Phoenix 02 2015

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PHOENIX

FORU M

Das Gebiet rund um Intendente entwickelte sich innert kurzer Zeit zu einer Art «Mini-Distrikt». Diesem werden im Norden Teile des hippen Quar tiers Anjos (letzten Herbst von der lokalen Ausgabe des «Time Out Magazine» als der «coolste Platz von ganz Lissabon» bezeichnet) zugerechnet. Im Süden reicht er bis in die «Mouraria», das ehemalige maurische Ghetto, das sich mit seinen verwinkelten Gassen und alten Gemäuern bis zur «Baixa» ausdehnt, dem historischen (und touristischen) Zentrum Lissabons. Typisch für diesen urbanen Flickenteppich im Norden des vom Massentourismus umwogten Kastells war seit je, dass er von Immigranten bevölkert wurde (im 18. Jahrhundert waren es befreite Sklaven, später die Galizier, in der Neuzeit all die Ankömmlinge aus den ehemaligen Kolonien sowie in letzter Zeit die Einwanderer aus dem Fernen Osten). «Das Viertel spielte eine Schlüsselrolle in der städtischen Entwicklung», erzählt Alda Galsterer, eine deutschstämmige Lissabonnerin, die in der City eine Galerie für zeitgenössische Kunst betreibt. Zusammen mit ihrem Ehemann plant sie, nicht weit vom Largo do Intendente entfernt einen Kunsttreff in einer stillgelegten Schreinerei einzurichten. «Dieser Schmelztiegel hier macht wichtige Zugeständnisse an unser lokales Erbe», meint Galsterer. «Die aus Westafrika und anderen Ex-Kolonien stammende Bevölkerung sorgte dafür, dass in Lissabon der «Fado» entstand, dieser gefühlvolle Musikstil, der so eng mit unserer Stadt verbunden ist.» Wer in den Gassen von Intendente unterwegs ist, trifft überall auf Immigranten aus China, Brasilien und Afrika. Das Ganze mutet wie eine Ironie des Schickals an (oder eher wie ein Umkehrschluss auf die Zeit, als Portugal noch eine Weltmacht war und seine Seefahrer aussandte, um sich im Namen des Königs und des Königreiches von Macau bis Moçambique riesige Territorien anzueignen). Sinnbildlich für die Vermischung dieser Ethnien, ist hier ein bunter Mix aus Lebensmittelgeschäften und anderen Kleinunternehmen entstanden, die von Ausländern unterschiedlichster Herkunft betrieben werden. Typisch sind auch die «Clandestinos», jene illegalen chinesischen Restaurants, die zur Umgehung des Fiskus meist in privaten Altbauwohnungen geführt werden. Geplant ist derzeit auch der Bau einer Moschee sowie eines hinduistischen Tempels. Beide sollen, bloss einen Steinwurf voneinander entfernt, an der Avenida Almirante Reis errichtet werden, dem HauptBoulevard, der das Quartier in seiner ganzen Länge durchschneidet. 2011 war es, als der damalige Bürgermeister Lissabons, António Costa, mit dem klaren Ziel einer

Bild oben: Das Herzstück bildet der Platz «Largo do Intendente», an dem auch die Lokalregierung angesiedelt ist. Bild Mitte: Historische Gebäude werden meist sanft und liebevoll renoviert. Bild unten: Man trifft sich und geht aus; wie hier im «Casa Independente», das Küche, Drinks und Livemusik in sehr familiärer Atmosphäre bietet.

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