräftig

und Ansitzen von Bozen zu finden sind (Südti-

gerippte Hohlfuß eines Kelchglases eine beson-

roler Reliefkachelöfen) beziehungsweise im Laufe

dere Erwähnung55.

der letzten Jahre bei Stadtkerngrabungen in der Landeshauptstadt in fragmentiertem Zustand

Nach der Säkularisierung (1785)

tausendfach zum Vorschein kamen. Vertreten sind unterschiedliche Blattkacheln mit Reliefdekor un-

Von Neuerungen und einer veränderten Nut-

ter grüner Glasur und einige Beispiele (Abb. 34)

zung der einstigen Klosterräume war vor allem

durchbrochen gearbeiteter Gesimskacheln (16.–

der aufgehende Baubestand betroffen. Aber auch

17. Jh.). Auch jüngere Öfen (18. Jh.) sind belegt.

untertägig kam es zu Eingriffen, die während der

Deren flache oder gewölbte Kacheln zeigen eine

archäologischen Untersuchungen erfasst werden

blaue Malerei auf weißem Grund (Abb. 35). Ein

konnten.

Exemplar trägt den Schriftzug MUSI[CA] (Abb.

Der heutige Dominikanerplatz entstand um 1876.

47

36) und gehörte wohl zu einem Ofen mit alle-

Dafür mussten die einstige Klostermauer und die

gorischen Motiven (die freien Künste).

nördlichen Vorbauten (unter anderem das oben

Den mengenmäßig größten Anteil am inst-

beschriebene Gebäude mit der im Erdgeschoss

rumentum domesticum (Hausrat) nimmt die Ke-

untergebrachten Torggl) abgerissen werden und

ramik ein. Vertreten sind Kochgefäße (Abb. 37)

1930 schließlich die Gebäude an der Nordseite

sowie Tafelgeschirr aus unglasierter Irdenware,

der Ziegelgasse.

zu denen beispielsweise die typischen Dreifuß-

Im Zuge dieser Arbeiten wurde auch eine

gefäße48 (Grapen) gehören (Abb. 38). Daneben

einstige Verbindungstür zwischen Kirchplatz

fand sich ebenfalls zum Tafelgeschirr gehörende

und Kreuzgang mit Erdmaterial und Abfällen

innenglasierte Irdenware, außerdem ein Teller mit

verfüllt. Die dafür verwendete Erde56 stammte

marmoriertem Dekor (Abb. 39) (gelb-braun Tö-

augenscheinlich von Erdbewegungsarbeiten in der

nung) und Bruchstücke von kegelstumpfförmi-

unmittelbaren Umgebung und spiegelt zumindest

gen50 Tassen mit profiliertem Rand. Das gesamte

teilweise die Lebensphase des mittlerweile profa-

Fundrepertoire lässt sich in das 15.–16. Jahrhun-

nisierten Klosters (Abb. 43) wider, das nunmehr

dert datieren. Einige Bruchstücke mit grüner und

als Kaserne57, Schule, Krankenhaus und Konser-

brauner Bemalung auf weißem Grund (Abb. 40)

vatorium diente.

49

28

29

30

dürften zu Majolikagefäßen (maiolica arcaica ) 51

des 14. Jahrhunderts gehören und aus dem mediterranen Raum stammen. Ebenfalls vertreten sind einige Fragment von Sgraffitokeramik52 padanischer Herkunft beziehungsweise nach padanischem Muster (Abb. 41). Wohl ebenfalls aus einer padanischen Werkstätte, vielleicht aus Faenza, stammen einige Fragmente von „maiolica compendiaria“ mit blauem Dekor auf weißer Grundierung53 (Abb. 42) des 16.-17. Jahrhunderts. Auch bei vereinzelten Fragmenten von reduzierend und mitunter gra-

28. Bronzenes Schnallenpaar eines Gürtels des 14. Jahrhunderts, aus einem Grab nahe der Thomas-von-Aquin-Kapelle

um Importware, die jedoch aus der entgegen-

29. Einstiger Kirchplatz, heute Dominikanerplatz (1998–1999). Grab 17, aus dem die Jakobsmuschel stammt, die als Symbol der Pilgerreisen nach Santiago de Compostela gilt

gesetzten Richtung ins Land gelangte, da deren

30. Jakobsmuschel „pecten jacobaeus“ aus Grab 17

phitgemagerter Schwarzware54 handelt es sich

83


Fundmünzen aus dem Dominikanerkloster (Gino Bombonato – Fabio Pierobon) 1 Rom, Antonian, 3. Jh. Vs/ ill. Rs/ ill. BZPD 169, Torgglhaus, US7 2 Rom, Antonian, Gallienus 253–268 Vs/ ill. Rs/ ill BZPD170, Torgglhaus, US7 3 Rom, A3, konstantinisch Vs/ ill. Rs/ ill. BZPD168, Torgglhaus, US7 4-5 Rom, A3, konstantinisch (zwei durch Oxidierung zusammengeklebte Münzen) Vs/ FL COS Rs/ GLORIA EXERCITUS BZPD409, Torgglhaus, US27 31

6 Rom Vs/ ill. Rs/ ill. BZDOM219, unstratifiziert 7 Verona, Scodellato, Friedrich II. 1218–1250 Vs/ F CI I CI Rs/ VE RO N A BZPD874, Friedhofserde, US44 8 Verona, Scodellato, Friedrich II. 1218–1250 Vs/ FRIR CI CI

32

33

Rs/ VE RO N A BZPD897, Friedhofserde, Auffüllung t. 22 9 Verona, Scodellato, Friedrich II. 1218–1250 Vs/ FRIR CI CI Rs/ VE RO N A BZPD1060, unter dem Refektorium 10 Verona, Scodellato, Scaligeri 1259–1329 Vs/ CI VI CI VE Rs/ VE RO N A BZPD562, Friedhofserde, US21 11 Verona, Scodellato, Scaligeri 1259–1329 Vs/ CI VI CI VE Rs/ VE RO NA BZPD653, Friedhofserde, US 43

31. Fragment einer Bodenfliese mit Stempeldekor (14. Jh.?) 32. Fragment einer spätrenaissancezeitlichen Ofenkachel

84

33. Fragment einer Ofenkachel mit sakralem Motiv (Geburt Christi?), 15. Jahrhundert

12 Verona, Scodellato, Scaligeri 1259–1329 Vs/ CI VI CI VE


Rs/ VE RO N A BZDOM223, Kreuzgang 13 Verona, Scodellato, Scaligeri 1259–1329 Vs/ CI VI CI VE Rs/ VE RO N A BZPD1025, unstratifiziert 14 Trient, Scodellato, Vescovi 1235–1255 Vs/ --S Rs/ F IN BZPD836, Friedhofserde, US36

34

37

35

38

36

39

15 Venedig, Scodellato, Lorenzo Tiepolo 1268– 1275 Vs/ S. MARCUS Rs/ LATE UP DUX BZPD923, unstratifiziert 16 Meran, Berner, König Heinrich 1295–1335 Vs/ anepigraphisch Rs/ O M BZD63, Zone Süd, unstratifiziert 17 Meran, Berner, König Heinrich 1295–1335 Vs/ anepigraphisch Rs/ - M BZD64, Zone Süd, unstratifiziert 18 Trient, Berner, Nicolò di Bruna 1338–1347 Vs/+ N EPS T Rs/ anepigraphisch BZD62, Zone Süd, unstratifiziert 19 Meran, Vierer, Leopold III. 1373–1386 Vs/ LIVP OLDUS Rs/ CONES TIROL BZDOM228, Zone Nord, unstratifiziert 20 Siena, Quattrino, Republik Siena 1351–1376 Vs/ SENA VETUS S Rs/ CIVITAS VIRG BZPD921, Torgglhaus, unstratifiziert 21 Mantova, Sesino, Francesco II. Gonzaga 1484–1519 Vs/ FRANZISCUS:MAR:MAN II Rs/ IN.AETE RNUM BZPD150, US 6, zwischen USM6 und USM14 22 Erzherzogtum Österreich, Vierer, Ferdinand II. 1564–1595

34. Fragment einer Gesimskachel, 16. Jahrhundert

Vs/ ill.

35. Fragment einer Ofenkachel mit blauer Bemalung, 18. Jahrhundert

Rs/ ill. BZPD837, US 36, Friedhofserde

36. Fragment einer Ofenkachel mit aufgemaltem Schriftzug, 18. Jahrhundert

37. Restauriertes Keramikgefäß (13. Jh.) vom Dominikanerplatz (Grabung 1998–1999) 38. Fuß eines Keramiktopfes (Grapen) 39. Fragment eines Tellers mit marmoriertem Dekor

85


23 Tirol, Vierer, Leopold V. 1618–1632

Vs/ EIN KREUZER 1792

Rs/ -PIETAS-

Rs/ LEOP II D.G -I S.A.--REX.A.A.M.B

BZPD331, US 206, Torgglhaus 24 Tirol, Vierer, Leopold V. 1618–1632

Vs/ anepigraphisch

Rs/ COME- -OL

Rs/ BAIERISCHE LANDMUNZ .1806

BZPD 561, US 21

BZDOM96, unstratifiziert Vs/ DOMIN – EST.REGNUM.1740

Rs/ PIETAS -UTIL

Rs/ RETH.I -NO A RIA

BZPD 1028, unstratifiziert, Friedhofserde

Vs/ -US MON-

Vs/ ill.

Rs/ -S

Rs/ ill.

BZDOM220, unstratifiziert

BZDOM222, Zone Nord zwischen Apsis und 27 Erzherzogtum Österreich, Kreuzer, Joseph II. 1790 Vs/ JOS II D.g.R.I.S.A.GE.HV.BO.REX.A.A Rs/ EIN KREUZER 1790 S BZPD182, US8, unstratifiziert 28 Erzherzogtum Österreich, Kreuzer, Joseph II.

BZPD181, US8, bei Mauer 12 35 BZPD1027, unleserlich Friedhofserde, unstratifiziert 36 BZPD1031, Rechenpfennig Vs/ Friedhofserde, unstratifiziert

1790 Vs/ JOS – C Z Rs/ LAND—LAZ-SE BZPD1056, Sondage Nord-West 30 Erzherzogtum Österreich, Kreuzer, Leopold

86

Rs/ -LE

Rs/

29 Erzherzogtum Österreich, Vierer, Joseph II.

42. Fragment eines Majolikakrugs mit blauer Figurenmalerei („stile compendiario“)

Vs/ -ND GROSCHEN

Vs/ EIN KREUZER 1790 BZPD922, Torgglhaus, unstratifiziert

41. Fragment von Sgraffitokeramik mit Pflanzendekor, 16.–17. Jahrhundert

34 Unklassifiziert

1790 Rs/ JOS II D G R.I.S.A.G.E.HV.BO.REX.A.A

40. Fragment von „maiolica arcaica“, 14.–15. Jahrhundert

BZPD1059, unter dem Refektorium 33 Unklassifiziert

1780–1790

Kloster

42

32 Unklassifiziert 1740

Vs/ CRUCIGNO TIROLENSIS

26 Erzherzogtum Österreich, Kreuzer, Joseph II.

41

BZPD1026, Friedhofserde, unstratifiziert 31 Bayrisches Herzogtum, Kreuzer, Max Josef

Vs/ -IDUCIS

25 Tirol, Vierer, Leopold V. 1618–1632 40

II. 1792

Vs/ -TIROL-

37 BZDOM99, Rechenpfennig Vs/ -NS.LAVFER.IN.NURRs/ -ALLEIN.DIE.HERN.S-Zone Nord, unstratifiziert


43

43. Fragmente von Keramikpfeifen unterschiedlicher Form und Dekore

87


Infokasten 1954–1962 Arbeiten im Kirchenschiff; Freilegung von Mauerzügen und Gräbern Soprintendenza ai monumenti e gallerie, Trient 1971 Außenbereich Kirche, Ostseite; Arbeiten für eine Unterführung (Botsch-Gräber) Gemeinde Bozen / [G.Innerebner] 1980 Außenbereich Chorraum, Ostseite; Sondage. Landesdenkmalamt Bozen 1980 Kreuzgang; Fundbergung (Werksteine) Gemeinde Bozen / G.A.B. 1988 Außenbereich Kirche, Ostseite; Grabung (Kapellenmauern) Soprintendenza monumentale,Verona 1988 Garten im Kreuzgang; Sondagen (Gräber). Gemeinde Bozen 1989 Kreuzgang, Sondagen, Vermessung und Untersuchung der Mauern. Gemeinde Bozen 1991 Kreuzgang, Vermessung und Untersuchung der Grabsteine. Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 1992 Fundbergung auf dem Lettner (Schwerter, Sporen). Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 1993 Johanneskapelle und Sakristei; Vermessung und Untersuchung der Mauern. Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 1996 Außenbereich Kirche, Nordseite; Grabung Kirchplatz (Gräber). Soprintendenza ai Beni archeologici, Padua 1998 Außenbereich Kirche, Nordseite; Grabung (Mauerreste, Friedhof ). Soprintendenza ai Beni archeologici, Padua 1999 Außenbereich Kirche, Nord- und Ostseite; Grabung (Mauerreste). Amt für Bodendenkmäler Bozen 2004 Chorraum; Grabung (Mauerreste) Amt für Bodendenkmäler Bozen 2007 Kirchenschiff, Zugang Kreuzgang; verschiedene Sondagen. Amt für Bodendenkmäler Bozen

88

1 Besonders bedauerlich ist der Umstand, dass während der umfangreichen Bodeneingriffe zur Verlegung einer Heizungsanlage Anfang der Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts keine archäologische Begleitung stattfand. Damals wurde eine zweirohrige Zementleitung (auf einer Gesamtbreite von mindestens 5 Metern) verlegt, die den Altarraum längs der Westseite durchzieht und unter dem Lettner hindurch an der Ostseite durch das Kirchenschiff führt. Zweifelsohne wurden dabei insbesondere im Altarraum, der das Zentrum eines jeden Kirchengebäudes bildet, Mauerreste von zentraler Bedeutung zerstört sowie zahllose Gräber verwüstet. 2 Die Soprintendenza statale monumentale Verona, weiters das Amt für Bau- und Kunstdenkmäler Bozen, die Soprintendenza archeologica del Veneto und das Amt für Bodendenkmäler Bozen. 3 Vergleichbare Keramikfragmente fanden sich etwa auf Castelfeder bei Montan (Baggio/Dal Ri 2003, S. 44. Taf. 18–20). Ein aus einem Ziegel gewonnener Spinnwirtel stammt aus Brixen, Stufels (Dal Ri 1984, S. 450, Abb. 8). 4 Marzoli 2001, S. 12–13. 5 Zu den 2004 durchgeführten Grabungen in der Goethestraße (ex Biasion) siehe Marzoli 2006, S. 182–183. 6 Dal Ri 1991, S. 263. 7 Bombonato/Dal Ri/Marzoli/Rizzi 2000, S. 286–287. 8 Dominikanerplatz 2001, S. 32. 9 Es fanden sich keine Spuren eines Ablaufs im Boden: vielleicht konnte die Jauche direkt durch den besonders durchlässigen Schwemmkies entweichen, in den die Grube eingetieft war. Möglicherweise konnte man aus demselben Grund auch auf die andernorts nötige periodische Entleerung der Latrine verzichten. Diese scheint große Ähnlichkeiten mit einem Exemplar aus Freiburg zu besitzen (Oexle 1992, S. 369). 10 Dal Ri 1991, S. 257–258, Abb. 23, 10–11. 11 Spada Pintarelli/Bassetti 1989, S. 19. 12 Mayr 1976, S. 308–309; Siller 1991, S. 230–231. 13 Trojer 1949, S. 67 Nr.10. 14 Bisher unveröffentlichte Daten, die dem Grabungstagebuch des Verfassers G. Rizzi, Brixen entnommen sind (im Archiv des Amtes für Bodendenkmäler Bozen). 15 Dal Ri 1991, S. 248–249. Dieser Gebäudetypus mit steingemauertem Kellergeschoss und aus Holz errichteten Obergeschossen wurde vermutlich als “domus cum canipa murata” bezeichnet (siehe Voltelini/Huter 1951, S. 64). 16 Vergleichbare Auffüllschichten, die während der Grabungen im Kapuzinerkloster zum Vorschein kamen, wurden als verbliebenes Schuttmaterial des Erdbebens von 1348 interpretiert (Bombonato/Dal Ri/Marzoli/Rizzi 2000, S. 294, Taf. 2, U. S. 86). Trotz vereinzelter Analogien glauben wir aufgrund mehrerer Beobachtungen, die nahe des Chors der Erlöserkirche gemacht wurden, dass das Schichtpaket im vorliegenden Fall bereits deutlich vor besagtem Erdbeben abgelagert wurde. 17 (Unveröffentlichte) Untersuchung seitens eines Autors (A.A.) dieses Beitrages, die während der Verlegung von Rohrleitungen im Kreuzgang erfolgte. 18 Im Jahr 1993 (unveröffentlichte Untersuchungsergebnisse eines Autors dieses Beitrages (A. A.). Bezüglich der Gräber siehe den Beitrag von Alberto Alberti in der vorliegenden Publikation. 19 Marzoli 2006, S. 183. 20 Untersuchungen durch Rizzi, Brixen (Marzoli 2007, S. 192). 21 Wiederholte radikale Umbauten innerhalb weniger Jahrzehnte sind für die Dominikanerklöster dieser Zeit mehrfach belegt, so etwa auch in Wien (drei verschiedene


Kirchen innerhalb von nur 80 Jahren) (Donin 1955, S. 16–18). 22 Coltorti 1991, S. 17–37, Abb. 12. 23 Die Nachricht über den zweiten der verheerenden Großbrände in Bozen bezieht sich auf das Jahr 1291 (Mahlknecht 2006, S. 47–52). Auch wenn es schwerlich vorstellbar ist, dass sich dieser Brand über die Stadtmauern hinaus auf periphere Gebiete ausbreiten konnte. 24 Schenkluhn 2000, S. 231, Abb. 159. 25 Die Befunde wurden während der 1990 durchgeführten Grabungen erfasst (Marzoli 2001, S. 12–13). 26 Hinweis von Helmut Stampfer, der die Thematik in seinem Beitrag für diesen Band ebenfalls aufgreift. 27 Spada Pintarelli/Bassetti 1989, S. 20. Eine Wendeltreppe an der Außenseite der Johanneskapelle lässt sich anhand der Planunterlagen aus der Zeit der Säkularisierung vermuten. 28 Wie vor einigen Jahren auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse einige Dutzend Meter weiter südlich im Bereich eines als Garten genutzten Areals nahe dem Kapuzinerkloster beobachtet werden konnte (Bombonato/ Dal Ri/Marzoli/Rizzi 2000, S. 289, Abb. 9). 29 Laimer 2007, S. 174–175. 30 Freundlicher Hinweis von Helmut Stampfer; publiziert in Obermaier 2005, Nr. 507. 31 Bombonato/Dal Ri/Marzoli/Rizzi 2000, S. 294, Abb. 11, Taf. 1. 32 So etwa in der Kirche Santa Maria in Primiero nachgewiesen (Bombonato/Ravagnan 2003, S. 605–606). 33 Zu den Adelsgräbern der Dominikaner siehe den Beitrag von Alberto Alberti in der vorliegenden Publikation. 34 Bei dieser Gelegenheit kam ein zweites Schwert zum Vorschein. Das von Georg Innerebner trotz seiner akkuraten Vorgangsweise übersehene Fundstück kam wohl bei den Arbeiten zur Unterführung zum Vorschein. Die Bergung des Fundes ist einem Arbeiter der Baufirma zu verdanken. Das Stück gelangte schließlich in die Hände eines Wächters des kleinen Parkplatzes neben der Kirche. 1985 wurde einer der Autoren (G.B.) darüber informiert, dass eine Privatperson ein mittelalterliches Schwert zum Verkauf anbot. Nach kurzen Nachforschungen unter den Antiquaren der Stadt kam das Stück bei einem Händler in der Rauschertorgasse zum Vorschein, der das Schwert an das Landesdenkmalamt verkaufte. Bei einer genaueren Untersuchung stellte sich heraus, dass es sich um ein 113 cm langes Prunkschwert handelte. Die einfache und gerade verlaufende Parierstange ist im Querschnitt viereckig. Der polyedrische Knauf zeigt goldtauschierte Kreuzornamente. Vom Griff hat sich einzig der Schaft erhalten; möglicherweise bestand die mit Metallniete befestigte Griffhülse aus Elfenbein oder einem anderen wertvollen Material. Die zweischneidige Klinge besitzt eine mittige Hohlkehle. Typologische Vergleiche liefern Schwerter des 14. Jh. Aufgrund der Oxidation lässt sich an der Klinge keine eventuell vorhandene Herstellermarke mehr feststellen. Siehe Mayr 1976; Demetz 1995, S. 228, Abb. 187b. 35 Der Name Botsch ist ein Patronymikon, das sich vom verdeutschten Namen des Bozner Stammvaters Boccio (1310-1374) ableitet und geht nicht, wie andernorts behauptet, auf den Nachnamen des Familienzweiges Bamborossi zurück. Dabei handelt es sich vielmehr um ein weiteres Patronymikon, das von den Nachfahren des Bartolomeo I. Rossi, genannt Bambo, übernommen wurde. Seit jeher gliederten sich die Rossi in Florenz in verschiedene Familienzweige mit unterschiedlichen Namen und Wappen (laut unveröffentlichten Studien eines der Autoren A. A.). 36 Die Funde wurden 1992 von einem der Autoren (A. A.) auf dem Lettner entdeckt, wo sie vermutlich während der letzten Grabungen in der Kirche oder bei den Ar-

beiten für den in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts angelegten Heizungskanal, der die Westwand des Chores mit dem Kirchenschiff verband, vergessen wurden. Diese und andere Hinweise zu den jüngsten Restaurierungsarbeiten verdanken wir dem Architekten Luciano Bardelli, dem dafür herzlich gedankt sei. 37 Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt auch ein 2004 während der Restaurierung entdeckter, barockzeitlicher Holzreliquiar mit vergoldetem und versilbertem Überzug aus einer vergleichbaren Befundsituation. 38 Hier sei beispielsweise an das Grab des Cangrande della Scala in Verona erinnert. Siehe Boccia/Coelho 1975, S. 227, Abb. 26–27. 39 Ein Grab mit Waffen des 16. Jahrhunderts fand sich jüngst in Salzburg am Friedhof unter dem Residenzplatz: siehe Höglinger 2009, S.7. 40 Demetz 1995, S. 214, Abb. 232 (Blatt 6.73). 41 Zu vergleichbaren Funden aus Südtirol: St. Maria Kirche in der Au in Bozen, Grab ante 1406 (Dal Ri 2004, Abb. 18). Außerdem jüngst in der Mühlbacher Klause (Terzer 2010, S. 62, Nr. 94, Kat.-Nr.. 58–59). 42 Dominikanerplatz 2001, S. 36. 43 Siehe Nothdurfter 2005. Zum Symbolgehalt der Muschel siehe den Aufsatz von D. Biella und M. Lazzari, Convergenze tra realtà e comunità virtuale nel pellegrinaggio a Santiago de Compostela. Insbesondere Il Camino de Santiago – La figura del pellegrino medievale, i riti e la simbologia del Camino. (www.unibg.it/lazzari/santiago_de_compostela/daniele_biella/cap2_2.htm). Was die Anwesenheit von Santiagopilgern in der Stadt betrifft, ist auf das ins Jahr 1400 datierte Freskenepitaph am Glockenturm neben dem Kreuzigungsbild auf der nördlichen Außenfassade des Bozner Domes hinzuweisen, das an den Tod Ulrichs erinnert, der auf seiner Pilgerreise nach Santiago von einer Glocke erschlagen wurde. Freundlicher Hinweis von Silvia Spada Pintarelli. 44 Siehe dazu die Beiträge von Spada Pintarelli und Salvoni/ Fattoretto in der vorliegenden Publikation. 45 Unveröffentlicht (Inv. BZDOM2); aus der Grabung 1996 zwischen Dominikus- und Thomaskapelle. Einige Vergleichsbeispiele aus dem Tiroler Raum bei Caramelle 1973, S. 27; Sydow 1994, S. 571. Größere Ähnlichkeiten bestehen mit Bodenfliesen mit eingraviertem Dekor (pflanzliche und zoomorphe Motive) aus der Grabung am Münsterplatz in Ulm. Die dortigen Funde stammen aus dem Barfüßerkloster; siehe Oexele 1992, S. 179. 46 Glasierte Ofenkacheln mit religiösen Motiven fanden sich laut Nothdurfter im Dominikanerinnenkloster von Steinach in Algund (Greiter/Nothdurfter 1991, Taf. 56–57). 47 Zu den bemalten Ofenkacheln Südtiroler Herkunft siehe Bombonato/Dal Ri 2008, S. 62–63, Anmerkung 9–14, S. 69, Abb. 11–14; Terzer 2010, S. 48–49, Abb. 82–84. 48 Zu diesem Gefäßtyp (Grapen) siehe Bombonato/ Dal Ri 2008, S. 63–64, S. 69 Nr. 27. 49 Zu diesem Gefäßtyp siehe Bombonato/Dal Ri 2004, S. 64, Abb. 21–22. 50 Bombonato/Dal Ri 2004, S. 64, Taf. VI, 232–233. 51 Zur Maiolica arcaica aus dem nahen Veneto siehe Munarini 1990, S. 176–186. 52 Zur Sgraffitokeramik siehe Ericani/Marini 1990. 53 Zur Maiolica compendiaria aus dem nahen Veneto siehe Ericani 1990, S. 220–232. 54 Zu reduzierend gebranntem oder graphitgemagertem Kochgeschirr siehe Terzer 2004, S. 22. 55 Ein vergleichbares Kelchglas kam in der Mühlba-

cher Klause zum Vorschein (Terzer 2010, S. 104 (Kat.Nr. 86), S. 69–70). 56 1997 und 2007 konnte besagtes Auffüllmaterial im Bereich der jetzigen Stadtgalerie und des einstigen Eingangs archäologisch untersucht werden. 57 Gut zur Nutzung des Klosters als Kaserne passen verschiedene Fragmente von Tabakpfeifen und ein Spielwürfel aus Knochen. Zu Tabakpfeifenfunden aus archäologischem Kontext siehe Ermische 1990, S. 87–171.

89


Die Kirche und das Kloster der Dominikanermönche in Bozen waren von Anfang an eine beliebte Begräbnisstätte1 von einheimischen wie ausländischen2 adeligen oder wohlhabenden Familien. Die Ersten waren die Florentiner Rossi, die sich später Botsch nannten3, auf die dann die Bozner Familie Niederthor folgte. Dieses Faktum wurde durch die Tatsache begünstigt, dass die Dominikaner dem Totenkult besondere Aufmerksamkeit entgegenbrachten. Das verehrende Gedächtnis an Verstorbene und Vorfahren sollte außerdem die Erinnerung an sie in der Nachwelt wachhalten. Die erste dokumentarisch belegte Grabstät-

Gräber und Grabplatten Alberto Alberti

te ist die für Anna von Böhmen, die hier 1313 beigesetzt wurde, während wenige Jahre später, 1319, auch erstmals ein Friedhof erwähnt wird4. Es folgten dann 1324 die Begräbnisstätte für Giovannino Rossi und im Jahr 1347 die für Volkmar von Niederthor. Chronologischer Überblick über die bei den Dominikanern bestatteten Personen5 Jahrhundert: Anzahl M (männlich), Anzahl F (weiblich), Anzahl? (Geschlecht nicht bestimmbar) = insgesamt. - 14. Jh.: 20M, 12F, 1? = insg. 33 - 15. Jh.: 10M, 6F = insg. 16 - 16. Jh.: 11M, 12F = insg. 23 - 17. Jh.: 8M = insg. 8 - 18. Jh.: 6M, 2F = insg. 8 Insgesamt6: 55+15M, 32F, 1+27? = insg. 130 Zu diesem Zweck wurden Räumlichkeiten sowohl im Inneren wie auch außerhalb des Klosters genutzt, vom Chor zum Langhaus der Kirche. Gleichzeitig stellten die Mönche eigene Räume zur Errichtung von Grabkapellen (Rossi/Niederthor, Rossi/Botsch, Brandis, Merkantilmagistrat) zur Verfügung, die an den Längsseiten der Kirche angelegt wurden. Später kam, außer dem Friedhof am Kirchplatz, auch der Kreuzgang dazu.

90


1

1. Grundriss des Dominikanerklosters mit Lage der Grabst채tten

91


von LIECHTENSTEIN

von Vร LS

CALOCO I 12..-1290 AGNESE von Vรถlseck 12..-13..

WILHELM II 12..-1340 DOROTEA von Tschengels 13..-1421

CALOCO II 12..-134. CATERINA von Vรถls 13..-1394

CATERINA 13..-1394 1. CALOCO von Liechtenstein 12..-134. 2. BOCCIO Rossi 1314-1374 3. RUDOLF von Schonaw 13..-13..

GEORG I 13..-1363 CATERINA von Niderthor 13..-13..

LEONARDO I 1459-1530 1. REGINA de Tono 14..-1495 2. URSULA von Montfort 14..-1512 1 DOROTEA 14..-14.. SIGISMONDO I von Niederthor 14..-1447

MARGHERITA 13..-13.. ARNOLD von Niederthor 13..-138.

GASPAR I 14..-1480 DOROTEA von Weineck 14..-1480

WILHELM III 13..-1432 MARTA von Wolkenstein 13..-14..

URSULA 14..-14.. GIORGIO Rossi-Botsch 13..-1437

HEINRICH 12..-135. CHIARA von Jaudes 12..-1349

HEINRICH 13..-1348 ELISABETTA della Scala 13..-13..

-Cornedo HEINRICH IV 132.-1395 CATERINA von Niderthor 13..-13..

von NIEDERTHOR

MELCHIOR 15..-1543 SIDONIA von Ortenburg 15..-15..

FERDINAND 15..-1560 BARBARA Fugger 15..-15..

VOLKMAR CATERINA 13..-1347 13..-13.. GIORGIO von Liechtenstein ELISABETTA de Firmian 13..-1345 13..-1363

ARNOLD I 13..-138. MARGHERITA von Vรถls 13..-13..

GERVIGA 13..-1345 BOCCIO Rossi 1314-1374

GIOVANNINO

SIGISMONDO I 13..-1447 2. DOROTEA von Liechtenstein 14..-14..

MICHAEL I 146.-1528 REGINA de Cles 14..-15..

1 CHRISTOF M. 15..-1540 BARBARA Trapp 15..-15..

HANNS JAKOB 15..-1551 ELISABETTA von Schlandersberg 15..-15..

EGIDIO 15..-1546 ANNA de Lasa 15..-15..

CARLO 1548-1617 DOROTEA de Tono 15..-15..

CHRISTOF M. I 15..-1578 1. URSULA von Ramschwag 15..-1567

CHRISTOF O.M. 1548-1617 ANNA MARIA Pichler-Weitenegg 15..-1598

MAXIMILIA ELEONORA

HANNSGEORG

2. Genealogische Beziehungen zwischen den Familien Liechtenstein, Vรถls, Niederthor, Botsch, Boimont und Brandis

92


ROSSI-BOTSCH

von BOIMONT-PAIRSBERG

BRANDIS

BARTOLOMEO I 12..-13.. -Bamborossi GIOVANNINO I 12..-13.. F? 12..-13..

BARTOLOMEO II 12..-1318 HUISCA Rossi 12..-13..

GIOVANNINO II 12..-1324 1. F Rossi 12..-131. 2. CATERINA von Reichenberg 1...-13..

RUSTICO 12..-13.. F? 12..-13..

1

1 F 12..-131. GIOVANNINO II Rossi 12..-1324

1

ZENOBINO 130.-1348 CATERINA von Rottenburg 13..-13..

GUIDO II 12..-133. 1. REGINA de Mareccio 12..-13.. 2. CATERINA de Stilves 12..-13.. 1

2

ANDREA 13..-1373 F von Weggenstein 13..-13..

-Botsch

BOCCIO 1314-1374 1. GERVIGA von Niederthor 13..-1346 2. CATERINA von Vรถls 13..-1394 2

2

ENRICO I 13..-1388 LUCIA von Zwingenburg 13..-139.

HANNS I 13..-140. DOROTEA de Villandro 13..-14..

MARGHERITA 13..-1387 1. JAKOB Fuchs 13..-1380 2. RANDOLD Brandis 1366-1402

-Zwingenburg HANNS II 13..-1439 URSULA de Gufidaun 1...-14..

BIAGIO 13..-1420 1. ANNA Baas 13..-1407 2. CATERINA de Boimont-Pairsberg 13..-14..

GEORG I 13..-1437 1. ANNA Schibaz 14..-14.. 2. URSULA von Liechtenstein 14..-14.. 2 CHRISTOF II 14..-1484 1. MARGHERITA Turner 14..-1459 2. BARBARA Fuchs 14..-14..

2

2

GEORG II 14..-1528 ELISABETTA von Nussdorf 14..-1529

GAUDENZ I 14..-151. ELENA de Firmiano 14..-15..

VALENTIN 15..-1541 REGINA Brandis 15..-1569

SIMONE 1485-1585 1. SIBILLA von Welsberg 15..-1538 2. BARBARA von Neuhaus 15..-1555

JAKOB I 14..-1485 MARGHERITA Fuchs 14..-1...

MARTIN I 15..-1551 SOFIA von Breisach 15..-1558

REIMPRECHT 15..-1544 2. CATERINA von Niederthor 15..-1532

2 CHRISTOF II 1526-1590 ELISABETTA Volland 15..-1604

MAXIMILIAN 1550-1594 ELEONORA de Montani 15..-1...

GAUDENZ II 1565-1630 1. CATERINA von Trautmanndorf 15..-1... 2. BARBARA von Trautmannsdorf 15..-16..

ELISABETTA 15..-16.. HANNSGEORG de Boimont-Pairsberg 16..-1643

HANNSGAUDENZ 16..-1639 1. MAXIMILIANA Brandis 16..-1637 2. ANNA Pair-Caldiff 16..-16..

CATERINA 1529-1565 JAKOB II de Boimont-Pairsberg 1527-1581

CATERINA 1575-16.. 1. GASPAR Zoller 15..-159. 2. MATTIA Burglechner 1573-1642

ANNA 154.-15.. 1. MARTIN de Boimont-Pairsberg 1528-1571 2. GASPAR Pair-Caldiff 15..-15..

MARTIN II 1528-1571 2. ANNA Rossi-Botsch 154.-15..

JAKOB II 1527-1581 1. CATERINA Rossi-Botsch 1529-1565

REGINA 1551-1582 BALDASSARRE II von Liechtenstein 15..-1579

1

1 MARIA CATERINA 1636-1680 M Ciurletti 16..-16..

VEIT BENNO 1606-1667 GIUSTINA von Kuefstein 1595-1660

FRANZ ADAM 1639-1695 CATERINA von Acham 1639-1711

CATERINA 166.-1748

FRANZ ADAM CLAUDIA 1667-1734 166.-1741 1. CATERINA von Spaur-Flavon 1688-1721 2. LEOPOLDINA von Ruepp-Falkenstein 1690-1744

93


Überblick nach Räumlichkeiten (Abb. 1)

entdeckten Grabstätten mappiert, in der zweiten Phase wurden die noch bestehenden bezie-

- Langhaus der Kirche (1350–1706): mindestens

hungsweise die verloren gegangenen Grabplatten

vier Wandgräber mit Grabplatten, dazu weitere

katalogisiert7, während die dritte Phase in einer

vier Grabplatten (mindestens acht Bestattete).

historisch-genealogischen und archivalischen Re-

- Chor (1313–1585): mindestens drei Wand-

cherche in Bezug auf die der Überlieferung nach

gräber, davon zwei mit Grabplatten (mindestens

bestatteten Personen bestand.

fünf Bestattete).

So konnte ein nach Räumlichkeiten (Lang-

- Johanneskapelle (1324–1374 und 17. Jh.): fünf

haus und Chor, Seitenkapellen, Kreuzgang und

Wandgräber, davon zwei mit Grabplatten (min-

Kirchplatz) geordnetes Gräberverzeichnis aufge-

destens zwölf Bestattete).

stellt werden, das sicher auch im abhandenge-

- Nikolauskapelle (1374–1637): mindestens drei

kommenen Archiv existiert hatte.

Wandgräber (mindestens acht Bestattete, vielleicht weitere 14 und mehr).

Gräberverzeichnis bei den Dominikanern

- Dominikuskapelle (1640–1785): Grabkrypta (mehrere Bestattete).

Langhaus (erste Hälfte 14. Jahrhundert) (Abb. 3)

- Th Thomaskapelle omaskapelle (14. Jh. und 1662–1748): Grabkrypta, dazu ein äußeres Wandgrab (mindestens

Im dreischiffigen Langhaus der Kirche sind bis-

fünf Bestattete).

her lediglich vier Gräber ausgemacht worden,

- Katharinenkapelle (1640–1785): Grabkrypta

von denen drei noch die Grabplatte besitzen (t.

(viele Bestattete).

2–4). Zwei liegen im südwestlichen Teil und zwei

- Kreuzgang (1347–1505): drei Wandgräber, drei

im nordöstlichen.

Grabplatten, vier Gräber, vier Totenschilde (mindestens zehn Bestattete).

- Grabstätte (t. 18), mit der Familie Knörin-

- Friedhof am Kirchplatz (14.–18. Jh.): vier

gen in Verbindung zu bringen, im Hauptschiff

Wandgräber, zwei Grabplatten (fünf testamenta-

vor dem Lettner.

rische Verfügungen), 27 Erdgräber (mindestens 36 Bestattete).

Grabplatte9 eines Familienmitglieds (+1350), vielleicht Konrad von Knöringen (Größe: (141) x96) (Abb. 4), aus Sandstein (unvollständig), mit

Eine Analyse der bei den Dominikanern beigesetzten Personen und ihrer jeweiligen Familien zeigt deutlich, dass zwischen diesen Familien eine

Wappen, Helm, Helmzierde und Randumschrift in vier (oder zwei) Teilen: …Ain.VnD.MVS.SeIn.ALL.h.N…

Reihe von Beziehungen bestanden, hauptsächlich

…[A.D.MCCC]L.*OBIIT[.D.]

zwischen vier bedeutenden Geschlechtern, den

K[VnRAD]…[Knering]…

Rossi-Botsch, den Niederthor, den Völs und den Brandis, darüber hinaus dann auch den Liechtenstein und den Boimont-Pairsberg, die alle mehr

Weitere zweiteilige Inschrift (Motto) auf dem Schnörkel: +heRRe.C… …DICh.V_ / .MICh.

oder weniger belangvolle Interessen in Bozen und Umgebung wahrnahmen (Abb. 2). Zur Ausarbeitung eines systematischen Ver-

94

- Grabstätte (t. 210) Kramer, rechtes Seitenschiff, Westwand.

zeichnisses der Grablegen in der Kirche und im

Grabplatte11 von Hanns (+14-2-1706) Kra-

Kloster der Dominikaner haben wir uns dreier

mer (Abb. 5), aus Sandstein (teilweise abgewetzt),

unterschiedlicher Quellen aus folgenden Berei-

mit Wappen und darunter achtzeiliger Inschrift:

chen bedient: Archäologie, Kunst und Geschichte.

MDCCVI

In der ersten Phase wurden die noch vorhande-

XIV FEB.

nen oder bei archäologischen Untersuchungen

STARB DER FORNEME.


HANNS KRAMER BVRGER IN BOZEN.SEINES ALTERS LXVI IAHR GOTT GN AD

t.1

DER SEELEN

t.2

- Grabstätte (t. 312) der Familie Schaitter (ab 1661), linkes Seitenschiff (NO-Ecke), vor der Nikolauskapelle, an der Nordwand Grabplatte13 von Johannes Schaitter (+1661) und Nachkommen (Abb. 6), aus Sandstein (fragmentarisch), mit Wappen und darunter fünfzeiliger Inschrift: NOBILIS:ET EXCELLEN TISS:DNI:IOANNIS SCHAITTER A LEBMONSEGG VID:ET DE SCENDENTIVM SEPVLTVRA ANNO 1661 +

t.4 t.3

- Grabstätte (t. 414) eines Unbekannten, wahrscheinlich eine Grabkrypta (vielleicht doppelte Bestattung, Ehemann+Ehefrau), linkes

3

5

4

6

Seitenschiff, vor der Nikolauskapelle, an der Ostwand. Grabplatte15 eines Unbekannten (16. Jh.) (Abb. 7), aus Sandstein (abgewetzt und fragmentarisch), mit doppeltem Wappen (das linke viergeteilt), Helm, Helmzierde, darunter Inschriftenfeld. Weitere nicht lokalisierbare Gräber, von denen nur die Grabplatten erhalten sind. - Grabplatte16 eines Unbekannten (15. Jh.) (Abb. 8), aus Sandstein (Fragment), mit Randbeschriftung in Fraktur: …cdu… - Grabplatte17 Valentin (+1495) von KoburgGufidaun. - Grabplatte18 vielleicht Georg Sölder (Mitte 17. Jh.), aus Sandstein (abgewetzte Bruchstücke), mit Wappen. - Grabplatte19 vielleicht Agostin Koller (17. Jh.), aus Sandstein (abgewetztes Bruchstück), mit Wappen.

3. Grundriss des Langhauses mit Lage der Grabstätten

5. Grabplatte von Hanns Kramer (+1706)

4. Grabplatte der Familie Knöringen (1350)

6. Grabplatte der Familie Schaitter (1661)

95


8

10

t.1 7

t.2 t.3

9

11

7. Grabplatte eines Unbekannten (16. Jh.)

96

8. Grabplatte eines Unbekannten (15. Jh.)

10. Wahrscheinliches Grab von Anna von Böhmen (+1313) mit der rekonstruierten Nische (t. 1)

9. Grundriss des Chors mit Lage der Grabstätten

11. Grabplatte von Leonhard von Völs-Colonna (+1530)


Im Langhaus der Kirche wurde wahrschein-

wurde dann aber zerlegt. Der Sarkophag kam

lich auch Anthon Dominig (Minnig) (+1477/)

abhanden, während die Nische wahrscheinlich

beigesetzt, wahrscheinlich am Pfeiler mit seinem

als Sitzbank des Chors benutzt wurde (Abb. 10).

Wappen (Jahreszahl 1468). 20

Vielleicht im Langhaus oder im benachbar-

- Grabstätte (t.2) der Familie Völs (1512),

ten Kreuzgang befanden sich auch die Grabstät-

in der Folge von Leonhard I. (+20.12.1530) von

ten (14.–17. Jh.) von Mitgliedern der Familien21

Völs-Colonna28 und dessen dritter Ehefrau Ursula

Annenberg, Caldonazzo-Castelnuovo-Ivano (viel-

(+30.8.1512) von Montfort-Tettnang.

leicht Antonio , Sohn des Biagio +1404), Call,

Das Grab wurde wahrscheinlich schon 1512

Hailwiger23, Kreutzer-Wernberg, Niederhaus, Se-

angelegt und zur Bestattung mehrerer Mitglieder29

ben, Sebs, Spaur, Wangen und Welsberg.

der Familie von Völs benutzt, sodass es bald zum

22

Familiengrab („Velserischen Begrebnus“) wurde. Chor (Ende 13.–Anfang 14. Jahrhundert) (Abb. 9)

Nach der 1585 erfolgten Anlage eines neuen Familiengrabs wurde es, von 1512 bis mindestens

Die einzigen drei überlieferungsgemäß vorhande-

1598, zur Grabstätte des Zweigs von Leonhard

nen Grabstätten mussten sich an der Westwand

(mindestens 7 Bestattete). Hier wurden beigesetzt:

befunden haben , in folgender Reihenfolge:

Leonhards Söhne Christof M. (+um 1540) und

Wandgrab (t. 1) von Anna von Böhmen (1313),

Melchior (+1543) mit ihren Ehefrauen Barbara

gefolgt von zwei Gräbern der Völs (rechteckiges

(+1540/) Trapp und Sidonia (+1543/) von Orten-

Schachtgrab oder Grabkrypta), zuerst das (t. 2)

burg; außerdem Anna Maria Pichler-Weitenegg

von Leonhard (1530) und gleich daneben das (t.

(+1598), die Ehefrau des Großneffen Christof

3) von Karl (1585), die von der aus Völs stam-

O.M.

24

menden Adelsfamilie von 1512 bis mindestens 1598 benutzt wurden.

Grabplatte30 (1530) aus Marmor (Größe: 257x92x22 cm), mit Inschriftenfeld und darunter

12

einem Wappen (Abb. 11). - Grabstätte25 (t.1) von Anna (+3.9.1313) Przemysl, Tochter des Königs Wenzel II. von Böhmen und erste Ehefrau des Tiroler Landesfürsten Heinrich.

Inschrift auf dem rechteckigen Feld in 14 Zeilen: HIE.LIGT.BEGRABEN DER.WOLGEBORN

Das Grab besteht aus einer auf halber Höhe

HERR.LEONHARDT

in die Westwand des Chors eingefügten Nische

FREVHERR.ZV.VELS

mit Sandsteinumrahmung, Innendekoration mit

ZC.MITSAMBT.SEINER

einem aus sich überschneidenden Kreisen gebil-

GEMACHL.FRAVEN.VR

deten Motiv26. In dieser Nische befand sich, teils

SVLA.GEPORNE.GRA

innen und teils nach außen ragend, ein wahr-

FIN.ZV.MONTFORT

scheinlich marmorner Sarkophag. Die Stirnseite

DEREN.SELEN.GOT.DER

des Sarkophags wies Reliefornamente mit zwei

ALMECHTIG.GNADIG

kleinen Bogen auf, eine thronende Jungfrau mit

VND.BARMHERCZIG

dem Jesuskind und der mit gefalteten Händen

SEIN.WOLL.AMEN

knienden Anna sowie das Wappen von Kärn-

M.D.XXX .SEINS

ten (und vielleicht andere Wappen von Böhmen

ALTERS.IM.LXXII.IAR

und Görz). Dem Leichnam waren einige Reliquien beigegeben, darunter Annas vergoldete Silberkrone. Das Grabmal blieb mindestens bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts gänzlich erhalten27,

Auf dem Fries zehnteilige Umschrift: LANDTHA / VBTMAN / GEWESEN / XXXIII / IAR / IST GESTOR / BEN.VND / IST.DER / F.G.I. 12. Grabplatte von Karl von Völs-Colonna (+1585)

97


13b

13a

15

16

t.1 t.2 t.5 t.4 t.3

14

13a.–13b. Grabbeigaben der Völs-Colonna 14. Grundriss der Johanneskapelle mit Lage der Grabstätten

98

15. Abgetretene Grabplatte von Giovannino Rossi (+1324)

16. Grabplatte von Volkmar von Niederthor (+1347)


- Zweite Grabstätte (t. 3) der Familie Völs, das heißt von Karl I. (+25-4-1585) von Völs-Colonna

Beschreibung: zweischneidige Klinge mit Spuren von Gold- und Messingbelag.

dem Aussterben der Botsch (1639–168039) ein letztes Grab (t. 5) in der Kapellenmitte angelegt,

und dessen Vorfahren.

wobei vor allem die erste Grabstätte, die des Grün-

In dieser Grabstätte wurden weitere Mitglieder

Johanneskapelle (Grabkapelle der Rossi und der

des Michaelschen Zweigs der Familie von Völs

Niederthor; frühes 14. Jahrhundert36) (Abb. 14)

35

beigesetzt (mindestens acht), die sich zuvor im

ders, in Mitleidenschaft gezogen wurde. - Grabstätte (t.1) von Giovannino II. (+24.3.1324)

Grab des Großonkels Leonhard (1530) befunden

Für diesen Raum liegen die verschiedensten

Rossi und wahrscheinlich seiner Ehefrauen de

hatten: sein Großvater Michael I. (+um 1528)

Unterlagen und Quellen vor. Während der Neu-

Rubeis (+1314/24) und Caterina (+1324/) von

von Völs-Haselburg und sein Onkel, Haupt-

auslegung des Fußbodens im Jahr 1993 wurden

Reichenberg sowie seines Vaters Bartolomeo40

mann Hans Jakob (+1551), mit ihren Ehefrauen

auf der gesamten Kapellenfläche insgesamt fünf

(Bambo) II. (+1318), rechteckiges Schachtgrab

Regina (+1528/) de Cles und Elisabetta (+1551/)

Grabstätten ausgemacht (schon Nicolò Rasmo

Grabplatte41 von Giovannino (Größe: (95)

von Schlandersberg, sein Bruder Christof M.

hatte sie bei der Kapellenrestaurierung leer und

x113), aus Sandstein (jetzt abgetreten) (Abb. 15);

(+8.12.1578) und dessen erste Ehefrau Ursula

ohne Grabsteine gefunden), die ursprünglich si-

Randumschrift (rekonstruiert):

(+30.1.1567) von Ramschwag, schließlich seine

cher jeweils eine Grabplatte besessen hatten. Zwei

HIC.IACET.DOM.

Ehefrau Dorotea (+1585/) von Thun.

dieser Grabplatten (t. 1-2) waren noch, wiewohl

BANNINVS.DE.BAMBOROCIIS.

Grabplatte31 (1585) aus Sandstein (Größe:

beschädigt, vor Ort vorhanden. Die eine weist

DE.FLORENTIA

186x115 cm), mit Wappen, darunter Inschrif-

keine Inschrift auf, die zweite dagegen bezieht

OBIIT.ANNO.DNI.MCCCXXIV.DIE.XXIV.

tenfeld (Abb. 12)

sich auf Volkmar von Niederthor. Mithilfe der

MARTII

Neunzeilige Inschrift auf dem quadratischen Feld: [a]nno.1585 den 25 tag aprilis starb.der.wolgboren.herr Karl von colona freyherr.zü Völls und

37

Schriften von Wolkenstein (1600–1620) und Mayrhofen (1810) können zwei jetzt fehlende

- Grabstätte (t. 2) von Volkmar (+8.1.1347)

Grabsteine rekonstruiert werden, die von Gio-

von Niederthor und dessen Ehefrau Elisabetta

vannino und Andrea Rossi.

(+1347/) de Firmian, rechteckiges Schachtgrab.

Anhand der stratigrafischen Analyse der

Grabstein42 (1347) von Volkmar (Größe:

zü schennkenberg...

Mauern konnte die zeitliche Abfolge der Gräber

(85)x99), aus Sandstein (zur Hälfte erhalten),

hie begraben.ligt…

1-2-3-4-5 rekonstruiert werden. Da einzig Grab

mit Wappen und Randumschrift in vier Teilen

in und rorra…

2 mit Sicherheit datiert werden kann (1347), ist

(Abb. 16):

am tag des iün.

anzunehmen, dass Grab 1 älter ist und wahr-

…[DOMINVS.VO]LCHMARVS.FILIUS

im…

scheinlich – auch angesichts seiner Lage (das erste

.DOMINI.HAINR

…rn der. …

rechts vor dem Altar) – Giovannino (Vannino/

ICI.BOZANEN[SIS…

Bannino) Rossi (+1324) gehörte. Auf die erste

…OBIIT.A.D.1347.DIE.VIII.IANVARII]…

Zu diesem Grab dürften, wahrscheinlich aus Karls Besitz, die Grabbeigraben gehören32. Eisernes Reitschwert (Länge: (87) cm) (1560–1570 ) (Abb. 13a). 33

Reihe (t. 1-2, 1324–1347) vor dem Altar folgte bald eine zweite (t. 3-4, 1353–1374), in der die

- Grabstätte43 (t. 3) von Heinrich (+1353/56) von

Verwandten der in der ersten Reihe Beigesetzten

Niederthor und dessen Ehefrau Chiara44 (+1349)

ihre letzte Ruhestätte gefunden haben könnten:

Jaudes sowie wahrscheinlich seiner Tochter Ger-

Beschreibung: zweischneidige gekehlte Klin-

Heinrich von Niederthor (+1353–1356), Vater

viga (+1346) von Niederthor, der Ehefrau von

ge; Parierstange mit Stichblatt und Handbügel,

von Volkmar, und Andrea Rossi (+um 1373), ein

Boccio Rossi, rechteckiges Schachtgrab.

Angel (rechteckiger Klingenquerschnitt) mit ur-

Onkel mütterlicherseits von Boccio.

sprünglich aus Holz bestehendem Griff, platter kugelförmiger Knauf mit Reliefdekor.

Diese Lage der Gräber lässt vermuten, dass

- Grabstätte (t. 4) von Andrea (+1373 ca.) Ros-

der Fußboden der Johanneskapelle schon von

si, Boccios Onkel mütterlicherseits, und dessen

Zwei Sporen (Größe: 15x3,7 cm) aus Bron-

den Siebzigerjahren des 14. Jahrhunderts an nicht

Ehefrau von Weggenstein (+/1372) , rechteckiges

ze mit eisernem Kern (2.H. 15.–16. Jh.) 34 (Abb.

mehr als Begräbnisstätte benutzt wurde. Nicht

Schachtgrab.

13b).

zufällig werden nach dem Tod Boccios im Jahr

Beschreibung: am zentralen Teil ist mit einem Niet ein achtzackiges Sternrad befestigt. Schwert (Länge: (56,3) aus Eisen (15.–16. Jh.).

1374 er selbst und fast alle seine Nachkommen38 in der neuen, dem heiligen Nikolaus geweihten Grabkapelle bestattet. In der Folgezeit (17.–18. Jh.) wurde nach

Grabstein45 von Andrea (nicht mehr vorhanden); Randumschrift (rekonstruiert): HIC EST SEPVLTVRA DOMINI ANDREAE DE FLORENTIA Q.G.ONI FILI DE RVBEIS

99


19

17

18b

17. Siegel von Boccio Rossi (+ 1374), Privatsammlung 18a

18a.–18b. Grabbeigaben der Gräber t. 1 (Schwert und Sporen, 2. Hälfte 15.–16. Jh.) und 3 (Schwert, 2. Hälfte 14. Jh.) 19. Grundriss der Seitenkapellen (Nikolaus-, Dominikusund Thomaskapelle) mit Lage der Grabstätten

100


- Grabstätte46 (t. 5) eines Unbekannten (17.–18. Jh.), rechteckiges Schachtgrab. Nikolauskapelle (Grabkapelle der Botsch; 1345–1350) Boccio Bossi ließ diese Kapelle in den Jahren 1345–1350 als neue Grabkapelle der Familie Botsch erbauen, da in der vorausgegangenen Grabkapelle, der Johanneskapelle, kein Platz mehr verfügbar war. Mit Sicherheit wurden hier der Stifter Boccio (+1374) (Abb. 17) und wahrscheinlich seine Ehefrau Caterina (+1394) von Völs begraben. Andere Familienangehörige, die ebenfalls sicher hier bestattet wurden, waren: Margherita47 (+1387), Anna48 (+1406/17) Baas, die erste Ehefrau von Biagio, und Simone (+1585). Wahrscheinlich aber wurden hier auch viele Nachkommen beigesetzt, darunter: Enrico I. (+1388), Hanns I. (+1403/12), Biagio (+1420), Georg I.

20

(+1437), Hanns II. (+1439), Christof II. (+1484) und Gaudenz I. (+1512/16) mit ihren jeweiligen Ehefrauen. Nach dem Aussterben der Familie Botsch (1639–1680) bekam die Kapelle einen neuen Namen (Vinzenzkapelle) und eine andere Zweckbestimmung. Die Gräber wurden mit Erde aufgefüllt und geschlossen, die Grabsteine zerstört und zerstreut. Bei archäologischen Funden und Sondierungen (1971–1999) konnten die dort vorhandenen Grabstätten teilweise rekonstruiert werden. Dabei wurden vor allem drei Gräber ausgemacht (t. 1-3), die höchstwahrscheinlich auf die ersten Kapellenstifter (2. H. 14. Jh.–1. H. 16. Jh.) zurückgehen. - Grabstätte49 (t.1), Wandgrab mit gemauertem Grabmal, zwei Bestattete: ein erwachsener Mann und ein an dessen Fuß liegendes Kind (Sohn?). Grabbeigabe50: zweihändiges Schwert aus Eisen (1470–152051).

21

Zwei Sporen aus Eisen (2. H. 15. Jh.). - Wandgrab52 (t. 2) (?).

20. Steinwappen des Merkantilmagistrats (1684–1685)

- Grabstätte (t. 3), rechteckiges Schachtgrab.

21. Grabplatte eines Unbekannten (14. Jh.)

101


V I V I

Grabbeigabe: eisernes Schwert53 (Größe:

V I W

117x17,4) (1350–138054) (Abb. 18a, 18b)

Grabplatte (1640) aus Porphyr, mit Wappen des Ordens und Inschrift: SEPVLCHRVM FRATRVM

Dominikuskapelle

PRAEDICATORVM BVLSANENSIVM

(Merkantilkapelle; 1639–1652) (Abb. 19)

W

In der Kapelle befand sich, wahrscheinlich in der

AB ANNO DOMINI MDCXL Kreuzgang (Abb. 22)

Mitte, eine Grabkrypta (Mitte 17. Jh.), in der die 55

W

während der Märkte und Messen in Bozen ver-

Die Korridore des Kreuzgangs wie auch der Gar-

storbenen Kaufleute bestattet wurden (Abb. 20).

ten selbst wurden zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert als Begräbnisstätte64 vieler Tiroler

V I 22

Thomas-von-Aquin-Kapelle (Grabkapelle 56 der

Adelsfamilien benutzt, von denen einige mit Si-

Brandis; erste Hälfte 14. Jahrhundert)

cherheit aus Bozen stammten. - Kreuzganginneres: zwei Grabstätten65 (t.1–2)

Auf ein erstes, anonymes Grab aus dem

von Unbekannten, rechteckiges Schachtgrab

14. Jahrhundert folgten nach der Neugründung

(Grabplatten verloren gegangen), im West- und

der Kapelle seitens der Familie Brandis um die

Nordflügel.

Mitte des 17. Jahrhunderts (1642–1667) meh-

- Südflügel: Grabstätte eines Unbekannten (t. 366),

rere Bestattungen, wahrscheinlich in einer einzi-

rechteckiges Schachtgrab (Grabplatte verloren

gen Grabkrypta: Veit Benno57 (+1667) und die

gegangen) (Abb. 23).

Großneffen/-nichten Franz Adam (+1.12.1734),

In Urkunden werden auch weitere Gräber und

Claudia (+1741) und Caterina (+1748).

Grabplatten bezeugt.

58

23

Bei der Aufhebung und Auflösung des Klos-

- Grabplatte67 von Johannes (+1397) Rogger

ters wurden die Grabplatten und andere steinerne

(verloren gegangen), mit Randumschrift (rekon-

Objekte teilweise von den Brandis erworben, wäh-

struiert):

rend ein anderer Teil zerstört oder zerstreut wurde.

anno.mcccxcvii.obiit.dominvs.iohannis.roggar68

Mindestens eine Grabplatte, die beim Abbruch

- Grabstätte69 von Benedict (+1407) Kazelochers

der Kapelle (1820–1838) nach Lana gebracht

(Grabplatte verloren gegangen).

worden war, ging dort nach einer weiteren Über-

- Grabstätte70 von Georg (+1494) Fuchs (Grab-

führung der Leichen (183859) verloren. Zwischen

platte verloren gegangen) und dessen Ehefrau

der Thomas-von-Aquin-Kapelle und der Domini-

von Trautson.

kuskapelle befand sich ursprünglich ein weiteres,

- Grabstätte71 von Hanns (+1505) Römer (Grab-

mit einer Grabplatte verschlossenes Grab60.

platte verloren gegangen) und wahrscheinlich

- Grabstätte (14. Jh.), rechteckiges Schachtgrab,

dessen Ehefrau Margherita (+1505/) Raminger.

mit einem Bestatteten.

Im Kreuzgang hatten sich möglicherweise die

61

Grabbeigabe: zwei bronzene Gürtelschnallen (14. Jh.).

folgenden zwei Gräber/Grabplatten72 befunden: - Grabstätte73 der Familie von Rafenstein, in der

Grabplatte62 eines Unbekannten (14. Jh.)

mindestens zwei Mitglieder bestattet wurden:

(Abb. 21), aus Sandstein, mit Wappen, Helmzier

Flaminio (+1347) und Francesco/Franz (+1385/).

(nicht erkennbar) und Randumschrift in Fraktur:

- Grabplatte74 von Flaminio (+8.12.1347) von

…iii…

Rafenstein (verloren gegangen), mit Randumschrift (rekonstruiert): anno.domini.mcccxlvii.

Katharinenkapelle (erste Hälfte 14. Jahrhundert).

die.viii.decembris.obiit.nob.flamin.de.ravenstain - Grabplatte75 von Heinrich (+10.9.1352) von

22. Grundriss des Kreuzgangs mit Lage der Grabstätten

- Grabstätte63 der Dominikanermönche (1640),

Weineck (verloren gegangen), mit Randumschrift

23. Grab (t. 3) eines Unbekannten

Grabkrypta, in der Mitte vor dem Chor.

(rekonstruiert):

102


anno.domini.mccclii.die.x.septembris.obiit.nob. hainricvs.de.weinegg Im Kreuzgang wurden, vor allem im südlichen Korridor, im 14. Jahrhundert mehrere Grabstätten76 angelegt. Sie wurden durch sogenannte Totenschilde an der Innenwand charakterisiert, die in diesem Fall direkt auf die Wand gemalt waren und von denen sich mindestens vier erhalten haben (Abb. 24 a, b, c, d). - Totenschild77 (s.f. 1), gemalt (Mitte 14.–15. Jh.), Person unbekannt.

24a

24c

- Totenschild78 (s.f. 2), gemalt, von Heinrich (+47 oder 17-11-1348) Fuchs (?)79. Randumschrift: ANNO.DNIm.CCC.XLVIII.In.DIE. SE.ELISABET.OBIIT.HAEnRIC.BAIIW… - Totenschild80 (s.f. 3), gemalt (2. H. 14. Jh.), mit unbekanntem Wappen81. - Totenschild82 (s.f. 4), gemalt (um 1360), Person unbekannt. Im Kreuzgang könnten auch andere Familien oder einzelne Familienmitglieder begraben worden sein, wie zum Beispiel die Wolkenstein. 24b

Friedhof auf dem Kirchplatz (Abb. 25) Einen Friedhof der Dominikanermönche musste es von Anfang an gegeben haben – in der Tat wird er im Jahr 1319 erwähnt –, und er diente bis zur

24d

Klosteraufhebung 1785 als Begräbnisstätte. Hier wurden normale Bürger (Erdgräber) beigesetzt, aber auch Angehörige des niederen Adels (gemauerte Gräber), andere Personen (Pilger) und anfangs wahrscheinlich auch die Dominikanermönche selbst83 (ab 1640 hatten sie eine eigene Grabstätte in der Katharinenkapelle). Direkt an der Hauptfassade der Kirche befanden sich vier gemauerte Gräber (14.–17. Jh.): eine Grabkrypta (t. 184) und drei rechteckige Schachtgräber (t. 2-485). Sie waren ursprünglich sicher mit Grabsteinen versehen, die aber nach der Aufhebung des Klosters (1785–1838) zerstreut und zerstört wurden. Das bedeutendste und älteste Grab scheint t. 1 gewesen zu sein86. Die Gräber

24a.–24b.–24c.–24d. Bemalte Totenschilde (14. Jh.)

103


2 und 3 wurden sicher nacheinander angelegt, während Grab 4 von späteren Baustrukturen

W W

W W

verdeckt worden war. Teil einer Begräbnisstätte oder eines Altars war wohl auch ein Wappenrelief87 (16. Jh.) aus Marmor (Fragment), mit geviertem Wappen (auf

W

W

W

W W

W W

Feld 2: steigender Löwe) eines Unbekannten88

W

(Abb. 26). Zu einem der vier Gräber könnte ein Grab-

W

stein aus dem 16. Jahrhundert89 gehören, der im

W

Jahr 1777 beim Bau des Neptunsbrunnens am

W

nahen Obstmarkt neue Verwendung fand. - Grabstein90 für Caterina (+1560) Lahn

W

(Ehefrau von Hieronimus Penzinger) (Abb. 27),

W

aus rotem Muschelkalk, mit Inschriftenfeld und 25

darunter geviertem Wappen91. Achtzeilige Inschrift auf dem rechteckigen Inschriftenfeld: ANNO DNI.M.D.L.X.AN DEM… SAMSTAG NACH ALLEN EMPFANG EN HEILIGISTEN SACRAMENTEN IST IN GOT GANTZ SELIG ENT SCHLAFEN DIE EHRENTVGENTREIC FRAW CATHARINA GEBORNE LANH HYERONIMVS SEN PENZINGER ERSTE EHLICHE HAVSFRAW.

26

Auf dem umzäunten Kirchplatz hatte höchstwahrscheinlich der Friedhof der Dominikanermönche bestanden, von dem 27 Erdgräber92 ausgemacht wurden (nur zwei männliche Gräber93 hatten Grabbeigaben). Auf dem Dominikanerfriedhof gab es mindestens zwei Grablegen von Adeligen: das Grab von Arnold94 (+1369/) Jaudes und dessen Ehefrau (+1369/) und das von Alberto95 (+1349/) von Gries.

27

An einem anderen, nicht zu lokalisierenden Ort des Klosters, auf jeden Fall auf dem Friedhof vor der Kirche, lagen die Gräber von Cristina96 (+1382/) von Kampill (Witwe nach Leonhard Speyser) und von Arnold97 (+1390/) Riegler.

25. Grundriss des Kirchplatzes mit Lage der Grabstätten 26. Steinwappen eines Unbekannten (16. Jh.) 27. Grabplatte von Caterina Lahn-Penzinger (+1560), Bozen, Stadtmuseum

104


Verzeichnis der bestatteten Personen, mit Angabe der Begräbnisstelle Baas Anna (+1406/17), Ehefrau von Biagio Rossi, Nikolauskapelle Brandis Caterina (+1748), Thomas-von-Aquin-Kapelle Brandis Claudia (+1741), Thomas-von-Aquin-Kapelle Brandis Franz Adam (+1734), Thomas-von-Aquin-Kapelle Brandis Veit Benno (+1667), Thomas-von-Aquin-Kapelle de Cles Regina (+1528/), Ehefrau von Michael von VölsHaselburg, Chor (t. 3) de Firmian Elisabetta (+1347/), Ehefrau von Volkmar Niederthor, Johanneskapelle (t. 2) Fuchs-Fuchsberg Georg (+1494), Kreuzgang Fuchs (?) Heinrich (+1348), Kreuzgang von Gries Alberto (+1349/), Friedhof auf dem Kirchplatz Jaudes Arnold (+1369/), Friedhof auf dem Kirchplatz Jaudes Chiara (+1349), Johanneskapelle (t. 3) von Kampill Cristina (+1382/), Ehefrau von Leonhard Speyser, vielleicht auf dem Kirchplatz Kazelochers Benedict (+1407), Kreuzgang von Knöringen ? (+1350), Langhaus (t. 1) von Koburg-Gufidaun Valentin (+1495), vielleicht Langhaus Koller Agostin (17. Jh.), Langhaus Kramer Hanns (+1706), Langhaus (t. 2) Lahn Caterina (+1560), Ehefrau von Hieronimus Penzinger, vielleicht auf dem Kirchplatz von Montfort-Tettnang Ursula (+1512), Ehefrau von Leonhard von Völs, Chor (t. 2) von Niederthor Heinrich (+1353/56), Johanneskapelle (t. 3) von Niederthor Gerviga (+1346), Johanneskapelle (t. 3) von Niederthor Volkmar (+1347), Johanneskapelle (t. 2) von Ortenburg Sidonia (+1543/), Ehefrau von Melchior von Völs, Chor (t. 2) Pichler-Weitenegg Anna Maria (+1598), Ehefrau von Christof O.M. von Völs, Chor (t. 2) Premislidi Anna (+1313), Ehefrau von Heinrich von Tirol, Chor (t. 1) von Rafenstein Flaminio (+1347), Kreuzgang von Rafenstein Franz (+1385/), Kreuzgang Raminger Margherita (+1505/), Ehefrau von Hanns Römer, Kreuzgang von Ramschwag Ursula (+1567), Ehefrau von Christof M. von Völs, Chor (t. 3) von Reichenberg Caterina (+1324/), Ehefrau von Giovannino Rossi, Johanneskapelle (t. 1) Riegler Arnold (+1390/), vielleicht auf dem Kirchplatz Rogger Johannes (+1397), Kreuzgang Römer Hanns (+1505), Kreuzgang Rossi Andrea (+um 1373), Johanneskapelle (t. 4) Rossi Bartolomeo II. (+1318), Johanneskapelle (t. 1) Rossi-Botsch Biagio (+1420), vielleicht Nikolauskapelle Rossi Boccio (+1374), Nikolauskapelle (t. 1) Rossi-Botsch Christof II. (+1484), vielleicht Nikolauskapelle Rossi-Botsch Enrico I. (+1388), Nikolauskapelle (t. 2) Rossi-Botsch Gaudenz I. (+1512/16), vielleicht Nikolauskapelle Rossi-Botsch Georg I. (+1437), vielleicht Nikolauskapelle Rossi Giovannino II. (+1324), Johanneskapelle (t. 1) Rossi-Botsch Hanns I. (+1403/12), vielleicht Nikolauskapelle Rossi-Botsch Hanns II. (+1439), vielleicht Nikolauskapelle Rossi-Botsch Margherita (+1387), Nikolauskapelle Rossi-Botsch Simone (+1585), Nikolauskapelle Rossi ? (+1314/24), Ehefrau von Giovannino Rossi, Johanneskapelle (t. 1)

Rossi ? Kind (+2. H. 14. Jh..), Nikolauskapelle (t. 1) Schaitter Johannes (+1661), Langhaus (t. 3) von Schlandersberg Elisabetta (+1551/), Ehefrau von Hans Jakob von Völs, Chor (t. 3) Sölder Georg (Mitte 17. Jh.), Langhaus von Thun Dorotea (+1585/), Ehefrau von Carlo von Völs, Chor (t. 3) Trapp Barbara (+1540/), Ehefrau von Christof M. von Völs, Chor (t. 2) von Trautson ? (+1494/), Ehefrau von Georg Fuchs, Kreuzgang von Völs-Colonna Carlo I (+1585), Chor (t.3) von Völs Caterina (+1394), Ehefrau von Boccio Rossi, Nikolauskapelle von Völs-Colonna Christof M. (+um 1540), Chor (t. 2) von Völs-Colonna Christof M. (+1585), Chor (t. 3) von Völs-Colonna Hans Jakob (+1551), Chor (t. 3) von Völs-Colonna Leonardo I. (+1530), Chor (t. 2) von Völs-Colonna Melchior (+1543), Chor (t. 2) von Völs-Haselburg Michael I. (+um 1528), Chor (t. 3) von Weggenstein ? (+/1372), Ehefrau von Andrea Rossi, Johanneskapelle (t. 4) von Weineck Heinrich (+1352), Kreuzgang ? Mezza (+1369/), Ehefrau von Arnold Jaudes, Friedhof auf dem Kirchplatz

Chronologisches Verzeichnis der Grabstätten 1313: Anna Premislidi, Ehefrau von Heinrich von Tirol, Chor (t.1) 1314/24: ? Rossi, Ehefrau von Giovannino Rossi, Johanneskapelle (t.1) 1318: Bartolomeo II. Rossi, Johanneskapelle (t.1) 1324: Giovannino II. Rossi, Johanneskapelle (t.1) 1324/: Caterina von Reichenberg, Ehefrau von Giovannino Rossi, Johanneskapelle (t.1) 1346: Gerviga von Niederthor, Johanneskapelle (t.3) 1347: Volkmar von Niederthor, Johanneskapelle (t.2) 1347: Flaminio von Rafenstein, Kreuzgang 1347/: Elisabetta de Firmian, Ehefrau von Volkmar Niederthor, Johanneskapelle (t.2) 1348: Heinrich Fuchs (?), Kreuzgang 1349/: Alberto von Gries, Friedhof auf dem Kirchplatz 1349: Chiara Jaudes, Johanneskapelle (t.3) 1350: ? von Knöringen, Langhaus (t.1) 1352: Heinrich von Weineck, Kreuzgang 1353/56: Heinrich von Niederthor, Johanneskapelle (t.3) 14. Jh.: unbekannt, bei der Thomas-von-Aquin-Kapelle 2. H. 14. Jh.: Kind Rossi, Nikolauskapelle (t.1) 1369/: Mezza ?, Ehefrau von Arnold Jaudes, Friedhof auf dem Kirchplatz 1369/: Arnold Jaudes, Friedhof auf dem Kirchplatz /1372: ? von Weggenstein, Ehefrau von Andrea Rossi, Johanneskapelle (t. 4) 1373 ca.: Andrea Rossi, Johanneskapelle (t. 4) 1374: Boccio Rossi, Nikolauskapelle (t.1) 1382/: Cristina von Kampill, Ehefrau von Leonhard Speyser, vielleicht auf dem Kirchplatz 1385/: Franz von Rafenstein, Kreuzgang 1387: Margherita Rossi-Botsch, Nikolauskapelle 1388: Enrico I. Rossi-Botsch, Nikolauskapelle (t. 2) 1390/: Arnold Riegler, vielleicht auf dem Kirchplatz 1394: Caterina von Völs, Ehefrau von Boccio Rossi, Nikolauskapelle 1397: Johannes Rogger, Kreuzgang 1403/12: Hanns I. Rossi-Botsch, vielleicht Nikolauskapelle 1406/17: Anna Baas, Ehefrau von Biagio Rossi, Nikolauskapelle 1407: Benedict Kazelochers, Kreuzgang 1420: Biagio Rossi-Botsch, vielleicht Nikolauskapelle 1437: Georg I. Rossi-Botsch, vielleicht Nikolauskapelle 1439: Hanns II. Rossi-Botsch, vielleicht Nikolauskapelle 1484: Christof II. Rossi-Botsch, vielleicht Nikolauskapelle 1494: Georg Fuchs-Fuchsberg, Kreuzgang 1494/: ? von Trautson, Ehefrau von Georg Fuchs, Kreuzgang 1495: Valentin von Koburg-Gufidaun, vielleicht Langhaus 1505: Hanns Römer, Kreuzgang 1505/: Margherita Raminger, Ehefrau von Hanns Römer, Kreuzgang 1512: Ursula von Montfort, Ehefrau von Leonardo von Völs, Chor (t. 2) 1512/16: Gaudenz I. Rossi-Botsch, vielleicht Nikolauskapelle 1528 ca.: Michael I. von Völs-Haselburg, Chor (t.3) 1528/: de Cles Regina, Ehefrau von Michael von Völs, Chor (t. 3) 1530: Leonardo I. von Völs-Colonna, Chor (t. 2) 1540 ca.: Christof M. von Völs-Colonna, Chor (t. 2) 1540/: Barbara Trapp, Ehefrau von Christof M. von Völs, Chor (t. 2) 1543: Melchior von Völs-Colonna, Chor (t. 2) 1543/: Sidonia von Ortenburg, Ehefrau von Melchior von Völs, Chor (t. 2)

105


1551: Hans Jakob von Völs-Colonna, Chor (t. 3) 1551/: Elisabetta von Schlandersberg, Ehefrau von Hans Jakob von Völs, Chor (t. 3) 1560: Caterina Lahn, Ehefrau von Hieronimus Penzinger, vielleicht auf dem Kirchplatz 1567: Ursula von Ramschwag, Ehefrau von Christof M. von Völs, Chor (t.3) 1578: Christof M. von Völs-Colonna, Chor (t.3) 1585: Simone Rossi-Botsch, Nikolauskapelle 1585: Karl I. von Völs-Colonna, Chor (t. 3) 1585/: Dorotea von Thun, Ehefrau von Karl von Völs, Chor (t. 3) 1598: Anna Maria Pichler-Weitenegg, Ehefrau von Christof von Völs, Chor (t. 2) 17. Jh.: Agostin Koller, Langhaus Mitte 17. Jh.: Georg Sölder, Langhaus 1661: Johann Schaitter, Langhaus (t. 3) 1667: Veit Benno Brandis, Thomas-von-Aquin-Kapelle 1706: Hanns Kramer, Langhaus (t. 2) 1734: Franz Adam Brandis, Thomas-von-Aquin-Kapelle 1741: Claudia Brandis, Thomas-von-Aquin-Kapelle 1748: Caterina Brandis, Thomas-von-Aquin-Kapelle

106

1 «es ist in Tyrol kaum ein kloster, das sovil stattliche begrebnus und adel alda ligen als in disem kloster» (Wolkenstein 1936, S.165). 2 «Es ligen auch alda auslendische grafen und vil geschlechter begraben» (Wolkenstein 1936, S.165). 3 Der Verfasser dieses Beitrags arbeitet derzeit an einer systematischen Untersuchung über die Genealogie und die Geschichte der Familie Rossi-Botsch, von ihren Anfängen in Florenz bis zu ihrem Erlöschen in Bozen. 4 Ein cimiterio fratrum predicatorum wird mindestens ab 1319 belegt (doc. 5-4-1319, Obermair 2005, Bd. I, S. 200 Nr. 319). 5 In dieser partiellen Überschau werden, da keine präzisen Angaben vorliegen, nicht die ab 1639 bei den Dominikanern bestatteten Kaufleute berücksichtigt, die ab 1640 in der Katharinenkapelle und zuvor (1273–1639) anderenorts beigesetzten Mönche, die 27 Erdgräber des Friedhofs auf dem Kirchplatz und die sieben zwischen Kreuzgang und Kirchplatz entdeckten und schwer datierbaren Wandgräber sowie die Grabstellen von Mitgliedern von Familien, die theoretisch bei den Dominikanern begraben sein müssten, zu denen aber keine weiteren Angaben vorliegen. 6 Diese Summe schließt mindestens vier Mönche pro Jahrhundert (1272–1640) und die 27 Gräber ein. 7 Die Fotografien vor Ort und die entsprechenden digitalen Ausarbeitungen sind von Giuliano dall’Oglio (IF Asiago) angefertigt worden. Alle anderen Zeichnungen und Grundrisse stammen vom Autor. 8 Ausgrabungskampagne 2007 (US9). Diesem Grab ohne Grabplatte könnte die zuvor in der unmittelbaren Nähe aufgefundene Grabplatte Kröningen entsprechen. 9 Die Grabplatte wurde zwischen dem dritten Pfeiler links und dem Chor gefunden (Wolkenstein 1936, S. 166; Rasmo 1941, S. 373–374, 2; Abb. o.Nr.). 1951 kam sie in den Kreuzgang, und 1993 wurde sie nach erfolgter Restaurierung in den Fußboden vor dem Altar der Johanneskapelle eingelassen. Diese und weitere Grabplatten (Völs und Niederthor), die sich heute in der Johanneskapelle befinden, wurden 1993 von Roberto Dapunt restauriert. 10 Ausgrabungskampagne 2007 (US10). 11 Im linken Seitenschiff aufgefunden (Rasmo 1941, S. 377–378,7). Sie wurde vor Ort belassen, und seit 2007 befindet sie sich an der Kirchennordwand links des Eingangs. 12 Ausgrabungskampagne 2007 (US11). 13 Vor der Nikolauskapelle aufgefunden (Rasmo 1941, S. 376–377, 6; Abb. o.Nr.). Sie wurde vor Ort belassen, und seit 2007 befindet sie sich an der Kirchennordwand links des Eingangs. 14 Ausgrabungskampagne 2007 (US13). 15 Schon in Bruchstücken am Boden vor der Thomasvon-Aquin-Kapelle aufgefunden (Rasmo 1941, S. 374, 3; Abb. o.Nr.). Nicht mehr auffindbar. 16 Unveröffentlicht, Ausgrabungskampagne 2007 (US3), aus der Fußbodenfüllung. 17 Das „schön begräbnus“ wurde von Mayrhofen (Mayrhofen 1810: Edle von Koburg) wie von Wolkenstein (Wolkenstein 1936, S. 166) erwähnt. Seit jener Zeit nicht mehr auffindbar. 18 In Bruchstücken in der Fußbodenfüllung der Kirche aufgefunden (Rasmo 1941, S. 378, 8). Nicht mehr auffindbar. 19 Rasmo 1941, S. 378, 9. Nicht mehr auffindbar. 20 Steinwappen am Pfeiler mit folgender Inschrift: anthoni minnig – 1468 (Rasmo 1941, S. 366). 21 Dieses Verzeichnis ist anhand einer summarischen Liste von Wolkenstein (Wolkenstein 1936, S. 166) und weiterer kunsthistorischer Bemerkungen und Betrachtun-

gen von Rasmo (Rasmo 1941, S. 363–370) zusammengestellt worden. 22 Fragmentarische Inschrift auf dem Votivfresko: … [ANTONI]VS BLASY. DE. CASTEL[NOVO A.D. MC] CCC.IIII. DIE MENSIS… (Rasmo 1941, S. 370–371). 23 Rasmo 1941, S. 365–366; Abb. o.Nr. 24 Während der partiellen Ausgrabungskampagne 2004 (vor allem im östlichen Teil) wurden keine Kammergräber ausgemacht, während sich an der Westwand ein barockes Fresko befindet, das ein Gerippe mit einem Spruchband darstellt, wahrscheinlich ein Hinweis auf ein darunter gelegenes Grab. 25 Testament aus dem Jahr 1310: „Das Ich zu den Predigern zu Bozen, mein Ligerstath mit verdachtem mueth...“. Brandis 1850, S. 48; Messmer 1857, S. 97; Trapp 1932, S. 97 Tafel 2, 2; Wolkenstein 1936, S. 165; Mayr 1976, S. 308 und 310; Mahlknecht 1988, S. 234; Cozzi 2001, S.104. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese Grabstätte – auch wenn es sich nur um eine Vermutung handelt – als (im Übrigen dokumentiertes) Grab der Anna von Böhmen anzusehen. 26 Das Dekor weist interessante Analogien zu von Giotto angewandten Motiven auf (freundlicher Hinweis von Maria Laura Fattoretto und Adriano Salvoni). 27 So wird es von Jakob Andrä Brandis (+1629), Hauptmann von Tirol (1610-28), beschrieben: „alda im Chor neben dem hohen Althar, ex parte Evangelli ain von ausgehauten Stainen zimblich hoch eingemaurten Sarch. zusehen“ (Brandis 1850, S. 48; Mayr 1976, S. 310). Der Sarkophag wird außerdem auf einer Zeichnung von Anton Roschmann wiedergegeben (Iter Athesinum. Innsbruck 1740, Abb. 7). Freundlicher Hinweis von Silvia Spada Pintarelli. 28 Mahlknecht 1988, S. 213–248. 29 Hier wurden sein Bruder Michael (um 1528), sein Neffe, Hauptmann Hans Jakob (1551), und sein Großneffe Christof M. (1578) mit ihren Ehefrauen begraben; in der Folge wurden sie in das neue, 1585 von Karl errichtete Grab umgebettet. 30 Die Grabplatte wurde fast intakt unter den Resten des Lettners aufgefunden (Wolkenstein 1936, S. 166; Rasmo 1941, S. 374–375, 4; Abb. Mahlknecht 1988, S. 224, 226, 229–230, 234), dann aber zersägt (!), und der untere Teil mit dem Wappen ist jetzt nicht mehr leserlich. Im Jahr 1951 kam sie in den Kreuzgang, und seit 1993 befindet sie sich nach erfolgter Restaurierung im Fußboden vor dem Altar der Johanneskapelle. 31 Die Grabplatte wurde unter den Resten des Lettners aufgefunden (Straganz 1896, S. 32 Nr. 5; Wolkenstein 1936, S. 166; Rasmo 1941, S. 375–376, 5; Abb. Mahlknecht 1988, S. 235–236). Im Jahr 1951 kam sie in den Kreuzgang, und seit 1993 befindet sie sich nach erfolgter Restaurierung im Fußboden vor dem Altar der Johanneskapelle. 32 Die Fundgegenstände wurden vom Verfasser dieses Beitrags 1993 am Lettner entdeckt. Wahrscheinlich waren sie bei den letzten Ausgrabungen in der Kirche dort vergessen worden, d.h. bei den Arbeiten, die in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts zur Anlage des Heizungskanals durchgeführt wurden, der sich vom Chor, besonders der Westwand, zum Langhaus hinzog. 33 Vgl. Boccia/Coelho 1975, Nr. 358–361, 364, 414–418. 34 Vgl. Rossi 19878, S. 141, Abb.14. Freundlicher Hinweis von Gianni Santuari, der die Waffen restauriert hat. 35 Dass die Kapelle in erster Linie mit den Rossi (den künftigen Botsch) in Verbindung steht und nur in zweiter


Linie mit den Niederthor, wird durch die Darstellung der Stifter (Boccio Rossi und Gerviga von Niederthor) und ihre Wappenfarben (Weiß-Schwarz) bezeugt, die zeitlich erste Bestattung (Giovannino Rossi im Jahr 1324) und eben die Präsenz der Niederthor nur als angeheiratete Verwandte (Volkmar +1347 und Heinrich +1353/56, Bruder beziehungsweise Vater von Gerviga). Und in der Tat ließ Arnold, ein weiterer Sohn Heinrichs, sich in der Pfarrkirche von Terlan ein neues Familiengrab errichten. 36 Die erste Bauphase scheint auf die Jahre 1300– 1324 zurückzugehen (Glockenturm, spätromanische Fresken); 1324–1329 wurde die Kapelle dann erweitert (Fresken der Giotto-Schule) und schließlich 1348 nochmals umgebaut (letzte Fresken aus dem Jahr 1370). 37 Zur Restaurierung von Kapelle und Sakristei siehe den Bericht von Arch. Luciano Bardelli (Chiesa di San Domenico a Bolzano – Lavori di restauro 1993 – I. lotto: sacrestia e cappella di San Giovanni). 38 Weitere Mitglieder der Familie Botsch werden dann an verschiedenen Orten bestattet: Nicolaus und Christof I. in Königsfelden (1386), Bartolomeo, Hanns Christof und Georg III. in Pergine (1566–1585), Christof III. in Rattenberg (1589). 39 Hanns Gaudenz, der letzte männliche Nachkomme, starb 1639, und mit dem 1680 erfolgten Tod seiner Tochter Maria Caterina erlosch das Geschlecht der RossiBotsch endgültig. 40 Aus diesem Grund findet sich unter den vom Neffen in Auftrag gegebenen Malereien auch eine Darstellung des Martyrium des hl. Bartholomäus. 41 Mayrhofen 1810, Nr. 34; Wolkenstein 1936, S. 166; Rasmo 1941, S. 362–363; Mayr 1976, S. 311 Nr. 68. 42 Wolkenstein 1936, S. 166; Rasmo 1941, S. 373, 1; Mayr 1976, S. 311 Nr. 69. 43 Kögl 1845, S. 105. 44 Testament vom 28.1.1349 (Obermair 2005, Bd. I, S. 317–318 Nr. 630). 45 Mayrhofen 1810, Nr. 34; Wolkenstein 1936, S. 166; Rasmo 1941, S. 362–363. 46 Nach dem Besuch von Wolkenstein angelegt (1600–1614). 47 Testament aus dem Jahr 1387: «sepolturam elegit in cappella S:Nicolai apud Dominicanos Bauzani, ubi pater et antecessores sepulti sunt» (Mayrhofen 1810, S. 34; Mura 2001, S. 297 Nr. 41). 48 Testament vom 4. November 1406 (Mura 2001, S. 294). 49 Mayr 1976; Gritsch 1979, S. 326; Demetz 1995, S. 296 Nr. 11,27; Piazza Domenicani 2001, S. 36–37; Pfeifer 2001, S. 80–81 Nr.186. 50 In den damals entdeckten Gräbern wurden auch reich verzierte Stoffe gefunden, die leider gestohlen wurden und bei irgendeinem illustren Bozner anlangten. Eines der Schwerter wurde bei einem Bozner Antiquitätenhändler entdeckt und 1985 von G. Bombonato sichergestellt. 51 Vgl. Boccia Coelho 1975: Nr.124 (1470); 277 (1477); 315 (1520). 52 Piazza Domenicani 2001, S. 24–25. 53 Mit dieser Grabstätte kann mutmaßlich das 1985 sichergestellte Schwert in Verbindung gebracht werden (Inv. BZDOM50). Demetz 1995, S. 188 Abb. 6, 57, 228 Nr. 6, 57; Pfeifer 2001, S. 80–81 Nr. 186. 54 Vgl. Boccia Coelho 1975: Nr. 56 (um 1350); 70–71 (um 1380). 55 Canali 1949, S. 57; Mayr 1976, S. 314 Nr. 87. 56 Lindner 1886, S. 27; Brandis 1889, S. 154; Mayr 1976, S. 314 Nr. 88; Gritsch 1978, S. 275–276; Piazza Domenicani 2001, S. 40–41.

57 „[…]bestimmte in der ihm von den P.P. Dominikaner in Bozen zu diesem Grunde überlassenen Kapelle begraben zu werden […] Für die Familienkapelle in Bozen hatte Veit Beno schon im J. 1639 vom Papste Urban VIII. einen vollkommenen Ablaß auf die Allerseelenoctave und auf alle Montage des Jahres erwirkt“ (Brandis 1889, S. 123). Wahrscheinlich liegt er hier mit seiner Ehefrau Giustina von Kuefstein (+1660) begraben. 58 „[…]wurde sein Leichnam mit dem Ordenskleide des heiligen Franciscus angethan feierlich ausgestellt, nach Bozen überführt, und dort in der Dominikanerkirche in der gräflichen Brandis’schen Gruft beigesetzt.“ (Brandis 1889, S. 154). Er wurde wahrscheinlich mit seinen zwei Ehefrauen Caterina von Spaur-Flavon (+1721) und Leopoldina von Ruepp-Falkenstein (+9.11.1744) begraben. 59 Eine Untersuchung in der Grabkapelle der Grafen Brandis auf dem Friedhof von Lana hat ergeben, dass keinerlei Grabplatten oder alte Inschriften (vor dem 19. Jh.) vorhanden waren. Eine Inschrift bezeugt aber, dass die Leichname verschiedener Brandis von Bozen nach Lana überführt worden sind: „Hier ruhen seit 1838, die in der Familiengruft in der Dominikaner Kirche in Bozen, beigesetzt gewesenen Herren und Grafen zu Brandis – Veit Benno *1606+1662 – Franz Adam Wilhelm *1667+1734 – Katharina *1663+1748 – Claudia Felicitas *1669+1741 – Marie *1850+1850“. 60 Das Grab wurde 1999 ausgegraben, während die Bruchstücke der Grabplatte bei den 1996 durchgeführten Ausgrabungen in unmittelbarer Nähe aufgefunden wurden. 61 Piazza Domenicani 2001, S. 40–41. 62 Unveröffentlicht (Inv. BZDOM1), aus den Ausgrabungen 1996. Derzeit befindet sie sich im Depot des Bozner Landesdenkmalamts; sie soll restauriert und dann im Kircheninneren aufgestellt werden. 63 Schönherr 1949, S. 148 Nr. 5; Weingartner 1962, S. 334. 64 «vil anderi (begrebnussen) mehr in creizgang» (Wolkenstein 1936, S. 166). 65 Piazza Domenicani 2001, S. 38. 66 Das Grab befindet sich genau in der Mitte zwischen zwei bemalten Totenschilden (1. und 2. Arkade der Südwand), aber es kann nicht genau festgestellt werden, zu welchem von den beiden Schilden es gehörte. 67 Wolkenstein 1936, S. 166. 68 Vielleicht folgte eine weitere Inschrift: «dabei haben Hannss Hilleprant und Wolfgang die Roggar, bürger, ein gemähl machen lassen ann.1496» (Wolkenstein 1936, S. 166). 69 «Benedicten Kazelochers gemahl – ann.1407» (Wolkenstein 1936, S. 166). 70 «anno 1494 Georg Fuchs von Fuchsberg zu Lebenberg gemachl, halt, sey ein Traussambin gewest» (Wolkenstein 1936, S. 166). 71 Wolkenstein 1936, S.166; Rasmo 1941, S. 367. 72 Wolkenstein führt sie kurz vor den anderen in der Johanneskapelle an, aber in der Kapelle sind außer den fünf aufgefundenen Gräbern keine weiteren ausgemacht worden. 73 Kögl 1845, S. 114; Kögl 1846, S. 184; Wolkenstein 1936, S. 166. 74 Wolkenstein 1936, S. 166. 75 Wolkenstein 1936, S. 166; Rasmo 1941, S. 367–368. 76 Sie sind, da sie sich unter dem Fußboden des Kreuzgangs befinden, derzeit nicht sichtbar. Die einzige noch erkennbare Grabstätte ist das Grab t. 3. 77 Ostwand, vierte Arkade. Unveröffentliches Fragment des äußeren Rings.

78 Ostwand, sechste Arkade (über dem Eingang zur Johanneskapelle). Zu einem großen Teil erhalten. Bassetti/ Spada Pintarelli 1989, S. 48; Cozzi 2001, S. 68. 79 In der Tat gibt es einen Zeitgenossen namens Heinrich Fuchs, Sohn von Ulrich, aber der Name oder Zuname Baiiw… und das unterschiedliche Wappen (in Weiß ein steigender halber roter Fuchs; das Wappen der Fuchs dagegen ist: in Gold ein ganzer roter Fuchs) könnten an eine andere Familie denken lassen (vgl. Raber 2001, S. 133, Tafel 21,5 Friedrich Wolff). 80 Südwand, zweite Arkade (teilweise auch erste Arkade). Erhalten ist nur das Wappen (in Weiß ein roter gehörnter Helm). 81 Vgl. das Siegel des Reinhart von Hohenscheid aus dem Jahr 1384 (Alberti 1889, S. 14, Abb. 43) und die Wappen der Familien von Hürnpach und Sassenhem (Codex Ingeram 1459, f. 134 und 269). 82 Südwand, dritte Arkade (über dem Eingang zum Kapitelsaal). Fragment des äußeren Rings. Bassetti/Spada Pintarelli 1989, S. 50, 91 Abb. 83 Zu ihnen könnte das Grab (t. 1) unter der Eingangsschwelle gehören. 84 Grab 1 (US1 und 14-17) der Ausgrabungen von 1999. 85 Gräber 2-4 (US5-6) der Ausgrabungen von 1999. 86 Am Schachtrand haben mehrere bearbeitete Sandsteinbrocken, die zu einem innerhalb der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandenen Portal gehörten, neue Verwendung gefunden (freundlicher Hinweis von Leo Andergassen). 87 Unveröffentlicht (BZDOM49) von der Ausgrabung von 1999. 88 Ähnlichkeiten mit den Wappen der Brandis und der Winckelhofen (Bozner Geschlechterbuch 1936, S. 128, Tafel VI, 79). 89 Hinweis und Hypothese der Herkunft aus dem Dominikanerfriedhof von Silvia Spada Pintarelli. 90 Derzeit im Depot des Bozner Stadtmuseums, in Erwartung einer Aufstellung in der Dominikanerkirche. 91 Mayrhofen (1810: F.126) verbindet dieses Wappen mit der Familie „Edle Goldwürm von Würmeck” aus Sterzing. 92 Piazza Domenicani 2001, S. 36–37. 93 Das Grab hatte als Grabbeigabe zwei bronzene Gürtelschnallen (14.–15. Jh.), Grab 17 eine Pilgermuschel. 94 Testament vom 22.8.1369: «monumentum quod est ante portam introitus ecclesie» (Obermair 2005, Bd. I, S. 370 Nr. 760). 95 Testament vom 22.3.1349 (Mayr 1976, S. 310 Nr. 57; Obermair 2005, Bd. I, S. 318 Nr. 633). 96 Testament vom 4.10.1382 (Obermair 2005, Bd. I, S. 399 Nr. 841). 97 Testament vom 2.1.1390 (Obermair 2005, Bd. I, S. 412 Nr. 872).

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Mit diesem Beitrag haben wir es uns zum Ziel gesetzt, die Geschichte des Dominikanerkomplexes im 19. Jahrhundert, als in seine Räume eine Kaserne eingezogen war, in den wesentlichen Zügen darzulegen. Im späten 18. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erfährt Bozen einen tief greifenden städtebaulichen Wandel, der aus einer bis dahin noch mittelalterlich geprägten Ortschaft eine für damalige Zeiten moderne Stadt macht. Die für die vorindustrielle Epoche typische territoriale Expansion führte dazu, dass neue städtische Entwicklungsgebiete konzipiert wurden und man sich Gedanken über die Neu-

Die österreichische Kaserne bei den Dominikanern in Bozen (1801–1901)

verwendung des alten, schon bestehenden Baubestands machen musste. Mit Beginn des neuen Jahrhunderts setzte eine Wiederaufnahme der öffentlichen Bautätigkeit ein, und man war darum bemüht, den für die Gemeinschaft bestimmten

Angela Mura

Strukturen und Diensten eine größere, angemessenere Funktionalität zu verleihen. Zu den ersten öffentlichen Baumaßnahmen gehörten die Anlage des neuen städtischen Schlachthofes im Gebiet gegen das Talferufer (1820) und des städtischen Friedhofs (1824). Als äußerst dringend erwies sich auch eine Lösung für das im Mittelalter gegründete Heilig-Geist-Spital, das den damaligen Erfordernissen nicht mehr gerecht werden konnte. Die Gemeindeverwaltung trug sich auch mit dem Gedanken, den Dominikanerkomplex radikal umzugestalten: Es liegt ein interessantes, allerdings niemals verwirklichtes, im späten 18. Jahrhundert vom Bozner Stadtbaumeister Johann Staudach(er) ausgearbeitetes Projekt vor, das den Bau eines neuen, dreigeschossigen Krankenhauses vorsieht (Abb. 1). Die Stadtväter entschieden sich dann um die Jahrhundertmitte für die Neuanlage eines Krankenhauses (1859) in der heutigen Sernesistraße. Wie Luciano Bardelli in seinem in dieser Publikation veröffentlichten Beitrag darlegt, waren nach der Aufhebung und Verstaatlichung (1785) des Bozner Dominikanerklosters, das anfangs den Franziskanern zugeteilt worden war, im Jahr 1796 vorübergehend die Zölestinerinnen eingezogen. Angesichts der Größe und der Struktur des Ge-

108


1

1. Johann Staudacher, Umbauprojekt des Klosterkomplexes der Dominikaner, Ende 18. Jahrhundert, Innsbruck, Tiroler Landesarchiv

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bäudekomplexes, der sich außerdem durch seine günstige Lage in der Stadtmitte auszeichnete, schien es angebracht, ernstlich über eine angemessene Neuverwendung nachzudenken. Eines der dringendsten Probleme, die angegangen werden mussten, bestand darin, geeignete Unterkünfte für die Garnison ausfindig zu machen. Zu den Dienstbarkeiten, die – wie Unterlagen zu ersehen ist – den Gemeinden im Bozner Raum vom frühen 18. Jahrhundert an regelmäßig von der österreichischen Regierung auferlegt wurden, gehörten die Bereitstellung von Quartieren und Nebenerfordernissen für das Heer sowie der unerlässliche logistische Beistand auf dem Territorium. Anfangs oblag den privaten Bürgern die Pflicht, durchziehende Truppen zu beherbergen – was einer reichen und interessanten Dokumentation 2

über die Kosten zu entnehmen ist, in der auch die verschiedenen zeitweiligen Quartiermöglichkeiten bei Privaten beschrieben werden1. Wenn der Zustrom von Heeren zu Friedenszeiten nachließ, bestand vor allem an den Reichsgrenzen die Notwendigkeit, angemessene Unterkünfte für das stehende Heer zu finden. Nach der zur josephinischen Zeit erfolgten Auflösung vieler Konvente wurden um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert etliche ehemalige Klostergebäude in Tirol in Kasernen2 verwandelt – wozu sie sich ihrer baulichen Gliederung nach auch besonders eigneten. Nicht nur, dass sie groß genug waren, um ganze Militärkorps und deren Schlafräume aufnehmen und die für die Bedürfnisse der Soldaten erforderlichen Räumlichkeiten bereitstellen zu können – darüber hinaus verfügten sie auch über Binnenhöfe, die als Exerzierplätze dienen

3

konnten. Aus diesem Grund machte der Bozner Stadtmagistrat im Jahr 1801 den aufgegebenen Dominikanerkomplex als einen der geeignetsten Sitze zur Aufnahme der in der Stadt liegenden Garnison aus3. Die Intendantur Trient erteilte dem Architekten Antonio Caminada im Herbst 1812 den Auftrag zu Adaptierungsarbeiten an der Bozner Dominikanerkirche, die aber wahrschein-

2. Alois Negrelli, Projekt für das Dominikanergebäude, Innsbruck, Tiroler Landesarchiv

lich recht geringfügig waren; denn zwischen der

3. Historische Mappe des Bozner Katasters von Franz I., um 1858, Detail, Bozen, Grund- und Gebäudekataster

Gesuch um Abnahme der ausgeführten Arbeiten

110

Auftragserteilung am 23. September und dem


(11. November 1812) verging nur eine sehr kurze

garantierten sich die Gemeinden mit der Zeit eine

Zeit4. Das 1819 erarbeitete Projekt zur Umwand-

ansehnliche Einnahmequelle. Aus diesem Grund

lung des Klosterkomplexes in eine Kaserne trägt

beschloss der Bozner Stadtmagistrat unter Füh-

die Unterschrift eines jungen Trentiner Ingeni-

rung von Bürgermeister Anton Kappeller im Jahr

eurs, der sofort nach Studienabschluss in seinem

1851, den Dominikanerkreuzgang samt Garten

ersten Dienstjahr als unbezahlter Praktikant bei

und Glockenturm zu einem Betrag in Höhe von

der k.k. Landesbaudirektion für Tirol und Vor-

6666 Fl 40 kr zu erstehen. Die Gemeinde hät-

arlberg in Innsbruck tätig war, in der Folge aber

te, wie aus den Urkunden hervorgeht, auch die

als Zivilingenieur für Wasser-, Straßen- und Ei-

Kirche akquirieren wollen, die aber noch bei der

senbahnbau Karriere machen sollte, um sich dann

Militärverwaltung blieb und als Magazin benutzt

um die Jahrhundertwende mit der Planung des

wurde8. Als sich die Nachricht verbreitete, dass die

Suezkanals internationalen Ruf zu erwerben: Er

Stadtgemeinde sich mit der Absicht trug, das ehe-

hieß Alois (Luigi) Negrelli (1799–1858)5 (Abb.

malige Dominikanerkloster käuflich zu erwerben,

2). Der erste Eingriff zur Umgestaltung des Klos-

reichte der Dominikanerorden eine Eingabe ein,

ters in eine Kaserne war relativ geringfügig und

um wenigstens wieder einen Teil der Räumlich-

betraf die großen Dormitorien im ersten Stock,

keiten benutzen zu dürfen, doch ihrer Bitte wur-

die durch die Versetzung der Trennwände und

de nicht stattgegeben9. Die Verhandlungen mit

die Aufstellung neuer Öfen in Schlafräume für

dem k.k. Militärkommando zur Eigentumsüber-

die Truppe umfunktioniert wurden. Für die

tragung und zum Übergang der entsprechenden

2. Kompanie wurde eine Küche eingebaut, im

Kompetenzen zogen sich noch über mehrere Jahre

Westflügel wurden die Quartiere für vier Offiziere

hin: 1858 wurde die Gemeinde zum vollgültigen

angelegt . Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden

Eigentümer des ehemaligen Klosterkomplexes.

die baulichen und funktionellen Merkmale, die

In diesem Zusammenhang bliebe noch die Frage

Kasernenbauten aufzuweisen hatten, immer prä-

der – vielleicht partiellen – Nutzung der Domi-

ziser festgelegt. Mit der kaiserlichen Verordnung

nikanerkirche zu Kultzwecken: Der Stadtrat ent-

Nr. 124 vom 15. Mai 18517 wurde im Detail an-

spricht im April 1857 einstimmig der Bitte des

geführt, welche Größe und Beschaffenheit (zum

Kaplans Friedrich von Antonini, dort die Messen

Beispiel hinsichtlich Beheizung und Beleuchtung)

für die italienische Religionsgemeinschaft halten

die Offiziers- und Truppenquartiere zu haben und

zu dürfen10. Ein Katasterplan aus dem Jahr 1858

welche Mindestausstattung und -einrichtung sie

vermittelt uns ein Bild von der damaligen Anla-

aufzuweisen hatten. Ferner wurden die Charak-

ge und deren unmittelbarer Umgebung (Abb. 3).

teristika der Nebenräume und der Stallungen

Im Süden und im Westen taten sich hinter dem

vorgeschrieben, die Größe der Exerzierplätze für

Kloster ein Garten und ein Weingarten auf11. An

die verschiedenen Truppenteile, die Menge und

der Nordseite, wo der Kreuzgang lag, präsentierte

Qualität des Truppenproviants und des Vieh-

sich das Bauwerk mit unregelmäßigen Vorbauten,

futters. Es waren Bestimmungen, die die Min-

die auf einen trapezförmigen Binnenhof zurück-

destvoraussetzungen zum Unterhalt des Heers

zuführen waren, der von der Verlängerung der

gewährleisteten, zugleich aber auch einheitliche

Kreuzgangflügel gebildet wurde und dem schrä-

Kriterien zur Berechnung der Miete festsetzten,

gen Verlauf der davor gelegenen Ziegelgasse, der

die das Kriegsministerium den Eigentümern der

späteren Spitalgasse, entsprach. Der Dominika-

Gebäude zu überweisen hatte: pauschal andert-

nerplatz beschränkte sich auf den Kirchplatz; im

halb Kreuzer pro Mann, einen Kreuzer pro Tier

Osten ging die Kirche auf die Kapuzinergasse.

und für die zur Verfügung gestellten Nebenräu-

Durch die Spitalgasse kam eine Wasserrinne her-

me (zum Beispiel Schreibstube, Kanzlei und Ar-

ab, durch die die Brunnen in den Kasernenhöfen

chiv, Lager und Schuppen, Krankenrevier usw.).

gespeist wurden.

6

Durch die Bereitstellung von Truppenquartieren

Nach einigen noch in den frühen Sechziger-

4a

4b

4a.–4b. Hugo von Schragl, Grundsatzprojekt zur Umgestaltung der Dominikanerkaserne, Lösung A, Bozen, Stadtarchiv

111


jahren durchgeführten Umbauten12 beschloss die Gemeinde um die Mitte der Siebzigerjahre des 19. Jahrhunderts, die im Dominikanerkomplex untergebrachte Kaserne zu einer „Normalkaserne“ umzugestalten, auch um den Mietzins aufzudatieren. Nach einem Ideenwettbewerb (1875), an dem sich der Zivilingenieur Wilhelm Koehl, das Bauunternehmen Hurter und Söhne aus Innsbruck, der Zivilingenieur und Bauunternehmer L. Scrinzi und der Architekt Josef A. Irschara (beide aus Bozen) beteiligten, legte das Stadtbauamt im Frühjahr 1876 ein in Übereinstimmung mit einem eigenen „Kasernenbau-Comité“ ausgearbeitetes Grundsatzprojekt für die notwendigen Arbeiten vor. Der Zivilingenieur Ritter Hugo von Schragl präsentierte zwei Pläne: Im Plan A (Maßstab 1:100) berücksichtigte er die grundlegenden Veränderungen und legte einen Kostenvoranschlag bei. Die Lösung A (Abb. 4) sah minimale Eingriffe und die Beibehaltung des vorderen Hofs vor, der auf alten Grundrissen zu sehen ist, wie auch des dreieckigen, im Norden anschließenden Baukörpers. Ergänzend zu diesem Projekt wurde die Lösung B vorgelegt, mit der tiefer greifende Maßnahmen eingeplant wurden, wie die Demolierung der Baukörper im Norden und die Begradigung der nördlichen Fassade. Der Plan sah auch eine andersartige Untergliederung der Räumlichkeiten an der Westseite vor, und zwar durch die Abtragung beziehungsweise Anlage von Trennwänden sowie den Abriss der äußeren Wendeltreppe und der Apsis der Katharinenkapelle an 5

der Südseite13. Der Stadtrat entschied sich für die vom Kasernenbaukomitee gebilligte Lösung B14 (Abb. 5) – und dies auch aus stadtplanerischen Gründen. Nach der Anlage der Bahnlinie VeronaBozen (1859) und dem Bau des Bahnhofs galt es, die Straßenachsen nach dem Entwurf des neuen urbanistischen Plans auszurichten, der unter entscheidender Mitwirkung des Münchner Archi-

6. Sebastian Altmann, Ausführungsplan zum Umbau der Dominikanerkaserne. Ansicht der Fassade, Februar 1877, Bozen, Stadtarchiv 7. Sebastian Altmann, Ausführungsplan zum Umbau der Dominikanerkaserne. Grundriss des Erdgeschosses, Februar 1877, Bozen, Stadtarchiv 5. Hugo von Schragl, Grundsatzprojekt zur Umgestaltung der Dominikanerkaserne, Lösung B, Bozen, Stadtarchiv

112

8. Ansicht des ehemaligen Dominikanerklosters nach dem von Altmann veranlassten Umbau, 1900–1910, Bozen, Stadtarchiv

tekten Sebastian Altmann (1827–1894, ab 1857 Stadtbaumeister in Bozen) ausgearbeitet worden war. Die neuen Straßenverbindungen vom Bahnhof zur Stadt (1860) und an der Talfer entlang zur sogenannten Neustadt dem Krankenhaus gegenüber (ab 1870) führten im südlichen Teil


der Stadt zur Entwicklung eines orthogonalen Straßensystems. Die Leitung der Arbeiten zum Umbau der Dominikanerkaserne wurde Altmann selbst übertragen, der zugleich auch privat als Architekt und Bauunternehmer tätig war. Er verlieh dem Bauwerk die strengen, monumentalen Züge, die den für Altmann typischen historistischen Stil der Neorenaissance kennzeichnen15. Im Ausführungsplan gab Altmann den Fassaden ein manieristisches Gepräge, mit einem Plat-

6

tensockel und die Außenwände schmückendem Bossenwerk und steinernen Fenstersturzen mit markanten Ecksteinen und Gurtgesimsen (Abb. 6–7). Der kleine Platz, der im Jahr 1874 mit der Anlage der Schulanstalt (Realschule, Lehrerbildungsanstalt und Übungsschule), der späteren Hauptpost, vollendet wurde, bekam durch die stilistisch einheitliche Konzeption ein monumentales Erscheinungsbild. Die bedeutungsvollste Änderung in dieser Umbauphase bestand in der gänzlichen Neugestaltung des Dachs als Mansardendach, um auf diese Weise zusätzlichen Wohnraum zu gewinnen und das Dachgeschoss durch große Dachgaupen belichten zu können (Abb. 8). Wir können dem Projekt ersehen, dass die Dominikanerkirche, die – wie gesagt – Militäreigentum geblieben war, als Lager („Aerarisch Magazin“) diente und die Johanneskapelle als „Bataillons-Magazin“, während sich im Kellergeschoss der heutigen Stadtgalerie ein Weinkeller befand. Im Zuge der Erneuerung der Infrastruk-

7

turen des Gebäudekomplexes wurde auch die Kanalisation angelegt, sodass das Regenwasser den Abwasserableitungen an der Nordseite (Spitalgasse/Dominikanerplatz) zugeführt wurde. Nach Abschluss der Umbauten verfügte die Kaserne über 42 Schlafsäle („Belagräume“) für die Truppe und eigene Wohnräume für die Offiziere, sechs Küchen, elf Büro- und Kanzleiräume, ein Krankenrevier, ein Ankleidezimmer, Duschen und sechs Aborte, einen Wachtposten am Eingang, einige Arreststuben an der Ostseite des Kreuzgangs, über zwei Waffenkammern, Stallungen für sechs Pferde und Nebenräume (Sattelkammer, Raum für den Pferdewächter), einen Turnsaal jenseits

8

113


9

10

9. Schiedsrichterliches Urteil in Sachen Sebastian Altmann, Beilage der Bozner Zeitung Nr. 248 vom 28. Oktober 1879 10. Inneres der als Kaserne genutzten Kirche, Bozen, Stiftung N. Rasmo-A. von Zallinger

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der oben erwähnten Lagerräume. Bei der Anlage

me in Höhe von 2686 Fl 84 kr, die von seinem

der Schlafsäle hatte man Quartiere für vier Kom-

Honorar und von der Auslagenerstattung für die

panien vorgesehen, das heißt für insgesamt 417

Leitung der Bauarbeiten abgezogen wurde (28.

Soldaten zuzüglich der Offiziere im Parterre und

Oktober 1879). Das Urteil des Schiedsgerichts

im ersten Stock, während weitere 272 Soldaten

wurde öffentlich bekannt gemacht (Abb. 9): für

im Mansardengeschoss untergebracht werden

den bedeutenden Städtebauer ein Grund mehr

konnten. In Wirklichkeit wurden hier ein Kai-

zu Betrübnis und Verdruss17.

serjägerbataillon und ein Landesschützenschwad-

Im Jahr 1894 wurden weitere bauliche Maß-

ron einquartiert, insgesamt 493 Mann und sechs

nahmen zur funktionellen Umgestaltung des Do-

Pferde. Die Kosten für die Krankenbetreuung und

minikanerkomplexes durchgeführt. Die Kaserne

die im neuen Spital verabreichte Krankenpflege

konnte nun fünf Infanteriekompanien und den

der hier liegenden Truppen wurden zu 45 Prozent

Regimentsstab aufnehmen (Abb. 10–11) – was

von der Stadt Bozen getragen, bis zur Errichtung

der Gemeinde einen jährlichen Betrag von nun

eines eigenen Lazaretts („Marodenhaus“) im Jahr

10.500 Gulden einbrachte. Die Kommandan-

1912 in Bozen-Quirein16.

tur sicherte der Gemeinde zu, dass die Kaserne

Durch diese Ausbauarbeiten zur „Normalka-

bei den Dominikanern auch nach dem Bau der

serne“ erhöhten sich die Einkünfte zugunsten der

neuen Infanteriekaserne am Eisack (der heuti-

Gemeindekassen auf 6860 Gulden. In den darauf

gen Marconistraße) ihre Funktion beibehalten

folgenden Jahren wurde das Mansardengeschoss

würde, wiewohl bei niedrigeren Einkünften. In

aufgegeben, da es den Anforderungen hinsichtlich

Wirklichkeit aber ging dem Baukomplex gegen

der Bewohnbarkeit nicht mehr genügte.

das Jahrhundertende allmählich seine militärische

Die Umbauten, die in den Jahren 1876 und

11

Bestimmung verloren.

1877 erfolgten, waren mit Gesamtkosten in Hö-

Im Herbst 1901 zog in die um den Kreuz-

he von 116,446 Gulden verbunden, die von der

gang gelegenen Räume, in das Haus Nr. 1 der

Stadtgemeinde getragen wurden. Nach Beendi-

damaligen Meinhardstraße, die Kunstgewerbliche

gung der Bauarbeiten kam es zu einem Streit zwi-

Fachschule ein, die sich – vorher als Gewerbliche

schen dem Stadtbauamt und Sebastian Altmann,

Lehranstalt bezeichnet – vom Jahr 1882 an in der

der für die im Vergleich zum Kostenvoranschlag

Vintlergasse 16 befunden hatte, dem heutigen

erheblich angestiegenen Baukosten (die Altmann

Einwohnermeldeamt, und in der Franziskaner-

teilweise aus eigener Tasche erstatten musste) zur

gasse 1018, und ein Teil der Räumlichkeiten der

Verantwortung gezogen wurde, vor allem aber für

Kaserne wurde vermietet. Die Lehranstalt, die in

die zahlreichen, während der Bauarbeiten vorge-

der Folge (1904–1905) auf den Namen „k.k. Bau-

nommenen Veränderungen am ursprünglichen

und Kunsthandwerkerschule“ umgetauft wurde,

Projekt, die Altmann – so die gegen den Baumeis-

blieb bis zum Ende der Dreißigerjahre in Betrieb,

ter erhobenen Vorwürfe – nicht mit dem Stadt-

vom Schuljahr 1922–1923 an mit zweisprachigen

rat abgesprochen hatte: ein peinlicher Epilog der

Kursen. Während des Ersten Weltkriegs blieben

Zusammenarbeit und eine schlechte Belohnung

bei den Dominikanern nur die Werkstätten, wäh-

für den Baumeister, der zum neuen städtebau-

rend der theoretische Unterricht im Stadtmuseum

lichen Antlitz Bozens in der zweiten Hälfte des

und im Atelier des Bildhauers Andrä Kompatscher

19. Jahrhunderts einen entscheidenden Beitrag

abgehalten wurde. Vom 1. August 1916 bis zum

geleistet hatte. Um den Streit mit der Stadtver-

30. April 1919 richtete der Arzt Lorenz Böhler in

waltung beizulegen und einen Teil der Spesen

den Räumen der Fachschule ein auf Knochenchi-

zurückzugewinnen, wandte Altmann sich am

rurgie spezialisiertes Militärspital ein19.

12. August 1878 an ein Schiedsgericht, das ihm

Mit dem Anschluss Südtirols an Italien nach

eine partielle Rückerstattung der beanstandeten

dem Ende des Ersten Weltkriegs verließen die

Spesen zuerkannte, mit Ausnahme einer Sum-

österreichischen Truppen den ehemaligen Do-

11. Nach dem Umbau zur Kaserne angelegte Öfen, Bozen, Stiftung N. Rasmo-A. von Zallinger

115


minikanerkomplex, der an die Brigata Avellino überging. Der kommissarische Präfekt von Bozen nahm daher im Jahr 1924 Verhandlungen mit dem Denkmalamt in Trient und dem Militärkommando Bozen auf, um die als Militärmagazin verwendeten Räumlichkeiten vom Staat anzukaufen und als Wohnbauten zu verwenden. Die Intendantur verlangte einen Tausch mit gleich großen Räumen, die als Lager verwendet werden sollten20. Allgemein wurde bald der Wunsch laut, den Dominikanerkomplex kulturellen Zwecken zuzuführen. Man wägte die Möglichkeit ab, in den Kreuzgang den Sitz der neu zu errichtenden Sektion Bozen des Staatsarchivs zu verlegen, doch die entsprechende Entscheidung fiel dann zugunsten von Schloss Maretsch aus. Dank des Engagements des Denkmalpflegers Giuseppe Gerola zur Erhaltung der historischen und künstlerischen Schätze des Gebäudekomplexes wurde 12

der Wunsch zur Wiedereröffnung der Kirche zu Kultzwecken laut21: Bei den Verhandlungen zum Ankauf des ehemaligen Klostergebäudes kam es zu lebhaften, von nationaler Rhetorik durchdrungenen, dem damaligen Zeitgeist entsprechenden Auseinandersetzungen, wobei auf die stilistische Zugehörigkeit der Fresken zum italienischen Kulturkreis übermäßiger Nachdruck gelegt wurde22. Es sollten noch weitere drei Jahrzehnte vergehen, bevor eine vollständige Wiederherstellung des Gebäudekomplexes in die Wege geleitet wurde: Auf die bewegte Geschichte des Bauwerks in den ersten Jahren italienischer Herrschaft, die schweren, bei den zwei Bombenangriffen der Alliierten (29. März und 13. Mai 1944) verursachten Schäden und den Wiederaufbau in den Fünfzigerjahren (Abb. 12) geht Helmut Stampfer in seinem Beitrag in der vorliegenden Publikation ein.

12. Umbauarbeiten am Konservatorium im Dominikanerkomplex (Arch. Pellizzari), frühe Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts, Bozen, Stadtarchiv

116


1 Im Bozner Stadtarchiv finden sich Unterlagen zur Rechnungsführung vom Ende des 16. Jahrhunderts an, regelmäßig ab 1701, über die für die Einquartierung und Verpflegung von Truppen aufgebrachten Summen: StABz, Stadtarchiv Bozen, Altbestände, Vorspannprotokolle der Marschstation Bozen. 2 Mehrere Tiroler Klöster wurden um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Kasernen oder allgemein militärische Anlagen verwandelt. Als Beispiele seien das Servitenkloster in Innsbruck angeführt und in Trient die Konvente San Lorenzo und San Francesco, das Jesuitenkloster (ehemals Seminar), das Augustinerkloster (San Marco) sowie die Klöster der Somasken (Santa Maria Maddalena) und der Ursulinerinnen. Freundliche Hinweise von Don Livio Sparapani, Maria Paola Gatti und Gertraud Zeindl. 3 Der Bozner Stadtmagistrat unterstützt die Bestimmung als Kaserne: Stadtarchiv Bozen (ab jetzt StABz), Ratsprotokolle des Jahres 1801, passim. 4 Weber 1977, S. 73 zitiert den Trentiner Auftragsbrief aus den Notariatsurkunden von Giuseppe Castelterlago im Stadtarchiv Trient; ebenfalls in Trient (Intendenza di Finanza e Demanio di Trento, 1810–1817, Repertorio anno 1812, Prot. Nr. 18346/1812) befindet sich auch das von Caminada abgefasste Gesuch zur Abnahme der Arbeiten. Freundlicher Hinweis von Paolo Giovannini. 5 Alois Negrelli sind der Plan für die Bahnlinie Bozen-Verona (1853) sowie weitere bedeutende, zwischen 1837 und 1851 ausgeführte Eisenbahnprojekte in Böhmen und Mähren zu verdanken: die Strecken Wien-Brno/Brünn und Breclav/Lundenburg-Bohumin/Oderberg, die private Kaiser-Ferdinands-Nordbahn und die Strecken Olomouc/ Olmütz-Prag-Dresden und Brno/Brünn-Česká Třebová/ Böhmisch Trübau. Zur Erinnerung an Negrellis Leben und Wirken wurden in der Region Trentino-Südtirol zwei Studientagungen abgehalten: im Jahr 1988 im Primiero (Leonardi 1990a) und 2008, zum 150. Todestag, in Meran (Luigi Negrelli/Alois Negrelli 2008). Mehr zur Persönlichkeit Negrellis und seiner Bedeutung bei Birk 1915–1925; Leonardi 1990b. 6 Freundlicher Hinweis von Luciano Bardelli. 7 „Kaiserliche Verordnung vom 15. Mai 1851, mit welcher eine Vorschrift über die Einquartierung des Heeres für alle Kronländer, mit Ausnahme der Militärgränze, erlassen wird.“ Diese kaiserliche Verordnung des Jahres 1851 wurde mit dem Gesetz Nr. 93 vom 11. Juni 1879 aktualisiert und in der Folge durch das Gesetz Nr. 100 vom 25. Juni 1895 weiter abgeändert, [ ] „womit für die im Reichsrathe vertretenen Königsreiche und Länder die Beistellung der während des Friedenszustandes von dem stehenden Heere, der Kriegsmarine und der Landwehr benötigten Unterkünfte und Nebenerfordernisse geregelt wird“. 8 StABz, Archiv der Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Verträge, Nr. 3: „Kaufsurkunde um die Dominikaner-Kaserne vom 5. Mai 1851“: Der Vertrag zum Kreuzgangsankauf wurde am 25. Juli 1851 eingetragen (Fol. 3115). Siehe außerdem ebd., Magistratsund Gemeindeausschussprotokolle, Beschlüsse vom 20. September 1850, 5. Dezember 1850 und 1. Mai 1858. 9 StABz, Archiv der Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Ratsprotokolle, Beschluss vom 26. Oktober 1858. 10 StABz, Archiv der Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Rats- und Gemeindeausschussprotokolle, Beschluss vom 3. März 1857. 11 Der Garten und der Weinberg der Dominikaner werden im Steuerkataster der Gemeinde Zwölfmalgreien (Pos. Nr. 132, Litt. E) verzeichnet und werden in der Folge

in die Zuständigkeiten der Stadt Bozen übertragen (Nr. 532, Litt. C und 524). 12 StABz, Archiv der Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Magistrats- und Gemeindeausschussprotokolle, Beschlüsse vom 21. September 1860. 13 Da das Projekt B, das im Vergleich zum Basisprojekt ergänzende Lösungen einführte, als eine Variante des Projekts A angesehen wurde, legte das Bauamt die Projektdokumentation in einem kleineren Maßstab (1:250) vor. Angesichts der geringeren Detaillierung dieser Variante, die schließlich gebilligt wurde, nahm Altmann in seiner Funktion als Bauleiter am Projekt Abänderungen und Ergänzungen vor, über die er dann Rechenschaft ablegen musste. 14 StABz, Archiv der Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Gemeindeausschussprotokolle, Jahr 1876, Beschluss vom 12. Juli 1876 und Erlass des Bauamts Nr. 3114 vom 22. Juli 1876. 15 Zur Persönlichkeit und zum entscheidenden Beitrag von Sebastian Altmann zur neuen städtebaulichen Planung Bozens siehe Rasmo 1980b, S. 86, Bassetti 1988, S. 28–34 und Mascotti 1988, S. 28–34. 16 StABz, Archiv der Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Beschluss des Stadtmagistrats vom 16. November 12880. Das neue Lazarett wurde im Grieser Stadtteil Quirein erbaut, in der Drususallee 50. Zu diesem Bauwerk siehe die Doktorarbeit von Bergamo 2008–2009. 17 Beilage der „Bozner Zeitung“ Nr. 248 vom 28. Oktober 1879. Die Dokumentation zum Streit mit Sebastian Altmann findet sich im StABz, Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Allgemeine Verwaltungsakten, Serie A, Archiveinheit A-2, Fasz. 2: „Streit Gemeinde gegen Stadtbaumeister Sebastian Altmann – „EnqueteCommission“ und Schiedsgericht, 1878–1879“. 18 Die Projekte und die Verwaltungsakten dieser Berufsschule finden sich im StABz, Verwaltungsakten der Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Akten des Bauamts. Zur Geschichte dieser Fachschule siehe den Beitrag von Milena Cossetto in der vorliegenden Publikation. 19 Ab November 1918 leistete Lorenz Böhler hier als italienischer Kriegsgefangener Dienst (vgl. handschriftliche Anmerkung im Privatarchiv G. Casanova). Mehr zur Verwendung des Dominikanerkomplexes als Lazarett im Beitrag von Christoph von Hartungen in der vorliegenden Publikation. 20 StABz, Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Allgemeine Verwaltungsakten, Serie D, Brief vom 11. Januar 1925. 21 StABz, Stadtgemeinde Bozen unter österreichischer Verwaltung, Allgemeine Verwaltungsakten, Serie D, Brief von Gerola, r. Ufficio belle arti di Trento, an den kommissarischen Präfekten von Bozen. 22 „Ein derartiges Kunstjuwel, das immerwährend von der perfekt italienischen Kultur und Kunst dieser Gebiete zeugt, muss, um nicht zerstört zu werden, seiner ursprünglichen Bestimmung zugeführt werden, statt dass es, wie die Militärbehörden beabsichtigen, als Artilleriedepot benutzt wird. Die Erhaltung und Aufwertung aller Baudenkmäler, die in diesem Gebiet Zeugen des italienischen Wesens sind, ist eine zuhöchst politische Aufgabe, und vor allem müssen die Kirchen erhalten werden, die im Kult zur einfachen Seele des Volks sprechen, in dem durch Kunst und Baukunst wieder die italienische Gesinnung erweckt werden kann, das über viele Jahrhunderte hinweg leider unterdrückt worden ist.“ StABz, Allgemeine Verwaltungsakten, Serie D, Brief des kommissarischen Präfekten von Bozen an den Generalsekretär des Finanzministeriums

vom 27. Mai 1924. Zur Mitwirkung von Gerola an der Wiederherstellung des Dominikanerkomplexes siehe Ibd. 1922/1990.

117


Grundschul- und Berufsausbildung im Habsburgerreich Die k.k. Fachschule für Holzindustrie1 Bozen wird im Jahr 1884 ins Leben gerufen, als Erweiterung und Fortführung einer schon 1881 gegründeten zweijährigen industriellen Fortbildungsschule. Von 1901 an hat die Schule – was den Akten zu entnehmen ist – ihren Sitz im Gebäudekomplex des Dominikanerklosters (Abb. 1), besonders – wie Fotografien aus den allerersten Jahren des 20. Jahrhunderts (Abb. 2–3) und ältere Archivurkunden2 (Spada/Tamassia, Abb. 1, 3) bezeugen – um den Kreuzgang. Die Bozner Fachschule ist in das

­Die k.k. Fachschule für Holzindustrie in Bozen Milena Cossetto

österreichisch-ungarische Schulwesen integriert, das von der Mitte des 19. Jahrhunderts an einer grundlegenden Neuordnung unterzogen worden war. Schon mit der 1774 von Kaiserin Maria Theresia erlassenen „Allgemeinen Schulordnung“ war der Schulbetrieb durch Einführung der Schulpflicht geregelt worden: Alle Gemeinden des Habsburgerreichs hatten eine sogenannte „Trivialschule“ für Mädchen und Jungen im Alter von sechs bis zwölf Jahren zu gründen, um das Volk aus der Unwissenheit zu reißen, ihm eine Ausbildung zur Verbesserung der Lebensverhältnisse zu geben und damit sich selbst, dem Staat und dem Wohl der Gemeinschaft nützlich zu sein. „Da uns nichts so sehr, als das wahre Wohl der von Gott unserer Verwaltung anvertrauten Länder am Herzen liegt, und wir auf dessen möglichste Beförderung ein beständiges Augenmerk zu richten gewohnt sind; so haben wir wahrgenommen dass die Erziehung der Jugend, beyderley Geschlechtes, als wichtigste Grundlage der wahren Glückseligkeit der Nationen, ein genauers Einsehen allerdings erfordere. Dieser Gegenstand hat unsere Aufmerksamkeit um desto mehr auf sich gezogen, je gewisser von einer guten Erziehung und Leitung in den ersten Jahren die ganze künftige Lebensart aller Menschen, und die Bildung des Genies und der Denkensart ganzer Völkerschaften abhängt, die niemals kann erreicht werden, wenn nicht durch wohlgetroffene Erziehung- und Lehranstalten die Finsterniss der Unwissenheit aufgekläret, und jedem der seinem Stande ange-

118


messene Unterricht verschaffet wird“3. Die Kinder lernten lesen, schreiben und rechnen und wurden in der katholischen Religion unterwiesen. Darüber hinaus aber mussten die Lehrer gemäß einem von Abt Ignaz von Felbiger ausgearbeiteten Plan den Schulkindern auch größere Kompetenzen zum Eintritt in die Welt der Arbeit vermitteln. Aber der Alphabetisierungsprozess verlief nicht so geradlinig und gleichmäßig wie erhofft und erwartet, denn die Kinderarbeit stellte für die Bauern- und Handwerkerfamilien noch eine unverzichtbare Verdienstquelle dar. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich mit der Erweiterung der Schulpflicht bis zum 14. Lebensjahr (1869) eine grundlegende Veränderung des öffentlichen Schulwesens abzuzeichnen. Zu den letzten Jahren der Volksschule4 kamen drei unterschiedliche schulische Ausrichtungen: das traditionelle Gymnasium,

1

das für den Zugang zur Universität qualifizierte, die Realschule5 zur wissenschaftlichen Bildung, der in der Ausbildung der neuen Generationen eine zentrale Rolle zugeschrieben wurde, und die Berufsschule, die von großer Relevanz beim Prozess zur Erneuerung und zur wirtschaftlichen Entwicklung in allen Bereichen war, bei allerdings unterschiedlichen Zeiten und Modalitäten in den verschiedenen habsburgischen Kronländern6. Der Ursprung der k.k. Fachschule für Holzindustrie in Bozen Die erste Fachschule7 im Gebiet des heutigen Südtirol wurde allerdings 1874 im Vinschgauer Dorf Laas als „Fachschule für Marmorbearbeitung“ gegründet, auf Betreiben einiger privater Bürger, darunter Johannes Steinhäuser, Besitzer und Lei-

2

ter der Marmorgewinnung und -verarbeitung, der auch als Lehrer an die Schule berufen wurde. Trotz finanzieller Probleme und Schwierigkeiten bei der Berufung des Lehrpersonals konnte die Schule eine rasche Entwicklung verzeichnen: Im Jahr 1817 gründete das Wiener Handelsministerium, dem die Fachschulen im Rahmen eines Projekts zur Verstaatlichung der Berufsschulen unterstanden, in Laas ein Schulkomitee zur Ausarbeitung der

1. Ansicht des ehemaligen Dominikanerklosters als Sitz der Fachschule/Bau- und Kunsthandwerkerschule 2. Klasse der Fachschule (Steinbearbeitung) im Dominikanerkreuzgang

119


Schulordnung, von der dann die Finanzierung seitens des Ministeriums abhing. Die Schülerzahl nahm zu, wenn auch widersprüchliche Angaben vorliegen. In den Akten wird ein Besuch von sechs bis zwanzig Schülern bezeugt. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Problem des Lehrpersonals so gravierend, dass den Lehrlingen der Abschluss ihrer Ausbildung in Laas nicht garantiert werden konnte. Nach dieser ersten, „pionieristischen“ Phase kam es im September 1879 zu einem Wandel in den Strukturen, dem Personal und der Rechtslage der Lehranstalt, die zur „k.k. Fachschule Steinbearbeitung“ wurde. Das Schuljahr dauerte vom 1. Oktober bis Mitte März und von Mitte März bis Mitte August. Das Unterrichtspensum belief sich, bei praktischem und theoretischem Unterricht, auf wöchentlich 45–46 Stunden. Die 3

Schülerzahl stieg von neun im Schuljahr 1879– 1880 auf 26 im Schuljahr 1888–1889 an, um sich dann bis zum Schuljahr 1910–1911 konstant bei 25 Schülern zu halten. Im Sommer 1911 wurde die Schule nach Bozen verlegt. Grund hierfür waren recht verwickelte Geschehnisse, in deren Verlauf ein Teil der ortsansässigen Bevölkerung, allen voran die Gemeindeverwaltung und der Pfarrer, gegen die k.k. Fachschule Steinbearbeitung antrat, die des „Modernismus“ beschuldigt wurde. So wurde vom Schuljahr 1911–1912 an die Stein- (und Marmor)bearbeitung zu einem neuen Unterrichtsfach der Bozner „k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule“ (dies der nunmehrige Name der früheren „Fachschule für Holzindustrie“), von der auch ein Teil des Laaser Lehrpersonals übernommen wurde9. Die dokumentarischen Quellen zur Ge-

4

schichte und Entwicklung der Bozner Fachschule für Holzindustrie sind nicht vollständig und zudem über verschiedene Archive und Inventare verstreut. Einzig dank der Bereitschaft der Körperschaften und Ämter und der Professionalität der verantwortlichen Beamten und Archivisten haben wir die wichtigsten Entwicklungsphasen der Fachschule für Holzindustrie und der k.k.

3. Schüler und Lehrer der Fachschule im kleinen Dominikanerkreuzgang 4. Klasse für Tischlerei

120

Bau- und Kunsthandwerkerschule in Bozen vom Gründungsjahr 1884 bis 1939, als sie schrittweise in den Sitz des heutigen Istituto tecnico industri-


ale „Galileo Galilei“ in der Cadornastraße verlegt

sofortigen Eintritt in die Arbeitswelt erlaubte,

wurde, rekonstruieren können.

auch in von ihnen selbst verwalteten Betrieben.

Im Jahresbericht der Fachschule für Holz-

Einer der Schüler bekam nur ein Frequentati-

industrie in Bozen für das Schuljahr 1888–1889

onszeugnis. Infolge der Bestimmungen vom 23.

fasst der Schulleiter Hans Kornauth die Geschich-

April 1889 wurden in den Studienplan wöchent-

te der ersten fünf Jahre zusammen: Sie wird im

lich zwei Pflichtstunden in katholischer Religion

Schuljahr 1884–1885 ins Leben gerufen, nach

eingeführt, während mit der Verordnung vom

einer ersten Phase (1881–1883 und 1883–1884),

17. Mai 1889 der Ferienkalender festgelegt wurde,

in der sie als „Gewerbliche Fortbildungsschu-

der für die Hauptferien im Sommer lediglich 14

le“ der Unterrealschule angeschlossen war. Im

Tage vorsah (vom 16. August bis 1. September).

Schuljahr 1888–1889 wurde die Schule von 58

Mit Beginn des Schuljahrs wurde „Holzdrechsle-

Schülern besucht, von denen 47 das Schuljahr

rei“ als neues Fach eingeführt und der Handwer-

abschlossen, während die anderen elf die Schule

kermeister Gustav Hanel von der Fachschule in

freiwillig verließen. Vier wurden mit ungenügend

Wallern an die Bozner Schule berufen.

benotet, acht mit ausgezeichnet und 23 mit ge-

Im Jahresbericht wurden auch Veränderun-

nügend, während zwölf Schüler, in der Mehrheit

gen im Lehrkörper vermerkt: Im Jahr 1888 wurde

Hospitanten, nicht klassifiziert oder angewiesen

die endgültige Versetzung von Hans Kornauth,

wurden, die Prüfungen in den einzelnen Fä-

dem bisherigen Leiter der Fachschule in Chrudim

chern nach den Ferien zu wiederholen. Bei den

(im heutigen Tschechien), nach Bozen verfügt,

als „ungenügend“ bewerteten Schülern handelte

1889 wurde Franz Paukert für seine besonderen

es sich nicht um unbegabte oder arbeitsunwilli-

Verdienste befördert; Josef Moser bekam eine

ge Personen. Ihr schulischer Misserfolg wurde

fünfjährige Gehaltserhöhung, und Rudolf Zot-

im Jahresbericht mit folgenden Worten erklärt:

ti wurde in den Beamtenstand erhoben. Einen

„[…] einen weitaus stärkeren Perzentensatz stel-

großen Verlust für die Bozner Fachschule stellte

len […] Schüler italienischer Nationalität, welche

die Versetzung von Wenzel Kolitsch dar, der zum

mit sprachlichen Schwierigkeiten zu kämpfen ha-

Direktor der Fachschule für Holzindustrie in Gru-

ben…“ , oder aber mit der Tatsache, dass es ihnen

lich (Kràlìky im heutigen Tschechien) ernannt

an Grundkenntnissen in den technischen Fächern

worden war. Sein Pflichtbewusstsein und seine

mangelte. Aus eben diesem Grund wandte sich

Umsicht im Dienst, verbunden mit reicher prak-

die Schulleitung gemeinsam mit dem Fachschul-

tischer Erfahrung, machten ihn fast unersetzlich,

Ausschuss an das k.k. Ministerium für Kultus und

und sein Feingefühl im menschlichen Umgang

Unterricht in Wien mit der Bitte, die einjährige

und sein herzliches Wesen in und außerhalb der

Vorbereitungsklasse in einen zweijährigen Lehr-

Schule blieben bei Lehrerkollegen und Schülern

gang zu verwandeln, der schon von zwölfjährigen

noch lange in Erinnerung. Carl von Strobele,

Schülern besucht werden und ihnen eine theoreti-

der Regierungsvertreter im Fachschul-Ausschuss,

sche und praktische Grundausbildung für jegliche

wurde bei seiner Pensionierung für seine außer-

nachfolgende berufliche Ausrichtung vermitteln

gewöhnlichen Dienste mit einem kaiserlichen

konnte12. Die Schüler konnten somit die Schul-

Orden ausgezeichnet.

11

ausbildung schon mit 17 Jahren abschließen, in

Die Fachschule für Holzindustrie wurde zu

die Arbeitswelt einsteigen und so viele Erfah-

einem Bezugspunkt der Handwerker nicht nur auf

rungen sammeln, dass ihnen die Unterbrechung

lokaler Ebene, sondern auch in den verschiedenen

durch den obligatorischen Wehrdienst keine gro-

Ländern des k.k. Reichs. Außerdem festigte sich

ßen Sorgen bereitete. Im Jahresbericht wird auch

die Beziehung zu den einheimischen Betrieben:

angeführt, dass sechs der sieben Schüler, die den

Die der Schule übermittelten Aufträge wurden

Tischlerlehrgang abgeschlossen hatten (Abb. 4),

an die Betriebe weitergegeben, die die gewünsch-

ein Abschlusszeugnis erhielten, das ihnen den

ten Arbeiten nach von der Fachschule gelieferten

5

5. Hölzerne Decken- und Türornamente in einem Bozner Haus, aus: F. Paukert „Zimmergotik in Deutsch-Tirol“, Bozen, Stadtbibliothek

121


6

Zeichnungen ausführten. Im Jahresbericht wird

technisches Zeichnen, arbeitete die Entwürfe und

auch unterstrichen, dass Franz Paukert, k.k. Leh-

die Details für die Lehrwerkstätten der Schule

rer für technisches und konstruktives Zeichnen,

aus; außerdem entwarf er eine Vitrine für den

viele Entwürfe für die Bozner Druckerei G. Ferrari

einheimischen Tischlermeister Zelger, dem Julius

ausarbeitete. J. Auinger, ein Meraner Holzwaren-

Knobloch, dem die Tischlerwerkstätte der Schule

händler, wurde von der Schule mit Entwürfen und

unterstand, den Entwurf zur Einrichtung einer

Detailzeichnungen beliefert, die von den Schülern

Wohnung lieferte, die aus einem Schlafzimmer,

ausgearbeitet worden waren. Paukert selbst, ein

einem Wohnzimmer und einer Küche bestand.

sehr aktiver Künstler und Wissenschaftler, veröf-

Friedrich Widter, Lehrer für geometrisches und

fentlichte im Leipziger Verlag E.A. Seemann zwi-

freies Zeichnen, schenkte dem k.k. Rat Carl von

schen 1889 und 1910 sein monumentales Werk

Strobele zu seiner Pensionierung außer Porträts

Die Zimmergotik in Deutsch-Tirol. Er beschrieb

und Landschaften auch acht Aquarelle und Zeich-

darin Friese, schmiedeeiserne Objekte, Wand-

nungen. Der Werkstättenleiter Gustav Hanel hielt

malereien, Holztäfelungen und Ornamente in

einen interessanten und lehrreichen Kurs über die

den alten Stuben in Deutsch-Tirol, die dann im

Einführung der Holzdrechslerei in die Werkstät-

Unterricht als Vorlagen benutzt wurden (Abb. 5).

ten und in die Schule.

Für denselben Verlag schuf Paukert auch viele

Am 14. und 15. Juli 1889 wurde die Bozner

andere Werke, wie Typenornamente, Stiche und

Fachschule von den „Herren Inspektoren für das

viele Illustrationen. Hans Larch, der k.k. Lehrer

gewerbliche Unterrichtswesen“ besucht, den k.k.

für Zeichnen und Modellieren13, fertigte Büsten

Hofräten Prof. Dr. F. Exner und Prof. O. Beyer.

und Reliefs an. Seine bedeutendste Arbeit war

Auch viele andere illustre Persönlichkeiten stat-

das Porträt des kaiserlichen Rats K. Arents, des

teten der Schule und der Ausstellung der in den

Leiters der Prager Handelsakademie; das Werk

schuleigenen Werkstätten hergestellten Arbeiten

wurde nicht nur in seiner Geburtsstadt ausgestellt,

einen Besuch ab. Unter ihnen sind besonders der

sondern auch in Godesberg bei Bonn. Larch ent-

Direktor des k.k. Österreichischen Handelsmuse-

warf auch die Einrichtung für ein Schlafzimmer

ums in Wien, Ritter von Scala, und der k.k. Kon-

des Apothekers M. Liebl, eine kleine Stube für

sul in Shanghai, Josef Haas, zu erwähnen, zwei

einen Erker15 und viele andere Arbeiten, die nach

Autoritäten, mit denen die Schulleitung Kontakte

Italien gingen. Josef Moser, der Schnitzen und

aufnahm, um die Möglichkeit zu erwägen, ein-

Modellieren unterrichtete, führte mehrere – teils

heimische Produkte nach Übersee zu exportieren.

figurative und teils ornamentale – Holzskulpturen

Im Schuljahr 1888–1889 wurde der akute

aus, darunter drei Schneiderpuppen für im Boz-

Platzmangel der Fachschule wenn auch proviso-

ner Museum auszustellende Trachten, einen ge-

risch mit dem Erwerb von sechs für Kurse und

kreuzigten Christus und die Dekorationspaneele

Werkstätten bestimmten Räumlichkeiten in einer

für die Buchhandlung von Widmann in Bozen.

ehemaligen Volksschule gelöst: Vier Räume wur-

Franz Haider, Lehrer für Schnitzen und Model-

den als Lehrzimmer benutzt, in die zwei anderen

lieren, schuf zwei Lampenschirme mit weiblichen

kamen die Modell- und die kunstgewerbliche

Figuren, von denen einer auf der Jahresausstellung

Sammlung der Lehranstalt. Die Schulleitung

des k.k. Österreichischen Museums gezeigt wurde,

sprach der Stadtverwaltung ihren Dank für die

drei Schneiderpuppen für Trachten für das Bozner

Großzügigkeit und das der Fachschule entgegen-

Museum, zwei holzgeschnitzte Heiligenfiguren für

gebrachte Interesse aus, gab zugleich aber auch

die Freiherren Hipoliti aus Borgo und ein Wappen

ihrer Hoffnung auf ein weiteres Engagement sei-

für den Ritter von Widmann. Haider entwickelte

tens der Stadt Ausdruck, da die Raumprobleme

auch verschiedene Vorlagen für dann in Holz an-

immer noch fortbestanden.

14

6. Eine Seite aus dem Jahresbericht 1912–1913 der Bauund Kunsthandwerkerschule mit Hinweis auf den offenen Zeichensaal, Bozen, Stadtmuseum

122

gefertigte kunstgewerbliche Gegenstände. Wenzel

Einer kaiserlichen Verordnung entsprechend

Kolitsch, Lehrer für Möbel- und Bautischlerei und

hatten vom Schuljahr 1889–1890 an auch die


Lehrlinge in der Stadt Bozen die Pflicht, bis zum

Die interne Organisation der Bozner Fachschule

vollendeten 18. Lebensjahr eine Fortbildungs-

einen dreijährigen Kurs von siebenmonatiger Dauer vor (wöchentlich 10 Stunden im ersten und

schule zu besuchen. Diese in Wien erlassenen

Die Schule wurde von einem Komitee verwaltet,

zweiten Jahr, sechs im dritten). Das erste Kurs-

Bestimmungen unterstützten die Bemühungen

dem der Bozner Bürgermeister (damals Josef von

jahr wurde von 20 Schülern besucht, das zweite

der Fachschule, die Lehrlinge zum Besuch der

Braitenberg) vorstand. Diesem Ausschuss gehör-

von 14 und das dritte von 19. Insgesamt waren

gewerblichen Fortbildungsschule zu animieren.

ten folgende Mitglieder an: als staatliche Vertreter

34 deutschsprachige Schüler eingeschrieben, ein

Der relativ schlechte Besuch dieser Lehrgänge

der Drechsler Ingenuin Hofer, der Kanoniker Carl

slowenischsprachiger und 18 italienischsprachi-

(sie wurden von 32 der 100 Lehrlinge besucht,

Jordan, der Buchhändler Peter von Larcher und

ge. Alle Schüler bekannten sich zum katholischen

und zudem unregelmäßig) führte dazu, dass die

der Hofrat Carl von Strobele; als Vertreter der Ge-

Glauben.

Schüler sowohl in den Grundkenntnissen der

meinde Bozen der Magistratsrat Anton Profanter

Die Fachschule wurde von 18 Tischlern, sie-

technischen Fächer als auch in der Allgemeinbil-

und der Bildhauer und Antiquitätenhändler Alois

ben Schnitzern, 31 Absolventen des Fortbildungs-

dung große Lücken aufwiesen. Dagegen war es

Überbacher, Johann Kofler als Präsident der Boz-

kurses und zwei Schülern ohne Berufsangabe be-

unerlässlich, dass sie lesen, schreiben, zeichnen

ner Handelskammer und der Fachschuldirektor

sucht. Bei der gewerblichen Fortbildungsschule

und sprechen lernten, um den Pflichten und

Hans Kornauth.

und beim offenen Zeichensaal waren Lehrlinge

Aufgaben, die sie in der Arbeitswelt erwarteten,

Der Lehrkörper setzte sich im Schuljahr

und Gehilfen eingeschrieben, darunter zwei Buch-

genügen zu können. Außer von den Lehrlingen

1888–1889 folgendermaßen zusammen: Hans

binder, ein Fassbinder, zwei Drechsler, zwei Foto-

wurde die Fortbildungsschule auch von 21 Gehil-

Kornauth (mechanisch-technische Fächer), Franz

grafen, neun Maler und Stuckateure, vier Maurer,

fen besucht, die sie größtenteils mit vorzüglichen

Paukert (technisches und konstruktives Zeichnen

ein Mechaniker, ein Schneider, ein Seiler, zwei

Ergebnissen absolvierten.

sowie Bibliothekar und koordinierender Lehrer

Steinmetze, vierzehn Tischler, ein Vergolder, ein

Eine weitere wichtige Ausbildungsstätte der

der dritten Klasse), Hans Larcher (Zeichnen und

Zimmermann, zehn Schlosser, ein Holzschnitzer

Fachschule war der „offene Zeichensaal“ (Abb. 6).

Modellieren, Koordinator der Fortbildungsschu-

und zwei ohne Beruf.

In diesem Raum, der auch Externen zugänglich

le), Josef Moser (Schnitzen und Modellieren),

Der Schulbeginn wurde für das Schuljahr

war, konnte man zeichnen und Vorlagen kopieren,

Wenzel Kolitsch (Möbel- und Bautischlerei, tech-

1890–1891 für die Fachschule auf den 1. Sep-

Publikationen und Zeitschriften aus der reichen

nisches Zeichnen, Verantwortlicher für die Ma-

tember festgesetzt, für die Fortbildungsschule

Fachbibliothek der Schule einsehen und sich da-

terialien), Franz Heider (Schnitzen und Model-

und den offenen Zeichen- und Modelliersaal auf

rüber hinaus von den Fachlehrern beraten lassen.

lieren), Rudolf Zotti (Mathematik, Naturkunde

den 1. Oktober. In der Fachschule standen nur

Der offene Zeichensaal wurde überwiegend von

und kaufmännische Fächer; Verantwortlich für

15 Arbeitsplätze zur Verfügung, sodass die Besten

Jugendlichen besucht, die kunsthandwerkliches

die technischen Sammlungen, Koordinator der

und Begabtesten ausgewählt wurden. Das Wiener

Interesse an den Tag legten, oder von Hand-

zweiten Klasse), Friedrich Widter (Freihandzeich-

Unterrichtsministerium hatte dekretiert, dass die

werkern, denen sich hier eine reiche Auswahl

nen und geometrisches Zeichnen; verantwortlich

Hauptferien höchstens 14 Tage dauern durften,

an Vorlagen und Zeichnungen zur Entfaltung

für die Gipssammlung, Koordinator der ersten

und die Bozner Fachschule hatte sich für die Zeit

ihrer Ideen und ihrer Kreativität bot. Dank der

Klasse), Julius Knobloch (Werkstättenleiter, kon-

vom 16. August bis 1. September entschieden18.

zur Verfügung stehenden Lehrmittel und der fi-

struktives Zeichnen und Möbeltischlerei), Gustav

Im Schuljahr 1890 wurde in St. Ulrich in

nanziellen Unterstützung seitens des k.k. Unter-

Hanel (Werkstättenleiter, Drechslerei).

Gröden eine Kunstschule ins Leben gerufen, die

richtsministeriums (1650 Gulden), der Bozner

Im Schuljahr 1888–1889 bot die Bozner

in Leitung und Verwaltung bis 1896 von Bo-

Handelskammer (340 Gulden16), des „Komités

Fachschule folgende Kurse an: einen einjährigen

zen abhing. Hier wurden Kurse für Zeichnen,

des freiwilligen Arbeitshauses“ in Bozen (200

Vorbereitungskurs (31 Schüler), einen dreijähri-

Modellieren und Schnitzen abgehalten, wie es

Gulden), des Stadtmagistrats (60 Gulden) und

gen Kurs für Bau- und Möbeltischlerei (Abb. 7)

der kunsthandwerklichen Tradition des Tals ent-

der Stiftung Ulrich Mangard in Bozen (100

(18 Schüler), einen dreijährigen Kurs für Holz-

sprach (Abb. 8).

Gulden) konnten viele Schüler die gewerbliche

schnitzerei (7 Schüler), einen Kurs für Drechsle-

Die Bozner Fachschule für Holzindustrie

Fortbildungsschule und die Fachschule besuchen,

rei (kein Schüler), einen nicht näher bestimmten

nahm an vielen Veranstaltungen teil, darunter

selbst wenn sie in bescheidenen wirtschaftlichen

Kurs (2 Hospitanten). Von den 58 Schülern waren

auch an der Weltausstellung 1900 in Paris. Im

Verhältnissen lebten.

49 deutscher, einer serbischer und acht italieni-

Oktober 1900 veröffentlichte die Pariser Zeit-

scher Muttersprache.

schrift Figaro Illustré unter dem Titel Château

17

Die gewerbliche Fortbildungsschule und der

Tyrolien das Foto eines Ansitzes in Eppan (Bozen),

offene Zeichensaal sahen im Schuljahr 1888–1889

der eigens anlässlich der Pariser Weltausstellung

123


erbaut und am Champ de Mars in der Nähe von Eiffelturm und Seine aufgestellt worden war. Das Besondere an dieser Notiz ist, dass Tirol einen eigenen Raum zur Verfügung hatte (während bei der Weltausstellung sonst ähnliche Produkte aus unterschiedlichen Ländern nebeneinander gezeigt wurden, um damit einen Vergleich über den Entwicklungsstand der Industrie und Produktion des jeweiligen Landes zu ermöglichen). Das Château Tyrolien war von Bozner und Innsbrucker Handwerkern dem Eppaner Ansitz Thalegg, einem Bauwerk im typischen Überetscher Stil, nachgebildet worden. Es enthielt im Erdgeschoss eine Tiroler Weinstube, in der die landestypischen Spezialitäten (Wein, Obst und Konserven) präsentiert wurden, während sich im Hochparterre – wie es im Ausstellungskatalog heißt – „zwei wahre Meisterwerke unserer Holzkunst“ befanden: Es 7

handelte sich um eine von der Bozner Fachschule angefertige Nachbildung des Fürstenzimmers im Schloss Velthurns und eine von der k.k. staatlichen Schule Innsbruck hergestellte Kopie des Grünen Saals der Burg Reifenstein. Im ersten Stock befand sich außerdem eine gotische Kapelle mit einem Altar, die Franz Martiner aus St. Ulrich nach einem Entwurf und unter der Leitung des Direktors der Bozner Fachschule, Franz Paukert, geschaffen hatte. Das Château Tyrolien konnte einen großen Publikumserfolg verzeichnen, da sich in den Arbeiten der Lehrer und Schüler der

8

Bozner Fachschule Anmut des Stils und Behaglichkeit verbanden. Die Ausstellung zeigte somit – wie in den Annalen der Pariser Weltausstellung 1900 und im Katalog der Österreich gewidmeten Abteilung unterstrichen wurde – eine Verbindung von Werken Tiroler Kunst und Kunstfertigkeit, verbunden mit Wein und Obst von den „gesegneten Gärten und Feldern unserer Täler“ und Bildern von der großartigen, schönen Landschaft der Bergwelt. Die Kosten zur Verwirklichung des Pavillons wurden zur Hälfte vom Kreisamt Innsbruck getragen, während die anderen Spesen, die sich auf den Aufbau und die Einrichtung des Château bezogen, von einem eigens angelegten

7. Von einer Tischlerklasse der Fachschule angefertigte Möbel 8. Eine Klasse der Fachschule in St. Ulrich, um 1930

124

Garantiefonds gedeckt wurden19.


Von der Fachschule zur k.k. Bau- und

Bildhauer Andrä Kompatscher (Modellieren,

Kunsthandwerkerschule Bozen

Steinbildhauerei). Daneben waren die Werkmeister Franz Leitner (Tischlerei, Fachzeichnen,

Zehn Jahre später, im Schuljahr 1910–1911,

technisch-konstruktives Zeichnen) und Raimund

war aus der Bozner Fachschule für Holzindustrie

Rohm (Schlosserei) als Lehrer tätig. In der Schule

schon die k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule

waren als Hilfslehrer auch die zwei Geistlichen

geworden20, und dies im Rahmen der 1904 erfolg-

Alois Rabanser und Josef Felderer angestellt, die

ten Gründung der „Staats-Handwerkerschulen“,

Religionsunterricht an der Fortbildungsschule

die Lehranstalten unterschiedlicher beruflicher

und der Fachschule erteilten, der Bezirksarzt Hugo

Ausrichtung vereinten. Die Bau- und Kunsthand-

von Zieglauer, der Hygiene des Baugewerbes un-

werkerschule (Abb. 9) umfasste eine Abteilung

terrichtete, und zwei Volksschullehrer, Heinrich

für Kinder im schulpflichtigen Alter, eine Fach-

Bartl und Hans Nikolussi, die ebenfalls an der

schule für Holzschnitzer und Steinbildhauer, ei-

Fortbildungsschule tätig waren. Fritz Jordan, ein

ne Fachschule für Schlosser (Abb. 10–11), einen

technischer Beamter der Etschwerke, unterrichtete

Zeichenkurs für Volksschüler und -schülerinnen,

als Hilfslehrer Elektrotechnik, der „Dekorations-

außerdem einen offenen Zeichen- und Model-

maler“ Rudolf Stolz erteilte den Schülern prakti-

liersaal für Meister und Gehilfen, Winterkurse

sche Unterweisung im Malen. Von dessen Bruder

für Arbeiter des Baugewerbes, Tischler, Schlos-

Albert Stolz stammen im Übrigen die Malereien

ser und Kunstgewerbler, einen Spezialkurs für

an der hölzernen Kassettendecke im Obergeschoss

Elektromonteure, einen Deutschkurs für Schüler

der Elisabethschule (1911), der heutigen Dante-

italienischer Miuttersprache und die „allgemein-

Alighieri-Schule in der Bozner Sparkassestraße,

gewerbliche Fortbildungsschule“. Schuldirektor

mit Darstellungen der Symbole der städtischen

war Tony Grubhofer, akademischer Maler, Ritter

Zünfte, und Direktor Grubhofer führte die Zeich-

des Franz-Joseph-Ordens und Konservator bei der

nungen für die Architekturornamente aus. An der

k.k. Zentralkommission, der Zeichnen und Malen

Fassade und im Schulinneren befinden sich dage-

unterrichtete. Mitglieder des Lehrkörpers waren:

gen viele Reliefs und Skulpturen (Abb. 12–13),

der Bildhauer Franz Heider (Schnitzen, Modellie-

die dem Fachschullehrer Andrä Kompatscher

ren), Adolf Laufke (technisch-konstruktives und

und seinen Schülern zugeschrieben werden. Sie

dekoratives Zeichnen), Rudolf Zotti (deutsche

stellen mythologische oder kindlich-naive Figu-

Sprache, Buchführung, Rechnen, Materialkunde,

ren dar, wie sie in Märchen und Kinderbüchern

Naturkunde, Geschäftsaufsätze), der Maschinen-

zu finden sind. Auch das Treppenhaus und die

ingenieur Adolf Vetter (Rechnen, Naturlehre,

Innenräume sind von Lehrern und Schülern der

mechanisch-technische Fächer), der akademi-

Fachschule dekoriert worden: Das schmiedeeiser-

sche Maler Josef Mair (dekoratives Zeichnen und

ne Geländer präsentiert sich mit geometrischen

Malen), Anton Bayer (Freihandzeichnen, Kunst-

Ornamenten oder symbolischen, immer auf die

formenlehre), der Bildhauer Leopold Hafner

Märchenwelt bezogenen Figuren (Abb. 14). Die

(Schnitzen, Modellieren), der Baumeister Franz

Wand- und Raumdekorationen machen diese

Pranghofer (Zeichnen, bautechnische Fächer), der

Schule mit den vielen Namen – Elisabethschule

Architekt Robert Farstky (technisch-konstrukti-

von 1911 bis 1922, Regina Elena von 1922 bis

ves Zeichnen, bautechnische Fächer), Richard

1943, Dante Alighieri ab 1946 –, die seit 1995

Müller (dekoratives und angewandtes dekora-

auch Sitz des Museo della Scuola-Schulmuseums ist,

tives Zeichnen), Julius Knobloch (Technologie

zu einer wahren, lebendigen Dauerausstellung der

des Holzes, konstruktives Zeichnen, Tischlerei),

von der Bozner Fachschule ausgeführten Arbei-

Eduard Dworzak (Schönschreiben, Geschichte,

ten. Es ist übrigens interessant zu unterstreichen,

Geografie, gewerbliche Buchführung, Geschäfts-

dass sich im frühen 20. Jahrhundert in der damals

aufsätze und Kanzleidienst) und der akademische

kleinen Stadt Bozen eine „Kunstgewerbeschule“

9

9. Modell für das Holzgerüst eines Glockenturms

125


10

10. Eine Seite aus dem Heft für „Eisenkonstruktionen“ von R. Melchiori, 1914–1915, Bozen, Schulmuseum 11. Eine Seite aus dem Heft für Physik von R. Melchiori, 1914–1915, Bozen, Schulmuseum

126


11

127


12

13

14

128

entwickeln konnte. Doch Bozen war eine Han-

mit wassergetriebenem Kommutator. Der Lehrer

delsstadt, die ihre künstlerischen, wirtschaftlichen

Richard Müller entwarf Wohnungseinrichtungen

und technischen Ressourcen zu nutzen und in den

in Wien und Hühnerkäfige in San Michele, er

Dienst der Gemeinschaft zu stellen wusste, und

arbeitete einen Entwicklungsplan für die Eisen-

das in einer Zeit des Niedergangs des Habsbur-

bahn in Tirol aus und ein Wettbewerbsprojekt

gerreichs, die schon den Ersten Weltkrieg und das

für den Bebauungsplan des Luftkurortes Gries.

Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie

Julius Knobloch zeichnete Entwürfe und Details

vorausahnen ließ. Beim Gang durch die Räume

für Berufstätige, der Werkmeister Franz Leitner

und Korridore der Dante-Alighieri-Schule und

entwarf Holztäfelungen für öffentliche Säle.

beim Besuch des hier untergebrachten Schulmu-

Im Schuljahr 1910–1911 waren an der Bau-

seums können wir einen Blick in die Vergangen-

und Kunsthandwerkerschule insgesamt 462 Schü-

heit werfen, können Symbole und Bilder unserer

ler eingeschrieben (296 waren deutscher, 73 itali-

Kindheit wiederfinden und ein Kunsthandwerk

enischer und ladinischer und einer slowenischer

entdecken, dem es gelungen war, Techniken und

Muttersprache). Von den 370 Schülern, die das

Stile aus unterschiedlichen Welten harmonisch

Schuljahr abschlossen, bestanden 257 die Schluss-

in Einklang zu bringen.

prüfungen, während 89 nicht klassifiziert wurden.

Im Laufe des Schuljahrs 1910–1911 standen

Bei der Einschreibung hatten die eintreten-

Lehrer und Schüler der Fachschule oft im Mit-

den Schüler eine vom Gemeindevorstand und

telpunkt des öffentlichen Interesses: Die Vorla-

vom Gemeindearzt unterfertigte Bestätigung

gensammlungen und die Bibliothek wurden von

vorzulegen, dass im Laufe der vorausgegangenen

vielen Berufstätigen und Privaten zu Studien

vier Wochen weder der Schüler selbst noch die mit

und Recherchen benutzt; viele Betriebe ließen

ihm lebenden Personen an Scharlach oder einer

sich von der Schule und den professionell hoch

anderen ansteckenden Krankheit erkrankt waren.

qualifizierten Lehrkräften beraten; der Lehrer

Zu Jahresende kam aus Wien eine große Neu-

Julius Knobloch hielt in Innichen und Klausen

igkeit: Das Unterrichtsministerium verkündigte,

Tischlereikurse ab. Die fruchtbare Beziehung

dass – laut Ministerialgesetz Nr. 1670-XXI vom

zum Bozner Museum dauerte fort: Das Muse-

28.1.1910 – vom Schuljahr 1911–1912 an auch

um stellte der Schule Gegenstände aus seinem

Frauen und Mädchen zu Fachschulen für Indus-

Besitz als Studienmaterial zur Verfügung und

trie, Handel und Handwerk zugelassen waren:

organisierte, um die Ausbildungsmöglichkeiten

Den Frauen tat sich auf diese Weise ein neuer

der Schule publik zu machen, eine öffentlich

Ausbildungs- und Arbeitshorizont außerhalb des

zugängliche Ausstellung von Schülerarbeiten,

häuslichen Alltags auf.

die einen großen Publikumserfolg verzeichnen

Im Schuljahr 1912–1913 wurde der Jah-

konnte. Der Schuldirektor Grubhofer besuchte

resbericht der Bozner Bau- und Kunsthandwer-

im Auftrag des k.k. Ministeriums für öffentli-

kerschule zu einer wahren, grafisch sorgfältig

che Arbeiten die muselmanische Ausstellung in

gestalteten Informationsbroschüre (Abb. 15):

München, die Ausstellung „Kunststeine“ in Ber-

auf dem Titelblatt eine stilisierte Zeichnung des

lin und die Weltausstellung in Brüssel; Knobloch

Dominikanerkreuzgangs (Abb. 16), in dem die

begab sich nach Wien, um sich über die neuesten

Schule ihren Sitz hatte. Es wurden die gleichen

Holzverarbeitungsmaschinen zu informieren; die

Kurse wie im Schuljahr 1910–1911 angeboten,

Lehrer Pranghofer und Farstky erarbeiteten zwei

und die wöchentliche Stundenzahl belief sich auf

Brückenentwürfe und viele Neubauprojekte und

40 Stunden beim Vorbereitungskurs und auf 46

waren für den österreichischen Ausstellungspa-

beziehungsweise 48 Stunden bei den Fachkursen

villon der Wiener Werkstätte in Rom tätig. Der

(Abb. 17), zu denen noch kostenlose Spezialkurse

Maschineningenieur Prof. Adolf Vetter erfand,

mit Abend- und Sonntagsunterricht für Elektro-

entwarf und zeichnete eine neue Traubenpresse

monteure und Wärter elektrischer Anlagen kamen


(in zwei Teilkursen von jeweils 5 Monaten von Oktober bis Februar, bei wöchentlich zweimaligem Unterricht von 19 bis 21 Uhr, während am Sonntagvormittag Exkursionen vorgesehen waren), ein Spezialkurs für Baugewerbetreibende über Eisenbetonbau (3 bis 4 Monate, zweimal wöchentlich Unterricht von 18.30 bis 20.30 Uhr) und ein Spezialkurs für mechanisch-technische Gewerbe über Maschinenschlosserei (5 Monate von November bis März, zweimal wöchentlich Unterricht von 18.30 bis 20.30 Uhr). Der offene Zeichen- und Modelliersaal war während des ganzen Schuljahrs an zwei Nachmittagen in der Woche für Frauen und Mädchen geöffnet (gegen einen Lehrmittelbeitrag von 2 Kronen), der offene Zeichensaal für Meister und Gehilfen des Tischlergewerbes und der für Baugewerbetreibende und deren Hilfskräfte waren unentgeltlich und konnten von November bis März an zwei Wochentagen abends von 18.30 bis 20.30 Uhr besucht werden, was auch für den offenen Modelliersaal für gewerbemäßige Bildhauer und deren Hilfskräfte galt. Die Anstaltsbibliothek war auch für Besucher des offenen Zeichen- und Modelliersaals wie überhaupt für alle Interessenten zugänglich21. Sie umfasste einen reichen Bestand an Büchern und Zeitschriften zu den Themen Kunst, Kunstgewerbe, Bautechnik, technisch-mechanische Fächer und Handwerk und leistete den Lehrern der Schule selbst, Berufstätigen, Handwerkern und Schülern sowie Kunst- und Kunstgewerbefreun-

15

den wertvolle Dienste. Vom 1. Oktober bis 29. Juni wurde jeweils mittwochs und samstags am frühen Nachmittag ein unentgeltlicher Zeichenkurs für Volksschüler und -schülerinnen abgehalten, die das 12. Lebensjahr vollendet hatten, zur „Aneignung einer gewissen Fertigkeit im Zeichnen mit Bedachtnahme auf den späteren Eintritt in ein Gewerbe“. Auch die deutschen Sprachkurse für Schüler mit italienischer Muttersprache wurden fortge-

12. Kleiner Brunnen, Bozen, „Dante Alighieri“-Schule

setzt. Sie waren unentgeltlich und dauerten fünf

13. Ornamentale Kapitelle, Bozen, „Dante Alighieri“-Schule

Monate, vom 1. Oktober bis 30. April. Stipendien und Schülerunterstützungen kamen aus verschiedenen Quellen: aus Staatsmitteln

14. Geländer, Bozen, „Dante Alighieri“-Schule 15. Titelblatt des Jahresberichts 1912–1913 der Bauund Kunsthandwerkerschule, Bozen, Stadtmuseum

129


und aus öffentlichen Fonds des Landes Tirol, der

Spezialkurs eingeführt, der das ganze Jahr über

Stadt Bozen und der Handelskammer Bozen,

an zwei Nachmittagen pro Woche stattfand. Er

außerdem wurden die Schüler von öffentlichen

wandte sich an Frauen und Mädchen, die stri-

Körperschaften, Vereinen und Privaten gefördert.

cken und handarbeiten lernen wollten. Außerdem

Im Schuljahr 1912–1913 waren 565 Schüler

wurde ein Spezialkurs für Damenschneiderinnen

eingeschrieben, von denen 441 das Jahr abschlos-

eingerichtet, die auch in Rechts- und Bürgerkun-

sen und 373 das Lehrziel erreichten, während 30

de, Materialienkunde, technischen Fächern und

Schüler nicht klassifiziert werden konnten. 346

technischem Zeichnen unterwiesen wurden. Ins-

Schüler waren „der Muttersprache nach Deut-

gesamt waren in diesem Schuljahr 1227 Schüler

sche“, 88 Italiener und Ladiner, ein Pole und

eingeschrieben, von denen 1157 den Kurs ab-

sechs Slowenen.

schlossen und 1136 das Lehrziel erreichten, wäh-

Im offenen Zeichensaal für Frauen und Mäd-

rend elf nicht klassifiziert wurden23.

chen waren 31 Schülerinnen eingeschrieben, von 16

denen 25 das Schuljahr zum Abschluss brachten.

Von der k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule

Im Zeichenkurs für Volksschüler und -schüle-

zur Staatsgewerbeschule

rinnen waren 40 Schüler eingeschrieben, von denen aber nur 20 das Schuljahr beendeten. Der

Im Schuljahr 1914–1915 bekam die einstige

Jahresbericht geht auch auf die Schülerquartiere

„Fachschule“ – in Erfüllung der Verordnungen

ein und fügt an, dass sich „die Eltern der Schüler

des Unterrichtsministeriums und des Kaisers –

oder deren Vertreter jederzeit diesbezüglich an die

wieder einen neuen Namen: Sie wurde zur „k.k.

Direktion um Rat wenden“ können.

Staatsgewerbeschule in Bozen“ (Abb. 19). Gera-

Anstaltsdirektor war im Schuljahr 1912–

de in dieses Jahr fiel der Kriegsbeginn und der

1913 der Ingenieur und Zivilgeometer Karl Edu-

Kriegseintritt Italiens gegen Österreich, sodass ein

ard Allitsch, der Baumechanik, Eisenbetonbau

Heranrücken der Front zu befürchten war. Die

und Vermessungskunde unterrichtete (Abb. 18).

Schule hielt weiterhin ihre Kurse ab, doch infolge

Auch die literarischen und fachlichen Leistungen

der Einberufung von Lehrern und Schülern – als

des Lehrpersonals dauerten fort: Für einheimische

Freiwillige, Wehrpflichtige oder zum Truppen-

und ausländische Auftraggeber wurden Projekte

beistand – ging die Zahl der eingeschriebenen

erarbeitet und Kunstwerke sowie kunstgewerb-

Schüler abrupt zurück: Eingeschrieben waren

liche Arbeiten ausgeführt. Der Zeichenlehrer

162, 152 beendeten das Schuljahr, 132 erreichten

Richard Müller erarbeitete zwei Generalregulie-

das Lehrziel, 13 waren nicht klassifizierbar. 134

rungs- und Bebauungspläne für die Markt- und

der 152 Schüler waren deutscher Muttersprache,

Kurgemeinde Gries bei Bozen. Wilhelm Sachs,

18 Italiener24.

der Zeichnen und bautechnische Fächer lehrte,

Im darauf folgenden Jahr führte der Krieg

setzte seine Sammlung von Skizzen aus Tirol fort,

zu einer weiteren Verschlechterung der Lage.

die veröffentlicht wurden und großen Anklang

Es waren zwar die gleichen Kurse wie im Vor-

fanden. Friedrich Stöger, der Lehrer kaufmän-

jahr programmiert, aber wie es im Jahresbericht

nischer Fächer, verfasste fachliche Lehrtexte für

heißt, konnten – infolge der Requirierung der

gewerbliche Lehranstalten und war Mitarbeiter

Schulräume als Lazarett und der Einberufung

der Zeitschrift „Die gewerbliche Fortbildungs-

von zehn Lehrern – nur einige davon abgehalten

schule“. Vom 7. bis 19. Mai 1913 veranstaltete

werden: der Kurs für Tischlermeister, die Abtei-

die Schule eine Ausstellung von Schülerarbeiten

lung für Schlosser, Holzschnitzer und Steinbild-

der Abteilungen für Steinbildhauerei und Kunst-

hauer und die Gewerbeschule für Damenschnei-

schlosserei, die „lebhaften Zuspruch und allgemei-

derinnen. Im Schuljahr 1915–1916 waren 148

ne Anerkennung“ fand .

Schüler eingeschrieben, von denen 131 das Jahr

22

16. Logo mit dem Dominikanerkreuzgang aus dem Jahresbericht 1912–1913, Bozen, Stadtmuseum

130

Im Schuljahr 1913–1914 wurde ein neuer

zum Abschluss brachten (angesichts des Krieges


wurden die Pflichtstunden auf mindestens ein Drittel des Stundenplans reduziert), 124 erreichten das Lehrziel, während zwei nicht klassifiziert wurden. 121 waren deutscher, zehn italienischer Muttersprache. Schuldirektor war der Ingenieur Karl Porzinsky, der Unterricht in Bautechnik erteilte. Unter den neu eingestellten Lehrkräften ist Maria Albertani zu erwähnen, die Damenschneiderei unterrichtete: die erste Frau im Lehrkörper der Staatsgewerbeschule. Im Jahresbericht werden dann die an der Front kämpfenden und gefallenen Lehrer und Schüler und die Tätigkeit angeführt, die sie in der Stadt ausübten, außerdem die in der Heimat Verbliebenen, die persönlich an der Ausführung von Kunstwerken, Skulpturen und auch Gefallenendenkmälern mitwirkten. Anton Baher zum Beispiel erarbeitete Entwürfe für die Friedhofkreuze und die Gedächtnistafeln, Andrä Kompatscher ließ von seinen Schülern Marmorskulpturen für öffentliche Bauten ausführen (für die Kaiser-Franz-Josef-Schule in Bozen, die Gemeinde Gries, das Militärkommando usw.), Richard Müller fertigte für den Heimatschutz Entwürfe zu Gedenkmedaillen an. Einige Lehrer kümmerten sich um die Neuordnung der Räumlichkeiten und die Verlegung der Werkstätten, nachdem in einen Teil der Lehrräume im Dominikanerkomplex das Militärspital eingezogen war26. Von der Staatsgewerbeschule zur „Regia Scuola Industriale“ Dem Jahresbericht 1921–1922 geht ein Nachruf für Adolf Vetter voraus, der ab 1906 an der Schule

17

unterrichtet hatte. Scheinbar hat sich nichts geändert, vom Lehrkörper abgesehen: Viele verlassen die Schule, um wieder der Arbeit im eigenen Betrieb nachzugehen. Schuldirektor bleibt Karl Porzinsky. Auf dem Programm stehen die gleichen Lehrgegenstände wie vor dem Krieg, nur einige Fächer sind den technischen Erfordernissen besser angepasst worden. Zu den Unterrichtsfächern gehört jetzt auch die italienische Sprache, mit drei Wochenstunden. In der Stadt Bozen hat sich allerdings vieles geändert: Das Ende des Ersten Weltkriegs hatte

17. Eine Seite aus dem Jahresbericht 1912–1913 der Bau- und Kunsthandwerkerschule mit einer Übersicht der Lehrgegenstände und der Stundenzahlen, Bozen, Stadtmuseum

131


auch den Untergang des Habsburgerreichs mit sich gebracht, bei den Kämpfen hatte es Tausende von Gefallenen und Verwundeten gegeben, unter den Heimkehrern waren viele Invaliden, viele waren an der Ostfront vermisst. Mit dem Friedensvertrag von Saint-Germain wird Alttirol geteilt, Südtirol und Welschtirol kommen zu Italien, Nordtirol bleibt bei Österreich, dessen Territorium von den Siegermächten stark beschnitten wird, die Brennergrenze wird von den Einheimischen als schmerzlich empfunden. Der 1918–1919 erfolgte Anschluss an das Königreich Italien brachte auf örtlicher wie nationaler Ebene schwerwiegende Umstellungen mit sich, mit Auswirkungen auch in internationalem Bereich. Anfangs schienen sich friedliche Lösungen abzuzeichnen, die Rechte der ortsansässigen Bevölkerung, ihre Sprache und ihre Kultur, ihr Brauchtum und ihre Kunst schienen respektiert zu werden. Doch mit der Zeit führten die immer starreren und unbeweglicheren Haltungen zu einem unheilbaren Bruch und mit dem Aufkommen des Faschismus zu einer unüberwindlichen Zäsur. Es ist hier nicht der Ort, um im Einzelnen auf eine Ära einzugehen, in der der Faschismus in Südtirol aufkam, sich entwickelte und konsolidierte. Aber schon die weiteren Phasen der Umwandlung der einstigen Bozner Fachschule vermitteln uns ein Bild dieser Zeit und ihrer Geschehen. Im Jahr 1921 sind bei der Staatsgewerbeschule in Bozen 630 Schüler eingeschrieben; 552 besuchen die Kurse bis zum Schulende, 481 erreichen das Lehrziel, 15 müssen die Prüfungen im Herbst 18

nachholen, 38 werden nicht klassifiziert und 18 fallen durch. Im Jahresbericht werden auch die Heimatorte der Schüler angeführt: 193 kommen aus Bozen, 266 aus der Venezia Tridentina, drei aus anderen italienischen Gegenden und 90 aus dem Ausland. 479 Schüler sprechen Deutsch als Muttersprache, 58 Italienisch, 13 Ladinisch und zwei andere Sprachen27. Mit der im Schuljahr 1923–1924 vom Unterrichtsminister Giovanni Gentile eingeführten Schulreform wurde Italienisch zur einzigen

18. Eine Seite aus dem Jahresbericht 1912–1913 der Bau- und Kunsthandwerkerschule mit einer Übersicht der Mitglieder des Lehrkörpers, Bozen, Stadtmuseum

132

Unterrichtssprache erklärt, angefangen bei der ersten Klasse jeder Schulstufe. Es handelte sich


hierbei um den ersten Schritt zur Italianisierung

dreijährigen winterlichen Fortbildungskursen für

der Schule – was in Südtirol vor allem seitens der

Bauhandwerker, Schlosser, Tischler und Dekora-

Frauen zu heftigen Protesten gegen die Abschaf-

teure, Fortbildungsschule für Lehrlinge, öffent-

fung der deutschen Sprache im Schulunterricht

lichem Zeichen- und Modelliersaal und Kursen

führte. Es folgten Kundgebungen, Telegramme

für Elektriker, Mechaniker und Installateure.

an die italienischen Behörden, Petitionen, Un-

Der Lehrkörper der Schule besteht aus dem Di-

terschriftensammlungen zur Wiedereinführung

rektor, zwölf Lehrern, fünf Werkmeistern, zwei

der deutschen Sprache. Auch die Forderungen

Unterwerkmeistern, einem Sekretär, zwei Schul-

der „Südtiroler Mütter“ fruchteten nichts: Mit

dienern und einem Hilfsbeamten. Zur jährlichen

der Gentile-Reform wurde die deutsche Sprache

Unterhaltung der Schule trägt das Ministero

aus den Schulen verbannt . Um die Volksschü-

dell’Economia Nazionale mit 436,00 Lire bei, au-

ler trotzdem in ihrer deutschen Muttersprache

ßer den notwendigen Beträgen zur Gehaltserhö-

unterrichten zu können, wurde ein Netz von

hung des Personals infolge der Übernahme […].

Untergrundschulen, den sogenannten „Katakom-

Die Gemeinde Bozen bleibt aufgrund der bei der

benschulen“, ins Leben gerufen, die von den ita-

Schulgründung getroffenen Entscheidungen ver-

lienischen Behörden stark angefeindet, bekämpft

pflichtet, der Schule die Räumlichkeiten zur Ver-

und schließlich unterdrückt wurden. Etwas besser

fügung zu stellen und für ihre Erhaltung und die

sah es mit den höheren Schulen aus, an denen die

Lieferung von Wasser, Heizung und Beleuchtung

deutschsprachigen Lehrer noch einige Jahre lang

zu sorgen. Zugunsten der Schule gehen auch die

unterrichten durften. Mit der Gentile-Reform

außergewöhnlichen Beiträge von Körperschaften

wurde in Südtirol noch ein zweites Ziel verfolgt:

oder Privaten und das Schulgeld“30.

28

Durch die Italianisierung der neuen Generationen

Im Jahr 1928 wurde von Minister Giuseppe

sollte die örtliche Wirtschaft eine radikale Um-

Belluzzo mit der Rechtsordnung Nr. 577 anstelle

stellung erfahren, das heißt, die wirtschaftliche

der Kurse nach der Volksschule und der Fortbil-

Relevanz des heimischen Kunsthandwerks und der

dungsschule die Scuola di avviamento professionale

Landwirtschaft sollte zugunsten der industriellen

eingeführt, die 1933 zur Regia Scuola tecnica a in-

und technologischen Entwicklung eingedämmt

dirizzo industriale e artigiano und im Jahr 1940,

werden. Im Zuge dieser Schulpolitik wurde die

mit der Verlegung in den neuen „monumentalen“

Regia Scuola statale d’arte del legno (Königlich-

Sitz in der Cadornastraße, zum Regio Istituto Tec-

staatliche Schule für Holzkunst) nach St. Ulrich

nico di Bolzano wurde. Im Jahr 1939 hatte der

und Wolkenstein verlegt, während in Bozen alle

Minister Giuseppe Bottai die Carta della Scuola

industriellen Fachkurse blieben; in Bozen wurden

ausgearbeitet, mit der zwei Ausrichtungen zur

auch die Berufsausbildungskurse für Marmorver-

Weiterbildung nach der Volksschule geschaffen

arbeitung beibehalten (Abb. 20), die die Entfal-

wurden: auf der einen Seite die dreijährige Mittel-

tung der „monumentalen“ Kunst in Südtirol zum

schule (mit der die ersten Klassen der Lyzeen und

Ziel und dabei besonders die städtebauliche und

der Lehrerbildungsanstalten zusammenfielen),

architektonische Umgestaltung der Stadt Bozen

auf der anderen die Berufsschule, die wie schon

vor Augen hatten29.

bisher einzig als Vorbereitung auf den Eintritt in

19

20

Mit dem Erlass vom 15. März 1924 erkannte

die Arbeitswelt gedacht war. Mit dem Ausbruch

der italienische König Vittorio Emanuele III. die

des Zweiten Weltkriegs erfuhr der Bottai-Entwurf

Bozner Industrieschule als Regia Scuola Indust-

einen Stopp. Erst nach Kriegsende fanden das

riale alle dipendenze del Ministero dell’Economia

Schulwesen und die Berufsausbildung mit der

Nazionale an. Sie wurde als dreijährige Ausbil-

Gründung der italienischen Republik und der

dungsschule neu organisiert, „mit Vorbereitungs-

Verabschiedung der Verfassung neue Entwick-

kursen für mechanisch-technische Fächer und

lungsmöglichkeiten, die durch die Selbstverwal-

19. Titelblatt des Jahresberichts 1920–1921 der Staatsgewerbeschule, Bozen, Stadtmuseum

für Tischler und Holzschnitzer, mit ergänzenden

tung Südtirols, das neue Autonomiestatut und

20. Von den Schülern hergestellte Gegenstände aus Marmor

133


die nachfolgenden Durchführungsbestimmungen starke, innovative Impulse bekamen. Viel Dokumentationsmaterial bliebe noch zu untersuchen und „ans Licht zu bringen“, damit wir uns ein klares Bild von der Bedeutung der Fachschule für die Geschichte und die Entwicklung der Stadt Bozen machen können. Die vielfältigen, neuartigen Erfahrungen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, die Wechselbeziehung zwischen Schule und Stadt, Arbeitern und Kultur, Kunst und Gewerbe, Künstlern und Studenten, ja zwischen unterschiedlichen Kulturen und Sprachen sind nichts anderes als Steine eines kostbaren Mosaiks, das noch zusammengesetzt werden muss und uns vielleicht ein noch verborgenes Bild unserer Stadt enthüllen kann.

134

1 Die Fachschulen hatten im Schulwesen des Habsburgerreiches im 19. und 20. Jahrhundert eine besondere Relevanz. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an waren – mit Unterstützung besonders der Handelskammern, der Gemeinden und der Persönlichkeiten aus Industrie und Handwerk – diese Fachschulen mit dem Ziel gegründet worden, die technisch-praktischen und spezialisierten Kenntnisse der Schüler durch die Werkstättenarbeit zu ergänzen, um damit den neuen Bedürfnissen in handwerklichem, künstlerischem und industriellem Bereich besser Rechnung tragen zu können. Diese Fachschulen hatten verschiedene, auch stark spezifische Ausrichtungen und waren auf das Engste mit der Wirtschaft des Territoriums verbunden. 2 Vgl. den Beitrag von Silvia Spada Pintarelli und Giovanna Tamassia in der vorliegenden Publikation. 3 „Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen Kaiserl. Königl. Erbländern d.d. Wien den 6ten December 1774, Wien, gedruckt bey Iohann Thomas Edler von Trattnern, kaiserl. Königl. Hofbuchdrucker und Buchhändler, Ordine generale per le scuole normali, principali ed ordinarie da introdursi in tutti gli Stati ereditari di S.M.I.R. Dato in Vienna li 6 dicembre 1774“, in: Stenico 1985, S. 21; S. 75. 4 Mit der Reform von 1869 wurde die Schulpflicht bis auf das 14. Lebensjahr verlängert. Sie legte außerdem das Recht auf muttersprachlichen Unterricht fest und führte zu einer Neuordnung des gesamten österreichischen Schulund Bildungssystems. Mit dem Rahmengesetz wurden die „Allgemeinen Volksschulen“ und die „Bürgerschulen“ eingerichtet, Letztere mit dem Ziel, „auch den Schülern, die nicht die Mittelschule besuchen, eine höhere Bildung zu garantieren“. In den allgemeinen Volksschulen und den Bürgerschulen wurden die Schüler im Lesen, Schreiben und Rechnen sowie in technischen Fächern unterrichtet. 5 Unter Realien verstand man im Schulwesen die Sachfächer, die sich mit realen Dingen beschäftigen, wie Mathematik, Geometrie, Naturlehre, Physik, Chemie, Geografie, Schönschreiben und Zeichnen. Die siebenjährigen Realschulen, die allerdings nur in den Hauptstädten bestanden, waren in eine Unterrealschule und eine Realschule untergliedert und sollten die Schüler in Hinblick auf ihren Beruf im Handel, in der Landwirtschaft, im Handwerk und im Kunsthandwerk unterweisen. In Rovereto zum Beispiel war 1854 die Scuola Reale Elisabettina gegründet worden, aus der – dank des von Luigi Comel erteilten Unterrichts – begabte Künstler wie Fortunato Depero, Tullio Garbari, Giovanni Tiella, Iginio Grassi, Luciano Baldessari, Giorgio Wenter Marini und andere hervorgingen. Vgl. de Finis 2008. 6 Im Jahr 1883 hatte die Schulverwaltung versucht, in der Bürgerschule Arbeiter und Bauern auszubilden. Das Lehrprogramm war aber noch zu stark auf die sogenannte „allgemeine Bildung“ ausgerichtet, während praktischen Tätigkeiten, der Handarbeit und der angewandten Kunst nur wenig Platz eingeräumt wurde. So wurden parallel zur Pflichtschule andere Ausbildungskurse ins Leben gerufen: In den letzten zwei Jahren Schulpflicht konnten die Schüler eine zwei- oder dreijährige Berufsvorschule (auch „Allgemeine Handwerkerschule“) besuchen, deren theoretische und praktische Fächer sie auf die Arbeit vorbereiteten. Aber diese Schule setzte sich nicht durch: einerseits aus Mangel an geeigneten Lehrkräften, andererseits angesichts der hohen Stundenzahl. Zwischen 1885 und 1889 förderte die staatliche Schulverwaltung in Wien die Gründung von Staats-Handwerkerschulen, die von den Ländern, den Gemeinden, den Handelskammern und vom Staat finanziert wurden. Die Bürgerschulen wurden von den Kindern aus Unternehmerkreisen besucht, die Berufsschulen dagegen

von Kindern aus den unteren Gesellschaftsschichten. Die Hälfte der Schüler allerdings verließ die Schule schon nach zwei Jahren, sobald sie die Schulpflicht erfüllt hatte, da sie auf diese Weise die schulische Beurteilung am Kursende umgehen konnte. Nach 1893 wurden keine weiteren StaatsHandwerkerschulen mehr eingerichtet, doch die bestehenden beeinflussten – trotz ihrer relativ geringen Verbreitung – das öffentliche Schulwesen in Österreich bis in die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Vgl. Engelbrecht 1984 und Ibd. 1986. 7 Vgl. Anm. 1. 8 Das Vinschgauer Dorf Laas, dessen Gemeindegebiet sich von 832 bis in 3545 m Höhe ausdehnt, ist berühmt für seine Marmorbrüche und die Marmorverarbeitung vor Ort. Aus Laaser Marmor besteht zum Beispiel das Standbild von Walther von der Vogelweide auf dem gleichnamigen Bozner Hauptplatz. Die Laaser Marmorbahn, eine Schmalspurbahn mit spektakulärem Schrägaufzug, wurde für den Taltransport der Marmorblöcke von der Lasa Marmo erbaut. Die Laaser Marmorlager, die schon zur Römerzeit bekannt waren, wurden vom frühen 20. Jahrhundert an systematisch ausgebeutet. Mit dem Marmorabbau sind heute noch zwei einheimische Firmen beschäftigt. Der Begriff „Marmor“ leitet sich vom altgriechischen Wort μάρμαρον (mármaron) oder μάρμαρος (mármaros) ab, was soviel wie „glänzender Stein“ bedeutet und seinerseits auf das Verb μαρμαίρω (marmaírō) für „glänzen, strahlen“ zurückzuführen ist. 9 Vgl. Telfser 1989. 10 Vgl. Hölzl 2007, S. 71–130; Holzer/Mezzalira/Mock/Visintin 1995, S. 39–52 und 125–131; Zendron/Romeo 19912, S. 11–15 und Ibd. 2005, S. 10–12. 11 Jahresbericht 1888/89, 1889, S. 3. 12 Die Schule beabsichtigte, eine Art „einheitlichen Zweijahreskurs“ für Schüler von 12 bis 14 Jahren einzurichten, um ihnen die den verschiedenen Zweigen der Berufsschule gemeinsamen theoretischen, praktischen und technischen Kompetenzen zu vermitteln. 13 Das Modellieren, das der Bildhauerei vorausgeht, umfasst die Materialienkunde, die Verwirklichung von Gegenständen mit unterschiedlichen Techniken, das Herstellen von Flach-, Halb- und Hochreliefs. Sobald die Schüler die verschiedenen Modellierungstechniken beherrschen, können sie zum Studium der Figuren und der menschlichen Anatomie übergehen. Vom Modellieren unterscheidet sich der Modellbau, der noch heute in Kunstschulen unterrichtet wird. In der Bozner Fachschule diente er zum Beispiel zum Entwurf von Holzdachmodellen. 14 Bei der Stube handelt es sich um den wichtigsten Raum der Wohnhäuser im Gebirge, wo sich die Familie zum Essen und nach Feierabend versammelt. Die Stube ist nicht nur typisch für die Bergbauernhöfe, sondern für Wohnbauten in den Alpen allgemeinen, mögen sie in den Tälern oder auf den Hängen liegen. Besonders in Südtirol stellt sie ein wertvolles Zeugnis des traditionellen Schnitzund Zimmererhandwerks dar. 15 Der Erker, ein Vorbau an der Fassade oder der Kante eines Wohnhauses, ist als typische Baustruktur in deutschsprachigen und allgemein mitteleuropäischen Ländern verbreitet. Besonders der Stubenerker diente zur Erweiterung der Wohnfläche, zur besseren Belichtung der Räume und als künstlerisches Gliederungsmotiv. 16 Der Gulden (von mhd. Guldin „Goldmünze“) war eine im k.k. Reich von 1754 bis 1892 gültige Währungseinheit. Im Jahr 1892 wurde das österreichisch-ungarische Kaiserreich auf die Kronenwährung umgestellt, mit der ein Gulden in zwei Kronen umgewechselt wurde.


17 Bei dem im Jahr 1770 dank einer Schenkung des Bozner Adeligen Franz de Paula von Mayrl gegründeten „freiwilligen Arbeitshaus“ handelte es sich um eine Wohlfahrtseinrichtung, in der körperlich oder geistig Behinderte freiwillig – nicht erzwungenermaßen, wie in anderen Ländern Europas – eine Arbeit erlernen und ausführen und auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Anfangs befand sich hier eine Werkstätte für Baumwoll- und Seidenspinnerei, während hier später Wolle gesponnen, gefärbt und zu Decken verarbeitet wurde. Vgl. Fogale 2003, S. 75–82 und Pantozzi 2001. 18 Jahresbericht 1888/89, 1889. 19 Vgl. Unterhofer 2003, S. 4; vgl. Weltausstellung, 1900, S. 167–170. 20 Vgl. k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule 1910– 1911, 1911. 21 Der Buchbestand der Bibliothek der Fachschule (der späteren „k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule Bozen“), in die auch Werke aus der Laaser Fachschule eingegangen sind, wurde anfangs in die Scuola Tecnica Industriale „Guido Presel“ in Bozen verlegt, durch die nach der 1923–1924 erfolgten Gentile-Reform alle deutschsprachigen Berufs- und Fachschulen ersetzt wurden. Nach dem Krieg wurde die Schule zum Istituto Tecnico Industriale / Gewerbeoberschule „Galileo Galilei“. Ein Teil der Bücher wurde dann der Volksbücherei Gries vermacht. Vgl. den Beitrag von Silvia Spada Pintarelli und Giovanna Tamassia in der vorliegenden Publikation. 22 Vgl. k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule 1912– 1913, 1913. 23 Vgl. k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule 1913– 1914, 1914. 24 Vgl. k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule 1914– 1915, 1915. 25 Vgl. den Beitrag von Christoph Hartung von Hartungen in der vorliegenden Publikation, der auf die Zusammenarbeit zwischen der Werkstätte der Staatsgewerbeschule und die von Dr. Böhler durchgeführten Experimente in orthopädischem Bereich eingeht. 26 Vgl. k.k. Staatsgewerbeschule 1914/15, 1915. 27 Vgl. k.k. Staatsgewerbeschule 1921–1922, 1922. 28 Cossetto/Spada 2006. 29 Mit dem Gentile-Gesetz aus dem Jahr 1923 wurde die Neuordnung und Rationalisierung der Kunstgewerbeund Kunstschulen, der Gymnasien und der Akademien verfügt und ein konkretes finanzielles Eingagement von seiten des Staates in Einklang mit den örtlichen Körperschaften in Aussicht gestellt. Die künstlerischen Besonderheiten eines Gebiets, die unterschiedlichen Facetten der Kreativität, des Erfindergeistes und der Expressivität und deren technologische und produktive Entfaltung kamen in einen einzigen „Behälter“. Kunstschulen, Kunstoberschulen und Kunstakademien, Architekturschulen, Konservatorien, Schauspiel- und Ballettschulen behielten ihre Merkmale innerhalb eines wichtigen Unterrichtszweigs. Im Art. 4 des Gentile-Gesetzes heißt es: „Die Kunstschulen und -anstalten haben das Ziel, die Schüler in künstlerischer Tätigkeit und Produktion auszubilden, je nach den Traditionen, den Gewerben und den Rohstoffen der jeweiligen Region. Die Kunstschulen müssen über mindestens eine Werkstätte verfügen. Wenn in einer Kunstschule mehr als ein Spezialfach unterrichtet wird, muss die Schule in die jeweils nötigen Sektionen untergliedert werden“. Im Art. 5 heißt es: „Im Oberkurs der Kunstschule werden die Schüler, die schon Werkstättenpraxis hinter sich haben, zu originalen Arbeiten in angewandter Kunst angeleitet und mit der zur Ausbildung von Werkmeistern notwendigen Bildung ausgestattet“. Und schließlich der Art. 10: „Das Unterrichtsministerium kann unter Mitwirkung der

örtlichen Körperschaften die Gründung von Kunstoberschulen fördern, um den Unterricht in den Techniken der verschiedenen Künste mit praktischen und theoretischen Kenntnissen zu ergänzen, die zur rechten Entwicklung einer Industrie notwendig sind, und mit Kenntnissen in Allgemeinbildung, die zur Übernahme von leitenden Stellen in einer Kunstindustrie unerlässlich sind“. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Berufsausbildung im Königreich Italien einen völlig anderen Weg gegangen war als im k.k. Reich und in Deutschland, da es hier bis in die Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts an planmäßigen Maßnahmen seitens des Staates gefehlt hatte. Die meisten Vorkehrungen zu Förderung und Unterstützung der Kunstgewerbeschulen waren von Privaten, Unternehmern oder religiösen Körperschaften ausgegangen, bei nur äußerst geringer Beteiligung der örtlichen Körperschaften oder der Handelskammern. Angesichts dieser unterschiedlichen Schulsysteme kam es in Südtirol mit dem Anschluss an Italien zu einem weiteren, schweren Bruch, und erst in den vergangenen 30 Jahren hat sich ein möglicher Weg zu Begegnung und Dialog abgezeichnet. 30 Die Regia Scuola Industriale alle dipendenze del Ministero dell’Economia Nazionale wurde «riordinata quale scuola di tirocinio triennale con corso preparatorio per industrie meccaniche e per falegnami, ebanisti intagliatori, con annessi corsi invernali triennali di perfezionamento per operai d’industrie edili, fabbri, falegnami e decoratori, Scuola complementare per apprendisti, Sala pubblica di disegno e modellato e corsi per elettricisti, motoristi, idraulici. Il personale titolare della Scuola si compone del direttore, di dodici insegnanti, di cinque capofficina, di 2 sottocapi di un segretario, di due bidelli, di un applicato. Al mantenimento annuo della scuola concorrono il Ministero dell’Economia Nazionale con Lire 436,000 oltre le somme necessarie per l’applicazione al personale degli aumenti apportati dall’assimilazione […]. Il Comune di Bolzano resta obbligato in seguito delle deliberazioni prese all’atto dell’istituzione della Scuola a fornire alla Scuola stessa i locali e a provvedere alla loro manutenzione e alla fornitura dell’acqua, del riscaldamento, dell’illuminazione. Vanno pure a beneficio del bilancio della scuola i contributi straordinari degli enti o di privati e le tasse scolastiche“. Dekret vom 15. März 1924, Archiv der Gewerbeoberschule „Galilei“, Bozen.

Konsultierte Archive und Fonds Bibliothek des Archiginnasio, Bologna I.T.I.-Fundus (die hier aufbewahrten Bücher kommen aus: k.k. Fachschule für Holzindustrie in Bozen, 1884; k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule Bozen, 1904, k.k. Fachschule für Steinbearbeitung in Laas, 1911; k.k. Staatsgewerbeschule in Bozen, 1914; Regia Scuola Industriale / Kgl. Staatsgewerbeschule in Bozen, 1922; Regia Scuola Tecnica a indirizzo industriale e artigiana „Guido Presel“ in Bozen, 1933; Regio Istituto Tecnico Industriale in Bozen, 1939; Istituto Tecnico Industriale, 1946; Volksbücherei Gries Südtiroler Landesarchiv Stadtarchiv Bozen Archiv der Gewerbeoberschule „Galileo Galilei“ Bozen Tiroler Landesarchiv Innsbruck Stadtmuseum Bozen Archiv der Handelskammer Bozen

135


Im Jahr 1901 wurde das ehemalige Dominikanerkloster, das in der Zwischenzeit auch als Kaserne gedient hatte, zum festen Sitz der Fachschule. Diese im Jahr 1882 als „Gewerbliche Lehranstalt“ gegründete Schule hatte sich bis dahin in zwei in der Vintlergasse und der Franziskanergasse gelegenen Gebäuden befunden. Über die Verlegung in die ehemalige Dominikanerkaserne im Jahr 1901 ist wenig bekannt, und auch im Bozner Stadtarchiv finden sich nur spärliche Hinweise. Recht interessant ist in diesem Zusammenhang eine Ansicht des (von Sebastian Altmann umgebauten) Gebäudes gegen den heutigen Dominikanerplatz (damals

Vorlagen für die Fachschule: Bücher, Kunstwerke und Kunstgegenstände

Kaiser-Josef-Platz)2, das in Dachhöhe eine Reihe von Dachfenstern (Abb. 1) zeigt, die in der Folge durch große Fenster (Abb. 2) ersetzt werden sollten, und ein Grundriss des Erdgeschosses mit der Angabe der Bestimmung der einzelnen Räum-

Silvia Spada Pintarelli Giovanna Tamassia

lichkeiten3 (Abb. 3). Die Fachschule konnte durch den ursprünglichen Zugang zum Kreuzgang betreten werden. An der auf den Platz gehenden Südseite, wo sich heute das Erdgeschoss der Stadtgalerie befindet, lagen (von links nach rechts) ein Raum für technische Sammlungen und ein Zeichensaal (8,40 x 13,20 m), nach dem heutigen Zugang dann zwei Lehrzimmer. Drei Flügel des Kreuzgangs dienten als Korridor und Zugang zu den inneren Räumen. Der Ostflügel beherbergte die Wohnung des Schuldieners und eine Steinmetzabteilung, während das entsprechende Lehrzimmer sich im ehemaligen Kapitelsaal im Südflügel befand. Nach der Katharinenkapelle, für die keine Bestimmung angeführt wird, gab es eine weitere Modellsammlung. Auch die ehemalige Johanneskapelle hatte eine Verwendung: Der dreigeteilte Raum nahm einen Akkumulator, ein Lager und ein „Cabinet“ wohl für den technischen Unterricht auf. Von der Kapelle trat man in den Außenbereich, wo ein langes, schmales Bauwerk als Holzlager diente. Die Räumlichkeiten um den zweiten (heute demolierten) Kreuzgang hatten folgende Zweckbestimmung: an der Nordseite ein Lehrzimmer; an der Ostseite ein unbestimmter, im Bedarfsfall

136


1

2 1. Projekt zur Verlegung der Fachschule in die ehemalige Dominikanerkaserne, Bozen, Stadtarchiv 2. Das ehemalige Dominikanerkloster als Sitz der Fachschule, um 1900–1919, Bozen, Stadtarchiv

137


genutzter „Bisogn Raum“; ein großer, durch die Abtragung einer Trennwand geschaffener Zeichensaal; Lagerräume für Holz und Kohle; wieder ein „Cabinet“ mit einer Drehbank. Jenseits des Gewölbekorridors des Südflügels befand sich die Schlosserei, während ein gewölbter Raum an der Westseite als Metalllager diente, der anschließende Raum als Bad, und von hier waren auch die Schreinerei, die Tischlerei und andere Lehrzimmer zu erreichen. Dieser Parterregrundriss trägt kein Datum, ist aber wahrscheinlich zur gleichen Zeit wie die erwähnte Ansicht des Gebäudes entstanden und bezieht sich somit auf die Anfänge der Fachschule im Jahr 19014. Kunstwerke als Vorlagen Interessant ist dabei zu bemerken, dass ein recht 3

großer Raum (8,80 x 10,20 m) als Modellsammlung diente: ein Beweis mehr für die Bedeutung, die in fast allen Unterrichtsfächern der Fachschule diesen didaktischen Materialien zugeschrieben wurde. Ein Teil dieser Modelle geht, wahrscheinlich im Jahr 1933, in die Sammlungen des Bozner Stadtmuseums über, wo sie in den Eingangsverzeichnissen5 inventarisiert wurden, oft außer von einer schriftlichen Beschreibung von wunderschönen Zeichnungen begleitet, die sie in allen Details wiedergeben (Abb. 4–5). Es handelt sich in der Mehrzahl um gotische und barocke Skulpturen, um Möbel und andere, auch kleinformatige Einrichtungsgegenstände (Türklinken, Schlüssel, Fliesen, Rahmen und vieles andere mehr). Dazu dann wahre „Kleinode“ der gotischen Kunst, wie zum Beispiel eine Heilige Anna Selbdritt und ein Evangelist Johannes (Abb. 6a–6b) aus dem späten 15. Jahrhundert, wahrscheinlich flämischer Schule, ein bärtiger, von einem einheimischen Bildschnitzer geschaffener Heiliger aus dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts oder aus derselben Zeit ein Klagender Johannes und eine Weinende Maria vielleicht von einem deutschen Künstler6: Alle diese Werke könnten an eine – im Übrigen dem Zeitgeschmack entsprechende – Vorliebe für

3. Parterregrundriss der Fachschule, Bozen, Stadtarchiv

138

mittelalterliche Werke denken lassen, die damals


als reinste Ausdrucksform nationalen Empfindens angesehen wurden. Zu den Sammlungen der Fachschule gehören aber auch vorzügliche Beispiele aus der Barockzeit, wie zwei Bischofsbüsten und ein Cherub (Abb. 7) aus dem 17. Jahrhundert, Engelsköpfe aus dem 18. Jahrhundert, zwei Prozessionsstangen von Martin Vinatzer7 und weitere Heiligenstatuen, überwiegend aus dem Tiroler Raum. Einheimische Arbeiten sind auch die meisten Einrichtungsgegenstände, darunter eine schöne gotische Tür (1516), die in der Lünette einen großen, in Flachrelieftechnik ausgeführten Doppeladler aufweist8 (Abb. 8). Bei den Neuerwerbungen wurde besonderes Gewicht auf die Qualität der Arbeit und deren Verfügbarkeit auf dem einheimischen Markt gelegt, auch aus denkmalpflegerischen Gründen – was ein interessanter Briefwechsel zwischen der Bozner Fachschule und der „Central Commission“ in Wien zeigt9: Aus den Schreiben

applizierten Ornamenten (25 Fl) – Nr. 53 und 54: zwei geschnitzte Bauernstühle (4 bzw. 4,50 Fl) – Nr. 62: Stuhl, Lehne und Verbindungsstutzen geschnitzt (6,50 Fl) – Nr. 65: Engelsfigur (Relief ), gotisch11 (12 Fl) – Nr. 66: Engelsfigur, 17. Jahrhundert (neu gefasst) (17 Fl) – Nr. 69: Hl. Sebastian, gotisch (neu gefasst) (27 Fl) – Nr. 70: Hl. Elisabeth, gotisch (neu gefasst) (30 Fl) – Nr. 76: Stuhl, geschnitzt und intarsiert (5,50 Fl) – Nr. 82: gotische Tür (1512) (8 Fl) – Nr. 83: Spinnrad mit Metallrädchen (3,50 Fl) – Nr. 84–86: drei Rahmen (18. Jh.), neu vergoldet (15, 6 bzw. 4 Fl)

4

geht hervor, dass die Frage der Ankäufe von den höchsten Stellen des Staates verfolgt und auch „manövriert“ wurde.

Am 17. November 1891 hatte das Unterrichtsministerium der Schule die Genehmigung

Im Jahr 1891 zum Beispiel setzt das Ministe-

zum Erwerb von zwölf gotischen Schnitzbalken

rium für Kultus und Unterricht – aus der Über-

erteilt, die beim Antiquitätenhändler Girtler in

zeugung heraus, dass die Fachschulen zu Unter-

Sterzing zum Verkauf standen, und dafür den be-

richtszwecken einen kleinen Bestand an antiken,

achtlichen Betrag von 240 Gulden12 ausgesetzt,

in der Umgebung gesammelten Originalstücken

wodurch die anfangs für die Ankäufe bereitgestell-

brauchten – für die Bozner Schule einen Betrag

te Geldsumme fast verdoppelt wurde.

in Höhe von 200 Gulden aus. Am 27. Novem-

Aber das Ministerium und die Wiener Zen-

ber desselben Jahres wird das Verzeichnis der zu

tralkommission förderten und unterstützten die

einem Gesamtbetrag von 288 Gulden erworbe-

Erwerbungskampagne der Bozner Schule nicht

nen Gegenstände bewilligt, von denen die unter

nur aus didaktischen Gründen, sondern sie wa-

den Nummern 65, 66, 69 und 70 angeführten

ren auch auf Schutz und Sicherung des örtlichen

Objekte an die Schule in St. Ulrich gehen, die

Kunstbestands bedacht.

restlichen an die in Bozen. Zugleich wird auch

Ein Beweis hierfür ist ein in diesem Brief-

die Bereitstellung eines ähnlichen Betrags für das

wechsel enthaltenes, an den Bozner Schulleiter

folgende Jahr in Aussicht gestellt.

Hans Kornauth gerichtetes Schreiben vom 10.

Das Verzeichnis umfasste: 10

– Nr. 13: mit Intarsien versehene Truhe vom Anfang des 16. Jahrhunderts (15 Fl) – Nr. 14: Truhe (1606), mit farbigen Intarsien (25 Fl) – Nr. 15 und 17: zwei Truhen (17. Jh.), Vorderseite nicht intarsiert (30 Fl) – Nr. 18: Truhe (17. Jh.), mit Intarsien und

5

Dezember 1890, in dem es unter anderem heißt: „Es ist in letzter Zeit die Nachricht an die Central Commission gekommen, dass vor kurzem eine gothische (?) Zimmervertäfelung aus der Gegend von Bozen nach Deutschland verkauft wurde und dass dieser Verkauf durch eine gewerbliche Lehrkraft vermittelt worden sein soll.“ Das Wiener Amt bittet Kornauth, zu dieser Angelegenheit

4.–5. Eingangsverzeichnis zur Übernahme der Gegenstände ins Bozner Stadtmuseum, Bozen, Stadtmuseum

139


8

6a

6b

9

7

6a.–6b. Flämischer Bildschnitzer, Heilige Anna Selbdritt und Evangelist Johannes, Bozen, Stadtmuseum 7. Tiroler Bildschnitzer, Cherub, Bozen, Stadtmuseum

140

8. Gotische Tür des Bozner Stadtmuseums, aus: F. Paukert „Zimmergotik in Deutsch-Tirol”, Bozen, Stadtmuseum 9. Frontispiz des Buchs „L’art de tourner en perfection / Die Kunst vollkommen zu drechseln“, Bozen, Stadtmuseum


nähere Informationen einzuholen, da er für derlei Probleme sicher Verständnis habe: „Aus dem jüngsten Hefte der Lützow’schen Zeitschrift“ habe man ersehen, „dass Sie Amateur sind und ein schönes altes in Holz geschnitztes Kreuz nach Wien an das Hofmuseum abgegeben haben“13. Es sei schmerzlich, mit ansehen zu müssen, dass auch die wenigen vor Ort gebliebenen Kunstwerke jetzt ins Ausland gingen. Kornauth erwidert, dass ein in München ansässiger Maler ihn in der Tat „vor circa Jahresfrist“ gebeten habe, sich eine Holzverkleidung in Tramin anzusehen, die er zu kaufen beabsichtige. Es habe sich allerdings um die sehr schlecht erhaltene Holzverkleidung einer Schusterwerkstätte gehandelt, die bisher niemand habe kaufen wollen… Auf jeden Fall sprechen aus den präzisen

10

Anfragen und Bemerkungen der Wiener Zentralkommission – nach dem Motto: „Gewarnter Mann ist halb gerettet“ – ein Verständnis und ein Interesse, die auch heute noch ganz und gar nicht überflüssig wären. Die Vorlagenwerke Als weitere Quelle, die für das Verständnis der Unterrichtsweise und der Einschätzung der verschiedenen pädagogischen Hilfsmaterialien äußerst aufschlussreich ist, kann die Bibliothek angesehen werden, die besonders viele, wertvolle Vorlagenbücher besitzt. Der Hauptfundus des Buchbestands der Fachschule, der an das italienischsprachige Istituto Tecnico Industriale in Bozen übergegangen ist, konnte anlässlich dieser Ausstellung, auf Verwendung des Amtes für Museen und kunsthistorische Kulturgüter der Stadt Bozen, von der Stadtbibliothek „Cesare Battisti“, die die Werke von der Schule übernommen hat, inventarisiert werden. Dieser Bestand war zwar bekannt, aber bisher noch nicht geordnet worden, und eben gerade dank dieser Maßnahme können wir uns jetzt der außergewöhnlichen Bedeutung des Materials bewusst werden. Der I.T.I.-Fundus besteht aus insgesamt 986, überwiegend deutschsprachigen14 Büchern in gutem Erhaltungszustand. Das älteste Werk

10. Kücheneinrichtung, aus einem Vorlagenwerk, Bozen, Stadtbibliothek

141


geht auf das Jahr 1776 zurück15 (Abb. 9), das

und die Signaturnummer, sondern ihnen ist auch

jüngste stammt aus dem Jahr 194416. Von der

zu ersehen, dass die Schule über zwei unterschied-

gemeinsamen Provenienz der Bücher zeugt ein

liche Bibliotheken verfügte, eine Lehrerbibliothek

rechteckiges, auf das Istituto Tecnico Industriale

und eine Schülerbibliothek18. Anderen Büchern

verweisendes Etikett, das auf dem unteren Teil der

ist zu entnehmen, dass sie sich eine Zeit lang in

Buchrücken angebracht ist : Nach der Aufhebung

der Volksbücherei Gries befunden hatten. Aller-

der deutschsprachigen Schule ging deren Buch-

dings ist die Art und Weise ihrer Weitergabe nicht

bestand an die Bibliothek der eben gegründeten

nachzuvollziehen: Die Bücher weisen Stempel

Regia Scuola Industriale, die später nach dem

der k.k. Fachschule und der Scuola „Presel“ auf,

Fliegerass Guido Presel betitelt wurde. Auf jeden

die sicher vor dem Stempel der Grieser Volksbü-

Fall ist zu bemerken, dass der größte Teil dieses

cherei angebracht worden sind. Aber es ist nicht

Bestands zwischen dem letzten Viertel des 19.

klar, auf welchem Weg sie dann neuerlich in den

Jahrhunderts und den ersten Jahren des 20. Jahr-

I.T.I.-Fundus gelangt sind.

17

hunderts zusammengestellt worden ist, das heißt

Da es sich um die Bibliothek einer bedeu-

im Rahmen des Betriebs der Bozner Fachschule.

tenden Fachschule zur Ausbildung von Bau- und

Der Bücherbestand wurde aber auch in der Folge

Kunsthandwerkern handelte, kam der Abteilung

erweitert, als schon die Regia Scuola Industriale

der Vorlagenbücher und -tafeln sehr große Be-

ins Leben gerufen worden war.

deutung zu. Wie Milena Cossetto20 in der vor-

Anhand der Signaturen und Stempel kann

liegenden Publikation bemerkt, wurden in der

die Entwicklung der Schulbibliothek rekonstruiert

Fachschule Ausbildungskurse für die verschiede-

werden, die Abfolge der verschiedenen Bezeich-

nen handwerklichen Bereiche abgehalten, und

nungen und die für die Bücher signifikanten Be-

außerdem konnte das in der Schule aufbewahrte

gebenheiten. Bei jedem Namenswechsel wurden

und verwendete Material auch von Außenstehen-

natürlich auch die Stempel geändert, während das

den eingesehen werden. In dieser Abteilung finden

Katalogisierungssystem der Bücher beibehalten

sich viele, oft großformatige Publikationen mit

wurde, sodass die Signaturen und auch die inneren

detaillierten Vorlagen für die Arbeit auf den unter-

Unterteilungen gleich blieben. Die Signaturen,

schiedlichsten Bereichen. Die künftigen Tischler

die sich auf die Bibliothek der Scuola Industriale

konnten sich in einem Buch über das Bauen von

„Guido Presel“ beziehen, sind meist unleserlich:

modernen Möbeln informieren21 (Abb. 10), aber

Sie waren per Hand in einen auf der jeweils ers-

auch über die Möbel aus vergangenen Zeiten, und

ten Buchseite angebrachten Stempel eingetragen

darüber hinaus konnten sie die Verwirklichung

worden, wurden aber in der Folge durch die einge-

von Alltagsobjekten oder von Bauelementen er-

klebten Etiketten des Istituto Tecnico Industriale

lernen. Dann auch Publikationen über die Her-

verdeckt. Auf der ersten Buchseite befindet sich

stellung von schmiedeeisernen Gegenständen, die

immer auch eine mit Bleistift verzeichnete In-

eine funktionelle Zweckbestimmung haben oder

ventarnummer, die auf die Ära der Regia Scuola

aber auch als reines Ornament dienen konnten.

Industriale zurückgeht.

Neben technischen Texten, zum Beispiel zur

Eben diese Stempel informieren uns auch,

Anfertigung von Schlössern, gab es andere Pub-

dass ein ansehnlicher Teil der Bände aus Laas nach

likationen, aus denen eindeutig die Verbindung

Bozen gekommen ist, wahrscheinlich nach der im

von handwerklichem Können und ästhetischem

Jahr 1911 erfolgten Verlegung der k.k. Schule für

Sinn spricht, wie sie qualitätsvolles Kunsthand-

Steinbearbeitung, die sich bis dahin im Vinsch-

werk auszeichnet. Charakteristisch sind in die-

gauer Dorf befunden hatte, nach Bozen. Auf den

sem Sinn eine Reihe von Tafeln für die Schuster,

Stempeln in den aus Laas gekommenen Büchern

denen hier nicht nur die Grundkenntnisse ihres

finden sich nicht nur das per Hand eingetragene

Metiers vor Augen geführt wurden, sondern auch

Ankaufsdatum der Publikation seitens der Schule

Modelle für aparte Herren- und Damenschuhe22

142

11

12

11. Entwürfe für einen „Morgenschuh“ und einen Schlittschuhstiefel für Damen, aus einem Buch von E. Gerhard, Bozen, Stadtbibliothek 12. Entwürfe für Damenpantoffeln mit Stickerei, aus einem Buch von E. Gerhard, Bozen, Stadtbibliothek


(Abb. 11–12), oder aber Erläuterungstafeln zum

ner Veröffentlichungen der Lehrer Hans Nowack

Erlernen des Korbflechtens und zur Herstellung

bezeichnet, der bei Ferdinand Schenk in Wien he-

der verschiedenartigsten Behälter (Abb. 13).

rausgegebene Tafeln25 (Abb. 15) mit alphabetisch

Von großer Relevanz sind auch die Sammlungen

geordneten Monogrammen geschaffen hat. Von

grafischer Vorlagen für die unterschiedlichsten

großer Relevanz dann die publizistische Tätigkeit

Motive, von Monogrammen bis zur Einrichtung,

von Franz Paukert, der technisches und konstruk-

aber auch sehr hochwertige Publikationen, wie die

tives Zeichnen unterrichtete und später auch die

Serie der Pflanzenmotive, die von Zeichnungen

Schule leitete. Er ist der Schöpfer der Tafeln des

nach der Natur ausgehen, um dann auf die Dar-

monumentalen zehnbändigen Werks Die Zim-

stellungsmodi und die ornamentale Entwicklung

mergotik in Deutsch-Tirol, das zwischen 1889 und

einiger Pflanzen in künstlerischen Darstellungen

1910 bei E.A. Seemann in Leipzig erschien26. In

unterschiedlicher Epochen einzugehen24 (Abb. 14

diesem – hier in drei Bände gebundenen – Werk

a, b, c, d, e, f ).

von Paukert finden sich zahlreiche detaillierte

23

Dabei überraschen nicht nur die Vielfalt, son-

grafische Reproduktionen von Dekorationen

dern auch der große Wert vieler Publikationen. In

und Möbeln im Tiroler Raum. Beim Anschauen

der Tat handelt es sich oft um wirklich kostbare

der mit äußerster Akribie ausgeführten Tafeln

Werke, die sich nicht nur durch die sorgfältig

fällt vor allem die Mannigfaltigkeit der Vorlagen

ausgeführten grafischen Details hervortun, son-

auf: Sie reichen von bronzenen Türklopfern aus

dern auch durch die Wahl wertvoller Materialien.

Bozen (Abb. 16) über Werke, die im Stadtmu-

Alle diese Veröffentlichungen zeugen von der

seum aufbewahrt waren, bis hin zu Fresken in

Bedeutung, die die Schulleitung der Bibliothek

verschiedenen Burgen (Abb. 17), nach der Natur

zuschrieb, zugleich aber auch von der Tatsache,

gezeichneten liturgischen Geräten aus Kirchen

dass ausreichende Geldmittel zum Ankauf si-

und Kapellen des Landes und Möbeln aus Pri-

cher nicht immer preiswerter Publikationen zur

vatwohnungen (Abb. 18). Die äußerste Sorgfalt,

Verfügung standen. In diesem aufmerksamen

mit der diese Arbeit gestaltet wurde, tritt aber

Interesse für Bücher und Unterrichtsmaterialien

nicht nur in der minutiösen Wiedergabe jedes

kommt zugleich auch zum Ausdruck, dass die

Details in Erscheinung, sondern auch in den auf

k.k. Fachschule im städtischen Leben Bozens

den Tafeln angeführten Anmerkungen: Neben

eine wesentliche Rolle spielte; denn sie wirkte

technischen Angaben oder Darstellungen dessel-

zweifellos auch als kulturelles Schwungrad – was

ben Objekts aus verschiedenen Blickwinkeln zur

auch aus der gewichtigen Tätigkeit seiner Lehrer

besseren Wiedergabe finden sich präzise Hin-

und Schüler auf dem Territorium hervorgeht.

weise auf den Ort, an dem der Gegenstand sich

Als weiterer Beweis für den intellektuellen und

befindet, und oft auch auf den Eigentümer. Jeder

schöpferischen Aufwind, der von der Fachschule

Sektion von Tafeln geht eine kurze Beschreibung

ausging, sind die Publikationen von Angehöri-

der Blätter voraus. Paukert, der sowohl die Texte

gen des Lehrkörpers anzusehen: Hans Kornauth,

geschrieben als auch die Illustrationen geschaffen

der mechanisch-technische Fächer unterrichtete

hat, bediente sich dabei auch der Mitarbeit von

und vom Jahr 1888 an der Schule als Direktor

Julius Knobloch, der Technologie, konstrukti-

vorstand, ist der Verfasser der Publikation Bei-

ves Zeichnen und Tischlerei unterrichtete. In

träge zu dem Verhältnisse zwischen Herbstholz und

diesem Werk wird nicht nur das große Können

Frühlingholz im Hochstamme der Coniferen, die

Paukerts deutlich, sondern auch sein Interesse

1882 in Chrudim herauskam, einer böhmischen

für die unterschiedlichsten Ausdrucksformen der

Stadt, in der Kornauth vor seiner Versetzung nach

handwerklichen und künstlerischen Arbeiten wie

Bozen die dortige Fachschule geleitet hatte. Als

auch seine Begabung zur unvoreingenommenen

k.k. Professor an der kunstgewerbl. Fachschule in

Beurteilung des ästhetischen Wertes von einzig

Bozen wird dagegen auf dem Titelblatt einer sei-

für den Alltagsgebrauch erdachten Gegenständen.

13

13. Weidengeflechte, aus: G. Funke/A. Cossmann „Vorlagen für das Fachzeichnen der Korbflechter“, Bozen, Stadtbibliothek

143


14a

14b

14c

14d

14e

14f

14a.–14b.–14c.–14d.–14e.–14f., Palmblattdekore, aus: J. von Storck „Die Pflanze in der Kunst“, Bozen, Stadtbibliothek

144


Unter den im Fundus aufbewahrten Publikationen Paukerts finden sich auch die Werke Altäre und anderes kirchliches Schreinwerk der Gotik in Tirol (1895) und Deutsche Renaissance in Österreich. Zweiter und letzter Band. Dritte Abteilung: Ober-Österreich und Salzburg. Vierte Abteilung: Tirol (1887), in dem er als Koautor neben A. Ortwein, R. Bakalowits, W. Schulmeister und M. Bischof erscheint, die schon den ersten, der Stei-

17

ermark und Böhmen gewidmeten Band (1884) verfasst hatten. Der Bibliotheksfundus zeigt auch deutlich, dass bei den Ankäufen nicht nur rein technische Bücher berücksichtig wurden, sondern dass die Schulleitung die Schaffung eines reichen und vollständigen Bestands im Auge hatte. Davon zeugen in kunstgewerblichem wie architektonischem Be-

15

reich anspruchsvolle und äußerst gepflegte Publikationen zu Kunstgeschichte, Bau- und Möbelstilen sowie aus den bedeutendsten Museen und Sammlungen des Habsburgerreichs stammende Schriften. Bei einem Blick auf die Vorlagenwerke wird man sich der für damalige Zeiten typischen Neigung zu einem gewissen Nationalgefühl bewusst, das aber auf unterschiedlichste Weise zum Ausdruck kommt. So finden wir auf der einen

16

Seite Veröffentlichungen, die – noch ganz im Geist der Romantik – die künstlerischen und

18

handwerklichen Traditionen der verschiedenen Länder des Kaiserreichs als unumgängliches, auch künftig noch zu befolgendes Vorbild hinstellen, während auf der anderen Seite ein neues Selbstbewusstsein zutage tritt, dem eine modernere Ausdrucksweise zugrunde liegt, wie die der Wiener Secession, ein absolut eigener, origineller Stil, der sich als neue Formensprache durchsetzt und auch die Kunst außerhalb der Grenzen des k.k. Reichs beeinflussen sollte. Und eben die dem Secessionsstil gewidmeten Publikationen verdienen es, besonders erwähnt zu werden: Es handelt sich um Werke, die von einem bemerkenswerten Interesse seitens der Bozner Schule für die künstlerische Entwicklung in den damals tonangebenden Städten zeugen, allen voran Wien. So finden wir hier Werke, die von erstrangigen Vertretern der Wiener Secession verwirklicht worden sind, wie

15. Frontispiz des Buchs „Das moderne Monogramm“, Bozen, Stadtbibliothek 16. Bronzener Türklopfer eines Bozner Hauses, aus: F. Paukert „Zimmergotik in Deutsch-Tirol“, Bozen, Stadtbibliothek

17. Kopie der Malereien im Grünen Saal der Burg Reifenstein bei Sterzing, aus: F. Paukert „Zimmergotik in Deutsch-Tirol“, Bozen, Stadtbibliothek 18. Zwei Faltstühle (aus Bozen und Eppan) aus der Sammlung Figdor in Wien, aus: F. Paukert „Zimmergotik in Deutsch-Tirol“, Bozen, Stadtbibliothek

145


19

19. Stoffentwürfe, aus: K. Moser „Flächen-Schmuck“, Bozen, Stadtbibliothek

146


zum Beispiel die bemerkenswerte Tafelsammlung Flächen-Schmuck von Koloman Moser27, die Ornamente für Textilien und Dekorationsstoffe enthält (Abb. 19). Nicht weniger außergewöhnlich ist die Publikation Graphischer Motiven-Schatz28, eine Sammlung von grafischen und ornamentalen Motiven, aus denen die in der Secession verbreitete Auffassung von Kunst spricht: Unter kompositorischem Gesichtspunkt tritt dieser Aspekt in der grafischen Wiedergabe der Sujets in Erscheinung, aber auch in der „totalen“ Ausarbeitung der Zeichnung, in der die einzelnen Teile sich ergänzen und miteinander verflechten und somit – zum Beispiel durch den bruchlosen Übergang von der Darstellung zum Rahmen – die bezweckte Message zum Ausdruck bringen. In konzeptueller Hinsicht dagegen bestärken die Mannigfaltigkeit und die Beschaffenheit der Vorlagen die für die Secession typische Vorstellung von der Kunst in allen Lebensbereichen, vom anspruchsvollsten bis zum alltäglichsten, sodass viele der Motive für „normale“ Gegenstände erdacht sind. Die Darstellungen auf den Tafeln sind wirklich von außergewöhnlicher Schönheit, und dank dieser gelungenen Wechselbeziehung zwischen hervorragend wiedergegebenen Bildern und Texten können auch vom Gehalt her an sich banale Arbeiten zu Meisterwerken werden: Das gilt für die Einladung zu einem Schuhplattler-Abend ebenso wie für eine Werbung für Alpenmilch oder für „Thee-Eier“ (Abb. 20– 22). Diese Vorlagenwerke – oder ähnliche Texte, die wahrscheinlich zum gleichen Zweck benutzt wurden, wie zum Beispiel kunstgeschichtliche Publikationen – stellen zweifellos den faszinierendsten Teil des Fundus dar. Doch zu erwähnen sind auch die anderen Werke. Von besonderem 20

Belang sind natürlich die Schulbücher, vor allem die zu Elektro- und Bautechnik, zu Materialienkunde, Tischlerei und Mechanik. Nicht weniger interessant die Fachzeitschriften, die Themen wie Kunstgewerbe, Mechanik und Bautechnik behandeln. Unter den kunstgeschichtlichen Publikationen finden sich sowohl Monografien von bedeutenden Künstlern der Vergangenheit (wie Verrocchio, Leonardo da Vinci und Rubens), als

20. Seite mit Werbeentwürfen, aus: „Graphischer Motiven-Schatz“, Bozen, Stadtbibliothek

147


23

21

22

21.–22. Seiten mit Werbeentwürfen, aus: „Graphischer Motiven-Schatz“, Bozen, Stadtbibliothek

148

23. Tafel mit einem Detail des triumphalen Einzugs Alexanders in Babylon, aus: H. Lücke „Alexanders des Grossen Einzug in Babylon“, Bozen, Stadtbibliothek


auch wertvolle, prestigeträchtige Bildbände: Als Beispiel sei die von Friedrich Wolff herausgegebene monumentale Sammlung von 96 Tafeln erwähnt, die den ersten Michael Pacher gewidmeten Band darstellen29, und die Tafeln mit Stichen (nach Zeichnungen von F. Oberbeck), die Details des von Bertel Thorvaldsen in der Burg Christiansborg in Kopenhagen geschaffenen Marmorfrieses mit dem Triumphzug Alexanders des Großen in Babylon darstellen30 (Abb. 23). Daneben natürlich auch Werke von lokalem Interesse, wie Aus Bozens längstvergangenen Tagen von Franz von Zallinger-Stillendorf (1901), doch derlei Publikationen kommt im Bibliotheksbestand unter quantitativem Gesichtspunkt nur eine Nebenrolle zu. Komplett erhalten sind schließlich enzyklopädische Nachschlagewerke und belletristische Reihen, die vor allem die Klassiker der Weltliteratur umfassen. Der I.T.I.-Fundus ist, wie schon gesagt, jetzt erstmals inventarisiert worden. Bei dieser Gelegenheit ist das Bedürfnis zutage getreten, sowohl die Untersuchungen des erhaltenen Buchbestands an sich zu erweitern, als auch dessen Stellenwert in der Geschichte der Bozner Fachschule – und somit einer der bedeutendsten (und bis heute paradoxerweise am wenigsten bekannten) Schulanstalten der Stadt – zu hinterfragen und zu durchleuchten.

1 Zur Umgestaltung des Klosters in eine Kaserne siehe den Beitrag von Angela Mura in der vorliegenden Publikation. Zur Geschichte und zu den Unterrichtsmethoden und -materialien der Fachschule siehe den Beitrag von Milena Cossetto. 2 Plan über Verlegung der k.k. Fachschule in die Ex Dominikaner-Kaserne, 31.01.901 datiert und von Kürschner unterzeichnet. Stadtarchiv Bozen, StABz 4.5.1.3.: Rolle 2, 153. 3 Stadtarchiv Bozen, StABz 4.5.1.3.: Rolle 2, 150. 4 Die anderen im Archiv aufbewahrten Grundrisse tragen die Jahreszahl 1929 bzw. 1931. Auf dem Grundriss des zweiten Stockwerks des Gebäudes werden in den verschiedenen Räumen die jeweiligen Lehrer angeführt. Stadtarchiv Bozen, StABz 5LLP, Mappe 7, 236. 5 Es handelt sich um die Eingangsverzeichnisse aus den Jahren 1905–1934. Die Vorlagen wurden wahrscheinlich im Jahr 1933 ins Museum verlegt, als die Fachschule in die Regia Scuola tecnica a indirizzo industriale e artigiano verwandelt wurde. 6 Spada Pintarelli 1995, Nr. 235 a/b S. 154, Nr. 254 S. 160, Nr. 265 und 266 S. 164. 7 Spada Pintarelli 1995, Nr. 272, 273 S. 168, Nr. 280 S. 171, Nr. 303 a/b S. 180. 8 Spada Pintarelli 1995, Nr. 429 S. 233. 9 Hinweise auf diesen Briefwechsel finden sich im Material der Stiftung N. Rasmo–A. von Zallinger in Bozen (Schachtel R 82). Es handelt sich um recht partielle, rasch hingeworfene maschinenschriftliche Notizen von Nicolò Rasmo. Wir hatten jetzt keine Gelegenheit zur an sich notwendigen Überprüfung der Originale, haben aber angesichts des Interesses des behandelten Themas darauf hinweisen wollen. 10 Das von Rasmo angeführte Verzeichnis ist auf Deutsch, allerdings mit recht summarischen Hinweisen. 11 Hinsichtlich dieser Engelsfigur wies der Schuldirektor Hans Kornauth außerdem darauf hin, dass sie wahrscheinlich zu einer Pacher zugeschriebenen Skulpturengruppe gehörte, von der vier Stücke aus dem Besitz des Majors Schöpfer aus Bozen schon zuvor vom Ministerium selbst angekauft worden waren. 12 Sie werden dann im Jahr 1895 zum selben Preis wieder an den Bozner Antiquitätenhändler Bittner verkauft. 13 Stiftung Rasmo–Zallinger in Bozen (Schachtel R 82). 14 Im Fundus finden sich aber auch Bücher in anderen Sprachen: französisch (13), italienisch (10), tschechisch (2), spanisch (1) und englisch (1). 15 Es handelt sich um die zweisprachige Veröffentlichung L’art de tourner en perfection. Die Kunst vollkommen zu drechseln von Charles Plumier, erschienen bei Bernhard Christoph Breitkopf und Sohn in Leipzig. 16 H.C. Town, Jig and Fixture Practice, (Paul Elek) London. 17 Mit diesen Aufklebezetteln wurden die früheren Etiketten überklebt, auf denen sich die Aufschrift R. Scuola Industriale “Guido Presel” befindet. 18 Die meisten aus Laas übernommenen Bücher werden als Lehrerbibliothek & Vorlagenwerke katalogisiert, aber etliche Texte gehen auch in die Schülerbibliothek. 19 In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass außer Tafeln in gebundenen Bänden auch lose Blätter als Vorlage dienten. Eine entsprechende beachtliche Sammlung findet sich im Besitz des Bozner Stadtmuseums. 20 Zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Fachschule wie zur Beschreibung der internen Organisation siehe den Beitrag von Milena Cossetto. 21 Das Buch, das ohne Titelblatt ist, wurde beim Verlag Friedr. Wolfrum & Co. (Wien – Leipzig) herausgege-

ben. Es besteht aus 46 gebundenen Tafeln, die verschiedene Zimmereinrichtungen darstellen. 22 Auch dieses 26 Tafeln umfassende Buch ist ohne Titelblatt. Der Verfasser ist E. Gerhard, der Verleger A. Schöpfer. 23 G. Funke/A. Cossmann, Vorlagen für das Fachzeichnen der Korbflechter, Wien 1904, mit 24 gebundenen Tafeln. 24 Die wiedergegebenen Illustrationen sind einer zweibändigen Publikationen von Josef von Storck entnommen: Die Pflanzen in der Kunst. Ein Vorlagenwerk für den Zeichenunterricht an Kunstgewerbe- und Real-Schulen, Gymnasien, Lehrer- und Lehrerinnen-Bildungs-Anstalten. Ein Anschauungs-Mittel für ornamentale Stillehre. Ein Nachschlagebuch für Künstler und Kunst-Handwerker; sie ist bei R. von Waldheim in Wien erschienen und umfasst insgesamt 120 Tafeln. Ähnlich auch der schöne Band von E.A. Seguy, Les Fleurs et leur applications decoratives, veröffentlicht von A. Calavas in Paris. Das Erscheinungsjahr ist nicht angegeben. 25 Das moderne Monogramm, erschienen in Wien, mit 26 losen Tafeln. 26 Im I.T.I.-Fundus befinden sich allerdings nur die ersten neun Serien der bis 1907 veröffentlichten Tafeln. 27 Es handelt sich um 30 lose, vom Verleger Martin Gerlach & Co. (Wien-Leipzig) veröffentlichte Tafeln. 28 An der bei Josef Heim (Wien-Leipzig) erschienenen Sammlung haben unter anderem Ferdinand Pamberger, Otto Prutscher, Alfred Cossmann, C.O. Czeschka, Erwin Puchinger und H. v. Zwickle mitgearbeitet. 29 Das Werk ist 1909 bei Franz Stoedtner in Berlin erschienen. 30 Es handelt sich um die 4. Auflage der von Hermann Lücke herausgegebenen und 1882 bei Alphons Dürr in Leipzig erschienenen Sammlung. Die Stiche stammen von Samuel Amsler. Auf diesem Exemplar findet sich sonderbarerweise auch der Stempel „Allgemeine Zeichenschule – IX. Bezirk“ aus Wien. Aus dem auf dem Umschlag angebrachten Stempel geht hervor, dass das Werk am 4. Mai 1908 in der Bibliothek der k.k. Fachschule für Steinbearbeitung in Saal katalogisiert wurde.

149


Lorenz Böhler kam am 15. Jänner 1885 in Wolfurt bei Bregenz im damaligen Kronland TirolVorarlberg als ältestes Kind des Tischlers Josef Böhler und seiner Ehefrau Anna Maria Fischer zu Welt; er hat noch eine jüngere Schwester. Der Knabe verlebt die Kindheitsjahre in seinem Geburtsort, teilweise bei den Eltern, teilweise bei der Großmutter und bei einer Tante, da die Eltern 1890 bis 1895 aus Arbeitsgründen nach Bregenz übersiedeln. Er zeigt schon früh eine ausgeprägte Freude am Basteln, handwerkliche Geschicklichkeit und naturwissenschaftliches Interesse an Lebewesen, besonders Vögeln. Bereits als kleiner Junge seziert er kleine Vögel und Eichhörnchen.

Lorenz Böhler und das „Reservelazarett für Leichtverwundete“ in Bozen (1916–1919) Christoph Hartung von Hartungen

Neben diesen Neigungen ist sein Wesen auch von den alemannischen Grundtugenden – Zielstrebigkeit, Fleiß, Ausdauer, Sinn fürs Nüchterne und Nützliche – geprägt. Nach dem Abschluss der fünfjährigen Volksschule darf der aufgeweckte Knabe 1896 studieren gehen und zwar ins fürstbischöfliche Gymnasium Vinzentinum in Brixen. Vorarlberg gehört nämlich seit 1818 zur Diözese Brixen und der angehende Priesternachwuchs wird in der Bischofsstadt ausgebildet, wofür wohl auch der 11-jährige Lorenz vorgesehen war. Es ist der erste Kontakt mit unserem Land, der in der Folge das ganze weitere Leben lang nie mehr abreißen wird. Zwei Jahre besucht er die Schule in Brixen; da sein Vater allerdings in finanzielle Schwierigkeiten gerät, muss er aufs staatliche Gymnasium in Bregenz wechseln. Dort wird ihm das Schulgeld erlassen, er lebt zur Untermiete in der Stadt und ernährt sich als Kostgänger bei verschiedenen Familien. Das dritte Schuljahr muss Lorenz Böhler wiederholen, in der Oberstufe avanciert er dann zum Vorzugsschüler. Zwischen 1905 und 1911 folgt dann das Medizinstudium in Wien. Der arme Vorarlberger kann sich sein Studium durch die Erringung eines der damals seltenen Stipendien finanzieren. Unterbrochen wird dieses durch Ableistung des ersten Halbjahres des für angehende Akademiker lediglich einjährigen Militärdienstes (statt drei Jahre) beim 4. Tiroler Kaiserjäger Regiment (1909) und durch eine mehrmonatige bezahlte

150


Hospitantenstelle an der Abteilung für Interne Medizin am öffentlichen Krankenhaus in Bozen (1910). Zu dieser Abteilung gehört auch der Isoliertrakt mit den Infektionskranken. Dort lernt er die in Paris ausgebildete Krankenpflegerin Leopoldine (Poldi) Settari (Dreikirchen 9. Juni 1883 – Wien 19. Dezember 1972) kennen, die in der Infektionsabteilung ihre an schwerem Scharlach erkrankte 10-jährige Nichte Grete Perathoner (Enkeltochter des Bürgermeisters Julius Perathoner und spätere Ehefrau des engagierten Vorkämpfers für Südtirol Professor Eduard ReutNicolussi) pflegte. Aus der Bekanntschaft wird eine Beziehung, die am 26. Dezember 1912 in eine Ehe mündet. Die Familie Settari ist eine bekannte und verzweigte Bozner Kaufmannsfamilie (Geschirr und

1

Porzellanwaren Zimmermann unter den Lauben). Die Stammmutter der Familie Johanna Ringler aus Kollmann hatte ihrem Mann Heinrich Settari fünfzehn Kinder geboren, von denen zwölf (zehn Töchter und zwei Söhne) das Erwachsenenalter erreichten. Für jedes Kind kaufte und schenkte Heinrich seiner Frau ein Grundstück für ein Sommerhaus in Bad Dreikirchen oberhalb Barbian. Diese Häuser sind bis heute im Familienbesitz und werden von den Nachkommen zur Sommerfrische nach wie vor genutzt. Auch Poldi Settari und ihr Mann Lorenz Böhler kamen bis ins hohe Alter regelmäßig dorthin. Verfasser dieser Zeilen, der seine Kindheit in Barbian verlebte, erinnert sich, wie sich in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts ein würdiger Greis, kahlköpfig und

2

mit auffallend weißem Barte zu Fuß auf den Weg nach Dreikirchen machte, von aufmerksamen Begleitern umgeben und den Passanten ehrerbietig begrüßt. Es war der mittlerweile weltberühmte Knochen-Professor Böhler. Die Fama weiß zu berichten, dass er auch im Urlaub manchen medizinischen Ratschlag erteilte und manches verletzte Kleintier, darunter auch die Kaninchen der Sommerfrisch-Kinder, fachgerecht behandelte und schiente. Doch kehren wir zurück in die Jahre nach der Jahrhundertwende. Am 1. Juli 1911 wird Lorenz

1. Belagraum des Militärspitals im ehemaligen Dominikanerkloster, Bozen, Privatsammlung

Böhler in Wien zum Doktor der gesamten Heil-

2. Soldat im Streckverband, Bozen, Privatsammlung

151


kunde (Doctor Universalis Medicinae, Dr. Univ.

und Empfang durch US-Präsidenten Woodrow

dort operierenden 4. Armee zur Verfügung gestellt.

Med.) promoviert. Wegen seines glanzvollen Ab-

Wilson. Wichtig für die weitere berufliche Lauf-

Über Wien und Budapest erreichte Böhler

schneidens erhält er von Professor Julius Hochen-

bahn Böhlers war der Besuch der bereits damals

am 29. August Galizien, die östlichste Provinz

egg mit 1. September 1911 eine Anstellung an

in den USA berühmten Mayo-Clinic in Rochester

der Habsburgermonarchie, wo die k.k. Armee

dessen II. Chirurgischer Klinik am Allgemeinen

(Bundesstaat Minnesota). Dort wurde vor allem

gerade eine Offensive gegen die Armee des Zaren

Krankenhaus (AKH), nach London die weltweit

eine enge Kooperation der Ärzte verschiedener

ausführte. Nach Anfangserfolgen erfolgte Anfang

zweite Station für Unfallchirurgie. Aber bereits

Fachgebiete praktiziert, um eine effektivere me-

September der unerwartet heftige Gegenstoß der

einen halben Monat später übernimmt er kurz

dizinische Behandlung zu erreichen. Dr. Charles

Russen. Auch die 4. Armee war bald in schwere

entschlossen die Stelle eines Schiffsarztes auf

Mayo vermittelt dem jungen österreichischen

und besonders verlustreiche Kämpfe verwickelt.

einem österreichischen Auswandererschiff nach

Arzt auch einen Besuch in Liverpool und Lon-

Das Feldspital Nr. 14 kam rasch knapp hinter der

Argentinien. Im Jahr 1912 kehrt er zurück und

don, die damals bedeutende Zentren für Kno-

Frontlinie zum Einsatz. Massenhaft Verwundete

leistet ab 1. Mai den zweiten Teil seines Militär-

chenbruchbehandlung waren. Allerdings sollte

werden antransportiert. Böhler organisiert einen

dienstes ab und zwar im Garnisonsspital 24 in

es anders kommen!

Sortierungsplan, wodurch die einzelnen Verwun-

Ragusa (Dubrovnik) in Dalmatien. Nunmehr ist

In Boston erfährt Böhler von der Ermordung

deten rascher dran kommen. Die meisten von

er Militärarzt der Reserve. Ab Herbst desselben

des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand

ihnen weisen Arm- und Beinverletzungen auf.

Jahres bekommt er eine Stelle als Sekundararzt

in Sarajewo (28. Juni 1914). Dies bedeutet den

Wichtig sind eine Stabilisierung der Verletzungen

(Assistenzarzt) unter dem Primar von Hepper-

sicheren Ausbruch einer schweren internationalen

und damit die rasche Erreichung der Transport-

ger an der Chirurgischen Abteilung des Bozner

Krise, weshalb das junge Ehepaar umgehend mit

fähigkeit in ein ordentliches Spital oder Lazarett.

Krankenhauses.

dem nächsten Schiff nach Europa zurückkehrt.

Anfang September folgt der mit überlegenen

Bereits ein halbes Jahr später – und in Be-

Nach einem kurzen Besuch in der Heimat möchte

Kräften durchgeführte russische Gegenstoß, der

gleitung seiner jungen Ehefrau – wechselt der

Böhler auf dem kürzesten Weg seine Arbeitsstelle

die 4. Armee bald zum Rückzug zwingt, in der

ehrgeizige Jungarzt ab April 1913 auf eine Stel-

in Tetschen erreichen, wird allerdings an der tiro-

Folge in eine katastrophale Niederlage der Öster-

le als Sekundararzt am Stadtspital in Tetschen

lisch-bayerischen Grenze zurückgeschickt: Grenz-

reicher und in einen allgemeinen, katastrophalen

in Nordböhmen (heute Děčín in Tschechien).

sperre wegen Kriegsausbruchs (28. Juli 1914).

Rückzug – teilweise bis zu den Karpaten – aus-

Tetschen an der Elbe ist Österreich-Ungarns be-

Nachdem er Teschen erreicht hat, bleiben ihm

artet. Böhler erhält den Befehl, sich mit seinem

deutendster Flussschiffshafen und das städtische

dort nur wenige Tage, denn es erfolgt die Einbe-

Spital vom Feind überrollen zu lassen. Da das

Krankenhaus entsprechend bedeutender als Bo-

rufung zum Kriegsdienst. Obwohl er den Wunsch

Sanitätspersonal nicht zur kämpfenden Truppe

zen und die Stelle auch besser dotiert. Hier kann

äußert, als Chirurg eingesetzt zu werden, wird der

gehört, müsste es im Sinne der Genfer Konvention

Böhler viel Erfahrung sammeln, besonders im

nunmehrige Assistenzarzt der Reserve (Leutnant)

wieder dem jeweiligen Staat übergeben werden.

chirurgischen Bereich. Der dortige Primararzt,

als Truppenarzt eingeteilt und kommt – da ja im

Doch hat Böhler bereits miterlebt, dass die Ös-

der Tiroler Dr. Anton Greussing, ist von seinem

Kronland Tirol-Vorarlberg beheimatet – zum

terreicher bedenkenlos russische Ärzte gefangen

Assistenten sehr angetan und fördert seine Am-

14. Feldhaubitzen-Regiment Ritter von Krobatin

nehmen und fürchtet daher zu Recht, dass auch

bitionen. Er ermöglicht Böhler die Teilnahme am

nach Vill bei Neumarkt. Hier trifft er am 10. Au-

die Russen nicht anders handeln werden. Gegen

Internationalen Chirurgenkongress in New York,

gust ein und wird vor allem mit der Untersuchung

den ausdrücklichen Befehl seines Vorgesetzten

ein erstaunlicher Glücksfall für den noch nicht

der zum Kriegsdienst einberufenen Artilleristen

bringt er auf einem dramatischen Rückmarsch,

Dreißigjährigen. Im März schifft er sich zusam-

betraut. Gleichzeitig reicht er – direkt und unter

mitten durch chaotisch zurückflutende Armee-

men mit seiner Frau Poldi in Hamburg ein.

Umgehung des Dienstweges – ein Gesuch beim

reste, vorbei an zerstörten Wagen, Geräten, toten

Sowohl die einwöchige Überfahrt von Ham-

(14.) Korpskommando in Innsbruck ein, worin

Menschen und Pferden, sein Feldspital mitsamt

burg nach New York in Begleitung zahlreicher

er um Versetzung in ein Feldspital ansucht. Das

allen Verwundeten und dem Personal nach hin-

hervorragender, internationaler Spezialisten als

Ansuchen wird rasch erledigt und Böhler nach

ten. Es ist schlussendlich das einzige Feldspital des

auch den mehrmonatigen Aufenthalt in den Ver-

Linz, ins Feldspital 4/14, das bedeutet Feldspital

XIV. Korps, das nicht in die Hände des Feindes

einigten Staaten nutzte Lorenz Böhler intensiv zur

des XIV. (Tiroler) Korps in der 4. Armee (Divisi-

fällt. Beim darauffolgenden erneuten österreichi-

beruflichen Weiterbildung. Nach Abschluss des

ons Sanitäts Anstalt Nr. 8 der Tiroler Kaiserjäger),

schen Vorstoß, der allerdings nur eine kurzfristige

Kongresses erfolgten ausgedehnte Besuche von

versetzt. Dieses mobile Feldspital bestand aus 180

Entlastung bringt, ist das Feldspital ununterbro-

Kliniken in Philadelphia, Baltimore und Wa-

Mann und 200 Pferden. Es wurde sehr bald an

chen im Einsatz. Täglich treffen achthundert bis

shington, einschließlich Besuch im Weißen Haus

die russische Front abtransportiert und der bereits

tausend Verwundete ein.

152


Gegen Jahresende kommt Böhler für zehn Tage auf Urlaub nach Bozen und kehrt dann nach Galizien zurück. Zu Beginn des Jahres 1915 herrscht an der Front winterliche Ruhe, Böhler studiert und befasst sich unter anderem auch mit Seuchenbekämpfung. Im Herbst des Vorjahres war es in Galizien auf Grund der dramatischen Ereignisse und prekären Zustände zu einer schweren Choleraepidemie gekommen, der Tausende von Soldaten und Zivilisten zum Opfer fielen. Er entwirft mehrere Seuchenplakate, die durch das Armeekommando zu Hunderttausenden verbreitet werden. Am 1. Mai 1915 beginnt eine neuerliche Offensive, in deren Verlauf die Deutschen und die Österreicher unter schweren Kämpfen die Russen zurückdrängen. Die Zahl der zu behandelnden Verwundeten ist groß, es fehlt an Verbandsmaterial und an Decken, weil diese laut Sanitätsvorschrift ab 30. April einzuziehen sind. Trotz seiner ständigen Konflikte mit den Vorgesetzten wird Böhler noch im Mai 1915 zum Oberarzt (Oberleutnant) befördert. Am 24. Mai 1915 hat Italien ÖsterreichUngarn den Krieg erklärt. Eine neue Front im Süden der Doppelmonarchie muss aufgebaut werden. Sobald es militärisch möglich ist, wird das XIV. Korps aus der russischen Front herausgelöst und an den Isonzo geschickt. Im Juli befindet sich Böhler mit seinem Feldspital unmittelbar hinter Görz. Dort ist es eher ruhig und er kann wissenschaftlich arbeiten. Nach zwei Monaten wird er jedoch an die Dolomitenfront versetzt, nach Stern im Gadertal. Dort treffen die vielen Verwundeten vom Col di Lana ein, den die italienischen Soldaten zu Recht in Col di Sangue (Blutberg) umbenannt haben. Lorenz Böhler, der bereits zweimal dekoriert wurde, soll eine weitere Auszeichnung erhalten. Er wünscht sich stattdessen einen dritten Stern, d. h. eine Beförderung, worauf er im September zum Regimentsarzt (Hauptmann) 3

vorrückt. Mit dreißig Jahren ist er der jüngste Regimentsarzt der gesamten Armee.

3. Soldat mit eingerichtetem Bruch vor dem Brunnen, damals in der Mitte des Dominikanerkreuzgangs, Bozen, Privatsammlung

153


Das Militärreservespital und die Spezialabteilung

Spital. Bislang wurde es so gehandhabt: Vorne, di-

für Knochenschussbrüche und Gelenkschüsse

rekt an der Front, wo die Frischverwundeten her-

in Bozen

beigeschafft wurden, operierten die jungen Ärzte, die frisch von der Ausbildung kamen, meist uner-

4

4. Der Dominikanerkreuzgang zur Zeit der Nutzung als Militärspital, Bozen, Privatsammlung

154

Im Januar 1916 erkrankt Böhler schwer. Die Fachkollegen sind nicht in der Lage, die richtige Diagnose zu stellen. Er leidet an hohem Fieber und liegt zwei Monate in den Spitälern von Brixen und Innsbruck. Er erholt sich sehr langsam und ist überaus geschwächt. Daher beschließen die Vorgesetzten, ihn nicht mehr an ein Frontspital zu schicken, sondern ihm einen weniger aufreibenden Auftrag zu erteilen. Er wird nach Bozen abkommandiert und übernimmt mit 1. August 1916 das Reservelazarett für Leichtverwundete. Dies war von den Vorgesetzten sicherlich als ein Entgegenkommen gedacht, um dem offensichtlich überarbeiteten jungen Regimentsarzt eine Erholungspause einzuräumen. Von August 1914 bis Januar 1916 hatte er im Bewegungs- und Stellungskrieg nicht weniger als 30.000 Verwundete versorgt, ein Arbeitspensum, das Leiter großer Kliniken in einem ganzen Jahrzehnt nicht zu bewältigen hatten. Unter den Verhältnissen des Weltkrieges war dies eigentlich nichts Außergewöhnliches. Besonders war allerdings, dass Böhler aus diesem überreichen Erfahrungsschatz völlig neue Schlüsse zog und sich mit der ihm eigenen Energie daran machte, diese durchzusetzen. Dabei ließ er sich vom Gedanken leiten, dem er 1924 in einem Artikel in der Zeitschrift für orthopädische Chirurgie Ausdruck verlieh: Wie schützen wir die Verwundeten vor Amputation und Krüppeltum?

Behandlung ermöglicht. Oberstes Ziel der Versor-

Unter den damaligen Verhältnissen wurde

gung muss sein, die verletzte Extremität ruhig zu

für gewöhnlich zu viel – vor allem bei der Erst-

stellen. Dafür hatte er die dafür nötigen Verbän-

versorgung in Frontnähe – oder auch zu wenig

de und Hilfsmittel entworfen. Die Erfolge die-

amputiert – im Hinterland bei auftretenden

ser Transportverbände sind bemerkenswert, und

Komplikationen. Böhler setzte sich zum Ziel, die

so will Böhler an seiner neuen Wirkungsstätte

Häufigkeit der Gliedamputationen auf ein mög-

alles daran setzten, um seine Vorstellungen zu

lichstes Mindestmaß zu reduzieren und alles daran

verwirklichen. Dabei ist für ihn nach folgenden

zu setzen, den Verwundeten die Gliedmaße zu er-

Grundsätzen zu verfahren:

halten. Dies erforderte einerseits einen möglichst

- Erhaltung des Lebens, - Erhaltung des geschädigten Körperteils, - Erhaltung der Funktion des Körperteils.

raschen Abtransport aus dem Kampfgebiet und eine gezielte Behandlung in einem spezialisierten

fahren und entsprechend unsicher und extremen Belastungen ausgesetzt waren. Nach der nötigen Erstversorgung und sobald sie transportfähig waren, wurden die Verwundeten in weit rückwärtig gelegene Anstalten abtransportiert. Dazu gab es ein präzise austariertes System, damit sie gleichmäßig auf das gesamte Staatsgebiet aufgeteilt, aber auch möglichst optimal versorgt wurden, d. h. in die erforderlichen Spezialkliniken eingewiesen wurden. Das bedingte oft wochenlange Fahrten in Sanitätszügen quer durch die gesamte Donaumonarchie samt oft tagelangen Aufenthalten auf irgendwelchen Verschiebebahnhöfen, denn der Zuschub von frischen Truppen und Kriegsgerät in die Frontgebiete hatte natürlich Vorrang. So kam es vor, dass transportfähige Verwundete vom italienischen Kriegsschauplatz nach Prag oder Budapest kamen, vom russischen bis nach Meran transportiert wurden. Leichtverwundete kamen dann oft bereits geheilt am Bestimmungsort an, Schwerverwundete hingegen verstarben unterwegs an irgendwelchen Komplikationen, oft auch hervorgerufen durch die katastrophalen hygienischen Zustände in diesen Zügen. Viele Verletzungen heilten falsch und mussten dann aufwendig neu behandelt oder operiert werden bzw. endeten mit dem Verlust des Organs durch Amputation. Lorenz Böhler hingegen ist überzeugt, dass nur eine möglichst frontnahe Spezialbehandlung mit möglichst kurzen Anreisezeiten eine optimale


Dies kann nur erreicht werden durch

- eine rasche Diagnose, - Einrichtung des Bruchs unter Vermeidung von Schmerzen, - Ruhigstellung des betroffenen Körperteils zur Vermeidung von Infektionen, - aktive Bewegung aller nicht betroffenen Körperteile unter Vermeidung von Schmerzen. Böhlers neue Wirkungsstätte in Bozen war in der ehemaligen Dominikanerkaserne untergebracht, ein – wie der Name schon besagt – aufgehobenes Kloster. Zwar war dieses Gebäude im ausgehenden 19. Jahrhundert in eine Schule umgewandelt worden, in die Fachschule für Holz-Industrie, dann umbenannt in k.k. Bau- und Kunsthandwerkerschule, ab dem Schuljahr 1914/15 k.k. Staatsgewerbeschule, doch waren die Lokalitäten denkbar ungeeignet für ein 240-Betten-Spital. Die von der Front eintreffenden Verwundeten

5

lagen in normalen Militärbetten, die Strohsäcke waren mit Holzwolle gestopft, die Böden in den Krankenzimmern bestanden aus Weichholzdielen, die schwer reinzuhalten waren. Anfangs gab es im Gebäude nicht einmal eine Badewanne. Mit der ihm eigenen Energie gelingt es Böhler, vor allem gegen die schwer bewegliche Militärbürokratie ankämpfend, Abhilfe zu schaffen. Zu allererst ist jedoch ein Grundproblem zu lösen: Im Lazarett befinden sich nur Leichtverwundete, die der neuen Behandlungsmethoden nicht bedürfen. Eine Anfrage an die Vorgesetzten, auch Knochen- und Gelenkschüsse behandeln zu dürfen, wird aus Ersparnisrücksichten nicht genehmigt. Lorenz Böhler lässt sich dadurch aber nicht aufhalten. Zuerst werden im Lazarett die nötigen technischen Voraussetzungen geschaffen. In der geräumten Fachschule gibt es mehrere Werkstätten. Darin lässt er von den fast schon geheilten Leichtverwundeten Schienen, Bügel und Extensionsgalgen anfertigen. Das dafür nötige Material wird – auch auf eigene Kosten – in Geschäften und Läden der näheren und weiteren Umgebung besorgt. Bereits zwei Wochen nach Übernahme des Spitals ist alles vorbereitet. Jetzt fehlen nur noch die Patienten. Diese beschafft sich Böhler auf eine wahrhaft

5. Lorenz Böhler untersucht einen Kranken, Bozen, Privatsammlung

155


6

7

6.–7. Belagräume des Militärspitals im ehemaligen Dominikanerkloster, Bozen, Privatsammlung

156

unorthodoxe Art: Zu nächtlicher Stunde begibt

nem oder zwei Assistenten in einer Stunde zehn

er sich mit einem Kommando, angeführt von

Unterschenkelbrüche und sechs Oberschenkel-

einem bewährten und vertrauten Unteroffizier,

brüche komplett versorgen kann.

zum Bozner Bahnhof. Auf einem Abstellgleis

Über jeden Fall wird penibel Buch geführt,

wartet ein Verwundetentransport auf Signal zur

und auch die Fotografie kommt immer mehr

Abfahrt. Durch Zigarillos bestochen lässt das Be-

zum Einsatz, um die Erfolge zu dokumentieren.

gleitpersonal den jungen Regimentsarzt gewähren.

So wird z. B. eine ganze Reihe von Patienten mit

Dieser findet rasch einschlägige Verletzungen: elf

Oberschenkelbrüchen fotografiert und dieselbe

Gelenkschüsse an den unteren Extremitäten, zwei

Gruppe noch einmal in der gleichen Reihenfol-

Oberschenkelbrüche, drei Verletzte mit Schuss-

ge zwei Monate später nach Heilung der Brüche

brüchen an Oberarmen und Ellbögen. Zum Teil

bei der Rehabilitationsbehandlung im Turnsaal.

sitzen die Transportverbände schlecht, die Leute

Bereits im November 1916, drei Monate nach

klagen über Schmerzen. Ohne Übergabeformali-

seinem Beginn in Bozen, ist Böhler so weit, dass

täten werden diese nun gleich ins Lazarett abtrans-

er bei einer militärärztlichen Sitzung in Trient

portiert. Dort wird die Nacht über bis Mittag des

auf seine Erfolge verweisen und zwanzig schwere

folgenden Tages gearbeitet, dann sind alle versorgt

Schussbrüche vorführen kann, die geheilt wurden,

und untergebracht. Das System spielt sich ein und

ohne dass die betroffenen Gliedmaßen ihre Funk-

wird so lange praktiziert und vervollkommnet, bis

tionskraft verloren. Gleichzeitig fordert er eine

man mit dieser Vorgehensweise ganz offiziell ans

bessere Ausbildung der Ärzte bei der Behandlung

Tageslicht treten kann.

zerschossener Gliedmaßen bzw. anderer Knochen-

Dabei wurde nach einem präzisen und ste-

verletzungen. Der behandelnde Arzt müsse nicht

tig verbesserten Plan vorgegangen: Ärzte und

nur gut operieren können, sondern auch andere

Pflegepersonal wurden auf die verschiedenen

handwerkliche und menschliche Fähigkeiten ent-

Arten von Verletzungen und Verbandkategori-

wickeln. Eine richtige Behandlung habe nicht nur

en eingeschult, jede Schiene und Binde war ge-

die Verletzung zu berücksichtigen, sondern das

normt, jeder Handgriff, jeder Knoten typisiert.

ganze Glied, den ganzen Patienten. Der Operateur

Aus Rationalisierungsgründen wurden Patienten

muss auch die weitere Betreuung des Patienten

mit ähnlichen Verletzungen im selben Raum un-

und die Nachbehandlung übernehmen, statt den

tergebracht. Eine Kopftafel gab über jedes Detail

Verletzten in ein nächstes Spital weiterzuschieben,

Aufschluss, vom Datum der Verwundung bis zum

wie es beim Militär die Regel war.

letzten Verbandswechsel usw. Nachdem es Böhler

Der Erfolg macht es möglich. Böhlers Tä-

nach einem halben Jahr sogar gelungen war, einen

tigkeit wird von den Vorgesetzten akzeptiert, ja

Röntgenapparat aufzutreiben, wurde das Rönt-

sogar anerkannt. Das Lazarett in der Fachschu-

genbild auf dem gesunden Bein des Verwundeten

le bekommt sogar einen eigenen Titel verpasst:

aufgezeichnet. Bereits einsatzfähige Verwundete

Spezialabteilung für Knochenschussbrüche und Ge-

wurden zu verschiedenen Arbeiten herangezogen,

lenkschüsse. Neben der ärztlichen Tätigkeit findet

zum Räumen der Leibschüsseln, zum Essentragen,

Böhler auch die Zeit für erste wissenschaftliche

zum Herrichten von Tupfern oder zum Drehen

Publikationen, die seinen Ruf in der Fachwelt stär-

von Zwirn aus Verbandsfäden, da dieser wegen

ken. So mit dem Nachweis, dass es ihm gelungen

der Kriegslage nicht mehr erhältlich war. Nur so

ist, bei Oberschenkelschussbrüchen die bis dahin

ist es möglich, in einem ungeeigneten Gebäude,

übliche Verkürzung des Beines von zehn bis 25

mit einem Minimum an Apparaten und Materi-

Zentimetern auf 1,2 bis 2 Zentimeter zu verrin-

al sowie einem zahlenmäßig unterbesetzten Ar-

gern. Noch im Frühjahr 1918 richtet er in Bozen

beitsteam, solche Erfolge zu erreichen. Kommen

eine Schule zur Behandlung von Knochenbrüchen

größere Zuschübe von Verwundeten unerwartet

und Wunden ein, wo er Chirurgen verschiedener

herein, dann ist alles vorbereitet, dass er mit ei-

militärischer Einheiten ausbildet.


Der Krieg nimmt für Österreich-Ungarn

tent und in leitender Stellung tätig, außerdem als

eines Unfallkrankenhauses. Er sagt zu, übersiedelt

ein schlimmes Ende. Die Doppelmonarchie zer-

Schiffsarzt, als praktischer Arzt auf dem Lande,

mit der gesamten Familie nach Wien und beginnt

fällt und ihre Armee zerbricht in Folge der itali-

während des Krieges an der Front und hinter der-

am 1. August 1925 mit dem Aufbau des Kran-

enischen Offensive am Piave. Am 3. November

selben in dem von mir gegründeten Kriegsspital

kenhauses in der Webergasse 2-6 im XX. Wiener

wird der Waffenstillstand abgeschlossen, am 4.

für Knochenbrüche mit 200 Betten, dann meh-

Gemeindebezirk (Brigittenau). Am 1. Dezember

November 1918, 15.00 Uhr tritt er in Kraft. Die

rere Jahre in einer Stadt ohne Stellung in einem

1925 wird das umgewidmete Haus mit zunächst

ersten Truppen des Regio Esercito besetzen Bozen

Krankenhaus und hatte so die Gelegenheit, die

52 Betten und einem geräumigen Ambulatorium

am 7. November. Gemäß Punkt 8 des Waffen-

ärztliche Tätigkeit unter den verschiedensten äu-

in Betrieb genommen. Böhler wird das Haus bis

stillstandsvertrages muss das gesamte ärztliche

ßeren Bedingungen kennenzulernen”.

zu seiner Pensionierung 1963 leiten. In dieser Zeit

Personal an Ort und Stelle verbleiben, um die im geräumten Gebiet zurückgelassenen Kranken und

wurden im mehrmals umgebauten und erweiterDer weitere Lebensweg von Lorenz Böhler

Verwundeten zu betreuen. Lorenz Böhler gerät

ten Gebäude über eine Million Verletzte behandelt. Die von Böhler eingeführten und ständig

somit in Kriegsgefangenschaft. Nach vier Tagen

Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangen-

verbesserten medizinischen und organisatorischen

Isolierung darf er, von zwei Soldaten bewacht,

schaft, einem Besuch in seiner Vorarlberger Hei-

Maßnahmen begründeten rasch den internatio-

seine Familie besuchen. In den folgenden Wo-

mat und einem Erholungsurlaub in Dreikirchen

nalen Ruf des Spitals. Wiewohl er ein durchaus

chen und Monaten wird die Bewegungsfreiheit

begibt sich Böhler im Sommer 1919 nach Wien,

fordernder Vorgesetzter war, suchten viele Jung-

allerdings laufend erweitert. Der Spitalbetrieb

wo er die folgenden zwei Jahre an der 2. Chirur-

ärzte an seiner Klinik zu praktizieren. Dadurch

läuft weiter, die geheilten Verwundeten dürfen –

gischen Klinik von Prof. Hochenegg und an der

wurde Böhler Gründer einer eigenen Schule, die

entgegen ursprünglichen Planungen – über den

orthopädischen Klinik des damals weltberühmten

seinen Ruf noch weiter verbreitete.

Brenner in die Heimat zurückkehren. Auch ita-

Professors Adolf Lorenz tätig ist. In dieser Zeit

Das Verhältnis zu den zwei Chirurgischen

lienische Fachkollegen haben vom Ruf Böhlers

sucht er den Kontakt zur Arbeiterunfallversiche-

Universitätskliniken war in den ersten Jahren

gehört und besuchen seine Arbeitsstätte. Bald

rungsanstalt (AUVA) und kann deren Vorstand

ziemlich gespannt. Da beide ebenfalls über eine

wird er beratender Chirurg für die italienischen

von den medizinischen und ökonomischen Vor-

Unfallstation verfügten, waren diese infolge der

Kriegsspitäler.

teilen einer gezielten spezialisierten Behandlung

Einweisung der Arbeitsunfälle ins versicherungsei-

Ein halbes Jahr nach Kriegsende wird das

von Unfallopfern an anstaltseigenen Unfallkran-

gene Unfallspital spürbar weniger ausgelastet. Spä-

Reservespital in der Fachschule geschlossen. Böh-

kenhäusern überzeugen. Der dafür zur Verfügung

ter besserten sich die Beziehungen. Böhler habili-

ler zieht Bilanz: In etwas mehr als zweieinhalb

gestellte Geldbetrag fällt allerdings der unge-

tierte sich am 29. März 1930 im Fach Chirurgie.

Jahren hat er 1.214 Knochenbrüche, davon 601

heuren Nachkriegsinflation zum Opfer. Böhler,

Sein Lehrauftrag an der Medizinischen Fakultät

Schussbrüche und 176 Gelenkschüsse, behandelt

der fern von der Familie, im krisengeschüttelten

verpflichtete ihn, Chirurgie sowie Unfallheilkun-

und außerdem noch Tausend andere Verwundun-

Wien nicht glücklich ist, kehrt nach Bozen zu-

de und Begutachtung zu lehren. 1936 verlieh ihm

gen und Erfrierungen. Nun stellt sich die Frage

rück. Hier eröffnet er im August 1921 in Gries

Bundespräsident Miklas den Titel eines außeror-

nach der weiteren beruflichen Zukunft und wie

bei Bozen, im Grabmayerschen Ansitz Glöggl

dentlichen Universitätsprofessors. Sein wachsen-

die große gesammelte Erfahrung umgesetzt wer-

(heute Armando-Diaz-Str. 32) eine unfallchir-

der internationaler Ruf schlug sich in mehreren

den kann. Im Vorwort der ersten Ausgabe seines

urgische Privatpraxis. Diese ist allerdings wenig

Vortragsreisen in die USA, die Benelux-Staaten,

Klassikers Technik der Knochenbruchbehandlung

ausgelastet, da wenige Unfälle vorkamen bzw. die

nach Skandinavien und Großbritannien nieder.

(1929) wird er dies folgendermaßen schildern:

Arbeiter kaum, die landwirtschaftlichen Arbeiter

Während des Spanischen Bürgerkrieges reiste

„Im vorliegenden Buche habe ich die Erfah-

überhaupt nicht versichert waren und daher nur

er 1937 nach Spanien, um seine im Weltkrieg

rungen niedergelegt, die ich im Verlaufe von 19

bei schwerwiegenden Unfällen das Krankenhaus

erworbene Erfahrung zur Verfügung zu stellen.

Jahren bei der Behandlung von mehr als 10.000

oder gar einen Spezialisten aufsuchten. Im April

Nach dem Anschluss Österreichs an das Drit-

Knochenbrüchen, beim Studium von ungefähr

1924 wird Lorenz Böhler als Primar der Chirur-

te Reich im März 1938 führte Lorenz Böhler seine

70.000 Röntgenbildern und (hauptsächlich wäh-

gie und Direktor des Städtischen Krankenhauses

Tätigkeit im Unfallkrankenhaus weiter. Er wurde

rend des Krieges) bei der anatomischen Zerglie-

nach Brixen berufen.

im Mai 1938 in die NSDAP aufgenommen und

derung von mehr als 300 Brüchen der langen

In Österreich hat sich die wirtschaftliche

bei Kriegsausbruch im Jahr 1939 als Oberfeldarzt

Röhrenknochen sowie beim Unterrichten von

Situation inzwischen konsolidiert. Arbeiterun-

der Reserve (Oberstleutnant) für die Wehrmacht

Hunderten von Ärzten gesammelt habe. Ich war

fallversicherung und Stadt Wien treten wieder an

reaktiviert. In dieser Funktion ist er 1940 als Be-

an kleinen und großen Krankenhäusern als Assis-

Böhler heran mit dem Vorschlag der Errichtung

ratender Chirurg im Generalgouvernement (be-

157


setztes Polen) tätig, 1941–1942 in der gleichen Funktion an der Ostfront. Dazwischen hält er in Wien Vorlesungen und ist weiterhin publizistisch tätig. 1942 übernimmt er ein Lazarett mit 400 Betten im Wiener Rudolfsspital (Reservelazarett XIa); es handelt sich dabei um ein Sonderlazarett für Schussbrüche und Gelenkschüsse. Die Vergangenheit hat ihn wieder eingeholt! 1942–1943 ist er wieder als beratender Chirurg unterwegs, diesmal bei der 17. Armee im Südabschnitt der Ostfront. Im Laufe des Jahres 1943 erfolgt eine schwere, durch Erschöpfung bedingte Erkrankung (u. a. Herzbeschwerden). Böhler muss mehrere Monate in einem Sanatorium auf dem Semmering bei Wien verbringen. Seine Gesundheit wird durch den Kuraufenthalt völlig wiederhergestellt, 8

es folgen weitere intensive Arbeitsmonate in der sich immer dramatischer zuspitzenden Kriegssituation. Für seinen Einsatz wurde Böhler noch am 30. Januar 1945 als siebter Arzt mit dem Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern (zwischen 1939 und 1945 insgesamt 260 Mal verliehen) ausgezeichnet. Diese Auszeichnung war für Leistungen vorgesehen, die zwar im Zusammenhang mit dem Krieg, nicht aber mit direkten Kampfhandlungen, standen. Gegen Ende des Krieges verließ die Familie Böhler Wien und fand Zuflucht im heimatlichen Wolfurt in Vorarlberg. Dort kam Böhler kurz in französische Gefangenschaft. Da sein Name allerdings auch unter den französischen Militärärzten ein Begriff war, dauerte die Festnahme

9

insgesamt nur 27 Stunden. Im Herbst des Jahres 1945 kehrte er nach Wien zurück und begann mit dem Wiederaufbau des durch Kampfhandlungen schwer beschädigten Klinikgebäudes. Im Rahmen der Entnazifizierungsmaßnahmen verlor er seine Lehrbefugnis an der Universität, erhielt sie aber 1947 zurück. Er setzte seine überaus erfolgreiche Forschungs- und Lehrtätigkeit fort, aus seiner Feder sind in zahlreichen Fachzeitschriften über 400 Publikationen erschienen. Das Hauptwerk bleibt die bereits erwähnte, in mehreren Auflagen

8. Gruppenfoto von Krankenpersonal und Verwundeten im Dominikanerkreuzgang. Bozen, Privatsammlung

erschienene und auf drei Bände erweiterte Technik

9. Momentaufnahme in einem Belagraum des Militärspitals, Bozen, Privatsammlung

Fachbereich Unfallchirurgie in ein geordnetes Sys-

158

der Knochenbruchbehandlung. Darin wurde der


tem gebracht. Neben seiner Arbeit in der Klinik und der Lehrtätigkeit absolvierte er wieder zahlreiche Vortragsreisen, die ihn von den Vereinigten Staaten bis in die Sowjetunion und auf sämtliche Kontinente der Erde führten, empfing zahlreiche Auszeichnungen und wurde Mitglied zahlreicher ärztlicher Vereinigungen und Gesellschaften. 1951, zum 25-jährigen Bestehen des allgemein als Böhler-Klinik bezeichneten Unfallkrankenhauses, wird das Fach Unfallchirurgie – auf jahrelanges Drängen Böhlers – durch einen Facharzttitel wissenschaftlich aufgewertet. Dies sollte sich vor allem in Hinblick auf die enorm zunehmenden Unfälle, hervorgerufen durch die in den Fünfzigerjahren einsetzende Verkehrsexplosion, als wahrhaft zukunftsträchtig erweisen. 1971 10

kommt es dann zur Gründung zweier Lehrkanzeln für Unfallchirurgie an der Universität Wien. In den Jahren nach 1945 gründete die Allgemeine Unfall Versicherungs Anstalt (AUVA) auf Böhlers Vorschlag fünf neue Unfallkrankenhäuser, zwei Rehabilitationszentren und fünfzehn Unfallstationen. Noch im Jahr 1954 – mit 69 Jahren – wurden ihm vom Bundespräsidenten Körner Rang und Titel eines ordentlichen Universitätsprofessors verliehen. Wegen seiner Bekanntheit ist er 1957 für den Verband der Unabhängigen (VdU, Vorläuferorganisation der Freiheitlichen Partei Österreichs, FPÖ) als Kandidat für die Wahl zum Bundespräsidenten im Gespräch. Es wird ihm jedoch ein anderer Kandidat vorgezogen, und zum Bundespräsidenten wird der sozialistische Kandidat Adolf Schärf gewählt.

11

In den letzten Jahren seiner Diensttätigkeit teilt er die Arbeit zwischen der Unfallklinik und der weniger aufreibenden Tätigkeit im Rehabilitationszentrum Stollhof in Klosterneuburg bei Wien. Im Jahr 1963 – mit immerhin 78 Jahren – tritt er in den Ruhestand. Im Januar 1971 und bis zu seiner Pensionierung 1983 übernimmt sein Sohn Professor Jörg Böhler (1917-2005), langjähriger Primar am Unfallkrankenhaus Linz, die Leitung des Unfallkrankenhauses, seit Dezember 1972 im neuen Haus, dem Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler. Lorenz Böhler verbringt seinen Ruhestand zunächst als beratender Unfallchirurg

10.–11. Geselliges Beisammensein von Kranken, Ärzten und Pflegepersonal im Dominikanerkreuzgang, Bozen, Privatsammlung

159


der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt für Ös-

schussbrüche und Gelenkschüsse), nunmehr Kon-

terreich, die letzten Jahre als Betreuer seiner krän-

servatorium Monteverdi, eine Erinnerungstafel

kelnden Gattin Poldi, die am 19. Dezember 1972

angebracht. Dies geschah auf Initiative des Hei-

verstirbt. Einige Wochen später erkrankt auch er

matschutzvereins Bozen und des Landesverbandes

und wird in das Krankenhaus, das seinen Namen

für Heimatpflege. Die Enthüllung nahm im Na-

trägt, eingeliefert. Dort stirbt Lorenz Böhler am

men der Stadt Bozen der damalige stellvertretende

20. Jänner 1973, sechs Tage nach seinem 88. Ge-

Bürgermeister Herbert Mayr vor. Der Text auf der

burtstag und 31 Tage nach dem Tod seiner Gattin.

Bronzetafel – mit kleineren Ungenauigkeiten be-

Die Erinnerung an diesen bedeutenden Me-

züglich der Datierung – lautet wie folgt:

diziner wird nicht nur in seinem Herkunftsort Wolfurt und seiner Wirkungsstätte Wien gepflegt,

QUESTO EDIFICIO, GIA’ CONVENTO

sondern auch in Südtirol. Denn besonders hier hat

DEI PADRI DOMENICANI DAL 1276 AL 1790,

er in den schweren Jahren während und nach dem

VENNE ADIBITO DURANTE LA PRIMA

Ersten Weltkrieg die entscheidenden Weichenstel-

GUERRA MONDIALE AD IMPERIAL-REGIO

lungen seiner Laufbahn erfahren und vollzogen.

OSPEDALE MILITARE. IL CAPITANO

In Meran wurde das ehemalige INAIL-Kranken-

MEDICO DR. LORENZ BÖHLER VI FONDO’

haus nach ihm benannt, was sicher eine gelun-

NELL’AGOSTO DEL 1916 LA MODERNA

gene Wahl ist, bedeutet doch das Kürzel INAIL

TRAUMATOLOGIA.

nichts anderes als Istituto Nazionale Assistenza Infortuni del Lavoro (Unfallversicherungsanstalt).

DIESES GEBÄUDE, VON 1276 BIS 1790

Die Straße, die zum neuen Regionalkrankenhaus

DOMINIKANERKLOSTER; DIENTE IM

in Bozen-Moritzing führt, wurde ebenfalls nach

1.WELTKRIEG ALS K.u.K. KRIEGSLAZARETT.

Lorenz Böhler benannt. Nicht zuletzt wurde am

HIER BEGRÜNDETE IM AUGUST 1916 DER

Donnerstag, dem 9. November 1989, um 16.30

REGIMENTSARZT DR. LORENZ BÖHLER DIE

Uhr am Gebäude der ehemaligen Fachschule für

MODERNE UNFALLCHIRURGIE.

Holz-Industrie und Sitz des Reservelazaretts für Leichtverwundete (Spezialabteilung für Knochen-

160

HEIMATSCHUTZVEREIN BOZEN 1989

Benutzte Literatur Lorenz 1955; Wir gratulieren 1960; Ein Arzt, 1965; Lehne 1971; Oberkofler 1973; Von Braitenberg 1985; Lehne 1991; Settari 2004; Buck-Gramcko 2007; 100 Jahre, 2009. Internetseiten - de.wikipedia.org/wiki/Lorenz_Böhler - de.wikipedia.org/.../Träger_des_Ritterkreuzes_des_ Kriegsverdienstkreuzes_(1939) - oe1.orf.at/libero/138334.html - wapedia.mobi/en/Lorenz_Böhler


161

KUNST UND KULTUR


Die Aufhebung im 18. Jahrhundert und der verheerende Bombenangriff auf Bozen im Jahr 1944 haben dem Dominikanerkloster große Schäden und Verluste beigebracht1. Dennoch sind die im Gebäudekomplex vorhandenen Wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert repräsentativ sowohl für die damals in der Stadt herrschenden, fortschrittlichen Kunsttendenzen als auch in Hinblick auf die in Kirche und Kloster ausgeführten dekorativen und ikonografischen, in der Tradition der Dominikaner stehenden Themen und auf die unterschiedliche Nutzung der Räumlichkeiten. Dieser wertvolle Kunstbestand umfasst heute ausschließlich Wandmalereien, die wir aber ideell durch die

Das Trecento. Wandmalereien in Kirche und Kloster der Dominikaner Tiziana Franco

verloren gegangenen liturgischen Geräte ergänzen müssen, diese schon in einer Urkunde des späten 13. Jahrhunderts zitierten paramenta, libri, calices, coopertoria et alia utensilia2, durch die wahrscheinlich vorhandenen Skulpturen und Altargemälde, die crux de media ecclesia, die raumbeherrschend auf dem Lettner aufragte und möglicherweise – eine suggestive These! – als der Leidende Gekreuzigte in der Pfarrkirche identifiziert werden kann3, und schließlich durch die Grabstätten und Grabplatten, die aus den Bettelordenskirchen nicht wegzudenken waren. Und Bozen machte da keine Ausnahme. Beweise hierfür sind ein Beschluss des Provinzialkapitels aus dem Jahr 1283 und für das 16. und 17. Jahrhundert die Chronik des Marx Sittich von Wolkenstein, der ein umfangreiches Verzeichnis von illustren Grabstätten anführt5. Heute können wir uns allerdings nur noch eine vage Vorstellung von der prestigeträchtigen Grabstätte von Anna von Böhmen machen, der 1313 verstorbenen Ehefrau des Grafen Heinrich von Tirol, können im Klosterkomplex nur noch wenige Grabplatten und einige wenige Wandmalereien finden, die höchstwahrscheinlich mit Bodengräbern in Verbindung standen. Da der Kreuzgang – hier in Bozen wie in den anderen Bettelordenskonventen8 – viele Grabstätten aufnahm, besteht zum Beispiel kein Zweifel, dass fast alle Trecento-Malereien, vor allem mehrere auffallende Wappen, mit Begräbnisstätten zusammenhingen. Eine dieser Malereien, auf der eine Grabinschrift mit der Jahreszahl 1348 zu sehen

162


ist (Abb. 1), befindet sich über dem Eingangs-

schen Memento mori aus dem 17. Jahrhundert

portal zur Kirche und hatte sicher einem Grab

(Salvoni/Fattoretto, Abb. 2, 6), sind die einzigen

entsprochen, das – aus Selbstbescheidung, aber

Überreste der ursprünglich zahlreichen um den

auch, um des täglichen Gedenkens der Mönche

Hauptaltar angeordneten Grabstätten; denn aus

sicher zu sein – in Portalnähe in den Boden ein-

mittelalterlicher Sicht war dies die Stätte, an denen

gelassen worden war .

die Gebete pro remedio animae den größten Erfolg

9

versprachen15. Von der Verwendung von leicht zu Der Langchor

erneuernden und somit wirtschaftlichen malerischen Ornamenten zeugen dagegen die Reste der

Die heutige Dominikanerkirche wurde, nachdem

Freskomalerei an der Stirnseite des gemauerten Al-

die Mönche sich vom Trentiner Kloster gelöst

tars, ein einfaches rot-weißes Schachbrettmuster16

hatten10, um die Wende vom 13. zum 14. Jahr-

(Salvoni/Fattoretto, Abb. 16), und die benach-

hundert errichtet und dem Erlöser geweiht. Sie

barte illusionistische Dekoration, die im frühen

weist eine typisch mitteleuropäische Gestalt auf,

15. Jahrhundert um das Tabernakel angebracht

die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nur

wurde. Eine Fotografie aus der Vorkriegszeit kann

teilweise abgewandelt wurde und für die Predi-

uns für den heutigen Zustand entschädigen17

gerkonvente der unteren lombardischen Provinz,

(Salvoni/Fattoretto, Abb. 14–15): Sie zeigt einen

der das Bozner Kloster schon 1303 angehörte11,

mehreckigen, spitztürmigen gotischen Reliquien-

an sich untypisch war – was aber sowohl mit der

schrein, der den vielen holzgeschnitzten Taberna-

geografischen Lage der Stadt zu erklären ist als

keln ähnelt, wie sie im 15. und 16. Jahrhundert im

auch mit der Tatsache, dass die Ordensgemein-

mitteleuropäischen Raum ausgeführt wurden18.

schaft, wiewohl eine Filiation von San Lorenzo in

Vor dem Tabernakel knieten zwei heute verloren

Trient12, überwiegend aus „deutschen“ Mönchen

gegangene Engel mit langen Spruchbändern, auf

bestand. Der Kirchenbau setzte sich aus einem

denen die ersten Verse aus dem Gebet des Corpus

einschiffigen, mit einer Holzdecke versehenen

Christi wiedergegeben waren19, die bezeichnender-

Langhaus zusammen, das der „äußeren“, für die

weise Thomas von Aquin zugeschrieben werden.

Laienpersonen bestimmten Kirche entsprach, und

Gleich oberhalb der Öffnung des Tabernakels da-

einem langgestreckten Chor mit Kreuzgewölbe

gegen befand sich ein „wahrer“, heute leider sehr

und Polygonalpasis, die als „interne Kirche“ den

fragmentarischer, von der Madonna und Johannes

Mönchen vorbehalten war (Stampfer, Abb. 12).

gestützter Christus passus, von dem nur noch eine

Die beiden Baukörper waren und sind bis heu-

von den Wundmalen durchsetzte Hand erhalten

te durch einen fünfbogigen Lettner verbunden,

ist. Dieses malerische Sujet erfreute sich im Bozen

einen unerlässlichen Baukörper im Sinne der ar-

des späten 14. Jahrhunderts großer Beliebtheit20,

chitektonischen Regeln des Dominikanerordens,

wahrscheinlich gerade auf Anregung der Bettel-

die eigene, voneinander getrennte Räume für die

mönche und ihrer Spiritualität. Man darf aber

Laien und die Mönchsgemeinschaft vorsahen. Die

auch nicht übersehen, dass der Christus passus

Öffnung im mittleren Joch des Lettners stellte die

ebenso in verschiedenen geschnitzten Taberna-

einzige Verbindung zwischen den beiden Räumen

keln im venetischen Raum aus der ersten Hälfte

her (Stampfer, Abb. 25).

des 15. Jahrhunderts anzutreffen ist21. Diese pa-

13

14

Im Langchor, wo sich der Hochaltar und

thetische Darstellung spielte eindeutig auf das im

der Mönchschor befanden (Stampfer, Abb. 36),

Tabernakel aufbewahrte eucharistische Brot an

haben sich bis heute nur wenige, aber bedeu-

und unterstrich in diesem Fall, zusammen mit den

tungsvolle Fragmente von Malereien des 14.

Inschriften auf den Spruchbändern, auch die be-

und des frühen 15. Jahrhunderts erhalten. Ein

sondere Ergebenheit der Predigermönche für den

in die Wand eingelassenes Arkosolium und eine

Fronleichnamskult22 – eine Hingabe, die, wie wir

Malerei, als Palimpsest mit einem fragmentari-

noch sehen werden, auch an anderen Stätten des

1

1. Einheimischer Maler, Wappen und Inschrift aus dem Jahr 1348, Bozen, Dominikanerkreuzgang, Außenfassade der Johanneskapelle

163


Bozner Dominikanerkomplexes bekundet wird, allen voran in der Johanneskapelle. Der Lettnerbereich Im Laufe des 14. Jahrhunderts wurde die gesamte, der ecclesia laicorum zugewandte Seite des Lettners bemalt. Davon zeugen ausgedehnte malerische Reste auf der Höhe der Arkaden, die hier wie anderswo bald zu Kapellen des Laienpatronats mit einem Altar und Grabstätten ausgebaut wurden. Bei den in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts durchgeführten Restaurierungen konnten an den Konsolen bedeutungsvolle Spuren von Polychromie entdeckt werden sowie figürliche Darstellungen auf der Höhe von drei der vier Arkaden, wobei in der ersten Arkade rechts zwei unterschiedliche, übereinanderlagernde Malschichten ausgemacht wurden23. Die ältere dieser Schichten sowie die an den anderen zwei Kapellen wurden in etwa innerhalb des dritten Viertels des 14. Jahrhunderts ausgeführt24. Interessant ist dabei zu beobachten, dass die Dekorationen dieser drei Kapellen, wiewohl sie unabhängig vonein2

ander entstanden sind, doch einen gemeinsamen kompositorischen Nenner aufweisen: Die Figuren sind in eine Scheinarchitektur mit Arkaden eingeordnet, die illusionistisch die Baustruktur des echten Lettners aufnimmt. Diese Tatsache, die an die in Mitteleuropa beliebte Integration von Malerei und Architektur denken lässt, könnte zu der Vermutung Anlass geben, dass hier – bei aller Unterschiedlichkeit der Maler und der Ausführungsdaten – von vornherein ein ornamentales Programm festgelegt und dann auch befolgt worden war, um der Lettnerwand Einheitlichkeit zu verleihen. Leider ist keiner dieser drei Malereizyklen vollständig erhalten. Der mittlere, dem Altar entsprechende Teil ist in allen Fällen verloren gegangen, während noch Heiligenfiguren zu erkennen sind, die wahrscheinlich eine Madonna

3

mit Kind oder einen Heiligen begleiteten. Dies

2. Meister der Madonna Niederthor (?), Die Heiligen Katharina und Antonius Abt, Bozen, Stadtmuseum (ehemals Dominikanerkirche, Lettner, 1. Kapelle rechts)

galt für die Ausschmückung der ersten Kapelle

3. Zweiter Meister von St. Johann im Dorf, Die Heiligen Maria Magdalena und Jakob, Tobiolus und der Engel, Bozen, Dominikanerkirche, Lettner

thronende Madonna mitten über dem Altar und

164

rechts, wo Rasmo vor den Bombenschäden „eine rechts einen heiligen Ritter in goldener Rüstung


mit wappenverziertem rotem Panzerhemd“ se-

und von der Beliebtheit der Vorbilder aus dem

hen konnte. Anhand dieser Beschreibung und

Veroneser Kreis um Altichiero sprechen wie auch

der wenigen von der entsprechenden Malschicht

vom allmählichen Umsichgreifen des sanften Stils

erhaltenen Reste kann diese verloren gegangene

böhmischer Prägung32 (Abb. 5a–5b). Alle vier

Malerei auf die Wende vom 14. zum 15. Jahrhun-

Darstellungen weisen Wappen und heraldische

dert datiert werden. Sie überlagert eine ältere, et-

Inschriften auf, doch da der Fußboden neu verlegt

wa 50–60 Jahre früher von einem einheimischen

wurde, ist schwer zu sagen, ob sie sich auf Boden-

Maler geschaffene Schicht in nunmehr kraftlosem

gräber bezogen, wiewohl einzelne Elemente auf

Giottismus. Von dieser Dekoration finden sich

Begräbnisstätten verweisen könnten: zum Beispiel

im Bozner Stadtmuseum fragmentarische, unter

das Miserere mei Deus auf dem Schriftband, das

Arkaden stehende Figuren der Heiligen Kathari-

der gewappnete Gläubige auf dem sogenannten

na und Antonius Abt (Abb. 2), die sich an der

Bopfingen-Bild der Jungfrau Maria überreicht33

Kapellenrückwand befunden hatten, wo sie eini-

(Abb. 6) oder die verloren gegangene, einst auf

gen in situ vorhandenen malerischen Fragmenten

dem Castelnuovo-Bild vorhandene Darstellung

entsprechen26. In der benachbarten Kapelle sind

des heiligen Laurentius, der für die armen Seelen

dagegen noch eine Maria Magdalena und ein

im Fegefeuer Fürbitte einlegt34. Diese Malereien

verstümmelter heiliger Jakob und darüber der

und die auf dem Lettner (aber auch die Darstel-

heilige Tobiolus27 (Abb. 3) zu sehen, während in

lungen im Kreuzgang, die ursprünglich mit Lai-

der ganz links gelegenen Kapelle noch drei frontal

engräbern in Zusammenhang standen) geben

wiedergegebene Apostelfiguren erhalten sind28.

uns ausreichend Aufschluss über die religiösen

Diese Malereien sind um 1370 von Künstlern

Tendenzen der Auftraggeber, die einerseits eine

ausgeführt worden, die üblicherweise als Zweiter

Vorliebe für „Laienfiguren“ wie den heiligen Os-

Meister von St. Johann im Dorf und als Meister

wald (Abb. 7) und den heiligen Georg zeigten, der

der Urbanslegende bezeichnet werden und in

sowohl als stehender Krieger wie auch im Kampf

der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zwei rege

mit dem Drachen abgebildet wird, während sie

Werkstätten in Bozen betrieben und dabei, wie

andererseits unter den bekanntesten Heiligen ei-

wir noch sehen werden, eine besondere Vorliebe

ne Präferenz für die Lieblingsheiligen der Predi-

für den Dominikanerkomplex an den Tag legten.

germönche an den Tag legten – zum Beispiel für

Vom großen Appeal, den der Raum der

Laurentius, dem das Mutterhaus San Lorenzo in

„Laienkirche“ um den Lettner ausübte, zeugen

Trient geweiht war, für Antonius Abt, dem der

auch die vielen in seiner Nähe angelegten Altäre

Malereizyklus an der Innenfassade gewidmet war,

und Andachtsbilder, die – nach den Resten zu

und für Katharina, deren Legende im Kapitelsaal

urteilen – besonders in der zweiten Hälfte des

und in einer Kapelle des Kreuzgangs erzählt wird.

14. Jahrhunderts entstanden. So ist an der Ost-

Eigentümlicher dagegen der Volto Santo von Lucca

wand die Öffnung der Thomaskapelle zu erwäh-

und das damit zusammenhängende Wunder des

nen, von der noch die Rede sein wird, und die

armen Geigenspielers auf dem Bopfingen-Bild

Erasmusarkade/-kapelle, in der, wie am Lettner,

(Abb. 6): Diese Präsenz ist sicher auf die regen

vom Meister der Urbanslegende die Heiligenle-

Handelsbeziehungen im Bozen des 14. Jahrhun-

gende in kleinem Format gemalt worden ist wie

derts zurückzuführen, die mit den Kaufleuten

auch die Bogenumrahmung mit Fialen und Heili-

aus Lucca auch den Volto-Santo-Kult in die Stadt

genfiguren (Abb. 4a–4b). An der gegenüberliegen-

gebracht haben könnten35. Die Darstellung des

den Wand befinden sich, ebenfalls in Lettnernähe,

Schweißtuchs der Veronika (Abb. 4b), die beim

vier auffallende Andachtsbilder, die zwischen den

Erasmusaltar oder als Ergänzung des Schmerzens-

Siebzigerjahren des 14. Jahrhunderts und den ers-

manns im Kreuzgang zu finden ist, kann dagegen

ten Jahren des 15. Jahrhunderts entstanden sind

mit der Verbreitung dieses Bildes auf dem Pilger-

(zwei sind 1379 beziehungsweise 1404 datiert31)

weg erklärt werden, der von Norden nach Rom

29

30

4a

4b

4a.–4b. Meister der Urbanslegende, Erasmuslegende, Verkündigung und Schweißtuch der Veronika, Bozen, Dominikanerkirche, Ostwand

165


5a

5b

6 5a.–5b. Bildfelder mit religiÜsen Darstellungen, Bozen, Dominikanerkirche, Westwand 6. Einheimischer Maler, Madonna mit Kind und Stifter, der Volto Santo und das Wunder des armen Geigenspielers, Bozen, Dominikanerkirche, Westwand

166


führte36. Eine jüngste Entdeckung hat ergeben,

erfolgten Kanonisierung dieses Heiligen errichtet

dass das Schweißtuch der Veronika Bestandteil

und schon nach ihm benannt worden39. Da die

einer ebenfalls vom Meister der Urbanslegende

Kapelle im 19. Jahrhundert zerstört wurde, kön-

ausgeführten einheitlichen Dekoration in der

nen wir nur vermuten, dass der Malereizyklus in

Kirche war, zu der auch eine Verkündigung un-

ihrem Inneren den heiligen Thomas zum Thema

ter Ädikulä gehörte: ein Beweis dafür, dass dieses

hatte. Erhalten ist lediglich die sehr beschädigte

Bild je nach Kontext „eine bedeutende kulturelle

Dekoration des ursprünglichen Portalbogens,

Rolle mit Bezug auf das liturgische Ambiente und

die aber deutlich zeigt, dass sie Bestandteil einer

die in der Messe zelebrierte Erlösungsgeschichte

umfassenderen Malerei war, die in der ersten

“ spielen konnte37.

Hälfte des 14. Jahrhunderts geschaffen wurde, wohl sofort nach dem Kapellenbau. Bei jüngsten

Die Verehrung von Dominikanerheiligen

Restaurierungen ist die durchgehende Bemalung

in der Kirche

der Architekturen deutlich geworden, und an der

7

inneren Bogenlaibung sind ansehnliche Stücke Auf den bis heute erhaltenen Lettnermalerei-

eines Streifens mit einem illusionistischen Spi-

en wie auch auf den benachbarten Bildern aus

ralband auf rotem Grund ans Tageslicht gekom-

dem späten 14. Jahrhundert finden sich keine

men (Abb. 8). Dieses Motiv nimmt ornamentale

Darstellungen von Heiligen des Dominikaner-

Lösungen aus der örtlichen malerischen Tradition

ordens. In der Kirche selbst und in den später

des 13. Jahrhunderts auf, findet aber „im Zuge

angebauten Kapellen sind sie nur am Rand des

des ersten Widerhalls der aus Assisi kommenden

komplexen Zyklus in der Johanneskapelle anzu-

Neuheiten in Nord- und Mittelitalien weite Ver-

treffen, wie sie auch in der fast gänzlich verloren

breitung“ und ist auch im Bozner Ambiente zu

gegangenen Dekoration an der Außenwand der

finden40. Der Bezug auf giotteske Vorbilder, vor

zerstörten Nikolauskapelle erwähnt werden: In

allem auf die aus Padua41, wird in der Dekoration

der Johanneskapelle wird die Madonna auf einer

der eigentlichen Laibung deutlich, wo sich über

bezeichnenderweise über der Tür zum Kreuzgang

einem auf beiden Seiten vorhandenen Sockel aus

angebrachten Szene von Dominikus und Petrus

Scheinmarmor ein Fries mit Heiligenbrustbildern

flankiert (Abb. 25), an der Außenwand der Ni-

in gelappter Umrahmung hinzieht, die ihrerseits

kolauskapelle wurde die komplexe malerische

von aus einem weißen Band gebildeten Rhom-

Umrahmung des Kapellenzugangs durch die Hei-

ben umschlossen werden, die mit gemischtlinigen

ligen Dominikus, Petrus, Thomas von Aquin und

Kassetten abwechseln und sich verflechten. Wir

Franz von Assisi ergänzt. Natürlich sind weitere,

haben es hier mit einem Beispiel für den großen

„zentralere“ Darstellungen der ersten drei Domi-

Erfolg zu tun, den der giotteske Stil noch im drit-

nikanerheiligen nicht auszuschließen, ja wir haben

ten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts bei den Bettel-

Grund genug, uns derartige Abbildungen – wie

orden verzeichnen konnte: angesichts der starken

sie schon vom Generalkapitel 1254 befürwortet

kommunikativen Wirkung, die auf die tatsächli-

worden waren38 – vorzustellen. Da aber Notizen

che „Wahrheit“ der dargestellten Dinge und auf

zur Weihe der Altäre im 14. Jahrhundert fehlen,

die Illusion einer Kontinuität zwischen dem realen

können wir uns heute kein Bild mehr von ihrer

und dem gemalten Raum zurückgeht. In Bozen,

Verehrung in der Kirche machen. Erst aus dem

wo die gotische Malertradition mitteleuropäischer

17. Jahrhundert finden wir einen Hinweis darauf,

Prägung in schönster Blüte stand42, kann man an-

dass die unter dem Patronat der Familie Brandis

hand der bei den Franziskanern erhaltenen De-

in Lettnernähe in der Ostwand errichtete Ka-

korationen aus dem 14. Jahrhundert sehen, dass

pelle dem heiligen Thomas von Aquin geweiht

die bildlichen Lösungen beider Kulturkreise ne-

war; aber wie Enrica Cozzi schreibt, war wohl

beneinander an derselben Wand zu finden waren

die ursprüngliche Kapelle kurz nach der 1323

und sich konfrontierten. Im Dominikanerkloster

8

7. Meister des Castelnuovo-Freskos, Madonna mit Kind, Heilige und Stifter, Bozen, Dominikanerkirche, Westwand 8. Detail des Bogens der Thomas-von-Aquin-Kapelle (später Brandiskapelle), Bozen, Dominikanerkirche

167


dagegen scheint man sich — sofern dies heute noch beurteilt werden kann – für eine einzige, eindeutige Stilausrichtung entschieden zu haben; denn schon im dritten Jahrzehnt sind hier giottesk geprägte Künstler in anspruchsvollen Malereizyklen am Werk: in der Thomas-von-Aquin-Kapelle, der Johanneskapelle und der Katharinenkapelle ebenso wie im Kreuzgang und im Kapitelsaal. Die Johanneskapelle Trotz der Verluste, die der bewegten Geschichte nach der Säkularisierung des Klosters zuzuschreiben sind44, handelt es sich bei der Johanneskapelle um den Raum, in dem sich die TrecentoMalereien am besten erhalten haben. Die „kleine Kirche“, wie Marx Sittich von Wolkenstein sie bezeichnete45, zieht sich in der Länge über drei hohe, schmale Joche mit Kreuzgewölbe hin. Für die Annahme, dass sie mehr oder weniger gleichzeitig mit dem Langchor errichtet wurde, sprechen ihre Lage am Verbindungspunkt zwischen Kirche und Kloster, der auf ihr errichtete Glockenturm und die Anlage (zumindest bis zum 6. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts) der Treppe und des Zugangs9

portals zum Obergeschoss des Lettners in ihrem Inneren46. Wie fast immer bekam der Raum sofort eine erste, einfache, völlig anikonische Dekoration, die – wie es aus wirtschaftlichen Gründen zum Beispiel auch im Dominikanerkapitel San Nicolò in Treviso geschah47 – teilweise in den kurz darauf entstandenen Malereizyklus aufgenommen wurde, mit dem die Wände ausgeschmückt wurden. Es handelt sich um Friese mit Pflanzenmotiven, wie sie noch der Kultur des 13. Jahrhunderts angehörten, an den Laibungen von Türen und Fenstern48. Möglicherweise existierten hier auch die charakteristischen ornamentalen Streifen in Dreiviertel der Wandhöhe, wie sie zum Beispiel im Chor und in den östlichen Kapellen der Dominikanerkirche Santa Anastasia in Verona zu finden sind49. Die Kapelle zeugt mit ihrer Dekoration davon, dass sich die Laien schon in den ersten Jahr-

9. Giottesker Maler, Madonna mit Kind (erste Schicht), Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle, Ostwand

168

zehnten des 14. Jahrhunderts rasch die vor allem prestigeträchtigsten Kirchenräume angeeignet und


hier Familienkapellen mit Grabstätten angelegt

den beiden Längsseiten der Kapelle gegenüber,

hatten. Die hinter dem Lettner in der Nähe des

und sie werden durch Szenen aus dem Marien-

Hochaltars gelegene Johanneskapelle befand sich

leben, dem Jesusleben und der Nikolauslegende

an der obligatorischen Passage vom Kloster zum

ergänzt sowie einem beunruhigenden Triumph des

Kirchenchor: Die Stifter erhofften sich von den

Todes. Die Narration erfolgt in Bildfeldern, die

hier vorbeikommenden Mönchen tägliche Gebete

von einer Scheinarchitektur aus gemalten gewun-

für ihre Verstorbenen. Die Bedeutung, die dieser

denen Säulen umschlossen werden, auf denen die

Lage zugeschrieben wurde, geht auch aus der

Gewölbekämpfer „ruhen“. Die mit einem Ster-

Tatsache hervor, dass hier – wie zum Beispiel in

nenhimmel dekorierten Gewölbe selbst weisen in

der Antoniuskapelle der Franziskanerkirche San

den einzelnen Jochen jeweils vier Tondi mit den

Fermo Maggiore in Verona – in kurzem zeitli-

Brustbildern der Evangelisten, der Kirchenväter

chem Abstand nacheinander zwei unterschiedliche

und der Propheten auf – ein kompositorisches

Dekorationen ausgeführt wurden. Mehrere Fehl-

Element, das deutlich an die von Giotto geschaf-

stellen an der an den Chor anschließenden Wand

fene Ausmalung der Cappella degli Scrovegni in

sprechen für eine ausgedehnte, stark giottesk

Padua erinnert. Boccione war dieses Werk sicher

geprägte Darstellung der Thronenden Madonna

bekannt, und er war geltungssüchtig genug, um

mit Kind (Abb.9), die etwa ein Jahrzehnt früher

die Bozner Malereien ausdrücklich nach diesem

als die „um 1329 oder kurz zuvor“52 ausgeführte

Vorbild ausführen zu lassen. Der Giotto-Zyklus

Gesamtdekoration der Kapelle geschaffen wurde,

konnte im Übrigen einen „enormen und in meh-

die einem unter Führung des anonymen Meis-

rere Richtungen gehenden“ Widerhall verzeich-

ters der Dominikaner wirkenden Künstlerkreis

nen, aber auf dem Gebiet der Malerei diente er

gleicher kultureller Ausrichtung zuzuschreiben

„eher als Quelle kompositorischer Themen denn

ist53 (Abb. 10).

als gänzlich assimilierbare stilistische Wurzel“57.

50

51

10

11

Diese neuen, weitläufigen Malereien gehör-

Der Meister der Dominikaner hatte sicher grafi-

ten zum ehrgeizigen Projekt einer Grabkapelle für

sche Erinnerungen vor Augen, aber mehr als 20

die Geldverleiher Rossi/Botsch, die ursprünglich

Jahre nach Vollendung des Paduaner Zyklus lie-

aus Florenz stammten, sich aber schon im späten

ferte er in Bozen eine freie, unter Einfluss des Ve-

13. Jahrhundert in Bozen niedergelassen und den

roneser Giottismus stehende Interpretation dieses

italienischen Familiennamen eingedeutscht hatten

Repertoires58, bei der er im Vergleich zur „Technik

und die sich auch im darauf folgenden Jahrhun-

giottesker Kulturübernahme“59 auf andersartige

dert durch weitere anspruchsvolle Aufträge für

Ausführungsverfahren zurückgriff. Wie Vincenzo

das Franziskanerkloster und die Pfarrkirche St.

Gheroldi nachgewiesen hat, deuten verschiedene

Johann im Dorf hervortun sollten54. Es ist nicht

Lösungen auf Methoden hin, wie sie der örtlichen

mehr nachzuvollziehen, wann die Johanneskapelle

Malereitradition mitteleuropäischer Herkunft zu

zur Patronatskapelle der Familie wurde, aber die

eigen sind: Sie stehen mit der Werkstattkultur in

vollständige Ausmalung dürfte nach dem 1324

Verbindung und mit der Vorliebe für leuchtend-

erfolgten Tod von Bannini de Bamborociis de Flo-

intensive Farbgebung, die durch das Beimischen

rentia erfolgt sein, der hier auch begraben wurde55.

von Kalk zur Farbe erreicht wird60. Auf der ande-

Den Anstoß zum Malereizyklus hatte vermutlich

ren Seite fällt in den kompositorischen und lexika-

dessen Sohn Boccione gegeben, der wahrschein-

len Elementen und in vielen präzisen Zitaten aus

lich auf dem Bild zu erkennen ist, das sich einst

der Scrovegni-Kapelle der Rückgriff auf figurative

über dem Altar befunden hatte : Er und seine

Vorbilder Giottos auf, wobei aber die feierlich-

Frau, die vor dem Schmerzensmann knien, wer-

erhabene Sprache des Florentiner Meisters in eine

den vom Evangelisten Johannes beziehungsweise

Komödie aggressiver oder pathetischer Wahrheit

10. Johanneskapelle, Bozen, Dominikanerkirche

von Johannes dem Täufer empfohlen (Abb. 11).

verwandelt wird. Diese andersgeartete Tönung,

Die Legenden dieser zwei Heiligen stehen sich an

die in Bozen bis ins Groteske gesteigert wird,

11. Erster Meister der Dominikaner, Schmerzensmann, Heilige und Stifter, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle, Südwand

56

169


12

12. Erster Meister der Dominikaner, Hochzeitszug der Jungfrau, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle, Nordwand

170


kann man gut erfassen, wenn man zum Beispiel die seltene Darstellung des Hochzeitszugs der Jungfrau betrachtet, die in Padua vorhanden ist und in Bozen wiederholt wird62 (Abb. 12). Auch hier bei den Dominikanern finden wir die von links nach rechts ablaufende Prozession der Personen, die isolierte Stellung Marias, die mit verkürztem Nimbus wiedergegeben wird, und die Musiker mit schräg gestreiften Gewändern, ja in der ursprünglichen Fassung war vom giottesken Vorbild sogar die Farbgebung (weiße und blaue Streifen) übernommen worden, die allerdings in einer völlig andersartigen Technik ausgeführt wurde63. 13

Die zweite Botsch-Kapelle Doch der Bezug auf die Scrovegni-Kapelle hängt

14

nicht nur mit der Kultur und der Inklination des Malers zusammen, sondern auch mit der bewussten Entscheidung der Auftraggeber (was um dieselbe Zeit auch in der Kapelle San Salvatore Vecchio in der Burg von Collalto im Raum von Treviso zu beobachten war64). Dies wird durch die Tatsache belegt, dass Boccione neuerlich nach Padua blickte, als er für sich und seine Nachkommen in der Dominikanerkirche eine neue Grabkapelle anlegen und ausmalen lassen wollte.

15

Diese recht große Kapelle wurde um die Mitte des 14. Jahrhunderts oder kurz danach gleich neben der Fassade an der Kirchenostwand errichtet und dem heiligen Nikolaus geweiht, dem die Rossi/ Botsch besondere Verehrung entgegenbrachten (die Nikolauslegende war schon in der Johanneskapelle wiedergegeben worden). Boccione und seine Familie waren auf der Suche nach öffentlicher Anerkennung in der Stadt: dies die Erklärung

17

16

für den Bau der neuen Kapelle, noch mehr aber für die Berufung eines weithin berühmten Malers wie Guariento. Dieser Künstler hatte damals schon – als prächtigen Rahmen für die Grabmäler von Ubertino und Jacopo II. da Carrara – die Dekoration im Chor der Dominikanerkirche Sant’Agostino in Padua verwirklicht und die vielleicht noch prestigeträchtigere Ausmalung der Privatkapelle in der Reggia Carrarese ebenfalls in Padua ausgeführt. Heute ist nicht mehr festzustel-

13.–14. Guariento und Werkstatt, freskenbemalte Fragmente, ehemals Dominikanerkirche

16. Guariento, Propheten, ehemals Bozen, Dominikanerkirche, Zugangsbogen zur zerstörten Nikolauskapelle

15. Guariento, Pfingstwunder, ehemals Bozen, Dominikanerkirche, Nikolauskapelle

17. Guariento, Der heilige Georg und die Prinzessin, Erzengel, Bozen, ehemals Dominikanerkirche, Ost- und Nordwand

171


18

len, warum die Wahl gerade auf Guariento fiel:

dem 15. Jahrhundert erhalten hatten. Im Zuge

ob dank der Beziehungen der Rossi/Botsch zu

der in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts

Padua und seinen damaligen Herrschern oder der

vorgenommenen Restaurierungen wurden die

Verbindungen innerhalb des Dominikanerordens,

am ursprünglichen Kapellenzugang vorhande-

dem auch die Kirche Sant’Agostino gehörte. Auf

nen Wandmalereien systematisch aufgedeckt

jeden Fall handelte es sich um ein sehr ambitio-

und fotografiert. An der Laibung des Durchgangs

niertes Werk, von dem wir uns heute, angesichts

befanden sich mehrere Ganzfiguren von Prophe-

der wenigen Überreste, nur noch ein vages Bild

ten (Abb. 16), über dem Eingangsbogen zwei

machen können. Verblieben sind uns alte Fotos,

Erzengel mit ausgebreiteten Flügeln und rechts

wenige noch in situ vorhandene Bruchstücke von

davon ein riesiger Christophorus, umgeben von

Malereien und viele winzige Fragmente, die nach

auf mindestens drei Registern von Dreipassarka-

den Bombenangriffen des Jahres 1944 und auch

den angeordneten Szenen seines Lebens. Links

im Laufe der jüngsten Ausgrabungen auf dem

des Eingangsbogens dagegen war die Dekoration

Platz um die Kirche sichergestellt werden konn-

in vier übereinanderliegende Register gegliedert

ten65 (Abb. 13–14).

und stellte auf diese Weise eine ununterbrochene

Von der Ausmalung der Kapelle kann nur

Verbindung zwischen der Eingangswand und der

wenig rekonstruiert worden, denn sie wurde

Innenfassade her: Oben wurde die Ecke effektvoll

im Jahr 1820, als Folge der mehr als 30 Jahre

von einem Bogen geschnitten, der einen Kampf

zuvor erfolgten Klosteraufhebung, demoliert.

des heiligen Georgs mit dem Drachen einschloss,

Die knappe Beschreibung, die der Jesuit Daniel

dem die Prinzessin beiwohnte, neben ihr ein

Papebroch um 1660 liefert, evoziert die alte An-

Wappen der Botsch (Abb. 17). Darunter wies die

lage, die die Wände überziehenden Malereien,

Dekoration paarweise angeordnete, gemalte Drei-

die „historia atque miracula“ darstellen, und das

passarkaden auf, die durch eine kleine Ecksäule

Gewölbe „caeruleus aureis stellulis amoene con-

miteinander verbunden wurden und zwei Epi-

spersus“ . Der Hinweis auf den Sternenhimmel

soden aus der Augustinuslegende und die schon

ist vielsagend, denn er bedeutet, dass Papebroch

erwähnten Heiligenpaare aufnahmen (Abb. 18).

noch die aus dem 14. Jahrhundert stammende

Die mit Malereien versehene Fläche setzte sich

Gewölbedekoration sah; die von ihm angeführte

dann mit der gleichen Arkadenrhythmisierung auf

Verbindung zwischen der Skapulierbruderschaft,

der Innenfassade mit der Antonius-Abt-Legende

der die Kapelle damals gehörte, und dem Thema

fort, die oben von einem Fries mit dem Botsch-

des Malereizyklus, „prisca manu“, lässt allerdings

Wappen begleitet wurde. Von der Zerstörung

vermuten, dass hier, zumindest teilweise, Szenen

sind nur ein Teil der Antonius-Abt-Legende und

aus dem Marienleben wiedergegeben waren. Für

die beschädigte Figur des heiligen Thomas von

diese Annahme spricht auch die zentrale Anord-

Aquin erspart geblieben. Aber dank der vor dem

nung der Marienfigur in der Pfingstszene (Abb.

Zweiten Weltkrieg aufgenommenen Fotografien

15), die sich zusammen mit den Aposteln in

können wir die Zuschreibung an Guariento und

der Kapelle über dem Eingangsbogen in einer

seine Werkstätte bekräftigen, die 1936 von Con-

komplexen, „tiefen“ Arkadenarchitektur befun-

stable vorgeschlagen und in der Folge trotz des

den hatte . Diese Darstellung ist leider verloren

Mangels an Beweisen einstimmig akzeptiert wor-

gegangen, aber auf einem Foto aus der Zeit vor

den war68. Die bedeutenden Beiträge von Nicolò

den zerstörerischen Bombenangriffen von 1944

Rasmo und die kürzlich realisierte grafische und

zu erkennen – was auch für einen großen Teil der

philologische Rekonstruktion der gesamten vor

66

19

67

Malereien gilt, die die Stirnseite der Kapelle in der

der Zerstörung vorhandenen Malereien im Rah-

18. Guariento, Die Heiligen Dominikus und Franz von Assisi, ehemals Bozen, Dominikanerkirche

Kirche schmückten.

men der Bozner Trecento-Malerei vermitteln au-

19. Guariento und Erster Meister von St. Johann im Dorf, Augustinus- und Antonius-Abt-Legende

Im späten 19. Jahrhundert waren hier noch

ßerdem einen Eindruck von der Komplexität der

die Malereien sichtbar, die sich am Gewölbe aus

wahrscheinlich innerhalb des sechsten Jahrzehnts

172


entstandenen Bozner Unternehmung Guarientos

auf die Malereien aus, die von ihnen suggeriert

und deren Neuheitseffekt, dank der Mitwirkung

und kontrolliert wurden. Bei den von den Rossi/

von einheimischen Künstlern unterschiedlicher

Botsch in Auftrag gegebenen Dekorationen für

Herkunft und Erfahrung neben dem Paduaner

die Nikolauskapelle wird dies besonders in den

Meister. Diesen Mitarbeitern, die herkömmli-

Malereien zwischen dem Eingang und der Innen-

cherweise als Erster und Zweiter Meister von

fassade der Kirche deutlich, wo – bei aller Achtung

St. Johann im Dorf bezeichnet werden, sind die

der Absichten der Stifter – die Glaubensmodelle,

Antonius-Abt-Legende (Abb. 19) beziehungswei-

auf die der Dominikanerorden sich bezog, bildhaft

se die Christophorus-Legende zuzuschreiben, die

präsentiert wurden. Die schon erwähnten Dar-

sich durch eine deutlich von Guariento geprägte

stellungen der Dominikanerheiligen (Abb. 18)

Anlage auszeichnen. Wenn wir das gesamte Werk

wurden zusammen mit dem Bild des heiligen

kollationieren und in den künstlerischen Werde-

Franziskus von zwei Episoden aus dem Augusti-

gang Guarientos einordnen, erkennen wir dagegen

nusleben begleitet, auf denen sich die Bekehrung

die führende Stellung des Künstlers bei der Neu-

in Gegenwart des Eremiten Simplicianus vollzieht,

interpretation des „heiklen“ Erbes der giottesken

und von der Antonius-Abt-Legende (Abb. 19), die

Malerei und seinen zunehmenden Hang zu einem

von entsprechenden Szenen aus dem Leben des

mutigen und unruhigen, wenn auch empirischen

heiligen Eremiten Paulus begleitet wurde. Diese

und partiellen Experimentalismus bei der illusi-

Themen zeugen von der engen Verbundenheit

onistischen Wiedergabe der Tiefe und vor allem

der Predigermönche mit dem Einsiedlertum und

der ideellen Kontinuität zwischen realem und

einer „Bußkultur“71, die sich zum Beispiel in der

gemaltem Raum. Davon zeugten zum Beispiel

Übersetzung der Vitae patrum durch den Do-

der Kampf Georgs mit dem Drachen an zwei

minikaner Domenico Cavalca zeigt oder in der

rechtwinklig zueinander stehenden Wänden oder

Tatsache, dass sie in ihren Predigten das Vorbild

der übergroße Christophorus, der über die archi-

der heiligen Eremiten in den Vordergrund stel-

tektonischen Scheinrahmungen hinausging und

len, „um die Laien vor der täglichen Bedrohung

auf den tatsächlichen Kirchenraum überzugreifen

durch Teufel […], Tod und Hölle zu warnen“72.

schien. Ein weiteres kleines Detail dieses Spiels

Derartige erzieherische und chronikalische

ist bei der jüngsten Restaurierung ans Tageslicht

Absichten sind, neben dem Bedürfnis zur Ver-

gekommen, als die noch vorhandene Polychro-

herrlichung des Ordens und seiner Lehre, auch

mie des Zugangsbogens zur Kapelle aufgedeckt

– wie Guido Gentile und Friederike Wille fest-

wurde, vor allem zwei auf einen der Werksteine

gestellt haben – im ältesten Malereizyklus der

gemalte Flügel (Abb. 20). Sie finden sich auf der

Johanneskapelle zu finden, wo die Regie seitens

Höhe einer Art kleiner Ädikula, als Pendant zu

der Mönche klar zu erkennen ist73. Beide Kunst-

einer anderen auf dem gegenüberliegenden Bo-

historiker haben unterstrichen, dass der Spiritua-

genpfeiler, und sie lassen vermuten, dass sich hier

lität des Dominikanerordens besonders gut gerade

auch die Statuen des Verkündigungsengels und

der Schmerzensmann entgegenkommt, der – von

der Madonna gegenübergestanden hatten, wäh-

den Stiftern angebetet – mit eucharistischer Be-

rend die Szene durch die hinter ihnen gemalte

deutung über dem Kapellenaltar dargestellt wird

Dekoration notwendigerweise ergänzt wurde .

und sich auch im Kreuzgang, in der Nähe des

69

20

21

Eingangs, wiederholt, „als Objekt mystischer Der Einfluss der Predigermönche

Kontemplation oder sogar als Erscheinung vor einem gedankenverlorenen heiligen Thomas“74

Auch bei diesen von Laienpersonen finanzierten

(Abb. 21). Die Lage der Johanneskapelle am Weg

Werken, auf denen die jeweiligen Familienwap-

vom Kloster zum Chor liefert mit derselben Logik

pen zur Schau gestellt werden, übten die Predi-

eine Erklärung für die Figur des Christus passus

germönche unweigerlich einen ständigen Einfluss

über dem Eingangsportal zum Chor (Abb. 22), die

20. Guariento, Flügel des Verkündigungsengels, Bozen, Dominikanerkirche, Zugangsbogen zur zerstörten Nikolauskapelle 21. Erster Meister der Dominikaner, Schmerzensmann und Dominikanerheiliger, Bozen, Dominikanerkloster, Kreuzgang, Ostflügel

173


22

22. Meister der Urbanslegende, Christus passus, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle, Ostwand

174


23

23. Erster Meister der Dominikaner, Triumph des Todes, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle, Ostwand

175


vom Meister der Urbanslegende im Zuge der begrenzten Dekorationskampagne nach der Entfernung der Treppe zum Obergeschoss des Lettners geschaffen worden war. Mit den Intentionen der Mönche steht auch – wiewohl in Übereinstimmung mit der Bestimmung als Grabkapelle – der große Triumph des Todes an der Ostwand in Einklang (Abb. 23), die der wenige Jahre später im Camposanto in Pisa entstandenen Darstellung ähnelt75 und zu deren Verwirklichung die einheimischen Dominikaner nachgewiesenerweise die „Rolle von Regisseuren und Programmatoren“ gespielt haben76. Die Szene in Bozen zwang die Mönche, die beim täglichen Gang in den Chor an ihr vorbeikamen, „den Gedanken an den Tod nicht von sich fern zu halten“77 und sich „das Gericht und die Strafe“ vor Augen zu halten, da die Sünder – so Fra Giordano da Pisa – nur durch einen Stimulus auf die Angst reagierten78. Wie in Pisa wurde und wird die Erinnerung auch in Bozen vor allem durch die Kommunikationskraft der Bilder angeregt – was die aggressive Expressivität des Meisters der Dominikaner bestens erfüllt. Denkwürdig ist in diesem Sinn vor allem sein Tod, der noch nicht – wie in den späteren „Triumphen“ 24

– als Gerippe wiedergegeben wird, sondern als grauenerregender Dämon, da er „noch als Folge der Sünden der Vorväter empfunden wird“79. Er reitet auf einem skelettdürren Pferd über einen Haufen Leichen hinweg (Abb. 24), als Angelpunkt einer aus einzelnen, leicht im Gedächtnis festzuhaltenden Szenen bestehenden Komposition: Auf der einen Seite die Personengruppen, die voller Angst auf den Tod warten oder verzweifelt einen unnützen Fluchtversuch unternehmen, da sie alles zu verlieren haben – auf der anderen Seite ein Paar, zwei alte Kranke, die den Tod ersehnen und ihm folgen. Hinter ihnen links eine knappe Synthese des Jüngsten Gerichts, mit der Darstellung der Pforten des Paradieses und der Hölle, davor die Seelenwaage, die auf das individuelle Gericht nach dem Tod anspielt, das gerade damals, um das dritte und vierte Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, im Mittelpunkt heftiger theologischer Debatten

24. Erster Meister der Dominikaner, Triumph des Todes, Detail, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle, Ostwand

176

stand, in die auch der Dominikanerorden direkt verwickelt war80. Die Szene konnte daher auch


25

25. Erster Meister der Dominikaner, Madonna mit Kind zwischen Dominikus und Petrus M채rtyrer, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle, Westwand

177


in ihren komplexen doktrinären Implikationen

wohl geradezu emblematisch an ihren mutigen

interpretiert werden, an die im Übrigen auch die

und unermüdlichen Einsatz zur Verteidigung

lateinischen Inschriften auf den Spruchbändern

des Glaubens und der Kirche gegen die Ketzerei

erinnern, die die verschiedenen Teile der Kom-

erinnert werden, der im Fall von Petrus bis zum

position kommentieren, jeweils unter Bezug auf

Märtyrertod ging.

bezeichnende Bibelstellen: Es handelt sich um Er-

Diese Bilder sollten – dafür spricht ihre La-

mahnungen, sich gut zu verhalten und nicht auf

ge – als Einführung zu den Räumlichkeiten des

die irdischen Güter zu zählen, sondern über das

Klosters dienen, wo glücklicherweise noch ver-

Grauen des irdischen Todes nachzudenken (cum

schiedene, bedeutungsvolle Trecento-Malereien

enim moritur homo hereditabit serpentes et bestias

erhalten sind: im Kreuzgang, im Kapitelsaal und

et vermes ) und über das nachfolgende Gericht,

in der anschließenden Katharinenkapelle sowie

um unverzüglich die ewige Rettung zu erlangen .

in einem Raum, der zumindest im 18. Jahrhun-

83

82

dert als Sommerrefektorium diente. Abgesehen 26a

Die Räumlichkeiten des Klosters

vom Kreuzgang, der uns, da seine Arkadenflügel ununterbrochen als Grabstätten benutzt wurden,

In der Johanneskapelle wird den Dominika-

als Malereipalimpsest entgegentritt87, sind die aus

nerheiligen, wie schon gesagt, auf der kleinen

dem 14. Jahrhundert stammenden Bilder in den

Wandfläche über der zum Kreuzgang führenden

anderen Räumen innerhalb der ersten Jahrhun-

Tür gehuldigt. Die Heiligen Dominikus und

derthälfte ausgeführt worden: ein Zeichen der

Petrus Märtyrer sind neben der Madonna mit

systematischen Dekorationskampagne, die ohne

Kind abgebildet, wodurch die Marienverehrung

Zäsur auf den Abschluss der Klosterbauarbeiten

der Predigermönche unterstrichen wird (Abb.

gefolgt war. In einigen Räumen beschränkte sich

25). Der Sinn dieser Darstellung wird durch

diese Dekoration auf einfache ornamentale Strei-

die monochrome Darstellung der Fides und der

fen – wie den Fries mit den von gemischtlinigen

Infedelitas (Abb. 26a–26b) ergänzt, die darüber

Feldern umschlossenen phalerae im Südflügel des

auf zwei Bildfeldern zwischen der nordwestlichen

Kreuzgangs, in einem Raum der heutigen Stadt-

Ecke und dem Fenster über der Tür zu erkennen

galerie88. Der Kapitelsaal und die anschließende

sind84. Diese beiden Figuren sind ein neuerlicher

Katharinenkapelle wurden dagegen innerhalb

Bezug auf die Scrovegni-Kapelle und die dort in

des vierten Jahrzehnts des 14. Jahrhunderts im

Grisailletechnik paarweise wiedergegebenen Las-

Zuge eines umfassenderen Dekorationsprojekts

ter und Tugenden. Die Bozner Figuren sind leider

ausgemalt, mit dem unterstrichen werden sollte,

verstümmelt, aber die von der Fides erhaltenen

welch große Bedeutung der Predigerorden den

Überreste stimmen mit der entsprechenden Per-

gemalten Bildern gab.

83

26b

sonifizierung in Padua überein. An der Infidelitas

Beim Kapitelsaal handelte es sich um den

ist dagegen eine unterschiedliche Anlage zu erken-

Versammlungsraum der Mönchsgemeinschaft

nen: Gemeinsam sind den beiden Darstellungen

und somit um den Mittelpunkt des klösterlichen

die Attribute der Blindheit und des Helms, aber

Lebens. Man betrat ihn vom Kreuzgang her, und

die Bozner Figur ist gekrümmt und hält einen

über dem Eingang wurde im späten 14. Jahrhun-

Pfeil mit abgebrochener Spitze in Händen, der

dert eine Darstellung des heiligen Dominikus

in der Scrovegni-Kapelle fehlt. Diese Elemente

angebracht, der seinen Mitbrüdern das Schweigen

sind eindeutig als Zeichen der Niederlage an-

gebietet (Abb. 27): eine Verherrlichung des Or-

zusehen und mit einer langen ikonografischen

densgründers, aber auch eine Ermahnung zum

Tradition verbunden, die konkret den Kampf

rechten Verhalten in diesem Raum89. Trotz der

zwischen Tugenden und Lastern darstellt . Mit

Anlage der Gewölbe im 15. Jahrhundert und der

der mit diesen Bildern verbundenen Wiedergabe

starken, im Laufe der Jahrhunderte erlittenen

der beiden größten Dominikanerheiligen sollte

Schäden können wir uns anhand der im Kapitel-

86

26a.–26b. Erster Meister der Dominikaner, Fides und Infidelitas, Bozen, Dominikanerkirche, Johanneskapelle, Westwand

178


saal erhaltenen Reste der Malereien noch ein Bild von ihrem Gesamteindruck machen90. An den Wänden standen die hölzernen Sitzbänke der Mönche. Gleich darüber verlief ein teilweise noch erhaltener Fries aus miteinander verbundenen Tondi, mit den Namen der Provinzen des Dominikanerordens und der Klöster der unteren Lombardei, zu der Bozen gehörte, und einigen leeren Rundbildern zur Verzeichnung eventueller neuer Klostergründungen91. Die Gesamtlösung ähnelt der im Kapitelsaal von San Nicolò in Treviso, vor allem in den Dekorationen, die vor den von Tomaso da Modena um 1352 geschaffenen Malereien ausgeführt wurden92. In Bozen aber findet sich ein mit ähnlichen Zielsetzungen geschaffener Malereizyklus im alten Refektorium des Franziskanerklosters; er war im frühen 14. Jahrhundert im Linearstil ausgeführt und dann um die Jahrhundertmitte erneuert worden, in beiden Fällen von Brustbildern der Mönche begleitet93. In den Malereien des Kapitelsaals der Dominikaner finden wir dagegen eine deutliche Zuwendung zum Giottismus, wenn auch in der besonderen Ausprägung der in der Johanneskapelle tätigen Künstler, die unter der Regie des Hauptmitarbeiters des Meisters der Dominikaner wirkten, der dort die

27

Nikolauslegende geschaffen hatte94. Wir haben hier neuerlich den Eindruck einer gemalten Scheinarchitektur, die sich mit den realen Strukturen überschneidet: Die Umrahmung der ursprünglichen, flachen Holzdecke wird durch auffallende, perspektivisch verkürzte Konsolen untergliedert, während sich an den Seitenwänden gewundene Scheinsäulen befinden, die die einzelnen Figuren und Szenen voneinander trennen (Abb. 28). Gemäß den Vorschriften des Dominikanerordinariums95, aber auch entsprechend einer in Klosterkreisen verwurzelten Gewohnheit fand sich an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand die Kreuzigung, die hier – sofern das noch beurteilt 28

werden kann – in der einfachsten Form wiedergegeben war: Christus mit der Gottesmutter Maria und dem heiligen Johannes sowie den trauKapitelsälen der Dominikanerklöster San Dome-

27. Meister der Vigiliuslegende, Dominikus gebietet seinen Mitbrüdern das Schweigen, Bozen, Dominikanerkreuzgang, Südflügel

nico in Pistoia und San Nicolò in Treviso zu sehen

28. Kapitelsaal, Westwand, Bozen, Dominikanerkloster

ernden Engeln – eine Szene, wie sie auch in den

179


ist. Die Wandmalerei ist leider sehr lückenhaft, aber die Überreste beweisen, dass wir es auch hier mit einem sehr verbreiteten kompositorischen Schema zu tun haben, das vorsah, dass seitlich der Kreuzigung Heiligenfiguren dargestellt wurden, die mit der Geschichte und der Verehrung der Dominikaner in Verbindung standen96. Die vorhandenen Fehlstellen sind aber zu groß, um festzustellen, welche Heiligen unmittelbar seitlich der Hauptszene wiedergegeben waren. Rasmo plädierte für Dominikanerheilige97, aber angesichts eines heute verloren gegangenen bärtigen Kopfes mit einer anscheinend bischöflichen Kopfbedeckung98, der auf einem Foto zu sehen ist, könnte man auch an den heiligen Augustinus denken (Abb. 29), der zum Beispiel im Kapitelsaal 29

30

des Dominikanerklosters in Pistoia zu sehen ist99. Dominikanerheilige unter Ädikulä sind dagegen, wiewohl auch lückenhaft, an den beiden Seiten der Wand zu erkennen: links Petrus Märtyrer mit blutbeflecktem Gewand und an der rechtwinklig anschließenden Wand Thomas von Aquin mit der Sonne auf der Brust, rechts die kopflose Gestalt eines Dominikanermönchs, den Enrica Cozzi anhand der lakunösen Inschrift darunter als Nicolò Boccassino identifiziert, der als Benedikt XI. zum Papst erhoben und selig gesprochen wurde100. Wenn diese Interpretation richtig ist, müsste sich die Figur des heiligen Dominikus unmittelbar

31

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seitlich der Kreuzigung befunden haben oder aber – was oft für Ordensgründer galt – in der Nähe des Eingangs. Doch die Malereien an dieser Wand sind verloren gegangen, wie auch größtenteils die an der linken Wand neben der Sakristei: Sicher hatte sich hier eine narrative Szene befunden, aber heute ist nicht mehr festzustellen, ob es sich – wie in anderen Kapitelsälen – um eine signifikante Szene aus dem Leben eines Dominikanerheiligen

29. Werkstatt des Zweiten Meisters der Dominikaner, Der heilige Augustinus (?), ehemals Bozen, Dominikanerkloster, Kapitelsaal

handelte, zum Beispiel um die Tötung des Petrus

30. Werkstatt des Zweiten Meisters der Dominikaner, Martyrium der heiligen Katharina, Bozen, Dominikanerkloster, Katharinenkapelle, Westwand

gegenüberliegenden Wand neben mehreren Hei-

Märtyrer. Besser zu erkennen ist dagegen an der ligenfiguren die bewegte Szene des Märtyrertodes

31. Werkstatt des Zweiten Meisters der Dominikaner, Szenen des Leidenswegs Christi, Bozen, Dominikanerkloster, Katharinenkapelle, Ostwand

der heiligen Katharina von Alexandrien. Auf dem

32. Werkstatt des Zweiten Meisters der Dominikaner, Petrus Märtyrer, Bozen, Dominikanerkloster, Katharinenkapelle, Triumphbogen

(Abb. 30), als möglicher Hinweis auf die Finan-

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Bild auch die Gestalt eines knienden Mannes zierung der Dekoration seitens eines Laienstifters.


Bei den Bozner Dominikanern stand die für ihre Gelehrtheit berühmte heilige Katharina in so hohem Ansehen, dass ihr die Kapelle gleich westlich neben dem Kapitelsaal gewidmet war, wo sich normalerweiswe das Lokutorium befand, das heißt der Raum, wo die Mönche das Schweigegebot brechen durften und die Gäste vor dem Betreten des Kapitelsaals aufgenommen wurden101. Bisher liegt noch keine systematische Untersuchung zur Anordnung der Kapellen in den Klostergebäuden der Bettelorden vor, und auch für Bozen fehlen Dokumente und Nachweise zur Anlage und Ausmalung der Kapellen102, doch ein gemaltes Wappen am Triumphbogen spricht auch in diesem Fall für die Möglichkeit einer Finanzierung durch einen Laien. Die im 14. Jahrhundert geschaffene Ausmalung betraf die gesamte Kapelle – was wir heute aber nicht mehr im rechten Maße würdigen können: Die Apsis wurde 1877 abgetragen, und die rechte Wand befindet sich in äußerst schlechtem Erhaltungszustand, doch kann man hier noch die nach dem Einziehen der Gewölbe im frühen 16. Jahrhundert von Sylvester Müller erneuerte Dekoration erkennen, bei der der Maler Szenen aus der Katharinenlegende von einem hier vorhandenen, älteren Zyklus übernahm103. Die stilistischen Differenzen zwischen den Malereien

33

am Triumphbogen, die sich sicher über die gesamte Apsis hinzogen, und denen des Langhauses zeugen davon, dass die Ausschmückung in zwei unterschiedlichen zeitlichen Momenten erfolgte, immer aber unter Mitwirkung von giottesk geprägten Künstlern. Im Langhaus waren Maler tätig, die schon in der Johanneskapelle und im Kapitelsaal gewirkt hatten; die um wenig ältere Ausmalung des Triumphbogens dagegen kann, wie Andrea De Marchi vorgeschlagen hat, mit dem in der Stadtpfarrkirche tätigen, sogenannten Meister des heiligen Wenzel104 in Verbindung gebracht werden, der hier die übliche Verkündigung und die Heiligen Jakob und Maria Magdalena abbildet105. An den Seitenwänden standen der schon erwähnten Katharinenlegende die Szenen aus dem Leben Jesu gegenüber (Abb. 31), die sich im Vergleich zu der Johanneskapelle noch getreuer an das Vorbild des Freskenzyklus in der Scro-

33. Werkstatt des Zweiten Meisters der Dominikaner, Jüngstes Gericht, Bozen, Dominikanerkloster, Katharinenkapelle, Innenfassade

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vegni-Kapelle hielten. Die gewollte Gegenüberstellung des Leidenswegs Christi und des Martyriums der ihm nacheifernden Katharina, über die anfangs der heilige Petrus Märtyrer nachzudenken scheint (Abb. 32), nimmt eines der grundlegenden Themen der dominikanischen Spiritualität auf, nämlich das der Inkarnation und vor allem des Opfers Christi als unumgänglicher Bezug der Bußübung zur Seelenrettung, da „der Reueakt Teil des Kreuzes Christi und der Leiden Christi“106 ist. Das Jüngste Gericht an der Innenfassade (Abb. 33) entspricht einer in mittelalterlichen Kirchen verbreiteten Tradition107, steht aber in diesem Fall gänzlich mit den Bußübungen und dem Bewusstsein um das letzte Geschick in Verbindung, die eng mit den Gebeten und der Meditation der Mönche zusammenhängen. Es ist heute allerdings schwierig, das Netz der täglichen Gepflogenheiten und der liturgischen Abläufe zu rekonstruieren, die die Kapelle, den Kapitelsaal, den Kreuzgang und die Kirche miteinander verknüpften. Aber in jedem Teil des Bozner Klosterkomplexes wird man sich der Bedeutung der gemalten Bilder bewusst, um „mit Christus“ zu beten, meditieren, lehren, gedenken und leiden.

Dieser Beitrag bezieht sich auf die im Rahmen der Ausstellung Trecento. Gotische Maler in Bozen (2000) gemachten Untersuchungen und den entsprechenden, 2002 erschienenen Atlas wie auf die bei der 2002 veranstalteten Studientagung behandelten Themen (Tagungsberichte 2006). Wir haben an dieser Stelle keine bloße Synthese geben wollen, sondern sind – dank des privilegierten Beobachtungspunkts der Dominikanerkirche und ihrer kürzlich erfolgten Restaurierung – von einem anderen Gesichtspunkt ausgegangen. Dabei haben wir aber diese Studien nicht außer Acht gelassen – im Gegenteil. Wie den Anmerkungen zu entnehmen ist, beziehen wir uns ständig auf diese Beiträge, besonders hinsichtlich der Zuschreibungen und Datierungen.

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1 Spada Pintarelli/Bassetti 1989; Richetti Tosti-Croce 1994, S. 677–691, insbes. 688; siehe außerdem den Überblick über die Kirche bei Cozzi, in: Atlas 2002, S. 64–66. 2 Kaeppeli 1946, S. 158; Longo 1996, S. 61-86, insbes. 81–82. 3 These von Rasmo 1985, S. 39, aufgenommen von Gentile 2006, S. 36. Vgl. den Beitrag von Luca Mor in der vorliegenden Publikation. 4 Siehe Anm. 2. Im Beschluss des Provinzialkapitels aus dem Jahr 1283, mit dem das Bozner Kloster dem Prior des Trentiner Klosters unterstellt und die Beseitigung der Einrichtungen verboten wird, heißt es: „nec volumus quod ex hoc sepulturis illius locis habitis vel habendis aliquod preiudicium generetur“. Diese Bemerkung ist wegen des frühen Zeitpunkts interessant und weil sie sich auf die erste Niederlassung der Dominikaner in Bozen bezieht. 5 Wolkenstein, Ed. 1936, S. 165–166. Zu den bis heute erhaltenen Grabsteinen vgl. den Beitrag von Alberto Alberti in der vorliegenden Publikation. 6 Longo 1996, S. 79–85. Zum Grab der Anna von Böhmen vgl. den Beitrag von Adriano Salvoni und Marialaura Fattoretto in der vorliegenden Publikation. 7 Zu einem Überblick siehe Rasmo 1941, S. 359–379. 8 Zur Dokumentation von Begräbnisstätten in Kreuzgängen im venetischen Raum siehe die Basilica del Santo in Padua und die Veroneser Kirchen San Fermo Maggiore und Santa Anastasia; zu letzterer sind zwei zwischen der Mitte des 15. Jahrhunderts und dem Beginn des 16. Jahrhunderts abgefasste Obituarien erhalten (ASVr, Santa Anastasia, b. 68, Tabula sepulturaum existentium in domo Sanctae Anastasie de Verona); vgl. Franco 2003, S. 261–275; ibd., 2004, S. 247–261. 9 Rasmo 1953, S. 9; Cozzi in: Atlas 2002, S. 145. Die Inschrift hat folgenden Text: ANNO.DNIm.CCC.XLVIII.In.DIE.SE.ELISABET.OBIIT.HAEnRIC.BAIIW… 10 Schon im Jahr 1276 wird in Bozen eine ecclesia Jesu Christi fratrum predicarum erwähnt (vgl. Ughellus, Italia sacra V, S. 609–613), während im schon erwähnten Beschluss des Provinzialkapitels von 1283 (siehe Anm. 4) von einer Ausstattung mit Möbeln und einer ansehnlichen Präsenz von Grabstätten die Rede ist. Die offizielle Gründung des Klosters erfolgt allerdings erst zwischen 1286 und 1287; vgl. Longo 1996, S. 79–85. 11 Longo 1996, S. 83–84. Zur baulichen Struktur der Kirche in einem allgemeineren Kontext siehe Righetti Tosti-Croce 1994, S. 677–691, insbes. 688; Dellwing 1970; Schenkluhn 2000. 12 Stiller 1991, S. 223–231; Longo 1996, S. 79– 85, insbes. 79. 13 Meersseman 1946, S. 136–190; Gilardi 2004, S. 379–453; Ibd. 2006, S. 1–77, insbes. 23–33. 14 Vgl. Gilardi 2004, S. 379–443, insbes. 413–425. Ibd. 2006, S. 33-37. Im Generalkapitel des Jahres 1249 wurde angeordnet, dass „intermedia que sunt in ecclesiis nostris inter seculares et fratres sic disponantur ubique per priores quod fratres egredientes et ingredientes de choro non possint videri a secularibus vel videre eosdem. Poterunt tamen alique fenestre ibidem aptari ut tempore elevacionis corporis Dominici possint aperiri“. Zu einem Überblick über die Präsenz von Lettnern in den Bettelordenskirchen im venetischen Raum siehe, auch in Bezug auf die Bibliografie, Valenzano 2003, Neuaufl. 2007, S. 99–114. 15 Zu einem Überblick über die Beziehung zwischen den Kirchenräumen und der Wahl von Grabstätten siehe Bacci 2000; Ibd. 2003. Zum memento mori des 17. Jahrhunderts und allgemein zu den Malereien im Chor siehe auch den Beitrag von Adriano Salvoni und Marialaura Fattoretto in der vorliegenden Publikation.

Hemminghaus 1991, S. 436–442. Das Gemälde und das Foto werden von Cozzi in: Atlas 2002, S. 103–104 behandelt; das Foto wird in derselben Publikation von Spada Pintarelli 2002, S. 287 veröffentlicht. 18 Kroesen, Steensma 2004, S. 105–138. 19 Die Identifizierung ist Cozzi in: Atlas 2002, S. 104 zu verdanken. 20 Vgl. Gentile 2006, S. 31–33. 21 Vgl. Wolters 1976, S. 276; Puglisi/Barcham 2008, S. 47. Zu Darstellungen des Gekreuzigten oder des Schmerzensmanns in Tabernakeln aus nördlich der Alpen gelegenen Gebieten des 15. und 16. Jahrhunderts siehe Kroesen/Steensma 2004, S. 105–138. 22 Gentile 2006, S. 31–33. 23 Rusconi 1935, S. 142–147; Rasmo 1941, S. 359–379; Martelli 1947, S. 48–52; Rasmo 1948c, S. 160–161. 24 Zu den Malereien siehe Franco 2003 (Neuaufl. 2007), S. 115–128, insbes. 115–118. 25 Rasmo 1941, S. 371. 26 Franco in: Atlas 2002, S. 76–77. 27 Franco in: Atlas 2002, S. 78. 28 De Marchi in: Atlas 2002, S. 104–105. 29 Zum Zweiten Meister von St. Johann im Dorf siehe Franco in: Atlas 2002, S. 122–130, 176–184; 204– 215; 228–242; 281–283. Zum Meister der Urbanslegende siehe Bassetti in: Atlas 2002, S. 276–277; Cozzi in: Atlas 2002, S. 102–103; De Marchi in: Atlas 2002, S. 29–31, 46–49, 104–105, 110, 274; Spada Pintarelli 2006, S. 79–84. 30 De Marchi in: Atlas 2002, S. 110. 31 Es handelt sich um das Bild mit dem CastelbarcoWappen (siehe Pietropoli in: Atlas 2002, S. 69–72) beziehungsweise um die Abbildung mit der Aufschrift des Namens von Biagio di Castelnuovo (siehe Besold in: Atlas 2002, S. 75–76). 32 Zu dieser künstlerischen Blütezeit in Bozen siehe Besold 2000, S. 195–201; Franco 2000, S. 149–165 mit der jeweils entsprechenden Bibliografie. 33 Franco in: Atlas 2002, S. 73–74. 34 Spada Pintarelli in: Atlas 2002, S. 286, Abb. 3.4. 35 Zu diesem Gemälde siehe Franco in: Atlas 2002, S. 73–74 mit entsprechender Bibliografie; zum ikonografischen Thema besonders Ferrari 2000, S. 253–262 mit entsprechender Bibliografie. Das gleiche ikonografische Thema findet sich auch in der Kirche St. Leonhard in Unterplanitzing, aber als heilige Kümmernis; vgl. Testa 1996, S. 65. 36 Wolf 2000, S. 103–114, auch mit entsprechender Bibliografie (dazu kommt der Werkkatalog zum selben ikonografischen Thema, S. 115–211). 37 Gentile 2006, S. 33. 38 Vgl. zuletzt Romano 1994, S. 694–701, insbes. 694–695; Gilardi 2006, S. 44, Anm. 187: „Priores set alii fratres curam habeant diligentem quod nomen beati Dominici et beati Petri martiris in kalendariis et in litaniis scribantur et picture fiant in ecclesiis et quod fiant festa eorum“. Im Provinzialkapitel 1280 in Bologna werden die Mönche aufgefordert, in den Kirchen und an bedeutenden Stätten der Stadt Bilder der Heiligen Dominikus und Petrus Märtyrer malen zu lassen. 39 Cozzi in: Atlas 2002, S. 105–109. 40 De Marchi in: Atlas 2002, S. 47–48; wie der Kunsthistoriker bemerkt, ist dieses Motiv im Fries mit den sechs Propheten im Franziskanerkreuzgang anzutreffen wie auch in zwei Gemälden an der Außenfassade des Kapitelsaals im Dominikanerkreuzgang, die dem sogenannten Meister der Madonna Niederthor zuzuschreiben 16

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sind. Um die gleiche Zeit findet es sich in den originellen Chormalereien in St. Johann im Dorf, die das Werk eines unterschiedlich beeinflussten Malers sind; vgl. Franco in: Atlas 2002, S. 193–196. 41 Cozzi in: Atlas 2002, S. 108–109. 42 Siehe Kofler Engl 1995. 43 De Marchi in: Atlas 2002, S. 49–55. 44 Spada Pintarelli in. Atlas 2002, S. 285–286. 45 Wolkenstein, Ed. 1936, S. 165–166. 46 Die leere Fläche, die nach der Entfernung der Treppe und der Tür zurückblieb, wurde von einem kleinen Malereizyklus ausgefüllt, den der Meister der Urbanslegende zwischen dem 7. und 8. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts ausgeführt hatte; vgl. Cozzi in: Atlas 2002, S. 102–103. Zu bemerken ist auch, dass über dem ersten Joch der Glockenturm aufragte. 47 Gibbs 1989, S. 64–69. 48 De Marchi 2000, S. 51, 71 (er weist darauf hin, dass sich ähnliche Motive z.B. im Fenster an der Südwand des Chors der Kirche San Fermo Maggiore in Verona finden); Cozzi in: Atlas 2002, S. 86. In seinem Restaurierungsbericht bemerkt Rasmo (1949, S. 92), dass unter dem Hieronymus-Tondo am Gewölbe des ersten Jochs eine vorausgegangene Schicht mit einer Darstellung desselben Sujets „in vorgiotteskem Linearstil, wahrscheinlich das Werk eines bescheidenen einheimischen Künstlers“ entdeckt worden war. Im Fotoarchiv der Bozner RasmoStiftung findet sich allerdings kein fotografischer Beleg dieser Aussage, die sich wahrscheinlich, wie der Kunsthistoriker bemerkt, auf eine Anfangsphase der Arbeiten bezog. 49 Zu dieser Dekorationsweise in den Bettelordenskirchen siehe Autenrieth 1991, S. 380–397, insbes. 390. 50 De Marchi 2004, S. 213; Gemma Brenzoni 2004, S. 221–224. 51 Cozzi in: Atlas 2002, S. 78–83, auch mit entsprechender Bibliografie. 52 Die Jahreszahl 1329 findet sich auf einem Gemälde an der dem Kreuzgang zugewandten Kapellenaußenwand, das stilistisch in Einklang mit den Kapellenmalereien steht. Zur Debatte über diese These zur Datierung siehe De Marchi 2000, S. 51, 70–71 Anm. 13; außerdem Cozzi in: Atlas 2002, S. 101. 53 Zu einem präzisen kritischen Bericht über die Malereien siehe Cozzi in: Atlas 2002, S. 83–102; zum Namen und zur Charakterisierung des Meisters der Dominikaner als verantwortlichem Künstler der Werkstatt, die die Kapellendekoration ausführt, siehe De Marchi 2000, S. 47–75. 54 Zu den Rossi/Botsch siehe Neri 1949, S. 171–225; Neri 1951, S. 181–214; Nada Patrone 1963, S. 166–236, aber auch die Bezüge auf sie im nützlichen Überblick über das Bozner Ambiente des 14. Jahrhunderts bei Varanini 2006, S. 15–23. 55 Vgl. Cozzi in: Atlas 2002, S. 97, mit der entsprechenden Bibliografie. 56 Zur Geschichte der Kapelle und ihrer Stifter und einem Überblick über die möglichen Identifizierungen der abgebildeten Person siehe Cozzi in: Atlas 2002, S. 83–102, bes. 97. 57 De Marchi 2000, S. 53. 58 De Marchi 2000, S. 47–75. 59 Gheroldi 2003 (aber 2008), S. 171. 60 Gheroldi in: Atlas 2002, S. 310–314; Ibd. 2003 (aber 2008), S. 161–174. 61 Zu einer aufmerksamen Betrachtung der Übernahmen aus dem Scrovegni-Zyklus siehe De Marchi 2000, S. 53–59. 62 Zur Interpretation der Paduaner Szene siehe A. Volpe, in: La Cappella 2005, S. 181.

63 Da es bei der Vorbereitung der Ausstellung Trecento. Gotische Maler in Bozen möglich war, die Szene dank der aufgebauten Gerüste aus der Nähe zu betrachten, konnte man erkennen, dass die heute weiß-schwarz gestreiften Gewänder der Musiker ursprünglich weiß-blau gestreift waren; denn auf den heute schwarzen Streifen waren, wie Vincenzo Gheroldi verzeichnet, unzweifelhaft Azuritspuren zu erkennen. Zu dieser Frage siehe Gentile 2006, S. 34–36, der eine heraldische Interpretation des Motivs liefert. 64 Franco 2007, S. 280–290. 65 Siehe den Beitrag von Alberti/Bombonato/Dal Ri in der vorliegenden Publikation. 66 Kindermann 2002, S. 439: „Ex sinistro latere 3 capacia sacella sunt interque ea geminus in templum aditus: primum est vetusti operis, pertinetque ad confraternitatem scapularis, cuius historia atque miracula in parietes prisca manu expressa; fornix caeruleus aureis stellulis amoene conspersus, altare marmoreum mediocris elegantiae, quale etiam est in sacello 3 quod confraternitati rosarij proprium totumque novum, parietes fornicemque ex gypso pulchre elaboratum habet“. 67 Franco in: Atlas 2002, S. 115. Diese angesichts der zentralen Stellung der Gottesmutter formulierte These wird durch die Tatsache bekräftigt, dass die Pfarrkirche in Terlan eine stark von Guariento beeinflusste Mondsichelmadonna besitzt, die zu der Vermutung Anlass gibt, dass ihr ein bekannter und einem einheimischen Maler zugänglicher Prototyp des Paduaner Meisters zum Vorbild gedient hatte, wahrscheinlich eben in der Nikolauskapelle des Dominikanerklosters; vgl. Franco 2007, S. 335–367, insbes. 344. 68 Constable 1936, S. 56–58; zu einem Überblick über die nachfolgende Fortune vgl. Flores D’Arcais 2000, S. 119–133; Franco in: Atlas 2002, S. 116–117. 69 Ähnliche Lösungen scheinen weit verbreitet gewesen zu sein; ein ähnlicher Fall findet sich zum Beispiel in der zwischen 1398 und 1412 ausgemalten Cappella Rusconi in der Kathedrale von Parma; vgl. Zanichelli 1993, S. 3–25. In Bozen ist auf das Crillesche Votivbild in der Stadtpfarrkirche zu verweisen: De Marchi in: Atlas 2002, S. 31–34. Zu einem Überblick über derartige Lösungen im venetischen Raum siehe Franco 1998, S. 123–160. 70 Franco in: Atlas 2002, S. 115–116; 130–132. 71 Bolzoni 1996, S. 97. 72 Cavalca, Ed. 1992, S. 23. 73 Gentile 2006, S. 25–42; Wille 2006, S. 57–64. 74 Gentile 2006, S. 31. 75 Zur Zuschreibung an Buffalmacco und einer Datierung auf die Mitte der Dreißigerjahre siehe Bellosi 1974; zur Lektüre und Interpretation des Themas in Bezug auf das Dominikanerambiente, siehe Frugoni 1988, S. 557–643; Bolzoni 1996, S. 97–114; Ibd. 2002, S. 3–46. 76 Bolzoni 2002, S. 5. 77 Cavalca, Ed. 1837, S. 236; vgl. Bolzoni 1996, S. 102. 78 Bolzoni 2002, S. 5–46. 79 Frugoni 1988, S. 583. 80 Siehe Bartalini 2006, S. 45–55; Wille 2006, S. 57–65. 81 Sir 10,13. 82 Eine partielle Transkription der Texte auf den Schriftbändern mit Angabe der jeweiligen Bibelstellen findet sich bei Rasmo 1949d, S. 91: Dan V,26–27; Koh X,13; Spr VI,35; Apg XXI,27. Eine Transkription und eine kritische Untersuchung der Texte dieser Inschriften wäre wünschenswert. 83 Romano 1994, S. 695–696, mit der entsprechenden Bibliografie. 84 Wille 2006, S. 58–60.

85 Über Laster und Tugenden in der ScrovegniKapelle siehe die jüngsten Beiträge von Frugoni 2008, S. 273–350; Romano 2008, S. 216–224, mit der entsprechenden Bibliografie. 86 O’Really 1988, S. 1–81; Katzenellenbogen 1989. 87 Vgl. Cozzi in: Atlas 2002, S. 145–148; Franco in: Atlas 2002, S. 156–157. Außerdem verweisen wir auf das verstümmelte Martyrium des heiligen Sebastian des Meisters der Urbanslegende, das 2003 bei der Entleerung der Gewölberücken im Kreuzgang entdeckt wurde, zusammen mit vielen Bruchstücken von bemaltem Intonaco, die aus dem Füllmaterial geborgen und im Bozner Stadtmuseum deponiert wurden; vgl. Spada Pintarelli 2006, S. 79–83. 88 De Marchi in: Atlas 2002, S. 157. 89 Cozzi in: Atlas 2002, S. 148, auch mit der entsprechenden Bibliografie. Es handelt sich um ein Werk des sogenannten Meisters der Vigiliuslegende, der seine Ausbildung in der Werkstatt des Zweiten Meisters von St. Johann im Dorf erfahren hatte und im Kreuzgang auch am großen Grabbild an der Ostwand mitwirkte (vgl. Franco in: Atlas 2002, S. 156–157). 90 Zu einem Überblick über die Malereien in den mittelalterlichen Kapitelsälen, siehe Boskovits 1990, S. 123–139, auch mit entsprechender Bibliografie; zu einer näheren Betrachtung des Problems im Ambiente der Dominikaner siehe Gardner 1979, S. 107–138. 91 Cozzi in: Atlas 2002, S. 149–155, auch mit entsprechender Bibliografie. 92 Gibbs 1981, S. 64–92, 123–126. 93 Mieth 1998, S. 52, 134; Kofler Engl in: Atlas 2002, S. 63; Bourdua 2002b, S. 221–241. Es handelt sich um Malereien auf zwei 1987–1988 aufgedeckten Schichten, die auf den Beginn beziehungsweise etwa die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert werden können. 94 Zu einem präzisen Bericht über die Malereien des Kapitelsaals siehe Cozzi in: Atlas 2002, S. 149–155; zur möglichen Zuschreibung an den Zweiten Meister der Dominikaner siehe De Marchi in: Atlas 2002, S. 27. 95 Ordinarium Ed. 1921, S. 126 Nr. 491, 168 Nr. 651, 150 Nr. 652. Vgl. Gilardi 2006, S. 48. 96 Boskovits 1990, S. 126. 97 Rasmo 1953, S. 24. 98 Rasmo 1971, S. 136. 99 Boskovits 1990, S. 126. 100 Cozzi in: Atlas 2002, S. 154–155. 101 Gilardi 2006, S. 1–77. 102 Die Weihe an die Heilige wird spät bezeugt, wie auch die Verwendung als Grabkapelle der Mönche; vgl. Rasmo 1951, S. 152–160. 103 Vgl. Cozzi in: Atlas 2002, S. 136–144, auch mit entsprechender Bibliografie. Auf jeden Fall darf nicht auf den grundlegenden Beitrag zur Kapelle von Rasmo 1951b, S. 152–160 vergessen werden. 104 De Marchi in: Atlas 2002, S. 36–38. 105 Der Heilige wird auch als Romedius identifiziert (Kaftal/Bisogni 1978, Sp. 901–902) oder als der selige Heinrich von Bozen (Cozzi in: La Cappella 2005, S. 261–262). 106 Giordano da Pisa, Ed. 1974, S. 386. Vgl. Ianella 1996, S. 250; Bolzoni 2002. 107 Christe 1995.

183


Betritt man das Mittelschiff des Doms Mariä Himmelfahrt in Bozen, so kann man sich schwerlich dem Anblick der leidenden, fast verzerrten Figur des gekreuzigten Christus entziehen, der unter dem Triumphbogen des Chors hängt (Abb. 1). Auch aus einiger Entfernung wirkt die Figur schlank und hager, überwältigt von einem Bewusstsein des Dramas, dessen räumliche Dynamik sowohl durch die extrem nach oben verrenkten, weit auseinander gezogenen Arme verstärkt wird – die ausgestreckt ungefähr zweieinhalb Meter Gesamtlänge erreichen –, als auch durch die starke Kontraktion der Hände, der Füße und vor allem der Beine. Es ist offensichtlich, dass in der kom-

Der Crucifixus dolorosus von Bozen

positorischen Konzeption der gesamten Darstellung ganz die geistige Erneuerung zum Ausdruck kommt, die sich im 13. Jahrhundert mit dem Entstehen der Bettelorden und der zahlreichen

Luca Mor

Bruderschaften anbahnt und die einer emotionalen Auffassung der Passio Christi und einer verstärkten Verinnerlichung des Heilsgedankens und der religiösen Glaubenshaltung entspricht1. Geza de Francovich hat im Übrigen bereits 1938 dieses Werk in sein vielleicht berühmtestes Verzeichnis aufgenommen, das er dieser spezifischen Ikonografie gewidmet hatte, die er Crocifisso gotico doloroso („Leidender Gekreuzigter“ oder „Mystikerkreuz“) nannte. Der bildhafte Beiname wurde auch von der Kritik verwendet, sodass in der Folge eine eigene Kategorie bildhauerischer Werke mit diesem Begriff belegt wurde2. Es besteht kein Zweifel, dass die ungeheure Resonanz eines derartigen Darstellungsmodells auf einem engen Zusammenhang mit der mystischen Literatur von Predigern wie Franziskanern und Dominikanern beruht3, vor allem auf unserer Halbinsel. Dennoch tendieren einige neue Studien dazu, einen Ursprung nicht in rheinländischwestfälischen Gebieten zu suchen, sondern in Italien4. Diese Schlussfolgerungen beruhen auf einer geringfügig größeren Anzahl von Beispielen in Süd- und Mittelitalien und auf einem falschen Verständnis der formalen Rezeption, die die ausdrucksstarke Lektion der Kruzifixe von Giovanni Pisano vermittelt, und zwar nicht nur hinsichtlich der Holzkruzifixe, sondern auch der, die sich als

184


1

1. Crucifixus dolorosus, Bozen, Dom

185


Schnitzereien an den Kanzeln befinden5. Diese

1312)11 in Nordrhein-Westfalen beziehungsweise

Hypothesen berücksichtigen aber meiner Mei-

in Genua12 in der Kirche Santa Maria Maddalena

nung nach zu wenig die Varianten und die unter-

befinden. Eines der zahlreichen Zeugnisse eines

schiedlichen Ableitungen der gotischen Kunst in

Cruzifixus dolorosus, dessen Entstehung in en-

Mittelitalien, und sie lassen außerdem die Tatsache

gem Zusammenhang mit der Anwesenheit aus-

außer Acht, dass sehr viele Werke in weiten Ge-

ländischer Söldner zu sehen ist, ist der hölzerne

bieten Mitteleuropas infolge der protestantischen

Christus (14. Jh., um 1320) in der Stadt Lucca,

Reform, in Wiederaufnahme der ikonoklastischen

die 1314 von deutschen Truppen erobert wurde:

Gebote des Alten Testaments , verloren gegangen

Er hatte sich ursprünglich in der später zerstörten

sind – unter anderem die mittelalterliche Holz-

Kirche Santa Maria Filicorbi befunden, in deren

bildhauerei, vor allem monumentale Skulpturen.

Nähe die Soldaten Quartier bezogen hatten, und

6

2

Es kam zwar nicht zu so systematischen Zer-

wird heute in der Kirche Santi Paolino e Donato

störungen wie in England, aber die Erneuerung

aufbewahrt13. Die Arbeit zeugt von auserlesenen

der liturgischen Einrichtungen unterschied sich

Fachkräften aus dem deutschen Raum, sowohl

im Grunde nicht grundlegend von der, die sich

in der typischen Technik des Zusammenbaus

in den Gebieten südlich der Alpen in der zweiten

der Figur – wie die Hände wurde auch der Kopf

Hälfte des 16. Jahrhunderts infolge der auch pro-

aufgesetzt, um die Beugung über dem Rumpf zu

pagandistischen Gegenmaßnahmen des Konzils

verstärken –, als auch in der starken Expressivität

von Trient vollzog . Außerdem ist es wichtig, auf

bei der Ausführung des Werks14.

7

die fast ständige Anwesenheit der aus dem mit-

Unter den Kruzifixen, die zum Erfolg dieser

teleuropäischen Raum stammenden magistri de

besonderen koiné der Darstellung beigetragen

lignanime in Italien hinzuweisen, im Besonderen

haben, verweisen wir auf eines der sicher be-

während der ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhun-

rühmtesten: In der Kirche St. Maria im Kapitol

derts in der Toskana. Vermutlich waren sie im

in Köln begegnen wir dem erschütternden, in sei-

Kielwasser der massenhaft auf der Halbinsel an-

ner obsessiv-qualvollen Körperlichkeit geradezu

gelangten deutschen Söldnertruppen gekommen,

surrealen Leiden15. Sehr bekannt ist außerdem

die hier die kaisertreuen ghibellinischen Gemein-

die Geschichte der auf das Jahr 1304 festgesetz-

den, die in heftige Auseinandersetzungen mit den

ten Konsakration des Kruzifixes, die – wiewohl

guelfischen Städten verwickelt waren, unterstüt-

unter stilistischem wie formalem Gesichtspunkt

zen sollten . Ein beredtes Beispiel für unsere Über-

durchaus plausibel – durch ein Faktum infrage

legungen ist die Kirche San Giorgio de’ Teutonici

gestellt wird: Bei einer Restaurierung wurden im

in Pisa, die vor 1330 von deutschsprachigen Söld-

hohlen Brustraum mehr Reliquien aufgefunden

nern zum Gedenken an ihre Mitkämpfer errichtet

als historisch belegt sind. Daraus ergab sich die

wurde, die im 1315 ausgefochtenen Kampf zur

etwas willkürliche Schlussfolgerung, wonach sich

Eroberung von Montecatini gefallen waren . Un-

die Dokumentation aus dem frühen 14. Jahrhun-

ter diesen Soldaten war die Gewohnheit verbreitet,

dert auf ein anderes Kruzifix beziehen könnte, von

Kirchen und Oratorien zu errichten und sie mit

dem aber keine Spur mehr zu finden ist16. Es ist

Kunstobjekten auszustatten, die den religiösen

eine unbestrittene Tatsache, dass ein sehr ähnli-

und figurativen Gebräuchen der Länder jenseits

cher Prototyp vom Beginn des 14. Jahrhunderts

der Alpen entsprachen – was gerade das herrliche

an im europäischen Raum weit verbreitet war. In

Kruzifix in der soeben erwähnten Kirche bezeugt,

der Tat finden wir ihn in verschiedenen Abwand-

das von einem westfälischen Wanderkünstler im

lungen in Skandinavien und in anderen Gebieten

zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts geschaf-

an der Ostsee, aber auch am nördlichen Mittel-

fen wurde10. Schnitzwerke desselben Künstlers

meer von der spanischen Halbinsel über Italien

sind auch die zwei fast identischen Arbeiten, die

bis nach Dalmatien17.

8

9

2. Crucifixus dolorosus, Detail des Antlitzes, Bozen, Dom

186

sich in der Kirche St. Lamberti in Coesfeld (vor

Unser Kruzifix ist dagegen erst in jüngerer


Zeit in den Bozner Dom gelangt. Bis zur Bombardierung durch die Alliierten im Mai 1944 hing es in der Nikolauskirche18, deren beschädigte Grundmauern in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts ganz abgetragen wurden. Gemäß der Angabe von Karl Atz (1909) und dem, was Carl Theodor Müller (1935) in seinem gut argumentierten Beitrag über die mittelalterliche Holzschnitzkunst in Tirol kurz anführt, befand sich die Figur ursprünglich an einem anderen Ort, nämlich im Heilig-Geist-Spital in unmittelbarer Nähe des Doms, wo heute die Hauptpost ihren Sitz hat19. In die (heute abgerissene) Nikolauskirche dürfte das Kruzifix erst im Jahr 1859 nach der Auflösung des Heilig-Geist-Spitals gelangt sein, dem die Skulptur bis dahin vermutlich gehörte20. Es ist aber nicht gesagt, dass es sich hier um den 3

ursprünglichen Standort handelte – nicht nur, weil das im Jahr 1271 von einer Laienbruderschaft gegründete Heilig-Geist-Spital in erster Linie eine Fürsorge- und Wohlfahrtseinrichrtung war, sondern auch angesichts der radikalen Umgestaltung des gesamten Gebäudekomplexes in den darauf folgenden Jahrhunderten und des Wiederaufbaus im 17. Jahrhundert21. Einleuchtend ist jedenfalls die von Nicolò Rasmo zum Ausdruck gebrachte Vermutung (1975; 1985), wonach diese große hölzerne Christusfigur aus der Dominikanerkirche stammen könnte, deren Klostergebäude übrigens fast bis an die Außenmauern des HeiligGeist-Spitals reichte. Die Dominikanerkirche als Standort hätte im Übrigen auch der Typologie dieses „Leidenden Gekreuzigten“ besser entsprochen, auch angesichts der Tatsache, dass sich in diesem Gotteshaus ein für die Bettelorden typi-

4

scher Lettner befand, an dem das große, schwere Kruzifix, feierlich zum Mittelschiff gerichtet, angebracht werden konnte22. Meiner Ansicht nach ist es ebenso wahrscheinlich, dass das Werk anlässlich seiner „Umsiedlung“ im 19. Jahrhundert mit dem bis heute existierenden Kreuz versehen wurde, eine sicher bessere Lösung zur Stützung der Skulptur als ursprünglich durch den Arbor vitae, einen Baumstamm mit knotigen Ästen in der Form eines „Y“, der dem ergreifenden Pathos der Figur entsprach und häufig in unter rheinisch-

3.–4. Crucifixus dolorosus, Detail, Bozen, Dom

187


westfälischem Einfluss stehenden Holzskulpturen

der Ausführung – wie im Lendentuch, das über

muss eine derartige Behauptung meines Erachtens

anzutreffen war: Ein Beispiel dafür finden wir zum

dem Becken und einem Teil der Oberschenkel

mit einiger Vorsicht aufgenommen werden. Es

Beispiel in Oberbayern bei einem anderen Cru-

drapiert ist und mit einem weiten Zipfel sogar das

ist nämlich nicht mit Sicherheit zu bestimmen,

zifixus dolorosus (um 1330/40), der in der Kirche

Kreuz berührt (Abb. 5) – kann man am Kruzifix

ob das Kruzifix, auf das sich die San-Domenico-

des Dominikanerinnenklosters in Altenhohenau

der Kirche San Giovanni Novo in Oleo in Vene-

Bruderschaft bezieht, wirklich der schon erwähn-

(Griesstätt) aufbewahrt wird .

dig (jetzt im Museo Diocesano) feststellen und

te hölzerne Christus ist oder ob es sich dabei um

Die Entstehungszeit des Bozner Leidenden

bei dem fast gleichermaßen verehrten Kruzifix

ein anderes Werk handelt, das möglicherweise zu

Gekreuzigten hingegen wird von Müller ungefähr

in Sant’Agnese in Montepulciano (Siena), da-

einem späteren Zeitpunkt durch die jetzige Figur

auf die Zeit zwischen 1320 und 1340 angesetzt,

tierbar ungefähr auf das vierte Jahrzehnt des 14.

ersetzt wurde. Auch was das Kruzifix in Florenz

und diese Datierung wird in der Folge auch von

Jahhunderts29. Meiner Meinung nach stammen

anlangt, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, ob es

Nicolò Rasmo übernommen, der als ungefähre

beide Werke aus einer vermutlich westfälischen

sich um den einzigen Prototyp in der Toskana mit

Entstehungszeit eine größere Zeitspanne angibt,

Werkstatt, die bereits fähig war, den dramatischen

diesen besonderen Merkmalen handelt, während

nämlich die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhun-

Realismus der Werke nördlich der Alpen – wie

Tigler zu Recht behauptet, dass das Jahr 1304

derts, aber den „äußerst hohen künstlerischen

zum Beispiel des Christus in St. Christophorus

zweifellos als Entstehungszeit des Kruzifixes in

Wert“ des eindrucksvollen Christus hervorhebt,

in Gerthe (Bochum) – der harmonischeren, ein-

St. Maria im Kapitol in Köln angesehen werden

wenngleich „sein akzentuierter Expressionismus

heitlicheren Ausgewogenheit der italienischen

kann und das Jahr 1307 als Ausführungsdatum

in der Gegend keine Nachfolge zeigt“ (Abb. 2).

Gotik anzugleichen .

für die etwas weniger „gelehrte“ Herleitung des

23

24

25

30

Eine gewisse Beeinflussung durch rheinländisch-

Varianten aus fast derselben Zeit, die eine

westfälisch geprägte bildsprachliche Ausdrucks-

derartige Fertigkeit und Reife zeigen – wenngleich

mittel, wie De Francovich sie wahrgenommen

sie in der Anlage mit den Vorbildern aus dem

Andererseits war die weniger strenge Ausfüh-

hat, ist allerdings offenkundig. Man braucht nur

vierten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts in Santa

rung der Details des Bozner Kruzifixes von Müller

auf einige präzise formale Zusammenhänge mit

Margherita in Cortona beziehungsweise in der

zu Recht als Element eines gewissen Italianismus

dem bedeutenden Beispiel des Cruzifixus dolorosus

Capella della Pura (zeitlich etwas früher) überein-

unterstrichen worden. Dies wird auch von Guido

in der Cappella della Pura in Santa Maria Novella

stimmen –, sind auch das Kruzifix in der Kirche

Gentile in den letzten kurzen Beiträgen bestätigt,

in Florenz hinzuweisen, das der Wissenschaftler

San Pietro in San Gimignano und vor allem das in

die er dieser Skulptur gewidmet hat34. Durch die

schon als ein katalanisches Werk desselben großen

der Kirche San Domenico in Siena . Das Kruzifix

dramatische Gestaltung soll eine starke Mitein-

Künstlers einstufte, der das Kruzifix in der Kirche

in Siena, das eine noch deutlichere Entspannung

beziehung bewirkt werden, doch gleichermaßen

San Francesco in Oristano geschaffen hat26. Mar-

zeigt, scheint mit der ausgezeichneten plastischen

dringend ist die Suche nach einem eleganten Zu-

grit Lisner bestätigte die deutsche Urheberschaft

Sensibilität der Skulptur zu dialogisieren, deren

sammenspiel zwischen der Spannung der Volu-

der florentinischen Skulptur, die von einem deut-

Entstehungszeit auf die Jahre zwischen 1320 und

men, die mit kompakten, überraschenden Massen

schen magister geschaffen wurde, der um 1320 mit

dem Beginn der verheerenden schwarzen Pest im

wiedergegeben werden, und der fast fließenden

der toskanischen Kunst in Kontakt gekommen

Jahr 1348 angesetzt wird. Guido Tigler, der vom

Silhouette der Figur. Besonders das Lendentuch

war, die – im Vergleich zur deutschen Kunst – von

Jahr 1313 als Erbauungszeit der Kirche San Do-

liegt dermaßen eng an den Beinen an, dass die

größerer formaler Strenge getragen war , während

menico della Compagnia di flagellanti ausgeht

unglaublich mageren Gliedmaßen vollkommen

hingegen die ältere Crux foliata nordeuropäischen

– dieser Kirche, die dem Kruzifix, der heiligen

durchscheinen, während der blutlose, ergebene

Ursprungs – Skandinavien und angrenzende Ge-

Jungfrau Maria und dem heiligen Dominikus

Ausdruck des Gesichts von einer hohen Stirn

biete –, von der sich die Figur abhebt, Kreuzarme

geweiht ist –, betrachtet dieses Datum als zeitli-

und feinen, edlen Zügen gezeichnet wird, von

mit bemalten Endstücken im englischen Stil vom

che Begrenzung – als ante quem – nicht nur des

einer dünnen, zugespitzten Nase und kaum ge-

Ende des 13. Jahrhunderts aufweist .

Christus von Siena, sondern auch des möglichen

öffneten Lippen (Abb. 2). Der Bart zieht sich nur

27

28

31

bekannten Kruzifixes in der Kathedrale SaintJean-Baptiste in Perpignan33.

Die wichtigsten Merkmale, die mit der

Prototyps in Santa Maria Novella in Florenz .

am Unterkiefer hin, aber nicht weniger reizvoll

Skulptur des Bozner Christus übereinstimmen,

Abgesehen von der stilistischen Interpretation, die

sind die zusätzlich aufgesetzten, schönen Dreh-

sind jedenfalls der lang gestreckte Körper, der tief

Gefahr läuft, die Entstehung des Werks zu früh

locken, die an den Schläfen seitlich herabfallen.

eingefallene Unterleib im Gegensatz zum extrem

anzusetzen – wie im Übrigen ja auch nicht aus-

Der Bildschnitzer hatte auch einen realistischen

vorspringenden Brustkorb (Abb. 3–4), auf dem

zuschließen ist, dass diese Typologie nordischen

Kunstgriff angewandt: Es ist anzunehmen, dass

sich die Rippen abzeichnen, die verkrampfte

Ursprungs mit ähnlichen Fällen wie in Montepul-

der jetzt kahle Kopf ursprünglich von einer Pe-

Stellung der Beine und Füße. Ähnlichkeiten in

ciano oder San Gimignano in Verbindung steht –,

rücke aus echtem Haar oder Hanf bedeckt war,

188

32


auf die die traditionelle Dornenkrone aus einem

die Annahme, dass es unmöglich ist, das Werk mit

Hanfgeflecht und natürlichen Dornen gesetzt

Kruzifixen in Süddeutschland, der Schweiz oder

wurde . Dabei handelt es sich um eine Technik,

Österreich in Verbindung zu bringen – auch in

die in den Regionen nördlich der Alpen sehr

der Lombardei, möchte ich hinzufügen, mit der

verbreitet war und vom 14. Jahrhundert an in

die Bozner Klostergemeinschaft eng verbunden

verstärktem Maße auch in Italien übernommen

war, da sie schon vom Jahr 1303 an der Provinz

wurde, eben veranlasst durch die von deutschen

der sogenannten „unteren Lombardei“ angehör-

Wanderkünstlern hergestellten Kruzifixe, zu de-

te40. Es reicht in diesem Zusammenhang aus,

nen auch die vorerwähnten „westfälischen“ Arbei-

den allein stehenden Crucifixus dolorosus in der

ten in Pisa und Genua zu zählen sind. Zwischen

Basilika Santa Maria Maggiore in Bergamo zu

1960 und 1980 wurde der Bozner Christus einer

nennen, das Werk eines deutschen Künstlers aus

fragwürdigen Restaurierung unterzogen, die leider

der Mitte des 14. Jahrhunderts. Dagegen wollen

die damals noch sichtbaren Reste der ursprüngli-

wir doch auf das einen Meter große Kruzifix aus

chen Polychromie fast unkenntlich gemacht hat,

dem 14. Jahrhundert (um 1340/50) in der Kirche

und das weniger in der weißlichen, schmucklo-

Santi Egidio e Omobono in Cremona verweisen,

sen Nuance des Lendentuchs – auf dessen Falten

obwohl es nur eine bescheidene Ähnlichkeit mit

noch einige blaue Farbspuren zu sehen sind –, als

dem Bozner Kruzifix aufweist41. Die expressive Er-

vielmehr in der Farbe des Körpers, von der durch

regtheit der Werke aus den Gebieten nördlich der

die umfassende Übermalung nichts mehr erhal-

Alpen ist zwar durch die Farbfassung und mehrere

ten ist36. Es lässt sich aber feststellen, dass es sich

partielle Bearbeitungen herabgemindert worden,

beim Holz, aus dem die Skulptur geschnitzt ist,

doch scheint die überaus magere Skulptur dem

um Zirbenholz (Pinus cembra) handelt, ein sehr

hybriden Stil, den wir hier darzulegen versucht

hartes und widerstandsfähiges Holz, das typisch

haben, nicht so fernzustehen.

35

für den Alpenraum ist und in der örtlichen bild-

Um den Bozner Leidenden Gekreuzigten in

hauerischen Produktion, die sich die ausgiebigen

ein bestimmtes Umfeld einordnen zu können, ist

natürlichen Ressourcen der Wälder zunutze mach-

es meiner Ansicht nach von grundlegender Be-

te, viel benutzt wurde . Angesichts der ansehn-

deutung, neben der verwendeten Holzart auch

lichen Größe der Figur ist anzunehmen, dass der

einen anderen, nicht weniger wichtigen Umstand

Bozner Crucifixus dolorosus vor Ort ausgeführt

zu berücksichtigen. Dabei beziehe ich mich auf

wurde. Das Gleiche gilt für das herrliche Kreuz

die Entscheidung, die gesamte Figur – was großes

aus Zirbenholz, das Anfang des 13. Jahrhunderts

Können voraussetzte – aus verschiedenen Elemen-

wahrscheinlich von einem „transalpinen“, in

ten zusammenzusetzen, auch wenn die einzelnen

Chartres ausgebildeten Bildschnitzer angefertigt

Bestandteile angesichts der jüngsten Überma-

wurde und mit einiger Sicherheit aus der Bozner

lungen nicht mehr mit Sicherheit auszumachen

Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt, dem heu-

sind. Der Brustraum scheint deshalb ausgehöhlt

tigen Dom, stammt, jetzt aber in der alten Pfarr-

worden zu sein, um ein Arbeiten des Holzes

kirche von Gries aufbewahrt wird .

möglichst einzuschränken, und er wurde in der

37

38

Die Verbindung der Skulptur mit den Domi-

Folge mit einem entsprechend genau geformten

nikanern wird übrigens zu Recht auch von Guido

Verschlussbrett wieder geschlossen. Gemeinsam

Gentile bestätigt, der dazu erklärt, dass „ein der-

mit den Armen, den Haarlocken und dem – im

artiges Werk wohl nicht etwa aufgrund der mehr

Vergleich zum Oberkörper stark vorgebeugten –

oder weniger direkten Beziehungen mit der deut-

Kopf handelt es sich bei den wichtigsten Einsätzen

schen Welt nach Bozen kommt, sondern dank der

um die Beine, einschließlich des Teils, der von

Vorliebe und der Kontakte eines Konvents, der

knapp unterhalb des Oberschenkelknochens bis

mit den italienischen Provinzen des Dominika-

zur Hälfte des Schienbeins reicht. Weiters werden

nerorden verbunden ist39. Ebenso berechtigt ist

auch die Füße angesetzt – der rechte ist vom Nagel

5

5. Crucifixus dolorosus, Detail, Bozen, Dom

189


aufgerissen, der die Sehnen entblößt (Abb. 5) –,

lisieren tendiert, ist es andererseits angebracht,

Ähnlichkeit darin, dass es sehr eng an den Beinen

einige Finger und Zehen sowie möglicherweise

die anderen Hilfsmittel nicht zu vernachlässigen,

anliegt und verlängert bis über die Hüften reicht45.

die hintere Drapierung des Lendentuchs. Eine

die der Künstler bei der Ausführung seines Werks

Es ist zwar nicht möglich, zu einer definitiven

so detailreiche Technik ist der rein italienischen

anwendet – Elemente, die im Laufe des 14. Jahr-

Schlussfolgerung zu kommen. Aber ich bin der

gotischen Holzschnitzkunst fremd; denn es han-

hunderts wieder nach Südtirol oder in den Tiroler

Ansicht, dass als figurative Wurzel des Leidenden

delt sich hierbei um eine traditionelle Arbeitswei-

Raum zurückkehren. Die fein ausgearbeiteten

Gekreuzigten in Bozen eher das von Austausch

se aus den Gebieten nördlich der Alpen42. Eine

Drehlocken, die manchmal der Skulptur ange-

und Konfrontation gekennzeichnete geokulturelle

Ausnahme sind toskanische Schnitzarbeiten von

fügt wurden, sind zum Beispiel an den Kopf- und

Umfeld des Alpenraums, wahrscheinlich Südti-

Künstlern wie dem sogenannten „Maestro del

Barthaaren des Gekreuzigten in der neuen Pfarr-

rols46, anzusehen ist als der „nach Norden blicken-

Crocifisso di Camaiore“, der aber seine erste Aus-

kirche von Prad-Agums zu sehen wie auch an der

de“ Stil eines aus der Poebene oder womöglich aus

bildung bei deutschen Meistern erfuhr, deren Ar-

Christusfigur des Vesperbildes in der Pfarrkirche

Mittelitalien stammenden Bildhauers.

beitsverfahren dem der Bildschnitzer ähnelte, von

von Innsbruck-Pradl und teilweise am Kruzifix,

Der heterogene Charakter der Skulptur

denen die Werke in San Giorgio de’ Teutonici in

das dem Kapitelhaus in Brixen gehörte und sich

könnte der Zeit um das dritte, ja höchstens

Pisa stammen oder in der Kirche Santi Paolino e

jetzt im dortigen Diözesanmuseum befindet44.

vierte Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts besonders

Donato in Lucca43. Wenn einerseits die Treue des

Beim Lendentuch des Schmerzensmannes in der

entsprechen. Vielleicht entstand es in denselben

Magisters dem stereotypen Schmerzensmann ge-

Pfarrkirche von Matrei am Brenner - die überaus

Jahren wie der Lettner in der Bozner Domini-

genüber, der in der Bozner Skulptur verwirklicht

ausgezehrte Skulptur veranlasst zu einigen for-

kanerkirche, der um 1330 mit Sicherheit schon

ist, den stilistisch heterogenen Akzent zu norma-

malen Parallelen – entdeckt man hingegen eine

beendet war47.

190


1 Vgl. Young 1933; Belting 1981; Frugoni 1993; Mac Donald et Al. 1998; Dinzelbacher 2002, S. 299– 330; Kalina 2003, insbes. S. 101, Anm. 90. 2 De Francovich 1938, S. 143–261, insbes. S. 211, wo die Entstehungszeit des Bozner Christus auf die Zeit zwischen 1330 und 1350 angesetzt wurde, während die Stilisierung in der Ausführung als „Verarmung jenes formalen Komplexes“ gesehen wurde, „die das Leidenskruzifix in den westfälischen und rheinischen Regionen kennzeichnet“. Unter den wichtigsten und ausführlichsten, in den letzten Jahren erschienenen Studien zum Thema verweisen wir auf Bergmann 2001 und vor allem auf Hoffmann 2006. 3 Das Thema wird durch Beispiele erläutert bei Tomasi 2000, S. 57–58 und bei Seidel 2003, S. 440–441; Kalina 2003. 4 Persönlich halte ich die Frage einer eventuellen typologischen Vorrangstellung der rheinländischen Prototypen gegenüber den westfälischen für noch nicht geklärt: vgl. dazu von Alemann-Schwartz 1976. 5 Kalina 2003; Hoffmann 2006. 6 Anikonische Beschreibungen in der Bibel finden sich vor allem im 2. Buch Mose (Exodus); hinsichtlich des protestantischen Bildersturms und einiger Fälle von Zerstörungen bildhauerischer Werke verweisen wir auf Baxandall (ital. Ausgabe 1989), S. 85–96, insbes. 92–95. 7 Zum Konzil von Trient und seiner politisch-religiösen Tragweite vgl. Prosperi 1999; zur Entwicklung der Rolle der Bilddarstellungen bis zur Gegenreformation siehe die ausführliche Zusammenfassung von Schmidt 2003. 8 Zu den Ereignissen, in deren Mittelpunkt vor allem die blutige Rivalität des ghibellinischen Pisa mit dem guelfischen Lucca steht, das 1314 unterliegen sollte, vgl. Romiti 1984–1985; Lenzi 2001. 9 Vgl. Tomasi 2000, S. 66. Nach dem Anschluss der Kirche an das Ospedale dei Trovatelli im Jahr 1414 wurde sie in San Giorgio degli Innocenti umbenannt, während sie heute auch unter dem Namen San Giorgio dei Tedeschi bekannt ist. 10 Ivi; Mor/Tigler (in Druck). 11 Der Prototyp von Coesfeld wird schon in einer päpstlichen Ablassbulle aus dem Jahr 1312 belegt. Siehe dazu De Francovich 1938, S. 162–167, 181, der bereits den Zusammenhang dieses Werks mit dem Kruzifix von Pisa erkannte. Das Thema wurde auch behandelt von Tomasi 2000, S. 57–76. Siehe dazu auch Hoffmann 2006, S. 95–98. 12 Der Christus in Santa Maria Maddalena in Genua ist noch auf dem originalen Arbor vitae in Tau-Form angebracht. Galli 2004, S. 120–123, Nr. 7, hat das Werk dem Holzbildhauer von Coesfeld und Pisa zugeordnet. Siehe dazu auch die Ausführungen von Mor/Tigler (in Druck). 13 Castri 1995 vermutet, dass es sich um denselben Künstler deutscher Herkunft handelt, möglicherweise aus dem Alpenraum. Die Frage wurde auch behandelt von Mor/Tigler (in Druck). 14 Mor 2010, S. 71-79, wo einige spezifische Beispiele dieser Technik in der spätromanischen Holzbildhauerei im Burgundischen und in der Maas-Gegend behandelt werden. Aber mit dem Beginn des 13. Jahrhunderts wird diese Technik auch im deutschen Gebiet zu einem der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale. 15 Hoffmann 2006. 16 Hoffmann 2001, Ibd. 2006, S. 35–39. 17 Zu den Werken in Spanien und zum bekannten Prototyp von Perpignan (Languedoc-Roussillon) siehe Franco Mata 1989, S. 5–64; Ibd. 2007, S. 64–67; hinsichtlich Sardinien vgl. Zanzu o.D. (aber 1996). Einige der bekanntesten italienischen Werke werden behandelt bei Hoffmann 2006, S. 107–124; bezüglich Umbrien und

Marken siehe Lunghi 2000, S. 39–112; Casciaro 2002, S. 31–56; für den toskanischen Apennin vgl. Lisner 1970; Giusti 1984; Castri 1995.; Tomasi 2000, S. 57–67; Galli 2005, S. 113–137, insbes. S. 122–124; Tigler 2005, S. 191–208, insbes. S. 201–204; Mor/Tigler (in Druck). Für den emilianischen Bereich vgl. Mor 2006. In Ligurien wird die Errichtung des sogenannten Crocifisso dei Caravana in Genua (vormals in der Kirche Nostra Signora del Carmine, jetzt im Museo di Sant’Agostino) dokumentarisch mit knapp vor 1340 datiert, wodurch es möglich war, das Gegenstück, den berühmten Christus von Cortona, auf dieselbe Entstehungszeit zu datieren: vgl. Di Fabio 2004. Für den oberen und mittleren Adriaraum siehe hingegen Belamarič 1995, S. 147–157. 18 Als Standort des Kruzifixes wird von Atz 1909, S. 307 und von Weingartner 1926, S. 110 die ehemalige Pfarrkirche St. Nikolaus angegeben. Letzterer datiert das Werk übrigens auf die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. 19 Atz 1909; Müller 1935, S. 44–45. 20 Müller 1935, p.124. 21 Schneider 1992. 22 Zum Gebäudekomples des Dominikanerklosters vgl. Spada Pintarelli/Bassetti 1989. Zur Frage der Lettner in den Bettelordenskirchen, besonders dem hier angeführten in Bozen, verweisen wir auf Franco 2007, insbes. S. 115–118. 23 Steiner 2005. 24 Müller 1976, S. 13–14, 426. 25 Rasmo 1975, S. 28; Ibd. 1985, S. 39. Hinweise desselben Autors erscheinen in der Folge in: Rasmo o.D. (aber 1940), S. 17, Ibd. 1975, S. 28. 26 Infra, Anm. 2, weiters auch De Francovich 1938, S. 206–211, der auch einen Vergleich mit dem deutschen Kruzifix in der Kirche Sant’Agnese in Montepulciano in Betracht zieht. 27 Lisner 1970, S. 31. 28 Giusti 1984; Mor/Tigler (in Druck). Wir verweisen auch auf Ähnlichkeiten dieser Typolgie mit der monumentalen Crux foliata in Skokloster (Uppland) in: Andersson 1964–1980, II (1966), S. 64, 68–69. 29 De Francovich 1938, S. 211–212 setzt die Datierung der Kruzifixe von Montepulciano und San Gimignano sogar auf das 1. Drittel des 14. Jahrhunderts an. Siehe dazu auch Lisner 1970, S. 31. 30 Bereits De Francovich 1938, S. 210 stufte die Skulptur in San Giovanni Novo in Oleo in Venedig als westfälisch ein. Aus derselben Kirche stammt ein anderer, weniger bekannter Crucifixus dolorosus (ebenfalls im Museo Diocesano), der aber auf venetische Künstler zurückgeht, die von etwa der Mitte des 14. Jahrhunderts an erheblich vom „deutschen“ Stil beeinflusst wurden. Das Gleiche gilt für den gigantischen Christus in San Domenico in Chioggia. Hoffmann 2006, S. 99, 122–123. 31 Zum Christus von Cortona und dem analogen Werk in Genua siehe infra 17; weiters Di Fabio 2004; Galli 2005, S. 122–124; Tigler 2005, S. 201–204. Zu den Kruzifixen von San Gimignano und Siena vgl. De Francovich 1938, S. 209–212; Lisner 1970, S. 31–32. 32 Mor/Tigler (in Druck). 33 Hoffmann 2006, S. 127–130; Mor/Tigler (in Druck). 34 Müller 1976, S. 14; Gentile 2002, S. 161–163; Ibd. 2006, S. 36–37. 35 Mor/Tigler (in Druck). 36 Wie in den veröffentlichten Farbbildern von Müller 1976 gezeigt wird, war die Körperhaut vor der Restaurierung von einer braunen Schicht überzogen, während das Lendentuch eine Goldfassung aufweist, die sicher aus späterer Zeit stammt. Auf dem Teil der Drapierung

hinter den Beinen sind heute noch rötliche Farbspuren zu erkennen, die aber Spuren des Blutes aus der Wunde im Brustkorb darstellen. 37 Das Zirbenholz hatte bereits Müller 1935, S. 124 erkannt. Zur überaus bevorzugten Verwendung dieser Holzart in der Bildhauerei in Tirol und Südtirol siehe auch Mor 2005–2006, I, S. 117–208. 38 Fogliardi 2009; Mor 2010. 39 Gentile 2006, S. 37. 40 Franco 2007c, S. 115. 41 Beide Fälle werden behandelt bei Bellinger 2000, S. 75–76, 86–87. Das Thema könnte aber noch eingehender untersucht werden, vor allem angesichts der Möglichkeit, das Kruzifix in Bergamo eher einer deutschen als einer dalmatischen Herstellung anzunähern, wie es von der Wissenschaftlerin angedeutet wurde. Auch die Bezugnahme bei De Francovich 1938 auf das Werk von San Giovanni Novo in Oleo (die folglich auch das Werk in Montepulciano betrifft) erscheint mir mehr die Form zu betreffen als den Stil. 42 Auch beim herrlichen Kruzifix, das sich jetzt in Gries befindet, wurde der Kopf aufgesetzt, entsprechend einer in der französischen Spätromanik recht verbreiteten Technik bei der Herstellung von Holzskulpturen. Mit Beginn des 13. Jahrhunderts wurde dieses Verfahren zunehmend auch im deutschen Raum angewandt. Siehe dazu Mor 2010. 43 Die Frage der Technik der Assemblage sowie des Austauschs technischer Verfahren mit deutschen Werkstätten in der Toskana werden ausführlich in der Studie von Mor/Tigler (derzeit in Druck) behandelt. 44 Müller 1976, S. 14, 16. 45 Müller 1935, S. 36–38. 46 Müller 1935, S. 44–45 hielt den Bildhauer dieses Kruxifixes für einen eindeutig einheimischen Meister, der die Elemente einer äußerst ausgedehnten, überterritorialen Tradition übernommen hatte. 47 Franco 2007c, S. 115.

191


Auch im 15. Jahrhundert stellen die Kirche und das Kloster der Dominikaner für die Bozner Kunstgeschichte, vor allem die Baugeschichte, einen Bezugspunkt dar – wenn auch nicht mehr so kontinuierlich wie im vorausgegangenen Jahrhundert, als sie auf malerischem Gebiet als treibende Kraft gewirkt hatten. In den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts wird der Gebäudekomplex, in erster Linie durch die Einwölbung des Kirchenschiffs und des Kreuzgangs und die entsprechende Anpassung an den spätgotischen Stil, zu einem Orientierungspunkt im Kunstschaffen der Stadt, und er zeugt vom Bestreben des Ordens, sich immer auf dem Laufenden zu halten. Mit diesen

Das 15. und 16. Jahrhundert: das Pech, Pacher zu heißen Silvia Spada Pintarelli

baulichen Eingriffen sind auch die Ausmalung des Kreuzgangs und andere, nunmehr im Stil des 16. Jahrhunderts ausgeführte Werke im Kircheninneren auf das Engste verbunden (wie der Heilige Christophorus an der Innenfassade und das heute nicht mehr sichtbare Abendmahl an der Westwand), während zuvor die äußere Kirchenfasade mit Malereien versehen worden war1. Hier befand sich eine heute verloren gegangene Verkündigung, von der Karl Atz im Jahr 1903, als unter dem im Laufe der Zeit verblassten Intonaco die Reste der Malerei ans Tageslicht gekommen waren, eine präzise Beschreibung lieferte2: eine kniende Madonna und ein lockenköpfiger Erzengel Gabriel, eine Heiliggeisttaube und fliegende, wahrscheinlich Gottvater tragende Engel, dazu eine elegant dekorierte Umrahmung, die von schräg gestellten Vierpässen unterbrochen wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt (1909)3 bringt er die Malerei mit dem Gemälde am Turm des Stiftsgebäudes in Gries in Beziehung, das heute dem Kreis um Hans Stotzinger zugeschrieben und auf die Zeit um 1420 datiert wird. Die Sinopie der Madonna, heute das einzige Überbleibsel der Verkündigung, erlaubt keine weiteren Schlussfolgerungen, sodass ich Atz ohne weiteres beistimme. Rechts des Eingangsportals befindet sich dagegen ein Marientod4 (Stampfer, Abb. 46), auf den erstmals Nicolò Rasmo im Jahr 1941 aufmerksam gemacht hatte5. In einer bedeutenden, vor den Bombenschäden des Zweiten Weltkriegs durch-

192


geführten Untersuchung war er auf die reichen,

im Laufe des 14. Jahrhunderts in Kirche, Kapellen

in der Kirche vorhandenen Adelswappen und

und Kreuzgang praktisch alle für Wandmalereien

-grabsteine eingegangen, die von den engen Ver-

verfügbaren Flächen „besetzt“ worden waren, so-

flechtungen zwischen der Stadt und dem Kloster

dass sich auf diesem Gebiet im darauf folgenden

Zeugnis ablegen, die über Jahrhunderte hinweg

Jahrhundert nur wenig tun konnte. Wir müssen

bestanden hatten, deren damals noch sichtbare

also, wie schon gesagt, auf die Umbauten warten,

und identifizierbare Spuren heute aber zu einem

die im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts

großen Teil verloren gegangen sind .

ausgeführt werden. Das Aussehen der Kirche

6

Rasmo hält den Marientod für ein Werk „je-

und des Kreuzgangs wird von Grund auf verän-

nes Malers der Brixner Schule aus den Fünfziger-

dert und ein Teil der Trecento-Fresken zerstört,

oder Sechzigerjahren des 15. Jahrhunderts, der an

sodass sich neue Möglichkeiten zu malerischen

der Westwand der Einsiedlerklause bei der Kir-

Dekorationen auftun12.

che St. Vigil unter Weineck ein kleines, reizvolles

So wird beschlossen, den „neuen“ Kreuz-

Fresko hinterlassen hat“ , das jetzt dem Kreis um

gang der Kirche – dessen Gewölbe von eleganten

Leonhard von Brixen zugeschrieben wird.

Rippen untergliedert wird, die an den Wänden

7

Der Zuschreibung an Leonhard von Brixen

eine Abfolge von Lünetten bilden – mit dem Ort

schließen sich sowohl Hallegger als auch Stamp-

und dem Zeitgeschmack gemäßen Malereien zu

fer9 an, deren Meinungen hinsichtlich der Datie-

versehen (Abb. 1).

8

rung allerdings voneinander abweichen. Hallegger

Entsprechende Bezugsdaten finden sich in

optiert für die Zeit um 1460–1461, als Meister

verschiedenen Quellen: Marx Sittich von Wol-

Leonhard von Brixen nach Bozen zog, Stampfer

kenstein, der Autor der um 1600 erschienenen,

für die Jahre zwischen 1465 und 1470, da das

bekannten „Landesbeschreibung von Südtirol“,

Werk seiner Ansicht nach einen ausgefeilteren

vermerkt, dass die Bürger Hanns Hilleprant und

und reiferen Stil an den Tag legt.

Wolfgang Roggär (Rogger) im Jahr 1496 eben

Meiner Meinung nach ist der Bezug auf

im Kreuzgang (6. Arkade) ein Gemälde zur Er-

Meister Leonhard nicht völlig überzeugend. Für

innerung an ihren 1397 verstorbenen Vorfahren

eine solche Auslegung sprechen zwar dekorative

Johannes ausführen lassen13. Dieser Hinweis be-

Elemente – wie zum Beispiel die Perlen und Edel-

rechtigt zu der Annahme, dass der Kreuzgang

steine – und verschiedenerlei stilistische Zusam-

zu diesem Zeitpunkt schon beendet und die

menhänge, dagegen aber die Ausführung; denn

Ausmalung im Gange war – was wahrscheinlich

trotz des schlechten Erhaltungszustands scheint

auch bedeutet, dass die berühmten 20 Gulden,

sich das Bozner Fresko durch größere Qualität

die Maximilian von Habsburg am 3. April 149714

auszuzeichnen als Leonhards Arbeiten im All-

dem Bozner Dominikanerkloster und seinem

gemeinen.

Prior „zum Bau des Klosters“ gestiftet hatte, sich

Noch schwerer zu deuten ist das Fresko links

Die 20 Gulden wurden möglicherweise zur

Sinopiespuren und Einritzungen im Putz erhalten

Vollendung des Kirchengewölbes verwendet, mit

sind. Wahrscheinlich handelte es sich um einen

dessen Anlage im Jahr 1468 begonnen worden

mit einer Rüstung angetanen Heiligen , der ei-

war, oder für andere Gebäudeteile des Klosters,

nen knienden Ritter empfahl, von dem heute die

und vielleicht ist der Ausdruck „Bau“ auch nicht

gefalteten Hände und ein Teil des Visiers mit offe-

in ausschließlich architektonischem Sinn zu ver-

nem Helm zu sehen sind, daneben eine stehende

stehen. Diese Spende kann jedenfalls als klarer

Figur mit einem Stock oder einem Bischofsstab .

Hinweis für das persönliche Interesse angesehen

In diesem Zusammenhang ist zu berücksich-

werden, das Maximilian dem Bozner Kloster ent-

tigen, dass – von den Fassadenmalereien abgese-

gegenbrachte und für das es zahlreiche direkte

hen – bei den verschiedenen Dekorationsphasen

und indirekte Beweise gibt. Eine erste Bestäti-

11

2

wohl nicht auf diese Arbeiten beziehen.

des Eingangsportals, von dem wenige Fragmente,

10

1

1. Dominikanerkreuzgang, Ostflügel 2. Sylvester Müller, Paul von Liechtenstein, Bozen, Dominikanerkreuzgang, dritte Arkade

193


3 3. Conrad Waider, Kryptoportr채t Maximilians von Habsburg als Salomo, Bozen, Dominikanerkreuzgang, neunte Arkade

194


gung dieses königlichen Augenmerks findet sich

Halsband des Ritterordens mit dem Lammvlies

in einem bisher unveröffentlichten Brief, den der

zu erkennen, was für ein Ausführungsdatum nach

Trentiner Bischof Ulrich von Liechtenstein am

1505 sprechen würde (und demnach vor 1508,

30. April 1496 an seinen Rat Johannes Korn-

wie in der Anmerkung 19 erläutert).

heim, decretorum doctor, schickt und in dem er

Auch unter kulturellem und künstlerischem

ihn auffordert, sich zum Bozner Dominikaner-

Gesichtspunkt übte Paul von Liechtenstein – wie

kloster zu begeben, um sich mit der schlechten

Angela Mura vor kurzem in einer Untersuchung

Verwaltung (malum regimen) zu befassen, auf die

anschaulich nachgewiesen hat21 – erheblichen

Maximilian I. persönlich ihn aufmerksam ge-

Einfluss aus. Er wurde daher von Maximilian

macht hatte15. In diesem Sinn sind auch die Iko-

mit der Zusammenstellung des Ambraser Hel-

16

nografie der ersten Arkade mit der Einhornjagd

denbuchs22 beauftragt, einer umfangreichen, mit

zu verstehen und die Tatsache, dass sich unter den

florealen Ornamenten geschmückten handschrift-

Stiftern der Wandmalereien auch Persönlichkeiten

lichen Sammlung der bekanntesten Heldenepen

aus Maximilians Umkreis befinden.

der deutschen Literatur des Mittelalters, und er

In der ersten Arkade (in der Lünette die Ein-

dürfte auch die Auswahl der in diesem Prachtko-

hornjagd) ist, wie Rasmo interpretiert, der Stifter

dex enthaltenen Texte beeinflusst haben. Er war

Gaudenz Botsch mit seinem Wappen und dem

im Übrigen in einem kultivierten Milieu aufge-

seiner Frau Elena von Firmian dargestellt. Botsch

wachsen und tat sich auch mit anderen mäzena-

war – für eine kurze Zeit im Jahr 1498 und dann

tischen Gesten hervor – wie der Stiftung einer

von 1502 bis 1505 – Direktor der Salinen von

reichen Gold-Silber-Monstranz für die Bozner

Hall17, die dem Kaiser reiche Profite einbrachten.

Stadtpfarrkirche. Seiner Präsenz unter den Stif-

Von weit größerer Bedeutung aber ist der

tern ist daher ein bemerkenswerter symbolischer

Stifter der dritten Arkade, in der sich eine Heilige

und politischer Wert zuzuschreiben.

Sippe befindet, eine Darstellung der Verwandten

Die Stifter der vierten Arkade konnten dage-

Jesu . Es handelt sich um Paul von Liechtenstein,

gen nicht identifiziert werden, doch den Wappen

der hier – unübersehbar mit einer Rüstung ange-

nach zu urteilen waren sie mit der Familie Soyer

tan und fromm kniend (Abb. 2) – zusammen mit

verwandt. Das in der vierten Arkade erkenntliche

seiner Frau Barbara von Schroffenstein abgebildet

Wappen der Fuchs von Fuchsberg bezieht sich

ist, während von der Figur des Sohns, die Rasmo

dagegen auf eine mittlere, an einigen Stellen im

als zeitlich späteren Zusatz angeführt hatte , heu-

Südflügel sichtbare Malschicht zwischen den Fres-

te keine Spuren mehr vorhanden sind.

ken des 14. Jahrhunderts und den Wandmalereien

18

19

4

Paul von Liechtenstein spielte am Hof Maxi-

aus dem späten 15. Jahrhundert. Die Fresken der

milians eine gewichtige Rolle. Er war um 1460/62

neunten Arkade sind von einem Augsburger Kauf-

geboren und 1516 gestorben (in Augsburg, wurde

mann namens Wirsung und dessen Frau, einer

aber in der Bozner Pfarrkirche beigesetzt, wo er

geborenen Sulzer, gestiftet worden. Wahrschein-

sich ein Grabmal hatte errichten lassen20). Er war

lich handelt es sich dabei um Johannes Wirsung,

1489 vom österreichischen Erzherzog Sigmund

der 1514 in der Pfarrkirche ein Epitaph zum

zum Hofmarschall ernannt worden und wurde

Gedenken an seinen verstorbenen Sohn Ambros

von 1502 an mit der Verwaltung der habsbur-

errichten ließ23.

gischen Finanzen betraut. Er wurde von Maxi-

Das in der zehnten Arkade in der Bogenmitte

milian, auf den er erheblichen Einfluss ausübte,

vorhandene Wappen der Rottenbuch bezieht sich

geadelt und 1505 mit dem Orden vom Goldenen

aller Wahrscheinlichkeit nach auf Wolfgang I., der

Vlies ausgezeichnet. Meiner Ansicht nach ist,

mit Potenciana Eisenreich verheiratet war.

wenn auch mit einer gewissen Schwierigkeit an-

In der 15. Arkade erscheinen schließlich ein

gesichts des sehr schlechten Erhaltungszustands,

Niederthor (Hugo IV.?) und dessen Frau Elisa-

am Hals des Paul von Liechtenstein das typische

beth Wolkenstein.

5

4. Friedrich Pacher, Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus, Detail, Neustift, Kreuzgang 5. Friedrich Pacher, Einhornjagd, Detail, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade

195


Die Dominikanerkirche und der ihr ange-

Aber der rote Faden, der den Bozner Kreuz-

schlossene Kreuzgang stellten, wie schon erwähnt,

gang mit dem römisch-deutschen König und

auch eine begehrte Begräbnisstätte für illustre Boz-

späteren Kaiser des Heiligen Römischen Reiches

ner Bürger dar. Von den sehr vielen Gräbern und

deutscher Nation verbindet, zeigt sich auch in

Grabplatten, die Marx Sittich von Wolkenstein in

einem sichtbaren Element, das bisher seltsamer-

der Kirche, in den Kapellen und im Kreuzgang

weise kaum beachtet wurde. Es handelt sich um

anführt24, finden sich heute nur noch wenige an

das Kryptoporträt Maximilians in einer Gewöl-

Ort und Stelle .

bekappe der neunten Arkade (Abb. 3). Der Kai-

25

6

Die Zerstreuung dieses besonderen Kultur-

ser, eindeutig an seinem charakteristischen, mar-

guts erfolgte schon vor den Beschädigungen, die

kanten Profil zu erkennen, wird hier als Salomo

der Gebäudekomplex nach der josephinischen

dargestellt und von den lateinischen Versen des

Aufhebung erfuhr, durch die umfassenden Um-

dritten Kapitels des Hohen Liedes (3,11) begleitet:

bauten, die die Dominikanermönche selbst im

„egredimini filiae Sion et videtur regem Salomo-

Laufe des 18. Jahrhunderts vornahmen – eine

nem in diademate quomodo coronav (erunt)…

Tatsache, die, wie Rasmo vermerkt, „im ganzen

mater sua (in dielaetitiae eius)“30.

Land Entrüstung und Betrübnis hervorrief, vor

Wir haben es hier mit einem doppelten

allem angesichts der unbedachten Zerstörung der

Bezug zu tun: einerseits auf die Darstellung der

Grabstätten illustrer Wohltäter, darunter sogar der

Dornenkrönung, die sich in der Lünette darunter

Königin Anna von Böhmen und Angehörigen

befindet, andererseits aber auch auf die lange und

einheimischer Adelsfamilien, die noch existierten

heiß herbeigesehnte Kaiserkrönung Maximilians:

und in der Verwaltung des Landes und des kaiser-

Nach heiklen diplomatischen Verhandlungen

lichen Hofs einflussreiche Ämter bekleideten“ .

wurde er am 4. Februar 1508 zum „Erwählten

Meiner Meinung nach entstammt dem Klos-

Römischen Kaiser“ gekrönt, zwar nicht wie tra-

ter auch ein anderes Opfer dieser „Modernisie-

ditionsgemäß in Rom, sondern in Trient, das im

rungsmaßnahmen“: Es handelt sich um eine

Grunde nur eine „Notlösung“ war31.

26

bruchstückhaft erhaltene Grabplatte aus rotem

Es ist allgemein bekannt, dass Maximilian

Marmor mit dem Wappen der Penzinger, die bei

sehr darauf bedacht war, sein offizielles Image

Restaurierungen in den Achtzigerjahren des 20.

unverhohlen zu propagandistischen Zwecken zu

Jahrhunderts als Bestandteil des Sockels des Nep-

nutzen und zu lancieren32. Aber mit der Lösung

tunsbrunnens am Obstmarkt ausgemacht wurde27.

hier im Bozner Dominikanerkreuzgang ist ihm

Der Brunnen war nach einer langen, verwickel-

geradezu ein Meisterwerk gelungen: Auf der ei-

ten Geschichte im Jahr 1777 am heutigen Ort

nen Seite wird er mit dem leidenden Christus in

aufgestellt worden.

Verbindung gebracht, auf der anderen mit dem

28

6. Friedrich Pacher, Heimsuchung Mariä und Geburt des Täufers, Detail, Bozen, Dominikanerkreuzgang, zweite Arkade

196

Unter den Gräbern illustrer Bürger, von

mythischen König Salomo, einem unbestreitbaren

denen noch die Grabplatte erhalten ist, wäre

Exempel der Weisheit, während der aus dem Ho-

zumindest das von Leonhard von Völs-Colonna

hen Lied gewählte Vers als wahre Freudeshymne

(gest. 1530) und dessen Frau Ursula, Gräfin von

auf die über die Bühne gegangene Kaiserkrönung

Montfort, zu erwähnen, das sich – wie auch von

interpretiert werden kann. Angesichts dieser Fak-

Marx Sittich von Wolkenstein angeführt – an

ten müsste die Malerei um das Jahr 1508 ausge-

einer herausragenden Stelle befand, nämlich im

führt worden sein.

Kirchenchor29. Auch Leonhard von Völs war kö-

Allein schon diese äußeren Anzeichen spre-

niglicher Rat und für die Haller Salinen verant-

chen dafür, dass es sich bei der zwischen dem

wortlich: Beide Ämter waren ihm, mit Billigung

späten 15. Jahrhundert und dem frühen 16. Jahr-

von König Maximilian selbst, im Jahr 1498 von

hundert erfolgten Ausmalung des Dominikaner-

seinem Schwiegervater Nikolaus von Firmian

kreuzgangs nicht nur um eine künstlerisch-deko-

abgetreten worden.

rative Angelegenheit handelte. Einen völlig neuen


8

7

7. Friedrich Pacher, Kรถnig David, Bozen, Dominikanerkreuzgang, sechste Arkade 8. Friedrich Pacher, Standarte, Bozen, Dominikanerkreuzgang, siebte Arkade

197


9

10

11

12

9. Friedrich Pacher und Gehilfen, Jesus unter den Schriftgelehrten, Bozen, Dominikanerkreuzgang, sechste Arkade 10. Korbinianmeister, Kreuzigung, Bozen, Dominikanerkreuzgang, elfte Arkade 11. Friedrich Pacher, Rankenwerk, Bozen, Dominikanerkreuzgang, sechste Arkade 12. Friedrich Pacher und Gehilfen, Vertreibung Heliodors aus dem Tempel, Bozen, Dominikanerkreuzgang, siebte Arkade 13. Friedrich Pacher und Gehilfen, Bekehrung des Paulus, Altarfl端gel des Peter- und Paul-Altars, Jerusalem, Archaeological Museum

198

13


Schlüssel zum Verständnis der Entstehung dieser

Müller und Waider sind im ersten Jahrzehnt

Malereien liefern die ikonografischen Untersu-

des 16. Jahrhunderts tätig, und unter stilistischem

chungen, die Don Antonio Scattolin und Schwes-

Gesichtspunkt wenden sie sich, wenn auch mit

ter Grazia Papola zu diesem Zweck angestellt ha-

unterschiedlichen Akzenten, der süddeutschen

ben. Die absolute Kohärenz zwischen den Darstel-

Renaissance zu.

lungen in den Lünetten und den entsprechenden Gewölbekappen, der eindeutige Bezug auf die

Der Nordflügel des Kreuzgangs wurde dagegen niemals mit Wandmalereien versehen.

Biblia pauperum und den Speculum Humanae Sal-

Alle diese Bemerkungen laufen auf allge-

vationis, die gleichermaßen logische Szenenabfolge

meinere Überlegungen hinaus: Da der Wechsel

von der ersten Arkade an lassen die Vermutung

von stilistisch so verschiedenartigen Künstlern

aufkommen, dass das ikonografische Programm

nicht als zufällig angesehen werden kann, muss

von vornherein festgelegt war und den Stiftern

dies bedeuten, dass die gleichzeitige Präsenz von

auferlegt wurde: Ihnen blieb einzig die Wahl für

Spätgotik und Frührenaissance zur damaligen

eine bestimmte Szene und einen bestimmten, mit

Zeit als möglich und normal galt und dass die

der Ausführung zu betrauenden Künstler.

Kunststile (und die entsprechenden kulturellen

Mehr als mit der puren Chronologie ist gera-

Bezüge) aus zeitlich späterer Sicht wieder einmal36

de mit diesen Fakten die stilistische Uneinheitlich-

als aufeinanderfolgend und miteinander unver-

keit zu erklären, die dem Besucher des Kreuzgang

einbar angesehen werden – wodurch eine sehr viel

sofort ins Auge fällt, und die absolut anormale

komplexere und facettenreichere Realität verdeckt

Tatsache, dass die einzelnen Arkaden nicht nach-

und entstellt wird.

einander vom selben Künstler ausgemalt wurden.

Aber kommen wir zu Friedrich Pacher. Seine

Hier im Kreuzgang waren – von den ans Ta-

Tätigkeit im Bozner Kreuzgang ist bisher – sehen

geslicht gekommenen oder aufgedeckten Darstel-

wir von der sorgfältigen, aber bisher unveröffent-

lungen des 14. Jahrhunderts natürlich abgesehen

33

lichten Doktorarbeit von Alexandra Pan37 aus dem

– um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert

Jahr 1987 ab – niemals eingehend untersucht

mehrere, unter stilistischem Gesichtspunkt sehr

worden. Ja, eigentlich gibt es nicht einmal eine

verschiedenartige Künstler tätig: Von Friedrich Pa-

Friedrich-Pacher-Monografie – mit Ausnahme

cher und seiner Werkstatt werden – (mindestens)

auch in diesem Fall von der ebenfalls engagierten

von 1496 an und in noch spätgotischer Manier

Doktorarbeit von Elisabeth Herzig aus dem Jahr

– die erste, zweite, sechste, siebte und achte (21.)

197338, die ebenfalls nicht publiziert worden ist.

Arkade ausgemalt, während die elfte Arkade ein

Friedrich Pacher wird einzig und allein in

eigenständiges Werk eines engen Mitarbeiters von

Zusammenhang mit Michael Pacher39 untersucht;

Pacher ist, der als Barbarameister in die Geschichte

denn leider hatte er das Pech, den gleichen Fa-

eingegangen ist. Die Malereien der dritten Arka-

miliennamen zu tragen, obwohl er mit ihm (an-

de sind Sylvester Müller zu verdanken, der auch

scheinend) nicht einmal verwandt war, weshalb

im westlichen Flügel (13., 14. und 15. Arkade)

er wahrscheinlich dazu verdammt ist, für immer

tätig war: Da diese Malereien sehr schadhaft sind

in seinem Schatten zu stehen.

34

und dringend restauriert werden müssten, sind sie nicht zu beurteilen.

Natürlich wird Friedrich Pacher, der vom Ende der Sechzigerjahre40 bis 1481, als der Altar

Das Werk Maria übergibt Reginald von St. Gil-

von St. Wolfgang beendet wird, mit Michael Pa-

les das Skapulier an den Gewölbekappen der sechs-

cher zusammenarbeitet, stark von diesem Maler

ten Arkade wird von Rasmo mit einem gewissen

und Bildschnitzer beeinflusst, der zu den bedeu-

Vorbehalt dem Maler Conrad Waider zugeschrie-

tendsten europäischen Künstlern zu zählen ist.

ben, dem – wie wir noch sehen werden – meiner

Friedrich Pacher erreicht zwar nicht das überra-

Ansicht nach auch weitere Werke im Kreuzgang

gende Niveau seines Namensvetters, würde es aber

und in der Kirche attribuiert werden können.

verdienen, nicht mehr nur als „armer Verwandter“

35

199


angesehen zu werden; denn sein künstlerischer

tanzenden Putti in der zweiten Arkade46 (Abb. 6)

Werdegang ist eigenständiger, als man vermu-

– werden einzig als Ornamente eingesetzt.

ten möchte, und absolut logisch mit der Tiroler

Dennoch findet Friedrich Pacher zu Lö-

Malerei des zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts

sungen von großer formaler Eleganz– wie in der

verwoben, in der er eine erstrangige Rolle spielte41.

Gewölbekappe der sechsten Arkade, wo ein groß-

Als er um 1496 mit den Wandmalereien im

artiger, in prächtige Priestergewänder gekleideter

Dominikanerkreuzgang beauftragt wird, ist er ein

David auffällt (Abb. 7). Das Spruchband umflat-

angesehener Künstler, der seit etwa 15 Jahren eine

tert die die Figur umschließende Scheinrahmung:

eigene Werkstatt führt, großes gesellschaftliches

Die Darstellung besitzt zwar nicht das typisch

Renommee genießt und daher mit prestigeträch-

italienische Raumgefühl, dafür aber die schöp-

tigen öffentlichen Ämtern betraut wird .

ferische Energie und die Ausdruckskraft, wie sie

42

14

Möglicherweise hing auch seine Berufung

dem kulturellen Empfinden nördlich der Alpen

nach Bozen, wo er noch keinen „Markt“ hatte43,

zu eigen sind47. Ein weiteres, außergewöhnlich

mit der Wertschätzung Maximilians für diesen

gut gelungenes Beispiel ist die mit einer Inschrift

Künstler zusammen: Er gab ihm den Auftrag,

versehene Standarte in der Gewölbekappe der

nach einer Besichtigung vor Ort und der Abfas-

siebten Arkade, deren Enden sich verflechten und

sung eines mit einem Kostenvoranschlag versehe-

ein Bild von großem grafischem Reiz entstehen

nen Projekts, die Malereien von Burg Runkelstein

lassen (Abb. 8).

zu restaurieren .

Eben gerade diese in den Gewölbekappen

44

Friedrich Pacher macht sich im Bozner

wiedergegebenen Figuren zeugen mehr als andere

Kreuzgang an die Arbeit, als sich die direkten

von einer direkten Mitwirkung Friedrich Pachers,

Einflüsse, die sich aus der Zusammenarbeit mit

die auch und vor allem in der Einhornjagd der

Michael Pacher ergeben hatten, schon sehr abge-

ersten Arkade und in der Heimsuchung Mariä in

schwächt hatten. Man vergleiche zum Beispiel,

der zweiten Arkade zu erkennen ist.

um sich des Unterschieds bewusst zu werden, die

Zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt neigt

architektonische Umrahmung mit Figuren des

Friedrich Pacher dazu, immer stärker seine Werk-

Gleichnisses vom reichen Mann und armen Laza-

statt heranzuziehen, deren Mitarbeiter allmählich

rus (Abb. 4) im Kreuzgang von Neustift, das ante

einen eigenen Stil entwickeln. In den Lünetten der

1480 zu datieren ist, als er mit Michael auf das

sechsten Arkade zum Beispiel wird die Gruppe der

Engste in St. Wolfgang zusammenarbeitete , mit

Gelehrten in der Szene Jesus unter den Schriftge-

ähnlichen Lösungen in Bozen, in den Gewölbe-

lehrten (Abb. 9) spröde und schematisch und mit

kappen der ersten (Abb. 5), zweiten und siebten

unscharfen Linien wiedergegeben, wie sie auch in

Arkade: In Neustift ist die Farbe weich und nu-

der Lünette und den narrativen Gewölbekappen

anciert aufgetragen, die Antlitze sind rundlich,

der folgenden Arkade wiederkehren: Sie sind ty-

die gemalten Ädikula werden dank der wohl

pisch für einen Gehilfen Friedrichs, wahrschein-

durchdachten Helldunkel-Verwendung zu realen

lich den sogenannten Barbarameister (oder Kor-

Nischen, die die Figuren umschließen, die mit-

binianmeister), dessen Tätigkeit an Pachers Seite

einander verflochtenen Zweige bringen Räumlich-

von den Kunsthistorikern erkannt, untersucht

keit und Tiefe hervor. Das durch Michael Pacher

und ausführlich diskutiert worden ist48.

45

15

vermittelte Vorbild des italienischen Quattrocento

Ein früheres Beispiel dieser Zusammenar-

ist deutlich zu erkennen. In Bozen dagegen heben

beit, auf das offensichtlich die Bozner Fresken

sich platte Figuren von platten Nischenhinter-

zurückgreifen, ist die Gregoriusmesse in der Kirche

gründen ab, unter trockenen, schneidend schar-

St. Martin in Moos (Sankt Lorenzen) im Puster-

14. Meister E.S., Heimsuchung Mariä, Berlin, Kupferstichkabinett

fen Zweigen. Die italienische Renaissance ist fern,

tal49, während es sich bei der Kreuzigung50 in der

15. Meister E.S., Martyrium des heiligen Sebastian, Dresden, Kupferstichkabinett

fremd und wirkungslos, und die Verweise – wie

elften Arkade des Dominikanerkreuzgangs um

die an Mantegna erinnernden, auf einer Girlande

eine gänzlich eigenständige Arbeit dieses Künst-

200


lers handelt (Abb. 10). Er überspitzt die expressionistischen und karikaturistischen Aspekte, die schon dem Stil Friedrichs zu eigen sind, verhärtet die Anatomie der Gestalten zu geometrischen Formen und nimmt den Architekturen jegliche Funktion der Milieuschilderung zugunsten einer abstrakten Petrifizierung, die sie mechanischen Geräten ähnlich macht. Die Mitwirkung von Gehilfen steht außer Zweifel, vor allem bei den Malereien im Südflügel des Kreuzgangs, aber die Erfindung und Komposition der Szenen bleiben dem Meister vorbehalten. So ist in diesem Zusammenhang interessant zu bemerken, dass die Lünettenmalereien – mit Ausnahme der ersten Arkade – immer das gleiche kompositorische Schema zeigen, das offensichtlich großen Anklang gefunden hatte. In jeder Lünette folgen zwei Szenen aufeinander, die durch eine

16

Mittelsäule mit einem schönen Kapitell voneinander getrennt werden. Die davon ausgehenden Elemente täuschen Architekturen vor, während sie sich in Wirklichkeit zu fantasiereichen, immer neuen Ornamente formieren: zum fröhlichen Spiel der Putti (2. Arkade) (Abb. 6), zu einem Rankenwerk (6. Arkade) (Abb. 11) oder zu einer Abfolge von Spitzsäulen und Fialen (7. Arkade) (Papola/Scattolini, Abb. 7). Die einzelnen, jeweils seitlich der Säule wiedergegebenen Szenen sind in sich abgeschlossen und haben eine äußere Landschaft oder einen spätgotischen Innenraum51 zum Schauplatz, in letzterem Fall mit recht kraftloser perspektivischer Wirkung. Das ursprüngliche Beispiel der Doppelszene unter einer Architektur findet sich in einer der besten Arbeiten Friedrich Pachers: dem Mittelbild des Peter- und Paul-Altars (er hatte sich ursprünglich im Jöchlsthurn in Sterzing befunden, wird aber heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck aufbewahrt, während die Altarflügel bis nach Jerusalem gelangt sind52). Die Apostel stehen unter einem architektonisch kompliziert gestalteten hölzernen Baldachin, der von einer zentralen Säule ausgeht und die Komposition rhythmisch untergliedert. Dieses Schema geht seinerseits – wie die Kunsthistoriker schon nachgewiesen haben –

16. Simon von Taisten (?), Madonna und Heilige, Lovere, Franziskanerkloster

201


17

18

17. Simon von Taisten, Christophorus, Detail, Mitterolang, Pfarrkirche

202

18. Simon von Taisten (?), Maria Magdalena, Detail, Lovere, Franziskanerkloster


auf Michael Pachers Kirchenväteraltar53 zurück,

ne Neigung, die unterschiedlichsten Anregungen

bei allerdings erheblichen Unterschieden in der

aufzunehmen und manieristisch zu verwerten.

räumlichen Gestaltung.

Von grundlegender Bedeutung ist sein mas-

Das Modell der Doppelszene, das Friedrich

siver Rückgriff auf Kupferstiche, die wenige Jahr-

Pacher auf dem Sterzinger Gemälde sehr elegant

zehnte nach der Erfindung des Buchdrucks durch

ausführt, wird in Bozen einfallslos und schema-

Johannes Gutenberg bekanntlicherweise rasche,

tisch und in vereinfachter Form eingesetzt, um

erfolgreiche Verbreitung finden. Und bekannt ist

die an den Kreuzgangwänden wiedergegebenen

auch Friedrich Pachers Vorliebe für die Werke des

Szenen zu teilen, ihnen zugleich aber auch Kon-

Meisters E.S.56, eine der meistgenutzten Quellen

tinuität zu verleihen.

in der (nicht nur) deutschen Malerei des späten

Auch die Gemälde auf den Altarflügeln im

15. Jahrhunderts.

Jöchlsthurn, bei denen es sich – im Gegensatz zum

Um uns aber auf die Malereien im Kreuzgang

Mittelbild – offensichtlich und nachgewiesener-

zu beschränken: Vom Meister E.S. scheint Maria

weise um eine Werkstattarbeit handelt54, liefern

und das Einhorn (Dal Prà, Abb. 7) abzuhängen,

Ansätze zu den Bozner Malereien: Offensichtlich

deren Haltung mit Samson und Dalila in Mün-

ist zum Beispiel die Herleitung des gerüsteten

chen57 verglichen werden kann, noch mehr aber

Ritters auf dem sich aufbäumenden Pferd, der

die Heimsuchung Mariä aus dem Berliner Kup-

Heliodor aus dem Tempel vertreibt (7. Arkade)

ferstichkabinett58 (Abb. 14), auf der Elisabeth

(Abb. 12), vom reitenden Soldaten in der Bekeh-

die Jungfrau Maria in der gleichen Haltung mit

rung des Paulus auf einem der Flügel des Brixner

vorgeneigtem Oberkörper wie auf dem Bozner

Altars (Abb. 13). Und darüber hinaus kann man

Fresko (Papola/Scattolini, Abb. 2) begrüßt. Viele

in diesen zwei Werken auch noch viele andere

andere Figuren und Details auch in der Landschaft

Bezüge finden, zum Beispiel in den Antlitzen und

finden zwar keine unmittelbare Entsprechung in

der Haltung der Figuren .

den Kupferstichen, scheinen aber doch indirekte,

55

Alle diese Elemente sprechen dafür, dass im

vielleicht durch Werke anderer Künstler vermit-

Bozner Kreuzgang eine Werkstatt an der Arbeit

telte Umbearbeitungen zu sein: eine Art künst-

war, die nunmehr mit der Verwendung der vom

lerischer Staffellauf.

Meister ausgearbeiteten Modelle vertraut war, ja

Direkt vom Meister E.S. ist dagegen das

bei deren Anwendung sogar eine gewisse Routine

Martyrium des heiligen Sebastian in der Lünet-

an den Tag legt.

tenrahmung der zweiten Arkade übernommen:

Michael Pacher ist – wie wir schon gesehen

links der Bogenschütze und rechts der Heilige,

haben – zu diesem Zeitpunkt für Friedrich Pacher

als handelte es sich um steinerne Statuen. Der

nur noch eine schwache Erinnerung. Er scheint

Kupferstecher fertigt zu diesem Thema mehrere

sogar mit einer gewissen Erleichterung aufzu-

Blätter an59, unter denen besonders die Dresdner

nehmen, dass er sich nicht mehr um die lästigen

Fassung60 (Abb. 15) als Vorbild der Pacherschen

Renaissance-Perspektive-Probleme zu kümmern

Darstellung angesehen werden kann.

braucht, die er immer nur erduldet und schlecht

Friedrich Pacher bezieht sich aber nicht nur

verdaut hatte. Aber auf welche künstlerischen und

auf den Meister E.S., sondern in den Architektu-

kulturellen Vorbilder greift Friedrich Pacher nun

ren auch auf Wenzel von Olmütz61 oder auf Mar-

tatsächlich zurück?

tin Schongauer, an dessen berühmten und vielfach

Diese Frage ist äußerst komplex und würde

nachgeahmten Kupferstich Die große Kreuztragung

es verdienen, im Rahmen des Pacherschen Werks

der Kreuztragende Christus in der Nikolauskirche

systematisch behandelt zu werden – was über die

in Aicha erinnert, und viele andere, ähnliche Bei-

Grenzen dieser unserer Arbeit hinausgeht.

spiele könnten noch im Pacherschen Werk ausge-

Zweifellos ist aber die eklektische Veranla-

macht und bei einer entsprechend zielgerichteten

gung Friedrich Pachers zu unterstreichen und sei-

Untersuchung nachgewiesen werden: Von diesem

19

20

19. Leonhard von Brixen, Jesus unter den Schriftgelehrten, Brixen, Kreuzgang 20. Friedrich Pacher und Gehilfen, Jesus unter den Schriftgelehrten, Detail, Bozen, Dominikanerkreuzgang, sechste Arkade

203


Substrat an Zusammenhängen werden nicht nur die Ikonografie und die Komposition beeinflusst, sondern auch der Stil Friedrich Pachers und die diesbezügliche Interpretation seitens der Kunsthistoriker. Einhelligkeit herrscht unter den Gelehrten vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass – vor allem von den Achtzigerjahren des 15. Jahrhunderts an – eine Beziehung zwischen Friedrich Pacher und der zeitgenössischen Ferrareser Malerei zu beobachten ist. Cosmè Tura und Francesco Cossa wurden herangezogen, der Malereizyklus im Palazzo Schifanoia kam ins Gespräch62. Meiner Ansicht nach aber ist die Beziehung zum Ferrareser Ambiente bisher übertrieben worden, und gewisse Ähnlichkeiten und scheinbare Parallelismen können auch damit erklärt werden, dass in Ferrara die gleichen Kupferstiche wie in Tirol in Umlauf waren. Der gemeinsame Bezug auf diese Vorbilder und die besondere Empfänglichkeit des Este-Hofes der mitteleuropäischen Kunst gegenüber reichen vielleicht aus, um eine Erklärung für die scheinbar gleichartigen Elemente zu finden. Sehr viel bedeutungsvoller als Ferrara ist – für 21

Friedrich Pachers Kunsttheorie – meiner Meinung nach das venezianische Ambiente, das von den Kunstkritikern auch schon häufig auf den Plan gerufen worden ist. Zu der Vermutung, dass Pacher sich in der Lagunenstadt aufgehalten haben könnte, gibt nicht nur die Tatsache Anlass, dass in seinen Werken für Venedig typische ornamentale Preziosismen zu finden sind (ein Beispiel für alle: der Katharinenaltar in Neustift, dessen unermüdlicher Dekorativismus an den Brokaten der Gewänder nolens volens an Carlo Crivelli denken lässt), sondern auch, dass Werke von Friedrich Pacher tatsächlich in Venedig nachgewiesen werden. Ein Beispiel dafür ist der dreiteilige Dreifaltigkeitsaltar, der sich in der Pacully-Sammlung befunden hatte, aber den Unterlagen nach in Venedig erworben worden war; er kam 1912 ins Kunsthistorische Museum in Wien und wird heute im Unteren

21. Conrad Waider, Maria übergibt Reginald von St. Gilles das Skapulier, Bozen, Dominikanerkreuzgang, sechste Arkade

204

Belvedere ausgestellt63. Es handelt sich um ein Tafelbild, das durch einen geschnitzten Rahmen


gemäß der Typologie der „italienischen“ Tripty-

lerischen Austausch gepflegt hat. Und das nicht

chen in drei Teile geteilt wird; auf dem Mittel-

notwendigerweise nur in einer Richtung.

bild befindet sich eine Gnadelstuhl-Darstellung,

Schließlich wäre noch ein Blick nach Westen

seitlich die Figuren der Heiligen Markus und

zu werfen, gegen die Lombardei hin. Giorgio Bon-

Antonius Abt. Ebenfalls aus Venedig, und zwar

santi hatte Foppa und Bergognone als bedeutende

aus dem abgerissenen Kloster Santa Lucia, stam-

Quellen für die Kultur Michael Pachers hingestellt

men die vier Tiroler Altarflügel im Museo di Cas-

und von zwei möglichen Aufenthalten des Künst-

telvecchio in Verona; für zwei dieser Flügel (der

lers in der Lombardei gesprochen: einmal um die

eine mit dem hl. Bartholomäus, der andere mit

Mitte der Siebzigerjahre des 15. Jahrhundert, ein

dem hl. Thaddäus) haben wir Berührungen mit

zweites Mal etwa zehn Jahre später67. Die lombar-

dem Umkreis von Friedrich Pacher nachweisen

dische „Spur“, die von der Michael-Pacher-Kritik

können . Das Zuschreibungsproblem mag noch

wenig berücksichtig wird, ist meiner Ansicht

nicht ganz gelöst sein – aber die sichere Herkunft

nach noch relevanter für Friedrich Pacher68. Die

der Tafelbilder aus einem bedeutenden Kloster der

Bauhütte der Certosa di Pavia, wo in den letzten

Serenissima könnte doch ein Indiz für Friedrich

Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts stark expressiv

Pachers Anwesenheit in der Lagunenstadt sein, in

geprägte Bildhauer wie Amadeo und Mantegazza

der er – wie gesagt – Anregungen und Impulse

am Werk waren, oder aber der räumliche Illusio-

für sein Schaffen finden konnte.

nismus und die entschieden expressionistischen

64

22

Ich setze als bekannt voraus, dass unter den

Lösungen, zu denen Butinone um die Neunziger-

zahlreichen und vielfältigen Quellen Pachers auch

jahre in der Cappella Grifi der Kirche San Pietro in

die zeitgenössische Paduaner Malerei – unmittel-

Gessato in Mailand fand, könnten dem Künstler –

bar und/oder durch Vermittlung Michael Pachers

der an sich schon derartige Tendenzen an den Tag

– eine gewisse Rolle spielte und dass die kühnen

legte – noch weitere Anstöße gegeben haben. Im

perspektivischen Verkürzungen, die Mantegna so

Übrigen begaben sich viele Tiroler Kaufleute und

meisterhaft in die Christophoruslegende in der Cap-

Künstler in die Lombardei. Ein Beweis für ihre

pella Ovetari eingefügt hat, von Friedrich Pacher

Präsenz sind die im lombardischen Alpenraum viel

ausgiebig zitiert wurden, und zwar mehr in einer

verbreiteten Flügelaltäre und – was unsere The-

virtuosistischen als einer räumlichen Interpreta-

menstellung betrifft – die Freskenausmalung einer

tion. Ich meine aber, dass das Veroneser Ambi-

Kapelle beim Franziskanerkloster von Lovere am

ente der letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts,

Lago d’Iseo69. An den Wänden und am Gewölbe

wo man seit 1459 dem San-Zeno-Gemälde von

der Kapelle, die außerhalb des Klosters auf dem

Mantegna Rechnung tragen musste, besonders

San-Maurizio-Hügel liegt, findet sich eine große,

berücksichtigt werden muss. Da sind Figuren

komplexe Darstellung der von Engeln gekrönten

wie Liberale da Verona, Domenico Morone oder

und umgebenen Thronenden Madonna mit Kind,

der Schöpfer der Fresken der Lavagnoli-Kapelle

die auf der einen Seite vom heiligen Petrus und der

in Sant’Anastasia65 (1486), die von Francesca Ro-

heiligen Katharina flankiert wird, auf der anderen

si als „hybride Mischung aus Vorbildern unter-

vom heiligen Paulus und die heiligen Magdalena,

schiedlicher Zeiten und Genres, die in hölzerne

während Gottvater und die Heiliggeisttaube oben

Formen übertragen werden, und Figuren starker

die Szene beschließen70 (Abb. 16). Die 1493 da-

und karikaturistischer, bisweilen ins Groteske

tierten Fresken sind ein perfektes Kompendium

getriebener Expressivität“66 beschrieben werden

eifrigster Pacher-Zitate (mehr von Michael als von

– mit Worten, die auch auf die Fresken im Do-

Friedrich). Und da ist alles, was die Betrachter

minikanerkreuzgang zutreffen würden. So findet

beeindrucken konnte: Preziosismen in den fein

sich hier ein interessanter kultureller Parallelismus

verzierten Gewändern, glänzendes Gold für die

zu der am Ausgang des Etschtals gelegenen Stadt,

Aureolen und die Kleidersäume, leuchtende Far-

22. Conrad Waider, Martyrium des heiligen Sebastian, Sarnthein, St. Cyprian

die mit Bozen und Umgebung von jeher künst-

ben, die fürsorgliche Zärtlichkeit der Mutter für

23. Conrad Waider, Apostel, Sarnthein, St. Cyprian

23

205


24

24. Sylvester M端ller, Katharinenlegende, Bozen, Dominikanerkloster, Katharinenkapelle

206

25. Sylvester M端ller, Mystische Hochzeit der heiligen Katharina, Bozen, Stadtmuseum

25


das ihr zulächelnde Kind, die Szene belebende Ne-

umfangreiche Werkstatt führt, ist der Verkünder

benfiguren wie die Engel und die musizierenden

einer Malerei, in der sich Anklänge an die inter-

Putti… Der Künstler ist offensichtlich bemüht,

nationale Gotik und der neue Realismus vermi-

expressionistische Züge und Verzerrungen abzu-

schen, und das alles im schönsten narrativen Stil,

schwächen und die kulturellen Topoi aus dem

der dem breiten Publikumsgeschmack entgegen-

Weg zu räumen, die dem Betrachter unerwünscht,

kommt und sich vorzüglich zur Ausschmückung

vor allem aber unverständlich erscheinen konnten.

eines Kreuzgangs eignet.

Bei den Evangelisten zum Beispiel, die in die ar-

Friedrich Pacher, der eines der bedeutungs-

chitektonische Umrahmung der Szene eingefügt

vollsten Baudenkmäler des Landes natürlich nicht

sind, handelt es sich nicht – wie bei den Pacher-

ignorieren konnte, übernahm die Untergliederung

schen Prototypen – um Scheinstatuen, Marmor

der Malereien in den Gewölbekappen des Domi-

im Marmor, sondern sie werden zu realistischen

nikanerklosters – oben der figurativ-narrative Teil,

Gestalten, bestehen aus dem gleichen „Stoff“ und

darunter die begleitende Inschrift, die sich in der

haben die gleiche Konsistenz wie die anderen Fi-

Ecke der Kappe zusammendrängt – getreu von der

guren der Darstellung.

gleichen Aufteilung, die Leonhard den Arkaden

Diese Pachersche „Vulgata“ verweist auf Si-

des Brixner Kreuzgangs gegeben hatte (2., 3., 5.

mon von Taisten , in dessen Werk viele ähnliche

und 14. Arkade)74. Aber von Leonhard entlehnt

Elemente wie in Lovere auftreten: die rundlichen

er auch die häufige Verwendung der flatternden

Köpfe, die großen Augen mit den aufgedunsenen

Spruchbänder, die die Figuren begleiten und die

Augenlidern, die kleinen, fleischigen Lippen, die

belehrende Funktion des künstlerischen Schaffens

langfingrigen Hände, die gebrochenen Stofffal-

unterstreichen, während der von Leonhard im

ten und die verführerischen Gesichtsausdrücke,

Jahr 1464 gemalte Jesus unter den Schriftgelehrten

aber auch äußere Elemente, wie die Linie, die

in der 14. Arkade in Brixen (Abb. 19) als direk-

die Konturen der Figuren umreißt und auf sei-

ter Vorläufer der gleichen Szene in der sechsten

ne Lehrzeit bei Leonhard von Brixen, seinem

Arkade der Bozner Dominikaner (Abb. 20) an-

ersten Meister, verweisen. Nur ein Vorbehalt:

gesehen werden kann.

71

Simon von Taisten gelingen fast niemals Werke

Vom Brixner Kreuzgang gingen wahrschein-

von so hohem künstlerischem Niveau, vielleicht

lich auch noch weitere Anregungen aus, ange-

mit Ausnahme der Christophorusfiguren im

fangen bei der großartigen Malerei der vierten

Pustertal (vor allem in Sorafurcia aus dem Jahr

Arkade, deren Schöpfer – seinerzeit als Hans von

1489 und in Mitterolang)72, die bestens mit den

Bruneck identifiziert – jetzt von Leo Andergassen

Malereien in Lovere verglichen werden können

wieder der Anonymität zurückerstattet wird75.

(Abb. 17–18).

Die Gewölbemedaillons mit den Kirchenvätern

73

Nach diesem Exkurs über die Bezüge, die

aus dem Jahr 1417 sind in diesem Fall der Aus-

meiner Ansicht nach Friedrich Pachers Œuvre

gangspunkt eines langen Wegs, der das ganze Jahr-

bereichern, muss aber unterstrichen werden, dass

hundert fortdauert und mit den Prophetenbüsten

Pacher weder ein „italienischer“ Künstler noch

bei den Dominikanern ihren Abschluss findet.

ein Renaissancekünstler ist. Alle Beeinflussungen

Friedrich Pacher stellt demnach in der Ent-

und Suggestionen werden von ihm in einen sti-

wicklung der einheimischen Kunst in der zwei-

listischen und kulturellen Rahmen gespannt, der

ten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine bedeutende

fest mit der Südtiroler Malerei der zweiten Hälfte

Etappe dar. Er steht in dialektischem Verhältnis

des 15. Jahrhunderts verknüpft bleibt, angefan-

zu den namhaftesten künstlerischen Vertretern

gen beim „großen Meister“ Leonhard von Brixen.

dieser Zeit und spielt als Inspirator und Vorbild

Leonhard, der in Brixen – wo er in Urkun-

eine große Rolle: Simon von Taisten kopiert Fried-

den zwischen 1445 und 1473 erwähnt wird – eine

rich Pachers Arbeiten oft bis ins kleinste Detail

große und einträgliche, vielleicht ein wenig allzu

(ein Beispiel für alle: der Kreuztragende Christus in

26

26. Sylvester Müller, Heilige Sippe, Bozen, Dominikanerkreuzgang, dritte Arkade

207


Niederdorf ist getreu von dem in Aicha übernom-

Michael-Pacher-Altars in Gries) als auch Fresken,

men). In Pachers Werkstatt erfährt Marx Reich-

die stilistisch nicht immer einheitlich sind81.

lich, der wahre „Fährmann“ der Tiroler Kunst in die Renaissance, seine Ausbildung.

wundersame Heilung dar, nachdem die ihm er-

auch der unbekannte Künstler der Malereien an

schienene Gottesmutter ihm das Skapulier des Or-

den Schlusssteinen im Kirchenschiff76, von de-

densgewands der Dominikaner übergeben hatte

nen nach den im Zweiten Weltkrieg verursachten

– werden von Scheinrahmungen eingeschlossen,

Bombenschäden heute nur noch die Darstellung

die sich gegen eine kaum erkennbare, da von zwei

einer Heiligen des Dominikanerordens (hl. Rosa?)

langen Spruchbändern verdeckte Landschaft auf-

(Stampfer, Abb. 21) lesbar ist.

tun (rechts ist ein rotes Gebäude zu erkennen)82.

Friedrich Pachers Malereien im Dominika-

Diese Malereien können zweifellos Conrad Wai-

nerkreuzgang reihen sich – wie schon gesagt –

der zugeschrieben werden. Eine besonders enge

nicht bruchlos aneinander. Die Mönche hatten

Beziehung besteht zu den Fresken von St. Cyprian

zwar das ikonografische Programm festgelegt,

in Sarnthein (1492) (Abb. 22), die die gleichen

konnten es aber nicht sofort auch verwirklichen

architektonischen Umrahmungen mit Ranken-

lassen: Sie mussten wahrscheinlich erst auf die

werk aufweisen, das nicht plastisch wiedergegeben

Finanzierung durch die verschiedenen Stifter

wird, sondern durch die grafische Wirkung eines

warten, die dann ganz nach eigenem Belieben das

schmalen schwarzen Schattens, sowie zu den um

ikonografische Thema und die Stelle im Kreuz-

1500 entstandenen Wandmalereien in San Mau-

gang bestimmten.

ro (Baselga di Piné), die von ähnlich gestalteten

Unter den an der Ausschmückung des Kreuz-

gekehlten Medaillons umschlossen werden. Auch

gangs mitwirkenden Künstlern zitieren die Kunst-

die Malereien in der Pfarrkirche von Castelnuovo

historiker Sylvester Müller (oder Miller), auf den

im Valsugana stehen den Fresken im Dominika-

wir noch ausführlicher zu sprechen kommen, und

nerkreuzgang sehr nahe.

fast nebenbei Conrad Waider, dem die Darstel-

Diese Vergleiche überzeugen auch angesichts

lung Maria übergibt Reginald von St. Gilles das

der gleichartigen Darstellung der Figuren, die

Skapulier (Abb. 21) über dem Eingangsportal

mehr grafisch als plastisch wiedergegeben werden,

zur Johanneskapelle in der sechsten Arkade zu-

mit starrer, wie eingefrorener Haltung und stereo-

geschrieben wird. Die Zuordnung an Waider und

typen Gesten, und dahin tendieren, die steinerne

die Datierung auf die Zeit um 1500 sind Nicolò

Umrahmung zu überborden, ohne dass es dadurch

Rasmo zu verdanken, der den Künstler schon im

auch nur zur geringsten Tiefenwirkung käme. Zu

Jahr 1953 ausmacht78, den Namen aber erst sehr

einem gewissenhaften Vergleich mit dem seligen

viel später anführt , während er es in seiner dem

Reginald im Kreuzgang bietet sich dagegen der

Kreuzgang gewidmeten Publikation aus dem Jahr

dritte Apostel rechts (Abb. 23) auf dem Jüngsten

195380 vorzieht, von einem pittore nordico allge-

Gericht in Sarnthein an.

79

mein zu sprechen.

27. Hans von Judenburg (zugeschrieben), Schmerzensmann, Missian, Kirche St. Apollonia

208

de – sie stellen den seligen Reginald und seine

Dem Pacher-Kreis entstammt schließlich

77

27

Die zwei Medaillons in der sechsten Arka-

Wenn man sich Waiders Werke weiter ver-

Der aus dem niederbayerischen Städtchen

gegenwärtigt und sich die im Kreuzgang erhalte-

Straubing gebürtige Conrad Waider wird in Bo-

nen Malereien vor Augen hält, wird man sich mit

zen zweimal bezeugt: 1491 als Autor der Archi-

einer gewissen Überraschung bewusst, dass sich

tekturmalereien an den Laibungen der Arkaden

dieser Künstler sicher nicht nur auf die begrenz-

des alten Rathauses unter den Lauben und dann

te Fläche über dem Eingang zur Johanneskapelle

im Jahr 1517, als er im Heilig-Geist-Spital stirbt.

beschränkt hatte. Mit Sicherheit sind ihm die

In der Stadt Bozen, in Südtirol und im Trentino

Wappen an den Gewölben der sechsten, siebten,

werden ihm mehrere Werke zugeschrieben, so-

achten und elften Arkade des Südflügels zuzu-

wohl Tafelbilder (in erster Linie die Rückseite des

schreiben (das der neunten Arkade ist übertüncht)


und wahrscheinlich auch die nunmehr nur noch

de des Gerichtshauses mit einer Thronenden Ma-

Malschicht ist arg mitgenommen88, und außerdem

schattenhaft erhaltenen Malereien in den Lünet-

donna und einem Christophorus. Angesichts der

interferieren sie auch stark mit den aufgedeckten

ten der vierten, neunten und zehnten Arkade

hier verwendeten Palette, in der Rot, Gelb und

Trecento-Malereien, die sehr viel besser erhalten

sowie in der zwölften Arkade, einschließlich der

Grün vorherrschen, des Faltenwurfs des heiligen

und lesbar sind.

Dekoration der Gewölbekappen (wie auch in der

Riesen und der Form des Astes, an den er sich

Der im 16. Jahrhundert geschaffene Malerei-

fünften Arkade) mit Figuren in architektonischen

lehnt, wage ich die Vermutung auszusprechen,

zyklus entwickelt sich in zwei Registern: Die drei

Umrahmungen. Diese Rahmungen, die sehr viel

dass Waider auch den Christophorus an der In-

oberen Lünetten bekamen durch die Gewölbe,

massiver sind als die Rahmen der Medaillons mit

nenfassade der Dominikanerkirche geschaffen hat,

von denen die Darstellungen konkret umschlos-

der Madonna und dem seligen Reginald, sind

von dem nur der mittlere Teil erhalten ist. Die

sen wurden, Rhythmus und Vollendetheit, das

charakteristisch für Conrad Waiders Schaffen und

Heiligenfigur wurde sicherlich nach dem Einzug

untere Register dagegen war in zwei Einzelszenen

in seinem Werk häufig anzutreffen, angefangen

des Gewölbes gemalt, als „Ersatz“ für den Chris-

konzipiert, die durch gemalte Säulen voneinander

bei denen an den gotischen Spitzbogen des alten

tophorus, den Guariento und seine Werkstatt im

getrennt wurden. Zwei dieser Scheinsäulen fun-

Bozner Rathauses, bei denen es sich – wie schon

14. Jahrhundert geschaffen hatten und der sich

gierten ursprünglich als vorgetäuschte Stütze für

gesagt – nachgewiesenerweise um Arbeiten des

im linken Seitenschiff befunden hatte, an der Fas-

die wahre Gewölbestruktur.

schwäbischen Künstlers handelt. Die allgemeine

sade der Nikolauskapelle83. Rein zur Information

Der Zyklus erzählt das Leben der heiligen

Anlage der Szenen und der einzelnen Figuren in

möchte ich schließlich darauf hinweisen, dass es

Katharina: in den Lünetten, von links nach rechts,

den Kreuzganglünetten kann zum Beispiel mit

im rechten Kirchenschiff auch ein Abendmahl

die Bekehrung der Heiligen, die Mystische Hochzeit

den im Jahr 1497 geschaffenen Malereien in der

aus dem 16. Jahrhundert gegeben hatte, das so

und der Disput vor dem Kaiser; darunter Disput und

Pfarrkirche von Burgeis verglichen werden. Ange-

verdorben und fragmentarisch war, dass man es

Bekehrung der Philosophen, der Feuertod der Philoso-

sichts des miserablen Erhaltungszustands des Do-

bei der letzten Restaurierung (2008) vorgezogen

phen, Die heilige Katharina wird im Kerker von der

minikanerkreuzgangs können diese Zuschreibun-

hat, es zu verdecken.

Königin besucht, die Tötung der Königin, die Rad-

gen, da keine Analysen der Ausführungstechniken

Aber kehren wir zu Sylvester Müller zurück,

marter und die Enthauptung der Heiligen (Abb. 24).

vorliegen, die objektivere Vergleiche ermöglichen

der 1480 zur Welt kommt und 1519 stirbt84.

Die Kompositionen sind – soweit dies noch

würden, nur als Hypothesen angesehen werden.

In Bozen frequentiert er einen humanistischen

zu erkennen ist – von Müller so konzipiert wor-

Conrad Waider ist meiner Meinung nach

Kreis , dessen theoretische Forderungen er in die

den, dass sie einen perspektivischen Raum vor-

aber doch einer der Protagonisten der Dekora-

Malerei umsetzt. In der Tat stehen seine Werke

täuschen: durch die schräge Stellung von Fi-

tion des Kreuzgangs, wo er wenige Jahre nach

nunmehr ganz im Zeichen der Renaissance, sind

guren, Gegenständen, Architekturen und auch

Friedrich Pacher tätig ist. Mit diesem Künstler

Träger von völlig neuen Formen und Gehalten.

Landschaften, die auf der Bildmitte – wie es die

verbindet ihn der Bezug auf gemeinsame Vorbil-

Ein klares, anschauliches Beispiel hierfür ist das

Renaissance vorschrieb – in einem Fluchtpunkt

der, wie auf den allgegenwärtigen Meister E.S.

Tafelbild in der Kirche St. Konstantin in Völs,

zusammenlaufen. Das gleiche Konzept wird auch

Von einem Kupferstich dieses Künstlers ist das

eine seiner bekanntesten Arbeiten86. In diesem

bei der Gestaltung der Gewänder und der Archi-

dezent-zartfühlende Spiel der Hände entliehen,

1519 datierten St. Konstantin mit Heiligen ver-

tektur der Gebäude angewandt.

das Friedrich Pacher in der Begegnung von Maria

zichtet er auf das übliche Nebeneinander der Al-

Aus der Katharinenkapelle stammt wahr-

und Elisabeth in der zweiten Arkade anwendet:

tarflügel zugunsten einer perspektivischen Kom-

scheinlich auch das Tafelbild mit der Mystischen

die Madonna, die ihre linke Hand auf Elisabeths

position, in der Ornamente und Kleidungen im

Hochzeit der heiligen Katharina (Abb. 25), das

Schulter legt, der Händedruck zwischen den

Renaissancestil zur Geltung kommen. Ähnliche

während des Zweiten Weltkriegs nach Österreich

beiden und Elisabeths Linke auf Marias Leib.

Merkmale weisen die Malereien in der Kathari-

gekommen war, dann aber auf Verwendung von

Conrad Waider hatte diese Motive auf einem Al-

nenkapelle unseres Kreuzgangs auf, die Müller

Nicolò Rasmo vom Südtiroler Landesrat für das

tarflügel in Gries verarbeitet, und darüber hinaus

zugeschrieben werden.

Stadtmuseum zurückerworben werden konnte89.

85

tritt der heilige Sebastian mit gekreuzten Beinen,

Die von Sylvester Müller im ersten Jahrzehnt

Das über der linken Säule signierte und datierte

der ebenfalls beim Meister E.S. entlehnt und von

des 16. Jahrhunderts ausgeführten Malereien be-

Gemälde (Silvester Miller pinxit MDXI) wurde

Friedrich in die Umrahmung derselben Szene

treffen nur die Westwand, sind heute allerdings

von der Familie Fuchs von Fuchsberg in Auftrag

eingefügt worden ist, auch am Gewölbe von St.

stark beschädigt: Ihnen fehlen die Gewölbe, von

gegeben. Paul von Liechtenstein ist, wie wir schon

Cyprian in Sarnthein auf, das Waider um 1492

denen sie dem ursprünglichen Entwurf nach ein-

gesehen haben, der bedeutende Stifter der Heiligen

mit Malereien ausgeschmückt hat.

geschlossen wurden , die größtenteils a secco auf-

Sippe (Abb. 26), die Müller in der dritten Arkade

getragene und außerdem unsachgemäß gereinigte

des Kreuzgangs malte: ein weiterer Beweis für die

In Sarnthein versieht Waider auch die Fassa-

87

209


Beliebtheit und das Ansehen, das Sylvester Müller beim einheimischen Adel genoss90. Die wahrscheinliche Herkunft des Müllerschen Tafelbildes aus der Katharinenkapelle gibt uns Anlass zu einigen Bemerkungen über die Einrichtung von Kirche und Kloster im 15. und 16. Jahrhundert, über die nichts bekannt ist, da sie möglicherweise schon bei den Umbauten im 17. Jahrhundert entfernt wurde. Kein Flügelaltar und kein Hinweis auf derartige Werke kann mit Sicherheit mit dem Bozner Dominikanerkomplex in Verbindung gebracht werden, und auch das bei der Klosteraufhebung abgefasste Inventar erlaubt keine Rückschlüsse. Doch da gibt es eine Ausnahme: Es handelt sich um den Schmerzensmann in der Kirche St. Zeno und Apollonia in Missian (Abb. 27), eine elegante Arbeit des weichen Stils, die aber leider übermalt und auf einem unechten Sockel angebracht worden ist. Nicolò Rasmo schreibt sie Hans von Judenburg zu, datiert sie demgemäß auf die Zeit um 1420 und führt an, dass sie aus der Dominikanerkirche in Bozen kommt91 – wofür ich aber keinen Nachweis finden konnte. Nichts spricht gegen eine Herkunft aus dem Dominikanerkomplex – weder der Bildinhalt des Schmerzensmanns, der auf Malereien in der Kirche und im Kreuzgang mehrmals anzutreffen ist92, noch die hier gegebene ikonografische Variante mit typischen Elementen der italienischen Stiltradition (das Brustbildnis mit vor dem Leib gekreuzten Händen, um die von den Nägeln verursachten Wunden sichtbar zu machen), die hier mit der Darstellung des lebendigen Christus, eben des Schmerzensmanns aus dem deutschsprachigen Raum, verknüpft wird. Dass es sich um einen Vir dolorum handelt und nicht um einen Ecce Homo – wie auf der vergoldeten Sockelinschrift angegeben –, wird auch durch die Stichwunde an den Rippen bezeugt, die trotz der hässlichen Übermalung noch zu erkennen ist93.

210

1 In diesem meinem Beitrag gehe ich nicht auf die Malereien aus den ersten zwei Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts ein, da sie – als logische Fortsetzung der Malerei des späten 14. Jahrhunderts – von Tiziana Franco in ihrer in dieser Publikation veröffentlichten Untersuchung behandelt werden. Für die Abbildungen der Fresken im Kreuzgang verweisen wir auf den Beitrag von Papola/Scattolini in der vorliegenden Publikation. 2 Atz 1903, S. 346–347. 3 Atz 1909, S. 716. 4 Er wird oben von einer Marienkrönung beschlossen, die heute nur mehr schlecht lesbar ist, aber von Weingartner 1951, S. 35 angeführt wurde. 5 Rasmo 1941, S. 372. Neben dem Marientod befanden sich ein Stifter, wahrscheinlich ein Dominikanermönch, und ein Wappen, das von Rasmo beschrieben, aber keiner Familie zugeordnet wird. 6 Zu den Begräbnisstätten von Laienpersonen in den Dominikanerkirchen und -kreuzgängen siehe auch die Beiträge von Tiziana Franco und Alberto Alberti in der vorliegenden Publikation. 7 Rasmo 1941, S. 372. 8 Hallegger 1983, S. 322. 9 Stampfer o.D., aber 1998, S. 76–77. 10 Atz 1903, S. 347. Morassi 1934, S. 193 erwähnt einen hl. Martin links der Eingangstür. 11 Ich entnehme die Beschreibung dem detaillierten Restaurierungsbericht von Adriano Salvoni, dem ich hier danke. 12 Zur Baugeschichte der Kirche vgl. den Beitrag von Helmut Stampfer in der vorliegenden Publikation. 13 Wolkenstein 1936, S. 166. Es handelt sich um die Lünette mit den Szenen Jesus unter den Schriftgelehrten und Taufe Christi. 14 Schönherr 1884, II, S. V. 15 Die Urkunde befindet sich im Archiv des Bozner Dominikanerklosters (1792-1824), das im Südtiroler Landesarchiv aufbewahrt wird und von Harald Toniatti – dem ich an dieser Stelle danke – wissenschaftlich aufgearbeitet worden ist. 16 Vgl. den Beitrag von Laura Dal Prà in der vorliegenden Publikation. 17 Köfler 1985, S. 508. Zu Gaudenz Botsch siehe auch den Beitrag von Laura Dal Prà in der vorliegenden Publikation. 18 Das Gemälde stellt – im Sinne der Legenda Aurea– die hl. Anna mit ihren drei Ehemännern, ihren Töchtern und ihren Neffen dar, also Jesus’ Cousins. Diese Darstellung war besonders in den deutschsprachigen Ländern des 15. und 16. Jahrhunderts verbreitet, und obwohl sie vom Konzil von Trient verboten wurde, behielt sie beim Volk ihre Beliebtheit bei. 19 Rasmo (1953, S. 8) führt an, dass Paul von Liechtensteins Sohn Christoph Philipp 1508 und in den darauf folgenden Jahren an den Feldzügen Kaiser Maximilians gegen Venedig teilnahm und in Pieve di Cadore gefangen genommen wurde. Die Venezianer verlangten für seine Freilassung ein Lösegeld von 10.000 Gulden. Diese Notiz könnte zu der Vermutung Anlass geben, dass die Malerei vor 1508 ausgeführt, die Figur des Sohns aber erst – fast als Exvoto – zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt wurde. 20 „In der nähe der obigen Trappischen Steins ist der Liechtensteinische Sarch mit Liechtenstein-, und Schrofensteinischen Wappen“. Nachricht bei Resch. Transkription von N. Rasmo (FRZ, R73, Mappe 13). 21 Mura 2007. 22 „Wir haben vnserm getrewen Paulsen von Liechtenstein bevolen, unns das helldenpuch an der Etsch ausschreiben zu lassen“. Mura 2007, S. 14.

Andergassen 2007, S. 43. Wolkenstein 1936, S. 166. 25 Rasmo 1941. Vgl. auch den Beitrag von Helmut Stampfer in der vorliegenden Publikation. 26 Guarnieri/Rasmo 1958, S. 66. 27 Die Grabplatte befindet sich im Bozner Stadtmuseum. 28 Vgl. Rasmo 1948b. 29 Wolkenstein 1936, S. 166. Es befindet sich jetzt in der Johanneskapelle. 30 „Ihr Töchter Jerusalems, kommt heraus / und schaut, ihr Töchter Zions, / König Salomo mit der Krone! / Damit hat ihn seine Mutter gekrönt / am Tage seiner Hochzeit, / an dem Tag seiner Herzensfreude.“ 31 Den Geschehnissen um Maximilians Kaiserkrönung war anlässlich der 500-Jahrfeier eine Tagung gewidmet, auf deren Berichte wir verweisen. De Finis 2008a. 32 Madersbacher 2000, S. 368-371. 33 In der 5. Arkade sind Fresken aus dem 14. Jahrhundert erhalten, die anscheinend bei den Übermalungen in der Spätgotik und der Renaissance niemals überdeckt wurden, während die Trecento-Fresken der 8. Arkade durch die Ablösung der jüngeren Schicht, die in die 21. Arkade übertragen wurde, ans Tageslicht kamen (in der Lünette Abendmahl und Christus am Ölberg, darüber die Szenen Hl. Georg und der Drache und Märtyrertod des hl. Stephan, sowie die Malereien am entsprechenden Gewölbe). Die jetzt in der 21. Arkade angebrachten Fresken befinden sich in äußerst schlechtem Erhaltungszustand. 34 Die durch Unterlagen belegte Jahreszahl bezieht sich auf die Fresken in der 6. Arkade, aber Pacher hatte wahrscheinlich schon früher mit seiner Arbeit im Kreuzgang begonnen. 35 FRZ, R 73, Mappe 21. 36 Gemeint ist der in Wirklichkeit nicht bestehende Kontrast zwischen dem Linearstil und dem frühen Giottismus in Bozen. Siehe dazu De Marchi 2000. 37 Pan 1987. 38 Herzig 1973. 39 Zur jüngsten Bibliografie für den Pacherkreis siehe den Katalog der Ausstellung in Neustift Michael Pacher 1998, der auch zwei Beiträge zum kritischen Verständnis des Künstlers im italienisch- und im deutschsprachigen Raum enthält (Spada Pintarelli 1998, S. 82–88; Plieger 1998, S. 89–95). In eben diesem Katalog ist der Beitrag von Madersbacher 1998a, S. 225–228 ausdrücklich Friedrich Pacher gewidmet. Mit dem Apostelaltar aus Sterzing, einem der bedeutsamsten Werke von Friedrich Pacher, beschäftigen sich die Beiträge von Ronen 1974 und Andergassen/ Madersbacher 2002. 40 Wie Madersbacher 1998a, S. 225, vermerkt, spiegeln die Schlusssteine in der Stiftskirche St. Paul im Lavanttal (Kärnten), bei denen es sich um Friedrich Pachers Werk handelt, noch den Stil des jugendlichen Michael Pachers wider. Man könne annehmen – vermutet Madersbacher –, dass mit der Arbeit in Wirklichkeit Michael Pacher beauftragt worden war, auf den zumindest das allgemeine Konzept des Themas zurückzuführen sei. 41 Eine vorzügliche Interpretation des Werks von Friedrich Pacher gibt Kofler Engl 1998, S. 289–295, die dabei auch die hohe Qualität seiner Fresken unterstreicht. 42 Von 1489 bis 1492 zum Beispiel ist er Kirchenpropst in Bruneck, im Jahr 1503 und dann erneut von 1507 bis 1508 Stadtrichter in eben diesem seinem Wohnort. 43 Von Friedrich Pacher ist in Bozen nur ein weiteres Fresko in zwei Szenen aus der Christophoruslegende an der Innenfassade der Stadtpfarrkirche, des heutigen Doms, erhalten. Rasmo 1950, S. 20, erwähnt auch einen „grandiosen Christophorus, flankiert von Szenen aus dem Leben 23 24


des Heiligen (davon zwei erhalten), und weitere, nunmehr völlig zerstörte Fresken.“ Meiner Ansicht nach kann die sogenannte Plappermutter an der Außenfassade der Stadtpfarrkirche nicht Friedrich Pacher zugeschrieben werden. 44 Maximilian beauftragt mit dieser Arbeit Friedrich Pacher und zwei Gehilfen, wobei es sich bei einem wohl um Marx Reichlich handelt, der dann praktisch die Arbeit ausführt. Die zwei weithin bekannten und im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck aufbewahrten Urkunden sind kürzlich von Mura 2007, S. 40–41, wissenschaftlich aufgearbeitet worden. 45 Bei der Darstellung auf der rechten Seite des Gleichnisses handelt es sich um eine direkte Herleitung vom Flügel des St.-Wolfgangaltars, auf der Die Versuchung Christi durch den Teufel zu sehen ist, während einzelne Figuren – wie z.B. der Lazarus – auf den Kirchenväteraltar zurückgehen, dieses ebenfalls für das Kloster Neustift geschaffene Meisterwerk Michael Pachers, das sich heute in München befindet. 46 Die Putti auf der Girlande sind zum Beispiel auf den (zerstörten) Fresken von Mantegna in der Kirche der Eremitani in Padua zu finden, aber auch auf Malereien anderer Künstler, die ebenfalls in der Cappella Ovetari tätig waren, wie Bono da Ferrara und Ansuino da Forlì, vgl. De Nicolò Salmazo 1990, Abb. 589, 585–586. 47 Als formales Vorbild für die Figuren der Propheten usw. in den Gewölbekappen des Kreuzgangs können – abgesehen von den Unterschieden in der Raumkonzeption – die vom Meister von Uttenheim geschaffenen Propheten im Stift Wilten in Innsbruck angesehen werden. Vgl. Kofler Engl 1998, Abb. 7 S. 282 und S. 284. 48 Zu einem Überblick über die kunsthistorischen Untersuchungen siehe Madersbacher 1998a, S. 252. 49 Das Fresko in St. Martin wird auf die Zeit um 1492 datiert, in Zusammenhang mit der Umgestaltung des Kirchenchors. Demetz 1996, S. 48–50. Die geringe zeitliche Differenz zu den Bozner Fresken macht seine kontinuierliche Anwesenheit in der Pacher-Werkstätte plausibel. Ich halte es hier für überflüssig, noch ausführlicher auf die Mitarbeit von Friedrich Pachers Gehilfen im Chor einzugehen. Es bleibt eine Tatsache, dass der Barbarameister vor seiner eigenständigen Kreuzigung in der 11. Arkade auch an den Malereien in den vorausgehenden Arkaden mitgewirkt hat. 50 Die Kreuzigung war das erste Fresko des Kreuzgangs, das 1901 aufgedeckt wurde. Siehe dazu die Beiträge von Helmut Stampfer und Waltraud Kofler Engl in der vorliegenden Publikation. 51 Für spätgotische Innenräume als Szenarium stellen die Flügel des St.-Wolfgangaltars ein bedeutungsvolles Vorbild dar. 52 Zum Apostelaltar siehe Ronen 1974 und den Katalogbeitrag Nr. 40 von Madersbacher 1998b, auf den wir auch bezüglich der Analyse der Raumgestaltung des Tafelbilds selbst verweisen. 53 Jetzt in der Alten Pinakothek München. 54 Hier ist derselbe Gehilfe zu erkennen, der – wie schon gesagt – in der 6. und 7. Arkade des Kreuzgangs aktiv tätig war. Der Altar stammt aus dem Jahr 1483. Ronen 1974. 55 Außer dem Apostelaltar kann auch das 1483 datierte Tafelgemälde Taufe Christi, das für die Kirche des Heilig-Geist-Spitals in Brixen geschaffen worden war und sich heute im Diözesanmuseum Freising befindet, als bedeutendes Vorbild für die Fresken im Kreuzgang angesehen werden. 56 Dies wird von allen Autoren unterstrichen. Zu möglichen direkten Kontakten zwischen Friedrich Pacher und dem Meister E.S. siehe auch die Hypothese von

Noflatscher 1998, S. 18, der die diesbzügliche Rolle des Innsbrucker Hofes, des Neustifter Abts Lukas Harber und des Kanzlers Stürtzel unterstreicht. 57 Staatliche Graphische Sammlung, The illustrated 1980, S. 11. 58 Geisberg 1909, Tafel 43. Dieser und der vorausgehende Vergleich finden sich schon bei Pan 1987, S. 99. 59 The illustrated 1980, Nr. 75 (28), S. 73; Nr. 76 (28), S. 74; Nr. 77 (29), S. 756; Nr. 119 (49), S. 114. 60 Die letzte in der vorausgegangenen Anmerkung zitierte Fassung. 61 Ich denke dabei besonders an den in The Illustrated 1980, Nr. 80, S. 184 wiedergegebenen Kupferstich der gotischen Monstranz. 62 Madersbacher 1998a, S. 27, ist zum Beispiel der Ansicht, dass gerade im Dominikanerkreuzgang Faltenwürfe im Stil von Cosmè Tura und Köpfe zu sehen sind, die auf die Ferrareser Fresken von Francesco Cossa im Palazzo Schifanoia zurückgehen könnten. 63 Baum 1971, Nr. 89, S. 130. 64 Im Katalog der mittelalterlichen Abteilung des Museo di Castelvecchio in Verona (derzeit in Druck). 65 In einer kürzlich erschienenen Untersuchung bringt M. Vinco den Namen des jungen Gian Maria Falconetto vor. Vgl. Vinco 2006. 66 Rossi 2006, S. 112. 67 Bonsanti 1983. 68 Ich danke Andrea De Marchi und Vincenzo Gheroldi für ihre nützlichen Hinweise und Ratschläge. 69 La Cappella 1994. 70 Diese Darstellung an der Kapellenrückwand wird von einer architektonischen Umrahmung mit Ädikulä umschlossen, unter denen sich die vier Evangelisten mit den entsprechenden Symbolen befinden, während am Fuß des Throns ein Reliquienschrein, eine Monstranz und ein Kruzifix zu sehen sind. Die Dekoration umfasst auch das Gewölbe mit dem Schweißtuch der Veronika sowie Medaillons mit den Büsten des hl. Bernardino, des hl. Antonius, eines Bischofs und eines Kardinals, die linke Wand mit einem monochrom in Grün ausgeführten büßenden hl. Hieronymus sowie die rechte Wand mit Blattranken und Vögeln, schließlich am Antependium den Schmerzensmann zwischen der Madonna und dem hl. Johannes. 71 Zu Simon von Taisten siehe die Studien von Andergassen 2000 und 2001, aber auch die Doktorarbeit von Piller 2009. 72 Schwächer erscheinen mir die Darstellungen in Nasen, Percha und Aufkirchen bei Toblach. 73 Überzeugend ist auch der Vergleich mit den Köpfen von Petrus und Paulus in der Pfarrkirche St. Ägydius in Mitterolang. Vgl. Denkmalpflege 2004, S. 128. 74 Zum Brixner Kreuzgang siehe Andergassen 2009. 75 Andergassen 2009, S. 2902–296. 76 Vgl. auch den Beitrag von Helmut Stampfer in der vorliegenden Publikation. 77 Am Kirchengewölbe befanden sich vor den Bombenangriffen auch gemalte Medaillons, die von Lindner 1884, S. 24 und von Atz/Schatz 1903, S. 61 angeführt werden. Sie stellten einen segnenden Christus, Petrus und Andreas, mehrere Heilige des Dominikanerordens sowie die Wappen von Österreich und von Tirol dar. Von drei dieser Darstellungen (Segnender Christus, St. Andreas und eine Maria Lactans) finden sich in der Stiftung RasmoZallinger (FRZ, Kiste R 73, Mappe 4) Fotografien als Ergänzung eines Manuskripts von Nicolò Rasmo, der eindeutige Analogien zu Michael Pacher erkennt und sie dem Maler zuschreibt, von dem der hl. Florian über dem Eingangsportal von Schloss Maretsch stammt. Vorher war er in „Cultura atesina / Kultur des Etschlandes“ auf sie

eingegangen und hatte das Bildnis der Madonna veröffentlicht, vgl. Rasmo 1948a, S. 54. Meiner Ansicht nach handelt es sich beim Schöpfer dieser Malereien und dem der Schlusssteine nicht um denselben Maler; denn Letzterer kommt eher dem Stil Friedrich Pachers näher. 78 FRZ, Kiste R 73, Mappe 21. Es handelt sich um ein handgeschriebenes Blatt mit Notizen zur dann 1953 erschienenen Publikation über den Dominikanerkreuzgang. 79 Rasmo 1986, S. 114. 80 Rasmo 1953. 81 Zu Waider siehe Rasmo 1973, S. 53–55; Stampfer/Waldner 1980; Spanner 1990; Andergassen 1996. 82 Außerdem besteht eine Interferenz mit dem großen Grabwappen aus dem 14. Jahrhundert. 83 Vgl. den Beitrag von Tiziana Franco in der vorliegenden Publikation. 84 Kurzbiografie in: Naredi-Rainer/Madersbacher 2007, Bd. I, S. 621. 85 Andergassen 2007, S. 49. 86 Andergassen, S. 48–50. 87 Mehr über die Kapellengeschichte im Beitrag von Waltraud Kofler Engl in der vorliegenden Publikation. 88 Dies wird auch von Rasmo 1953, S. 10 bedauert: „Dazu kommt, dass der um 1940 aufgedeckte Teil, glücklicherweise aber nur die zwei letzten Szenen der unteren Zone, zur Zeit der deutschen Verwaltung (September 1943 – April 1945) auch noch unbedachterweise gereinigt wurde, mit dem Ergebnis, dass fast die ganze Malerei verloren ging – was man angesichts der schlechten Ausführungstechnik auch erwarten musste“. 89 Rasmo 1953b, Anm. 17, S. 11. 90 Ein Beweis: der Auftrag seitens der Familie VölsColonna für das Tafelbild in der Kirche St. Konstantin in Völs. 91 Rasmo 1980, S. 62. 92 Siehe den Beitrag von Tiziana Franco in der vorliegenden Publikation; für die Bibliografie auch Gentile 2006, S. 31–33 und Wille 2006, S. 61–62. 93 Tamassia 2007, S. 135.

211


„Und jetzt zeige ich Euch, wie diese Schrift Bilder und Worte enthält. Natürlich enthält sie Worte, wie jede Schrift das Wort vergegenwärtigt und geschaffen wird, um gelesen zu werden; und wenn sie gelesen worden ist, wird sie wieder zum Wort. Andererseits enthält sie natürlich auch Bilder; denn ein Buchstabe kann nur existieren, wenn er gemalt ist. Und besonders diese Schrift behandelt ein Thema, das Bilder erfordert. Es betrifft das Wesen von Tieren und Vögeln, die man besser durch Bilder kennen lernt als durch Beschreibungen.“ (Richard de Fornival: Bestiaire d’Amours)

Vorbemerkung Als das 15. Jahrhundert bewegt und turbulent zu Ende geht, werden in kurzem zeitlichem Abstand zueinander fünf Bilder religiösen Sujets geschaf-

Worte und Bilder in einem „Land der Mitte“: die Einhornjagd zur Zeit von Maximilian I. von Habsburg auf Fresken in Bozen, Obermais, Fiera di Primiero, Condino und Verona Laura Dal Prà

fen, die sich mit einer komplexen, vielschichtigen Ikonografie auf das Mysterium der Jungfrau Maria vor, während und nach der Geburt Jesu beziehen. Sie entstehen im viel besuchten Kreuzgang der Dominikaner in Bozen, in der Kirche von Obermais bei Meran, in den Pfarrkirchen von Fiera di Primiero und von Condino sowie in der Kirche San Giorgetto in Verona (und andere, gleichzeitige Beispiele sind möglicherweise verloren gegangen): Grund genug zu einer Untersuchung – auch in der Annahme, dass diese Darstellungen, angesichts des relativ seltenen Themas, wahrscheinlich nicht zufällig geschaffen wurden, sondern dass zumindest zwischen einigen von ihnen tatsächlich eine Beziehung besteht. Auf diesen Bildern wird das Thema in einer ikonografisch reiferen Gestaltung wiedergegeben, mit zusätzlichen, aus dem Physiologus und der nach dem Tridentinum so benannten „lauretanischen Litanei“ übernommenen Elementen, im Vergleich zur bloßen Einhornjagd oder zu der mitten im Hortus conclusus sitzenden Maria. Diese Tatsache spricht für eine präzise Annahme: Die geografische und kulturelle Verbreitung des Themas hat sich in einem klar abgegrenzten Zeitraum vollzogen, in einer räumlich-zeitlichen Bestimmtheit des hic et nunc, das wir hier herausstellen wollen, und ist somit weniger die Folge einer allmählichen, nachvollziehbaren Entwicklung wie in den Gebieten nördlich der Alpen. In diesem Sinn müssen die uns vorliegenden Beispiele der Mystischen Einhornjagd, die sich

212


1

1. Friedrich Pacher, Einhornjagd, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade

213


2

räumlich auf das Gebiet des ehemaligen Fürstbis-

Botsch gestiftet wurde, der sich kniend im unteren

tums Trient beziehen, als Beweis einer besonderen

Teil der Szene abbilden ließ6 (Abb. 2).

Verbreitung angesehen werden. Dabei fällt ein

Die komplexe Ikonografie stellt eine besondere

überraschendes Licht auf eine unter kulturellem

Entwicklung des „narrativen“ Themas der Ver-

wie religiösem Gesichtspunkt spannungsreiche

kündigung dar, die hier nicht zufälligerweise im

Zeit, die zu einem großen Teil mit dem Hof

Hortus conclusus angesiedelt wird, einer poetischen

Maximilians I. und seinem Kreis in Verbindung

Definition der Schwester Braut im Hohen Lied

gebracht werden kann, einem wahren Nährbo-

(Hld 4,12) und ein symbolischer Bezug auf die

den für neue Ideen. Diese These ergibt sich vor

Jungfräulichkeit Mariens.

allem aus einem kleinen, aber bedeutungsvollen

Dem Fresko wird – angesichts seiner Stel-

gemeinsamen Detail, das – trotz anderer Beispiele

lung im Kreuzgang und in Anbetracht der Tat-

aus den Gebieten nördlich der Alpen – auf die-

sache, dass es am Beginn einer langen Reihe von

sen Bildern zu finden ist: die Idee, die im Turm

mit Szenen aus dem Jesuleben ausgeschmückten

Davids hängenden „tausend Schilde“, die auf

Lünetten steht – große Bedeutung am Beginn

den entsprechenden Gemälden immer vorhan-

der Heilsgeschichte der Menschheit nach dem

den sind, durch reale Wappenbilder zu ersetzen,

Sündenfall zugeschrieben, dieser Heilgeschichte,

die sich – in einer Mischung aus Heiligem und

die hier mit der Verkündigung an Maria und der

Profanem – auf hohe geistliche Würdenträger und

Inkarnation Christi konkrete Formen annimmt.

Mitglieder illustrer, mit dem Habsburgerkaiser

Das Bozner Fresko zeigt, wie schon gesagt,

verbündeter Familien beziehen. Das öffentliche

das typische Schema der Einhornjagd, wie sie in

Zurschaustellen der Schilde war zwar ein abso-

den reifsten und ausgefeiltesten Darstellungen

lut normales Faktum in der Kommunikations-

aus spätmittelalterlicher Zeit zu finden ist. In

sprache der bestehenden Gewalt: Vielsagende

einem symbolisch-narrativen Ablauf, der sich

Beispiele waren in diesem Sinn der Innsbrucker

von links nach rechts entwickelt, nähert sich der

Wappenturm, der um 1499 auf Wunsch Maxi-

mit Jagdhorn und Lanze ausgerüstete Erzengel

milians von Jörg Kölderer mit allen Wappen der

Gabriel (AVE GRATIA PLENA, DOMINUS

habsburgischen Herrschaftshäuser bemalt worden

TECUM BENEDICTA T UB [mulieribus] (Lk

war1, das Fresko am Kirchenturm in Schlanders2

1,28)7 mit den vier Hunden an der Leine, die die

und die Fassadendekoration am Palazzo Pilosi in

Grundtugenden Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit,

Calliano . Weniger selbstverständlich ist dagegen

Barmherzigkeit und Friedfertigkeit symbolisieren

diese politische „Okkupation“ eines biblischen

(Spruchband mit den noch lesbaren Wörtern VE-

Elements von großer symbolischer Valenz, fast

RITAS e PAX…)8, den den Hortus conclusus um-

eine figurative Deklaration eines Glaubens, der

schließenden Mauern, um das Einhorn zu jagen.

auf ein Marienmysterium und zugleich auf ein

Zu diesem konkret auf die Jagd bezogenen

Kredo ausgerichtet ist, das keine Zweifel kennt.

Bildmittelpunkt kommen etliche Elemente von

3

3

höchstem doktrinärem Bedeutungsgehalt, die Der Fall Bozen

in verschiedenartiger Form auf das Konzept der Jungfräulichkeit Mariens anspielen und die Ga-

Am Anfang des Ostflügels des Bozner Dominika-

ben verherrlichen, aufgrund derer sie zur Erlösung

nerkreuzgangs zieht sich über die große Lünette

der Menschheit ausgewählt wurde. Es handelt

eine Einhornjagd (Abb.1) hin. Sie wird Friedrich

sich um Motive unterschiedlicher Herkunft (die

Pacher zugeschrieben und auf die Zeit um 1496

meisten stammen allerdings aus der Bibel), die

datiert – mit anderen Worten: Das Fresko ist vor

zu einem Ganzen zusammengefasst werden, dem

den anderen vorerwähnten Malereien entstanden5.

man – trotz des Versuchs, ein homogenes und

Die Kunstkritiker vertreten derzeit die Ansicht,

symbolträchtiges Unikum zu verwirklichen – in

dass es wahrscheinlich vom Adeligen Gaudentius

Wirklichkeit doch seine heterogenen Quellen an-

4

2. Friedrich Pacher, Einhornjagd. Detail mit dem Stifter Gaudentius Botsch, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade 3. Friedrich Pacher, Einhornjagd. Detail mit dem Phönix und dem Propheten Jesaja auf dem Turm Salomos, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade

214


merkt und das sich zu einer leichteren Interpre-

dergegebener Gottvater von den Wolken ab und

tation auch vieler Spruchbänder mit lateinischen

verfolgt den schrägen „Flug“ eines kleinen Jesu mit

Aufschriften bedient.

Heiligenschein und einem Kreuz im Arm (Abb.

Im unteren Register der Darstellung ist links,

6), das auf seinen Opfertod anspielt, während

auf der Höhe des Flügels des Erzengels Gabriel,

sich die weiße Heiliggeisttaube – als Ergänzung

der Phönix in Flammen zu erkennen (FENIX …

der Trinität – dem Haupt der Jungfrau nähert.

IN…ING…) (Abb. 3), der mythische Vogel, der

Die von einem leider unleserlichen Spruchband

wieder neu aus seiner Asche ersteht und somit

begleitete Szene ist unmittelbar in Bezug auf die

unsterblich ist: wie der Sohn Gottes . Ebenfalls

Geste Mariens anzusehen, die parallel dazu das in

neben dem himmlischen Boten befindet sich ein

den Hortus conclusus getretene Einhorn aufnimmt.

Löwe (LEO RUG…), der seine tot geborenen

Im noch verfügbaren Raum des Gemäldes finden

Jungen nach drei Tagen mit seinem Gebrüll zum

sich die Sonne und der Jakobsstern (S[tella ex]

Leben erweckt – eine Episode, die mit der Aufer-

IACOB), der sich wiederum in prophetischem

stehung Christi in Verbindung gebracht wird .

Sinn auf eine Bibelstelle bezieht14.

9

10

Außerhalb des eingefriedeten Gartens finden

Der Hortus conclusus ist mit der mächtigen

sich weitere Elemente, die auf einen Kontext ante

PORTA CLAUSA des Tempels versehen15, die

legem anspielen, das heißt, vor dem Erscheinen

nach dem Einzug des Herrn verschlossen bleibt,

des Fleisch gewordenen Wortes, und zugleich die

und mit der Porta Aurea, die mit der Begegnung

Geschehnisse des Neuen Testaments vorausneh-

von Anna und Joachim, Marias Eltern, in Ver-

men, unter ständigem Bezug auf die Jungfräu-

bindung steht und kostbare geschnitzte Flügel

lichkeit Mariens.

aufweist16. Der „geschlossene Garten“ schützt

Rechts in der Ecke ist Gideon zu erkennen,

die bescheiden auf dem Boden sitzende Ma-

der biblische Richter, der eine spätgotische Rüs-

donna17, die – mit langen offenen Haaren und

tung mit farbigem Federbusch trägt (Abb. 4)

einem reich verzierten Mantel über dem Kleid

(SCENDET SICUT PLU(via) in VELLUS…

– eine Hand auf das Horn des weißen Einhorns

STIL(anti)A SUP(er)T…); verloren gegangen ist

legt (SI RINOCERON SE VIRGINI…), dieses

dagegen die Abbildung der geschorenen, auf dem

Fabeltiers, das nur von einer Jungfrau gefangen

Boden ausgebreiteten, vom Tau nicht durchnäss-

werden konnte und in diesem Kontext Christus

ten Wolle, die ihn im Glauben bestärken und in

symbolisiert18 (Abb. 7).

seinem Amt als Richter bekräftigen sollte. In der

Weitere Symbole innerhalb der Mauern sind

biblischen Exegese wird diese – wie auch die fol-

als Huldigung auf Maria anzusehen. Aufgrund sei-

gende – Begebenheit schon früh als Vorausnahme

ner Größe gut erkenntlich ist der versiegelte Quell

der jungfräulichen Empfängnis Mariens gedeu-

(FONS SIGNATUS. CANT.)19, der sich vom

tet . Oben wird dann die Szene des Dornbuschs

Hohen Lied herleitet und auf die Jungfräulichkeit

dargestellt, der brennt, ohne zu verbrennen, dar-

Mariens bezieht, mit einem Sockel aus reich ver-

über ein Brustbild Gottvaters, der sich an Moses

ziertem rosafarbenem Gestein, einer Wanne aus

wendet (…ACCEDE…), der am Boden sitzt und

weißem Marmor und dem gewundenen Pfeiler,

die Schuhe auszieht… (VISIONEM MA…)12.

an dem sich ein großes Schloss als Siegel befin-

11

Im obersten Teil finden sich mehrere Schlüs-

det; darüber schließlich das Nest des Pelikans

selelemente zum Fortgang der Erzählung. Im Hin-

(PELLICENUS), der sich – der mittelalterlichen

tergrund links liegt die Stadt Jerusalem, vor ihr

Überlieferung gemäß mit dem Opfer Christi für

der TURRIS SALOMONIS, aus dem sich Jesaja

die Menschheit verbunden – die Brust aufreißt,

lehnt, der die berühmte Prophezeiung aussprach:

um seine hungrigen Jungen mit dem eigenen Blut

„Ecce virgo concipiet“ (Jes 7,14)13 (Abb. 5). In der

zu nähren20 (Abb. 6). Daneben ist das große gol-

Mitte, knapp unter den kühnen Fialen der Lünet-

dene Gefäß zu erkennen (U[rna] AUREA)21, in

tenumrahmung, hebt sich ein als Brustbild wie-

der die Israeliten das Manna aufbewahrten und

4

4. Friedrich Pacher, Einhornjagd. Detail mit Gideon und Thomas von Aquin, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade

215


5

7

6

5. Friedrich Pacher, Einhornjagd. Detail mit Jesaja und dem Turm Salomos, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade 6. Friedrich Pacher, Einhornjagd. Detail mit dem Jesus aussendenden Gottvater, dem Pelikan und dem Turm Davids, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade

216

7. Friedrich Pacher, Einhornjagd. Detail mit dem Hortus conclusus, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade


das hier als Symbol der schwangeren Maria an-

TERRE …DOMINI … ET SUSCIPE FILIUM

zusehen ist, sowie ein Strauß (SI STRUT…OVA

BERNHARD)29, der heilige Thomas von Aquin

SOL…) (Abb. 7), von dem man glaubte, dass er

(MERITO AGNUS DEI DEBEBAT CONCI-

seine Eier nicht selbst brütete, sondern von der

PI DE VIRGINE PURA)30 (Abb. 4), der heilige

Sonne ausbrüten ließ, die in der Tat senkrecht

Gregorius Magnus mit der Tiara31 und der heilige

über der kleinen Szene steht22. Hinter Maria ist

Albertus Magnus, ein gelehrter deutscher Domi-

die Bundeslade zu sehen (ARCHA DOMINI)23,

nikanermönch (1206–1280), dem ein bedeuten-

in der die Gesetzestafel mit den Zehn Geboten

des Mariale und das Werk De motibus animalium

aufbewahrt wird, als Zeichen des Bundes zwischen

zugeschrieben werden32.

Gott und dem Volk Israel, der mit der Erfüllung

Hier tritt klar der Wunsch in Erscheinung,

des Geschicks der Jungfrau erneuert wird. Dahin-

den Persönlichkeiten zu huldigen, die bei der

ter schließlich der Turm Davids (…UE MILLE

Verherrlichung des Mysteriums der Jungfräu-

CLIPPEI PE…)24 (Abb. 6), an dem nach der Bi-

lichkeit der Annunziata eine besondere Rolle ge-

belaussage viele Schilde hängen, und rechts der

spielt haben, und dabei werden – abgesehen vom

Elfenbeinturm (TURIS EBURNEA)25. Zwischen

Evangelisten Lukas, von Papst Gregorius Magnus

den zwei Türmen befindet sich der Altar mit dem

(590–604) und Bernhard von Clairvaux, der im

blühenden Stab Aarons (VIRGA AARON) als

Mittelalter besonders für seine marianischen

Bezug auf die Bibelepisode, die als Ankündigung

Schriften bewundert wurde – mit kaum verbor-

der jungfräulichen Empfängnis Mariens interpre-

genem Stolz besonders die zwei bedeutenden

tiert wird, die ohne männlichen Samen ein Kind

Heiligen des Ordens gewürdigt, dem das Bozner

empfängt, wie der Stab des von Gott Erwählten

Kloster gehörte.

26

8

ohne Erde Blätter bekommt. Wie auch in anderen freskenverzierten Lünetten des Kreuzgangs verzichtet der gebildete

Der symbolische Aufbau der Einhornjagd bei den Dominikanern

Erfinder des ikonografischen Programms auch hier nicht darauf, die Hauptszene mit äußeren Elemen-

Insgesamt enthält das Fresko im Dominikaner-

ten auszuschmücken, die sowohl zur Erklärung

kreuzgang eine beachtliche Reihe an symbolischen

des Themas insgesamt dienen, wie sie auch daran

Elementen, die sich um die zwei Hauptthemen

erinnern, welche Autoren mit ihren theoretischen

ablagern: die Bekundung des Willens des Gott-

Schriften am meisten dazu beigetragen haben, die

vaters, der in einem ausdrücklich auf die Trinität

grundlegende Rolle der Jungfrau Maria im göttli-

hinweisenden Kontext den Flug seines Sohnes

chen Plan zur Erlösung der Menschheit durch das

und der Heiliggeisttaube zu Maria verfolgt, und

Opfer Christi zu unterstreichen. So sind in dem

das eigentliche Geheimnis der Inkarnation, auf

feinen Geflecht aus gemalten Rippen und steiner-

das symbolisch das vom Erzengel Gabriel gejagte

nen Säulen in der Lünettenumrahmung mehrere

Einhorn anspielt, das bei der Jungfrau im Hortus

Figuren zu erkennen: König Salomo (Abb. 8), der

conclusus Zuflucht sucht.

Verfasser des Hohen Liedes, das schon seit frühes-

Das erste Thema, das vom frühen 14. Jahr-

ter Zeit mit der Verherrlichung Mariens in Ver-

hundert an häufig auch auf Einzelbildern in

bindung gebracht wird (ORTUS CONCLUSUS

Mittelitalien zu finden ist und dann von der

SOROR FONS SIGNATUR CANTICORUM

Jahrhundertmitte an in Gebieten nördlich der

4 und MEA SPONSA ORTUS CONCLUSUS

Alpen an Boden gewinnt33, findet sich in zahl-

CAPITULO) , der Evangelist Lukas als Stier

reichen religiösen Schriften, die im Mittelalter

im Tetramorph mit dem offenen Buch, in dem

in Umlauf waren. Gläubige Christen konnten

die Worte der Verkündigung zu lesen sind (…

zum Beispiel in den zwischen 1346 und 1364

GABRIEL…GALIL…NAZARETH…) , der

verfassten Meditationes vitae Christi, die lange

heilige Bernhard von Clairvaux (…CELI ET

dem heiligen Bonaventura zugeschrieben wurden,

27

28

8. Friedrich Pacher, König Salomo, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade

217


9

9. Leonhard von Brixen, Verk端ndigung, Bozen, Stadtmuseum

218


heute aber als Werk von Giovanni de Caulis aus

Virginis, quasi non esset de substantia Virginis

San Gimignano gelten, folgenden (hier sinnge-

ejus corpus assumptum...“39 doktrinäre Zweifel

mäß übersetzten) Passus der Verkündigung fin-

gerade in Bezug auf diese Ikonografie geäußert

den: „[Der Erzengel Gabriel] flog nicht schnell,

hatte: Seiner Ansicht nach konnte sie bei ungebil-

sodass Gottvater vor ihm anlangte; und es findet

deten Personen den falschen Eindruck erwecken,

sich die heilige Dreifaltigkeit, die auf die Antwort

dass Christus nicht aus Maria Fleisch geworden

und die Zustimmung dieser gebenedeiten Toch-

sei. Noch deutlicher drückte sich mehr als hundert

ter wartet. Und nachdem die weise Jungfrau die

Jahre später, im Zuge der unter dem Einfluss des

Worte des Engels gehört hatte, stimmte sie zu.

Trentiner Konzils erfolgten doktrinären Kontrol-

So begab sich der Sohn Gottes unverzüglich in

le der sakralen Kunst, der Kardinal Paleotti aus:

den Schoß der Jungfrau und wurde in ihr Fleisch,

„Ein weiteres Beispiel ist vom heiligen Antoninus

blieb aber trotzdem noch im Schoß des Vaters.

beschrieben worden. Es betrifft ein Bild, das die

Und gleichzeitig wurde die Seele erschaffen und

Verkündigung an Maria darstellt, mit den vom

in den Schoß gelegt, sodass ein in allen Gliedern

Himmel kommenden Strahlen des Heiligen Geis-

des Körpers perfekter Mensch daraus wurde. Er

tes, in denen ein kleiner Kindskörper zu sehen

war klein, wuchs aber dann im Leib heran wie die

ist, der in den Schoß der seligen Jungfrau herab-

anderen Geschöpfe.“

fliegt. Dieses Gemälde ist suspekt, da es die vom

34

Ein Echo dieser Worte findet sich zum Bei-

Häretiker Valentinus oder von den Eutychianern

spiel in der Verkündigung des kurz nach 1370

vertretene Ansicht bestärkt, wonach unser Herr

bemalten Altars von Schloss Tirol (heute im Lan-

Jesus Christus seinen ätherischen Körper vom

desmuseum Ferdinandeum in Innsbruck), in der

Himmel auf die Erde gebracht haben und sich

1459 von Meister Leonhard von Brixen gemalten

somit nicht vom reinen Blut seiner Mutter ge-

Verkündigung in der Georgskirche in Taisten35, in

nährt haben soll.“40

der kurz zuvor geschaffenen Darstellung in der

Diese gelehrten Kirchenmänner beschäftig-

Schlosskapelle von Castel Bragher und in der

ten sich allerdings nicht mit dem zweiten kon-

Verkündigung im Bozner Stadtmuseum37 (Abb. 9).

zeptuellen Thema des Bildes, wahrscheinlich weil

Dieses Bild, das den Gläubigen den Höhepunkt

sie keine Gelegenheit gehabt hatten, derartige

des Wegs zur Erlösung vor Augen führte, war so

Darstellungen, die sich überwiegend in Gebieten

beliebt und populär, dass es auch noch im darauf

nördlich der Alpen befanden, in Augenschein zu

folgenden Jahrhundert eingesetzt wird: als Skulp-

nehmen.

36

tur aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts

Dann aber noch der mit der Inkarnation

am Portal der Pfarrkirche in Cavalese, ja sogar

verbundene symbolische Aspekt: Die Verfolgung

noch auf den 1541–1542 geschaffenen Fresken

des Einhorns, das sich zu einer Jungfrau flüchtet,

am Triumphbogen der Kirche San Leonardo in

hatte im profanen Ambiente große Verbreitung

Tesero und aus dem Jahr 1549 in der Kirche San

gefunden, veranlasst durch die reiche Literatur

Pietro in Cembra. Dieses späte Datum ist umso

der Bestiarien vom Physiologus an. Es war au-

bedeutungsvoller, als die Bedenken seitens der

ßerdem – als Element, das mit der Blütezeit der

hellsichtigsten kirchlichen Hierarchie hinsicht-

höfischen Kultur und ihrer komplexen Rituale

lich der Zulässigkeit dieses ikonografischen Mo-

in Beziehung stand – in künstlerische Werke un-

tivs zugenommen hatten. Noch interessanter ist

terschiedlichsten Genres eingegangen, von den

die Tatsache, dass gerade ein illustres Mitglied

Tapisserien für die luxuriösesten Wohnstätten zu

des Dominikanerordens, der heilige Antonino

Gemälden für den Hausgebrauch41. Die Sakrali-

Pierozzi, Bischof von Florenz38, als Erster mit

sierung des Themas erfolgte peu à peu, zuerst in

seinen Worten „Reprehensibiles etiam sunt cum

der Literatur, angefangen beim Bild des von der

pingunt [...] in Annuntiatione Virginis parvolum

Jungfrau Maria gefangenen Einhorns bei Honoré

puerum formatum, scilicet Jesum, mitti in uterum

d’Autun42, bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, als

10

10. Friedrich Pacher, Einhornjagd. Detail mit den Hunden, Bozen, Dominikanerkreuzgang, erste Arkade

219


es seinen Höhepunkt mit der massiven Verbrei-

(Abb. 11) zu finden, dieser „Armenbibel“, die –

tung von Werken wie der Goldenen Schmiede von

auch dank der reichen Illustrationen – im Spät-

Konrad von Würzburg erreichte, der das Einhorn

mittelalter allergrößte Verbreitung fand, und das

mit Christus verglich .

gerade, weil sie die herausragenden Begebnisse des

43

Diese Ansammlung „venatorischer“ Ele-

Lebens Christi und Mariens systematisch mit alt-

mente fährt mit den vier Hunden fort, die sich

testamentlichen Darstellungen in Bezug brachte47.

– als Symbole von Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit,

Dieser Einfluss ist – und so kehren wir wieder

Barmherzigkeit und Friedfertigkeit (Abb. 10) –

in den Bozner Dominikanerkreuzgang zurück –

auf die Allegorie der vier Töchter Gottes beziehen,

nicht nur in der Einhornjagd zu erkennen. Das

die von Hugo von St. Viktor entwickelt und dann

gesamte, komplexe und strukturierte ornamentale

von Bernhard von Clairvaux weitergeführt wur-

Programm der Lünetten greift zumindest in meh-

de, ausgehend von den Worten „Misericordia et

reren Fällen auf einen derartigen Aufbau zurück –

fidelitas obviam venient sibi, iustitia et pax inter

denken wir nur an die Kreuzigung, neben der sich

se osculabuntur“ (Ps 85 (84),11) . Die Bibelstel-

die biblischen Präfigurationen der Opferung Isaaks

le wird vom Heiligen des Zisterzienserordens als

und der Aufrichtung der Bronzeschlange finden.

44

11

endgültige Versöhnung der vier Tugenden inter-

Abgesehen von den Beeinflussungen, die auf

pretiert, die angesichts der Entscheidung, ob der

die Verbreitung der Biblia pauperum zurückzu-

Mensch zu verdammen oder zu retten war, mit-

führen sind, zeigt sich in der reiferen Gestaltung

einander in Streit geraten waren, bis Gottvater

der Einhornjagd und infolgedessen auch auf dem

beschloss, zur Erlösung des Menschengeschlechts

Fresko bei den Dominikanern deutlich der Ein-

von der Erbsünde Christus Fleisch werden zu

fluss eines weiteren, ausschlaggebenden Werkes,

lassen. Die vier Tugenden werden dann von ent-

das Julius von Schlosser48 seinerzeit in einem meis-

scheidender Bedeutung zur Verwirklichung des

terlichen Beitrag ausgemacht hatte: Es werden

göttlichen Plans und infolgedessen zur symboli-

erstmals mehrere besondere symbolische Elemente

schen Jagd auf das zu Maria flüchtende Einhorn .

angeführt, die sich eindeutig auf das Geheimnis

Zu diesem relevanten Thema kommen dann

der Jungfräulichkeit der Gottesmutter beziehen.

noch Symbole, die aus der Bibel und den vielen

Es handelt sich um das Defensorium inviolatae

mittelalterlichen exegetischen Schriften stammen,

virginitatis Mariae49, das um 1388 von Franz von

die – parallel zur zunehmenden Marienvereh-

Retz verfasst wurde, einem illustren Dominika-

rung – jeden möglichen Bezug ausloten, der zur

nermönch, der 1427 im Alter von mehr als 80

Entwicklung der Doktrin zugunsten der Mutter

Jahren gestorben50 und Maria besonders ergeben

Christi verwendet werden kann. In der Predigt

war: So stellt er zu Ehren der Jungfrau Maria eine

zum Fest Mariä Verkündigung stellt der schon

Vielzahl an literarischen Quellen zur Verteidigung

erwähnte Honoré d’Autun die alttestamentlichen

des Mysteriums der Jungfräulichkeit Mariens vor,

Episoden zusammen und verwendet sie, um auf

während und nach der Geburt Christi zusammen.

die vorausdeutenden Darstellungen der Fleisch-

Er geht auch auf ihre Empfängnis ein, die damals

werdung des Wortes und besonders das Mysteri-

zu heftigen Kontroversen unter Dominikanern,

um der Jungfräulichkeit Mariens hinzuweisen: Es

Makulisten und Franziskanern geführt hatte,

sind die Geschichten von Mose und dem bren-

welche Letztere besonders die Immaculata-Lehre

nenden Dornbusch, vom blühenden Stab Aarons,

vertraten, wonach Maria nicht mit der Erbsünde

vom Vlies Gideons und von der Porta clausa des

behaftet war51.

45

12

Propheten Ezechiel . Im Zuge der sogenannten

Zum weiten Ruf der Schrift von Franz von

„Konkordanzen“ zwischen Altem und Neuem

Retz hat sicher auch die sehr einfache, potenti-

Testament sind die Episoden des Vlieses und des

ell didaktische Textstruktur beigetragen: jedes

Dornbuschs paarweise neben der Geburt Christi

zur Verteidigung der Jungfräulichkeit Mariens

auch auf den ersten Seiten der Biblia pauperum

herangezogene Beispiel wird von einer kurzen

46

11. Biblia pauperum, um 1470, München, Bayerische Staatsbibliothek, Xylogr. 27. Detail mit der Geburt Christi, dem brennenden Dornbusch und dem Stab Aarons 12. Defensorium inviolatae virginitatis Mariae, Nördlingen 1470 (Ed. Walthern), München, Universitätsbibliothek, Cim. 49

220


Erläuterung in Hexametern begleitet und mit

heute im Stift Stams befindet, und des aus der

der Anführung der auctoritas versehen, als Beleg

Benediktinerabtei Ottobeuren kommenden Ge-

ihrer Doktrin und Devotion, sowie mit reichen,

mäldes, das auf die Mitte des 15. Jahrhunderts

wirkungsvollen Illustrationen. Die Beispiele sind

datiert wird und heute im Besitz der Gemäl-

den unterschiedlichsten Quellen entnommen, die

degalerie Füssen ist64. Neuen Auftrieb und eine

sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet

engmaschige Verbreitung auch auf europäischer

haben: Neben einigen Elementen aus der Biblia

Ebene findet es aber, als es als gedrucktes Werk

pauperum treten Stellen aus dem vielgestaltigen

zu zirkulieren beginnt, besonders mit den ersten

Speculum humanae salvationis auf und aus der

Ausgaben von xylografischen Blockbüchern, die

Concordantia caritatis des Zisterziensertheologen

mit ihren von geschnittenen Holzstöcken einzeln

Ulrich von Lilienfeld, der den Symbolgehalt der

gedruckten Seiten die Erfindung des Buchdrucks

Tierwelt aufgreift, aus den für die Bildung des

mit beweglichen Lettern vorausnehmen. Knapp

Mittelalters fundamentalen Ethimologiarum libri

nacheinander erscheinen folgende Ausgaben des

XX des Isidor von Sevilla , durch die das Kom-

Defensoriums: als Blockbuch 1470 bei Friedrich

pendium der Tiersymbolik des Physiologus ergänzt

Walthern in Nördlingen in 54 exempla und 1471

wurde54, sowie aus spezifischen Texten wie der

bei Johannes Eysenhut in Regensburg in 44 ex-

Goldenen Schmiede von Konrad von Würzburg.

empla, als gedruckte Ausgabe 1475/80 bei Georg

52

53

Aus dem Defensorium übernimmt der Maler

Reyser in Würzburg, 1480 bei Michael Reyser in

der Bozner Lünette, unter Anleitung eines erfah-

Eichstätt und um 1484 bei Johann und Conrad

renen und gebildeten Auftraggebers, zahlreiche

Hist in Speyer in 52 exempla, dann um 1485 bei

symbolische Elemente. Dies geht auch aus den

Paul und Hans Hurus in Saragossa die ebenfalls

lateinischen Inschriften auf den Spruchbändern

gedruckte Edition in 53 exempla als Kopie von

hervor, die einige kurze, mehrere Jahrzehnte zuvor

Walthern und 1490 die gedruckte Ausgabe bei

von Franz von Retz geschriebene Sätze wiederge-

Lienhart Ysenhut in Basel65. Besonderer Beliebt-

ben oder manchmal zusammenfassen: vor allem

heit scheint sich das erste von Walthern gedruckte

das Einhorn, das auch andere Zeugnisse anstre-

Defensorium (Abb. 12) erfreut zu haben: Seine

ben konnte und im Text unmissverständlich als

Bilder werden sowohl von Reyser übernommen,

rinoceron55 bezeichnet wird, der Pelikan56, der

der den lateinischen Text ins Deutsche übersetzt,

Löwe , der mythische Phönix und der Strauß ,

als auch von Hurus.

57

58

59

aber auch das Vlies Gideons und der brennende 60

Dornbusch61.

Der Ruhm der Schrift war somit über viele

Höchstwahrscheinlich sind auch weitere

weiter vom berühmten Juristen und Schriftsteller Sebastian Brant (Straßburg 1458–1521) lanciert,

bändern begleitet werden, die ihre Herkunft vom

der sie – in elegante Renaissancedistichen umge-

Werk des Dominikanermönchs greifbar bezeugen

formt – in die lateinischen Texte Contra iudeos et

– in das Fresko aufgenommen worden, und das

hereticos. Conceptionem virginalem fuisse possibilem

nicht so sehr in direkter Ableitung vom Bibeltext

Argumentatio seiner Anthologie Varia carmina

und den entsprechenden exegetischen Texten, son-

aufnahm, die 1498 bei Johann Bergmann von

dern vielmehr von der vom Defensorium geliefer-

Olpe in Basel herausgebracht wurde66.

wie dem Stab Aarons62 und der Porta clausa63.

14

Jahrzehnte hinweg garantiert. Außerdem wurde sie

biblische Symbole – die aber nicht von Spruch-

ten, gut strukturierten Sammlung der Symbole,

13

Ein Exemplar des Defensoriums ist sicher recht schnell auch nach Südtirol gelangt. Als

Auf das Defensorium inviolatae virginitatis

glaubwürdiger Beweis hierfür kann das Fresko

Mariae, das lange Zeit in handschriftlichen Ex-

in der siebten Arkade des Brixner Kreuzgangs

emplaren in Umlauf war, greift auch die Kom-

angesehen werden67, das kürzlich auf die Jahre

position des 1426 geschaffenen Tafelbilds der

1485–1488 datiert wurde68 und etwa ein Dut-

13. Pelikan, Brixen, Kreuzgang, siebte Arkade

Familie Heuperger aus Hall zurück, das sich

zend symbolischer Elemente enthält69, darunter

14. Vogel Strauß, Brixen, Kreuzgang, siebte Arkade

221


15

16

den Pelikan (Abb. 13), den Löwen, die Bärin, den

suleben anstelle der vorausgegangenen Dekoration

Phönix und den Strauß (Abb. 14) , die auch auf

bedeckten, die bei den im späten 15. Jahrhundert

der Einhornjagd bei den Bozner Dominikanern

durchgeführten Bauarbeiten teilweise zerstört

auftreten (Abb. 6–7).

worden war.

Angesichts der detaillierten Übernahme der

Die Tatsache, dass in den vielen Lünetten mehrere

den Text begleitenden Bilder des Blockbuchs kann

zur gleichen Zeit lebende Stifter mit ihren Wap-

man in diesem Fall sogar mit Sicherheit auf die

pen abgebildet werden, lässt an eine gut organi-

Ausgabe schließen, die dem Künstler von seinem

sierte und in der ikonografischen Entwicklung

Auftraggeber, dem Augsburger Sebastian Stamm-

synchronisierte Dekorationskampagne denken,

ler, Doktor der Rechte und Brixner Domherr ab

auch unter Anleitung eines gebildeten Domini-

1491 (+1518), zur Wiedergabe der geeigneten

kanermönchs. Ein derartiges Projekt zog, da es die

Teile und somit zur Verherrlichung der Jungfräu-

Möglichkeit zum „Zurschaustellen“ der Frömmig-

lichkeit Mariens vorgelegt wurde: Es handelt sich

keit bot, das Interesse einiger der angesehensten

um das 1471 von Johannes Eysenhut herausgege-

Bozner Familien der damaligen Zeit an, die – was

bene Blockbuch (Abb. 15–16).

für derart großzügig angelegte Unternehmungen

Das von Eysenhut gedruckte Defensorium ist

nicht ungewöhnlich war – sich die Wandflächen

aber nicht der Text, der der Einhornjagd im Kreuz-

teilten, wodurch sich die Kosten für die Einzel-

gang der Dominikaner als Vorbild gedient hat. In

nen verringerten.

der Tat fehlen in diesem Blockbuch vier in Bozen

Wir können daher wirklich von großem

vorhandene Elemente – das Vlies Gideons, der

Glück reden, dass sich auf diesem so bedeutungs-

Stab Aarons, der brennende Dornbusch und die

vollen Fresko die noch recht gut lesbare Figur des

Porta clausa –, die im Übrigen auch in der Ausga-

Stifters erhalten hat, der sich, mit einer Rüstung

be von Georg Reyser aus den Jahren 1471–1479,

angetan, in der Mitte des unteren Bildregisters

in der von Johann und Conrad Hist (um 1484)

abbilden lässt (Abb. 2). Und eben dank seiner

und in der von Lienhart Ysenhut (1490) nicht

Wappenzeichen, die seinerzeit schon Nicolò Ras-

vorhanden sind. Dagegen finden wir sie in der im

mo ausgemacht hatte, kann der gewappnete Ritter

Jahr 1470 von Friedrich Walthern in Nördlingen

als Gaudentius Botsch identifiziert werden, ein

herausgebrachten Auflage des Defensoriums. Die

Sohn von Cristoforo II. und namhafter Angehö-

Stiche dieses Blockbuchs werden dem Drucker

riger der aus Florenz stammenden Familie70: Er

selbst zugeschrieben, der auch Glasfenstermaler

wird in den Urkunden als strenuus eques erwähnt

war, und dem Schnitzer Hans Hurning. Ebenso

– was mit anderenWorten bedeutet, dass er sei-

sind diese Elemente in der Edition der Hurus in

nen Adelstitel auch dank einer umsichtigen Hei-

Saragossa (um 1485) anzutreffen, die anscheinend

ratspolitik erworben hatte71. Er war im Übrigen

weite Verbreitung gefunden hatte.

mit Elena Firmian vermählt, der 1478 geborenen Tochter des mächtigen Nicolò Firmian72, der von

Das Umfeld und der Stifter

1488 bis 1498 Feldherr an der Etsch war, ab 1495 Hofmeister von Bianca Maria Sforza, der zwei-

15.–16. Defensorium inviolatae virginitatis Mariae, Regensburg 1471 (Ed. Eysenhut). Detail des Einhorns und des Pelikans

222

So wird das Bestreben deutlich, im Rahmen ei-

ten Frau Maximilians I. von Habsburg und von

ner zunehmenden Verehrung für Maria auch das

1497 an Lehnsherr von Mezzocorona, während er

Mysterium ihrer Jungfräulichkeit zu verherrlichen,

1509 die kaiserlichen Truppen bei der Eroberung

und das mit typologischen Sinnbildern, die um

Veronas befehligte.

die gleichermaßen symbolträchtige Szene des

Es handelt sich demnach um eine der vielen

Einhorns und der Jungfrau angeordnet werden.

Tiroler Persönlichkeiten, die Maximilian I. be-

Die Einhornjagd in der Lünette war das erste ei-

sonders nahestanden – wenn er zum Kaiser wohl

ner langen Reihe von Fresken, die die Wände des

auch ein weniger enges Verhältnis hatte als Paul

Kreuzgangs mit Szenen aus dem Marien- und Je-

von Liechtenstein, Freiherr von Castelcorno73, der


sich in der dritten Lünette eben dieses Kreuzgangs

(+1531), der 1507 die theologische Doktorwürde

abbilden ließ (Spada 1, Abb. 2). Liechtenstein, zu-

in Padua erlangte, dann dem Augsburger Kloster

erst ein Angehöriger des Hofstaats des Erzherzogs

St. Magdalena als Prior vorstand und 1515 zum

Sigmund des Münzreichen, trat anschließend in

kaiserlichen Hofprediger ernannt wurde und in

den Dienst Maximilians I., der ihm im Jahr 1502

dieser Funktion auch die Grabrede beim Tod

die Gesamtverwaltung seiner Finanzen übertrug.

seines illustren Gönners hielt79. Der Herrscher

Er hatte somit eine entscheidende Kontrolle über

ging – wie vielerseits bestätigt wird – regelmäßig

die Geldmittel für die Militärkampagnen und

christlichen Andachtsübungen nach, und so darf

erwarb sich in den Augen des Kaisers so große

man in diesem Zusammenhang auch nicht un-

Verdienste, dass er 1505 mit dem prestigeträch-

terschätzen, dass er die Herausgabe von Büchern

tigen Orden des GoldenenVlieses ausgezeichnet

wie dem Novum beatae Mariae Virginis psalterium

wurde .

(Zinna um 1493) gefördert hat, das vom Domini-

74

75

Dieser Konnex mit Maximilians I. ist sicher

kanermönch Hermannus Nitzschewitz, der auch

kein Zufall. Abgesehen von den persönlichen

Hofkaplan Maximilians I. war, verfasst wurde80.

Beziehungen der Botsch, Firmian und Liechten-

Auf dem schönen Frontispiz dieses Psalters ist

stein zum Herrscher (zu denen wahrscheinlich

Maria mit Kind abgebildet: Die Madonna wird

auch Personen von „niederem“ Rang kamen wie

von mehreren unten dargestellten Geistlichen

Wirsung76, der Stifter einer weiteren freskenver-

verehrt und seitlich von vier Rüstung tragenden

zierten Lünette im Kreuzgang), darf nicht verges-

Rittern mit dem Rosenkranz in der Hand, unter

sen werden, dass Maximilian sich auch persönlich

denen Kaiser Friedrich III. und sein noch junger

für das Bozner Dominikanerkloster interessierte:

Sohn Maximilian (Abb. 17) zu erkennen sind.

Da er wegen des malum regimen der Mönche be-

Als symbolische Bekräftigung des Interesses für

sorgt war, wandte er sich an den Trentiner Fürst-

marianische Thematiken findet sich auf der fol-

bischof Ulrich von Liechtenstein, der am 30. April

genden Seite ein Holzschnitt: Die auf einem aus

1496 seinen Rat Johannes Kornheim ins Kloster

der Brust des Kaisers herausragenden Ast stehende

entsandte77 Im darauf folgenden Jahr 1497 stifte-

Maria wohnt der Übergabe des Schwertes seitens

te Maximilian I. eine ansehnliche Summe für die

des alten Herrschers an seinen Nachfolger bei,

Bauarbeiten im Kreuzgang78, und vielleicht gerade

als Zeichen der Aushändigung an den künftigen

angesichts seines ständigen und konkreten Inte-

Verteidiger des christlichen Glaubens. Noch in-

resses wird der Herrscher in der neunten Arkade

teressanter für das in diesem Beitrag behandelte

mit seinem unverkennbaren Habsburgerprofil

Thema ist der folgende Holzschnitt, auf dem der

abgebildet (Spada 1, Abb. 3).

junge Maximilian, kniend und mit gefalteten

Seine Kritik an der Verwaltungsführung der

Händen, fromm eine Verkündigung mit dem Je-

Bozner Mönche müsste natürlich in ihren kon-

suskind betrachtet, das, ein Kreuz in Händen, auf

kreten Aspekten besser beleuchtet werden, auch

Maria zufliegt81 (Abb. 18).

in Hinblick auf die möglichen Implikationen der

In diesem Zusammenhang wollen wir nur

Observantenreform des Dominikanerordens, die –

kurz das berühmte Altarbild Das Rosenkranzfest

ausgehend von der moralisierenden Tätigkeit des

erwähnen, das Albrecht Dürer 1506 im Auftrag

Raimund von Capua – allmählich auf zahlreiche

der deutschen Kaufleute in Venedig geschaffen hat

nördlich der Alpen und in Italien gelegene Klöster

(heute in der Nationalgalerie Prag) und auf dem

übergegriffen hatte, mit dramatischen Auswirkun-

Maximilian vor der auf einem Baldachinthron sit-

gen auf die innere Ordensstruktur. Interessant zu

zenden Madonna kniet82. Ebenso bedeutungsvoll

untersuchen wäre auch das Kapitel der geistlichen

ist ein 1514, also wenige Jahre später, geschaffenes

Berater Maximilians: Ihn verband eine wachsende

Werk von Hans Goldschmidt, einem Werkstatt-

persönliche Freundschaft mit dem gelehrten Do-

mitarbeiter von Ivo Strigel, der der schwierigen

minikanermönch Johannes Faber aus Augsburg

Aufgabe nachzukommen sucht, die Flügel des

17

18

17.–18. Hermannus Nitzschewitz, Novum beatae Mariae Virginis psalterium, Zinna um 1493, München, Bayerische Staatsbibliothek

223


Altars der Kirche St. Veit auf dem Tartscher Bühel bei Mals im Vinschgau mit Malereien auszuschmücken83: Bei geschlossenen Flügeln ist eine Verkündigung zu sehen, oben Gottvater, der das Jesuskind, dem die Heiliggeisttaube vorausfliegt, auf die Erde schickt, und unten die Jungfrau Maria, die die ihr vom Erzengel Gabriel (er trägt die unverkennbaren Züge des Habsburgerkaisers) (Abb. 19) überbrachte göttliche Botschaft demütig aufnimmt. Ganz abgesehen von Maximilians Vorliebe für Kryptoporträts84 ist hier die Tatsache von Belang, dass sich der ausdrückliche Bezug auf Maximilian I. im Kontext einer Verkündigung findet, die große Ähnlichkeit mit der im oberen Register des Dominikanerfreskos aufweist. Mit diesen eben dargelegten Bemerkungen könnte – aus Gründen ideologischer Übereinstimmung – auch das Fresko der Einhornjagd bei den Bozner Dominikanern in Verbindung gebracht werden. Die höfische Welt, in der der Kaiser sich seit seiner am glänzenden burgundischen Hof verbrachten Jahre so wohl fühlte, ging allmählich ihrem Untergang entgegen85. Zu erinnern ist aber an einen kostbaren Kachelofen in der Landesfürstlichen Burg in Meran, der im Auftrag des Erzherzogs Sigmund um 1465 hergestellt worden war: Er ist mit Kacheln verkleidet, 19

auf denen ein Kaiser auf einem Thron zu sehen ist, eine ebenfalls auf einem Thron sitzende, von einem Einhorn begleitete Dame, ein heiliger Georg86, das (neue) Wappen des Hauses Österreich mit den Wappenbildern von Tirol und Meran und weitere 13 Wappen der österreichischen Länder87. Da wir aber vor allem den sakralen Aspekt im Auge haben, müssen wir an zwei Werke erinnern, die zu den ersten figurativen Darstellungen der Symbolbilder des Defensoriums von Franz von Retz gehören, wenn auch in einer ikonografischen Gestaltung, die auf das Thema der Einhornjagd verzichtet: Es handelt sich um den 1426 geschaffenen Altar88 in der österreichischen

20

Zisterzienserabtei in Stams, wo Maximian I. bei seinen von politischen Beweggründen diktierten

19. Hans Goldschmidt, Verkündigung, Tartsch, Kirche St. Veit am Bichl

oder aus Jagdleidenschaft unternommenen Reisen

20. Werkstatt von Martin Schongauer, Einhornjagd, Colmar, Musée de Unterlingen

aus der Benediktinerabtei Ottobeuren stammen-

224

gern und häufig eine Rast einlegte, und um das


de, auf die Zeit um 1450–1460 datierte Altarbild

der kaiserlichen Rolle denken lässt, natürlich vor

(heute im Museum in Füssen), das der Werkstatt

allem in politischem Sinn, aber auch in religi-

von Hans und Ivo Strigel zugeschrieben wird, aus

ösem Bereich, wo er – mit seinen Projekten zu

der auch Bernhard Strigel hervorgehen sollte, der

einem neuen Kreuzzug gegen die Türken – auch

langjährige offizielle Porträtist des Kaisers.

als Verteidiger des christlichen Glaubens und vor

Außerdem ist unter ikonografischem Gesichtspunkt darauf hinzuweisen, dass die Integ-

allem des Mysteriums der Jungfräulichkeit Mariens aufgetreten war.

ration der Ikonografie der Einhornjagd durch die

Diese Idee ist zweifellos auf die Gewohn-

dem Defensorium entnommenen Elemente um die

heit zurückzuführen, die Verbindungen mit den

Zeit 1475–1480 zu erfolgen scheint, das heißt

bedeutendsten europäischen Familien öffentlich

wenige Jahre vor der Ausführung des Bozner Fres-

zur Schau zu stellen: Schon Maximilians Vater,

kos. Im Jahr 1475 wird von der Werkstatt Martin

Kaiser Friedrich III., hatte die Fassade der Ge-

Schongauers das große Tafelbild des Hochaltars

orgskapelle in der Wiener Neustädter Burg (die

für das Dominikanerkloster in Colmar ausgeführt,

er als Grabkapelle für sich selbst errichtet hatte,

das – obwohl es dem gleichen Orden wie Franz

in der aber dann Maximilian I. begraben wurde)

von Retz und das Bozner Kloster angehört – ei-

mit einer Wappenwand schmücken lassen, wäh-

ne Einhornjagd noch ohne diese symbolischen

rend Maximilian I. bei den 1495 begonnenen

Elemente aufweist (Abb. 20) (Colmar, Musée de

Bauarbeiten an der Innsbrucker Hofburg den mit

Unterlingen) . Doch in dem auf das Jahr 1480

vielen Wappenbildern versehenen Wappenturm

datierten, bekannten Stickteppich des Schweize-

hatte errichten lassen91. Durch die Präsenz in ei-

rischen Landesmuseums in Zürich (Abb. 21)

nem so niveauvollen biblischen Kontext wurde

werden sie schon mit vollen Händen aufgegriffen.

dieses Element zu einem Manifest der Macht des

Wie dieser Schweizer Wandteppich enthält

Habsburgerkaisers, der sich mit dem Titel eines

auch das Bozner Fresko ein gleichermaßen inter-

Verteidigers der Christenheit und besonders der

essantes Motiv, das – obwohl es im spätgotischen

Privilegien Mariens schmückt.

89

90

Panorama dieser Ikonografie im europäischen

Dank der heraldisch getreuen Wiedergabe

Raum nicht einzig dasteht – doch zu einem be-

der verschiedenen Wappen können aufmerksame

deutungsvollen Element wird, das anderen Ein-

Beobachter recht gut das dynastische Konzept ver-

hornjagden zu eigen ist, die in jüngster Zeit im

folgen und dabei auch die Zeit ausmachen, zu der

Trentiner-Südtiroler Gebiet entdeckt worden sind

die Einhornjagd ausgeführt wurde, nämlich post

und alle auf etwa die gleiche Zeit zurückgehen.

quem 1490. Nach Hye, der als Erster diese Un-

Auf dem Hintergrund der Lünette hebt sich

tersuchungsmethode anwandte, sind am oberen

der hohe Turm Davids ab (Abb. 6), an den Wän-

Register des Turms Davids – mit Ausnahme der

den viele Schilde, die sich direkt auf die Bibelstelle

Wappen an der Bekrönung, die zu klein sind, um

„Turris David quae mille clipeis erat communiuta“

nützliche heraldische Hinweise zu liefern – links

beziehen: „Wie der Turm Davids ist dein Hals,

das Wappen Österreichs (weißer Balken auf ro-

in Schichten von Steinen erbaut; tausend Schilde

tem Grund) zu erkennen, daneben das Wappen

hängen daran, lauter Waffen von Helden“ (Hld

der Stadt Bozen und das Bayerns, im mittleren

4,4). Wie beim Wandteppich im Schweizerischen

Register die Farben Kroatiens und wahrscheinlich

Landesmuseum in Zürich handelt es sich nicht

Ungarns und in der Mitte des unteren Registers

um Fantasiewappen, sondern – wie die Kunsthis-

das burgundische Wappen. Dieses letztgenannte

toriker schon bemerkt haben – um die Wappen

Wappen hatte Maximilian sich durch seine Heirat

der verschiedenen habsburgischen Kronländer.

mit Maria von Burgund im Jahr 1477 angeeig-

Der Bezug auf die kaiserliche Herrschaft, beson-

net, während das ungarische und das kroatische

ders auf Maximilian, ist so explizit, dass er an

Wappen erst nach dem 1490 erfolgten Tod von

eine ausdrückliche Absicht zur Akzentuierung

Matthias Corvinus in seinen „Waffenschatz“ auf-

21

21. Einhornjagd. Detail, Zürich, Schweizerisches Landesmuseum

225


genommen wurden92. Der rote Tiroler Adler, mit

sie gestiftet und ausgeführt wurde, besondere

bare Wappenbild angebracht wurde. Auch hier

dem Maximilian sich seit dem Jahr 1490 schmü-

Bedeutung zu, sondern auch in Anbetracht der

steht die Komposition unter starkem Einfluss

cken konnte, als er Tiroler Landesfürst wurde,

Tatsache, dass sie zu einem figurativen Vorbild

des Dominikanerfreskos, aber leider ist die Mal-

ist wahrscheinlich angesichts des schlechten Er-

wird: einerseits hinsichtlich der darin enthalte-

schicht trotz jüngst vorgenommener Restaurierun-

haltungszustands des Freskos insgesamt verloren

nen marianischen Thematiken, andererseits an-

gen so stark beeinträchtigt, dass die zahlreichen

gegangen , während das Fehlen des Wappens

gesichts der engen Verknüpfungen mit einem klar

Wappen, die auch hier auf der Spitze des Turms

der Sforza, deren Familie die zweite Gemahlin

begrenzten Kreis von Tiroler Familien, die unter

Davids wiedergegeben werden, nicht im Detail

Maximilians, die 1491 geehelichte Bianca Maria

den verschiedensten Aspekten mit Maximilian I.

erkenntlich sind.

Sforza entstammte, mit der Tatsache zu erklären

verbunden waren.

93

Das gesamte Primör unterstand zu jener Zeit

ist, dass diese Ehe ihm keinerlei territoriale Ge-

Wir begeben uns hier natürlich auf ein heik-

den Herren von Welsperg99, die sich zur Ausbeu-

winne eingebracht hatte. Wie wir sehen, werden

les Terrain. Aber bei einer genaueren Betrachtung

tung der reichen Erzlager der Mitarbeit verschie-

auf den komplexen, nach den Wünschen von

der Indizien, vor allem der immer wiederkehren-

dener Tiroler und deutscher Familien bedienten:

Gaudentius Botsch ausgeführten Malereien in

den heraldischen Elemente, könnte man doch

Unter den Wappenschilden am Turm Davids sind

der ersten Lünette des Dominikanerkreuzgangs

zu der plausiblen Ansicht kommen, dass das Ge-

mindestens die Wappen der Römer, der Neideck,

parallel zueinander zwei „ikonografische“ Ge-

heimnis der Jungfräulichkeit Mariens in einem

dieser nahen Verwandten des sehr kaisertreuen

schichten dargelegt: eine Hommage für Maria im

beschränkten Zeitraum – in den zwei Jahrzehnten

Trentiner Fürstbischofs Georg Neideck, und der

Kontext der Verherrlichung ihrer Jungfräulichkeit

um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert –

Botsch auszumachen. Und eben angesichts des

vor, während und nach der Geburt entsprechend

zu einem doktrinären Element wird, das fast als

Wappens dieser letztgenannten Familie ist nicht

den religiösen Vorstellungen seines Ambientes

Erkennungszeichen des Engagements zur Vertei-

auszuschließen, dass ein Familienmitglied – wie

und zugleich eine Huldigung für Maximilian I.

digung des christlichen Glauben gegen die Feinde

bei der Kirche in Obermais – das ikonografische

von Habsburg, der durch den Turm Davids und

eingesetzt wird.

Thema für die neu geweihte Pfarrkirche zumin-

dessen „tausend Schilde“ direkt auf den Plan gerufen wird.

Um das Jahr 1500 entsteht ein Fresko der

dest suggeriert haben könnte.

Einhornjagd in der Kirche St. Georg in Meran-

Gleichermaßen detailreich ist auch die Ein-

Bliebe noch die Frage, welche weitere tiefere

Obermais (Abb. 22), die – wie Andergassen

hornjagd in der Pfarrkirche Santa Maria Assunta

Bedeutung die im Vordergrund abgebildete Figur

bemerkt – trotz des geringeren Reichtums an

in Condino in den Äußeren Judikarien, das sich –

Gideons haben könnte. In der Tat erinnert diese

symbolischen Elementen von der Jagd bei den

wie in Fiera di Primiero – an der linken Wand des

Bibelgeschichte an den ideologischen Kontext

Dominikanern abhängt . Von der Tatsache ab-

Langhauses befindet100 (Abb. 24–25). Die lange

des Ordens vom Goldenen Vlies, der 1430 von

gesehen, dass es sich um eine Filialkirche der Zis-

lateinische Inschrift, die sich am unteren Rand der

Philipp dem Guten gestiftet wurde und dessen

terzienserabtei in Stams handelt (wo das schon

Szene hinzieht, ist durch die spätere Anlage des

Großmeister vom 13. Kapitel in Brügge am 1.

erwähnte Tafelgemälde der Familie Hauperger

heutigen Schnitzaltars aus dem 17. Jahrhundert

Mai 1478 an Maximilian I. war, als Nachfolger

mit den vielen Bezügen auf das Defensorium

teilweise verdeckt worden und somit nicht mehr

des Herzogs von Burgund. Eben in dieser Zeit

ausgestellt war), so ist nicht auszuschließen, dass

gänzlich leserlich, doch scheint die Jahreszahl

wurde – auf Rat des Bischofs von Châlons, Jean

auch hier die Botsch als Auftraggeber fungierten:

1504 auszumachen zu sein. Dieser Bezug stellt ein

Germain, und dann des Bischofs von Tournai,

Diese Adelsfamilie hatte mehrere bedeutende Be-

wertvolles Element zur chronologischen Abfolge

Guillaume de Fillastre, neben die ursprüngliche

sitztümer in der Meraner Umgebung , und am

der im Trentino und in Südtirol erhaltenen Ein-

Figur von Jason, dem Held der Argonauten auf

Turm Davids ist neben dem Wappen Tirols und

hornjagden dar und fällt darüber hinaus mit ver-

der Suche nach dem Goldenen Vlies, der biblische

Österreichs, der Herren von Villanders und der

schiedenen Freskierungskampagnen zusammen,

Held Gideon gestellt, der den Idealen zum Schutz

Römer auch das Botsch’sche Wappen zu erkennen.

die in der Kirche für verschiedene Auftraggeber

der Christenheit, die sich der Ritterorden gesetzt

Kurz zuvor, auf jeden Fall zwischen 1495

ausgeführt wurden, die sich – was die wenigen,

und 1500, ist auch das ähnliche Fresko an der

aber bedeutsamen Quellen bezeugen – sowohl

linken Wand der Pfarrkirche Santa Maria As-

an Künstler aus der nahen Brescianer Gegend

sunta in Fiera di Primiero entstanden (Abb. 23),

gewandt hatten als auch – was zweifellos der Fall

die nach umfassenden Umbauten im Jahr 1495

war – an deutsche Künstler101.

hatte, besser zu entsprechen schien. Die Nachfolge der Bozner Einhornjagd

96

97

Der Einhornjagd des Bozner Dominikanerkom-

neu geweiht wurde . Zu den Umbaukosten hatte

Noch interessanter ist – zumindest in Hin-

plexes kommt nicht nur wegen ihrer ikonogra-

auch Maximilian I. beigetragen, dem zu Ehren

blick auf die Annahme, dass die Anregung zu

fischen Gestaltung und des Kontextes, in dem

im Kircheninneren das dort noch heute sicht-

dieser Ikonografie um die Wende vom 15. zum

226

98


22

22. Einhornjagd, Meran (Obermais), Kirche zum heiligen Georg

227


23

23. Einhornjagd, Fiera di Primiero, Pfarrkirche Santa Maria Assunta 24. Einhornjagd, Condino, Pfarrkirche Santa Maria Assunta

228

24


16. Jahrhundert von Maximilian ausgegangen sein könnte – die Analyse des Turms Davids auf dem Fresko in Condino: Die heraldische Entschlüsselung der Wappen, die hier vielleicht präziser wiedergegeben werden als anderswo, könnte diese These bekräftigen. Hier finden sich folgende Wappen: im oberen Register Österreich und Liechtenstein, darunter Künigl, Weineck und Thun (altes Wappen), weiter unten Spaur und Welsperg und schließlich Trapp. Die „hierarchische“ Stellung des Liechtensteinschen Wappens spricht zweifellos dafür, dass es mit Ulrich IV. von Liechtenstein in Bezug steht, der von 1493 bis 1505 Fürstbischof von Trient war. In Condino weist die Lünette mit der Einhornjagd, im Vergleich zu den eben angeführten Bildern, ein weiteres ornamentales Register im unteren Teil auf: links ein kniender Ritter, der von einem heiligen Bischof empfohlen wird und

25

auf den eine kleinere Figur folgt (vielleicht ein Sohn oder ein Page), und rechts mehrere ebenfalls kniende Damen unterschiedlichen Alters, angefangen bei der angesehensten, die von einer Heiligen empfohlen wird. Trotz der schlechten Lesbarkeit dieses Teils der Malerei ist links doch das Wappenbild der Bozner Adelsfamilie der Weineck102 zu erkennen, sodass die männliche Figur mit aller Wahrscheinlichkeit als Johann (Hans) Weineck identifiziert werden kann, der – ein Mann von bewährter Treue Maximilian gegenüber – von 1491 bis 1516 tapferer und einflussreicher Hauptmann von Castel Stenico war103. Nach seiner Heirat mit Marta Neuhaus ging er 1497 eine neue Ehe mit Dorotea Thun ein. In diesem Zusammenhang mag daran erinnert werden, dass Dorotea Thun, nach dem Tod ihres Gemahls in der Schlacht von Anfo im Jahr 1516, eine zweite Ehe mit dem kaiserlichen Botschafter Andrea Borgo (Cremona 1467 – Bologna 1553) schloss, der dem Maler Marcello Fogolino um 1520 den Auftrag zum Altarbild für die dem Erzengel Michael geweihte Kapelle in der Kirche San Marco in Trient gab, wo seine im selben Jahr verstorbene Frau bestattet wurde104. Auch aus diesem Gemälde spricht die entschieden kaiserfreundliche Haltung des erlauchten Paars; denn

25. Einhornjagd, Condino, Pfarrkirche Santa Maria Assunta

229


26

der Erzengel Michael besiegt nicht, wie üblich,

neben der Dominikanerkirche Santa Anastasia

den Teufel, sondern er zertritt den Löwen, der sich

in Verona ausführte109 (Abb. 26). Die Datierung,

eindeutig auf das prestigeträchtige Wappentier der

die von den Kunsthistorikern inzwischen akzep-

Serenissima bezieht.

tiert worden ist, aber – angesichts der Lücke in

Doch Weineck tat sich nicht nur durch krie-

der langen Inschrift gerade an der Stelle, an der

gerische Unternehmungen und die Verwaltung

sich die Jahreszahl in römischen Ziffern befinden

der Bischofsburg hervor, die die Judikarien vor

müsste – nicht nachgewiesen werden kann, lässt

feindlichen Einfällen schützen sollte. Darüber

die Absicht durchscheinen, die Eroberung Vero-

hinaus förderte er, direkt oder indirekt, auch die

nas durch die Truppen Maximilians I. zu verherr-

Ausführung von Kunst- und Bauwerken: Beispiele

lichen: Am 14. Mai 1509 hatten die Franzosen

hierfür sind die von Cristoforo II. Baschenis 1496

den Venezianern in der Schlacht von Agnadello

in der Kirche San Felice in Bono geschaffenen

eine schwere Niederlage beigebracht, und Ma-

Fresken, auf denen sein Name in einer gemalten

ximilian hatte von der momentanen Schwäche

Inschrift zitiert wird , und sein steinernes Wap-

der Serenissima profitiert, um eine neue Offen-

pen am Portal der Kirche San Lorenzo in Vigo

sive gegen Süden einzuleiten, die ihm den Besitz

Lomaso, die um 1497 erweitert wurde .

von Rovereto, Riva del Garda und Ala einbrachte

105

106

Diese Persönlichkeit würde es verdienen, un-

sowie die Kapitulation von Verona, Vicenza und

ter historisch-archivalischem Gesichtspunkt aus-

Padua. Bischof Georg Neideck, von Maximilian

führlicher behandelt zu werden. Aber im Rahmen

zum kaiserlichen Statthalter in Verona ernannt,

dieses Beitrag reichen einige knappe Hinweise

hielt am 20. Oktober 1509 seinen feierlichen

aus. So ist die Tatsache bedeutsam, dass dieser

Einzug in die Stadt.

Hauptmann nicht nur ein getreuer Verbündeter

Wir wollen aber von Kriegsmanövern ab-

Maximilians I.107 war, der oft auf seine Dienste

sehen und uns im Augenblick auf die Heraldik

zurückgriff, um in den langen Jahren des vene-

beschränken. In den Wappen der unausbleibli-

zianischen Kriegs das von den Einfällen vom

chen Turris David der Veroneser Einhornjagd sind

Brescianer Gebiet her bedrohte Trentiner Terri-

schon seit etlicher Zeit der kaiserliche Doppeladler

torium zu befestigen, sondern dass er auch mit

ausgemacht worden, der sich auf Maximilian I.

dem jüngeren Caspar Künigl zu Ehrenburg eng

bezieht und von ihm nach seiner 1508 in Trient

verwandt war, da seine Mutter Agnes aus dieser

erfolgten Proklamation zum Kaiser benutzt wur-

Familie stammte. Und eben dieser Caspar Künigl

de, sowie die Wappen von Burgund, Österreich,

(1481–1541), ein Sohn von Gabein Künigl und

Tirol und Ungarn, die sich auf seine Besitze be-

Caterina Cles, wurde nach seiner frühen Beru-

ziehen, dazu dann das Scaliger-Wappen Veronas

fung an den kaiserlichen Hof von Maximilian

und das seiner namhaftesten Alliierten vor Ort,

zum Hofkommissar ernannt, und das gerade im

das heißt, des Hans Weineck und des Trentiner

entscheidenden Moment der Eroberung Veronas

Fürstbischofs Georg Neideck110.

durch den Kaiser im Jahr 1509 , um auf diese

Alle diese Elemente geben zu der Vermutung

Weise gemeinsam mit seinem Waffengefährten

Anlass, dass die Anregung zum südlichsten Bild

Weineck den Trentiner Fürstbischof Georg Nei-

dieser besonderen marianischen Darstellung, die

deck zu unterstützen.

im restlichen Italien unbekannt ist, von Weineck

108

26. Giovanni Maria Falconetto, Einhornjagd, Verona, Kirche San Giorgetto

230

Sowohl Weineck als auch Künigl sind auf

ausgegangen ist, der schon wenige Jahre zuvor den

dem letzten Beispiel einer Einhornjagd abgebil-

Anstoß zu dieser Malerei in der Pfarrkirche von

det, die mit der charismatischen Figur des Habs-

Condino gegeben hatte, also einem Ort in dem

burgerkaisers in Bezug gebracht werden kann:

von ihm von Burg Stenico herab kontrollierten

auf dem Fresko, das Giovanni Maria Falconetto

Gebiet der Lodron. Dies schließt allerdings nicht

(1468–1535) zwischen 1509 und 1510 in der

aus, dass die Überarbeitung der Komposition,

Kirche San Giorgetto (jetzt San Pietro Martire)

die einen gleich bleibenden Symbolgehalt auf-


wies, aber in der formalen Wiedergabe durch die

direkt auf das Defensorium von Franz von Retz

„Antikenpassion“ Falconettos erneuert worden

zurückgegriffen. In diesem Zusammenhang ist

war, durch die Tatsache begünstigt wurde, dass

auch zu unterstreichen, dass die lateinischen In-

die Veroneser Kirche dem bedeutsamen Domini-

schriften – soweit man dies angesichts der weni-

kanerkloster Santa Anastasia angeschlossen war,

gen lesbaren Reste behaupten kann –, die sich auf

wie das nahe Bozner Modell sich eben in einem

diese Quelle bezogen, nicht wörtliche Zitate aus

Dominikanerkonvent befindet.

der Schrift übernahmen, sondern sie, angesichts der belehrenden Verwendung auf einem Fresko,

Die Bozner Einhornjagd: Prototyp (oder nicht)?

verkürzten. So wird zum Beispiel aus der im Defensorium erwähnten Episode der Bärin, die ihre

In der Ermittlung und Katalogisierung der Dut-

Jungen mit der Schnauze formt (Abb. 27) („Ursa,

zende von Darstellungen, die die Einhornjagd als

si fetus ore rudes formare valet, cur virgo Gabri-

Allegorie des Geheimnisses der Jungfräulichkeit

elis ore non generaret?“111), einem im Vergleich

Mariens zum Thema haben, sind bemerkenswerte

zu den anderen Darstellungen neuen Element auf

Fortschritte verzeichnet worden. Zu klären sind

dem Veroneser Bild, die knappe Inschrift URSA

aber noch die religiösen Beweggründe, die die wei-

FETUM ORE FIGURAT.

te Verbreitung dieser Ikonografie in den Gebieten

Unter kompositorischem Gesichtspunkt

nördlich der Alpen gefördert haben, während sie

ist derzeit112 festzustellen, dass das Thema sehr

auf der italienischen Halbinsel keinen Widerhall

unterschiedlich strukturiert ist, mit Varianten

gefunden hatte. Weitere Recherchen müssten zur

hinsichtlich einzelner ikonografischer Motive,

Identifizierung der Darstellungen unternommen

die das Bozner Fresko – und somit auch das in

werden, die als Prototyp fungierten. Bei einem

Obermais und Fiera di Primiero – von der Vero-

auch nur oberflächlichen Vergleich einiger Werke

neser Arbeit unterscheiden, während sie, wie wir

tritt außerdem zutage, dass – neben dem zentralen

weiter oben dargelegt haben, in der Wahl der

Teil mit der durch die Einhornjagd versinnbild-

Texte übereinstimmen.

lichten Verkündigung an Maria – verschiedene Va-

Bei einem gewissenhaften Vergleich der

rianten bestehen, die vor allem die die Hauptszene

zwanzig und mehr symbolischen Themen, die in

umgebenden symbolischen Elemente betreffen.

die fünf Freskenbeispiele aufgenommen worden

Ein erster detaillierter Vergleich zwischen den

sind, kann man bei der ikonografischen Anlage

fünf hier dargelegten Beispielen führt zur gleichen

der Mystischen Einhornjagd, wie sie im ausgehen-

Schlussfolgerung. Allerdings glauben wir, ausrei-

den 15. Jahrhundert dargestellt wurde, mindestens

chend bewiesen zu haben, dass diese fünf Werke

zwei Varianten ausmachen. Die erste Fassung,

unter historischem Gesichtspunkt auf das Engste

die man in diesem Kontext als „Bozner Version“

miteinander verflochten sind: Ihr „gemeinsamer

bezeichnen könnte, zeigt Gottvater allein in den

Nenner“ ist die Glaubenskultur Maximilians I.

Wolken, Mose, der eine sonderbare Pose ein-

von Österreich, und der nonchalante Einsatz

nimmt und sich auf göttlichen Befehl die Schu-

des Bildes der „tausend Schilde“ am Turm Da-

he auszieht, die Jungfrau, die mit der erhobenen

vids zeugt von einem Umlauf unter kaisertreuen

Linken ihre Überraschung beim Erscheinen des

Tiroler Adelsgeschlechtern.

Einhorns zum Ausdruck bringt und mit der Rech-

Was die derzeit lesbaren Inschriften auf den

ten dessen Horn hält, einen runden versiegelten

untersuchten Malereien betrifft, so ist in den

Brunnen mit dem großen Nest, in dem der Peli-

Texten – sowohl in Bozen wie in Verona – eine

kan sich die Brust aufreißt, um seine Jungen mit

bemerkenswerte Präzision festzustellen, die auf die

seinem Blut zu erwecken, einen Jesaja, der sich

Kontrolle seitens eines gelehrten Dominikaner-

aus dem Turm einer befestigten Stadt lehnt, um

mönchs hindeuten könnte: In beiden Fällen wird

seine Prophezeiung zu formulieren. Auf der zwei-

zur Beschriftung der erklärenden Spruchbänder

ten Fassung, der „Condino-Version“, ist Gottvater

27

28

27. Defensorium inviolatae virginitatis Mariae, Saragossa 1485 (Ed. Hurus) 28. Meister Leonhard, Einhornjagd, Sv. Andrej (Dole), pri Krašcah, Kirche Sant’Andrea

231


dagegen von Cherubimköpfen umgeben, während

fischen Elemente setzt eine solide, breit gefächerte

das Jesuskind auf charakteristisch gestreckten

Bildung voraus. Erst mit der „regelnden“, engma-

himmlischen Wolken auf die Erde herabkommt,

schigen und ständigen Aktion, die die katholische

Mose ist in einer freieren Haltung wiedergegeben,

Kirche nach dem Konzil von Trient den Kritiken

die Jungfrau hält das Horn des Einhorns in der

der Protestanten entgegensetzte, sollte diese Art

Linken und streichelt den Kopf des stolzen Tieres

von Bildern allmählich ausgemerzt werden, im

mit ihrer Rechten, der versiegelte Brunnen hat ei-

Namen einer dogmatischen Purifikation und

ne sechseckige Wanne ohne das Pelikannest, das

einer Vereinfachung der Sprache, in deren Fol-

dagegen auf der Wiesenfläche daneben abgebildet

ge unvermeidlich auch Darstellungen wegfielen,

ist, und der Prophet Jesaja fehlt ganz.

die auf eine jahrhundertelange Geschichte und

Wir könnten diese Analyse der einzelnen iko-

ikonografische Schichtung zurückblicken konn-

nografischen Motive beliebig fortsetzen. Denken

ten und nicht nur zur Kenntnis der komposito-

wir beispielsweise an die Arca domini: Auf dem

rischen Verarbeitungsprozesse von erstrangiger

Bozner Bild wird sie durch eine Art Kasten mit

Bedeutung waren, sondern auch der progressiven

einem Satteldach dargestellt, gemäß einer auf den

Artikulation, die von der Glaubensvertiefung des

Abbildungen der Einhornjagd häufigen Lösung.

Betrachters herbeigeführt wurde.

In Condino dagegen flattert das Spruchband über einem stark untergliederten Bauwerk, das einer Kathedrale ähnelt, und in Verona wird sie von Giovanni Maria Falconetto und seinen Antikenreminiszenzen in eine Urne mit Löwenpfoten verwandelt. Doch damit noch nicht genug. Die „architektonische“ Lösung in der Darstellung der Arca domini ist auch auf einer 1504 datierten und von Meister Leonhard ausgeführten Einhornjagd in Slowenien zu finden, in der Andreaskirche in Sv. Andrej (Dole) pri KraŠcah113 (Abb. 28), in einer auch unter anderen Gesichtspunkten der eben beschriebenen „Tiroler” Fassung ähnlichen Arbeit (zum Beispiel in dem mit zeitgenössischen Wappen versehenen Turm Davids): ein beredter Beweis für die Tatsache, dass die Untersuchung eben erst begonnen hat, dass die Recherchen auf vielerlei Gleisen vorangetrieben werden können und dass auch Werke einbezogen werden müssen, die sich in nur scheinbar geografisch fernen Gebieten befinden. Eines aber ist sicher: Bei diesem Thema, das sich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts anfangs in deutschsprachigen Ländern verbreitet und dann mit seinem ganzen, reichen Symbolgehalt in der zweiten Jahrhunderthälfte entwickelt hatte, handelt es sich zweifellos nicht um eine „Malerei“ für Ungebildete; denn die Interpretation der präzisen doktrinären Bezüge der einzelnen ikonogra-

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1 Vgl. Werkner 1981, S. 101–105 und Hye 1990, S. 99–109. 2 Vgl. Hye 1999, S. 403–423. 3 Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Untersuchung von Dal Prà/Borrelli (derzeit in Druck) in: Atti dell’Accademia Roveretana degli Agiati. 4 Zur Gründung und Geschichte des Klosters siehe den Beitrag von Walter Schneider in der vorliegenden Publikation. 5 Zu diesem 1985 restaurierten Fresko siehe Rasmo 1953a, S. 7–8 und Spada Pintarelli/Bassetti 1989, S. 48. Das nicht alltägliche Thema ist, auch unter Bezug auf das Bozner Fresko, von Andergassen 1989, S. 317–332 behandelt worden. Zum Künstler siehe Madersbacher 1998a, S. 225–228, sowie den Beitrag von Silvia Spada Pintarelli in der vorliegenden Publikation. 6 Es ist Nicolò Rasmos Verdienst, anhand nur weniger heraldischer Indizien – wie dem Helmschmuck mit weißen und schwarzen Streifen und dem gleichfarbigen Federbusch – die abgebildete Person genau identifiziert zu haben: vgl. Rasmo 1941, S. 359–378, insbes. S. 361–366. 7 Lk 1,28: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“ und Lk 1,42: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen“. 8 „Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich.“ (Ps 85,11). 9 Im Physiologus, einem vielleicht im Ambiente von Alexandrien zwischen dem 2. und dem späten 4. Jahrhundert entstandenen Volksbuch, das die Tiere und ihre Merkmale anführt, heißt es: „Der Herr hat im Evangelium verkündet: ,Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen’ [Joh 10,18]. Und die Juden waren über diese Worte empört. In Indien gibt es einen Phönix genannten Vogel: Alle 500 Jahre begibt er sich zu den Bäumen im Libanon und tränkt seine Flügel mit Düften und kündigt sich dem Priester von Heliopolis mit einem Zeichen an, im neuen Monat, Nisan oder Adar, das heißt im Monat Famenòth oder Farmuthi. Der Priester kommt herbei und belädt den Altar mit Rebschößlingen: Der Vogel kommt voller Düfte nach Heliopolis und besteigt den Altar, und das Feuer entzündet sich von selbst und verbrennt ihn. Am nächsten Tag findet der Priester in der Asche auf dem Altar einen Wurm, am zweiten Tag

einen daraus entstandenen kleinen Vogel und am dritten Tag einen erwachsenen Vogel, der sich vom Priester verabschiedet und wieder nach Hause zieht.“ aus: Il Fisiologo, hg. von Zambon 1982, S. 45–46. Zum Passus aus dem lateinischen Physiologus vgl. Morini 1996, S. 25 und 27. Zum Symbolismus des Phönix siehe Levi D’Ancona 2001, S. 131–132. 10 Ein Löwe mit den von seinem Gebrüll zum Leben erweckten Jungen findet sich in einem Vierpass der Dekoration der Scrovegni-Kapelle in Padua, verbunden mit der Darstellung des leeren Grabs nach der Auferstehung Christi drei Tage nach der Kreuzigung, als typologische Vorausnahme des Neuen Testaments im Alten Testament: vgl. Sale 1999, S. 179–200 und Frugoni 2008, S. 247. Weiter im Physiologus: „ Als die Löwin ihr Junges zur Welt bringt, wird es tot geboren. Sie hütet das Junge, bis am dritten Tag der Vater anlangt, es anatmet und auferweckt. So hat auch unser allmächtiger Gott, der Vater aller Dinge, am dritten Tag seinen Sohn von den Toten auferweckt, den Erstgeborenen unter allen Kreaturen, unseren Herrn Jesus Christus, damit er das verirrte Menschengeschlecht rette.“ Aus: Il Fisiologo, hg. von Zambon 1982, S. 40, dazu der lateinische Physiologus in: Morini 1996, S. 12 und 13. Zum Glauben von den tot geborenen Löwenjungen siehe auch die gesammelten Zitate in: Levi D’Ancona 2001, S. 146–151. 11 „Da sagte Gideon zu Gott: Wenn du Israel wirklich durch meine Hand retten willst, wie du gesagt hast – sieh her, ich lege frisch geschorene Wolle auf die Tenne; wenn der Tau allein auf die Wolle fällt und es auf dem ganzen übrigen Boden trocken bleibt, dann weiß ich, dass du durch meine Hand Israel retten willst, wie du gesagt hast. Und so geschah es. Als er früh am Morgen hinkam und die Wolle ausdrückte, konnte er den Tau – eine Schale voll Wasser – aus der Wolle herauspressen. Darauf sagte Gideon zu Gott: Dein Zorn möge nicht gegen mich entbrennen, wenn ich noch einmal rede. Ich möchte es nur noch dieses eine Mal mit der Wolle versuchen: Die Wolle allein soll dieses Mal trocken bleiben und auf dem ganzen übrigen Boden soll Tau liegen. Und Gott machte es in der folgenden Nacht so: Die Wolle allein blieb trocken und auf dem ganzen übrigen Boden lag Tau.“ (Ri 6,36–40). 12 „Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht? Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.“ (Ex 3,2–5). 13 „Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel geben.“ (Jes 7,14). 14 „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe: Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel. Er zerschlägt Moab die Schläfen und allen Söhnen Sets den Schädel.“ (Num 24,17). 15 „Dann führte er mich zum äußeren Osttor des Heiligtums zurück. Es war geschlossen. Da sagte der Herr zu mir: Dieses Tor soll geschlossen bleiben, es soll nie geöffnet werden, niemand darf hindurchgehen; denn der Herr, der Gott Israels, ist durch dieses Tor eingezogen; deshalb bleibt es geschlossen.“ (Ez 44,1–2). 16 Die Porta Aurea, die das Geheimnis der unbefleckten Empfängnis Mariens versinnbildlicht, ist in diesem


Zusammenhang als Bestärkung der außergewöhnlichen Gaben der Jungfrau Maria anzusehen, aufgrund derer sie zur Erlösung der Menschheit durch den in ihrem Schoß inkarnierten Christus ausgewählt wurde. Vgl. Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, V, Stuttgart 1959, S. 247– 248 (P.Eich). 17 Nicht zufällig wird auf mehreren Beispielen dieser Darstellung auf dem Spruchband Gottvaters der Passus „Quia respexit Dominus humilitatem ancilla suae“ wiedergegeben (Lk 1,48: „Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“). 18 Zu einer ausführlicheren Behandlung des Themas des Einhorns siehe Einhorn 1998 (2. Aufl.) mit entsprechender Bibliografie. Schon dem Physiologus nach ist das Einhorn „ein kleines Tier, ähnelt einem Zicklein, hat aber einen gar scharfen Mut. Nicht vermag der Jäger ihm zu nahen darum dass es große Kraft hat. Ein einzig Horn hat es, mitten auf dem Haupte. Wie aber wird es gefangen? Man legt ihm eine reine Jungfrau, schön ausstaffiert in den Weg. Und da springt das Tier in den Schoß der Jungfrau, und sie hat Macht über es, und es folget ihr, und sie bringt es ins Schloss zum König. Dies wird nun übertragen auf das Bildnis unseres Heilands. Denn ‘er hat uns einen starken Retter erweckt im Hause seines Knechtes David’ [Lk 1,69] und wurde uns zum Horn des Heils. Nicht vermochten die Engelsgewalten ihn zu bewältigen, sondern er ging ein in den Leib der wahrhaftig und immerdar jungfräulichen Maria, und ‘das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt’ [Joh 1,14]“, aus: Il Fisiologo, hg. von Zamboni 1982, S. 60–61. Wir geben hier auch die Stelle aus dem späteren Fisiologo latino wieder, der mindestens seit dem 8. Jahrhundert in Umlauf war und kleine Varianten aufweist: „Es gibt ein Tier, das auf Griechisch monoceros heißt, auf Lateinisch unicornus. Der Physiologus schreibt diesem Tier folgende Merkmale zu: ein kleines Tier, einem Zicklein ähnlich, und sehr wild, mit einem Horn mitten auf dem Haupt, und kein Jäger kann es fangen. Aber mit diesem Trick fangen sie es: Sie führen eine Jungfrau in den Wald, in dem es lebt, und lassen sie dort mit ihm allein. Sobald das Einhorn die Jungfrau sieht, umarmt es sie, und während es in ihrem Schoß schläft, wird es von den Personen, die es belauern, gefangen genommen und im Palast des Königs zur Schau gestellt. So wurde auch unser Herr Jesus Christus, das spirituelle Einhorn, das im Uterus der Jungfrau zu Fleisch geworden war, von den Judäern gefangen genommen und zum Kreuzestod verurteilt, er, der bis dahin für uns unsichtbar beim Vater gelebt hatte und von dem David sagt: „Wie ein Einhorn wird mein Sohn geliebt.“ (Ps 28,6) aus: Morini 1996, S. 39 und 41. Zu weiteren Beispielen siehe auch Levi D’Ancona 2001, S. 189–190. 19 „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell.“ (Hld 4,12). 20 Wie es im Physiologus heißt, sagt David: „Ich bin wie ein Pelikan in der Wüste“ [Ps 101,7]. Der Physiologus führt an, „dass der Pelikan seine Jungen äußerst liebt: Sobald die Jungen etwas herangewachsen sind, schlagen sie die Eltern ins Gesicht und werden daher getötet. Doch von Mitleid gerührt, beweinen sie drei Tage lang ihre getöteten Jungen. Am dritten Tag schlägt die Mutter sich an die Seite, bis das herausströmende Blut sich über die Jungen ergießt und sie wieder zum Leben erweckt. So hat auch der Herr im Buch Jesaja gesagt: ‘Ich habe Söhne großgezogen und emporgebracht, doch sie sind von mir abgefallen’ [Jes 1,2]. Uns hat der Schöpfer aller Kreaturen hervorgebracht, und wir haben ihn geschlagen; und wie haben wir ihn geschlagen? Wir haben das Geschöpf verehrt statt des Schöpfers.

So ist unser Erlöser auf das Kreuz gestiegen und aus seiner Seite flossen Blut und Wasser zur Rettung und zum ewigen Leben: Blut, weil geschrieben stand: ‘Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet’ [Mt 26,27], Wasser zur Bußtaufe.“ aus: Il Fisiologo, hg. von Zambon 1982, S. 43. Zum lateinischen Physiologus siehe Bestiari medievali, hg. von Moroni 1996, S. 21. Außerdem Levi D’Ancona 2001, S. 175–176. 21 „Zu Aaron sagte Mose: Nimm ein Gefäß, schütte ein volles Gomer Manna hinein und stell es vor den Herrn! Es soll für die nachkommenden Generationen aufbewahrt werden.“ (Ex 16,33). 22 Das den Strauß betreffende Kapitel fehlt im griechischen Physiologus, findet sich aber in der lateinischen Version: „Wenn die Zeit kommt und der Strauß die Eier legen muss, erhebt er seine Augen zum Himmel und schaut, ob der Virgilia genannte Stern aufgegangen ist. Denn er legt keine Eier, solange dieser Stern nicht aufgegangen ist. […] Sobald der Strauß sieht, dass der Stern Virgilia am Himmel aufgegangen ist, gräbt er an einem einsamen Platz ein Loch in den Boden und legt dort seine Eier und bedeckt sie mit Sand. Wenn er aber fortgeht, vergisst er sofort auf die Eier und kehrt nicht mehr dorthin zurück. Denn dieses Tier ist von Natur aus vergesslich. Deshalb legt er seine Eier und bedeckt sie mit Sand gerade in dieser Zeit, denn die milde Jahreszeit und das gemäßigte Klima scheinen der Mutter genauso angebracht, die Jungen auszubrüten, wie sie es tun könnte: Und der vom Sommer brennend heiß gewordene Sand erwärmt die Eier und lässt die Jungen ausschlüpfen.“ aus: Bestiari medievali, hg. von Moroni 1996, S. 67 und 69. Isidor von Sevilla macht einen ausdrücklichen Hinweis auf die Rolle der Sonne, die den Sand erwärmt und somit die Eier ausbrütet und die Straußenjungen ausschlüpfen lässt (Lindsay 1991, Etymologiarum, ib. XII, Kap. VII, 91 in: P.L. 82, Sp. 461). Zu weiteren Hinweisen vgl. Levi D’Ancona 2001, S. 205–206. 23 „Erheb dich, Herr, komm an den Ort deiner Ruhe, du und deine machtvolle Lade“ (Ps 132 [131],8): Zur Beschreibung der Lade siehe Exodus 25,10–21. 24 „Turris David quae mille clipeis erat communita“, d.h. „Wie der Turm Davids ist dein Hals, in Schichten von Steinen erbaut; tausend Schilde hängen daran, lauter Waffen von Helden.“ (Hld 4,4). 25 „Dein Hals ist ein Turm aus Elfenbein.“ (Hld 7,5). 26 „Rede zu den Israeliten und lass dir jeweils von einer Großfamilie einen Stab geben, und zwar von der Großfamilie des Stammesführers, im Ganzen also zwölf Stäbe, und schreib ihre Namen darauf! Auf den Stab Levis schreib den Namen Aaron; denn auf jede Großfamilie eines Stammesführers kommt ein Stab. Dann leg die Stäbe in das Offenbarungszelt vor die Bundesurkunde, dort, wo ich euch begegne. Dann wird der Stab dessen, den ich erwähle, Blätter bekommen. So will ich vor mir das Murren zum Schweigen bringen, mit dem sie euch belästigen.“ (Num 17,17–20). 27 „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell.“ (Hld 4,12). 28 „Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt.“ (Lk 1,26). 29 Die Worte beziehen sich auf den berühmten Spruch von Bernhard von Clairvaux „Responde verbum et suscipe Verbum“ in den Predigten In laudibus Virginis Matres, Om. 4, 8 (in: Opere di San Bernardo, hg. von F. Gastaldelli, II. Sentenze e altri testi, Milano 1990, S. 126). 30 Das Zitat scheint sich auf einen Passus aus der Summa teologica von Thomas von Aquin zu beziehen und auf die „Notwendigkeit“, dass Christus von einer Jungfrau

geboren wurde: „hoc fuit conveniens dignitati humanitatis Christi, in qua locum peccatum habere non debuit, per quam peccatum mundi tollebatur, secundum illud Joan. 1, ‘Ecce Agnus Dei’, scilicet innocens, ‘qui tollit peccatum, mundi’. Non poterat autem esse quod in natura iam corrupta ex concubitu caro nasceretur sine infectione originalis peccati. Unde Augustinus dicit, in libro de Nuptiis et Concupiscentia [1.,1, 12]: ‘Solus nuptialis concubitus ibi non fuit’, scilicet in matrimonio Mariae et Joseph, ‘quia in carne peccati, fieri, non poterat sine ulla carnis concupiscentia, quae accidit ex peccato, sine qua concipi voluit qui futurus erat sine peccato’.“ aus: Summa theologica, III, S. 28, Art. 1 Tertio. 31 Zur Bedeutung des großen Papstes zur Mariologie siehe das entsprechende Stichwort im Marienlexikon, III, St. Ottilien 1991, S. 15 (R. Bäumer). 32 In einer zum Fest Mariä Verkündigung gehaltenen Predigt bezeichnet der Dominikaner bei der Erklärung der Worte des Verkündigungsengels „Ave, gratia plena…“ Maria als „socia Christi“, indem er ihre Aufgabe mit der Rolle Evas Adam gegenüber vergleicht, und er behauptet, dass sie frei vom Fluch Gottes war, der wegen der Erbsünde auf Eva lastete: ALBERTUS MAGNUS 1892 und 1898, S. 184. Im Allgemeinen vgl. Marienlexikon, I, St. Ottilien 1988, S. 79–86 (A. Fries). 33 Zu ausführlicheren Hinweisen auf diese besondere Darstellung der Verkündigung vgl. Lipinsky 1954, S. 253–264, Ibd. 1955, S. 63–65, Ibd. 1958, S. 250–2523, Guldan 1968, S. 145–169 und Galizzi 1992, S. 111–134. Zu Beispielen auf Trentiner Boden vgl. Dal Prà 2002, S. 31–77, insbes. S. 71–72. 34 „[L’arcangelo Gabriele] non volò si tosto che Dio Padre non vi giungesse prima di lui; e si truova la santissima Trinità [...] tutta la Trinitade sta quivi, e aspetta, e aspetta la responsione, e ‘l consentimento di questa sua figliola benedetta […] E alla perfine la savissima Vergine, udite le parole dell’angelo, si consentiò [...] Allora lo Figliuolo di Dio incontamente, senza dimoranza intrò nel ventre della Vergine tutto quanto, e di lei prese carne, ma non però di meno rimase tutto quanto nel seno del Padre [...] E in quel medesimo punto fue l’anima creata e messa nel ventre, e fue fatto perfetto uomo, secondo tutti i membri del corpo. Ma era si piccolino che poi cresceva naturalmente nel ventre, si come fanno l’altre creature.“ Italienischer Passus zitiert nach Lipinsky 1954, S. 256. 35 Vgl. Weingartner 1948, S. 50 und Abb. 125–126. 36 Stampfer 2002. 37 Zum Altarflügel im Museum siehe Spada Pintarelli 1995, S. 72. 38 Der heilige Antoninus von Florenz (1389–1459, heiliggesprochen im Jahr 1523) verfasste sein Hauptwerk, die Summa theologica, zwischen 1440 und 1459. Zu seinem Interesse für die zeitgenössischen Maler vgl. Gilbert 1959, S. 75–87. 39 Sant’Antonino, Summa theologica, III, Tit. 8, Kap. IV, Par. 11, zitiert nach Baxandall 1978, S. 55. 40 Paleotti 1582, Kap. II, S. 113. Das Thema wird – immer unter Bezug auf die Haltung des heiligen Antoninus – auch von Molanus 1594, Lib. III, Kap. 13, S. 121–122 und von Ayala 1730, Lib. I, Kap. 7, Nr. 3, S. 22–23 und Lib. IV, Kap. 4, Nr. 2, S. 200 behandelt. 41 Ein ausführliches Verzeichnis der eindrucksvollen Produktion an Werken und Gegenständen, die das Einhorn wiedergeben, wird geliefert von Einhorn 1998 (2. Aufl.), wo sich auch die entsprechende Bibliografie findet. 42 Honorius Augustodunensis: Speculum ecclesiae. De nativitate Domini, in: P.L. 172, Sp. 819: „Per bestiam hanc Christum exprimitur, per cornu eius insuperabilis fortitudo exprimitur. Qui in uterum Virginis se reclinans captus est

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a venatoribus, id est in humana forma inventus est a suis amatoribus.“ 43 Schröder 1926, insbes. V. 468–487 und 502– 505. 44 In festo Beatae Virginis Mariaer, Predigt 1, in: P.L. 183. Die Gerechtigkeit und die Wahrhaftigkeit werden durch zwei gleiche Hunde versinnbildlicht, die sich aber von den die Barmherzigkeit und die Friedfertigkeit symbolisierenden Hunden unterscheiden. Bernhard von Clairvaux als Quelle wird auch in den Meditationes vitae Christi von Johannis de Caulibus aus San Gimignano angeführt: siehe die Ausgabe hg. von Stallings-Taney 1997, S. 12–14. 45 Zu diesem Thema siehe Leclercq 1948, S. 53–72 und, bei besonderem Bezug auf die Einhornjagd, auch Guldan 1966, S. 117–118 und passim. 46 Honorius Augustodunensis: Speculum ecclesiae. In Annuntiatione Sanctae Mariae, in: P.L. 172, Sp. 904–905. 47 Zu dieser bedeutenden Schrift siehe Avril 1987 und, zu nützlichen Betrachtungen zu diesem Thema, wieder Guldan 1966, S. 60 ff. 48 von Schlosser 1902, S. 279–338, insbes. S. 287–303. 49 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae aus der Druckerei der Hurus in Saragoss ain Faksimile-Reproduktion, hg. von Schreiber 1910 und Isre (?) 1937, S. 3–4. 50 Franz von Retz wurde 1343 in Retz (Niederösterreich) geboren und starb 1427 im Alter von 84 Jahren. Er trat früh in den Dominikanerorden ein und wurde 1385 Dozent an der Universität Wien. Im Jahr 1388 wurde er vom Rektor Heinrich von Langenstein und in Anwesenheit der Erzherzöge Albrecht III. und Wilhelm zum Universitätskanzler und zum Propst der Stefanskirche ernannt. 1409 wurde er von der Universität Wien zum Konzil von Pisa entsandt. Retz, der 36 Jahre lang in Wien lehrte, verfasste zahlreiche Schriften zu Doktrin und Devotion, wobei ihm seine hervorragende Kenntnis der wichtigsten christlichen und profanen Texte wie auch der antiken Klassiker zugutekam. Vgl. Häfele 1918, insbes. S. 359–392 für das Defensorium. Außerdem Hahn 1904, S. 119–126, 179–188, 207–218, Defensorium 1954, Sp. 1206–1218 (F. Zoepfl), Defensorium 1967, Sp. 1282 ff. (E.M. Vetter) und Defensorium 1968, Sp. 499–503 (E.M. Vetter). 51 Zu einem Überblick über die gegensätzlichen Positionen und den entsprechenden Einfluss auf die damalige Kunst siehe Dal Prà 1988, S. 267–281, Galizzi Kroegel 2005, S. 215–251 und allgemeiner Morello/Francia/ Fusco, Milano 2005. 52 Vgl. Lutz/Perdrizet 1907. 53 In: P.L. 82, Sp. 74–727, Lindsay 1991. 54 Zu diesem Text vgl. Morini 1996. Zum Symbolgehalt der Bestiarien siehe Zambon 2003, S. 23–54. 55 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae: „Rinoceron si virgini se inclinare valet, cur verbum patris celici virgo non generaret“ (Wenn das Einhorn sich einer Jungfrau unterwirft, warum sollte die Jungfrau nicht das Wort des Vaters hervorbringen können?). 56 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae:„Pellicanus si sanguine animare fetus claret, cur Christum puro ex sanguine Virginis non generaret“ (Wenn der Pelikan seine Jungen mit seinem Blut zum Leben erweckt, warum sollte die Jungfrau mit ihrem reinen Blut nicht Christus hervorbringen können?). 57 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae: „Leo si rugitu proles suscitare valet, cur vitam a spiritu virgo non generaret“ (Wenn der Löwe seine Jungen mit seinem Gebrüll zum Leben erweckt, warum sollte die Jungfrau durch den Geist Gottes nicht Leben hervorbringen können?). 58 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae: „Fenix si in igne se renovare valet, cur mater Dei digne virgo non

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generaret“ (Wenn der Phönix sich im Feuer verjüngt, warum sollte die Jungfrau Maria nicht Christus hervorgebracht haben und Jungfrau geblieben sein?). 59 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae: „Si ova strutionis sol excubare valet, cur veri solis opere virgo non generaret“ (Wenn die Sonne die Straußeneier ausbrütet, warum sollte die Jungfrau nicht durch das Werk der wahren Sonne zeugen können?). 60 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae: „Psalmista: descendet sicut pluvia in vellus et sicut stillicidia stillantia super terram.“ (Ps 71,69). 61 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae: „Capitolo tercio libro exodi: Vadam et videbo visionem hanc inquam rubum.“ 62 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae: „Capitulo undecimo libro Numerorum: Germinabit virga eius quam elegero.“ 63 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae: „Ezechiel XLIV: Porta haec clausa erit et non apperietur et vir non intrabit.“ 64 Die zwei Fälle werden von Julius von Schlosser im schon erwähnten Beitrag eingehend behandelt. 65 Blockbücher von Walthern, Reyser, Hist und Ysenhut finden sich in der Staatsbibliothek München, mit den Signaturen xilogr 34; 4 inc. s.a.643; 4 inc. s.a.644 und 4 inc. s.a.645. 66 Ein Auszug aus dem Werk zeugt von der direkten Kenntnis des Defensorium: „Unica semper avis Foenix reparatur in igne. /Sic vitam miseris unica virgo parat…. Rhinoceros gremium ceu quei adire puelle: / Sic quoque virgineo vult deus esse sinu… Concipit e patrio pelicanus saguine vitam: / et leo rogitu, parturit ursa nare: /Strutionum phebo prolem excubat…Flagrat et intactum permansit ab igne rubetum…Area sicca manet, rorat quoque succida lana: et / vellere non riguo proxima terra madet. / Virginis intacte sic pneumate concipit alvus: / sic pluvia in matrem non nocitura cadit. / Arida que fuerat Aaron dat amigdala virga: / sicque novos fructus fert sine virgo viro…“ Auf die Herleitung vom Defensorium macht von Schlosser 1902, p. 292 aufmerksam. 67 Zu diesem Thema Huber 1968, S. 64–70 und Wolfsgruber 1989, S. 24–50. 68 Zuschreibung an Ruprecht Potsch und Datierung auf die Zeit um 1493 bei Wolfsgruber 1989, S. 27 und 36–37. Siehe jetzt Andergassen 2009, S. 304–307. 69 Dies die Symbole, die im Kreuzgang der Dominikaner in Bozen zu finden sind: „PELICANUS SI SANGUINE ANIMARE FOETUS CLARET, CUR PURO EX SANGUINE VIRGO NON GENERARET?”, „LEO SI RUGITU PROLES SUSCITARE VALET, CUR UNANIMO SPIRITU VIRGO NON GENERARET?”,„URSA SI FETUS ORE RUDES FORMARE VALET, CUR VIRGO NON GENERARET?”, „FENIX SI IN IGNE SE RENOVARE VALET, CUR MATER DEI DIGNE VIRGO NON GENERARET?”, „SI OVA STRUTIONIS SOL EXCUBARE VALET, CUR VERI SOLIS OPE VIRGO NON GENERARET?”. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Freskenmalereien der neunten Arkade im Brixner Kreuzgang ebenfalls mit der Rolle Mariens im göttlichen Plan zur Menschheitserlösung in Bezug stehen: Die Verkündigung wird von Themen begleitet, die auch in der Einhornjagd auftauchen, d.h. das Vlies Gideons, der Prophezeiung Jesajas und die Ezechiels, der brennende Dornbusch und der Stab Aarons. Zur schwierigen Datierung dieser Malerei siehe die in der Anmerkung 67 zitierten Beiträge. 70 Neri 1949, S. 171–225, Ibd. 1951, S. 181–214; Nada Patrone 1963, S. 166–236 und Varanini 2006, S. 19–20.

71 Vgl. Giordani 2002, S. 101–113: S. 103 „Strenuo equiti domino Gaudentio Botsch“. Die Botsch werden im Jahr 1361 in die Tiroler Adelsmatrikel aufgenommen und erwerben das entsprechende Wappen („in Silber, drei schwarze Streifen“): vgl. Tabarelli de Fatis/Borrelli 2004–2005, S. 62. 72 Besonders vgl. Balduzzi 2002, S. 101–113 und Garms-Cornides 1997, S. 239–258; Bettotti 2002, S. 451–474; Dalla Torre 2003, S. 12–14. Dazu in Bezug auf mehrere bedeutende künstlerische Aufträge seitens Nicolò Firmian, Marsilli 1994, S. 25–28 und passim, und Bacchi/Giacomelli 2008, S. 558–559, Nr. 140 (G. Dellantonio). 73 Zu dieser Adelsfamilie siehe Ausserer 1911 und Pfeifer 1997–1998, S. 105–107. 74 Mura 2007, S. 14. 75 Er stirbt 1513 in Augsburg und wird mit seiner Frau Barbara von Schroffenstein in dem Grab bestattet, das er in der Bozner Stadtpfarrkirche hatte errichten lassen. 76 Bei diesem Angehörigen einer wohlhabenden Augsburger Familie, der mit einer Sulzer verheiratet war, handelt es sich wahrscheinlich um Johannes Wirsung, der 1514 in der Bozner Stadtpfarrkirche ein Epitaph zum Gedenken an seinen verstorbenen Sohn Ambros errichten ließ, das Gregor Erhart zugeschrieben wird (dazu Söding 2007, S. 265). Ein anderes Mitglied der Familie, Alexander Wirsung, verkaufte Kaiser Maximilian I. 1515 um 350 rheinische Gulden einen Bauernhof mit Stall in Pergine Valsugana, der zum Gerichtssitz erwählt wurde: vgl. Ausserer 1995, S. 323, Anm. 3. 77 Der Brief, auf den mich Silvia Spada Pintarelli aufmerksam gemacht hat, findet sich im Südtiroler Landesarchiv. Ein derzeit nicht auffindbares Dokument gleichen Inhalts war noch im 18. Jahrhundert im Archivio Principesco-vescovile in Trient vorhanden, was aus dem präzisen Verzeichnis bei Ippoliti/Zatelli 2001, I, S. 855 (capsa 55,4) hervorgeht: „ Anno 1496, 29 aprilis Tridenti in arce Boni Consilii. Udalricus electus et confirmatus ecclesiae tridentinae committit Ioanni Kornhenn decretorum doctori et consiliario suo ut una cum deputatis a Maximiliano romanorum rege ad conventum fratrum Praedicatorum Bolzani se conferat et certis defectibus eorumdem provideat iuxta litteras suae regiae maiestatis.“ 78 Die unter der Leitung des aus Villach stammenden Baumeisters durchgeführten Bauarbeiten im Kreuzgang sind 1494–1495 in vollem Gange und werden von Maximilian mit 20 Gulden mitfinanziert: Vgl. Egg 1986, S. 217–247: 223 und Maredi-Rainer/Madersbacher 2007, S. 174–175, Nr. 17 (M. Laimer). 79 Vgl. Bietenholz/Deutscher 2003, S. 4–5 (R. Vinke). 80 Zu diesem für die Rosenkranzverehrung bedeutsamen Psalter, von dem sich ein Exemplar in der Staatsbibliothek München (4 Inc. s.a.1521) befindet, siehe Beissel 1909, S. 526–527. 81 Vgl. Guldan 1968, S. 165. 82 Zu diesem berühmten Gemälde und seinen Zusammenhang mit der Verbreitung der Rosenkranzverehrung durch den Dominikanerorden siehe Panofsky 1979, S. 146–149. 83 Vgl. Circa 1500 2000, S. 370–371, Nr. 2–15–4 (L. Madersbacher). 84 Vgl. Schmidt 2002–2003, S. 334–341. 85 Siehe jetzt den bedeutungsvollen Ausstellungskatalog Charles le Téméraire 2009, S. 346–361. 86 Der heilige Georg ist der Schutzpatron des gleichnamigen Ritterordens, der 1469 von Kaiser Friedrich III., Maximilians Vater, gegründet wurde und als Wappen einen Schild mit einem roten Kreuz auf weißem Grund hat.


87 Zu diesem bemerkenswerten Kachelofen siehe Gerola 1930, S. 88–101, Ringler 1955, S. 91–96, Ibd. 1965, sowie Egg 1994, S. 85–86 und Hörmann-Weingartner 2007, S. 562, Nr. 274. 88 Das Temperagemälde bildete den Votivaltar des Ehepaars Hauperger aus Hall in Tirol, deren Sohn Christophorus als Mönch in der Abtei Stams lebte, und es wurde 1426 für den Martinsaltar „in defensionemvierginitatis Mariae“ in Auftrag gegeben. Es besteht aus einem rautenförmigen Mittelteil, auf dem die von Aaron, Gideon, Mose und Ezechiel begleitete Jungfrau das Jesuskind anbetet, umgeben von dem Defensorium entnommenen, mit der Jungfräulichkeit Mariens zusammenhängenden Symbolen, während an den Flügelecken die Heiligen Johannes Evangelist, Thomas von Aquin, Ambrosius und Augustinus wiedergegeben werden. Vgl. von Schlosser 1902, S. 279–338, insbes. S. 288–289, Häfele 1918, S. 390 und besonders Atz 1905, S. 321–328. Zu einem Überblick aus jüngerer Zeit siehe auch Eines Fürsten Traum 1995, S. 553 (G. Ammann), Nr. 22.24 und Kofler Engl 2007, S. 337–338, Nr. 222. Auch Settis greift in seiner Geschichte von der von Zeus durch einen Goldregen geschwängerten Danaë auf den Text von Franz von Retz zurück, der dieses Begebnis als nützliches exemplum zum indirekten Nachweis der Jungfräulichkeit Mariens in sein Defensorium aufnimmt: vgl. Settis 1985, S. 207–237. 89 Martin Schongauer 1991, S. 78. 90 Rapp Buri/Stucky-Schürer 1995, S. 137–152 und Bartl 2003, S. 233–256. Zwischen diesem Werk und der Bozner Arbeit bestehen viele kompositorische Ähnlichkeiten, aber auch grundlegende Unterschiede, wie die Präsenz des Vlieses von Gideon im Inneren des Hortus conclusus im Gegensatz zum Dominikanerkreuzgang, wo es sich außen befindet, sowie die Einfügung der Gestalten Adams, der die Brust des Einhorns als Symbol der Erbsünde durchsticht, und Evas, die das aus der Wunde fließende Blut in einem Kelch aufnimmt. 91 Siehe hierzu die in der Anmerkung 1 zitierten Studien. 92 Zur komplexen heraldischen Identifikation siehe Hye 1990, S. 99–109, insbes. S. 104–109. 93 Nach seiner 1486 erfolgten Wahl zum deutschen König übernimmt Maximilian den einköpfigen nimbierten, nach rechts gekehrten schwarzen Adler, während er mit dem Antritt der Nachfolge des Erzherzogs Sigmund des Münzreichen am 16. März 1490 auch das Anrecht auf den roten Tiroler Adler gewinnt. Nach seiner am 4. Februar 1508 in Trient erfolgten Ernennung zum erwählten Kaiser macht er sich auch den mit einer Spangenkrone gekrönten kaiserlichen Doppeladler mit dem österreichisch-burgundischen Schild auf der Brust zu eigen. Vgl. Hye 1969, S. 56–77, insbes. S. 60 und 73 und jetzt Hye 2004, S. 82–90. 94 Zu diesem Gewirr aus symbolischen Bezügen – vom Orden vom Goldenen Vlies, der die Jungfrau Maria und den heiligen Andreas zu Schutzpatronen hatte, zum Hohelied König Salomos – gehört auch eine Figur, die oft in Zusammenhang mit Maximilian I. von Habsburg erwähnt wird: die um 1477 von Gérard Loyet ausgeführte goldene Medaille (Leyden, Cabinet des médailles) zur Heirat des künftigen Kaisers mit Maria von Burgund, die auf dem Recto die Inschrift TOTA PULCHRA ES AMICA MEA ET MACULA NON EST IN TE (Hld 4,7) mit den Abbildungen von Maria mit Kind, Andreas und Sebastian trägt, auf dem Verso dagegen die von der Kette des Goldenen Vlieses umschlossenen Wappen Österreichs und Burgunds, darüber eine herzogliche Kopfbedeckung mit der Aufschrift MAXI Z MARIA DEI GRA DUX Z DUCISS AUSTRIAE BG LOT RR Z. Vgl. Smolderen 1996, S. 165–183: 167 Nr. 4.

95 Siehe diesbezüglich Lemaire 1996, S. 84–90 und Quéruel 1996, S. 91–98. 96 Andergassen 1989, S. 317–332. 97 Schon Christoph II. Botsch wird als Eigentümer von Schloss Labers in Obermais erwähnt (Weingartner, IV, S. 202), während seine Söhne Gaudentius und Georg auch mit Burg Goien bei Schenna belehnt wurden. Vgl. Neri 1951, S. 181–214, insbes. 187–191 und 210. 98 Das Fresko wurde kürzlich Restaurierungsarbeiten unterzogen. Siehe dazu Taufer 2006, aber als nützlich erweist sich immer noch die Untersuchung von Fontana 1959, S. 111–141, die durch die bei der kürzlichen Restaurierung der Pfarrkirche erworbenen, von Ravagnan/ Bombonato 1997, S. 201–204 dargelegten archäologischen Daten zu ergänzen ist. 99 Papaleoni 1896, III, 2, S. 61–72, Toffol 2002. Zur Darlegung des historisch-wirtschaftlichen Umfeldes siehe Zieger 1975, passim, Gaudenz/Toffol/Zanetel 1993 und Pistoia 2001, S. 53–63. 100 Das Fresko, das schon vor längerer Zeit unter der Kalktünche zutage getreten war, wurde 2007, im Rahmen einer von der Firma Stefanini – Di Franco (Trento) durchgeführten und noch heute fortdauernden Sanierung des gesamten Bauwerks, vollständig restauriert. 101 Die alte Pfarrkirche Santa Maria Assunta in Condino wurde zwischen 1495 und 1505 vom Baumeister Albertino Comanedi aus Osteno (Como) errichtet, im Auftrag von Matteo Chizzola aus Brescia, der hier von 1470 bis 1499 Pfarrer war, und dessen Bruder Bernardino Chizzola, der – obwohl er in Brescia ansässig war – die Pfarre 1501 von ihm übernahm (er wird bis 1517 dokumentiert). Die Kirche wird 1510 von Francesco della Chiesa, dem Suffragan des Bischofs Georg Neideck, geweiht. Im Jahr 1504 werden dem Gastwirt ausgezahlte Ausgaben seitens der Gemeinde zur Erhaltung von dipintori tedeschi verbucht und von Brescianer dipintori, die sich länger aufhalten. Bedeutsam für die Geschichte der Pfarrkirche sind die von Giuseppe Papaleoni (Bianchini 1990) gemachten Studien, zu denen Untersuchungen von Agostini 1976 und Ibd. 1995 kommen, sowie weitere Notizen zu den in der Kirche aufbewahrten Kunstwerken des 16. Jahrhunderts bei Strocchi 2008. 102 Innerebner 1955, S. 104–117 und Zimmermann 1993, S. 18–28, 6–13, 8–17 und 5–11. 103 Verschiedene Hinweise auf diese Person liefert Lappi 2000, passim. 104 Gerola 1934, nachgedruckt in: Scritti, III, S. 1105 und Pranzelores, anastatischer Nachdruck 1992. Zu Andrea Borgo vgl. Dizionario Biografico 1970, S. 749–752. 105 Vgl. Passamani 1986, S. 503, Nr. 11. 106 Neben dem Neideckschen Wappen ist das der Liechtenstein zu erkennen, das sich wahrscheinlich auf den Fürstbischof Ulrich von Liechtenstein bezieht, und das der Familie Trapp, der Lehnsherren der nahe gelegenen Burg Campo. 107 In einer Urkunde vom 19. Juni 1497 bezeichnet Maximilian den Weineck vertraulich als Hanns unnsers dieners: vgl. Kustatscher 1996, II, S. 503, Nr. 990. 108 Caspar Künigl, dessen Familie 1511 in den Adelsstand erhoben wurde, kann einen unaufhaltsamen Aufsteig verzeichnen: Im Jahr 1513 wird er Hofmeister des Fürstbischofs Georg Neideck, bei dessen Tod übernimmt er das gleiche Amt bei dessen Nachfolger Bernhard von Cles, seinem Cousin. 1519 heiratet er Barbara, eine Tochter des Christoph Welsperg, mit der er drei Kinder hat. Im darauf folgenden Jahr begleitet er Cles zur Kaiserkrönung Karls V. nach Aachen, und bei dieser Gelegenheit wird er zum Ritter geschlagen. Er stirbt am 13. September 1541 und liegt in der Pfarrkirche in Kiens begraben. Zu diesen Notizen

siehe Lappi 2000, S. 77–79 und Künigl, S. 95–96. Vgl. außerdem Kustatscher 1996, passim. 109 Das Gemälde befindet sich in einer kleinen, 1238 aufgeführten Kirche, die schon Verbindungen zu Gebieten nördlich der Alpen hatte. Das Bauwerk wurde 1354 den im Dienst von Cangrande della Scala stehenden Brandenburger Rittern zugestanden, die sich in einer Kaserne der Scaliger an der rechten Platzseite einquartiert hatten. Vasari erwähnt das Gebäude wegen Falconetto, de Montaigne 1580 wegen der Inschrift (vgl. D’Ancona 1889, S. 119), von der Gerola als Erster eine Lektüre liefert: „… OMNIPOTENTIS SUAE…. GlorioSISSIMae VirgINIS MARIAE GLORIA OPUS HOC FIERI FECERUNT NOBILES ET GENEROSI VIRI IOANNES DE BAYNEC ET // CaspaR CHYNIGEL DE Ehrenburg….ET CONSILIARII TPRE RECUPERATI HUIUS URBIS DOMINII PER SERENISSIMUM…. MAXIMILIAMUM iMPERAtorem…M E…MIBUS DOM….I VENETORUM ANO DNI MCCCCC… ET MENSE IUNII.“ Vgl. Gerola 1912, S. 198–209, insbes. S. 208–209, Trapp/HörmannWeingartner 1989, S. 71–72, Hye 1983, S. 464–470: 470, Circa 1500 2000, S. 514–515, Nr. 3.3.11 (S. Lodi) und Lodi 2008, S. 449–460. 110 Hye 1983, S. 464–470: 470. 111 „Wenn die Bärin ihre rauen Jungen mit der Schnauze formt, warum sollte eine Jungfrau nicht gebären können?“ 112 Angesichts des Umfangs und der Komplexität des Themas behalte ich es mir vor, das Argument ausführlicher zu behandeln. 113 Gotik in Slowenien 1995, S. 279–280, Nr. 161 (J. Höfler).

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Beim Besuch der Kirchen in der Bozner Altstadt hat man den Eindruck, sich in einer überwiegend mittlelaterlichen Stadt zu befinden. Der in der Anlage und in den baulichen und bildhauerischen Elementen gotische Dom und das reich mit Statuen und Fialen verzierte „Leitacher Törl“, die Franziskanerkirche mit ihrem eleganten gotischen Chor und der achteckigen Turmspitze, die Dominikanerkirche mit den gotischen Fenstern am Choräußeren, im Inneren den hohen Strebepfeilern, die das Rippengewölbe tragen, und den vielen Fresken aus dem 14. und 15. Jahrhundert: Sie alle haben die Spuren dieser „finsteren“ Jahrhunderte bewahrt, die offensichtlich so finster

Das 17. und 18. Jahrhundert: die zerstreute Geschichte Silvia Spada Pintarelli

gar nicht waren. Im Vergleich dazu finden wir hier nur sehr wenige Kunstwerke aus den darauf folgenden Jahrhunderten. Da und dort ein Barockaltar, der sich aber kaum in Szene setzt. Selbst der mächtige Hochaltar von Jacopo Pozzo im Dom, dem das große, während des Zweiten Weltkriegs verbrannte Gemälde von Lazzerini fehlt1, fällt im Grunde kaum auf und ist letzten Endes eher Kulisse als Mittelpunkt der gesamten inneren Szenerie des Bauwerks. Was die Dominikanerkirche im 17. und 18. Jahrhundert angeht, so haben wir die Möglichkeit, die damalige Gestalt des Bauwerks anhand von ikonografischen Quellen und Urkunden und über Südtirol und das Trentino verstreute Einrichtungsgegenstände teilweise zu rekonstruieren. Und es erwarten uns nicht wenige Überraschungen. Vor unseren Augen erwächst das Bild einer Geschichte, die durch die Klosteraufhebung im Jahr 1785 und die Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg unwiederbringlich zerstreut worden ist, ja sogar unsere Wahrnehmung von der Vergangenheit der Stadt abgewandelt hat. Die äußere Gestalt der Kirche und des Klosters können wir anhand der – allerdings recht bescheidenen – vorhandenen Abbildungen nachvollziehen. Die im 18. Jahrhundert noch recht sporadischen Ansichten einzelner Stätten und Bauten vervielfachen sich im darauf folgenden Jahrhundert2, als der Gebäudekomplex schon seine religiöse Relevanz und demzufolge auch

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sein Interesse für die Vedutisten verloren hatte. Auf der Zeichnung Bozen von Süden, die Ludwig Pfendter 1607 ausführt3 und bei der es sich – die Zeichnung von Hörtmayr aus dem Jahr 1541 ausgenommen4 – um die erste wahre Darstellung der Bozner Altstadt handelt, präsentieren sich Kirche und Konvent noch in den Formen, die sie vor den barocken Umbauten hatten (Abb. 1). Zu erkennen sind der lang gestreckte Chor, das sehr hohe Dach des Langhauses5, der Kirchturm und die zwei mittelalterlichen Kapellen im Osten: die Nikolauskapelle (Botsch) und die Thomasvon-Aquin-Kapelle (Brandis). Anschließend der Kreuzgang und das weite, von einer Mauer umschlossene Gelände mit Garten und Weinbergen, das im Süden bis an den Eisack reichte und im Westen an die Talfer. Auf dem Kupferstich, den Matthäus Merian im Jahr 1649 für die Topographia Provinciarum Austriacarum (Abb. 2) ausgeführt hat, ist die kurz zuvor erbaute Dominikuskapelle (Merkantilkapel-

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le) zu sehen und vielleicht die Kapelle der heiligen Rosa: In der Ecke zwischen Kirchenschiff und Chor, wo sich die Kapelle unseres Wissens nach befunden hatte, erscheint ein einfaches Bauwerk; aber wenn es wirklich die Kapelle der heiligen Rosa wäre, würde die Brandis-Kapelle fehlen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat der Zeichner die Anlage ungenau wiedergegeben. Von der Kapelle der heiligen Rosa wissen wir im Übrigen kaum mehr, als dass sie zur Barockzeit errichtet wurde. Auch die Kuppel über der Merkantilkapelle ist nebenbei bemerkt recht fantasiereich ausgestaltet: rund, aber übermäßig lang und schmal. Nichts Neues bringen die Ansichten aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: die von Bodenehr (1704), die von Werner und Probst (1730), der Kupferstich von Engelbrecht und die

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originelle, um 1740 von Johann Gottfried Böck geschaffene Ansicht von Bozen6. Aus dem Jahr 1752 stammt dagegen das Gemälde, das uns den Schlüssel zu einer zuverlässigen Vorstellung von der äußeren Gestalt der Dominikanerkirche und des Klosters im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert liefert. Es handelt sich um eine Darstellung der Madonna mit Kind, umgeben von den Rosen-

1. Ludwig Pfendter, Blick auf Bozen von Süden, Bozen, Stadtmuseum 2. Matthäus Merian, Blick auf Bozen von Süden, Bozen, Stadtmuseum

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kranzgeheimnissen und begleitet von männlichen und weiblichen Ordensheiligen; zu ihren Füßen das Acheiropoieton des heiligen Dominikus von Soriano in den Händen des heiligen Antonino von Florenz O.P. und der heiligen Katharina von Siena7. Im unteren Bildteil eine große, aus der Vogelperspektive gesehene Ansicht von Kirche, Kloster und Nebengebäuden. Das Gemälde, das 1938 im „Schlern“ veröffentlicht wurde8, befand sich damals in der Kirche St. Martin in Kampill, aus der es dann 1964 entwendet wurde, aber es stammte aus dem Dominikanerkomplex. Es diente auch als Vorlage zu einem Kupferstich, der von der Rosenkranzbruderschaft als Zugehörigkeitsbescheinigung benutzt wurde (Abb. 3), wahrscheinlich auch für das von Hoeniger im Altbozner Bilderbuch9 veröffentlichte Wachsrelief, das einst im Salzburger Stift St. Peter aufbewahrt wurde, heute aber nicht mehr aufzufinden ist10. Alle diese Darstellungen zeigen den Gebäudekomplex auf dem glanzvollen Höhepunkt seiner Geschichte: Vor der Kirche mit den vier Seitenkapellen dehnt sich ein Vorhof aus, in dessen Umfassungsmauer sich das von zwei Pfeilern mit dreieckiger Spitze flankierte Eingangsportal auftut. Die Klosteranlage umfasst zwei Kreuzgänge und einen Innenhof, hinter dem sich ein großer, ebenfalls von Mauern umschlossener Weingarten ausdehnt. Auf dem Stich der Bruderschaft gehen die kleinen Details verloren, die auch auf der schlechten Reproduktion des gestohlenen Gemäldes nicht auszumachen sind. Auf der Nachbildung in Wachs sind dagegen die Arkaden des bis heute bestehenden Kreuzgangs mit den sich überschneidenden gotischen Wandpfeilern gut zu erkennen, aber auch der im Gebäudekomplex gelegene Garten mit den am Brunnen zusammenlaufenden Wegen. Der zweite (heute fast völlig zerstörte) Kreuzgang, der schmaler und länger war, besaß teilweise zugemauerte Arkaden mit Flachbogen, die auf Säulen mit einfachen Kapitellen ruhten11. Ein schönes Detail der barocken Kirchenfas3

sade liefert uns auch eine recht ungewöhnliche ikonografische Quelle: Es handelt sich um die

3. Aufnahmebescheinigung der Rosenkranzbruderschaft, Bozen, Propsteibibliothek

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Schießscheibe12, die 1755 anlässlich der Ernennung von Johann Baptist Zallinger Thurn zum


Domherrn mit einer Malerei versehen wurde, in deren unterem Teil die Dominikanerkirche abgebildet ist. Gut zu erkennen sind die Nikolausund die Merkantilkapelle, letztere mit der mit der Laterne versehenen und von einem vergoldeten Globus gekrönten Kuppel. Auf der Schießscheibe findet sich auch eine sorgfältige Wiedergabe des Kirchenportals, das von Säulen auf hohen Sockeln flankiert und von einem Dach überragt wird, unter dem sich ein Fresko mit Dominikanermönchen befindet. Darüber ist ein großes rundes Fresko erkenntlich, das mehrere Dominikanerheilige in Kontemplation eines göttlichen Geschehens (Marienkrönung?) darzustellen scheint. Vom Klosteräußeren finden sich mehrere um die Mitte des 18. Jahrhunderts geschaffene Darstellungen, keine dagegen vom Inneren des Gebäudekomplexes, das nur anhand von Urkunden und Dokumenten rekonstruiert werden kann. Auch in den Visitationsberichten13 finden sich keinerlei Hinweise. Ihnen können wir nur indirekte, wiewohl wertvolle Informationen entnehmen, die sich auf den Pastoralbesuch vom 22. März 1640 beziehen, als alle Kirchenaltäre vom Trentiner Fürstbischof Carlo Emanuele Madruzzo (neu?) geweiht wurden. Es handelt sich um den Rosenkranzaltar, den Verkündigungsaltar, den Heilig-Kreuz-Altar und den Dominikusaltar: alle mit vielen Reliquien ausgestattet14, die reiche Ablässe versprechen. Vom Rosenkranzaltar wissen wir, dass er auch schon zu einem vorherigen Zeitpunkt geweiht worden war, und zwar vom Brixner Bischof Simon Feurstein15, der am 27. Januar 1603 einen von der Rosenkranzbruderschaft gestifteten Marienaltar konsekrierte. Auch in der Anfang des 17. Jahrhunderts von Marx Sittich von Wolken4

stein verfassten Landesbeschreibung ist von einer Rosenkranzkapelle die Rede, die nach Ansicht des Autors vom Pfarrer Sigfrid Kolmer aus Mais (Meran) gegründet und Maria und den 24 Altvätern geweiht worden war: Es könnte sich um die Kapelle der heiligen Rosa handeln. Wolkenstein kannte sich in der Lage, der Geschichte und der Dedikation der mittelalterlichen Kapellen – der von den Botsch gestifteten Nikolauskapelle und

4. Altar, St. Jakob (Bozen), Kapelle des Soldatenfriedhofs

239


der von den Brandis gestifteten Thomas-von-

vom Auftrag und dem schon erwähnten Entste-

Aquin-Kapelle – offensichtlich aus16; denn er zeigt

hungsdatum, führt aber auch den Namen des

sich hinsichtlich der Lage der vielen Grabstätten

Malers an, bei dem Magdalena Pergmaschkerin

ausländischer und einheimischer Adelsfamilien in

die Altarmalereien „sammt anderen neben und

der Kirche wie im Kreuzgang bestens informiert,

obgemälden“ in Auftrag gegeben hatte: Es han-

ja er liefert ein detailliertes Verzeichnis und er-

delt sich um Johann Lüffl aus Krakau, der 1608

wähnt außerdem das Grab der Königin Anna von

durch die Heirat mit einer ortsansässigen Witwe

Böhmen, die dem Konvent ihre Krone und viele

das Bozner Bürgerrecht erworben hatte21.

17

5

Reliquien geschenkt hatte18.

Teil des Gemäldes hatte – wie aus der Dedikati-

ten Dominikusaltar kann als weitere Bestätigung

on des Altars zu schließen ist – ursprünglich wohl

dafür angesehen werden, dass die innere Gestal-

den heiligen Dominikus dargestellt22.

tung der Kirche schon vom frühen 17. Jahrhundert an abgeändert wurde.

6

5. Pfeiler mit Stuckkapitell, Bozen, ehemals Dominikanerkirche 6. Inneres der als Kaserne genutzten Dominikanerkirche 7. Zugangsbogen zur Brandiskapelle mit Stuckornamenten, Bozen, ehemals Dominikanerkirche (zerstört)

240

Doch kehren wir zur Altarweihe im Jahr 1640 zurück: Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie

Der Altar war von Magdalena Pergmaschke-

mit dem Abschluss der radikalen Umbauarbeiten

rin, der Witwe von Zaharias Schgraffer, in Auftrag

der Kirchenschiffe in Verbindung zu bringen, die

gegeben worden und kam bei der Klosteraufhe-

um oder kurz vor 1634 begonnen und dem Kir-

bung in die Privatkapelle des Ansitzes Niederhaus.

chenraum ein ganz und gar barockes Aussehen

Als der Edelsitz 1898 demoliert und durch das

verliehen hatten.

Hotel Bristol ersetzt wurde, das seinerseits in den

Die Pfeiler wurden mit Stuckmarmor über-

Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts abgerissen

zogen und mit ionischen Kapitellen versehen

wurde, beschloss die damalige Eigentümerin,

(Abb. 5), während die Zugänge zu den Seiten-

den Altar dem Soldatenfriedhof in St. Jakob zu

kapellen Umrahmungen und Ornamente erhiel-

vermachen, in dessen Kapelle er sich bis heute

ten. Wahrscheinlich wurde auch das Innere der

befindet (Abb. 4).

mittelalterlichen Kapellen abgewandelt. Diese

19

7

Der mittlere, jetzt nicht mehr vorhandene

Der Hinweis auf einen anderen, 1607 datier-

Der auf einer hohen Predella angebrachte

totale Umgestaltung des Bauwerks wird durch

Schnitzaltar weist zwei Säulen mit ionischen Ka-

aus verschiedenen Zeiten und Orten stammende

pitellen, einen gesprengten Giebel und Gebälk

Unterlagen bezeugt. Da sind in erster Linie aus

auf und wird von zwei nicht originalen Statuen

der Zeit, in der die Kirche als Kaserne diente23,

flankiert. Er schließt ein spitzbogiges Altarbild

mehrere Fotografien, auf denen die Pfeiler der

ein, dessen Mittelteil im 19. Jahrhundert entfernt

Schiffe gut sichtbar sind (Abb. 6), sowie eine

und durch eine Kopie des Mariahilf-Bildes von

weitere Abbildung wahrscheinlich aus derselben

Cranach dem Älteren ersetzt wurde20, einem in

Zeit, auf der die Eingangswand der (damals schon

ganz Tirol viel verehrten Gnadenbild, und später

abgerissenen) Brandis-Kapelle zu sehen ist. Sie

durch eine Sassoferrato nachempfundene Kopie

weist eine Umrahmung mit einem klassizistischen,

der Schmerzensmutter.

mit Ovuli, Palmetten und Rosetten verzierten

Der original erhaltene Teil des Altarbildes

Flachbogen auf, die zwei große Engel mit dem

stellt oben Gottvater dar und seitlich des moder-

von Kartuschen eingeschlossenen Wappen der

nen, eingefügten Teils zwei Engel und die Heiligen

Stifterfamilie einschließt (Abb. 7).

Jakob und Anna. Im unteren Teil des Gemäldes

Daneben haben sich einige Fragmente erhal-

tritt uns eine wahre Heiligenschar entgegen: ein

ten, die bei den Ausgrabungsarbeiten außerhalb

heiliger Ritter, Johannes Evangelist, Dominikus,

der Kirche und bei der Restaurierung des Chors

Sebastian, Barbara und Agnes, dann Joseph, Ste-

sichergestellt werden konnten24. Es handelt sich

fan, Felice da Cantalice, Laurentius, Franz von

um Kapitellvoluten, Bruchstücke eines Engels (ge-

Assisi, Antonius und Maria Magdalena. Ein im

faltete Hände, Flügel, Faltenwurf und Fuß) und

Altarinneren aufgefundenes Dokument berichtet

farblich unterschiedliche Marmorinkrustationen


(Salvoni/Fattoretto, Abb. 19–21).

Die Umgestaltung des Kirchenschiffs war

Alle Autoren, die sich vom 19. Jahrhundert

wohl gerade abgeschlossen, als man einen radika-

an mit der Dominikanerkirche befasst haben,

leren Eingriff anging: die Anlage der dem heiligen

geben negative Urteile über die Barockisierung

Dominikus (und dem heiligen Franz von Assisi)

ab, von Messner im Jahr 1857 („Die Pfeiler ha-

gewidmeten Kapelle, die als Merkantilkapelle

ben erst in neuer Zeit unpassende Capitäle erhal-

bezeichnet wird.

ten“)25, über Atz und Schatz, die dessen Ansicht

Über diese Angelegenheit sind wir sehr gut

nachbeten , bis hin zu Rusconi im Jahr 1935

informiert, da das Archiv des Merkantilmagistrats,

(„die großen, schweren ionischen Stuckkapitel-

das heißt des Stifters, im Gegensatz zu dem bei

le machten die massiven achteckigen Pfeiler des

der Aufhebung verloren gegangenen Klosterar-

15. Jahrhunderts noch schwerer.“) .

chiv noch erhalten und eingehend von Canali31

26

27

Josef Weingartner28 gibt 1926 eine präzise

untersucht worden ist.

Beschreibung der noch bestehenden Stuckaturen,

In diesem Zusammenhag ist auch zu berück-

besonders der Umrahmungen der Kapellenporta-

sichtigen, dass Bozen sich gerade im 17. Jahrhun-

le. Daraus geht hervor, dass sich die Eingänge der

dert von der schweren Wirtschaftskrise zu erholen

Nikolauskapelle und der Brandiskapelle glichen,

begann, in die die Stadt von 1525 an geraten war,

einzig mit dem Unterschied, dass die von Engeln

als Folge der sogenannten „Bauernkriege“, von

gehaltene Kartusche statt des Familienwappens

denen das ganze Land heimgesucht worden war.

der Brandis die Relieffigur von Christus als Richter

Der Aufschwung im 17. Jahrhundert ist zu

einschloss. Der Steinumrahmung zur prächtigen

einem großen Teil sicher den wirksamen Maßnah-

Merkantilkapelle war dagegen einfacher gestaltet,

men des 1635 gegründeten Merkantilmagistrats

mit Pfeilern und einem dreigeteilten Architrav.

und den von der Landesfürstin Claudia de’ Medici

Das Südtiroler Denkmalamt besitzt noch eine

erlassenen Messestatuten zu verdanken, die sich

Zeichnung, die vermutlich während des Res-

als avantgardistisches Werkzeug zur Entwicklung

taurierungsprojekts von Rusconi (1935–1940)

des Marktwesens in der Stadt erweisen.

ausgeführt worden ist und die Vorderseite der Kapellen wiedergibt (Abb. 8). 29

8

Die Geschichte des Merkantilmagistrats im 17. und 18. Jahrhundert, seine erstrangige Be-

Die von den Kunsthistorikern zum Ausdruck

deutung für die Stadt und auch sein Belang als

gebrachten abfälligen Urteile müssen natürlich

Kunstmäzen und -auftraggeber sind hinreichend

aus dem jeweiligen Zeitgeist heraus verstanden

bekannt und so ausführlich untersucht worden,

werden, der dem Barock kritisch gegenüberstand.

dass ich mich hier auf die entsprechenden bib-

Heute dagegen können sie – angesichts der ho-

liografischen Hinweise beschränken kann32. Zu

hen künstlerischen wie technischen Qualität der

einer Rekonstruktion der barocken Gestalt der

glücklicherweise noch erhaltenen Fragmente – oh-

Dominikanerkirche dagegen müssen wir kurz

ne Weiteres revidiert werden. Besonders elegant

auf die Unterlagen zurückgreifen, die sich auf

sind die Voluten der ionischen Kapitelle und die

den Bau und die Einrichtung der Merkantilka-

figürlichen Teile, wunderschön und sehr abwechs-

pelle beziehen – wobei wir uns, wie schon gesagt,

lungsreich der in verschiedenen Farbtönen schil-

auf die nicht mehr ganz neuen, aber noch immer

lernde Stuckmarmor. Auch wenn es uns bei dieser

maßgebenden Untersuchungen von Guido Ca-

Gelegenheit nicht möglich war, diese wenigen,

nali stützen.

aber wertvollen Stuckaturen stilistisch eingehen-

Die „Geschichte“ beginnt am 22. Dezember

der zu untersuchen, so glauben wir doch die Mei-

1634, als die Predigermönche sich mit einem

nung vertreten zu können, dass sie das Werk eines

Schreiben an den Merkantilmagistrat wenden

Künstlers „von den lombardischen Seen“ sind,

und den Kaufleuten die Möglichkeit in Aussicht

dieser in diesem Bereich tonangebenden Region,

stellen, in der Kirche, in der kurz zuvor – „zu

von der auch Südtirol direkt beeinflusst wurde30.

Ehre und Lobpreisung Gottes und der heiligen

8. Zeichnung der Ostwand des Kirchenschiffs, um 1935–40

241


Jungfrau Maria“ – die Umbauarbeiten begonnen hatten, einen oder zwei Altäre zu errichten33. In seiner Antwort bittet der Magistrat auch um eine Grabstätte an der für den Altar bestimmten Kapelle, und am 4. April 1639 stellen die Dominikaner ihm zwischen der Botsch- und der Brandiskapelle den Raum für eine neue Kapelle zur Verfügung. Der Entwurf wird noch im selben Jahr von „Mattio scultor di Trento“34 geliefert, und die Arbeiten, die während des Mittfastenmarkts 1640 beginnen, finden Anfang 1641 mit der Anbringung der vergoldeten Erdkugel auf der Kuppellaterne ihren Abschluss. Diese Kugel musste der Laterne im Jahr 1774, nachdem ein Sturm sie niedergerissen hatte, neu aufgesetzt worden und wurde bei dieser Gelegenheit mit einer Inschrift versehen, die an die Geschichte erinnert35. Am 28. April 1641 verpflichtet sich der Architekt Mattia Pezzi36 zur Ausführung des Marmoraltars, der gegen Ende des darauf folgenden Jahres beendet wird (Stampfer, Abb. 30). Die Arbeiten werden von 1644 bis 1651 unterbrochen, aber im Jahr 1652 wieder aufgenommen: Von diesem Zeitpunkt bis 1660 werden insgesamt 8153 Gulden ausgegeben: für die Fußbodenverlegung, 9

verschiedene Installationsarbeiten, die Ausführung des 1655 am Altar angebrachten Altarbilds von Guercino und von zwei großen seitlichen Gemälden. Die zwischen 1661 und 1670 aufgeführten Ausgaben betreffen silbernes Kirchengerät und liturgische Gewänder. Der am 14. Juni 1679 unterzeichnete Vertrag, in dem die gegenseitigen Rechte und Pflichten zur Kapellennutzung festgelegt werden, besagt, dass die Kapelle zu diesem Zeitpunkt von beiden Seiten als hinlänglich vollendet und ausgestattet angesehen wurde. Die Punkte 3 und 4 des Abkommens betreffen eigens die suppellectilia, et ornamenta generis cuiuscunque facta, die nur für die Erfordernisse der Kapelle und der dort zelebrierten Messen benutzt werden durften, und zur Aufbewahrung dieser Kirchengeräte musste im Kloster ein eigener Raum zur Verfügung gestellt werden, zu dem es nur zwei

9. Domenico Tomezzoli, Hoffnung, Bozen, Dominikanerkirche, Merkantilaltar

Schlüssel gab: Einen behielt der Merkantilmagist-

10. Guercino, Wunder von Soriano, Bozen, Dominikanerkirche, Merkantilaltar

1684 führt der Bildhauer Domenico Tomez-

242

rat, den anderen die Dominikaner.


zoli die Statuen des Glaubens und der Hoffnung (Abb. 9) sowie zwei Engel für den Altar aus, im darauf folgenden Jahr 1685 dann die zwei großen Marmorreliefs mit dem Emblem und dem Wahlspruch des Merkantilmagistrats sowie einer Inschrift (Alberti, Abb. 20). Weitere Ankäufe von Ausstattungen und Paramenten werden von 1688 bis 1712 verzeichnet. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts werden die Finanzen des Magistrats zwar vom Bau des neuen Merkantilpalastes zwischen den Lauben und der Silbergasse aufgezehrt, doch die Kapelle in der Dominikanerkirche wird deswegen ganz und gar nicht vernachlässigt. Im Jahr 1712 wird ein neuer Fußboden verlegt, und 1714 wird der nach Bozen überführte Leichnam der Märtyrerin Victoria in einer reich verzierten Urne über dem Altar angebracht, während das Blut der Heiligen und ein Splitter des Heiligen Kreuzes in silbernen Reliquiaren aufbewahrt werden. 1750 werden das von Guercino geschaffene Altarblatt und die beiden seitlichen Gemälde vom Veroneser Maler Pietro Antonio Perotti restauriert. Die Merkantilkapelle findet großen Anklang. In Lobeshymnen ergehen sich auch zwei illustre Reisende, die im 17. Jahrhundert nach Bozen kommen: der Marchese Filippo Corsini, der den Großherzog von Toskana, Cosimo III. de’ Medici, in den Jahren 1667-1668 auf einer Tirolreise begleitet37, und Daniel Papebroch38, der 1660, also wenige Jahre zuvor, in die Talferstadt kommt. Der 1628 in Antwerpen geborene Papebroch beginnt seine Ausbildung am Jesuitenkolleg seiner Heimatstadt, um dann Philosophie in Douai (Frankreich) zu studieren, Theologie in Löwen (Belgien) und wieder Philosophie bei Jean Bolland in Antwerpen. Mit 18 Jahren tritt er in den Jesuitenorden ein. Von 1660 bis 1662 begleitet er Gotfrid Henschen, einen Mitarbeiter von Jean Bolland, auf einer Romreise, auf der er zur Vervollständigung der Acta Sanctorum39 in den Bibliotheken Roms und der unterwegs besuchten Städte Recherchen anstellen wollte. Bolland ist krank und kann daher die Romreise nicht unternehmen, und wahrscheinlich ist das von Papebroch auf Lateinisch abgefasste Reiseta-

10

243


gebuch eben diesem illustren Jesuiten gewidmet.

Marmor, die viereckigen Säulchen aus schwar-

Es finden sich viele Beschreibungen von Kirchen

zem, weiß geädertem Marmor. Roter Marmor

und Klöstern, die oft mit Sakralbauten in Belgi-

ist in Belgien nicht bekannt. Er ist sehr reizvoll,

en verglichen werden, und hier und da gibt fehlt

und allgemein spielt er nicht so sehr ins Purpur-

es auch nicht an Hinweisen auf die Speisen der

rot, sondern vielmehr ins auriac, im Vergleich zu

verschiedenen Orte.

dem er aber weniger gelb ist.“

Papebroch kommt am 11. Oktober 1660

So können wir uns – durch die Augen eines

gegen Mittag in Bozen an. Wenige Zeilen sind

Reisenden der Vergangenheit – ein Bild von der

der Stadtpfarrkirche gewidmet, er hat keine Zeit,

prachtvollen Kapelle machen. Der Fußboden, der

die Franziskaner- und die Kapuzinerkirche zu

auf den Jesuiten so großen Eindruck machte, war

besichtigen. Doch dann schreibt er: „Aber nichts

kurz zuvor (1659–1660) von Terzi aus Verona

hat uns bei unserem Besuch mehr überrascht als

ausgelegt worden, der dafür „1424 fl. E 56 kr“41

die Dominikanerkirche dieser Stadt, und dort be-

erhalten hatte. In einer Hinsicht haben wir aber

sonders die den Heiligen Dominikus und Franz

mehr Glück als Papebroch: Wir können das Al-

von Assisi geweihte Kapelle“. Seine begeisterte

targemälde sehen, das am 11. Oktober 1660 noch

Beschreibung der Merkantilkapelle verdient es,

von einem Tuch verdeckt war. Das Bild stellt das

vollständig wiedergegeben zu werden .

Wunder von Soriano (Abb. 10) dar: Dem Domi-

40

11

„ 6 Das Innere der mittleren Kapelle würde

nikanerkonversen Lorenzo da Grotteria erscheint

auch in meiner Heimat in Antwerpen Bewun-

am 15. September 1530 im Dominikanerkloster

derung und den Wunsch zur Nachahmung er-

in Soriano Calabro die Madonna mit Katharina

wecken. Sie hat außer einem großartigen Altar

von Alexandrien und Maria Magdalena. Als die

mit Marmorintarsien eine kunstvoll ausgeführte

Vision verschwindet, erhält der Mönch als Ge-

Kuppel, die durch acht große, unter dem Dach-

schenk ein nicht von menschlicher Hand gemaltes

gesims gelegene Fenster erhellt wird. Das Innere

Dominikusbild.

wird durch Gemälde mit Szenen aus dem Leben der beiden Heiligen ausgeschmückt.

12

Die Entscheidung für dieses ikonografische Thema wird vom Merkantilmagistrat während

7 Der sehr schöne Fußboden ist bestens auf

des Bartholomäusmarkts 1653 getroffen, und

die Kuppel abgestimmt. In der Mitte befindet

der Konsul Bernardino Borno aus Verona wird

sich ein vielstrahliger Stern aus rotem, weißem

beauftragt, mit Guercino Kontakt aufzunehmen.

und schwarzem Marmor, umgeben von Kreisen

Das Gemälde wird vom Künstler nach etlichen

aus mehrfarbigem Marmor und mit folgender In-

Wechselfällen und Missverständnissen ausgeführt

schrift im Zentrum: Dies ist ein sicherer Platz für

und, wie gesagt, im Jahr 1655 aufmontiert42. Es

diejenigen, die sich den irdischen Beschäftigungen

übersteht die Klosteraufhebung, da der Merkan-

widmen. Der dreifarbige Marmor ist in diesen

tilmagistrat sich entschieden der Forderung des

Kreisen so ausgelegt, dass er wie eine Welle an-

Kreisamtes widersetzte, das das Gemälde und

zuschwellen scheint, und der äußere Kreis geht

den Altar einziehen wollte, und nach einem von

allmählich in ein Quadrat über.

1785 bis 1790 währenden Streitverfahren kann

8 An beiden Seitenwänden und am Altar

der Magistrat seine Rechte als Besitzer geltend

befinden sich Bilder, die wir aber nicht sehen

machen und beschließt, es der Stadtpfarrkirche

konnten, da sie verhängt waren.

zu vermachen – zusammen mit den Reliquien

9 Drei Stufen aus rotem Marmor führen in

der Heiligen Firmus und Crescentius, die sich

die Kapelle und weitere drei zum Altar. Die un-

im Altar befanden43, mehreren Messgewändern

teren Stufen werden rechts und links von einer

aus Karmesin- und Golddamast, die der Händ-

11. Reliquienmonstranz, Bozen, Domschatz, wahrscheinlich aus dem Dominikanerkloster

Marmorbrüstung verziert, die in der Mitte eine

ler Andrea Guidotti dem Magistrat im Jahr 1688

12. Priestergewand, Bozen, Domschatz, wahrscheinlich aus dem Dominikanerkloster

Passage durch ein vergoldetes Gitter frei lässt.

zu der ebenfalls ansehnlichen Summe von 820

Das Geländer dieser Brüstungen war aus gelbem

Gulden44 geliefert hatte, dem silbernen Kirchen-

244


gerät und den Paramenten, auf die wir noch zu

in der Dominikanerkirche und allgemeiner aus

in der Folge zerlegt wurde, fand sich die Inschrift

sprechen kommen. Der Altar kehrt 1972 in die

dem vor allem im 17. Jahrhundert bekundeten

FRANZISKUS KERN IN AUGSBURG / HAT

Dominikanerkirche zurück und wird in einer ei-

Mäzenatentum des Merkantilmagistrats eindeutig

MICH GEGOSSEN 1709: ein Beweis also für

gens am Standort der Brandiskapelle errichteten

hervor, dass man Künstler heranzuziehen suchte,

die Augsburger Herkunft52.

Kapelle aufgestellt .

die aus denselben Gegenden wie die „ausländi-

Die meisten Stücke (Abb. 11) kommen,

45

Bei dem großen Altarblatt von Guercino,

schen“ Händler stammten, ja bisweilen sogar mit

wie schon gesagt, aus Augsburg, das damals auf

das – wie überhaupt das Spätwerk des Künstlers

ihnen verwandt waren48: zur Zufriedenheit aller.

dem Gebiet der Gold- und Silberschmiedekunst

aus Cento – bei der Kritik lange und zu Unrecht

Die einzige Ausnahme bildet vielleicht gerade der

keine Rivalen hatte, während die einheimischen

geringe Beachtung gefunden hatte, handelt es sich

Auftrag an Guercino, der per chiara fama gewählt

Goldschmiede, unter denen sich wahre Meister

in Wirklichkeit um ein sehr elegantes, ausdrucks-

wurde und von Borno in einem Schreiben vom 4.

dieser Kunst befanden53, vor allem zweitrangige

reiches Gemälde, dem auch anzusehen ist, dass er

Dezember 1654 – vielleicht etwas prahlerisch – als

Arbeiten wie Reparaturen und Polituren auszu-

sein Metier verstand.

„nach allgemeiner Ansicht bester Maler Italiens“

führen hatten. Unter den Bozner Goldschmieden

bezeichnet wird“.49

verdienen mehrere eine besondere Erwähnung:

Das klassizistisch geprägte Werk des Künstlers, der auf der Suche nach Gleichgewicht zwi-

Wer von 1679 an die Kapelle betrat, konnte

Johann Wildt fertigt 1716 für die Dominikaner

schen der emilianischen und der römischen Ma-

vor dem Altar einen großen silbernen Leuchter

eine figurenreiche Kreuzpartikelmonstranz aus

lerei schwankte und diese Harmonie auch durch

hängen sehen, ein „ewiges Licht“, wie es im De-

vergoldetem Silber an und 1732 auch ein silber-

sein sprichwörtliches Kolorit (das Guercino-Blau)

kret vom 23. Juni 1689 festgelegt worden war .

nes Reliquiar für das Blut der Märtyrerin Victoria.

erreichte, bildete sicher einen schönen Gegensatz

Die Lampe, die aus drei die Ölgefäße haltenden

Kaspar und vor allem Mathias Schmidt war nicht

zum zweiten großformatigen Bild, das sich in

Engeln bestand und sechs Arme für die Kerzen

nur Goldschmied, sondern er tat sich auf diesem

der Kapelle befunden hatte, von dem wir aber

aufwies, wog 825 Lot51 und hatte die ansehnliche

Sektor auch als Händler hervor. Auch Martin

heute nichts mehr wissen. In den Rechnungsbü-

Summe von 975 Gulden gekostet. Der Entwurf

Weiss erscheint häufig in den Rechnungsbüchern

chern des Merkantilmagistrats ist während des

war in Mailand angefertigt worden, aber der

des Merkantilmagistrats, für den er mehrfach als

Bartholomäusmarkts 1657 eine Anzahlung von

Leuchter kam aus Augsburg – wie der größte Teil

Schätzer tätig ist: Nach der 1679 unterzeichneten

168 Gulden und dann ein Saldo von weiteren

des reichen, vom Magistrat gestifteten Silberge-

Vereinbarung kommt ihm die Aufgabe zu, das

55 Gulden für „ein von Pietro Liberi in Venedig

räts der Kapelle, deren Messen den Kaufleuten

Silbergerät der Kapelle zu wiegen, wonach ein

geschaffenes Dominikusbild für die Merkantil-

vorbehalten waren, die die vier jährlichen Bozner

genaues Inventar aufgestellt wurde.

kapelle“ verzeichnet . Der venezianische, aber in

Märkte besuchten.

46

50

Im 18. Jahrhundert taucht in den Rech-

Padua beheimatete Künstler zeichnet sich durch

Der erste Ankauf von Silbergerät, der in den

nungsbüchern mehrmals Johann Georg Milser

lebhafte, ja fast ungestüme Werke mit bewegten

von Guido Canali sorgfältig analysierten Aus-

auf, der in den Jahren 1751, 1753, 1754 und 1756

Figuren aus, durch helle, leuchtende Farben,

gabenbüchern des Merkantilarchivs verzeichnet

als Goldschmied für Reparatur- und Restaurie-

durch Reminiszenzen an Paolo Veronese – alles

wird, erfolgt 1664, aber auch in den darauf fol-

rungsarbeiten bezahlt wird. Sein Name ist aber

in allem also durch einen Stil, der sich stark von

genden Jahren werden noch silbernes Kirchenge-

aus einem völlig anderen Grund untrennbar mit

der würdevollen und gemessenen Ausdruckswei-

rät und Paramente erworben. 1664 werden sechs

dem Geschick der Merkantilkapelle verbunden.

se des als Guercino bekannten Giovan Francesco

Kandelaber und ein silbernes Kruzifix angekauft,

Im Jahr 1783 waren in Bozen schon Stimmen

Barbieri unterscheidet.

1678 weitere zwei Leuchter und im folgenden

von einer möglichen Aufhebung des Dominika-

Gar nichts können wir dagegen über das

Jahr ein „Rauchfass samt Schiffl“ und zwei Am-

nerklosters laut geworden, und um einem mögli-

Aussehen des dritten in der Kapelle vorhandenen

pullen aus vergoldetem Silber, und dazu die schon

chen Verlust der Geräte und Schätze entgegenzu-

Gemäldes sagen, das ein Pendant zum Bild von

erwähnte Lampe. 1681 dann werden noch acht

wirken, für die er im Laufe der vorausgegangenen

Liberi bildete. Es stellte den heiligen Franz von

Leuchterdillen und ein mit Silber beschlagenes

150 Jahre so hohe Summen aufgewendet hatte,

Assisi dar, und mit der Kommission war 1656 der

Messbuch erworben.

beeilte sich der Merkantilmagistrat, ein Inventar

Mailänder Händler G. Carminati beauftragt wor-

Im Jahr 1709 wurden einem gewissen Herrn

aller Gerätschaften aufzustellen und die Gegen-

den. Zwei Jahre später wird eine Zahlung in Höhe

Inpaumgarten 875 Fl 10 kr für zwei große Ker-

stände von Pietro Delai und Franz Milser, einem

von 507 Fl 47 kr registriert . Carminati hatte sich

zenhalter aus Messing ausgezahlt. In einem der

Sohn Johann Georg Milsers, schätzen zu lassen,

vermutlich an einen Mailänder oder zumindest

beiden Kerzenträger, der bei den Bombenangrif-

um sie dann einzuziehen. Zwei Jahre später, am

lombardischen Künstler gewandt. Im Übrigen

fen auf die Bozner Stadtpfarrkirche (wo er sich

6. Juli 1785, erwarb Johann Georg Milser diesen

geht aus der Wahl der Ausstattung dieser Kapelle

damals befand) am 13. Mai 1944 beschädigt und

„Schatz“, der insgesamt 2388 und ¼ Lot wog,

47

245


um 2627 Fl 4 kr. So ging, wahrscheinlich für die

wegen der bissigen und ironischen Bemerkungen

Milsersche Werkstatt eingeschmolzen, das gesamte

des Kanonikers selbst.

Silbergerät der Kapelle verloren, mit Ausnahme der 1719 von Wildt geschaffenen Monstranz und

«An die Löbliche Handels- und Gewerbekam-

eines Gestells aus versilbertem Kupfer zur Expo-

mer dahier

sition der Allerheiligstenmonstranz, für die 1764

13

13. Kanzel, Völs am Schlern, Pfarrkirche

246

ein nicht näher bestimmter Messinghandwerker

Auf die geschätzte Zuschrift vom 2. Mai l.J. ver-

honoriert worden war.

möge welcher die löbliche Handels- und Gewer-

Der Merkantilmagistrat lässt auch die Para-

be-Kammer Aufschluß verlangt, ob die im Jahre

mente einziehen. In diesem Zusammenhang ist

1783 dem damaligen Sakristei-Director Canoni-

zu bemerken, dass die erste, 1661 gelieferten Para-

cus V. Payr für die hiesige Stifts- und Pfarrkirche

mente auf Vermittlung des Venezianers Giuseppe

übergebenen Paramente noch vorhanden seien,

Perlasca, der als Kaufmann und Unterhändler die

beehrt sich die gefertigte Sakristei-Direction fol-

Bozner Messen besuchte, in Venedig erworben

gendes zu erwiedern:

worden waren. Im Jahr 1707 dagegen wurden

ad 1) Der an Gold und Silber reiche Ornat, be-

um 1537 Gulden direkt die Stoffe angekauft,

stehend in 1 Pluvial und Stola, Meßkleid, Stola

aus denen die Firma Florensi und Betti dann die

und Manipel, 2 Leviten-Röcke, 2 manipel und

Messgewänder anfertigte54.

1 Stola ist vollständig und noch sehr gut erhal-

Interessante Notizen zur weiteren Geschichte

ten, vorhanden.

dieser Paramente und auch einiger Silberwaren,

ad 2) Ebenso ist noch vorhanden ein rotes ge-

die der Stadtpfarrkirche übergeben wurden, kön-

sticktes Velum, 1 Kelchtüchl, 1 Corporal-Tasche

nen wir einer im Archiv der Bozner Handelskam-

gleich dem Ornat; die zwei dem Ornat-Stoffe glei-

mer aufbewahrten Korrespondenz entnehmen55.

che Kissen wurden zur Ausbesserung des Pluvials

Aus dem Merkantilmagistrat war im Jahr 1851

verwendet, welches von Vorne einen Kranz von

die Handelskammer hervorgegangen, und wahr-

weißem Damast hatte.

scheinlich beim „Aufräumen“ der Schriftstücke im

ad 3) Mit Silber beschlagene Meßbücher in rotem

Zuge dieser Umwandlung wird am 2. Mai 1864

samt gebunden, sind vier im guten Zustande vor-

ein Schreiben an den damaligen „Hilfs-Canonicus

handen; welches davon vom Merkantil-Magistrat

und Sakristeidirector der Stifts- und Pfarrkirche“

übergeben wurde, kann nicht angegeben werden,

gerichtet, mit der Bitte um Aufklärung hinsicht-

da die nähere Bezeichnung fehlt, wird indessen

lich der seinem Vorgänger V. Payr im Jahr 1783

als darunter begriffen angenommen.

übergebenen Paramente (Abb. 12), von denen ein

ad 4) Was die 4 Alben rot gefüttert, 4 Girtel, 4

Verzeichnis beigelegt wird.

Humeral und 8 Chorröcke betrifft, so gilt die

Die Antwort lässt nicht auf sich warten: Sie

Regel, daß eine Albe, Humeral und Chorrock

trifft nur acht Tage später ein, am 10. Mai. Der

höchstens 24 bis 30 Jahre dauert; nun diese Ge-

„Canonicus“ geht Punkt für Punkt auf die For-

genstände wurden im Jahre 1783 der Sakristei-

derungen der Handelskammer ein, verbirgt aber

Direction übergeben, natürlich dürfte kein Faden

nicht seine Missstimmung darüber, über Gegen-

mehr übrig sein; dasselbe gilt auch von den Gir-

stände Rechenschaft ablegen zu müssen, die der

teln, die häufig einer Restauration unterliegen.

Sakristeileitung vor nicht weniger als 70 Jahren

Würde vielleicht die löbliche Handels- und Ge-

übergeben worden sind.

werbekammer zur Vervollständigung des Inventars

Der Brief verdient es, gänzlich veröffentlicht

geneigt sein, obige sub. N. 4 bezeichneten Stücke

zu werden, sowohl wegen der zusätzlichen Infor-

wieder nachzuschaffen, so würde die Sakristei-Di-

mationen, die er uns über die ursprüngliche Aus-

rection sich im Interesse der Kirch zum innigsten

stattung der Merkantilkapelle und auch über das

und wärmsten Dank verpflichtet fühlen.

„Leben“ derartiger Gegenstände liefert, als auch

ad 5) Es sind sechs silberne Mostranzeln in dai-


ger Sakristei, und ein silbernes Agnus Dei ohne

gestört wird und man darüber einen freien Blick

Fuß zum Pax, wovon jedoch keines auf die Be-

auf den im oberen, bedeutenden Teil bearbeiteten

schreibung paßt, daher man fragliches als nicht

Marmoraltar hat.

mehr vorhanden erachtet, vorbehältlich später zu

5 Auf der linken Seite liegen drei geräumige

erfolgender Ausmittlung.

Kapellen, zwischen denen ein doppelter Zugang

ad 6) Die zwei großen metallenen Wandleuchter

zur Kirche besteht. Die erste zeigt das Bauwerk

sind zu beiden seiten des Hoch-Altars.

in seinem ursprünglichen Aussehen und gehört

ad 7) Die vier Spalire von Seiden-Damast mit

der Skapulierbruderschaft, deren Geschichte und

Goldfransen sind noch im ziemlich guten Zustan-

Glanzzeiten an den Wänden von einem alten Ma-

de vorhanden und wurden unter 2. April l. J. zu

ler dargestellt wurden. Das dunkle Gewölbe wird

guter Aufbewahrung und schonendem Gebrauche

gefällig mit vielen vergoldeten Steinen dekoriert.

neuerdings der Sakristei-Direction übergeben.

Der Marmoraltar ist nicht besonders elegant, wie

Eben so die

es auch nicht der in der der Rosenkranzbruder-

ad 8) erwähnten zwei /:nicht 4: / Wollentücher

schaft gehörigen dritten Kapelle ist. Sie ist ganz

mit Seidenfransen und die in obiger Consignation

neu und hat mit Gipsstuck geschmückte Wände

vom 2. april d. J. aufgeführten:

und eine ebenfalls stuckverzierte Decke“57.

4 Türvorhänge in 8/2 von roten Seiden-Damast

Diesen Worten Papebrochs – er spricht von

und 1 Tischteppich von dem gleichen Stoffe mit

drei Kapellen an der Kirchenostseite – glauben

den Bemerken, daß die 2 kleineren halbseidenen

wir entnehmen zu können, dass die Kapelle der

teppiche zum Ausbessern der Spalier-Drapperien

heiligen Rosa zum damaligen Zeitpunkt noch

des Pressbyterium verwendet worden sind.

nicht bestand, wiewohl er von der dritten Kapelle

ad 9) über die Altar-Zierde von Girtler-Arbeit

(es handelt sich um die Brandis-Kapelle aus dem

kann ohne nähere Bezeichnung kein Aufschluß

14. Jahrhundert) sagt, dass sie „ganz neu“ ist.

gegeben werden.

Möglicherweise bezieht er sich aber nicht auf die Mauern, sondern auf die Stuckaturen, die, wie

Bozen, den 10. Mai 1864

wir schon gesehen haben, im Kirchenschiff und

Hilfs-Canonicus u. Sakristeidirektor»

56

an den Bogen der Kapellenzugänge zwischen 1634 und 1640 angebracht worden waren und logi-

Wenn das ursprüngliche Aussehen und die

scherweise vielleicht auch das Innere der Brandis-

Gestalt der Dominikus- oder Merkantilkapelle

Kapelle betroffen hatten und nach 20 Jahren noch

anhand der bis heute erhaltenen Dokumentati-

als „neu“ angesehen werden konnten. Außerdem

on im Großen und Ganzen rekonstruiert werden

erfahren wir, dass sich in der Kirche auch schon

können, so müssen wir uns für das übrige Kir-

im 17. Jahrhundert ein marmorner Hochaltar be-

cheninnere mit weniger ausführlichen Notizen

funden hatte, vor dem uns bekannten, 1744 von

begnügen.

Teodoro Benedetti geschaffenen Altar (Stampfer,

Doch als Quelle zu weiteren Informationen

Abb. 32) mit dem prachtvollen Altargemälde von

können wir nochmals Daniel Papebroch heran-

Michelangelo Unterberger, das die Rosenkranzma-

ziehen, der berichtet: „In jedem der Seitenschiffe

donna mit dem heiligen Dominikus und der heiligen

befindet sich ein wunderschön intarsierter, ver-

Katharina darstellt und 1791 in die Pfarrkirche

goldeter Holzaltar, und eine ähnliche Ausführung

in Kaltern abgewandert ist.

weist die Kanzel in der Kirchenmitte auf.

Papebroch teilt uns auch mit, dass sich in der

4 Von hier hat man einen perfekten Blick auf

Kirche zwei unschöne Marmoraltärte befanden,

den Chor, der sich über mehr als vier kleine Pfeiler

zwei wunderschöne Holzaltäre und eine ebenfalls

ausdehnt; aber unter dem dritten befindet sich ei-

hölzerne Kanzel. Auch in diesem Fall handelt es

ne Trennwand für die Breviere. Diese Trennwand

sich um eine Kanzel, die vor der heute in der

ist aber nur so hoch, dass der Chorgesang nicht

Pfarrkirche Völs am Schlern aufgestellten Kan-

247


zel (Stampfer, Abb. 33 und Abb. 13) bestanden hatte: Sparber vertritt die Ansicht, dass sie aus der Bozner Dominikanerkirche stammt58, wo sie sich wahrscheinlich, gegen das Hauptschiff gewandt, am zweiten Pfeiler links befunden hatte (auf dem von Matthäus Wachter 1786 gezeichneten Grundriss der Kirche und des Klosters wird ihre Lage mit einem kleinen Kreis bezeichnet)59. Diese im Spätrokokostil geschaffene Kanzel wird von einem Baldachin überragt und von einem an der Säule befestigten Behang begleitet, und sie weist vergoldete Ornamente aus Blattgirlanden, Blumen und Granatäpfeln auf. Vom Baldachinhimmel hängt die von Goldstrahlen eingefasste, silberne Heiliggeisttaube herab, darüber vier Engelchen mit einem Buch in der Hand, die – von den Evangelistensymbolen begleitet – eine kleine Augustinusstatue umgeben. Über allem dann ein großer Engel, der eine Trompete bläst, an der eine 14

Standarte mit der Aufschrift Soli Deo hängt. Die ebenfalls auf der Fahne angeführten Jahreszahlen 1902 und 1991 beziehen sich auf Restaurierungen (oder richtiger gesagt: Neubemalungen), während wir die Jahreszahl 1774 als Ausführungsdatum der Kanzel ansehen können: Es würde sich somit um den letzten Einrichtungsgegenstand von einer gewissen Bedeutung handeln, mit dem die Kirche rund 15 Jahre vor der Aufhebung ausgestattet wurde. Zur Identifizierung der anderen von Papebroch erwähnten Altäre müssen wir auf zwei be-

15

16

deutende Quellen zurückgreifen, die es uns erlauben, das Kircheninnere während des 17. und 18. Jahrhunderts zu rekonstruieren. Es handelt sich dabei in erster Linie um das weithin bekannte, von Pater Pirmin August Lindner verfasste Werk Aufhebung der Kloester in Deutschtirol 1782 bis 1787, das 1886 veröffentlicht wurde und als unumgängliche Grundlage aller Untersuchungen zu diesem Thema anzusehen ist. Pater Lindner geht ausführ-

14. Versteigerungskundmachung der Immobilien aus dem Besitz der Dominikaner in Bozen, Bozen, Stiftsarchiv Muri-Gries 15. Teodoro Benedetti, Tabernakel des Rosenkranzaltars, Kaltern, Pfarrkirche 16. Michelangelo Unterberger, Rosenkranzmadonna mit dem heiligen Dominikus und der heiligen Katharina, Detail, Kaltern, Pfarrkirche

248

lich auf die Säkularisierung des Bozner Dominikanerklosters und die darauf folgenden Ereignisse ein, unter Rückgriff auf mehrere Dokumente, die sich im Archiv des „Cult.-Ministeriums“ in Wien befanden, im Statthalterei-Archiv in Innsbruck und im Archiv des Wiener Dominikanerklosters,


das vor allem die Verzeichnisse der um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Bozen anwesenden Dominikanermönche enthält. Er stellt auf diese Weise eine Menge wertvoller Informationen über die allgemeine Geschichte der Bozner Predigermönche, als Gemeinschaft wie als Einzelmitglieder, zusammen, über die dort geleisteten Tätigkeiten und über den Bestand ihres (ansehnlichen) Vermögens, liefert uns darüber hinaus aber auch eine gewissenhafte, bewegende Darstellung der Aufhebung. „Am 18. (April, Anm. der Autorin) Früh

18

17

wurde der letzte Gottesdienst gehalten. Die Kirche wurde, um kein Aufsehen zu machen, zur gewöhnlichen Stunde gesperrt und die Schlüssel vom Kreisadjunkten von Faber (da der Klosteradministrator Bernard verhindert war) dem Kreisamte übergeben. Alle Patres zogen in Weltpriesterkleidung zunächst in die Stadt“60. Die Gebäude und die Grundstücke werden versteigert. Die entsprechende gedruckte Kundmachung, die alle nötigen Angaben und Vorschriften und den Auktionsbasispreis enthält61 (Abb. 14), wird am 6. April 1792 in Innsbruck veröffentlicht, während die eigentliche Versteigerung dann am 25. Juni ab 9 Uhr in der Früh in Bozen über die Bühne geht. Die beweglichen Güter nehmen verschiedene Wege. Alle Paramente werden zum Beispiel schon am 19. April verpackt und in die landesfürstliche „Oberamtsbehausung“ gebracht, wo sie in Erwartung weiterer Anordnungen aufbewahrt werden62. Pater Lindner klärt uns über die Bestimmung vieler Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände von Kirche und Kloster auf, sodass wir heute in der Lage sind, mit unserer ideellen Rekonstruktion des Kircheninneren fortzufahren. Als erster Altar wird der Hochaltar erwähnt, der in toto nach Kaltern kommt (Stampfer, Abb.

19

32), einschließlich der Umrahmung, des Tabernakels (Abb. 15), der seitlichen kleinen Türen, der Mensa, der Stufen, der Altarbrüstung und des Fußbodens aus roten und weißen Marmorplatten – und natürlich des Altarblatts von Michelangelo Unterberger, dessen Schöpfer ausdrücklich

17.–19. Chorgewölbe vor den Bombenangriffen, Bozen, Dominikanerkirche

249


20

20. Giovanni und Federico Merlo, Rosenkranzaltar, Romeno, Pfarrkirche

250

erwähnt wird. Dieser mächtige Altarkomplex,

Auch in diesem Fall sprechen die Kunstkritiker

der schon ausführlich untersucht worden ist63,

um das 19./20. Jahrhundert von „Krusten“, mit

kann zu den bedeutendsten Werken gerechnet

denen die reine gotische Anlage überzogen wur-

werden, die kurz vor der Mitte des 18. Jahrhun-

de66: Sie hatten kein Gefühl für die lebensvolle

derts in unserem Lande geschaffen wurden. Die

Wirkung, für die „künstliche Natürlichkeit“ des

mitwirkenden Künstler waren bekannte und hoch

Ganzen, die heute teilweise wiederhergestellt

geschätzte Persönlichkeiten. Teodoro Benedetti

worden ist: Im Zuge der Restaurierungsarbeiten

zum Beispiel, der 1738 die Werkstatt von sei-

1986–198767 wurde beschlossen, die abgebroche-

nem Vater Cristoforo übernommen hatte, hatte

nen Stuckaturen und Medaillons zu rekonstruie-

mit seinen eleganten und auserlesenen, in der

ren und anschließend zwei der Medaillons von

ganzen Region verbreiteten Werken große per-

Robert Scherer mit den Fresken Taufe im Jordan

sönliche Erfolge verzeichnen können, sodass er

und Rosenkranzkönigin (Stampfer, Abb. 49–50)

im darauf folgenden Jahr mit prestigeträchtigen

ausmalen zu lassen.

Arbeiten – wie dem Hochaltar – für den Dom

Pater Lindner erwähnt in seiner Veröffent-

von Brixen betraut wurde. Michelangelo Unter-

lichung mehrere Altäre den schon erwähnten

berger, der seit 1737 fast ständig in Wien lebte,

Dominikusaltar, zwei nicht näher bestimmte

stand auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen

Holzaltäre, die um nur 50 Gulden von der Pfarrei

Laufbahn und bekam zahlreiche und bedeutungs-

Latsch erworben wurden, den 1793 der Gemeinde

volle Aufträge, und wenige Jahre später (1751)

Goldrain geschenkten Altar des heiligen Pius, den

sollte er zum Rektor der Wiener „Academie der

Altar der heiligen Rosa von Lima in der gleichna-

Mahlerey, Bildhauerey und Baukunst“ (der heu-

migen Kapelle, den der Bozner Kaufmann Fritz

tigen Akademie der Bildenden Künste) ernannt

1793 für 33 Gulden ankaufte, und ein den hei-

werden. Zentrale Figur des für die Dominikaner

ligen Vinzenz Ferrer darstellendes Altarbild, das

geschaffenen Altarbilds ist die Madonna mit dem

1789 um 18 Gulden an eine unbekannt geblie-

segnenden Jesuskind, begleitet von Katharina und

bene Person ging68. Das letztgenannte Altarblatt

Dominikus, den Ordensheiligen par excellence, in

hatte sich wohl in der Nikolauskapelle (Botsch-

einer klassischen Szenerie, in der sich unglaublich

Kapelle) befunden, die auf dem von Wachter

schöne Engel und Engelchen bewegen (Abb. 16):

ausgearbeiteten Plan als dem heiligen Vinzenz

Der Maler hatte dieses Schema schon des Öfte-

Ferrer (um 1350–1415) geweihte Kapelle ange-

ren in anderen Werken eingesetzt, sodass er des

führt war – diesem spanischen Dominikaner, der

Erfolgs und der Zustimmung sicher sein konnte.

sich als eifriger Bußprediger hervorgetan hatte.

Mit der Aufstellung des Altars im Kirchen-

Er führt auch den Heiligkreuz- und den

chor (1744) wird die Umgestaltung des gotischen

Schutzengelaltar an, die 1787 um 68 Fl 30 kr

Chors abgeschlossen64, der von Stuckaturen in

an die Gemeinde Romeno im Nonstal verkauft

der schönsten Rokokotradition überdeckt ist,

wurden. Die beiden Altäre stehen bis heute noch

die freskenverzierte Medaillons einschließen65.

in der Kirche Santa Maria Assunta in Romeno

Von der Wirkung des Chorgewölbes können wir

(Abb. 20). Luciana Giacomelli sieht sie als Jugend-

uns heute nur noch angesichts weniger, vor dem

werk aus der Werkstatt der Vicentiner Bildhauer

Zweiten Weltkrieg gemachter Aufnahmen (Abb.

und Steinmetze Giovanni und Federico Merlo an,

17–19) eine vage Vorstellung machen; denn die

die auch im Trentino sehr rege tätig waren, und

Bombenangriffe haben etwa die Hälfte des Raums

sie glaubt, sie mit den von Papebroch erwähnten

zum Einsturz gebracht. Das Gewölbe ist reich und

Altären in der ersten und der dritten Kapelle der

prächtig verziert, und die heftige, bewegte Wir-

Dominikanerkirche identifizieren zu können69.

kung wird durch die zarten gelben, grünen und

Eine wirklich faszinierende Vermutung, denn

rosa Farbtöne abgeschwächt, die die Schwarzweiß-

diese beiden „Zwillingsaltäre“ können – und wir

aufnahmen natürlich nicht wiedergeben können.

stimmen darin mit Papebroch überein – wirk-


lich nicht als „elegant“ bezeichnet werden, nur kommen wir mit der Dedikation nicht ganz klar. Während der rechte Altar dem Heiligen Kreuz gewidmet ist, handelt es sich beim linken um einen Rosenkranzaltar (und Papebroch berichtet ja in der Tat, dass einer der beiden Altäre in der Rosenkranzkapelle stand), während sich kein Bezug zum Thema des Schutzengels findet. Möglicherweise haben wir es mit einem Fehler im Hinweis auf die Dedikation zu tun. Andere Gegenstände gehen an die Abtei Muri-Gries. Mit knappen Bemerkungen zitiert Pater Lindner ein Schriftstück des Grieser Kanonikers Augustin Nagele vom 27. März 1787, wonach in die jenseits der Talfer gelegene Abtei zwei große marmorne Weihwasserkessel, ein ebenfalls marmornes Waschbecken sowie die Schränke der Sakristei und das Gestühl des Psallierchors kamen. Zur Ergänzung können wir ein detaillierteres Verzeichnis heranziehen, das das Datum 30. Oktober 1787 trägt und im Archiv in Muri-Gries aufbewahrt wird70. In dieser Aufstellung wird zwischen angeforderten Objekten und anderen unterschieden, die den Mönchen dann tatsächlich auch für ihr Kloster und die Stifts- und Pfarrkirche übergeben werden. Diesem Verzeichnis nach kommen in MuriGries folgende Objekte an: das Chorgestühl, 150 Sandsteinplatten, die gesamte Orgel einschließlich des Orgelgitters, weitere 550 Marmorplatten mit Stufe, zwei Weihwasserbecken, eine marmorne Kredenz, 42 Betstühle, dazu vier Betpulte mit Lehne und weitere sechs, zwei Gipsstatuen und eine Truhe aus der Sakristei, drei Weihrauchkessel, vier Holzgitter, ein kleines Kruzifix aus Kupfer und zwei weitere hölzerne Truhen. In die Grieser Abtei wird fürs Erste auch der schon erwähnte Pius-Altar gebracht, der anschließend nach Goldrain kommt, und ein weiterer hölzerner Altar (vielleicht der „wunderschön intarsierte, vergoldete Holzaltar“, von dem Papebroch schwärmt) kommt im 19. Jahrhundert in die Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau im Walde, wo er sich noch heute befindet (Abb. 21). Es

21

handelt sich hierbei wohl um den Sebastian- und Rochusaltar, ein elegantes Werk mit zwei gedreh-

21. Pestaltar, Unsere Liebe Frau im Walde, Wallfahrtskirche

251


22

ten und zwei kannelierten Säulen, hohem Gebälk,

1788 an die Gemeinde Völlan verkauft (sie wird

Engelsstatuen und seitlich den Figuren von Vi-

dann 1825 von einem Blitz getroffen und zer-

gilius und Zeno. Das Altarbild stellt auf Wolken

stört), von den anderen Glocken weiß auch Lind-

die zwei Pestheiligen dar, die von Betenden um

ner nichts. Die schöne Krippe kommt ins Bozner

Bitte angerufen werden. Das wahrscheinlich um

Franziskanerkloster, das nicht aufgehoben wird.

1662 entstandene Altarblatt war als Votivbild zur

Bei den Franziskanern befindet sich auch

Abwehr einer der Pestepidemien entstanden, die

ein anderes von den Dominikanern stammendes

auch die Stadt Bozen heimsuchten71.

Werk volkstümlicher Frömmigkeit. Es handelt

Einige der erwähnten Gegenstände sind noch

sich um ein „Heiliges Grab“, eines dieser Kunst-

heute auszumachen. In der Vorhalle der Stiftskir-

werke, wie sie nach alter Tradition bis heute

che zum heiligen Augustin befinden sich die zwei

während der Karwoche in den Tiroler Kirchen

Weihwasserbecken aus rotem Marmor (Abb. 22),

aufgebaut werden. Die Heiligen Gräber finden

und auch das Chorgestühl könnte von den Do-

zur Barockzeit weite Verbreitung, und die ältesten

minikanern kommen. In der Sakristei steht ein

bis heute erhaltenen Exemplare stammen über-

wunderschönes, mit zwei Maskaronen und drei

wiegend aus dem 18. Jahrhundert. Vom Heiligen

Eichenblättern verziertes Waschbecken eben-

Grab der Dominikaner wurden im Jahr 1790 – so

falls aus rotem Marmor (Abb. 23), und die 150

heißt es in der Klosterchronik – die Statuen des

Sandsteinplatten könnten für den Fußboden des

Engels, des toten Christus, der Maria Magdalena

Korridors im ersten Stock der Abtei verwendet

mit der Salbendose, des Joseph von Arimathea

worden sein. Die Orgel ist wahrscheinlich, wie

und des Nikodemus angekauft, die Leo Ander-

Lindner vermerkt, zu einem späteren Zeitpunkt

gassen für Arbeiten von Georg Mayr dem Älteren

(1793) von Anton Melchior von Menz angekauft

hält75. Beim heutigen Aufbau, der im 19. Jahr-

und in die Kirche Mariä Himmelfahrt auf dem

hundert von Johann Pendl ergänzt wurde, handelt

Ritten gebracht worden, wo sie noch heute steht .

es sich dagegen um ein jüngeres Werk (Abb. 24).

72

Dieser zweifache Besitzerwechsel braucht nicht zu

Lindner berichtet auch vom Kirchenschatz

verwundern, und er ist auch für den Pius-Altar

und von den Paramenten, an denen der Konvent

belegt. Und sicher konnte Anton Melchior von

– auch von der Ausstattung der Merkantilkapelle

Menz, eine Schlüsselfigur im Bozner Kulturpano-

abgesehen – außergewöhnlich reich war, von der

rama des späten 18. Jahrhunderts und ein gebilde-

wertvollen Bibliothek (auf die Johannes Andresen

ter und passionierter Kunst- und Musikkenner ,

in seinem Beitrag in dieser Publikation eingeht),

sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, eine

und er vermittelt uns, über die Beschreibung der

Orgel von Ignaz Franz Wörle in seinen Besitz zu

Kirche (aber praktisch nicht der Kapelle der heili-

bringen, denn dieser Orgelbauer galt um die Mitte

gen Rosa!) und auch kurz des Klosters hinaus, eini-

des 18. Jahrhunderts als einer der Besten seines

ge interessante Hinweise auf die Brandis-Kapelle76.

Fachs, und ihm sind mehrere außergewöhnliche

Dabei geht er besonders auf die am 9. Februar 1800

Instrumente zu verdanken74.

vom Grafen Brandis vorgebrachte Bitte ein, aus

73

23

22. Weihwasserbecken, Bozen-Gries, Stiftskirche zum hl. Augustin 23. Waschbecken, Bozen-Gries, Stiftskirche zum hl. Augustin, Sakristei

252

Doch kehren wir noch einmal zu Lindner

der von seinen Vorfahren errichteten Kapelle die

und seinen Hinweisen zurück: Eine zweite Orgel

Grabplatte der Familie fortschaffen zu dürfen. Er

wird von Matthäus Demanega, dem damaligen

bekommt die Genehmigung zur kostenlosen Ent-

Pfarrer von Deutschnofen, erworben, der sich auf

fernung, muss aber für die Beseitigung des 250 Fuß

dem Schleierbrett porträtieren ließ – dem einzi-

großen Fußbodens 121 Fl 20 kr entrichten. Das

gen bis heute erhaltenen Orgelteil, der heute im

in die Friedhofskapelle in Lana abtransportierte

dortigen Dorfmuseum aufbewahrt wird. Von den

Grabmal ist wahrscheinlich um die Mitte des 19.

zwei Baldachinen geht der eine an die Kirche in

Jahrhunderts durch einen einfachen Gedenkstein

Petersberg und der andere an den Pfarrer Astner

ersetzt worden, der an die ursprüngliche Aufstel-

in Ulten. Die große Glocke wird am 21. August

lung in der Dominikanerkirche erinnert.


Im Brandis-Archiv befindet sich in der die Kapelle betreffenden Dokumentation auch ein Blatt mit einer schönen Rötelzeichnung der Mariä Verkündigung (Abb. 25). Sie kann auf das späte 17. Jahrhundert datiert werden, scheint aber nicht von einem einheimischen Künstler zu stammen. Faszinierend die Vermutung, dass es sich um eine Skizze für ein Altarbild der Kapelle handelt, das – angesichts der vielen „italienischen“ Gemälde in der Merkantilkapelle – bei einem Maler vielleicht aus dem emilianischen Raum in Auftrag gegeben wurde, und zwar nach 1640, als die Thomaskapelle mit den neuen Stuckdekorationen versehen worden war. Die von Lindner mit so großer Geduld zusammengestellten Notizen sind von grundlegender Bedeutung für alle später erfolgten Untersuchungen zu diesem Thema. In der Anmerkung 2 auf Seite 17 seiner Arbeit weist er allerdings darauf hin, dass er das von der mit der Aufhebung betrauten Kommission ausgearbeitete Inventar

24

nicht gefunden, aber genaue Hinweise hat: Das Inventar wurde am 7. April 1785 in drei Exemplaren erstellt und vom Bozner Kreisamt an das Gubernium in Innsbruck geleitet, das am 8. Juni 1785 seinerseits eine Kopie an die Wiener Hofkanzlei übermittelt. Im „Kirchengeräte“ betitelten Paragrafen X77 auf Seite 20 beklagt sich Lindner, dass es ihm nur unter großen Mühen und nach Einsicht in etliche andere Dokumente gelungen ist, „dieses Wenige“ (!) an Informationen zusammenzutragen, auf das wir schon eingegangen sind. Wir hatten mehr Glück: Pater Plazidus Hungerbühler hat uns freundlicherweise auf das dritte Exemplar des Inventars aufmerksam gemacht, das sich im Archiv der Abtei Muri-Gries befindet (Abb. 26). Das Inventar ist, was die kunsthistorischen Angaben betrifft, kopiert worden, und eine zusammengefasste Beschreibung wird in der vorliegenden Publikation veröffentlicht. Auf diese Weise können einige Lücken gefüllt und die bisher gesammelten Notizen ergänzt werden. Das von Johann Andreas von Franzin erstellte Inventar ist außer vom Ausfertiger selbst auch von Josef von Martin als „interims Administrator“ und von Ignaz Pichler als „Substh. Buch-

24. Heiliges Grab, Bozen, Franziskanerkirche

253


26

25

25. Emilianischer Maler (?), Verkündigung, Lana, Privatsammlung

254

26. „Inventarium“, Bozen, Stiftsarchiv Muri-Gries


haltgs Individuum“ unterzeichnet worden. Es

Paramenten ist ein „goldreicher Ornat samt der-

wurde am 3. März begonnen und am 24. März

gleichen Messkleider“, der auf nicht weniger als

1785 abgeschlossen, und das Exemplar in Besitz

1100 Gulden geschätzt wird.

des Abteiarchivs wurde am 7. Oktober 1788

Nach dieser thematisch gegliederten Be-

von Joseph von Lutterotti vom Bozner Kreisamt

standsaufnahme wird das Inventar auch nach

dem Kommendantarabt von Muri-Gries, Roger

Orten geordnet – was uns weitere interessante

Schranzhofer, übermittelt.

Elemente zur ideellen Rekonstruktion des Aus-

Die Lektüre auch dieses Dokuments ist fes-

sehens von Kirche und Kloster liefert.

selnd und aufschlussreich. Von Blatt 17v bis Blatt

Auf dem Hochaltar oder in seiner Nähe be-

19v werden die „Kirchen Zierden“ angeführt und

fanden sich zum Beispiel sechs zinnerne Leuchter,

knapp beschrieben, besonders was das verwendete

eine Wandglocke, eine Messinglampe, ein „Fas-

Material betrifft, das Vorhandensein von Edelstei-

ten-Altartuch, worauf der gekreuzigte Heyland

nen und das Gewicht, und die Schätzung erfolgt

gemahlen“, zwei blaue Kissen, eine kleine Orgel

auch in diesem Fall – wie bei dem silbernen Kir-

mit zehn Registern und ein Bücherkasten aus

chengerät der Merkantilkapelle – durch Franz

Hartholz mit Aufsatz. Und – endlich! – können

Milser. Das ergibt einen ansehnlichen „Schatz“,

wir auch einen Blick in das Innere der Kapelle der

der aus beträchtlich vielen Monstranzen, Zibo-

heiligen Rosa werfen, die überreich verziert war,

rien, Hängelampen, Kandelabern, Kanontafeln,

allerdings mit Ornamenten, die nur auf wenige

silbernen Engeln, verschiedenen Kelchen, mit

Gulden geschätzt wurden.

Samt verkleideten und mit Silberverschlüssen

In dieser Kapelle befanden sich zwei Kerzen-

versehenen Messbüchern und so weiter besteht,

halter aus Messing, vier aus Leder und auch weite-

zu einem geschätzten Wert von insgesamt 4459

re, größere aus Zinn, ein Kerzenhalter aus Eisen,

Fl 455 kr. Das wertvollste Stück ist eine große,

zwei gelbe Altarkissen und weitere vier „schlechte

mit Diamanten, Rubinen und Smaragden be-

Altarküssen“, zwei „Weinbeer Buschen“ und vier

setzte Monstranz aus vergoldetem Silber, die auf

„Altarbuschen mit zinnernen Krügen“. Dazu ka-

684+340 Gulden geschätzt wird. Einige Gegen-

men noch ein großes Kruzifiz „samt schmerzhaften

stände tragen den Hinweis „verkauft“, aber die

Mutter Gottes Bildnis“, die Statuen der Heiligen

meisten – einschließlich der wertvollen Monstranz

Rosa, Agnes, Pius, Antonius (zwei) und Albertus,

– fanden keine Käufer. Die Wiener Hofkanzlei

ein die heilige Thekla darstellendes Altarblatt, zwei

forderte daher das Gubernium in Innsbruck auf,

„Altärlen“ mit der Verkündigung und weitere zwei

ein Verzeichnis der silbernen Kirchengeräte an

Gemälde ohne nähere Angaben. Die Ausstattung

die Dobruska’sche Compagnie zu senden und

wurde durch sechs goldgefasste Altarpyramiden

die einzelnen Objekte zu einem Preis anzubieten,

(zwei große und vier kleine) und weitere zwei

der um 10 Prozent unter dem Schätzwert lag.

bescheidenere Holzpyramiden vervollständigt.

78

Über den Fortgang dieser Geschichte ist nichts

Die Merkantilkapelle dagegen muss sich

bekannt, sodass der Dominikanerschatz – von den

leer und trostlos präsentiert haben: Im Inventar

wenigen Stücken abgesehen, die an die Stadtpfarr-

werden lediglich vier Kerzenhalter aus Messing

kirche gegangen sind – als zerstreut angesehen

angeführt, die allerdings dem Merkantilmagist-

werden muss .

rat gehören, und zwei Altarkissen in schlechtem

79

Auch die Paramente aus dem Besitz der

Zustand. Fast leer war auch die Vinzenzkapelle

Dominikaner, mit deren Schätzung der Kir-

(Botsch-Kapelle): auf dem Altar nur zwei „übel

chenschneider Josef Möltner beauftragt wurde,

zugerichtete“ Kissen.

dürften nicht zu verachten gewesen sein, wenn

Der Schutzengelaltar wird in einer dem hei-

ihr Gesamtwert auf 4311 Fl 11 kr festgelegt wird

ligen Joseph geweihten Kapelle erwähnt, bei der

– was knapp der Hälfte der silbernen Kirchenge-

es sich aber in Wirklichkeit um die dem Thomas

räte entspricht. Das wertvollste Stück unter den

von Aquin gewidmete Brandis-Kapelle handeln

255


müsste, in der sich ein den heiligen Thomas dar-

weitere zwei mit Dominikus und Thomas von

stellendes Altarbild befand und ein zweites mit

Aquin, ein Mariahilf-Bild und eine Darstellung

einer Verkündigung – was als Beweis dafür an-

des Bozner Klosters (die alle nicht verkauft wur-

gesehen werden könnte, dass die Skizze aus dem

den). Wozu dieser Raum vor der Aufhebung dien-

Brandis-Archiv sich tatsächlich auf ein in der

te, wo er lag81, wie groß er war, was er enthielt

Familienkapelle vorhandenes Altarbild bezieht.

und nach welchen Kriterien die Kunstwerke aus-

Außerdem gab es hier acht Tafelbilder mit Szenen

gewählt wurden, ist nicht bekannt.

aus der Agnes-Legende und zwei große Gemälde mit allen Heiligen.

Die dritte Bemerkung betrifft den Kreuzgang. Heute tritt er uns mit seinen reichen mit-

Das Inventar wendet sich dann auch den

telalterlichen Fresken entgegen und lässt dabei

Klosterräumlichkeiten zu, zum Beispiel der Ka-

nichts mehr von seiner barocken Vergangenheit

tharinenkapelle und der kleinen, den kranken

ahnen, als er 41 Bilder von Kardinälen und 24

Mönchen vorbehaltenen Kapelle, den zwei Spei-

große Gemälde mit Szenen der Dominikuslegende

sesälen (dem Sommer- und dem Winterrefekto-

enthielt (ähnlich dem Kreuzgang der Franziskaner

rium), der Pforte und so weiter. Da ich hier nicht

mit den großen Gemälden zur Franziskuslegen-

auf alle Hinweise eingehen kann, die praktisch

de, die im frühen 18. Jahrhundert von Hilarius

sämtliche Räume betreffen, möchte ich mich auf

Aufenbacher geschaffen wurden) und dazu noch

drei abschließende Bemerkungen beschränken.

26 Ansichten verschiedener Dominikanerklöster:

Da ist vor allem die Tatsache, dass der Er-

Als Pater Matthias Eberhard das Haus verlassen

steller des Inventars sich nur in einem einzigen

musste, das ihm so lange Heimat gewesen war,

Fall ein kritisches Urteil über die im Kloster vor-

nahm er sie mit sich. Zur Erinnerung.

handenen Kunstwerke erlaubt. Es handelt sich um ein Die Heiligen Drei Könige darstellendes Tafelbild, das im Sommerrefektorium hängt und als „kostbar“ bezeichnet wird. Auch von diesem Gemälde verlieren sich die Spuren, nachdem das Bozner Kreisamt die Innsbrucker Landesregierung im Jahr 1801 darauf hingewiesen hatte, dass sich im Kloster viele Gemälde (und darunter eben dieses Tafelbild) befinden, die bis dahin nicht ihrem künstlerischen Wert nach beurteilt worden waren80. Dieses Bild stand offensichtlich in hohem Ansehen. Und um der Fantasie freien Lauf zu lassen… möchte ich gern glauben, dass es von Dill Riemenschneider stammte, der sowohl für die Kirche in Burgstall als auch für den Brixner Dom wunderschöne Gemälde geschaffen hat, die die Heiligen Drei Könige zum Sujet hatten. Die zweite Bemerkung betrifft die Tatsache, dass sich im Kloster ein als „Museum“ bezeichneter Raum befunden hatte. Im Inventar werden sowohl die Einrichtungsgegenstände – ein langer und ein runder Tisch, zwei Stühle und ein „Bainsessel“, die alle verkauft wurden – als auch die eigentlichen Kunstwerke angeführt: zwei Gemälde mit den Heiligen Sebastian und Rochus,

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1 Bacchi/Giacomelli 2004, insbes. S. 142, mit Bibliografie. 2 Zu den Bozner Stadtansichten siehe Bassetti Carlini 2004 mit Bibliografie. 3 Bei Hoeniger 1929 findet sich eine detaillierte Analyse der Stadtansicht von Pfendter. 4 Die Zeichnung wurde der Innsbrucker Landesregierung übermittelt, zur Dokumentation der Schäden, die eine der vielen Überschwemmungen im Bozner Talkessel verursacht hatte. Die Stadt wird nur am Rand wiedergegeben. 5 Das ursprüngliche Dach wurde bei der Anlage des Gewölbes im 15. Jahrhundert erhöht, dann aber im 18. Jahrhundert wieder niedriger gemacht. Vgl. Rusconi 1935, S. 618. 6 Zu den Bozner Stadtansichten allgemein siehe Loner/Frangipane/Hellberg 2000. 7 Malfer 1966. 8 Mayr 1938, Tafel zwischen S. 26 und S. 27. In einer Rezension von Arslan erwähnt Mayr dieses Bild, das er irrigerweise für eine Kopie des Gemäldes von Lüffl hält. Auf die Frage gehen wir noch weiter unten ein. Der Fehler wird von Malfer 1966 gemeldet. 9 Lindner 1886, Anm. 2 auf S. 13, gibt an, diese Bescheinigung der Bruderschaft und eine weitere Ansicht des Klosters aus der Vogelschau, die wahrscheinlich aus dem Kloster in Mariathal kommt, zu besitzen: In der Tat wird im Klosterinventar eine Darstellung des Bozner Dominikanerkonvents im Zimmer des Provinzials erwähnt, der sie in einem Bauernhaus im Unterinntal gefunden hatte. Was das Blatt der Bruderschaft betrifft, so spricht Lindner von einem schönen, von Klauber ausgeführten Kupferstich – was nicht den Angaben zu den zwei mir bekannten Blättern entspricht, auf denen sich der Hinweis „V. Dobihal sc.“ befindet. Der Kupferstecher Vincenz Dobihal, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts tätig war, könnte allerdings auf einen Kupferstich des 18. Jahrhunderts zurückgegriffen und einen neuen angefertigt haben. 10 Hoeniger 1968, S. 180. 11 Vgl. auch den Beitrag von Luciano Bardelli in der vorliegenden Publikation. 12 Das Scheibenschießen war eine beliebte Freizeitbeschäftigung der guten Bozner Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert. Eine bedeutende Sammlung von bemalten Schießscheiben befindet sich noch heute im Rondell des Schießstands in Maria Himmelfahrt auf dem Ritten (darunter auch die hier erwähnte). Allgemeines dazu siehe von Walther 1994, zur Schützenscheibe für den Kanonikus J.B. Zallinger Thurn siehe Bassetti Carlini 2004, S. 126–128. 13 Archivio Diocesano in Trient, Atti visitali 10 / 40 (a. 1640). Gelesen von Sonia Pinato, der ich hier danke. 14 Im Rosenkranzaltar befanden sich die Reliquien der Heiligen Stephanus, Vitus, Ingenuin und Abt Benedikt, im Verkündigungsaltar die der Heiligen Theodor, Drei Könige, Johannes Evangelist und Innozenz, des Bischofs und Märtyrers Urbanus, des Märtyrers Ignatius, des Einsiedlers Alexius und der Jungfrau und Märtyrerin Dorothea, im Heiligkreuzaltar die der Märtyrer Timotheus, Prudentius und Mauritius, des Kirchenvaters Hieronymus und der heiligen Maria Magdalena, im Dominikusaltar schließlich die der Märtyrer Erasmus und Quirinus, des Königs Sigismund, des Bischofs Albuin, des heiligen Dominikus und der heiligen Jungfrau und Märtyrerin Barbara. 15 Andergassen 2007, S. 253. 16 Die Merkantilkapelle stammt aus dem Jahr 1641. 17 Wolkenstein 1936. 18 „auch ist ir kron und viel reliquien alda“. Wolkenstein 1936, S. 165.


19 Vgl. Der Soldatenfriedhof o.D., S. 44–47, wonach sich auf dem Soldatenfriedhof in St. Jakob auch ein weiteres von den Dominikanern kommendes Werk befindet: ein schwer datierbares Kruzifix. Zum Altar siehe dagegen auch Andergassen 2007, Nr. A 108, S. 439, Tafel 152. 20 Der Austausch erfolgte wahrscheinlich bei der Übertragung nach St. Jakob; denn die Friedhofskapelle ist Maria Hilf gewidmet. 21 Lüffl wird in städtischen Urkunden zwischen 1608 und 1617 für kleine Arbeiten erwähnt: die Bemalung von Wappen und einer Tür des alten Rathauses, die Goldfassung eines Engels und bei mehreren Gelegenheiten wegen seiner Proteste gegen „ausländische“, in der Stadt tätige Künstler. Vgl. Barbierato 1994, S. 112. 22 Da auch das spätere, von Guercino im Jahr 1655 für die Merkantilkapelle ausgeführte Altarblatt den heiligen Dominikus darstellte, rief das Vorhandensein von zwei demselben Heiligen gewidmeten Kapellen in derselben Kirche unter den Kunsthistorikern etliche Verwirrung bei der Zuschreibung hervor, die von Malfer 1966 geklärt wurde, auf den wir wegen der Details verweisen. 23 Eine Serie der Fotos befindet sich im Archiv der FRZ in Bozen, besonders die Nr. 3015–3018. 24 Vgl. den Beitrag von Adriano Salvoni und Marialaura Fattoreto in der vorliegenden Publikation. 25 Messmer 1857, S. 98. 26 Atz/Schatz 1903, S. 61. 27 Rusconi 1935, S. 616. 28 Weingartner 1926, insbes. S. 119–120. 29 Freundlicher Hinweis von Luciano Bardelli. Die Zeichnung befindet sich im Aktenbündel „Domenicani Bolzano“ beim Südtiroler Landesdenkmalamt. 30 In Erwartung der Tagungsberichte „Passaggi a nord-est: gli stuccatori dei laghi lombardi tra arte, tecnica e restauro“ (Tagung Februar 2009 in Trient), die auch wertvolle Informationen zur Herkunft der Bozner Stuckateure liefern werden, verweisen wir auf Arslan 1964, Bd. 2. Eine wahrscheinliche lombardische Herleitung dieser Stuckaturen vermutet auch Luciana Giacomelli, der ich hier danke. 31 Canali 1937. 32 Heiss 1994, Festi/Nardelli 1998, Bonoldi 2004 und die dort angeführte Bibliografie. 33 „Quindi hauendo noi poccho fà a honor e gloria de Iddio Onnipotente e gloriosa sempre Vergine sua Madre sotto titolo del sacratissimo Rosario diuotione e comodità maggiori de buoni fedeli datto principio alla renovatione della Chiesa nostra, e douendo erigere due Altari di nuovo[…]“. Canali 1937a, S. 552. 34 Es handelt sich um den Baumeister Mattia Carneri. 35 „Globus iste deauratus cum hisce reliquiis anno salutis 1641 Sumptibus Inclytis Magistratus mercatorii primitus hic respositus est, postea vero anno 1774 ventorum impetu dejectus denuo iisdem expensis, qt anno eodem restauratus fuit, Magistratus mercatorium gerentibus.“ Es folgt das Namensverzeichnis der Magistratskonsule und der Kanzleimitglieder. Canali 1937, Anm. 2 auf S. 546. 36 Es müsste sich immer um Carneri handeln. Vgl. Bacchi/Giacomelli 2004, S. 139. 37 Canali 1937, S. 534–535, Anm. 3 38 Zu Papebroch im Allgemeinen und seiner Reise aus Flandern nach Rovereto siehe Kindermann 2002; zu seinem Aufenthalt in Bozen vgl. Scarlini 2003, insbes. S. 120–122. 39 Bei den Acta Sanctorum handelt es sich um ein monumentales, von Heribert Rosweyde begonnenes und von Jean Bolland fortgesetztes Werk zu allen Heiligen der katholischen Kirche, die zu den jeweiligen Gedenktagen mit Kurzbiografien und anderen Notizen angeführt werden.

40 Alle Zitate von Papebroch sind Scarlini 2003, S. 120–122 entnommen. 41 Canali 1937, S. 535. 42 Zur Geschichte des Guercino-Altarbilds siehe den Beitrag von Pietropoli 1994, S. 152–153 mit Bibliografie. 43 Dass die Reliquien sich im Altar befanden, wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt: Am 22. September 1856 wird der Altar neu geweiht, da das Reliquiengrab mit den Resten der beiden Heiligen in Brüche gegangen war. Canali 1937a, S. 548. 44 Canali 1965, S. 56, Anm. 61. 45 Vgl. den Beitrag von Helmut Stampfer in der vorliegenden Publikation. 46 Canali 1937a, S. 533 47 Canali 1937a, S. 534. 48 Zum Beispiel Antonio Balestra, dem 1698 der Auftrag zum Gemälde Der Reichtum der Erde für den Merkantilmagistrat erteilt wurde. Die Balestra waren eine auf den Bozner Messen anwesende Kaufmannsfamilie, und Antonios Bruder Raffaele Balestra gehörte in eben diesem Jahr zu den Stimmenzählern bei der Wahl der Magistratskonsule und -räte. Canali 1948, S. 34. 49 „hora per comun grido il maggior Pittor d’Italia“. Schreiben des Konsuls Bernardino Borno vom 4. Dezember 1654 an den Merkantilmagistrat. Canali 1937a, S. 527. 50 Canali 1937a, S. 540. 51 Das Lot war eine deutsche Gewichtseinheit für Silber und andere Edelmetalle. 52 Canali 1965, S. 71–72. 53 Zu den Bozner Goldschmieden im 17. und 18. Jahrhundert vgl. Andergassen 2004. 54 Canali 1965, S. 56, Anm. 62. 55 Freundlicher Hinweis von Lucia Nardelli. 56 Archiv der Bozner Handelskammer. 57 Scarlini 2003, S. 121. 58 Sparber 1930, S. 202. 59 Vgl. den Beitrag von Luciano Bardelli in der vorliegenden Publikation. 60 Lindner 1886, S. 16. 61 Ein Exemplar wird im Archiv der Abtei Muri-Gries aufbewahrt. Freundlicher Hinweis von P. Plazidus Hungerbühler. Im Südtiroler Landesarchiv befindet sich dagegen die Versteigerungskundmachung der Klosterbesitztümer außerhalb der Stadt (Girland, Siebeneich, Maria in der Au usw.). Freundlicher Hinweis von Johannes Andresen. 62 Lindner 1886, S. 16. 63 Zum Altar und allgemein zu Teodoro Benedetti siehe Botteri Ottaviani 2003, insbes. S. 74; zum Altarblatt von Michelangelo Unterberger vgl. Kronbichler/ Mich 1995, S. 65 und Nr. S. 199-200, S. 245; Spada Pintarelli 2004, besonders S. 172 und Nr,. 192. 64 Vgl. den Beitrag von Helmut Stampfer in der vorliegenden Publikation. 65 Die Gemälde am Chorgewölbe sind von der Autorin des vorliegenden Beitrags Giacomo Antonio Delai (Spada Pintarelli/Bassetti 1989) und in der Folge Gabriel Kessler (Spada Pintarelli 2004, S. 173) zugeschrieben worden. 66 Auch Lindner 1886, S. 24, zitiert eine „[…] dicke Kruste von Stuccatur und plumpen Gemälden“. 67 Vgl. den Beitrag von Helmut Stampfer in der vorliegenden Publikation. 68 Lindner 1886, S. 21. 69 Bacchi/Giacomelli 2004, S. 139–140. 70 Freundlicher Hinweis von P. Plazidus Hungerbühler. 71 Gruber 2000, S. 14–15, S. 19. Einige der dargestellten Personen können identifiziert werden: der Abt Mathias Fuscus aus Gries, der Gastwirt Franz Parth und der Pfarrer (später Dekan) Paul Ranigler. Vor der Über-

führung nach Unsere Liebe Frau im Walde stand der Altar bis ins 19. Jahrhundert in der Stiftskirche Gries. 72 Stillhard 2003, S. 87–89. 73 Zu Anton von Menz siehe Tonini 2004. 74 Reichling 1982, S. 17. 75 Andergassen in: Rampold 2009, S. 53–54. 76 Lindner 1886, S. 27. 77 Der oben erwähnte Paragraf über die Altäre und die Ausstattung. 78 Im Jahr 1788 begann der von Joseph II. gewollte, unglaublich kostspielige Krieg gegen die Türken. Der Kaiser stand unter dem Einfluss der „aufgeklärten“ Freimaurerdoktrin nichtorthodox-hebräischer Prägung. Zwei opportunistische böhmische Brüder, die sich anfangs Dobruska, dann Schoenfeld und schließlich Frey nannten, wurden seine persönlichen Berater und nutzten die am Hofe geschlossenen Freundschaften aus, wie mit dem Grafen Joseph Thun. Ihre finanziellen Erfolge bzw. Misserfolge hingen mit waghalsigen Spekulationen und Marktstörungen im Zuge des Bankrotts der Indienkompanie zusammen. Nach dem Tod des Kaisers fühlten sie sich vom revolutionären Frankreich und von Danton angezogen, mit dem zusammen sie 1794 guillotiniert wurden. Robespierre bezeichnete sie als „die zwei gerissensten Gauner, die Österreich jemals hervorgebracht hat“. Freundlicher Hinweis von Giovanni Novello. 79 Lindner 1886, S. 22, Anm. 1. 80 Lindner 1886, S. 21, Anm. 3. 81 Auf dem Grundrissplan von Wachter findet sich kein derartiger Hinweis.

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1785, No 3 Inventarium Über das samentliche Vermögen des aufgehobenen Dominicaner Kloster zu Botzen in Tiroll Im Stiftsarchiv Muri-Gries liegt „No 3 Inventarium Über das samentliche Vermögen des aufgehobenen Dominicaner Kloster zu Botzen in Tiroll“1. August Lindner beschreibt in der „Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg“ „die Aufhebung der Klöster in Deutschtirol 1782 – 1787.“ Im XI. Kapitel behandelt er die Aufhebung des Dominikanerklosters in Bozen2. In einer Anmerkung sagt er mit Bedauern, dass er bei seiner Bearbeitung dieses Themas – ungefähr

Einige Bemerkungen zum Inventar des aufgehobenen Dominikanerklosters in Bozen Pater Plazidus Hungerbühler

hundert Jahre nach der Aufhebung des Klosters – „das von der Aufhebungs-Commission angefertigte Inventar“ 3 nicht auffinden konnte. „Die im Statthalterei-Archiv zu Innsbruck und im Archiv des Cultus-Ministerium zu Wien angestellten Nachforschungen ergaben mit Bestimmtheit, dass das Inventar am 7. April 1785“ (zwei Wochen nach erfolgter Inventarisierung) „in drei Parien“ (in dreifacher gleicher Ausführung) vom Kreisamt in Bozen an das Gubernium nach Innsbruck, und ein Exemplar vom Gubernium in Innsbruck an die Hofkanzlei nach Wien geschickt wurde. Weil das im Archiv Muri-Gries befindliche Inventar auf der Titelseite die Nummer 3 trägt, handelt es sich vermutlich um eines der drei vermissten Dokumente. Die Inventaraufnahme fand vom 3. bis 24. März 1785 statt – also drei Wochen lang nach der durchgeführten und publizierten Aufhebung. Dem Grieser Exemplar liegt ein Doppelblatt bei mit der Bemerkung: Dem Commendatar-Abt Roger Schranzhofer, datiert 7. Oktober 1788: „Es wird das von hoher Landesstelle“ (Gubernium) „eingesendete Inventarium des Dominikaner Klosters (alda) angeschlossen. K.K. Kreisamt Botzen 7. 8ber [1]788 - Jos. v. Lutterotti mpa“4 – also drei Jahre nach der durchgeführten Inventarisierung des aufgehobenen Dominikanerklosters in Bozen. Warum und wie gelangte dieses Inventar ins Augustinerchorherrenstift Gries? Nach dem Tod des Propstes Albert Martin

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Prack (am 7. Mai 1781) war den in Südtirol ge-

August 1785 vom Prokurator JB. Merkl geprüft7.

legenen Stiften von der Regierung in Wien ver-

Als „Schätzer“ und „Taxierer“ werden namentlich

boten worden, einen neuen Prälaten zu wählen.

genannt: der Goldschmied Franz Milser8, der Kir-

Nach zähen Verhandlungen wurde am 5. Mai

chenschneider Joseph Möltner9, der Stadt- und

1783 anstelle des Propstes in Gries der tüchtige

Landgerichts-Advokat und Taxator Isidor Bern-

Chorherr Augustin Nagele zum Administrator des

hard10. Im Zusammenhang mit den „Kapitalien“

Stiftes gewählt. Dieser hatte nach dem damaligen

wird Pater Maximilian Holzhamer als Prokurator

Recht alle Gewalt in den Händen, trug aber nicht

genannt11. In Bezug auf Bücher findet sich die Be-

den Titel und die Würdezeichen eines Prälaten.

merkung: „Verschiedene ausgeworfene alte Bücher

Kaiser Joseph II. hatte zwar schon im November

einsmalen ohne Tax“12. Im Abschnitt zur Wasch-

1781 die Aufhebung des Chorherrenstiftes Gries

kammer heißt es: „Im Bericht wird angemerket,

unterzeichnet, doch wurde sie verhindert bezie-

dass jene Leintücher, Pölster und Tischziehen[?],

hungsweise aufgeschoben mit der Begründung,

so jedwederer Geistlicher zu seinem täglichen

dass Gries verschiedene Seelsorgestellen betreue,

Gebrauche im Zimmer hat, unter obigem Lein-

und weil die von der Hofstelle in Wien verordnete

gewand nicht begriffen sind, und hangt bey hö-

Inventarisierung zeige, dass der jährliche Ertrag

herer Behörde ab, ob letzteres bey Austritt jedem

des Stiftsvermögens wieder zunehme. So beabsich-

belassen werden wolle.“13 Bei vielen angeführten

tige nun – nach 1785 – die Regierung, einzelne

Gegenständen wird hin und wieder bemerkt „ver-

Güter der aufgehobenen Klöster an das Stift Gries

kauft“, „alles verkauft“14, „alles verkauft bis auf die

zu verpachten. Das Kreisamt Bozen teilte am 13.

Tafeln“15, „unverkauft“ oder „nicht verkauft“16.

Stiftsarchiv Muri-Gries: H. - I. - I. - Nr. 1. Lindner 1886, S. 11–33. 3 A.a.O. S. 17, Anmerkung 2. 4 Stiftsarchiv Muri-Gries: H. - I. - I. - Nr. 1 auf dem im Inventarium beigelegten Blatt. 5 Vgl. Fol. 49v. 6 Fol. 49v. 7 Vgl. Fol. 4r. 8 Vgl. Fol. 17v. 9 Vgl. Fol. 20r. 10 Vgl. Fol. 27v. 11 Fol. 9r. 12 Fol. 30v. 13 Fol. 32v. 14 Z.B. Fol. 31r. 15 Z.B. Fol. 33r; Fol. 33v; 16 Z.B. Fol. 35v. 1 2

Januar 1786 dem Administrator Nagele mit, dass der Sekretär von Roschmann mit der Aufgabe betraut worden sei, die noch nicht verkauften Güter der bis dahin aufgehobenen Klöster den drei Prälaturen Neustift, Gries und St. Michael an der Etsch zur Pacht zu übergeben. Die Verwaltung der nun übernommenen, weit herum zerstreuten Güter war vom bisherigen Stiftssekretär Cosmas Lidmayr nicht mehr allein zu verkraften. Augustin Nagele entlastete ihn, indem er ihm den Mitbruder und Hausmeister Stanislaus Oberrauch zur Seite stellte und seinem weltlichen Sekretär Joseph Lofferer die Amtsgeschäfte eines Stiftsverwalters übertrug. Zu dem uns vorliegenden Inventarium ist zu sagen, dass es sich um eine „frisierte“ Reinschrift und wohl bereinigte Fassung der vom 3. bis 24. März 19785 vorgenommenen Inventarisierung handelt, wahrscheinlich um eine „Abschrift“, da die Siegel und die Originalunterschriften der Kommissionsmitglieder fehlen5. Die mit der Inventarisierung Beauftragten sind: Johann Andree von Franzin als „in Sachen Comissarius“, Joseph v. Martini als „interims Administrator“ und Ignatz Pichler als „Substh. Buchhaltgs Individuum“6. Die Kapitalien in fundis publicis wurden am 8.

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Die Bibliothek der Dominikaner in Bozen hatte einen besonderen Ruf, der noch bis in unsere Gegenwart reicht. „Der größte Schatz dieses Klosters war seine Bibliothek, die sowohl durch die Zahl der Bände, als auch in der Auswahl der besten und seltensten Werke die meisten Bibliotheken im Lande übertraf“, schreibt Johann Jakob Staffler 1847 ehrfurchtsvoll in seiner statistisch und topographischen Beschreibung von Tirol und Vorarlberg und gibt damit wohl auch die Auffassung seiner Zeitgenossen wieder1. Dieses Bild ist auch heute noch in der historischen Bibliotheksforschung fest verankert. Und das, obwohl es kaum Quellen zu dieser Ordensbibliothek gibt; auch

Die Bibliothek des Dominikanerklosters in Bozen

diejenigen, die zu der Einschätzung maßgeblich beigetragen haben, gehörten einer Generation an, die es ihnen nicht mehr ermöglichte, die im Zuge der josephinischen Reformen 1785 aufgelöste Bibliothek in eigener Anschauung gesehen zu haben.

Johannes Andresen

Wir wissen also nicht viel von der Bibliothek. Gerade einmal eine knappe zeitgenössische Beschreibung ist vor zwei Jahrzehnten entdeckt worden2; eine weitere Schilderung ist aus den Akten der Klosteraufhebung bekannt und maßgeblich von rein kommerziellen Gesichtspunkten beeinflusst3. Einige wenige Anhaltspunkte finden sich zudem in einem im Jahr 2009 aufgetauchten Schätzungsinventar der Klostereinrichtung4 (Abb. 1). So sollen neben diesen Berichten auch die Bücher der Bibliothek selber zu Wort kommen, um mit allen Hinweisen zusammen diese fama ein wenig zu beleuchten. Doch wie ist das möglich? Die Bibliothek existiert doch seit mehr als 200 Jahren nicht selbst mehr; in ihren ehemaligen Räumlichkeiten befindet sich heute der Verwaltungstrakt des Konservatoriums. Die Bibliothek gibt es nicht mehr, aber einige Bücher lassen sich auch nach mehr als zwei Jahrhunderten in anderen Bibliotheken der Stadt, in Büchersammlungen Süd- und Nordtirols nachweisen. Um sie zu finden, kommt uns ein Projekt zugute, das von der Stiftung Südtiroler Sparkasse seit mehr als 10 Jahren begleitet wird, die „Erschließung der Historischen Bibliotheken in Südtirol (EHB)“5. Im Rahmen dieses Projektes wurden in vielen Klosterbibliotheken

260


die Bestände erfasst und bei der Erfassung auch die sogenannten Ex-Libris-Einträge verzeichnet, d. h. Besitzervermerke in den Büchern, darunter auch solche, die auf die ehemalige Dominikanerbibliothek verweisen (Abb. 2). Wenige Jahre vor der Klosteraufhebung reiste ein Mann namens Adalbert Blumenschein durch Tirol. Seine Reise war Teil einer lebenslangen Reisetätigkeit quer durch Europa mit dem Ziel, die Bibliothekslandschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts zu verzeichnen. Er hinterließ ein umfangreiches Manuskript mit dem Titel „Beschreibung verschiedener Bibliotheken in Europa“, das nur in einer Handschrift, die sich heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien befindet, überliefert ist6. Es wird wohl um 1778–1779 gewesen sein, dass er durch Tirol reiste und neben Innsbruck, Brixen und Neustift auch nach Bozen kam und dort die Dominikanerbibliothek besuchte7. Seine Beschreibung ist leider nicht sehr ausführlich, aber sie ist die einzige, die wir haben. Seinen Aufzeichnungen zufolge war die Bibliothek in einem großen, lang gestreckten Raum untergebracht. Aus dem Jahr 1786 ist uns ein Gebäudeplan des Klosters überliefert, der die Bibliothek im ersten Stock im Südflügel des Kreuzganges lokalisiert8. Die Decke besaß kein Gewölbe, was Blumenschein eigens vermerkte, da eine Gewölbedecke einen wesentlich besseren Schutz gegen Feuer geboten hätte. Vom Bibliotheksgang, der auch im Aufhebungsinventar erwähnt wird und der mit Bildern ausgestattet war, führten zwei Eingänge in die Bibliothek9. Über

1

den Eingangstüren waren jeweils Inschriften angebracht, die er aber aufgrund der Kürze seines Besuchs nicht aufschreiben konnte, wie er eigens vermerkt10. Die Bibliothek selbst war übervoll mit Büchern und goldverzierten Bücherschränken (Repositorien). Sie war so voll, dass viele Regalböden doppelt belegt waren, hinten die großformatigen Bücher (wahrscheinlich Folianten oder Quartbände), davor gestellt kleinformatige Oktavbände und Sedezformate. Die meisten Bücher waren einheitlich in „französischer Manier“ eingebunden, d. h. es handelte sich wohl um dunkle Ledereinbände mit den typischen Prägestempeln

1. Eine Seite aus dem Schätzungsinventar der Einrichtung der Klosterbibliothek, Bozen, Stiftsarchiv des Benediktinerklosters Muri-Gries

261


2

3

mit Blatt- und Rankenmotiven11. Das belegen

und Bozen lagern, Besitzervermerke des Domi-

auch die noch erhaltenen Werke, die sich heute in

nikanerklosters oder seiner Ordensmitglieder

der Propsteibibliothek von Bozen befinden. Die

nachweisen. Teilweise sind es handschriftliche

ehemaligen Bücher der Dominikaner lassen sich

Einträge der Patres, in den meisten Büchern fin-

leicht ausmachen (Abb. 3). Teils sind sie ganzflä-

det sich jedoch ein Kupferstich mit der Inschrift

chig in dunklem Leder gebunden, teils ist nur der

„Ex Bibliotheca Fratrum Ordinis Praedicatorum

Buchrücken mit dunklem Leder bezogen. So wird

Conventus Bulsanensis S.S. Nominis Jesu“. Im

die Dominikanerbibliothek mit der Mischung

Oval der Darstellung sind neben dem wachenden

aus Gold und dunkelbraunem Leder schon aus

Auge Gottes am oberen Bildrand in zentraler Po-

rein ästhetischen Gründen bei den Zeitgenossen

sition Jesus Christus als Salvator Mundi und am

einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.

unteren Bildrand Buch und Hund als Attribute

Die Dominikaner haben sich dabei bewusst für

des heiligen Dominikus zu sehen. Auch die Lilie,

diese Form der Bibliotheksgestaltung entschie-

der Stern und der Stab entstammen der Lebens-

den, da es in der damaligen Zeit üblich war, den

beschreibung des heiligen Dominikus. Der Ste-

reinen Buchstock vom Buchhändler zu beziehen

cher war vermutlich Christian Friedrich Georg a

und die Werke dann nach eigenen Vorstellungen

Lapide (ca. 1665–ca. 1720)14 (Abb. 2).

vom Buchbinder einbinden zu lassen.

haupt eine Bibliothek aufgebaut? Die erste Ant-

gemäß erkundigte sich Blumenschein bei seinem

wort gibt uns bereits der Ordensgründer. Domini-

Führer nach herausragenden Werken, die er ger-

kus räumte dem Studium eine besondere Stellung

ne in seinen Berichten anführte. Sein Begleiter

innerhalb des mönchischen Lebens ein. So wurde

konnte ihm jedoch keine Auskunft geben und der

im Orden von Anfang an auf das Studium und

Prior, der wohl genauer mit den Buchbeständen

die wissenschaftliche Ausbildung sowie stetige

vertraut war, lag um 7.30 Uhr noch im Bett, wie

Weiterbildung der Ordensangehörigen großer

Blumenschein spöttisch anmerkte.

Wert gelegt. Dies wurde auch auf den General-

Aus einer anderen Quelle erfahren wir, dass

kapiteln immer wieder betont. Der Nachwuchs

die Bibliothek zwischen 6.000 und 7.000 Werke

wurde in eigenen Hausstudien ausgebildet, wobei

umfasste, darunter etwa 300 Inkunabeln, auch

der Orden eine komplexe Studienorganisation

einige seltene Stücke, wie der sachkundige An-

- zum Teil in Abstimmung mit nahegelegenen

dreas di Pauli festhielt. Es sollen sowohl Werke

Universitäten - herausbildete. So gab es in jedem

aus der Offizin Aldus Manutius aus Venedig, der

Konvent eine Schule für Theologie (Abb. 4). Nach

Baseler Druckerei des Johannes Froben und der

einem zweijährigen Konventstudium, dem eine

Antwerpener Offizin des Christoph Plantin vor-

grammatische Grundausbildung vorausging, ließ

handen gewesen sein. Auch ein Schöfferdruck

man die Begabteren das dreifach gestaffelte Ge-

wird erwähnt. Leider ist kein Katalog überlie-

neralstudium beginnen: Logik bzw. Philosophie,

fert, so dass wir nur ein sehr ungenaues Bild der

Naturwissenschaften, Theologie. Seit dem Mit-

Bibliothek erhalten . Bei der Versteigerung der

telalter musste jede Ordensprovinz diese höheren

Bücher interessierte nur ihr Preis. So habe ein

Studien in mehreren Konventen anbieten, wobei

Schönfärber Gugler für die ganze Bibliothek 105

die einzelnen Konvente vielfach Schwerpunktfä-

Dukaten geboten. Ob es zum Geschäft gekommen

cher anboten. In Bozen lag der Schwerpunkt auf

ist, geht aus den Akten allerdings nicht hervor13.

der Philosophie15. So ist seit 1643–1647 auch ein

Über die Datenbank des eingangs erwähn-

Studium Generale in Bozen möglich gewesen16.

ten Projekts zur Erschließung der Historischen

Mit ein Grund für die Ansiedelung der Studien

Bibliotheken lassen sich in mehr als 200 Werken,

in Bozen war die desolate Situation gegen Ende

die verstreut in den Buchbeständen der Biblio-

des dreißigjährigen Krieges in anderen Teilen der

theken zwischen Innsbruck und Brixen, Meran

deutschen Ordensprovinz, zu der Bozen damals

12

2. Exlibris der Bozner Dominikanerbibliothek 3. Bücher aus dem Besitz der ehemaligen Dominikanerbibliothek, Bozen, Propsteibibliothek

262

Doch warum haben die Dominikaner über-

Einer bibliophilen Gepflogenheit der Zeit


4

5

4. Frontispiz der „Assertiones Theologicae� von Thomas von Aquin, 1776, Bozen, Propsteibibliothek

5. Gundisalvus Stoll, Der heilige Thomas von Aquin. Miniatur, 1800, Bozen, Propsteibibliothek

263


gehörte. Bozen war von den Kriegswirren weit-

Zeit über einem neuen Katalog. Er scheint erst

gehend verschont geblieben. Es scheint sogar so

vier Jahre später, 1789, fertig geworden sein; der

gewesen zu sein, dass in Bozen im 18. Jahrhundert

Katalog muss aber leider als verschollen gelten.

auch Externe studieren konnten, da der Konvent

So bleibt der Inhalt der Bibliothek und ihr weite-

seit 1733 auch das Ius promovendi besaß.

res Schicksal im Dunkeln. Ob der Färber Gugler

Jedes Studium erfordert jedoch eine gut aus-

den Zuschlag für sein Angebot von 105 Duka-

gestattete Bibliothek. Die Ausrichtung des Gesam-

ten erhielt, lassen die erhaltenen Zeugnisse offen.

tordens in Richtung Wissenschaft und Bildung

Ungeklärt bleibt auch der Verbleib der meisten

und der Ordensauftrag, als Studienort zu dienen,

Bücher. Einige lassen sich in der Universitäts-

waren also die wesentlichen Gründe für den Auf-

bibliothek in Innsbruck nachweisen, andere im

und systematischen Ausbau der Klosterbibliothek.

Priesterseminar in Brixen. Einzelfunde finden sich

Dass in Bozen dabei nicht nur gelehrt, sondern

im Bestand der Franziskanerbibliothek in Bozen,

auch geforscht und geschrieben wurde, zeigen

immerhin mehr als 100 Werke in der benachbar-

nicht zuletzt die wissenschaftlichen Publikatio-

ten Propsteibibliothek in Bozen. Dies mag nicht

nen einer ganzen Reihe von Ordensmitgliedern

zuletzt auf persönliche Kontakte zurückzuführen

im 18. Jahrhundert, wie sie uns Anton Lindner

sein. So gibt noch heute eine Miniatur im ersten

überliefert .

alphabetischen Katalog der Propsteibibliothek

17

Die Studienanstalt scheint bis kurz vor der

aus dem Jahr 1800 Zeugnis davon, dass dieser

Konventsauflösung bestanden zu haben. Doch

für die damalige Zeit moderne Katalog von dem

am 3. März 1785 musste der Prior Martin Egg

ehemaligen Bibliothekar des Dominikanerklos-

zusammen mit den Kassen und den anderen

ters, Gundisalvus Stoll, erstellt wurde.

Schlüsseln auch die Schlüssel von Bibliothek und

Es bleibt also nur die Hoffnung, dass am En-

Archiv abgeben. In der Folge wurde die geistige

de der Erfassung der Historischen Bibliotheken

Schatzkammer auf eine quantitative Summe redu-

in Südtirol und mit Hilfe der heutigen Technik

ziert. Auf 716 Gulden schätzte man einige Monate

zumindest virtuell ein größerer Teil dieser bereits

später ihren Wert18. Der letzte Bibliothekar des

in ihrer Zeit berühmten Bibliothek wieder ans

Klosters, Gundisalvus Stoll (Abb. 5) saß in dieser

Licht kommt.

264

Staffler 1847, S. 860. Walker 1992. 3 Zu den Klosteraufhebungen immer noch maßgeblich, nicht zuletzt wegen der Fülle der angeführten Akten: Lindner 1886. 4 Es handelt sich wohl um das einzige erhaltene Exemplar des von der Aufhebungskommission angefertigten Inventars. Lindner berichtet von drei Exemplaren, von denen das Kreisamt Bozen jeweils ein Exemplar nach Innsbruck und eines nach Wien geschickt haben muss. Beide Exemplare konnte er bereits nicht mehr auffinden (Lindner 1886, S. 17). Das nun aufgetauchte Exemplar ist wohl im Zuge der Übertragung der Verwaltung der Ländereien und des Grundbesitzes der Dominikaner an die Augustiner Chorherren in Gries in deren Besitz gelangt. Heute befindet es sich unter der Signatur Litt. H, tit. I, fasc. I, Nr. 1 im Stiftsarchiv des Benediktinerklosters MuriGries. Für die unkomplizierte Einsicht und Hilfe geht ein herzlicher Dank an P. Plazidus Hungerbühler. 5 Zur Projektvorgeschichte vgl. Klammer 2006, S. 7–12. Der aktuelle Projektstand lässt sich unter www. ehb.it nachlesen. 6 Vgl. Anm. 2. 7 Eine kritische und reichhaltige Auswertung dieser Reise zusammen mit dem Originaltext bietet Neuhauser 2000, S. 339–415. Zur Person Blumenscheins und seinem Werk vgl. zuletzt: Osti 2000, S. 269–337. 8 Der Plan stammt vom Kreishauptmann Matthäus Wachter und befindet sich heute in Innsbruck. Vgl. dazu die Ausführungen von Luciano Bardelli in diesem Band. 9 So ist im Inventar von drei „tafeln“ die Rede, die erste mit einer Darstellung Abrahams, die zweite gibt die Szene der unschuldigen Kinder wieder, die dritte zeigt den Hl. Thomas (wie Anm. 4, fol. 32v). 10 Vgl. Neuhauser 2000, S. 349. 11 Vgl. Mazal 1990, Taf. 62–64. 12 Anscheinend hat der letzte Bibliothekar des Klosters, Gundisalvus Stoll, kurz vor der Aufhebung mit der Erstellung eines neuen Katalogs begonnen, den er vollenden sollte (Lindner 1886, S. 22). Laut Lindner wurde der Katalog Andreas di Pauli zur Durchsicht gegeben. Von ihm dürften auch die obigen Angaben stammen. 13 Im Bozner Bürgerbuch ist ein Färber Georg Gugler nachweisbar, der 1728 das Bürgerrecht erworben hat. Vgl. Bozner Bürgerbuch 1956, Bd. 2, S. 13. 14 Die Zuschreibung an Christian Friedrich Georg a Lapide findet sich bei Hochenegg 1963, S. 119. 15 Zum Studium im Dominikanerkonvent in Bozen vgl. Gritsch 1979–1980, S. 185–220. 16 Gritsch setzt in Gegensatz zur früheren Forschung den Beginn eines Studium Generale in Bozen erst mit dem Jahr 1647 an (wie Anm. 15, S. 196–197). 17 Lindner 1886, S. 262–264. 18 Die Zahl findet sich übereinstimmend bei Lindner 1886, S. 17 und im wiedergefundenen Inventar der Aufhebungskommission (wie Anm. 4), fol. 43v. 1 2


265

LEBEN IM KLOSTER


Ein avantgardistisches Kloster, originell auch in der Namensgebung; denn der Kult des „allerheiligsten Namens Jesu“ erscheint offiziell erstmals in den Erlassen des 1274 einberufenen Zweiten Konzils von Lyon. Die ersten in Bozen angelangten Dominikanermönche entscheiden sich mit außergewöhnlicher Promptheit für eine Dedikation, die in der Folge zu einer Richtschnur des Ordens werden sollte1. Allgemeine Bemerkungen Die Nutzung der verschiedenen Räumlichkeiten

Die Nutzung der Räumlichkeiten im Bozner „Convent des Allerheiligsten Nahmen Jesu“ bei der Aufhebung Luciano Bardelli

des ehemaligen Klosters der Predigermönche in Bozen ist bisher wenig untersucht worden. Diese Tatsache ist zu einem großen Teil auf die auch erheblichen Beschädigungen und Zerstörungen von einzelnen Gebäudeteilen zurückzuführen, die nach der Säkularisierung des Klosters eingetreten sind, oder aber auf den Mangel an bedeutsamen Kunstwerken, da diese sich überwiegend im begrenzten Kirche-Kreuzgang-Bereich erhalten haben. Im Übrigen scheinen sich auch die allgemeinen Studien zur Architektur der Bettelorden fast ausschließlich mit den Kirchenbauten zu beschäftigen2. Von grundlegender Bedeutung zur Rekonstruktion der Zweckbestimmung der Klosterräumlichkeiten sind die grafischen Erhebungen des Erdgeschosses und des ersten Stockwerks, die 1786, ein Jahr nach der Klosteraufhebung, vom damaligen Kreishauptmann Matthäus Wachter angestellt wurden (Abb. 1). Auf diesen Zeichnungen, die der Wirklichkeit wohl recht nahe kommen, werden die einzelnen Räume mit einer – von der Kirche zum Klostergebäude ansteigenden – Nummerierung versehen, die in einer seitlich angebrachten Legende erklärt wird3. Nicht alle Räume haben eine klare, unzweideutige Bestimmung, und sie werden häufig allgemein als „Beheltnis“ bezeichnet; aber angesichts des präzisen Kontextes kann man doch auf ihre Nutzung schließen. Die Pläne liegen einem im Auftrag des Innsbrucker Guberniums abgefassten Bericht bei, dem es oblag, das aufgehobene Kloster während

266


1

1. Matth채us Wachter, Grundriss der Kirche und des Klosters der Dominikaner, Innsbruck, Tiroler Landesarchiv

267


der Übergangsphase zu verwalten und den Ver-

Die Dominikanerkirche wies somit eine

im 17. und 18. Jahrhundert der Barockstil ton-

kauf, einschließlich aller veräußerlichen beweg-

völlig andere Gestalt auf als die nahe Franziska-

angebend wird. So können wir wohl mit Recht

lichen Güter, zu steuern, um das Gebäude einer

nerkirche, deren Lettner erhalten geblieben ist.

annehmen, dass sich das Leben der Bozner Do-

neuen, zum damaligen Zeitpunkit noch ungewis-

So konnte darin die Orgel aufgestellt werden,

minikaner im 18. Jahrhundert – in der gebüh-

sen Zukunft entgegenzuführen. In eben diesem

deren vier Flügel jetzt an der Innenfassade des

renden Proportion – nur geringfügig von dem

Bericht werden für das Kloster mehrere mögli-

nördlichen Seitenschiffs hängen .

der mittelalterlichen Klostergründer unterschied.

6

7

che Bestimmungen angeführt: deutschsprachige

Die größere Orgel der Dominikaner wurde

Was die Nutung der einzelnen Räumlichkei-

Schule mit Lehrern, Heim für die aus dem Kloster

an Matthäus Demanega verkauft, den Pfarrer von

ten bei der Klosteraufhebung angeht, so konnten

Rottenbuch verwiesenen Zölestinerinnen, Woh-

Deutschnofen, der sie in der dortigen Pfarrkirche

– von Kloster, Sakristei, Dormitorium und Kreuz-

nung für eine Familie im Haus des Provinzials,

aufbauen ließ8. Von diesem Instrument, das inzwi-

gang abgesehen – die verschiedenen Funktionen

Kaserne. Und tatsächlich sollte es in den darauf

schen verloren gegangen ist, hat sich ein hölzernes

auch auf andere Räume übertragen werden12.

folgenden Jahrzehnten, wenn auch für mehr oder

Schleierbrett des Orgelgehäuses erhalten, auf dem

Hierin ist der große Pragmatismus der Mönche

weniger lange Zeit, alle diese Funktionen erfüllen.

der Pfarrer sich porträtieren ließ und das heute

zu erkennen, die angesichts der Mobilität der

im Ortsmuseum aufbewahrt wird .

Mitglieder der Gemeinschaft vor allem auf die

Nur zwei Bemerkungen zur Kirche, die – wie

9

auch der Kreuzgang – in diesem Beitrag nicht

Die kleinere Orgel dagegen, die im Jahr 1793

tägliche Nutzbarkeit bedacht waren. So werden

weiter behandelt wird. Sie betreffen den Lettner

von Anton von Menz ersteigert wurde, befindet

wir zum Beispiel noch sehen, dass aus Platzgrün-

und die Orgelempore. Der Lettner mit seinen fünf

sich jetzt in der Kirche Mariä Himmelfahrt in

den auch ein bedeutender Raum wie der Kapi-

kreuzgewölbten Kapellen, der ursprünglich den

Oberbozen (Ritten), und sie ist in jüngster Zeit

telsaal ohne Probleme eine neue Nutzung finden

Kirchenraum vom Chor getrennt hatte, war schon

einer philologischen Restaurierung unterzogen

kann. Diese Änderungen in der Bestimmung der

lange zuvor demoliert worden, wahrscheinlich im

worden10.

Räumlichkeiten werden einschneidender, als das

Zuge der in der Folge des Konzils von Trient ver-

Der vorerwähnte Bericht war als Bestands-

Kloster im Jahr 1643 zu einem Studium generale

öffentlichten borromäischen Instruciones. In der

aufnahme des ausgedehnten Konvents gedacht,

wird – mit der Folge, dass die Räume den neuen

Chronik eines Kirchenbesuchs des flämischen

der nach der Aufhebung in Staatsbesitz übergehen

Bedürfnissen angepasst und/oder erweitert wer-

Jesuiten und Historikers Daniel Papebroch an-

sollte. Zugleich liefert er uns aber eine präzise, am

den und ein großer Teil der Klosteranlage eine

lässlich seiner Italienreise 1660–1662 ist zu lesen:

24. August 1786 angefertigte „Momentaufnah-

Umstrukturierung erfährt.

„In beiden Seitenschiffen findet sich ein pracht-

me“ des Gebäudekomplexes.

voll geschnitzter, vergoldeter hölzerner Altar; eine

Wir haben es aber auch einem zweiten Do-

großartige Schnitzarbeit ist auch die Kanzel in der

kument zu verdanken, dass die Klostergeschichte

Kirchenmitte“4 – was bedeutet, dass die Predigten

nicht ein großes „schwarzes Loch“ aufweist: Es

Die bauliche Anlage des Klosters bei der Aufhe-

schon seit längerem nicht mehr, wie ursprünglich,

handelt sich um die genau hundert Jahre später

bung, als es seine größte Ausdehnung erreicht

vom Lettner gehalten wurden5. Interessant ist zu

von Pater Lindner durchgeführte Untersuchung

hatte, wird ausführlich sowohl in dem erwähnten

bemerken, dass während der Erneuerung des Fuß-

über die bei der Aufhebung veräußerlichten oder

Bericht erläutert als auch – was die Vertikalpro-

bodens im Jahr 2004 unmittelbar unterhalb des

verloren gegangenen Güter des reichen Klosters11.

jektion betrifft – auf mehreren perspektivischen

Bodenbelags in der Rückwand mehrere Löcher

Die vorliegende Rekonstruktion, die zwangs-

Stadtansichten dokumentiert, die vom 17. Jahr-

ans Tageslicht kamen, die als Lager für Holzbal-

läufig an Unterlagen gebunden ist, die sich auf die

hundert an von verschiedenen Vedutisten an-

ken gedient hatten. Wahrscheinlich hatte es hier

letzte Periode des Klosterlebens beziehen und mit

gefertigt worden sind, sowie vom ersten, 1819

einen ersten, kleineren Lettner gegeben, der in der

der Vertreibung der Mönche zusammenhängen,

erstellten Projekt zum Umbau in eine Kaserne13.

uns bekannten Form schon im 14. Jahrhundert

ist umso bedeutungsvoller, als im Leben der Or-

Die Anlage des Bozner Klosters, mit den Ge-

rekonstruiert worden war. Die zweite Bemer-

densgemeinschaft, und somit auch in der Klos-

bäudeteilen, die sich um rechtwinklig angeordnete

kung betrifft die Orgelempore, die sich an der

teranlage, in fast 500 Jahren nur unwesentliche

Innenhöfe gruppieren (Abb. 2), geht insgesamt

Innenfassade des Kirchenschiffs befunden hatte

Veränderungen eingetreten sind. Radikale Um-

auf den im 8. Jahrhundert entwickelten Kloster-

und einzig durch eine im Westen gelegene Tür

wandlungen sind allerdings in den Kunstwerken

typ zurück14, der als Vorbild aller nachbenedik-

erreicht werden konnte, die mit dem Korridor

zu verzeichnen, die dem jeweiligen Zeitgeschmack

tinischen Ordensgemeinschaften und Klöster

der Klosterbehausungen im ersten Stockwerk in

angepasst wurden: Sie stehen – um nur die ekla-

angesehen werden kann.

Verbindung stand.

tantesten Beispiuele zu zitieren – im 15. und 16.

In diesem Modell ist ein Nachleben der An-

Jahrhundert ganz im Zeichen der Gotik, während

lage antiker Wohnbauten zu erkennen15, wo die

268

Die Klosteranlage


einzelnen Gebäudeteile nicht zufällig die Bezeich-

Novella in Florenz – oder ob sie mit dieser Auf-

nung einer domus beibehalten.

gabe einen externen Baumeister betraut haben.

Die Wahl des Standorts – die Dominikaner

Doch angesichts der starken Spezialisierung der

am Südrand der mittelalterlichen Stadt und die

Rollen innerhalb der Ordensgemeinschaft kann

Franziskaner an ihrem Nordrand – entspricht ei-

man wohl mutmaßen, dass einer oder mehrere

ner auch in anderen Städten, in denen sich Bettel-

Mönche die Aufgabe hatten, die Bau- und In-

orden angesiedelt hatten, üblichen Gepflogenheit.

standhaltungsarbeiten zu beaufsichtigen.

Obwohl die Predigermönche 40 Jahre nach den

Die Struktur der klösterlichen Gesamtanla-

Franziskanern in Bozen angelangt waren, scheinen

ge mag sich von bewährten Vorbildern der Klos-

die beiden Orden auch hier ein stillschweigendes

terbaukunst herleiten, doch in der Architektur

Übereinkommen getroffen zu haben, um sich

führen die Dominikaner immer neue, veränder-

die jeweiligen Einfluss- und Wirkungsbereiche

liche Elemente ein, die an die für den Orden so

adäquat aufzuteilen.

wesentliche Predigertätigkeit gebunden sind. Da

Dass die beiden Klöster mit den ihnen an-

es – abgesehen von der vom heiligen Dominikus

geschlossenen Kirchen in Anbetracht der dama-

selbst ausgesprochenen Aufforderung zu äußerster

ligen Zeiten so schnell errichtet wurden, war der

Schlichtheit der Bauten – keine strikten Anleitun-

großen Gunst zuzuschreiben, die sie seit ihrer

gen zum Bau von Dominikanerkirchen gab, hatte

Ankunft beim einheimischen Adel genossen, an-

jedes Kloster ein eigenes, individuelles Gepräge18.

gefangen bei der Suche nach einem angemessenen

Das südlich der mittelalterlichen „Neustadt“

Baugrund, der ihnen großzügigerweise gestiftet

gelegene Bozner Dominikanerkloster nahm – zu-

wurde. Am freigebigsten erweisen sich dabei die

sammen mit dem zur gleichen Zeit entstandenen

Familien de’ Rossi-Botsch und Niederthor für

Heilig-Geist-Spital, durch das es von der Stadt-

die Dominikaner, die Vintler und die Weineck

pfarrkirche getrennt wurde – ein recht ausge-

für die Minoriten – in perfekter Analogie zu den

dehntes Areal ein.

16

Gegebenheiten in den bedeutendsten italienischen

Die architektonischen Merkmale des Klos-

Städten: Die Sforza förderten Santa Maria delle

ters werden nicht nur vom Baugelände bestimmt,

Grazie in Mailand, die Medici unter Cosimo

sondern auch von den Aufgaben und Tätigkeiten,

dem Älteren das Kloster San Marco in Florenz,

die es innerhalb der Ordensprovinz übernimmt:

der Doge in Venedig die Kirche Santi Giovan-

Da ist in erster Linie der von den Mönchen ent-

ni e Paolo–Zanipolo: „Links des Eingangs steht

wickelte Weinbau, und dann die Tatsache, dass

ein mächtiger, an mehreren Stellen beschädigter

es sich um eine „Grenzgemeinschaft“ handelte,

und von Unkraut überwucherter Sarkophag. Er

die sowohl von der lombardischen wie auch von

enthält die sterblichen Reste von zwei Dogen,

der teutonischen Provinz umworben war, bis sie

Jacopo und Lorenzo Tiepolo. Einer der beiden

in den letzten Jahren ihres Bestehens fast eine ei-

hatte das Grundstück zum Bau der erhabenen

genständige Insel bildete19.

Kirche gestiftet“17.

2

3

Dies war einer der Gründe für die Einrich-

Auch bei der Anlage der beiden Kreuzgänge

tung einer weithin berühmten Schule, die sogar

– der größere unmittelbar an der Kirche, dane-

die Universitätsstudien umfasste. Die bauliche

ben der kleinere, „grüne“ Kreuzgang, auf den die

Entwicklung des Dominikanerklosters läuft re-

Werkstätten gehen – erfolgte ein Rückgriff auf

lativ ruhig ab, ohne große Erschütterungen und

nunmehr bewährte Vorbilder, wie auf das Kloster

Umwälzungen, wie sie dagegen im nahen Franzis-

San Domenico in Bologna, wo der Ordensgründer

kanerkloster zu verzeichnen sind. Die Patres sind

gestorben ist und begraben liegt.

– wie fleißige Arbeitsbienen – nur bemüht, die

Wir wissen nicht, ob die Mönche selbst die

beschädigten Baukörper nach katastrophalen Erd-

Kirche und das Kloster geplant haben – wie zum

beben, Überschwemmungen und Feuersbrünsten

2. Bauphasen

Beispiel Frà Sisto und Frà Ristoro in Santa Maria

wiederherzustellen oder zu erweitern.

3. Vermutliche Struktur der ersten Klosterniederlassung

269


Die Erweiterungsbauten am Dominikaner-

lichkeiten ist im Übrigen von außen her nicht

kloster betreffen den ersten Kreuzgang: Zuerst

zu erkennen, mit Ausnahme lediglich des schon

wird er erhöht, dann wird im Westen ein zweiter

erwähnten Hauses des Provinzials und der beiden

Kreuzgang angebaut , wobei die Lage der Bau-

Kreuzgänge; denn die einzelnen Tätigkeiten voll-

ten durch die Straßenachsen – der in Ost-West-

ziehen sich nicht in monofunktionalen Blöcken

Richtung verlaufenden Ziegelgasse und der von

(vgl. die zitierte domus), sondern verteilen sich

Norden nach Süden ausgerichteten Schustergasse,

auf die zwei Stockwerke: Im Erdgeschoss befin-

der späteren Predigergasse – vorgegeben ist. Die

den sich die Räume des Ordenslebens und die

ungewöhnliche Ausrichtung der Kirche nach

Werkstätten, im ersten Stock die Schlafsäle, die

Süden statt versus orientem könnte mit schon

Bibliothek und die Krankenabteilung.

20

4

vorhandenen Vorgängerbauten erklärt werden,

Zur baulichen Entwicklung ist dies zu be-

die dem Kloster einverleibt wurden. Bei Ausgra-

merken: Während die erste Anlage noch unter

bungen, die gegen Ende der Neunzigerjahre des

dem Einfluss der strengen, vom Ordensgründer

20. Jahrhundert durchgeführt wurden, kamen

auferlegten Beschränkungen hinsichtlich der Grö-

mehrere spätmittelalterliche Bauten zutage, die

ße stand, erlebte das Dominikanerkloster um die

an einen schon zuvor bestehenden, eigenständi-

Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert eine Blü-

gen Wohnkomplex (Ansitz Mayrhof) mit einem

tezeit, in der es die gotische Gestalt bekam, die

Brunnen denken lassen, dessen Mauerverlauf dem

an den erhaltenen Baustrukturen noch heute zu

des Klosters entsprach. Im Erdgeschoss des Bau-

erkennen ist. Handwerker, die über ausgezeich-

werks (c) befindet sich eine recht große Weinkelter

nete Fähigkeiten in der Sandstein- und Ziegelver-

(Torggl), die – neben Altären und Öfen – als einzi-

arbeitung verfügten, gaben nicht nur der Kirche,

ge Struktur auf den Plänen hervorgehoben wird .

sondern auch dem angrenzenden Kreuzgang mit

Die beiden Gebäude (a) und (c), die im Nor-

dem Kapitelsaal und der Katharinenkapelle ein

21

den den Kirchplatz beziehungsweise den kleinen Innenhof begrenzen (Abb. 3), zeichnen sich auf

Ähnliche Höhepunkte in architektonischem

den Veduten des 18. Jahrhunderts als eigenständi-

Bereich sollte es in den darauf folgenden Jahr-

ge Stadtpalais mit zweifarbigen Fensterläden und

hunderten nicht mehr geben. Die letzten spät-

Okuli-Fenstern unter dem Dachgesims ab – eine

barocken Glanzlichter, die schon in das Rokoko

Umgestaltung, die mit schlichten Klosterbauten

hinübergleiten, entstehen nicht aus wahrer Suche

nur wenig zu tun hat . Auf diesen Stadtansichten

nach neuem Raumgefühl, sondern sind eher ein

ist auch zu erkennen, dass dieser Gebäudekern

dem damaligen Zeitgeschmack entsprechender

sich bildlich absetzt, während die Ringmauer nur

choreografischer Überbau – der von einem Kor-

in diesem Teil Zinnen aufweist. Die Dominika-

respondenten der Wiener „Central-Kommission“

nermönche tun es somit bei der Klostergründung

kurz und bündig und ohne großes Zartgefühl als

den schon zuvor in Bozen eingetroffenen Franzis-

„Kruste“ abgetan wurde24.

22

kanern nach, die anfangs in momentan verfügba-

Die Bozner Dominikanerpatres scheinen ihre

ren, ihren Bedürfnissen kurzerhand angepassten

Aufmerksamkeit also der bildenden Kunst zuzu-

Häusern (Jägerhaus) lebten: „… Die Kirche und

wenden, den Wandmalereien und Altären, sodass

das Kloster für die Söhne des heiligen Franziskus

die Wände und Gewölbe vom 14. Jahrhundert an

wurden nicht ex novo errichtet, sondern sie wur-

von Wandermalern oder von namhaften Künst-

den in schon bestehenden Gebäuden beherbergt,

lern mit Meisterwerken ausgeschmück werden.

die sie nach und nach zu einer angemessenen

Besonderen Anklang finden dabei die Fresken;

Wohnstätte ausbauten – wie es gewöhnlich bei

denn sie stellen das ideale Werkzeug zur religiösen

der Gründung der ersten Franziskanerklöster ge-

Unterweisung mit Bildern dar, die sich nicht nur

schah, die als loci bezeichnet wurden“ .

an die mehr oder weniger gebildete Bevölkerung

23

4. Friedrich Pacher und Gehilfen, Jesus unter den Schriftgelehrten, Bozen, Dominikanerkreuzgang, sechste Arkade

270

neues Gesicht.

Die unterschiedliche Nutzung der Räum-

wendet, sondern auch an die Ordensangehörigen


selbst, von denen nicht alle ein Studium absol-

terpforte. Der Eingang befand sich in der west-

viert hatten.

lichen Ecke des Vorplatzes, dem Haupteingang

Die Gotik zeichnet sich durch abwechs-

von außen her gegenüber.

lungsreiche geometrische Formen und immer

Bemerkenswert auch die Tatsache, dass der Kirch-

andersartige Rippen an Fenstern25 (Stampfer,

platz von Anfang an als öffentliche Begräbnisstätte

Abb. 1–7) oder allgemein an Gewölben aus, wie

diente. In der Stadt bestanden damals mehrere

sie vielleicht nicht zufälligerweise auch auf den

Friedhöfe, meistens an einer der Kirchen oder

Fresken des benachbarten Kreuzgangs auftauchen.

Kapellen auf dem Schwemmkegel, auf dem der

Einige den Evangelien entlehnte Szenen wie die

erste Bozner Ortskern erstanden war27. Bei der An-

Geburt des Täufers in der zweiten Arkade, Jesus

lage einer Rohrleitung in den Jahren 1998–1999

unter den Schriftgelehrten in der sechsten Arkade

kamen im Zuge der Ausgrabungen auf dem Platz

(Abb. 4) und die Vertreibung der Händler aus dem

27 Gräber ans Tageslicht28.

Tempel in der siebten Arkade werden vom Maler

Mit seinen zwei freien und zwei von Bau-

Friedrich Pacher im immer gleichen Innenraum

ten eingeschlossenen Seiten erinnert der Bozner

angesiedelt: dem Schiff einer gotischen Kirche.

Kirchplatz an den des Klosters in Bologna. Da

Die Gewölbekappen sind mit Schachbretteffekt

sich ein Kirchenbau auch über mehrere Jahrzehnte

kräftig helldunkel in Veroneser Grün und Van-

hinziehen konnte, hielten die Mönche ihre Predig-

Dyck-Braun ausgemalt.

ten, zumindest bei günstigem Wetter, anfangs am

Um noch bei den gemalten Architekturen zu

Kirchplatz. Gegebenenfalls wurde in einer Ecke

bleiben: Wenige Jahre später, zu Beginn des 16.

eine Kanzel aufgestellt: „Es wurde überall gepre-

Jahrhunderts, malt Sylvester Müller die neuen

digt, auch auf den Plätzen, von behelfsmäßigen

Episoden der Katharinenlegende in der gleich-

tragbaren Kanzeln herab“29.

namigen Kreuzgangkapelle, in deren Perspektive

Vom Kirchplatz aus betrat man das Kloster

sich – wenn auch schüchterne – Anklänge an die

durch einen kreuzgewölbten Zugang (57), auf

toskanische Renaissance zeigen. Noch deutlicher

den im Norden die Pforte (58) ging. Von diesem

ist der Bezug auf den Dominikanermaler Beato

Raum aus konnte die um Zutritt bittende Person

Angelico im Altarbild Mystische Hochzeit der hei-

durch ein auf den Kirchplatz gehendes Fenster

ligen Katharina26 (Abb. 5).

kontrolliert werden. Der Raum wurde mit einem

Die westlich angebauten Gebäudeteile blei-

Ofen geheizt, da der Pförtnerdienst rund um die

ben ohne Glanzpunkte. Nicht einmal in der

Uhr versehen wurde. Dazu wurden Konverse30

Bibliothek, die für das Klosterleben doch von so

herangezogen, bei denen es sich aber – ange-

großer Bedeutung ist, finden sich Reminiszenzen

sichts der heiklen, nicht leichten Aufgabe – um

an die 1444 von Michelozzo für das Kloster San

besonders einfühlsame Personen mit Begabung

Marco in Florenz errichtete Bücherei, die doch das

zu Kontakten mit der Außenwelt handelte: Sie

Vorbild für die Monumentalbibliotheken zahlrei-

mussten die Personen auf einen Blick beurteilen

cher klösterlicher Gemeinschaften in Nord- und

können und unterscheiden, ob sie es mit lästigen

Mittelitalien war. Sie steht dem Stilgefühl der Boz-

Störenfrieden oder gar Übeltätern zu tun hatten

ner Mönche fern: Wir haben es hier eben doch,

oder mit wirklich Hilfsbedürftigen. Vom Raum

wie schon gesagt, mit einer Grenzsituation zu tun.

vor der Pforte betrat man einen Vorhof (56, ehe-

5

maliges, jetzt geschlossenes Geschäft), in dem sich Die Empfangsräume (Abb. 6)

zwei Türen auftaten: eine auf den Kreuzgang, die andere in die Kirche. Frauen durften den Kreuz-

Der weite, etwa 30 x 17 Meter große, gegen Nor-

gang nicht betreten.

den gelegene Kirchplatz (1), der von einer hohen

Die Begegnung zwischen den Mönchen und

Mauer umschlossen war, diente als unerlässlicher

zu Besuch weilenden Laienpersonen erfolgte im

„Filter“ zur Kirchen- beziehungsweise zur Klos-

Warteraum (57), den man heute als „Parlatori-

5. Sylvester Müller, Mystische Hochzeit der heiligen Katharina, Bozen, Stadtmuseum

271


um“ (Sprechzimmer) bezeichnen würde: „Wer zur Klosterpforte kommt und darum bittet, mit einem der Patres sprechen zu können, hat im Raum vor der Pforte zu warten“31. Engen Kontakt zum Pförtner hatte der receptor hospitum, der Gästepater, der mit der Aufnahme der Gäste betraut war, die – Wanderprediger des Ordens, Geistliche im Allgemeinen oder Laienpersonen – je nach Rang in die jeweiligen Räume des Gästetrakts vorgelassen wurden, der in jedem Kloster bestand. Hier bekamen sie frische Wäsche, Wasser in Krügen zum Waschen, Kerzen für die Nacht und Informationen zu den Mahlzeiten. Interessant ist zu bemerken, dass die Franziskaner – der Ordensverfassung der Dominikaner gemäß – die gleiche Vorzugsbehandlung erfuhren wie die Predigermönche selbst. Der Überlieferung nach waren die beiden Ordensgründer Dominikus und Franz von Assisi, die sich auch mehrmals begegnet waren, in Freundschaft verbunden, und diese freundschaftliche Beziehung hat sich bis heute zwischen den beiden Ordensfamilien erhalten32. Da im Gästetrakt auch nicht der Klostergemeinschaft zugehörige Personen logierten, befand 6

er sich gewöhnlich in einem eigenständigen, vom Kloster selbst getrennten Bauwerk. Da in Bozen keine Spuren von einer derartigen domus zu finden sind, ist anzunehmen, dass anfangs das Sommerrefektorium (54) als hospitium diente; denn es verfügte über einen eigenen Eingang und war vom restlichen Klosterkomplex getrennt – was auch für San Marco in Florenz gilt. Das Gleiche ist auch von den Gebäuden an der Ziegelgasse (a) (c) zu sagen, zumindest in der Anfangsphase. Der unterschiedlichen Qualität der Unterkünfte entsprachen auch unterschiedliche „Serviceleistungen“. Aborte zur alleinigen Benutzung befanden sich zum Beispiel im Priorat, im Wohnhaus (a), in der Zelle des Lektors und natürlich in der Krankenabteilung.

6. Die Empfangsräume

272


Die Räumlichkeiten des Ordenslebens Erdgeschoss (Abb. 7a) Die mit einem doppelten steinernen Kreuzgewölbe versehene Sakristei (12) gehört zu den ältesten Räumen des Bozner Klosterkomplexes. Bei der Aufhebung war ihr ein zweiter Raum angeschlossen, der einen Teil des Kapitelsaals einnahm. Diese „Ausweitung“ war wahrscheinlich der Tatsache zuzuschreiben, dass für Paramente, Priestergewänder und sakrales Gerät mehr Platz gebraucht wurde; denn die Anzahl der Ordensbrüder war auf durchschnittlich dreißig angestiegen. Der zusätzliche Raum (13) konnte, da er einen abseitigen, sicheren Zugang hatte, gewissermaßen als „Sicherheitskammer“ dienen. Denn das Kloster besaß reiches, wertvolles Kirchengerät, darunter zum Beispiel eine mit Diamanten, Rubinen und Smaragden bestückte Monstranz aus vergoldetem Silber, die an die fünf Kilogramm wog33. Beim Kapitelsaal handelte es sich um den nach der Kirche bedeutungsvollsten Raum des gemeinschaftlichen Klosterlebens – was im Übrigen für alle Orden gilt. Besonders für die Predigermönche stellte er eine fast einem Parlament ähnliche Versammlungsstätte dar, in der alle Angele-

7a

genheiten beraten und demokratisch entschieden wurden, unter Teilnahme aller im Kloster anwesenden Brüder, einschließlich der Konversen. Die Entscheidungen konnten die unterschiedlichsten Aspekte des religiösen und materiellen Lebens des Klosters betreffen, wie die Aufgabenteilung, den An- und Verkauf von Gütern, die Bekundung der eigenen Verfehlungen im „Schuldkapitel“. Trotz der relativ großen, von der Ordensregel zugestandenen Autonomie (die allerdings niemals die Autarchie der Benediktiner erreichte) bedurfte jede wichtige Entscheidung – wie zum Beispiel die Wahl des Priors – dann noch der ausdrücklichen Billigung durch den Provinzial. Der Provinzsuperior seinerseits wurde von den Vertretern der einzelnen der Ordensprovinz angehörigen Klöster gewählt, während der Generalobere dann von den Provinzialen ernannt wurde: Das Kloster, die Provinz und die Generalleitung sind somit

7a. Die Räumlichkeiten des Ordenslebens: Erdgeschoss

273


die drei Ebenen der Ordensregierung. Diese gut erdachte und durchdachte Organisation, die die Mitwirkung von unten und die nötige Kontrolle von oben beinhaltet, wurde nicht zufällig auch von anderen, schon bestehenden Orden (wie den Franziskanern) oder von Neugründungen (Karmeliter, Jesuiten) übernommen und auch bei der Papstwahl angewandt. Wie schon bei der Sakristei angeführt, wurde auf den ursprünglichen Kapitelsaal verzichtet, um die zwei erwähnten Räume zu gewinnen, von denen der größere (16) zur Aufbewahrung von Kirchenschmuck und beweglichen Einrichtungsgegenständen diente. In der Kirche gab es nicht weniger als neun Altäre, die nicht nur mit den vom liturgischen Kalender diktierten Pflichten in Zusammenhang standen, sondern auch für das Seelenheil der illustren, hier bestatteten Verstorbenen errichtet oder von verschiedenen Zünften34 gestiftet worden waren. Da auf den von Wachter ausgearbeiteten Plänen kein anderer Raum als Kapitelsaal bezeichnet wird, ist anzunehmen, dass der ursprüngliche Kapitelsaal, der für die große Anzahl an Mönchen zu klein geworden war, an einen anderen Ort verlegt worden war. Es konnte vorkommen, dass das Re7b

fektorium – sofern keine anderen größeren Räume zur Verfügung standen – als Kapitelsaal benutzt wurde. Die zwei hier in Bozen bestehenden Speisesäle (was fast ein Luxus war!), das große Winterrefektorium und das kleinere Sommerrefektorium, konnten bequem das Kapitel aufnehmen. Man betritt den ursprünglichen Kapitelsaal, dessen elegante Strukturen wir heute ohne die damalige Trennwand bewundern können, durch ein mit einer Steinumrahmung versehenes Spitzbogenportal, neben dem sich zwei im Zuge der Restaurierungen nach dem Zweiten Weltkrieg freigelegte Fenster befinden. Entsprechend dem im Mutterhaus in Bologna angewandten Schema waren auch diese Fenster, zumindest in den ersten Jahrzehnten, ohne Scheiben, damit alle hören konnten, was im Kapitel diskutiert wurde. Die westlich an den Kapitelsaal angebaute Katharinenkapelle (17) kann, obwohl ihre

7b. Die Räumlichkeiten des Ordenslebens: Obergeschoss

274

mehreckige Apsis und teilweise auch die Ost-


wand entstellt worden sind, als kostbarer Schrein

gedient haben. Das Refektorium (22) schließt sich

torium gemeint)42. Dem Schriftstück liegt eine

der Malerei angesehen werden, der nur von der

an den Westflügel des Kreuzgangs an und geht im

Zeichnung der Kassettendecke bei, in deren Mit-

Johanneskapelle übertroffen wird. Eine Stein-

Westen auf den kleineren, „grünen“ Kreuzgang.

te sich ein von einem Halbrund umschlossenes,

platte im Fußboden bezeichnet den Zugang zur

Der heute anderweitig genutzte Raum ist nicht

für ein Gemälde bestimmtes Oval befindet. Am

Grabkrypta, die als Begräbnisstätte der Mönche

mehr als Speisesaal zu erkennen. Ungewöhnlich

Rand wird auch die Größe vermerkt: „Longezza

diente. Ein Sprichwort vermittelt eine anschau-

ist die Tatsache, dass der Zugang zum Refekto-

del Refettorio 53 Piedi, larghezza del Refettorio

liche Vorstellung von der Wertschätzung, die die

rium durch einen schmalen überwölbten Gang

21 Piedi“43.

Dominikaner den Verstorbenen im Allgemeinen

(20) führte, der parallel zum Portikus verlief.

entgegenbrachten: „Es ist schön, bei den Jesuiten

Wahrscheinlich wollte man auf diese Weise ver-

zu leben, bei den Kapuzinern zu erkranken und

meiden, dass die Stille des zu Meditation und

als Dominikaner zu sterben“35.

Gebet bestimmten Kreuzgangs durch das Hin

Das Dormitorium (Abb. 8) mit den Einzelzel-

und Her der mit der Verpflegung beauftragten

len lag im westlichen Trakt des Klosters. Heute

Dienstpersonen gestört wurde.

befindet sich hier der Konzertsaal des Konser-

Nicht zufällig wetteiferten die Angehörigen des einheimischen Adels darum, bei den Predigern

Erster Stock (Abb. 7b)

bestattet zu werden – sodass Kirche und Kloster

Im Refektorium hing ein großes Gemäl-

vatoriums, der im Zuge der Demolierung und

zu einem wahren Pantheon wurden. Neben den

de, das die Geburt Christi und die Anbetung

des Wiederaufbaus der Außenmauer und der

von den Familien auf eigene Kosten errichte-

der Heiligen Drei Könige darstellte . Diese the-

gleichzeitigen Neugestaltung dieser Räume in

ten Adelskapellen gab es zahlreiche Boden- und

matisch ungewöhnliche Darstellung in einem

den frühen Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts

Wandgräber, von denen auch in den Chroniken

Refektorium, wo gewöhnlicherweise Bilder des

erweitert wurde44.

zu lesen ist36. Im Jahr 1705 stellten die Domini-

Abendmahls Christi zu finden waren, ist auf die

Die zwei parallel angeordneten Zellenreihen

kaner auf Bitte des Merkantilmagistrats neben der

besonders große Verehrung zu erklären, die die

werden durch einen Mittelgang (9) voneinander

Dominikuskapelle ein Grundstück bereit, auf dem

Dominikanermönche den Heiligen Drei Königen

getrennt, der mit seinen gut fünf Metern Breite zu

die Protestanten ihre Toten begraben konnten .

entgegenbrachten . So ist es kein Zufall, dass in

einem wahren Saal wird: Es handelt sich hierbei,

Die Mönche hatten aber immer eine eige-

der Mailänder Kirche Sant’Eustorgio, wo die in

wie auch bei den schon angeführten Beispielen,

ne Begräbnisstätte. Im Dominikanerkloster in

die Stadt gekommenen Mönche abstiegen, in ei-

um eine für fast alle Klosterorden typische Lö-

Bologna zum Beispiel lag der Mönchsfriedhof

ner Seitenkapelle neben dem Altar eben die an-

sung. Die im Süden gelegenen Zellen (10) können

außerhalb des Klosters, und er wurde auf der ei-

geblichen Reliquien der Drei Könige aufbewahrt

mit einem Ofen geheizt werden, während die im

nen Seite von der Kirchenapsis begrenzt, auf der

wurden. Der Überlieferung nach waren sie vom

Norden (13) ohne Heizung sind – was für eine

anderen von der Ostwand des Kapitelsaals. Es ist

heiligen Eustorgius selbst aus dem Morgenland

jahreszeitliche Verwendung spricht: Die nach

heute schwer zu beurteilen, ob eigentliche Grab-

nach Mailand gebracht worden, wurden dann aber

Süden ausgerichteten, beheizten Zellen wurden

kapellen – mit der Bestattung in Särgen in einem

800 Jahre später in den Kölner Dom überführt .

im Winter bewohnt, die kühleren, nach Norden

eigens angelegten Raum statt in einer Grube – erst

In der Nähe des einzigen Zugangs zum Re-

gehenden Zellen im Sommer. Dieses Augenmerk

zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt worden

fektorium, vielleicht im Kreuzgang selbst, befand

für die Ausrichtung der verschiedenen Räume, das

sind, in Abänderung einer älteren Gepflogenheit38.

sich das Waschbecken aus Stein, das zur nicht nur

sich schon im doppelten Refektorium gezeigt hat,

Nach der Kapelle sind zwei weitere Räume

symbolisch-rituellen Reinigung vor den Mahlzei-

zeugt vom Wunsch der Klostergemeinschaft, das

ten benutzt wurde.

sicher nicht leichte Mönchsleben weniger hart

37

mit nicht eindeutiger Bestimmung anzutreffen,

39

40

41

sodass wir hinsichtlich ihrer Nutzung nur Vermu-

Das Sommerrefektorium (54), in dem sich

(heute würde man sagen: komfortabler) zu ge-

tungen anstellen können. Beim größeren Raum

heute die Stadtgalerie befindet, hatte wohl – so

(18) könnte es sich, da er vom Kreuzgang her

wird vermutet – zumindest anfangs als Empfangs-

Diese Struktur wiederholte sich, wiewohl mit

betreten werden konnte, um das Lokutorium

raum gedient und war erst zu einem späteren Zeit-

kleinen Varianten, auch in den anderen Flügeln,

gehandelt haben, wo die Mönche das Schweige-

punkt in einen Speisesaal umgewandelt worden.

mit Ausnahme des östlichen Trakts, der schmaler

gebot brechen durften. Das silentium musste, um

Im Jahr 1692 richtet der damalige Prior, Pa-

war und nur eine einzige Zellenreihe aufwies, wäh-

Studium und Gebet zu fördern, rigoros beachtet

ter Albert Wenser, eine bekümmerte Bitte an den

rend der Korridor die Mauer des Kirchenschiffs

werden, und die Mönche durften nur in einem

Merkantilmagistrat um finanzielle Unterstützung

berührte. Auch wenn die Räume nicht ausdrück-

eigenen Rekreationsraum miteinander sprechen.

zur Erneuerung der Holzdecke des Refektoriums

lich als dormitorium bezeichnet werden, ist ihre

Der zweite, kleinere Raum (19) könnte, da

(hier ist wohl, auch wenn es aus dem Schreiben

Bestimmung doch klar zu ersehen. Die Kloster-

er neben dem Klostergarten lag, als Arzneischrank

nicht ausdrücklich hervorgeht, das Sommerrefek-

zellen (der Name sollte nicht irreführen!) der Do-

stalten: fast ein Klimahaus ante litteram.

275


8

minikaner, in denen die Mönche sich angekleidet

Die Bibliothek (24, 25) nahm den gesam-

schlafen legten, waren gewöhnlich größer als die

ten Südflügel des kleineren Kreuzgangs ein, wo

bei den monastischen Orden. Sie waren nicht

sich heute das Sekretariat und die Direktion des

nur zu Schlaf und nächtlichem Gebet bestimmt,

Konservatoriums befinden. Im Zuge des von

sondern dienten – angesichts des Charismas des

Sebastian Altmann ausgearbeiteten Umbaupro-

Dominikanerordens – auch als Studierzimmer,

jekts zur Kaserne wurde sie gegen die Kirche hin

sodass sich dort außer dem Bett auch ein Schreib-

ausgeweitet. Der Raum am östlichen Ende, der

tisch mit einem Büchergestell befand. Es handelte

geheizt werden konnte, diente möglicherweise

sich also um recht große Räume mit – zumindest

als Skriptorium (Schreibstube) für die Kopisten.

anfangs – niedrigen Trennwänden ohne Decke

Eine Bibliothek durfte in keinem Kloster

und Tür. Die Privatsphäre des Einzelnen hatte

fehlen, mochte es noch so klein und bescheiden

in einem asketischen, gemeinsamen Leben keine

sein, und sie galt zu Recht als einer der wichtigsten

Daseinsberechtigung45.

Räume, da die Bücher als grundlegende Werk-

Auch die Tatsache, dass dieser Bereich leicht

zeuge zum Erlernen und Vermitteln von Wissen

vom restlichen Gebäudekomplex getrennt wer-

angesehen wurden. Das im Jahr 1257 in Florenz

den konnte, spricht dafür, dass es sich hier um

abgehaltene Provinzkapitel verbat ausdrücklich

das Dormitorium handelte. So war die Privacy

den Verkauf von Büchern an Personen außerhalb

(Klausur) nicht nur der Ordensmitglieder garan-

des Ordens und bezeichnet sie ausdrücklich als

tiert, sondern auch all derer, die sich im Kloster

arma nostre militie. Alle Klosterangehörigen mit

aufhielten.

Ausnahme der Laienbrüder hatten sich dem Stu-

Am Ende der langen Korridore konnte man

dium zu widmen, beim Prior angefangen. Der

auf der einen Seite auf einer Wendeltreppe direkt

Bibliothekar spielte demnach im Klosteralltag

in die Sakristei und somit in die Kirche abstei-

eine bedeutende Rolle, und sein Bildungsgrad

gen, während man auf der anderen Seite auf einer

hatte dieser seiner Aufgabe zu entsprechen. Bei

zweirampigen Treppe in die am grünen Kreuzgang

der Klosteraufhebung hatte Pater Gundisalvus

gelegenen Klosterräumlichkeiten gelangte.

Stoll aus Bozen, Doktor der Theologie, dieses Amt

46

9

10

Im ersten Stock des Gebäudetrakts, der die

bekleidet: der letzte Bibliothekar der jahrhun-

zwei Binnenhöfe im Norden trennte, lag die weit-

dertelangen Klostergeschichte. Er war ein feiner

läufige, aus vier Zimmern bestehende und etwa

Geist, der die Griechisch- und Hebräischexamen

110 Quadratmeter große Wohnung des Provinz-

zur Doktorarbeit im Studienjahr 1767–1768 an

priors (4). Der Provinzial, der die wirtschaftli-

der Universität Wien cum laude bestanden hatte49.

chen Angelegenheiten der einer Ordensprovinz

Er vermachte die Bücher aus seinem Privatbesitz

angehörigen Klöster und Ordenshäuser leitete,

den Bozner Franziskanern und katalogisierte kurz

war oft zu regelmäßigen Visitationen unterwegs.

vor der Aufhebung des Dominikanerklosters im

Während seiner Abwesenheit vom Mutterhaus

Auftrag einer eigenen Kommission alle Bücher

wurde er wahrscheinlich durch einen Vikar ver-

im Besitz der Bibliothek, der damals größten der

treten, bei dem es sich um den Klosterprior selbst

Region: insgesamt 6700 Bände, darunter 300

handeln konnte. Vor der Wohnung lag ein gro-

wertvolle Inkunabeln. Der Verlust eines großen

ßer rechteckiger Raum (35 qm), vielleicht eine

Teils dieses Bestands ist nicht weniger tragisch

Art Audienzzimmer (5); denn man darf nicht

als die von der Kirche erlittene Beeinträchtigung

vergessen, dass sich im Kloster oft illustre Gäste

durch den Abriss der Kapellen und den Abtrans-

aufhielten (Abb. 9). Ein Beispiel hierfür war das

port der Einrichtungen. Einige wenige Bücher

Kapitel, das im Jahr 1720, wenige Jahrzehnte vor

gingen an die Universität Innsbruck und das

der Säkularisierung, im Kloster stattgefunden hat-

Brixner Seminar, der Rest wurde wahrscheinlich

te und über das in einer gedruckten Abhandlung

eingestampft…50.

47

8. Virtuelle Rekonstruktion von Kapitelsaal und Dormitorium 9. Virtuelle Rekonstruktion des Zugangs zu Kirche und Kloster 10. Tomaso da Modena, Dominikanermönch mit Nietbrille, Treviso, Kloster San Nicolò, Kapitelsaal

276

berichtet wurde48.

Das Lesen hatte für die „Prediger“ einen so


hohen Stellenwert, dass man – allerdings ohne Beweise – vermutet, dass die Brille von einem Dominikaner erfunden wurde. Die vielleicht erste Darstellung dieses Leseinstruments findet sich im Kapitelsaal des Klosters San Nicolò in Treviso auf einem 1352 von Tomaso da Modena geschaffenen Gemälde51 (Abb. 10), auf dem der Kardinal Hugo von Provence mit einer Nietbrille abgebildet ist. Auf diesem originellen Freskenzyklus, der sich durch die unterschiedlichsten Gesichtsausdrücke der dargestellten Personen und abwechslungsreiche Szenarien auszeichnet, sind Mönchszellen aus dem 14. Jahrhundert zu sehen: ein mit den holzgetäfelten Wänden verbundener Schreibtisch, ein Stuhl, ein Regal mit Büchern und im Hintergrund ein Vorhang. Im ersten Stock des Westflügels des grünen Kreuzgangs, wo sich heute Büros befinden, nahm das Noviziat (20) den gesamten Trakt zwischen der Bibliothek und der Krankenabteilung ein. Es folgte in seiner Gliederung, wenn auch in kleinerem Maßstab, dem Schema des Dormitoriums, mit dem Unterschied, dass hier jeweils zwei Novizen in einer Zelle lebten. Aus der Anzahl der Zellen kann man schließen, dass das Kloster maximal an die zwanzig Novizen aufnehmen konnte. Drei größere Räume, von denen zwei beheizt werden

11

konnten, dienten als Aula für gemeinsamen Unterricht und Gesang oder als Zelle des Lehrers52. Die Novizen, die mindestens 16 Jahre alt sein mussten, hatten keinem regulären Studiengang zu folgen, da die Erziehung in erster Linie auf die spirituelle Belehrung ausgerichtet war, die damals als bedeutender als die verschiedenen artes angesehen wurde. Erst nach Ablegung des Gelübdes unternahmen sie höhere Studien, wie sie zur Ausbildung eines künftigen Predigermönchs gehörten. Die Werkstätten (Abb. 11) Die Küche (23), die aus praktischen Gründen mit dem Refektorium in Verbindung stand und an dessen kurze Seite anschloss, verfügte in einer Ecke über ein großes offenes Feuer. Der fest angestellte Koch, gewöhnlich ein Laienbruder, wurde

11. Die Werkstätten

277


nach seinem Können ausgewählt. Ihm standen mehrere Gehilfen zur Seite, deren Anzahl sich nach den bei Tisch anwesenden Personen richtete. Der Speisezettel war nicht gerade verlockend; denn das Fleisch war den Gästen und in Ausnahmefällen den Kranken vorbehalten. Es gab aber Gemüse nach Belieben, Kartoffeln und Tomaten allerdings erst nach der Entdeckung Amerikas. Für die Ernährung der Bozner Bevölkerung allerdings hatte das Fleisch schon immer eine große Rolle gespielt: In der Tat bestanden in der mittelalterlichen Stadt zwei Schlachthäuser und mehrere Metzgereien53. Die Küche der Dominikaner war weithin berühmt – was nicht von der in den Abteien behauptet werden konnte, wo sich die Mönche allwöchentlich beim Kochen abwechselten. Wenn 12a

dann die kulinarisch weniger Begabten an der Reihe waren, mochte das Essen nicht gerade ein Hochgenuss gewesen sein! Um die Küche lagen mehrere Nebenräume wie die Vorratskammer (24), der Holzschuppen (49), ein kleiner Weinkeller (50) und zwei Treppenhäuser (51, 52), die zu den großen Weinkellern im Untergeschoss führten. Eine kleinere Küche für Gäste und Kranke, wie wir sie sonst in Dominikanerklöstern finden, war in Bozen nicht vorhanden, da die Küche in der Nähe des Gästetrakts und der Krankenabteilung lag. Der im Untergeschoss unter dem Sommerrefektorium gelegene Weinkeller ist vor rund zehn Jahren vorzüglich restauriert und der Stadtgalerie angeschlossen worden, die auf diese Weise über

12b

eine größere Ausstellungsfläche verfügt54. In der Mitte der Mauern sind Löcher zu erkennen, in die Balken eingelagert werden konnten – woraus man schließen kann, dass der Weinkeller ursprünglich zwei Niveaus aufwies. Den oberen dieser Räume erreichte man über eine Treppe, die von dem überwölbten Raum dem kleinen „Torgglhof“ (55) gegenüber ausging und während der Restaurierung entdeckt wurde. Im unteren Keller waren noch die gemauerten Sockel für die großen Weinfäs-

12a.–12c. Der kleine Kreuzgang heute 12b. Alois Negrelli, Der kleine Kreuzgang (1819), Detail, Innsbruck, Tiroler Landesarchiv

278

ser vorhanden. Wein wurde – wiewohl in Maßen getrunken – immer zu den täglichen Mahlzeiten im Refektorium aufgetischt. Im Gegensatz zu


anderen Dominikanerklöstern bot sich in Bozen

jochen und nach außen hin Pfeilern statt Säulen.

ein Sonderfall: Der Wein musste nicht angekauft

Sehr bescheidene Anklänge an die Renaissance,

werden, sondern wurde im Kloster selbst in sol-

die hierzulande zu dieser Zeit selten anzutreffen

chen Mengen erzeugt, dass er nicht nur für die

ist, scheinen auch in einem zweitrangigen Bau-

Selbstversorgung ausreichte, sondern auch noch

werk auszumachen zu sein57. Wiewohl durch Ver-

verkauft werden konnte. Die Mönche besaßen

mauerungen, Einbauten und teilweise Abbrüche

Weinberge nicht nur in unmittelbarer Nähe des

verändert, sind innen noch das elegante Gewöl-

Klosters, auf dem Gelände zwischen der Talfer

be und an der Außenseite die Arkadenreihe mit

im Westen und dem Eisack im Süden, sondern

dem ursprünglichen Eingangsjoch zu erkennen58.

– dank Schenkungen und Hinterlassenschaften

Im Südtrakt (Abb. 12c), der heute teils von

– auch an anderen Orten in der Stadt und ihrer

Musikaulen und teils von der Wohnung des Kon-

Umgebung.

servatoriumpförtners eingenommen wird, hatten

Bei der Aufhebung befanden sich auch meh-

sich – angesichts der günstigen Ausrichtung nach

rere Bauerngüter im Besitz des Klosters: der

Süden – die Werkstätten befunden, die mit der

Kreuzerhof im Dorf „mit 22 Graben Weinbau“,

Bekleidung zusammenhingen: die Waschküche,

der Gschleyerbrunnen in Girlan, der Thurnhof

die Schusterei, die Schneiderei und die Kleider-

in Oberau, der Schamelhof, der Thalerhof und

kammer.

andere verstreute Besitzungen55.

Die ansehnliche Größe (etwa 40 qm) und

Im Erdgeschoss des Provinzialgebäudes stand

die Nähe zur Schneiderei sprechen dafür, dass

in einem weiten überwölbten Raum (59) eine

es sich bei diesem Raum (34) eben um die Klei-

große Traubenkelter, zu der man durch einen

derkammer gehandelt hatte. Sie unterstand dem

dreijochigen Portikus gelangte. Dieser Raum ging

Kleiderbruder, „der nicht nur die Wäsche der

im Westen auf den kleinen Binnenhof (62), den

Mönche zu waschen, flicken und auszuwechseln

man durch eine Einfahrt direkt von der Ziegel-

hat, sondern sich auch um die Wäsche einschließ-

gasse her erreichte (61).

lich des Bettzeugs in der Krankenabteilung und

Der größte Teil der für die Werkstätten be-

dem Gästehaus zu kümmern hat. […] Und eben

stimmten Räume lag im kleinen Kreuzgang (Abb.

er fertigt die Mönchskutten für die Novizen an

12a). Die handwerklichen Tätigkeiten waren von

und bringt sie zur Einkleidungszeremonie in das

allergrößter Bedeutung für das Kloster, weshalb

Kapitel, um dort ihre bürgerliche Kleidung zu

die Werkstätten um den kleineren Kreuzgang an-

übernehmen und aufzubewahren.“59

geordnet wurden, wo der reibungslose Ablauf der

Dieser frate vestiario hatte auch die Mönche

verschiedenen Arbeiten garantiert werden konn-

zu melden, deren Kleidung und Schuhwerk nicht

te – was vergleichsweise dem religiösen Leben in

den Ordensvorschriften entsprachen, da sie den

den am größeren Kreuzgang gelegenen Räumen

Versuchungen der zeitgenössischen Mode nicht

entsprach. Auf den vorerwähnten Stichen aus der

widerstehen konnten.

Vogelperspektive ist zu erkennen, dass der Bin-

In engstem Kontakt zum Kleiderbruder war

nenhof anfangs auf drei Seiten von Gebäuden

der Schneider (33) tätig, der sich mit dem Zu-

umschlossen war, an der von der Straße berührten

schneiden und Nähen von Stoffen und Pelzen aus-

Nordseite dagegen von einer einfachen Mauer.

kannte und die Bekleidung der Mönche anfertig-

Die zwei neuen Trakte an der Süd- beziehungs-

te, ja sie bei Bedarf auch flickte. Die „Garderobe“

weise der Westseite dürften in der zweiten Hälfte

der Mönche, der Habit, bestand aus einer oder

des 16. Jahrhunderts entstanden sein, als in den

mehreren Tuniken, die in Gegenden mit kühlem

Dokumenten die in der Kirche tätige Baumeister-

Klima aus so rauer Wolle waren, dass allein das

familie Delai erwähnt wird56. Die zwei Korridore

Tragen eine Tortur war, dazu einem Skapulier, das

weisen einen schlichten Baustil ohne jegliche Or-

bis an die Knie reichte, einem schwarzen Mantel

namente auf, mit quadratischen Kreuzgewölbe-

mit Kapuze und einem Gürtel (Zingulum).

12c

279


Kaum weniger relevant war die Tätigkeit des

Der letzte Raum (42) wird als Fassbinder-

man sie nach den Plünderungen und Überfällen

Schusters, der in seiner Werkstätte (32) die Schuhe

werkstatt bezeichnet. Die Tatsache, dass diese

während der Bauernkriege des Jahres 1525 viel-

anfertigte: aus grobem Leder, bis über die Knöchel

Arbeit innerhalb der Klostermauern ausgeführt

leicht für notwendig erachtet hatte61.

und – im Gegensatz zur allgemeinen Bevölkerung

wurde, deutet einmal mehr auf die große Rolle

Der Garten der Dominikaner ist auf einem

– verschnürt. Mönche wie die Dominikaner, die

des Weinbaus hin, dessen gesamter jahreszeitli-

Stich der Rosenkranzbruderschaft, der im unteren

sich lediglich per pedes apostolorum fortbewegten,

cher Zyklus – von der Arbeit im Weinberg bis

Teil eine Ansicht des Gebäudekomplexes umfasst,

brauchten festes und zugleich bequemes Schuh-

zur Weinerzeugung – von den auf diesem Gebiet

klar zu erkennen62 (Spada 2, Abb. 3).

werk; denn sie mussten – als Prediger und Bettel-

erfahrenen Mönchen kontrolliert wurde.

Der Gärtner hatte – wenn wir uns die Aus-

Der zweite Kreuzgang beschloss den Kloster-

dehnung des Gartens vor Augen halten und die

komplex im Norden mit dem einzigen diagonal

verschiedenen Gemüse und Kräuter, die zu den

Diese Räumlichkeiten endeten im Osten mit

angelegten Trakt; denn die übrigen Gebäudeteile

unterschiedlichsten Zwecken dienten – keine

der Waschküche (30), der eine geheizte Stube (31)

waren, wie in der Einleitung gesagt, rechtwinklig

leichte Aufgabe: Er musste die Küche je nach

angeschlossen war. Im Gegensatz zu den Abteien,

zueinander angeordnet. An diesem kurzen Trakt

Jahreszeit mit frischem Gemüse und Obst belie-

wo die Mönche sich ihre Kleidung selbst waschen

lagen direkt unter der Krankenabteilung drei

fern, in einem eigenen Garten die Blumen zur

mussten, gab es in den Dominikanerklöstern eine

Räume, von denen zwei nicht näher identifiziert

Ausschmückung der Kirche züchten, musste Heil-

gemeinschaftliche, vom Kleiderbruder geführte

werden (44, 45 Gefängniszelle? ), während der

kräuter für die Krankenabteilung anbauen und

Wäscherei. Hier befand sich ein großer, mit Holz

dritte, der über einen Heizofen verfügte, für die

nicht zuletzt das Stroh für die Betten besorgen.

beheizter Waschkessel. Im südlich anschließen-

außerklösterlichen Arbeiter bestimmt war. Es

Der Gärtner, der vielleicht sehr viel mehr

den, sonnigen Garten konnte die Wäsche dann

handelte sich dabei um Personen, die vielleicht

Aufgaben hatte als ein „gewöhnlicher“ Gärtner,

zum Trocknen aufgehängt werden. Angesichts

zu Saisonarbeiten herangezogen wurden und vor

wohnte wahrscheinlich in dem großen Haus

der vielen Arbeit standen dem Verantwortlichen

Ort nicht aufzufinden waren, weshalb ihnen eine

gleich unterhalb der Kirchenapsis, das auch als

etliche Gehilfen zur Seite: Laienbrüder, weltliche

Unterkunft bereitgestellt werden musste. Wenn

„Judenhaus“ oder „Baumannshaus“ bekannt war

Personen oder Knechte.

wir andere Möglichkeiten ausschließen, könnte

und vom Merkantilmagistrat ersteigert wurde63.

Wenn wir im Westflügel des zweiten Kreuz-

der nicht näher bestimmte Raum, der zu den

In der Versteigerungsanzeige der Immobili-

gangs im Uhrzeigersinn weitergehen, finden wir,

Werkstätten gehörte und über Fenster verfügte,

en des ehemaligen Klosters werden auch die ver-

durch den Eingangskorridor getrennt, zwei Ställe

als Aderlass- und Tonsurraum gedient haben.

schiedenen Besitztümer dieses Hauses angeführt

(36, 37). Angesichts ihrer bescheidenen Ausmaße

Aderlasse wurden bis ins 18. Jahrhundert als Heil-

– ein Beweis mehr für die Organisationsfähigkeit

und im Hinblick auf das Fleischverbot bei den

verfahren bei unterschiedlichen Beschwerden an-

der Mönche, die im Bedarfsfall auch Aufgaben

Dominikanern kann man vermuten, dass hier

gewandt. Sie wurden von Badern vorgenommen,

übernehmen konnten, die über den eigentlichen

die Zugtiere der Gäste oder einige Milchkühe

die auch als Chirurgen und Zahnärzte tätig waren.

Tätigkeitsbereich hinausgingen: „Das sogenann-

zur Versorgung der Krankenabteilung unterge-

Dieser schräg gestellte Trakt wurde – zu-

te Juden- oder Baumannshaus mit Trocken-

mönche – oft große Entfernungen zurücklegen, vom Unterland bis in den oberen Vinschgau.

60

sammen mit den Gebäuden, die den dritten

und Hofstatt, Stadl, Stallungen, Heuvillen und

Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich

Binnenhof umschlossen – im Zuge des Umbaus

Streuhütte, nebst einem Garten von 2 Grabern,

in einem kleinen Raum unter der Treppe ein klei-

zur Kaserne im 19. Jahrhundert abgerissen. Wäh-

1 Klaftern, und der Orangerie, auch Wasch- und

ner Hühnerstall (27), der Eier und weißes Fleisch

rend die Gebäude für immer verschwanden und

Brandweinkessel“64.

für Gäste und Kranke lieferte.

an ihrer Stelle der heutige Dominikanerplatz

Ein der Wirklichkeit wohl sehr entsprechen-

bracht wurden.

Auf die Ställe folgen im Norden eine geheizte

entstand, wurde dieser Trakt rechtwinklig zum

des Bild von dieser Gartenanlage kann man sich

Stube (39), ein unbestimmt als „Beheltnis“ be-

übrigen Gebäudekomplex, aber ohne Portikus,

heute bei einem Besuch der Gärten des Augustiner

zeichneter Raum (40) und der Korridor, der zu

wiederaufgebaut.

Chorherrenstifts Neustift bei Brixen machen, die

Der im Freien gelegene Garten ist auf dem

vom Landesdenkmalamt gewissenhaft restauriert

Die recht geräumige, beheizbare Stube (etwa

Lageplan, auf den sich unsere Untersuchung

und mit schon von alters her verwendeten Heil-

50 qm) diente möglicherweise als Aufenthalts-

gründet, nicht verzeichnet. Doch wir wissen mit

kräutern bepflanzt worden sind65.

und Speiseraum für die im Kloster mit hand-

Sicherheit, dass dieses Gelände sich südlich des

Die im ersten Stock des Trakts an der Zie-

werklichen und schweren Arbeiten beschäftigten

Klosters ausdehnte und von einer hohen Ring-

gelgasse gelegene Krankenabteilung (Abb. 13)

Laienpersonen. Und in einem so großen Kloster

mauer mit Ecktürmen umschlossen war und so-

bestand aus drei beheizbaren Räumen (11), einer

waren das sicher nicht wenige.

mit fast einer Verteidigungsanlage ähnelte – wie

Kapelle (12) und einem (vermutlichen) Refektori-

den Latrinen führt (41).

280


um (10) für kranke oder betagte, auf fremde Hilfe angewiesene Mönche. Das geheizte Refektorium konnte, wenn es entsprechend abgetrennt wurde, angesichts der zwei unterschiedlichen Zugänge auch den Novizen dienen. Die Krankenabteilung verfügte über eine eigene Latrine (19). Sie scheint keine zweite, eigene Küche besessen zu haben, da sich die im Erdgeschoss gelegene Hauptküche in unmittelbarer Nähe befand. Sonderbarerweise ist die Krankenabteilung relativ klein, was zu der Vermutung Anlass gibt, dass die Kranken in schwereren Fällen ins nahe Heilig-Geist-Spital eingeliefert wurden, das wie das Dominikanerkloster die Gunst der Stifterfamilie Botsch genoss. Die Krankenabteilung unterstand direkt dem Prior, der einen Krankenpfleger und mehrere Gehilfen mit der Versorgung der Kranken betraute. „Das Kloster, ein einfacher und bescheidener Bau, verfügte über ein Zimmer für jeden Mönch. Dennoch aber mussten die neuen Patres in der ersten Zeit in der Krankenabteilung wohnen, die als erste fertiggestellt worden war – und dies ganz im Geiste der Dominikaner, zu deren Lebensprinzip die Wohltätigkeit den Kranken gegenüber gehört“66. Wie schon der heilige Augustin hervorhob, auf dessen Richtlinien die Ordensregel der Domi-

13

nikaner auf ausdrücklichen Wunsch des heiligen Dominikus gründet67, kann die Krankenfürsorge als höchstes aller Werke der Barmherzigkeit angesehen werden. Von dieser Richtschnur lässt sich auch Pater Martin Egg aus Bozen leiten, der dem Kloster bei der Aufhebung als Prior vorsteht und sich um eine angemessene Unterbringung für zwei besonders hilfsbedürftige Ordensbrüder kümmert: Ein blinder Mönch darf gemeinsam mit zwei Gehilfen im Haus bleiben, während ein geisteskranker Mönch auf Staatskosten bei den Franziskanern untergebracht wird68. Studium und Unterricht Beim Dominikanerorden, dessen Hauptaugenmerk der Predigt galt, mussten die Schulung und das theologische Studium eine relevante Rolle spielen70. Schon seit der Gründung der ersten Klöster war es Vorschrift, dass die gesamte Ge-

13. Die Krankenabteilung

281


meinschaft von einem lector genannten Doktor der Theologie unterwiesen und ausgebildet wurde. Daneben war in jedem Kloster auch ein Lehrer anwesend, der den jungen Professen bei ihrem durchschnittlich zwei- bis dreijährigen Hausstudium zur Seite stand. Die Begabtesten besuchten anschließend vier bis fünf Jahre lang das studium generale oder studium solemne, wo sie sich die unerlässlichen theologischen Kenntnisse zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors oder Magisters erwarben. Vor dem Besuch des Generalstudiums konnten die Studenten in den Klöstern ein sogenanntes „Partikularstudium“ absolvieren, eine höhere Schule, die sie auf das Doktorat vorbereitete. Wie man diesen knappen Angaben entnehmen kann, handelte es sich um ein modernes und gut strukturiertes, bahnbrechendes Ausbildungssystem, zu dem auch Laien zugelassen waren und das seiner Zeit absolut voraus war. Das Studium generale entwickelt sich – wie auch die städtischen Universitäten – im Rahmen des Klosters: Zuerst die Universität Paris und in der Folge die von Bologna konnten dem großen Zustrom seitens des Ordens, der im 15. Jahrhun14

dert in ganz Europa eine ansehnliche Entwicklung verzeichnete, nicht mehr genügen. Das Bozner Kloster wird zum begehrten Sitz eines Generalstudiums, als im Jahr 1643, gegen Ende des Dreißigjährigen Kriegs, in der teutonischen Provinz eine geradezu dramatische Lage zu verzeichnen ist: Viele Klöster beginnen zu verfallen, andere werden aus Mangel an Vokationen geschlossen – was auch eine Folge der Lutherschen Lehre ist, die zunehmend mehr Anhänger findet. Nicht alle Fächer wurden an derselben Lehranstalt unterrichtet, weshalb die Studenten sich zur Absolvierung ihres Studiums in andere Städte begeben mussten. Bozen wurde, obwohl es keine Universität hatte, aus zwei Gründen gewählt: Das Kloster war immer noch in der Hand der observanten Dominikaner70, das heißt der Mönche, die die Regel des Ordensgründers rigoros beachteten, und darüber

14. Die Räume zu Studium und Unterricht

282

hinaus war das Kloster wohlhabend genug, um die


neuen Kosten, die eine derartige Bildungsanstalt

aus anderen Klöstern (wie zum Beispiel der Ab-

notwendigerweise mit sich brachte, relativ gelas-

tei Marienberg bei Burgeis). Diese Lehranstalt,

sen übernehmen zu können.

eine Art Mittelschule zwischen der Grundschule

In der neuen, 1702 gegründeten ungarischen

und dem Gymnasium, hatte aus verständlichen

Provinz, der auch Österreich und Tirol angehör-

Platzgründen ihren Sitz außerhalb des Klosters73.

ten, bestanden drei Generalstudien: in Wien,

Der allmähliche Prestigeverlust der Schul-

Graz und Bozen. Zur Information sei gesagt, dass

und Ausbildungstätigkeit, der zu Beginn des 18.

im Jahr 1753 – vielleicht der Blütezeit vor dem

Jahrhunderts zu verzeichnen ist, geht teilweise

langsamen und unaufhörlichen Niedergang – im

auf die Umgestaltung der ordensinternen Schu-

Kloster selbst, ohne die sich außerhalb aufhalten-

len zurück, teils aber auch auf die in der Habs-

den Patres zu zählen, 34 Mönche, 12 Studenten

burgermonarchie um sich greifende Tendenz zur

und 13 Laienbrüder lebten. Sieben der Studenten

Verstaatlichung des Unterrichts. Aufgrund der

studierten Theologie, fünf Philosophie.

neuen Reformen darf der Orden keinen Doktor-

Der Mitteltrakt, der die beiden Kreuzgänge

titel mehr verleihen.

voneinander trennt, könnte – da andere Verwen-

Als gewichtiges Element pro oder kontra

dungen auszuschließen sind – die zum Studium

Klosteraufhebung galt in vielen Fällen die Tatsa-

bestimmten Räume aufgenommen haben (Abb.

che, ob im Konvent eine eigene Schule bestand

14). Er konnte, ohne dass die Klausur und die

oder nicht. Ironie des Schicksals: Nicht das Domi-

Werkstätten berührt wurden, direkt von außen

nikanerkloster, das 500 Jahre lang eine entschei-

her betreten werden. Die Anlage zeigt das üb-

dende Rolle für die nicht nur religiöse Ausbildung

liche Schema, mit einem Mittelgang, an dem

gespielt hatte, wurde von der josephinischen Re-

beiderseits mehrere Räume liegen. Im mittleren

form verschont, sondern der benachbarte Fran-

Teil weitete sich der Gang mit zwei kurzen Quer-

ziskanerkonvent, wo erst kurz zuvor ein neues

trakten aus, die der Anlage einen kreuzförmigen

Gymnasium gegründet worden war.

15

Grundriss verliehen und deren Fenster Luft und Licht einließen. Links des Korridors reihten sich

Dienstleistungseinrichtungen

die Einzelzellen aneinander, rechts dagegen zogen sich mehrere längliche Räume hin, die beheizt

Ausführlichere Bemerkungen verdienen auch

werden konnten und wohl dem gemeinschaftli-

die effizienten Anlagen zur Wärme- und Wasser-

chen Studium dienten.

verteilung in den verschiedenen Räumlichkeiten

Am Nordende, das an die Straße grenzt, la-

des Klosters. Die Studientätigkeit der Brüder

gen zwei große beheizte Räume, von denen einer

beschränkte sich nicht nur auf religiöse Fragen

auf den Innenhof ging und einen Erker aufwies.

und die theologische Interpretation der Heiligen

Möglicherweise dienten sie als Unterkunft für

Schrift, sondern umfasste auch wissenschaftliche

die Gäste des Generalstudiums, wie den Rektor,

Studienfächer (auf die Brille sind wir schon ein-

den Bakkalaureus oder namhafte Professoren71.

gegangen). Sicher nicht zufällig ist der vielleicht

Den gleichen Grundriss finden wir, in leicht

größte Kirchenlehrer, der heilige Thomas von

verkleinerter Form, am Nordtrakt des grünen,

Aquin, aus dem Dominikanerorden hervorge-

kleineren Kreuzgangs, der angesichts der Nähe

gangen.

zum Generalstudium als Partikularstudium dienen konnte72.

Wie wir wissen, war bei der Klosteraufhebung eine beträchtliche Anzahl der Räume (an

Die Stadtverwaltung spricht den Dominika-

die 30 im ersten Stock und etwa 10 im Erdge-

nern im Jahr 1633 ihren Dank für die Gründung

schoss) mit einem Kachelofern oder einem ver-

einer Schule aus, die nicht nur von den Patres

putzten Ofen ausgestattet (Abb. 15). Diese Öfen

selbst besucht werden kann, sondern auch von

wurden an eine Trennwand von zwei Räumen

Jugendlichen aus der Stadt sowie von Novizen

an- und durchgebaut. Sie wurden vom Flur aus

15. Alois Negrelli, Aufriss des Klosters mit den Heizöfen (1819), Innsbruck, Tiroler Landesarchiv

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16

mit Holz beschickt und befanden sich an einer

mühle zum Mahlen des Getreides. Was schließlich

strategisch günstigen Stelle zur Wärmeverteilung

die Abwässer betrifft, so ist zu bemerken, dass

„vom Zentrum zur Peripherie“. Dank der guten

parallel zur Westseite des Klosters eine Grube

Wärmespeicherung konnte ein Kachelofen die

verlief. Auf dieser Seite befanden sich die zwei

Wärme 12 bis 24 Stunden lang halten, sodass er

wichtigsten Latrinenanlagen, zwei pro Stockwerk.

nur ein- oder zweimal am Tag befeuert werden

Sie lagen übereinander, und die Abwässer wurden

musste. Für Professen und Novizen beim Lernen,

unten mit Wasser weggespült, wodurch die regel-

für Schreiber und sitzend Arbeitende stellten

mäßige und aufwändige Entleerung der üblichen

derartige Wärmequellen eine ideale Lösung dar,

Sammelbecken vermieden wurde. Dieses erfinde-

die in unserer Gegend im Übrigen sehr verbrei-

rische System war so effizient, dass es über einen

tet war. Der beheizte Raum im Parterre wird auf

Zeitraum von 200 Jahren hinweg beibehalten

dem Lageplan tatsächlich als „Stube“ bezeichnet.

und bis 1945 von der Industrieschule verwendet

In Zellen und Schulzimmern standen meist

wurde. Erst beim Abriss der Gebäude und ihrem

einfache gemauerte und verputzte Öfen, während

Umbau als Konservatorium wurde dieses Verfah-

die bedeutenderen Räume, wie zum Beispiel das

ren aufgegeben.

Refektorium und die Zimmer der hochrangigen Besucher, mit Kachelöfen beheizt wurden.

Schlussfolgerungen

Bei Ausgrabungen, die nach Abtragung des Fußbodens und des Unterbaus durchgeführt

Obwohl es im Laufe der Geschichte zu keiner

wurden, kamen kunstvoll geformte, glasierte

Spaltung des Dominikanerordens kam, hatte er

Keramikkacheln ans Tageslicht . In der Tat hing

doch vom 14. Jahrhundert an innere Konflikte

die Hafnerzunft – wie auch die der Maurer, der

zwischen den reformierten Observanten der ersten

Zimmerer, der Fischer und der Sattler – von der

Verfassung und den nicht observanten Konven-

Dominikanerkirche ab .

tualen zu verzeichnen. Die Konventualen folgten

74

75

16. Le Corbusier, Das Dominikanerkloster Sainte-Marie de La Tourette (Frankreich)

284

Einen Beitrag für sich würden die techni-

einer weniger strengen Regel, und in extremen

schen Systeme zur Wasserversorgung sowohl für

Fällen konnte es geschehen, dass auch innerhalb

den Hausgebrauch als auch im Allgemeinen zur

der Klostermauern Privilegien herrschten, die uns

Bewässerung in der Landwirtschaft und zur Nut-

an die von Alessandro Manzoni unsterblich ge-

zung bei handwerklichen Tätigkeiten verdienen.

machte „Nonne von Monza“ erinnern könnten77.

Das Kloster verfügte – was auf den Lageplänen

Der reformierte Konvent in Bozen stand im Laufe

allerdings nicht verzeichnet ist – über ein Wasser-

seiner langen Geschichte bei den Ordensoberen

verteilungssystem, das das Gefälle des Geländes

immer in hohem Ansehen. Er engagierte sich je-

und den Druck nutzte, um Wasser zum Brunnen

derzeit für die Wiederherstellung der Spiritualität

im Kreuzgang zu führen, zum Waschbecken des

und der Unabhängigkeit des Ordens und suchte

Refektoriums, in die Küche und die Wäscherei. In

mit allen Mitteln den Problemen aus dem Weg

dem schon vorerwähnten, dem Kloster gehörigen

zu gehen, von denen dagegen die Provinzen in

Kreuzerhof im Ortsteil Dorf bestand eine Quel-

England und teilweise auch in Frankreich be-

le, das sogenannte Lichtbrunnen-Wasser, die die

troffen wurden.

Dominikanermönche dann zur Anlage der ersten

Die Predigerbrüder erfreuten sich bei der

städtischen Wasserleitung im Jahr 1520 zur Ver-

gesamten Bozner Bevölkerung allergrößter Be-

fügung stellen sollten76. Bis dahin war vor allem

liebtheit, beim Adel, bei den Handwerkern wie

die Talfer zur Wasserversorgung der städtischen

auch bei den weltlichen Geistlichen. Diese ihre

Bevölkerung genutzt worden, konnte aber bei

Hochachtung zeugt einmal mehr, wie geschätzt

anhaltendem Regen nicht verwendet werden, da

sie nicht nur als spirituelle und materielle Helfer

das Wasser dann zu trüb war.

im Dienst der Gesellschaft waren, sondern – eben

Beim Kreuzerhof bestand auch eine Wasser-

dank ihres im Alltag gewonnenen Renommees –


auch als geschickte Vermittler bei Streitigkeiten und Auseinandersetzungen. Der kurzzeitige und vielzitierte Frieden, der im Jahr 1276 zwischen dem Fürstbischof von Trient und dem Tiroler Landesherrn Meinhard eben in der Dominikanerkirche geschlossen wurde, kann als Beweis dafür angesehen werden, dass diese Stätte als unparteiischer Hof zur Schlichtung der verschiedensten Kontroversen Ruhm und Prestige genoss. Urkunden ist zum Beispiel zu entnehmen, dass im Jahr 1406 ein Grenzstreit78 zwischen der Fleimser Talgemeinschaft und den Gemeinden Neumarkt und Montan ebenfalls im Bozner Kloster beigelegt wurde. Die reichen Schätze nicht nur an Kunstwerken, die das Bozner Kloster im Laufe der Jahrhunderte ansammelte, könnten Zweifel aufkommen lassen, dass die Ordensgemeinschaft sich vielleicht doch etwas vom Armutsgelübde der Ordensregel entfernt hatte. Andererseits konnte die Bevölkerung, die schon von Steuern und Naturkatastrophen geplagt war, den herumreisenden Bettelmönchen

17

keine großen Almosen spenden . Außerdem 79

widmete sich die Großzahl der Mönche mehr dem Studium als dem Unterhalt des Klosters, und die Schule und das Generalstudium mussten erhalten werden: Angesichts dieser Elemente war es für den Verwalter sicher nicht leicht, die Bilanz auszugleichen. Glücklicherweise gab es aber andere Einkünfte: Spenden für das Seelenheil der verstorbenen Adeligen und Einnahmen aus den verschiedenen Guts- und vor allem Weinhöfen trugen dazu bei, dass hier eine Gemeinschaft entstehen konnte, die wir heute als Nonprofit-Betrieb bezeichnen würden: „Sie verkauften den Stiftern Benefizien, um private Geldmittel zu deren erneuter Umwandlung in öffentliche Güter einzubringen“80. Die Dominikaner haben es immer verstanden, sich mit unglaublicher Flexibilität den immer neuen Gegebenheiten anzupassen. Dass auch der Bozner Konvent blühen und gedeihen konnte, erzählen uns nicht nur die Kirche und der Kreuzgang, die sich bis auf den heutigen Tag

17. Grundbuchplan des Jahres 1858, Bozen, Grundbuchamt

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erhalten haben, sondern auch die Grund- und Hauptmauern der Gesamtanlage, die von den neuen Räumlichkeiten des Konservatoriums und den sich anschließenden Geschäften und Büros verborgen werden81. Die Stadt aber bezeigt ihnen bis heute nicht die rechte, gebührende Dankbarkeit: Der Kreuzgang wartet seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf eine angemessene Restaurierung. In einer stark verweltlichten Gesellschaft müssen wir den Dominikanern auf jeden Fall dankbar sein, dass Le Corbusier mit dem für sie erbauten Kloster Sainte-Marie de La Tourette eine Ikone der modernen Architektur geschaffen hat82 (Abb. 16).

1 Erst im 14. Jahrhundert wurde das Namen-JesuFest dank des Einsatzes des Franziskanermönchs Bernhardin von Siena in den liturgischen Kalender aufgenommen. Diesem Heiligen ist auch die Erfindung des Christusmonogramms IHS zu verdanken, das – in einem Strahlenkranz auf blauem Grund – an christlichen Kultstätten weite Verbreitung fand. Papst Johannes Paul II. hat das auf den 3. Januar fallende Fest wieder in den römischen Kalender aufgenommen. 2 Siehe allgemein: Schenkluhn 2000, insbes. zur Bozner Kirche Donin 1935, S. 264–265. 3 Das Dokument befindet sich im Landesarchiv Innsbruck, Signatur Karten N. 473 Jüngeres Gubernium: Kloster N. 1447 anno 1786. Der Grundriss des Erdgeschosses ist von Cozzi in: Atlas 2001, S. 66 veröffentlicht worden. Das Dokument wird erstmals von Rasmo 1951b, S. 152 zitiert: „Die Kenntnis dieses Dokuments hätte mir seinerzeit die komplexen Argumentationen erspart, die es mir erlaubt hatten, sowohl die Nikolaus- und die Johanneskapelle als auch die alte Sakristei zu identifizieren“. 4 Scarlini 2003, S. 121. Wir können uns nur eine vage Vorstellung von der damaligen Pracht der Kirche machen, wenn der Chronist fortfährt: „Das Innere der mittleren Kapelle [Merkantilkapelle] würde auch in meiner Heimat in Antwerpen Bewunderung und den Wunsch zur Nachahmung erwecken“. Zu diesem Thema siehe auch den Beitrag von Silvia Spada Pintarelli, Das 17. und 18. Jahrhundert, in der vorliegenden Publikation. 5 Interessant der Vergleich mit dem Lettner der Franziskanerkirche, der bis 1792 erhalten bleibt, ja sogar zum Chor hin verdoppelt wird. 6 Weis 1946, S. 84. Erst nach dem im Jahr 1792 erfolgten Abbruch des Lettners wurde die Orgelempore (heute über dem Eingangsportal) angelegt, bei der es sich demnach um ein jüngeres Werk handelt. 7 Spada Pintarelli 1994, S. 30. 8 Lindner 1886, S. 21. 9 Stocker Bassi 2005. 10 Stillhard 2003, S. 88. 11 Lindner 1886, S. 11–33. 12 Schenkluhn 2000, S. 234. „Ist die frühe Anlage der Dominikaner in Bologna auch noch mehr in Art eines traditionellen Klosterschemas erstellt, so zeigt sich doch

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ähnlich wie in Paris eine Veränderung bei der Funktion der Gebäude. Bleibt der Ostflügel Mönchstrakt, […] so ,wandern’ die Versorgungseinheiten, vor allen voran das Refektorium, in den Westteil“. 13 Dieser Plan enthält sehr viel sanftere Maßnahmen als das 70 Jahre später von Sebastian Altmann ausgearbeitete Projekt zum Bau der Kaserne. Der Autor – Alois Negrelli wird als Zeichner angeführt – befasst sich vor allem mit den Trennungswänden, um so viel große Räume wie möglich für die Truppen zu gewinnen. 14 Siehe den St. Galler Klosterplan aus dem Jahr 820. 15 Besonders die vorstädtischen Villen mit zentralem Grundriss und Säulenhof. 16 „Weltberühmtes Bozen hat seinen Antheil dabey / als mein H. Orden hier Anno 1274 und also bereit fünffthalb hundert Jahren ist eingeführet / und von hochadelichen Familien deren von Niderthor und Botsch ist erhöhet und unterstüzet worden“. Aus den Akten des Kapitels der ungarischen Provinz in Bozen, 1720 in Trient gedruckt. Die hier angeführte Jahreszahl 1274 könnte die kanonische Anerkennung des Ordens, die von den mehreren Gelehrten auf die Zeit um 1286–1287 festgelegt wird, vorverlegen. 17 Ruskin 1982, S. 231. 18 Allein schon die Tatsache, dass die Klöster am Stadtrand errichtet wurden und nicht an lieblichen Orten in der Natur, setzt eine gute Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichsten Gegebenheiten an den für die Ansiedlung vorgesehenen Orten voraus. Ein Beispiel: Das Kloster Saint-Jaques, der erste Dominikanerkonvent in Paris, entstand an der Stadtmauer. 19 Gritsch 1979, S. 337. „Im Verlauf seiner gut 500jährigen Geschichte mußte das Kloster jedoch den Provinzverband fünfmal wechseln“. 20 Was die aufgehende Entwicklung betrifft, so sind an den Fenstern des rechten, an das Kloster angebauten Seitenschiffs die verschiedenen Vermauerungen zu erkennen, mit denen die Triforen während der Erhöhung des Kreuzgangflügels verschlossen wurden. Diese Maßnahmen treten durch die Farbunterschiede an den Fenstergewänden zutage. 21 „Beim Torcular handelte es sich um eine finanziell recht aufwändige Struktur, die sich nicht alle Höfe leisten konnten. Aus diesem Grund wird er, sofern vorhanden, vom Notar eigens verzeichnet, offensichtlich in Hinblick auf die Schätzung der Liegenschaft oder des Ertrags“. Andreolli 1999, S. 178. 22 Bassetti Carlini 2004, S. 103. 23 Neri 1944, S. 8. 24 „Ebenso erhielt der langgestreckte Chor eine dicke Kruste von Stuccatur und plumpen Gemälden.“ Messmer 1857, S. 98. 25 „Das Mittelfenster … (des Chors) … nach meinem Gefühl die beste gothische Reliquie in Bozen…“. Messmer 1857, S. 97. 26 Die Darstellung zeigt die Jungfrau mit Kind, eingerahmt von einem typischen Portikus à la Brunelleschi, wie der Beato Angelico ihn mehrfach auf seinen Verkündigungen zeigt. Sylvester Müller fügt noch den Stern hinzu, eines der Attribute des heiligen Dominikus, das normalerweise auf seinem Kopf zu sehen ist, hier aber auf dem Mantel der Madonna. Die Girlanden und die Felsenlandschaft im Hintergrund erinnern an Mantegna. 27 Nössing 1991, S. 330. 28 Piazza Domenicani 2001, S. 36. 29 Penone 1998, S. 72; „Giordano [der selige Jordan von Sachsen, von 1222 bis 1237 zweiter Ordensgeneral der Dominikaner] erhielt von Gregor IX. viele Privilegien […] die Erlaubnis, die Messe an jedem beliebigen Ort an einem tragbaren Altar zu zelebrieren“. S. 30

30 Die Konversen oder Laienbrüder trugen zwar das Mönchsgewand, hatten aber nicht die Priesterweihe empfangen. Sie führten die manuellen Arbeiten aus und waren somit der Studierpflicht enthoben. Im Gegensatz zu den Zisterziensern, bei denen sie mit den Herrenmönchen nicht in Kontakt treten durften, wollte der heilige Dominikus sie den Professen gleichberechtigt, da es sich seiner Meinung nach um zwei zwar unterschiedliche, aber gleichermaßen würdevolle Wege zur Heiligkeit handelte. 31 Lippini 2008, S. 48. 32 Die Beziehung zwischen den beiden Orden war im Laufe ihrer gemeinsamen Geschichte allerdings nicht immer so idyllisch – im Gegenteil: Es kam bisweilen zu heftigen Auseinandersetzungen, die von den jeweiligen Kapiteln, ja sogar vom Papst beigelegt werden mussten. Berühmt der Disput über die Wahrhaftigkeit der Stigmata der heiligen Dominikanerin Katharina von Siena; denn nach Ansicht der Minoriten durfte sie nur der heilige Franz von Assisi tragen. 33 „Sie wog 18 Mark (à 19 kr.)“ [1 Wiener Mark = 280,66 Gramm] Lindner 1886, S. 22. 34 Die bedeutendste Zunft war die der Maurer und Steinmetze, die sich auf diese Weise – heute würden wir von einer Stiftung sprechen – barmherzigen Werken widmete, wie sie auch liturgischen Pflichten und Totenmessen nachkam. „Mit dem Begriff der zivilen Gesellschaft war unauflöslich auch die ausdrücklich religiöse Grundidee der confraternità verbunden“ Zieger 1935, S. 83. Nicht zufälligerweise wurden sie durch das im Jahr 1781 von Kaiser Joseph II. erlassene Toleranzpatent aufgehoben, mit dem er nicht nur Kasse machen, sondern vor allem sein Reich in einen weltlichen, antiklerikalen Staat verwandeln wollte. 35 Lippini 2008, S. 307. 36 Unter den Chronisten des 17. Jahrhunderts, die – da sie auf schriftliche, heute nicht mehr vorhandene Quellen zurückgreifen konnten – bedeutsame Studien über die Dominikaner in Bozen machten, sind in erster Linie Marx Sittich von Wolkenstein und Ferdinand Troyer zu erwähnen. Zu dieser Frage siehe auch den Beitrag von Alberto Alberti in der vorliegenden Publikation. 37 Hoeniger 1968, S. 182. 38 Bisweilen in einem eigenen, Friedhofskreuzgang bezeichneten Kreuzgang. 39 Lindner 1886, S. 21. 40 Siehe in diesem Zusammenhang auch die Kapelle der Heiligen Drei Könige in der Dominikanerkirche in Pistoia. Für den Konvent Santa Croce in Bosco Marengo (AL) hatte Papst Pius V., selbst ein Dominikaner und Gründer dieses Klosters, Vasari mit der Ausführung eines Altargemäldes zur Epiphanie beauftragt, einem Thema, das neben der Verkündigung in den Ordenskirchen häufig anzutreffen war. Auch in der Bozner Stadtpfarrkirche hatte sich eine den Heiligen Drei Königen gewidmete Kapelle befunden, die im Jahr 1689 zur Erweiterung der Sakristei abgerissen wurde. 41 Reliquien der Heiligen Drei Könige wurden auch im Verkündigungsaltar der Dominikanerkirche aufbewahrt. Vgl. den Beitrag von Silvia Spada Pintarelli, Das 17. und 18. Jahrhundert, in der vorliegenden Publikation. 42 Canali 1937, Anmerkungen auf S. 531–532. 43 Südtiroler Landesarchiv, Bestand Merkantilmagistrat Bozen, Sign. 3.4.27 „Prodotte“. Der Brief ist auf Italienisch. 44 Das Projekt stammt vom Architekten Pellizzari, auf den sich in den Gemeindearchiven seltsamerweise keine Hinweise finden. 45 Auch die in zwei Blöcken angelegten Latrinen westlich des kleineren Kreuzgangs, von denen ein Abflussgraben die Abwässer in den Eisack spülte, hatten keine Türen:


daher der an die Patres gerichtete Rat, sich bei ihrer Benutzung aus Rücksichtnahme den Kopf zu bedecken…, aus: Vitae Fratrum del beato Umberto e frà Geraldo (um 1260). 46 Bis vor etwa zehn Jahren hatten sich mehrere Stufen einer Wendeltreppe aus Sandstein auf dem kleinen Platz vor dem Rainerum befunden, sind aber bei der Anlage der zwei Sicherheitsausgänge für den oberen Konzertsaal verloren gegangen. Der damalige Mesner Enzo Segato erinnert sich, dass der Denkmalpfleger Nicolò Rasmo sie für die zum Kirchenlettner ansteigende Treppe verwenden wollte. 47 Wenn der Papst sich in Florenz aufhielt, logierte er im Dominikanerkloster Santa Maria Novella, wo ein Flügel bis heute als päpstliches Gemach bezeichnet wird. 48 Siehe Anm. 17. Der Bibeldiskussion während des Kapitels lag der Vers Qui vicerit faciam illum columnam in templo Dei mei aus der Offenbarung des Johannes (3,12) zugrunde. 49 Gritsch 1979, S. 209. 50 Lindner 1886, S. 23. Es ist eine erfreuliche, aktuelle und unerwartete Nachricht, dass ein Teil des Bestands der Dominikanerbibliothek sich in der Bozner Propsteibibliothek befindet. Vgl. den Beitrag von Johannes Andresen in der vorliegenden Publikation. 51 Der Freskenzyklus stellt auf einem anderthalb Meter hohen Fries 40 illustre Persönlichkeiten des Dominikanerordens dar, die sich alle der Kreuzigungsszene zuwenden. 52 Er wurde vom Prior ernannt und hatte die heikle Aufgabe, die Novizen auf das religiöse Leben vorzubereiten. Die Schüler hatten sich nicht nur Kenntnisse der Heiligen Schrift zu erwerben, sondern auch der Liturgie, der Regeln und der Satzungen des Ordens sowie einer korrekten Handschrift. 53 „An Grundnahrungsmitteln werden genannt: Getreide (Roggen, Gerste, Hafer, Weizen, Hirse, Hanf ), Fleisch (Rind, Schwein, Schaf, Ziege, Geflügel), Öl, Käse, Eier, Milch, Butter, Wein, Gemüse. Das Vorhandensein von zahlreichen Metzgern und zwei Schlachthäusern, eines am oberen Ende und eines am unteren Ende der Stadtgasse, beweist, daß Fleisch zu einem wesentlichen Bestandteil der Ernährung zählte. Die Speisen wurden mit Pfeffer und Salz gewürzt“. Nössing 1991, S. 334. 54 Projekt von Walter Angonese und Markus Scherer. Bei dieser Gelegenheit wurde der Raum unter dokumentarischem wie archäologischem Gesichtspunkt untersucht, und es wurden Nachforschungen an den alten Putzschichten angestellt, sodass die historischen Bauphasen gewissenhaft rekonstruiert werden konnten. 55 Lindner 1886, S. 18–19. 56 „Nachdem Battista [Delai] mit seinem Vater zusammengearbeitet hatte, folgte er ihm 1572 im Amt des Stadtbaumeisters. Er führte, unter Mitarbeit der Brüder Bernardo und Giorgio, mehrere Arbeiten in der Dominikanerkirche aus.“ Zieger 1935, S. 105. 57 Der im ausgehenden 16. Jahrhundert von Lucchese erbaute Innenhof der neuen bischöflichen Burg in Brixen ist eines der seltenen Beispiele Südtiroler Monumentalarchitektur mit eindeutigen Renaissancereminiszenzen. 58 Während der zweite, kleinere Kreuzgang zumindest im Erdgeschoss bei den im 19. Jahrhundert vorgenommenen Umbauarbeiten in eine Kaserne verschont worden war, wurde er leider nach dem Zweiten Weltkrieg entstellt, als dieser Gebäudeteil, obwohl er unter Denkmalschutz stand, zum Konservatorium ausgebaut wurde. 59 Lippini 2008, S. 319. 60 In jedem Kloster gab es eine Gefängniszelle zur Abbüßung der Sünden. Die je nach der Schwere des Vergehens auferlegte, ein- oder mehrtägige Einzelhaft und die Verurteilung zu Wasser und Brot waren nach dem

Ausschluss aus dem Orden (bei schwerster Schuld) die zweithöchste Strafe. Die Verweisung aus dem Orden erfolgte nur in extrema ratio, da man befürchtete, dass die ausgestoßenen Mönche sich für diese Strafe, die sie als ein Unrecht empfanden, rächen würden. 61 Eine besonders bildhafte Vorstellung vom Garten vermitteln die schon erwähnten Ansichten von Süden her. Ein vorzüglicher Aussichtspunkt war dazu der Virgl. Auf der wohl berühmtesten Stadtansicht, der von Merian aus dem Jahr 1649, ist eine einfachere Einzäunung zu erkennen, die an einen Holzzaun zur Eingrenzung eines weiteren Gartens denken lässt. 62 Mayr 1974, S. 594. Ein Exemplar befindet sich in der Propsteibibliothek in Bozen, ein zweites in der Seminarbibliothek in Brixen. 63 Das Haus wurde dem Merkantilmagistrat zu einem Preis von 9001 Gulden zugeschlagen, der mehr als doppelt so hoch lag wie der Ausrufpreis, 4107 Gulden und 30 Kronen. Lindner 1886, S. 20. 64 Versteigerungs-Edikt in Betreff der ExdominikanerGüter zu Bozen, Bozen den 11. Februar 1802. Stadtarchiv Bozen. Hier werden nur die Besitztümer in Bozen und ein Grundstück in Gries versteigert. 65 Kofler Engl 2003, S. 190–194. 66 Penone 1998, S. 198. 67 Neben der etwas allgemein gehaltenen Augustinerregel liegt den Dominikanersatzungen das Leben der Prämonstratenser des Norbert von Xanten zugrunde. 68 Lindner 1886, S. 16. Der geisteskranke Mönch, der zuvor schon versucht hatte, das Kloster in Brand zu stecken, wurde provisorisch im gegenübergelegenen Gasthaus Riesen untergebracht. 69 Die mit dem Studium beschäftigten Mönche waren von verschiedenen Aufgaben befreit. Das Studium wurde den liturgischen Diensten gleichgesetzt, sodass sie auch von den täglichen gemeinsamen Chorgebeten dispensiert waren, mit Ausnahme der abendlichen Komplet. 70 „Raimund [der selige Raimund von Capua, Ordensgeneral, 1330–1399] bediente sich des Werks des Dominici [Sel. Giovanni Dominici), um mehrere reformierte Kloster zu gründen, die zum Ziel vieler aus den verschiedenen italienischen Provinzen angereister Mönche wurden, die hier ein Leben im wahren Geist des heiligen Dominikus führen wollten. Reformierte monastische Zentren entstanden in Venedig, Chioggia, Città di Castello, Lucca, Orvieto, Fabriano und Bozen“. Penone 1998, S. 188. 71 „Immer mit dem Ziel, nicht nur die Studenten, sondern die gesamte Klostergemeinschaft mit neuen Kenntnissen zu bereichern, konnte der Meister im Einvernehmen mit dem Prior Prälaten, Theologiegelehrte, berühmte Prediger, Geistliche anderer Orden (besonders Franziskaner) auf der Durchreise einladen, im Kapitel zur Gemeinschaft zu sprechen.“ Lippini 2008, S. 284. 72 „… deshalb muß angenommen werden, daß Bozen zu diesem Zeitpunkt [1642] ein blühendes Partikularstudium hatte“. Gritsch 1979, S. 197. 73 „Die Dominikaner übernahmen nämlich in diesem Jahre zum Nutzen der Jugend ,die nieder latainischen Schulen bis zur Rhetorik’, wozu sie als Schullokal den oberen Stock des 1608 erbauten Schulhauses benutzten.“ Simeoner 1890, S. 324–325. 74 „die Schmelzreste einer nahen Keramikwerkstätte, darunter Reste von wertvollen Kacheln von dekorierten Kachelöfen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts“. Rasmo 1951b, S. 154. 75 Lindner 1886, S. 27. 76 „Der Dominikaner-Convent,welcher in diesen Gegenden Güter hatte, gab ebenfalls seine Zustimmung

und so wurde Bozen mit gutem und lichtem Wasser versehen.“ Simeoner 1899, S. 267. 77 Zu den ersten Regeln, die abgeschafft wurden, gehörten die, die den Güterbesitz betrafen, die Größe der Klöster und der Kirchen, die Benutzung von Pferden auf Reisen, die Möglichkeit, die Zelle zu verschließen und das Refektorium während der gemeinsamen Mahlzeiten zu verlassen, die Einführung von Fleisch in den Speiseplan… 78 „Anno 1406 indictione 14, die veneris primo octobris in Bulzano tridentinae diecesis. In monasterio s. Dominici ordinis fratrum predicatorum. -..est questio et controversia super confinibus vallis Flammarum cum illis de Egna, Montagna et consortibus de comitatu et laudum seu sententia lata, designatis terminis…“ Ghetta 2001, S. 310. 79 „Jetzt hat sich die Lage im Vergleich zu den ersten Zeiten nach der Ordensgründung erheblich geändert, sowohl wegen der Abflauung des Glaubens unter der Bevölkerung als auch wegen der Armut, die auf die Pest folgte. Aus diesen Gründen waren die Klöster in finanziellen Schwierigkeiten, und der Ordensgeneral [Leonardo de Mansuetis, 1405–1480] wandte sich an der Papst mit der Bitte, den Konventen eigene Besitztümer zuzugestehen.“ Penone 1998, S. 240. 80 Moretti/Tedesco 2008, S. 107, Anm. 118. 81 Palladio behauptete, dass ein gutes Bauwerk schon an den Grundmauern zu erkennen sei. 82 „’Eine Stätte der Stille für hundert Körper und hundert Herzen’: Mit diesen Worten beauftragte der Dominikaner Marie-Alain Couturier den Baumeister Le Corbusier mit der Planung des Klosters Sainte-Marie de la Tourette in Frankreich. Das 1953 vom modernistischen Architekten entworfene Bauwerk ist zweifellos das berühmteste Klostergebäude des 20. Jahrhunderts.“ Beltrami 2009.

287


„Die Apostel sahen Christus leiblich, sahen seine Leiden und seine Wunder, hörten seine Worte: Und auch wir wollen sehen, hören und selig gepriesen werden. Sie sahen ihn von Angesicht zu Angesicht; denn er war leiblich zugegen. Aber wir, die ihn nicht leiblich sehen, hören seine Worte durch die Bücher, werden in unserem Gehör geheiligt und dadurch in unserer Seele, wir werden selig gepriesen und verehren die Bücher, durch die wir seine Worte hören. Ebenso betrachten wir durch die Malerei die Bilder seines Körpers, seiner Wunder und seiner Leiden, wir werden geheiligt und bestärkt, wir frohlocken und werden selig gepriesen und bringen seiner Figur Achtung, Ehre und Verehrung entgegen… Und wie wir durch die sensiblen Worte mit unseren leiblichen Ohren hören und über die spirituellen Dinge nachdenken, so werden wir durch die leibliche Vision zur spirituellen Vision erhöht.“ Johannes von Damaskus Dritte Rede gegen die Verleumder der heiligen Bilder, 12

Meditation, Freude, Anbetung Ein spiritueller Gang durch den Dominikanerkreuzgang in Bozen Schwester Grazia Papola Don Antonio Scattolini

Der Tourist, der heute eine Kirche oder einen Palast in unseren Städten betritt, will in möglichst kurzer Zeit eine möglichst große Zahl an Kunstwerken „konsumieren“. Aber wer den Kreuzgang des Dominikanerklosters in Bozen betritt, muss sich vor Augen halten, dass die Freskenzyklen an den Arkaden gegen Ende des 15. Jahrhunderts von Friedrich Pacher und anderen Künstlern ersonnen und geschaffen worden sind, um den Geist der Ordensbrüder und all derer zu nähren, die von dieser kostbaren Speise1 essen wollten: von diesem „sichtbar gewordenen Wort“2. Wir haben hier ein vorzügliches Beispiel künstlerischer Exegese vor uns: Diese Malereien zeigen uns, dass die Bibeltexte nicht nur mit Worten vermittelt werden können, sondern auch durch Bilder. Die Kirche hat der Botschaft der Heiligen Schrift von Anfang an gerade durch die Kunst größeren Widerhall verliehen, um sie nicht nur dem Geist des Menschen zuzuführen, sondern seinem gesamten Wahrnehmungsfeld, seinen Sinnen, Gefühlen, Emotionen…, damit sie von allen Personen bewusst verstanden (nicht nur wahrgenommen!) werden kann. Machen wir also einen meditativen Gang durch den Kreuzgang, in virtueller Begleitung eines Dominikanermönchs, der uns bei der Hand nimmt und uns durch das Licht- und Schattenspiel der Säulen führt, durch die Stille des Klosters, die uns auf eine biblische Erzählung in Farben vor-

288


1a

1

1b

2a

2

2b

1. Einhornjagd, erste Arkade 1a. König Salomo, erste Arkade 1b. Symbol des Evangelisten Lukas, erste Arkade

2. Heimsuchung Mariä und Geburt des Täufers, zweite Arkade 2a. Kirchenvater (?), zweite Arkade 2b. Prophet (?), zweite Arkade

289


bereitet, auf einen Text, der nicht aus gedruckten

Messages zu verstehen, die von mehr oder weniger

Worten besteht, sondern aus gemalten Bildern.

gut leserlichen Spruchbändern begleitet werden: Rechts die Hauptfigur der Szene, Maria, auf

Erste Arkade

der anderen Seite des Freskos der Verkündigungsengel7. Die ungewöhnliche Darstellung des Engels

Das große Fresko in der ersten Arkade ist der

steht in Zusammenhang mit der figurativen Wie-

Gottesmutter Maria gewidmet (die bei den Do-

dergabe der schon erwähnten Einhornjagd. Maria

minikanern im Übrigen große Verehrung ge-

umarmt und streichelt ein weißes Einhorn, ein

noss). Im späten Mittelalter hatte das Thema

Fabeltier, das der Überlieferung nach nur durch

der Jungfräulichkeit Mariens im Mittelpunkt

die Unschuld einer Jungfrau bezwungen werden

theologischer Dispute gestanden, und Franz von

konnte. Dies bedeutet, dass Maria sich anschickt,

Retz (um 1343–1427), ein Theologe des Do-

in ihrem jungfräulichen Leib den Fleisch gewor-

minikanerordens, schrieb das berühmte Werk

denen Gott aufzunehmen. In der Tat ist im obe-

Defensorium inviolatae perpetuaeque virginitatis

ren Teil der Malerei das von Gottvater gesandte

castissimae genetricis Mariae, das den Maler zu

und von der Heiliggeisttaube begleitete Wort zu

diesem Fresko angeregt hat. Es handelt sich um

sehen, das, in Gestalt des von einem trinitarischen

die Darstellung des Hortus conclusus oder der

Lichtstrahl eingehüllten Jesuskindes, gegen Ma-

Tota pulchra, die auf Maria und ihre unbefleckte

ria herabkommt: Die Menschwerdung vollzieht

Jungfräulichkeit anspielt. Beide Begriffe beziehen

sich in Hinblick auf das Ostermysterium, weshalb

sich auf das Hohelied3, ein Buch des Alten Tes-

das Jesuskind schon das Kreuz trägt, das uns die

taments, das die Annäherung zwischen zwei Lie-

Rettung bringen wird. Die Künstler der Vergan-

benden schildert. In der Antike wurde dieser Text

genheit vestanden es, auf der Grundlage der von

symbolisch als Dialog zwischen der christlichen

den Theologen ausgearbeiteten Programme, das

Seele und ihrem Herrn interpretiert, und später

Evangelium in einer wirkungsvollen Synthese wie-

wurde er zum Bezugspunkt der Spiritualität vie-

derzugeben. Diese Ikonografie mag uns heute et-

ler Mystiker: Der Gläubige machte sich den Text

was gleichgültig lassen, da sie unserem Verständnis

des Hohen Lieds zu eigen und versetzte sich in

recht fernsteht, aber zur damaligen Zeit wurde sie

die Figur der Braut, die sich an ihren Bräutigam

von allen verstanden, da auch in den Predigten für

Christus wendet: Die Liebe der beiden Liebenden

das Volk oft darauf hingewiesen wurde.

des Hohen Lieds wird als Liebe Christi zu seiner

Auf dem Rücken des Einhorns ist ein weiteres

Kirche verherrlicht4. Mit Ambrosius von Mailand

Fabeltier der Antike zu erkennen: Es handelt sich

begann die marianische Interpretation des Hohen

um den mythischen Phönix orientalischen Ur-

Liedes, die große Verbreitung fand. Maria, eine

sprungs, einen Vogel, der geopfert und verbrannt

Figur der Kirche, wurde mit der Braut des Hohen

wurde, aber aus seiner Asche immer wieder neu

Liedes identifiziert und somit zum Vorbild der ge-

erstand. Wir haben es hier erneut mit einer An-

weihten Jungfräulichkeit5. Die Mariendarstellung

spielung auf den Tod und die Auferstehung Chris-

6

wird hier in das profane Thema der Einhornjagd

ti zu tun (in der mitteleuropäischen Malerei wird

eingefügt, das vor allem seinerzeit in dieser Ge-

dieser Vogel bisweilen mit einem das Ave Maria

gend sehr beliebt war.

hersagenden Papageien verwechselt oder ersetzt).

Die theologische Botschaft soll also durch

Auf der Bildmitte ist (als weiteres biblisches

die Verwendung natürlicher Symbole (Pflanzen,

Bild) ein versiegelter Quell zu sehen, auf dem

Tiere usw.) vermittelt werden, die schon in der

ein Pelikan sitzt, ebenfalls ein in Symbolik und

Antike in Werke wie den Physiologus und die Na-

Glaubensgeschichte oft vertretenes Tier. Schon

turalis Historia (z.B. der Löwe, der seine Jungen

der vorerwähnte Franz von Retz hatte geschrie-

wiederbelebt, usw.) Eingang gefunden hatten.

ben: „Wenn ein Pelikan seine Jungen mit seinem

Versuchen wir also, die bedeutungsvollsten

290

Blut füttern kann, wie könnte die Jungfrau mit


ihrem reinen Blut nicht Gleiches tun und Chris-

den der Zeit ausgelöscht oder unleserlich gemacht

Erlöser. Die Menschwerdung ist das Zeichen, dass

tus gebären?“8. Wieder einmal dieser Bezug auf

worden (die Möwe, der Spiegel der Gerechtigkeit,

Gottes Liebe keine Kluft und Scheidung kennt,

„wissenschaftliche“ Visionen, um einige Begriffe

die Rose ohne Dornen). Interessant sind die unten

dass alles Ihm gehört, auch der vom Menschen

der Christologie, der Marialogie und sogar der

eingefügten vier Hunde als Bestandteil der Szene

in der Gottesliebe geschaffene Abgrund, da er,

Sakramentstheorie zu erläutern; denn das aus

der schon erwähnten Einhornjagd: Sie sind als

der Mensch, der Mittelpunkt von allem sein will,

der Brust des Pelikans fließende Blut spielt auf

Symbol einiger in den Psalmen zitierten Tugenden

ein neuer Gott.

das zusammen mit dem Wasser sich vom Kreuz

anzusehen21. In der Darstellung dieser „Hunde

Die Inkarnation zeigt uns, dass die Gottes-

Christi ergießende Blut an , das Symbol der Sa-

des Herrn“ mit dem weiß-schwarzen Fell (weiß

liebe auch die Perversion der Freiheit einschließt.

kramente der Kirche.

9

und schwarz wie das Ordensgewand der Domi-

Innerhalb der Liebe Gottes kann der Mensch

Weitere mehr oder weniger ausgearbeitete

nikaner) spiegeln sich die Dominikaner wider

sich ein Reich der Selbstbestätigung schaffen,

Allegorien sind – wiewohl sie ihren biblischen

(domini canes = „Hunde des Herrn“ gemäß einer

eben gerade, weil Gott ihn liebt und ihm Raum

Ursprung erkennen lassen und beibehalten (die

Interpretation des Namens), die als Predigeror-

für die Freiheit gibt. Die Menschwerdung macht

von Tau durchnässte Wolle Gideons als Symbol

den die Aufgabe haben, das Wort Gottes in aller

deutlich, dass die Entfernung zwischen Gott und

Christi ) –, den Litaneien entnommen, den

Welt zu verbreiten . Auf dieser Szene sind auch

der Schöpfung in Liebe gemessen wird und dass

Anrufungen, mit denen sich die Christen seit

die Heiligen Bernhard und Thomas von Aquin

keine Sünde denjenigen zerstören kann, der die

Jahrhunderten an die Gottesmutter wenden . In

und einige Kirchenväter zugegen.

Liebe ist.

10

11

diesen und anderen Anrufungen finden wir zum Beispiel auf dem Fresko von oben: strahlend rein wie die Sonne (Electa ut sol = voller Gnade)12 Jakobs Stern (Stella Jacob = aus Maria sprießt der Erlöser Israels)

13

der Dornbusch brennt, ohne zu verbrennen

22

Neben der Lünette geht die Malerei auf den

Die Liebe vereint und umarmt uns, lässt uns

zwei Gewölbekappen weiter: Links befindet sich,

die Freiheit und liebt uns ohne Zwang – weshalb

als elegant gekleidete Person, der biblische König

sie schwach und fragil ist, bescheiden und arm,

Salomo, der als Verfasser des Hohen Liedes an-

sie versteckt sich und ist wie ein Abwesender ge-

genommen wurde. Rechts dagegen ist der Stier

genwärtig. Aus diesem Grund ist Gott auf die

als Symbol des Lukas zu sehen, denn eben dieser

Welt gekommen und Mensch geworden, bis zum

Evangelist berichtet von Mariä Verkündigung.

Tod am Kreuz.

(Rubus ardens incombustus = die bewahrte Jung-

Nach einer kurzen Andachtspause begeben wir

fräulichkeit)

uns zur zweiten Arkade weiter.

14

der Turm aus Elfenbein (Turris eburnea = die Feinde können ihn nicht einnehmen)

15

Zweige treibt)

Zweite Arkade

Gottes zugunsten des Menschen, aller Menschen ohne Ausnahme, das neue Wort der unerschüt-

Die Darstellung geht über den Rahmen des sym-

Salomos Thron (Thronus Salomonis = Sitz

paradoxen Folge des Todes und der Auferstehung Christi zeigt sich die bedingungslose Parteilichkeit

Aarons Stab (Virga Aaron = der grünt und 16

In der frohen Weihnachtsbotschaft und der

terlichen Fürsorglichkeit.

bolischen Registers hinaus und wird zu einer

Die ersten Arkaden, auf denen das Mysteri-

Erzählung der bedeutsamsten Episoden aus dem

um der Geburt Christi dargelegt wird, folgen –

Leben Jesu Christi: von der Menschwerdung und

wie die Figur mit dem Spruchband in der linken

dem Leidensweg zu Tod und Auferstehung – die-

Lünette zeigt – dem Ablauf der Geschehnisse, wie

sen fundamentalen Pilastern des Glaubens und

sie vom Evangelisten Lukas erzählt werden. Die

der Zelebration des liturgischen Jahres. Die hier

Heimsuchung Mariä23 berichtet von der Begeg-

Alle diese allegorischen Bezüge auf die Bibel

dargestellten Begebnisse sind aber nicht nur zwei

nung zwei besonderer Frauen, denen eine Kondi-

sind aus marianischer Sicht zu interpretieren (zum

Phasen im Leben Jesu, sondern die „Stätten“, an

tion gemeinsam ist: Elisabeth ist unfruchtbar und

Beispiel: der Dornbusch am Gottesberg Horeb,

denen Gott sich uns in seinem eigensten Wesen

Maria ist Jungfrau; beide können keine Kinder

der brennt, ohne zu verbrennen, ist wie Marias

offenbart: als menschlich unvorstellbarer Gott,

zeugen, empfangen aber doch, weil Gott in ihnen

Leib, der Gott aufgenommen hat, ohne seine Un-

der sich für das Schwache entscheidet, um gera-

wirkt. Leider ist das ursprüngliche Gemälde mit

versehrtheit zu verlieren, usw.), angefangen bei der

de durch die Schwäche den Menschen zu retten.

seinen prächtigen Farben verloren gegangen. Links

bedeutungsvollen Prophezeiung Jesajas, der hier

Wir könnten sagen: Die Menschwerdung Jesu

ist aber doch noch Maria zu erkennen, die ihrer

als kleine Gestalt wiedergegeben wird, während

bedeutet die Rettung des Menschengeschlechts.

Cousine Elisabeth begegnet, der künftigen Mut-

er aus einem Fenster der Paläste im Hintergrund

Beim Betrachten dieser Szenen werden wir

ter Johannes des Täufers. Die beiden, die sichtbar

blickt . Mehrere Symbole sind wahrscheinlich

uns einer Wahrheit bewusst: Gott enthüllt sich als

schwanger sind, werden von zwei Dienerinnen

verloren gegangen, andere sind von den Unbil-

den Menschen liebendes Wesen, als der Retter und

begleitet, die in der antiken Kunst häufig abge-

der Weisheit)17 Bundeslade (Sanctuarium Dei = Begegnung zwischen Himmel und Erde)18 das heilige Gefäß (Vaso onorabile = es ist für ehrenvolle Anlässe bestimmt) . 19

20

291


bildet werden. Die beiden Frauen umarmen sich: Sie schauen sich liebevoll in die Augen, berühren sich mit zärtlichen Gesten. Der Begegnung wohnt auch eine Schwalbe bei: Dieser Zugvogel, der jedes Frühjahr in unser Land zurückkehrt, galt als Symbol der Wiedergeburt und wurde mit Maria in Zusammenhang gebracht. Auch in einer berühmten Verkündigung vom Beato Angelico findet sich eine Schwalbe24. Es ist auch interessant festzustellen, dass die Begegnung der beiden Frauen nicht mehr auf den Bergen Judäas staffindet, sondern in einer charakteristischen mitteleuropäischen Landschaft des späten Mittelalters, mit Häusern, Burgen und Kirchen. Wenn wir, Menschen des 21. Jahrhunderts, dieses Milieu betrachten, vermittelt es uns den Eindruck von etwas Altem, Vergangenem. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um die typische Landschaft der Pacherschen Zeit han3

delt, um die Welt, in der die damaligen Menschen lebten. Ein vergleichbar heutiger Schauplatz einer „Verkündigung“ wäre eine Welt aus Wolkenkratzern, Eisenbahnen und Supermärkten. Dank dieser intelligenten ikonografischen Entscheidung wurde dem Betrachter unmittelbar mitgeteilt, dass diese Geschehnisse der Rettung nicht nur auf die Vergangenheit beschränkt waren, sondern dass sie den Menschen in jeder Zeit und an jedem Ort erreichen konnten und bis heute noch können. Wir haben hier einen Versuch vor uns, die christliche Botschaft zu aktualisieren – was die Priester bis heute in der Predigt tun, wenn sie den Gläubigen vor Augen halten, dass das Evangelium auch auf unseren Alltag bezogen werden kann. Die Erzählung von Marias Besuch bei Elisabeth, die wir im Evangelium finden, hilft uns zu verstehen, dass unsere tiefsten Wünsche von Gott erfüllt werden und dass wir zu Trägern des Lebens werden können, wenn unser Gebet und unser Verlangen nach Gutem erhört werden.

4

Sowohl das Evangelium als auch diese Darstellung unterstreichen den Augenblick, in dem Maria das Haus von Zacharias betritt und Elisabeth begrüßt, um ihr das zu übermitteln, was ihr

3. Heilige Sippe, dritte Arkade

der Verkündigungsengel kundgetan hatte (vgl.

4. Geburt Christi oder Anbetung der Könige, vierte Arkade

erste Arkade). Maria wird zur Überbringerin einer

292


Botschaft, die Zuneigung zum Ausdruck bringt

ne Art „Familienfoto“ ante litteram vor uns, auf

mit Versen aus den Evangelien, die sich auf zwei

und Leben gibt. Elisabeth wird sich vielleicht erst

dem auch Personen, die später in Jesus Leben

Begebnisse beziehen: Jesus unter den Schriftge-

jetzt, bei den Worten Marias, der Schönheit und

eine Rolle spielen sollten, noch als Kinder auf-

lehrten31 und Taufe Christi32. Die Bezüge auf die

der Freude dessen bewusst, was in ihr war, aber

treten: von Maria Cleophas und Maria Salome

Evangelien werden auch durch die Symbole der

fast noch erstickt, was ihr geschenkt worden, ihr

über Elisabeth und Johannes den Täufer bis hin

Evangelisten Lukas (Stier) und Matthäus (Engel)

aber noch nicht voll zu Bewusstsein gekommen

zu späteren Aposteln .

oberhalb der Lünette unterstrichen. Bemerkens-

25

war. Marias Besuch kam für Elisabeth unerwartet, aber jetzt wartete sie auf ein Wort, wartete,

wert ist die perspektivische Wiedergabe des InVierte Arkade

neren des Tempels in Jerusalem, der als gotisches

dass jemand ihr etwas sagte, das ihrem Mutterleib

Kirchenschiff dargestellt wird. Der obere Teil der

Freude bescherte. Es musste ein Wort ohne Spott

Die vierte Arkade war mit der Szene der Geburt

Malerei ist schwerer zu deuten: Zur Rechten Gott-

sein, ohne Tadel und Eifersucht, ein Wort der

26

Christi oder vielleicht der Anbetung der Könige

vaters sind Rebenschöße mit Trauben erkenntlich,

Unschuld und der Achtung, ein Wort der reinen

ausgemalt – was heute leider nicht mehr nachge-

von denen wir uns nähren können, während zu

Liebe. Diese Szene könnte auf die Erwartung der

wiesen werden kann, da die Figuren kaum mehr

seiner Linken nur vertrocknete Blätter zu sehen

ganzen Menschheit anspielen, die – ohne sich des-

als Schatten sind. Mit Mühe und Not ist noch die

sind. Es könnte sich um eine Anspielung auf das

sen bewusst zu sein – auf eine tröstende Botschaft

mittlere Gruppe zu erkennen, mit der liegenden

Symbol des Weinstocks und der Reben33 handeln

wartet, auf ein Wort, das das Leben würdigt und

Maria und dem heiligen Josef neben ihr. Dem

und auf die Ermahnung Christi, in ihm und in

es zum Vibrieren bringt.

Geschehen wohnen auch noch andere Personen

seiner Liebe zu bleiben. Die Beziehung zu den

Auch die Szene mit der Geburt des Täufers

bei, darunter mehrere Betende, die als kleinere

beiden darunter dargestellten Szenen könnte ei-

auf der rechten Seite der Wandmalerei ist unter

Figuren im Vordergrund abgebildet sind: Wahr-

nerseits durch das Anhören des Wortes Christi

einem gotischen Gewölbe angesiedelt, wie sie für

scheinlich handelt es sich um Zeitgenossen des

und die Erfüllung seines Willens erklärt werden,

die Kirchen und Adelspaläste der damaligen Zeit

ausführenden Künstlers, um Stifter zum Beispiel

andererseits mit der drohenden Predigt Johannes

typisch waren. Bemerkenswert die Tatsache, dass

(in Fortführung einer Tradition in der Malerei

des Täufers und dem Bild der an den Baumwur-

der Neugeborene in einem Holzbottich gewaschen

der Vergangenheit, die – das sollten wir nicht

zeln liegenden Axt, von der die Bäume, die keine

wird – ein auf den Taufritus hindeutendes Detail,

vergessen – bis zu Dürer fortdauert).

gute Frucht hervorbringen, umgehauen werden34.

das auch auf orientalischen Ikonen mit Darstel-

Der Gläubige wird einerseits aufgefordert, wie die

lungen der Geburt Christi zu finden ist.

Fünfte Arkade

Rebe mit Christus, dem Weinstock, verbunden

Dritte Arkade

Nur im Vorübergehen werfen wir einen Blick auf

ist die innere Aufnahme seines Wortes. Die stän-

die fünfte Arkade . Dem ikonografischen Pro-

dige Wirkung des Wortes Gottes im Herzen des

In dieser Arkade findet sich die vielleicht überra-

gramm nach hatte sie wohl eine Darstellung Jesu

Gläubigen führt dazu, dass er auf einer immer

schende Veranschaulichung der sogenannten Hei-

im Tempel28 und die Flucht nach Ägypten29 umfasst.

tieferen Stufe des inneren Seins lebt, auf der des

ligen Sippe. In dieser ungewöhnlichen Darstellung

Dies zumindest war die szenische Abfolge gemäß

mit Christus in Gott gelebten Kindeslebens, in

wird die Gruppe Anna Selbdritt (die heilige Anna

der Biblia Pauperum und dem Speculum Humanae

der Gewissheit, geliebt zu werden und Frucht zu

mit Maria und dem Jesuskind), die den Mittel-

Salvationis, diesen renommierten Quellen, auf die

tragen: eine Bezeugung der Liebe, die auch andere

punkt dieser pyramidenförmigen Komposition

die Maler bei großen Malereizyklen biblischer

dazu bringt, sich in die Liebe Gottes zu versenken

einnimmt, um mehrere Verwandte erweitert, die

Sujets zurückgriffen30. Es wäre schön, einen Mo-

und in die Verbundenheit mit dem Leben, die die

zur selben Zeit gelebt hatten. Auch Leonardo hat

ment über das Bild der Flucht nach Ägypten zu

Existenz fruchtbar macht.

dieses Motiv zu einem berühmten Gemälde ver-

meditieren, über das Jesuskind, das ein Flüchtling,

Auf der anderen Seite gibt diese Darstellung

arbeitet, das sich heute im Louvre befindet. Der

ein Fremder im Lande ist. Ob es wohl heute als

zu verstehen, dass wir uns auch dafür entscheiden

Anna-Kult erreichte seinen Höhepunkt um das

„schwarz“ Zugereister abgeschoben worden wäre?

können, nicht in Jesus zu bleiben, auf das Wort

zu bleiben. Voraussetzung für diese Verbindung 27

Jahr 1500, zur Entstehungszeit dieser Malereien, nachdem Papst Sixtus IV. den Gedenktag der

des geliebten Sohnes nicht zu hören und somit Sechste Arkade

Anna im Jahr 1481 in den römischen Kalender

keine Frucht zu tragen – was Unfruchtbarkeit und Tod zur Folge hat.

aufgenommen hatte. Alten Überlieferungen nach,

Die Szenen der sechsten Arkade sind, wiewohl be-

Diese Botschaft wird auch in den Gewölbe-

die sich in den apokryphen Evangelien finden,

schädigt, leicht zu interpretieren; denn außer den

kappen aufgenommen, mit der Verköperung der

ist Anna Jesus Großmutter. So haben wir hier ei-

Figuren finden sich hier auch viele Spruchbänder

Weisheit35 auf der einen Seite und dem Thema

293


6a

6

6b

7a

7

7b

6. Jesus unter den Schriftgelehrten und Taufe Christi, sechste Arkade 6a. Weisheit und Symbol des Evangelisten Lukas, sechste Arkade 6b. König David und Symbol des Evangelisten Matthäus, sechste Arkade

294

7. Einzug Jesu in Jerusalem und Vertreibung der Händler aus dem Tempel, siebte Arkade 7a. Triumphaler Einzug Davids in Jerusalem, siebte Arkade 7b. Vertreibung Heliodors aus dem Tempel, siebte Arkade


8a

8

8b

8. Abendmahl und Gebet am テ僕berg, achte (jetzt 21.) Arkade 8a. Prophet, achte Arkade 8b. Kテカnig des Alten Testaments, achte Arkade

295


der Purifikation auf der anderen, zum Ausdruck

der darüber gelegenen Gewölbekappe wird dieses

für ihren Bezug auf die Eucharistiefeier43. Hier

gebracht durch den büßenden König David36,

Begebnis mit einem anderen Triumphzug verbun-

beginnt der Zyklus der Passion, des Todes und der

der einen Text des Propheten Ezechiel zitiert.

den, dem des jungen Davids mit dem Haupt

Auferstehung Christi, der recht raumumgreifend

Zwischen diesen beiden Bildern und den vor-

Goliaths, dem die Menge singend und tanzend

war; denn es handelt sich um die Höhepunkte für

ausgegangenen Darstellungen besteht eine sehr

und mit Freudenrufen entgegengeht. Auf der

den Glauben, die in der Kirchenliturgie immer

fein durchdachte Beziehung, die man auch über-

rechten Seite der Wandmalerei ist die Vertreibung

besonders intensiv und mit reichen Zeichen, Ges-

sehen könnte. Im Buch der Sprichwörter ergeht

der Händler aus dem Tempel39 besser zu erkennen.

ten und Worten in den Riten des Ostertriduums

mehrmals die Aufforderung der Weisheit an den

Auch diese Darstellung findet eine biblische Ent-

zelebriert wurden, während die diesbezügliche

Unwissenden, Vernunft anzunehmen und auf ihr

sprechung in der Vertreibung Heliodors aus dem

volkstümliche Frömmigkeit im Laufe der Jahr-

Wort zu hören, das von einem gedeckten Tisch

Tempel40. Dieses Nebeneinander von Szenen aus

hunderte immer zugenommen hat.

versinnbildlicht wird, auf dem Essen und Trinken

dem Neuen und dem Alten Testament soll uns

zu finden sind und damit die Hoffnung, am Le-

erneut zu einer einheitlichen Interpretation der

ben zu bleiben: Gott „anhören“ entspricht dem

Heiligen Schrift führen. Wir mögen darin heute

Genuss der Speisen und Getränke eines üppigen

Übersteigerungen sehen (und in manchen Fällen

In der neunten Arkade waren die Dornenkrönung44

Banketts. Die Einladung der Weisheit wird auch

werden sie tatsächlich bis zum Äußersten getrie-

und die Geißelung45 dargestellt, zwei pathosreiche

im Johannesevangelium (6, 22–58) aufgenom-

ben – man denke nur an die beiden Seiten der

Szenen, die auf den Betrachter großen Eindruck

men, wo Jesus von sich selbst sagt: „Ich bin das

Sixtinischen Kapelle, wo Michelangelo sich auf

machten. Die geistliche Literatur der damaligen

Brot des Lebens. […] Wer von diesem Brot isst,

die parallele Lektüre des Leben Jesu und des Leben

Zeit animierte, zusammen mit dramatischeren

wird in Ewigkeit leben.“ Dieses von Jesus bereitge-

von Mose versteift), aber wenn wir die sakrale Iko-

Akzenten in der Malerei, die Gläubigen zu ei-

stellte Fleisch und Blut als Speise und Trank kann

nografie jener Zeit korrekt interpretieren wollen,

ner stärkeren Teilnahme an den Leiden Christi.

auch als Zeichen seiner Offenbarung und seines

müssen wir diese Art und Weise der Bibellektüre

Durch die neuen Glaubensübungen (Prozessio-

Wortes interpretiert werden: Der Mensch wird

und -illustration und die Übereinstimmungen

nen, öffentliche Geißelungen, übersteigerte Buß-

vor die Wahl gestellt, es aufzunehmen oder nicht.

kennen, die nunmehr zu traditionellen Schemata

praktiken) wurden die Christen aufgefordert,

geworden waren.

mit Christus zu leiden, um dann die Opfer der

Vor diesem Hintergrund ist auch die Läute-

38

Neunte Arkade

rung des bußfertigen Königs David zu verstehen:

Hier im Kreuzgang ist daran zu erinnern, dass

Hungersnöte, der Kriege und der Pestepidemien,

Der Mensch kann sündigen und nicht im Herrn

der Einzug Jesu in Jerusalem und die Vertreibung

die Europa heimsuchten, be-mitleiden zu kön-

bleiben, er kann selbst entscheiden, keine Frucht

der Händler aus dem Tempel die zwei Geschehnisse

nen. Diese frommen Praktiken, die uns heute

zu tragen; denn die Gottesliebe schließt auch diese

sind, die der Leidensgeschichte Jesu unmittelbar

verwirrend und entfremdend erscheinen mögen,

perverse Freiheit ein. Die Kundgebung Jesu, der

vorausgehen – zwei Begebenheiten, die, wie man

begleiteten und unterstützten in geistlicher Per-

sich in der Taufe mit den Sündern vermischt, zeigt

es auch dem Alten Testament entnehmen möchte,

spektive die Fürsorge- und Wohlfahrtstätigkeit

uns, dass die Distanz zwischen Gott und dem ir-

von einem Sieg Jesu zu sprechen scheinen. Doch

vieler Bruderschaften. Interessant ist im oberen

renden Menschen mit der Liebe gemessen wird

gerade diese zwei Geschehnisse beschleunigen die

Gemäldeteil, als biblischer Kontrapunkt, die

und dass keine Sünde denjenigen zerstören kann,

Entscheidung der Jerusalemer Behörden, Jesus

Figur des gekrönten Salomo46, der mit den Ge-

der die Liebe ist. Die Antwort Gottes auf die Sün-

zum Tode zu verurteilen. Dieses Paradoxon leitet

sichtszügen des Habsburgerkaisers Maximilian

de des Menschen ist das Geschenk eines Herzens

zur Betrachtung der nun im Kreuzgang folgen-

wiedergegeben wird.

aus Fleisch, das sich der eigenen Schwachheit be-

den Szenen über.

Gerade dieser Bezug auf das Alte Testament

wusst ist und bereit zur Vergebung ist.

hilft uns, noch einmal auf das vorerwähnte ParaAchte Arkade

doxon einzugehen. Gewiss, die Bilder zeigen uns

Siebte Arkade

die Momente äußersten Schmerzes, den ChrisDie Malereien mit den folgenden, den Evangelien

tus auf seiner Passion erlitten hat, um uns auf-

Auch in der siebten Arkade finden wir zwei be-

entnommenen Szenen sind beschädigt oder an

zufordern, darüber nachzudenken, welch großes

sonders bedeutungsvolle, in den Evangelien be-

einen anderen Ort übertragen worden. Dies gilt

körperliches und seelisches Leiden er aus Liebe

schriebene Begebnisse, die Episoden des Alten

zum Beispiel für das Abendmahl und das Gebet

zu den Seinen ertragen hat. Die Darstellung des

Testaments evozieren. Beim ersten dieser Ge-

am Ölberg42 mit ihren alttestamentlichen Verwei-

gekrönten Salomo aber liefert auch eine ande-

schehnisse handelt es sich um den Einzug Jesu in

sen, die sich heute in einer anderen Arkade be-

re Interpretationsmöglichkeit: Eben in diesem

Jerusalem37, eine leider völlig zerstörte Szene. In

finden. Diese Darstellung hatte große Bedeutung

verwundeten und beleidigten Menschen, der

296

41


9a

9

9b

11a

11

11b

9. Dornenkrönung und Geißelung, neunte Arkade 9a. Kryptoporträt Maximilians von Habsburg als Salomo, neunte Arkade 9b. Prophet (?), neunte Arkade

11. Kreuzigung, elfte Arkade 11a. Opferung Isaaks und Heiliger Johannes, elfte Arkade 11b. Aufrichtung der Bronzeschlange und Jesaja, elfte Arkade

297


wegen seiner Beteuerung, der Sohn Gottes zu

einen Seite die hölzernen Kruzifixe leidenschaft-

sein, verlacht und verhöhnt wird, enthüllt sich

lich – oder aus ideologischer Einstellung? – ver-

uns der wahre König. Die ganze Erzählung vom

teidigen, sind dann auf der anderen Seite gerade

Leiden und Sterben macht deutlich, dass Gott

diejenigen, die den „armen Christus“, der in den

seine Macht und Herrlichkeit ausübt. Der Sohn

von unserer Gesellschaft Abgewiesenen, Entrech-

Gottes verkörpert entgegen allen Erwartungen

teten und Ausgegrenzten lebt, mit Füßen treten.

nicht die Pracht und die Macht, sondern das

Das Kruzifix darf nicht einfach zum Symbol ei-

Schmachvollste und Schändlichste, und Gott

ner „zivilen Religion“ herabgesetzt werden, auch

wirkt mächtig und überraschend gerade dort ,

weil es außerhalb des Glaubens nicht verständlich

wo Schwäche und Unwissenheit herrschen. Und

ist.) Dieses Bild führt uns in den Mittelpunkt des

eben aus diesem Grund ist Er selbst in den Au-

christlichen Glaubens zurück. Am Kreuz sehen

gen der Menschen schwach und unwissend, ist

wir einen Mann voller blutender Wunden – was

ein Nicht-Gott47.

uns veranlassen könnte, die Darstellung nur aus dem Blickwinkel des Leidens und Opfers zu lesen.

Zehnte Arkade

Wenn wir die Malerei aber aufmerksam betrachten, bemerken wir, dass der Künstler uns in Jesus

Die Erzählung der Passion Christi fand ihre Fort-

Christus den Gerechten zeigt, der in seinem Le-

setzung auch in der folgenden, zehnten Arkade,

ben nur Gutes getan hat, aber von den religiösen

48

höchstwahrscheinlich mit der Verurteilung Jesu

Instanzen (und mit Zustimmung der politischen

und dem Aufstieg zum Golgotha49. Wie schon er-

Behörden) ungerechter- und unglaublicherweise

wähnt, erleben gerade damals die mit der Passion

zum Tode verurteilt worden ist. Doch auch vom

Christi zusammenhängenden Glaubenspraktiken

Kreuz herab bereitet er uns darauf vor, den letz-

einen Höhepunkt, und sie bringen eine eigene,

ten Wunsch des mit ihm gekreuzigten rechten

charakteristische Ikonografie hervor: Ein Beispiel

Schächers anzuhören. Er ist auf unserer Linken

hierfür ist das Vesperbild (Pietà), die Darstellung

dargestellt, während er sich nach vorn beugt, um

Marias als Mater Dolorosa mit dem Leichnam

Christus zu bitten: „Jesus, denk an mich!“52. Und

des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus auf

hinter ihm strahlt die Sonne als Sinnbild des Lich-

den Knien. Außerdem treten die ersten Kreuzwege

tes und der heilig machenden Gnade.

auf wie auch die „Beweinungen Christi“, monu-

Das Kreuz zeigt uns zwei Realitäten. Auf der ei-

mentale Skulpturen, die den auf dem Boden lie-

nen Seite führt es uns vor Augen, wie tief das Böse

genden Leichnam Christi zeigen, der von seinen

ins Herz des Menschen eindringen kann. Und in

Freunden beweint wird.

der Menschheitsgeschichte gibt es mehr als genug Beispiele dafür, dass dieses Böse keine Grenzen

Elfte Arkade

kennt. In diesem Sinn symbolisiert das Kreuz also die blinde Gewalt, die das Herz des Menschen

Im Mittelpunkt der Malereien der elften Arkade

ergreifen kann. Auf der anderen Seite macht das

steht die Kreuzigung , ein für die Christen au-

Kreuz uns aber auch deutlich, wie weit das Gute

ßergewöhnlich bedeutungsvolles Bild. Für die

reichen kann: Obwohl dem gekreuzigten Christus

Dominikaner hat diese Darstellung eine beson-

blinde und ungerechte Gewalt angetan wird, ver-

dere Valenz; denn der Ordensgründer, der heilige

gilt er das Böse nicht mit Bösen. Ja, er vergibt sei-

Dominikus, hat eine Ordensregel ausgearbeitet,

nen Peinigern und besiegt das Böse nicht, indem

in der das Mysterium des Gekreuzigten eine zen-

er ihm Gelegenheit gibt, sich zu äußern, sondern

trale Rolle spielt: Wer diese Regel achtet, ist im

indem er ihm ein Ende bereitet. Gewiss, auf der

Herrn und mit dem Mysterium seines Todes und

anderen Seite sehen wir einen anderen Mann, der

seiner Auferstehung . (Hier wäre eine kurze Ab-

verleugnet und sich nach rückwärts wendet, aber

schweifung zu machen: Viele Personen, die auf der

dies ist ein weiteres Zeichen für einen Gott, der die

51

51

298


Freiheit des Menschen nicht einschränkt, sondern sich ihm lediglich als Partner anbietet, mit dem gemeinsam er den Weg zu wahrem Leben und wahrer Seligkeit gehen kann. Der Tod am Kreuz versinnbildlicht die ständige und verbindliche Umkehr des Werturteils über alle dieser Wirklichkeit angehörigen Dinge; denn der Gekreuzigte kündigt ein für alle Male nur den Gott an, der Gott sein will, Erlöser in der Tiefe, im tödlichen Leiden, in der Verdammnis, in der Nichtigkeit. Dies wird dann auch von den Augenzeugen verkündet: Unter dem Kreuz befinden sich Maria und ein Jünger, der traditionsgemäß als Johannes,

12

13

14

15

der Verfasser des vierten Evangeliums, identifiziert wird. Zwei Engel nehmen das Blut auf, das aus der Stichwunde an den Rippen und den Wunden Christi fließt, Symbol der Sakramente der Kirche. Die Stadt Jerusalem im Hintergrund ist – aus dem schon vorerwähnten Grund – in das Bozen des 15. Jahrhunderts verwandelt worden. Die Figuren des heiligen Johannes53 und des Propheten Jesaja54 oberhalb der Lünette helfen uns mit ihren Schriftbändern, den Sinn der Kreuzigung zu interpretieren; denn die biblischen Texte spielen auf zwei im Alten Testament angeführte Begebnisse an, die die Kreuzigung symbolisch ankündigten und die Aussicht auf Rettung verherrlichten. Im Sinn des Propheten Jesaja handelt es sich um einen Bezug auf die Opferung Isaaks54, in der Gott sich als derjenige erweist, der nicht den Tod will, sondern das Leben, und der fähig ist, ein dramatisches und scheinbar unbedeutendes Geschehnis in ein Geschenk des Lebens und der Rettung zu verwandeln. Auf der anderen Seite wird, in Bezug auf Johannes, die Aufrichtung der Bronzeschlange55 erläutert, mit der Mose das Volk Gottes vor dem tödlichen Gift rettet. Auf diese rätselhafte Episode spielt die auf dem Spruchband wiedergegebene Inschrift an: Der an das Kreuz erhobene Sohn Gottes befreit die Menschen vom Gift der Sünde und des Todes. 12. Zwölfte Arkade 13. Dreizehnte Arkade 14. Vierzehnte Arkade 15. Fünfzehnte Arkade

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Westflügel

tane Böse, Christus gerecht. Durch den Tod und

der christliche Glaube beruht vor allem auf der

die Auferstehung Christi, wie der Maler sie mit

Beziehung. Das Bedürfnis der Menschen des Mit-

Ein Übermaß an Bösem, aber ein noch größe-

Pinseln und Farben erzählt, offenbart Gott uns,

telalters, sich die Erlösungsgeschichte vorzustellen

res Übermaß an Gutem: Dies offenbart uns das

dass er uns liebt, wie Christus selbst uns geliebt

und sie darzustellen, ist auch unser Bedürfnis:

Kreuz. Jetzt müssten wir uns in die Osterszenen

hat: bedingungslos. Es ist unmöglich, die Liebe

Diese Bilder und Darstellungen werden zu einer

der Auferstehung, der Himmelfahrt und der Aus-

Gottes für uns auszulöschen. Gott liebt bedin-

Synthese von der uns von Gott gemachten Gabe,

gießung des hl. Geistes der folgenden Arkaden

gungslos: Dies ist die schlichte und zugleich tiefe

der Gnade, und unserer Verantwortlichkeit, sie

versenken können, die aber heute nicht mehr

Botschaft, die auch uns heutigen Zeitgenossen

aufzunehmen. Das Werk Pachers und der ande-

vorhanden sind. Diese Szenen (zu denen wahr-

durch diese Fresken vermittelt wird.

ren Künstler, die – jeder in seinem individuellen

scheinlich auch der Marientod, die Himmelfahrt

Am Ende dieses geistlichen Streifzugs durch

Stil – hier im Kreuzgang tätig waren, stellt somit

Mariens und die Marienkrönung gehörten) würden

den Kreuzgang wird uns bewusst, dass jede Ein-

eine Zelebration dar, einen Gnadenakt, der sich

uns die Umkehr vor Augen führen, die die Liebe

zelszene in den Kontext des ikonografischen Pro-

auf halbem Weg zwischen dem Wort Gottes und

Christi in dem Moment bewirkt hat, in dem er

gramms eingeordnet werden muss, damit wir sie

unserem Alltag hält. Ein meditativer Gang durch

ungerechterweise gekreuzigt wurde, eine Umkehr,

in ihrer wahren und tiefen Bedeutung verstehen.

das Dominikanerkloster, um diese Meisterwerke

die durch die von seinem Vater bewirkte Aufer-

Diese geistliche Darlegung der Bibeltexte durch

im Kreuzgang zu bewundern, wird auf diese Wei-

stehung bekräftigt wird. Denn die Auferstehung

die Kunst erinnert uns einmal mehr daran, dass

se zu einer „sabbatischen“ Erfahrung, zu einem

ist ein Werk Gottes. Mit der Auferstehung wird

das Wort Gottes nicht nur einen intellectus fidei

Erlebnis der Stille, das uns am Ruhen Gottes am

Gott selbst, empört über das seinem Sohn ange-

fördert, sondern auch einen affectus fidei; denn

siebten Tag der Schöpfung teilhaben lässt56.

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1 Vgl. Dtn 8,3 und Weish 16,20–21. 26. Der christlichen Tradition gemäß ist die Bibel eine geistige Nahrung, womit der Wunsch des Gläubigen unterstrichen werden soll, die Botschaft des Wortes Gottes in sich aufzunehmen. Ich werde das, was ich esse. Origenes betrachtet Heilige Schrift und Eucharistie als etwas Einheitliches, da die Heilige Schrift eine „Einverleibung“ (ensomatosis) des Logos ist. Dieser christliche Gelehrte und Theologe spricht wörtlich von der manducatio des Wortes Gottes: die Heilige Schrift essen, sich einverleiben, sich davon nähren – das ist weit mehr, als die Aussage der Heiligen Schrift verstehen, die „Idee“, die sie übermitteln will. Das Essen des Wortes Gottes ist ein typisch biblisches Symbol, um die enge Beziehung zu Gott zum Ausdruck zu bringen. So wird man das, was man isst. Wenn ich das Wort esse, verleibe ich es mir ein. Alles ist auf eine enge Beziehung zu Gott ausgerichtet. 2 Joh 1,1–18 und 1 Joh 1,1–5. 3 Hld 4,7. 12 4 Vgl. Barbiero 2004. 5 Der hl. Ambrosius schreibt dazu (De Institutione Virginis 14,89–90): „Wie schön sind doch auch die Dinge, die von Maria, einer Figur der Kirche, prophezeit werden […]. Von ihr wird gesagt: ‘Deiner Hüften Rund ist wie Geschmeide, gefertigt von Künstlerhand. Dein Schoß ist ein rundes Becken, Würzwein mangle ihm nicht. Dein Leib ist ein Weizenhügel, mit Lilien umstellt […]’. In der Tat ist Marias Leib ein rundes Becken, das die Weisheit aufnimmt, die in das Becken ihren Wein gießt, um mit der Fülle ihrer Gottheit der unvergänglichen Gnade des geistigen Wissens zu dienen“. 6 Zur Vertiefung dieses Themas siehe in der vorliegenden Publikation den vorzüglich dokumentierten Beitrag von Laura Dal Prà, die sich ausführlich mit diesem außergewöhnlichen ikonografischen Thema auseinandersetzt. 7 Lk 1,26–38. 8 Laarhoven 1999, S. 203. 9 Joh 19,31–37; Hebr 9,11–14; Offb 5,9–10. 10 Ri 6,36–40 Ps 110,3. 11 „Die Litanei gehört mit ihren kurzen, wiederholten Anrufungen zu den spontansten und aufrichtigsten Gebetsformen, und sie ist – da sie leicht herzusagen und im Gedächtnis zu behalten ist – vielen religiösen Kulturen zu eigen. Bei der Kontemplation der Schönheit Mariens, der Gottesmutter, finden die Gläubigen selbst eine Antwort auf die von ihr selbst im ‘Magnificat’ ausgesprochene Prophezeiung: ‘Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter’ (Lk 1,48). Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Anrufungen an Maria vervielfacht, und die vertrauensvolle, an die Mutter gerichtete Aufforderung des ‘Bitte für uns’ hat immer neue Stimuli gefunden. Bei der sogenannten ‘Lauretanischen Litanei’ handelt es sich um eine Sammlung von Gebeten an die Gottesmutter, die die Rolle Mariens in der Heilsgeschichte ansprechen und ihre Bedeutung beschreiben. Der sanfte Rhythmus der Anrufungen Mariens als Mutter, Jungfrau und Königin wechselt mit der Bibel entnommenen Titeln ab, die uns die Wüste, die Frische des Karmels und die Üppigkeit des Berges Zion vor Augen führen. Die Lauretanischen Litaneien, in denen Zuneigung und Frömmigkeit Ausdruck finden, sind eine Huldigung für unsere Gottesmutter, und sie verlieren sich niemals in Rhetorik und Schmeichelei: Sie sind Zeichen eines festen Glaubens, der auf der Bibel und den Überlieferungen der Kirche begründet ist. Die Tatsache, dass diese Anrufungen in vergangenen Zeiten von vielen Künstlern in Kunstwerken interpretiert worden sind, ist der überzeugendste Beweis für ihre Schönheit und ihre reiche Inspiration“ (Mons. Tonucci). Die Lauretanische Litanei hat ihren Namen nach dem Marienwallfahrtsort Loreto, wo sie ab dem 16. Jahrhundert an Samstagen und Marien-

festen gesungen wurde. Sie fand rasche Verbreitung dank der Pilger, die sie nach dem Besuch des Heiligen Hauses in Loreto in ihren Heimatländern bekannt machten. Eine erste offizielle Bewilligung zum Beten der Lauretanischen Litanei wurde den Unbeschuhten Karmelitern 1587 von Papst Sixtus V. erteilt. Der bis heute noch verwendete Text wurde von Papst Klemens VIII. mit einem Inquisitionsdekret des Jahres 1601 anerkannt. Die Lauretanische Litanei bestand ursprünglich aus drei Teilen: neun einleitende Bitten an Gott, Christus und die Heilige Dreifaltigkeit, 44 Anrufungen Mariens und schließlich drei Wiederholungen des „Lamm Gottes“. Diese Struktur wurde unverändert bis zum Jahr 1839 beibehalten, als Papst Gregor XVI. es einigen Diözesen erlaubte, auch die Anrufung Regina sine labe originali concepta hinzuzufügen. Später kamen zu verschiedenen Zeiten noch folgende Anrufungen hinzu: Regina sacratissimi rosarii, Mater boni consilii, Regina pacis und Regina in coelum assumpta, in jüngerer Zeit auf Wunsch von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1980 auch Mater ecclesiae und schließlich 1995, anlässlich der 700-Jahrfeier der Überführung der „Casa Santa“, Regina familiae. 12 Hld 6,10. 13 Num 24,17. 14 Ex 3,1–16. 15 Hld 7,5; 1 Makk 1,33; Ps 61 (60),4. 16 Num 17,16–23. 17 1 Kön 7,7; 2 Chr 9,17–19. 18 Ex 25,10–16. 19 Weish 7,10–11, 14; 2 Tim 2,20–21. 20 Jes 7,14. 21 Ps 84,11. 22 Die gleiche Darstellung der domini canes findet sich auch in der Kirche Santa Maria Novella in Florenz, auf den doktrinären Fresken, die Andrea Bonaiuti 1365–1369 für den Cappellone degli Spagnoli geschaffen hat. 23 Lk 1,39–556. 24 Es handelt sich um das auf die Zeit um 1432 datierte Altarbild, das sich im Museo del Prado in Madrid befindet. 25 Chiovari 1991, S. 279–281. 26 Lk 2,1–20 Mt 2,1–122. 27 In der fünften Arkade befinden sich Fresken des 14. Jahrhunderts; die Malschichte aus dem frühen 16. Jahrhundert ist dagegen verloren gegangen, mit Ausnahme der – allerdings schlecht erhaltenen – Malereien der Gewölbekappen. 28 Lk 2,21–38. 29 Mt 2,13–18. 30 Cassanelli/Guerriero 2004, Bd. 1, S. 271–273. 31 Lk 2,41–52. 32 Mt 3,13–17. 33 Joh 15,1–9. 34 Mt 3,7–10. 35 Spr 8,1–21; 9,1–6. 36 2 Sam 12,13–23; Ps 51 (50 – Miserere); Ez 36,25. 37 Mt 21,1–11. 38 1 Sam 17,54–18,7. 39 Mt 21,12–17. 40 2 Makk 3 (vgl. Mt 21,21). 41 Mt 26,26–29. 42 Lk 22,39–46. 43 Eine ausführliche Untersuchung der Ikonografie des „Abendmahls“ findet sich bei Rigaux 1989. 44 Joh 19,2–5. 45 Joh 19,1. 46 Hld 3,11. 47 Hierauf spielt der Passus bei Joh 19,5 an, wo angesichts des gegeißelten und mit einer Dornenkrone angetanen Jesu gesagt wird: „Seht, da ist der Mensch!“. Aus

dem Text des Evangeliums geht nicht klar hervor, ob diese Worte von Pilatus oder aber von Jesus selbst ausgesprochen werden. 48 Joh 18,28–19,16. 49 Lk 23,32. 50 Joh 19,16–30. 51 Verdon 2006, Bd. 2, S. 90. 52 Lk 23,33–43. 53 Joh 3,14–15. 54 Jes 52,13–53,12. 55 Gen 22,1–19. 56 Num 21,4–9. 57 Grun 2009, S. 9.

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Abbildungsnachweis Alberto Alberti, Bozen Johannes Andresen, Bozen Archiv der Gewerbeoberschule „Galileo Galilei“, Bozen Südtiroler Landesarchiv, Bozen Stadtarchiv Bozen Luciano Bardelli, Bozen Gino Bombonato, Bozen Giuliano dall’Oglio, Asiago Paul de Doss Moroder, St. Ulrich Maria Laura Fattoretto, Bozen Stiftung N. Rasmo–A. von Zallinger, Bozen Fotostudio Lambda di Giovanni Ceri, Trient Foto Pedrotti, Bozen Laboratorio di analisi e di ricerca L.T.S. bei der SUPSI in Trevano, Lugano Sara Metaldi, Trient Münchener Digitalisierungszentrum – Digitale Bibliothek Foto A.R.O. von Augustin Ochsenreiter, Bolzano Mario Pintarelli, Bozen Christian Prantl, Stadtmuseum Bozen Gianni Rizzi, Brixen Sammlung Dr. Letterio Romeo, Bozen Adriano Salvoni, Rudiano (Bs) Gianni Santuari, Bozen Denkmalpflege, Autonome Provino Bozen Soprintendenza per i Beni Storico-artistici, Trient, Bildarchiv (Studio Photo Remo Michelotti, Mezzocorona) Soprintendenza per i Beni Storico-artistici, Trient, Bildarchiv (Foto Stefanini–Di Franco, Trento) Soprintendenza per i Beni Storico-artistici, Trient, Bildarchiv Tiroler Landesarchiv, Innsbruck Grund- und Gebäudekataster, Bozen Stefan Wörz, St. Ulrich Außerdem in: Alberti/Bombonato/Dal Ri Tafeln von Alberto Alberti in: Spada Pintarelli, Das 15. und 16. Jahrhundert: das Pech, Pacher zu heißen, Abbildungen aus: Avraham Ronen, The Peter and Paul Altarpiece and Friedrich Pacher, Jerusalem-London 1974 und aus: The illustrated Bartsch. Early german artists, 8, formerly volume 6 (part 1), New York 1980. in: Salvoni/Fattoretto Abbildungen aus: G. Basile, Giotto. Le storie francescane, Milano 1996 in: Stampfer Abbildungen aus: Mittheilungen der k.k. Central-Commission, II (1857) und aus: Wolfgang Schenkluhn, Architektur der Bettelorden, Darmstadt 2000 in: Dal Prà Abbildungen aus: K. Wolfsgruber, Dom und Kreuzgang von Brixen, Bozen 1988 J. von Schlosser, Zur Kenntnis der künstlerischen Űberlieferung im späten Mittelalter, in: „Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien“, 1902 Circa 1500, Ausstellungskatalog, Milano 2000 Martin Schongauer. Maitre de la gravure rhenane vers 1450-1491, Ausstellungskatalog, Paris 1991 Sur la terre comme au ciel. Jardins d’Occident à la fin du Moyen Age, Ausstellungskatalog, Paris 2002 L. Andergassen, Die mystische Einhornjagd in St. Georgen/Obermais. Zur Darstellung der Verkündigung im Hortus conclusus in Tirol, in: Denkmalpflege in Südtirol 1987/88. Tutela dei Beni Culturali in Alto Adige, Bozen 1989 Defensorium inviolatae virginitatis Mariae aus der Druckerei der Hurus in Saragossa in Faksimile-Reproduktion, herausgegeben von Wilhelm Ludwig Schreiber, Weimar 1910 Gotik in Slowenien, Ausstellungskatalog, Ljubljana 1995 in: Cossetto Abbildungen aus: I. Lehne, Lorenz Böhler. Die Geschichte eines Erfolges, Wien-München-Bern 1991. 100 ani Scola d’Ert de Urtijëi 1890–1990. 100 Jahre Kunstlehranstalt St. Ulrich. 100 anni Istituto d’Arte di Ortisei, St. Ulrich, 1990 Die Stadtgemeinde Bozen steht allen eventuellen Inhabern der Bildrechte, die zur Genehmigung des Nachdrucks nicht erreicht werden konnten, zur Verfügung.

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11

Inhalt

Einführung Silvia Spada Pintarelli Helmut Stampfer

Kunst und Kultur

Geschichte

162 Das Trecento. Wandmalereien in Kirche und Kloster der Dominikaner Tiziana Franco

14

Chronologischer Überblick Walter Schneider

184 Der Crucifixus dolorosus von Bozen Luca Mor

16

Die beste gothische Reliquie in Botzen. Zur Bau- und Restaurierungsgeschichte der Dominikanerkirche Helmut Stampfer

192 Das 15. und 16. Jahrhundert: das Pech, Pacher zu heißen Silvia Spada Pintarelli

38

Zur Restaurierungsgeschichte des Dominikanerkreuzgangs in Bozen Waltraud Kofler Engl

54

Bemerkungen zur konservierenden Restaurierung der Wandmalereien im Kirchenchor Adriano Salvoni Maria Laura Fattoretto

212 Worte und Bilder in einem „Land der Mitte“: die Einhornjagd zur Zeit von Maximilian I. von Habsburg auf Fresken in Bozen, Obermais, Fiera di Primiero, Condino und Verona Laura Dal Prà 236 Das 17. und 18. Jahrhundert: die zerstreute Geschichte Silvia Spada Pintarelli

62

Bemerkungen zur Restaurierung des Schiffs der Bozner Dominikanerkirche Sara Metaldi

258 Einige Bemerkungen zum Inventar des aufgehobenen Dominikanerklosters in Bozen Pater Plazidus Hungerbühler

72

Archäologische Befunde und Funde vom Dominikanerkloster in Bozen Alberto Alberti Gino Bombonato Lorenzo Dal Ri

260 Die Bibliothek des Dominikanerklosters in Bozen Johannes Andresen

90

Gräber und Grabplatten Alberto Alberti

108 Die österreichische Kaserne bei den Dominikanern in Bozen (1801–1901) Angela Mura 118 Die k.k. Fachschule für Holzindustrie in Bozen Milena Cossetto 136 Vorlagen für die Fachschule: Bücher, Kunstwerke und Kunstgegenstände Silvia Spada Pintarelli Giovanna Tamassia

Leben im Kloster 266 Die Nutzung der Räumlichkeiten im Bozner „Convent des Allerheiligsten Nahmen Jesu“ bei der Aufhebung Luciano Bardelli 288 Meditation, Freude, Anbetung Ein spiritueller Gang durch den Dominikanerkreuzgang in Bozen Schwester Grazia Papola Don Antonio Scattolini 302 Literaturverzeichnis

150 Lorenz Böhler und das „Reservelazarett für Leichtverwundete“ in Bozen (1916–1919) Christoph Hartung von Hartungen

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Druck: Karodruck, Bozen M채rz 2010 im Auftrag der Stadt Bozen



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