Architektur+Technik 03 2015

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Baupraxis Flächenbedarf

DER KAMPF UM DEN LETZTEN BODEN Das Siedlungswachstum, neue Verkehrsinfrastrukturen und

Und die Landwirtschaft macht die «Ernährungssouveräni-

der zunehmende Flächenbedarf für die Befriedigung der Erho-

tät » zum Leitmotiv — mit entsprechendem Flächenbedarf. Der

lungs- und Freizeitbedürfnisse bedrängen das Landwirt-

Konflikt um den Boden wird grösser, und es stellt sich die

schaftsgebiet. Gleichzeitig hat die Sensibilität der Bevölkerung

Frage, wie er sich künftig entschärfen lässt.

zum Schutz der Produktionsgrundlage Boden zugenommen.

TEXT Dr. Marco Pezzatti* ILLUSTRATIONEN / GRAFIKEN Benjamin Rüdlinger

Boden ist eine endliche Ressource. In diesem

Konfliktraum zu nähern, arbeiten wir uns

Einzonung gefällt. In einem nächsten Schritt

Punkt besteht Einigkeit zwischen Wirtschaft,

nach dem Ausschlussprinzip schrittweise

müssen 53 000 Hektaren Waldflächen von

Raumplanung, Land- und Forstwirtschaft,

vor. In einem ersten Schritt müssen von

der verbleibenden Restmenge abgezogen

Erholungssuchenden sowie Umwelt- und

173 200 Hektaren Kantonsfläche 10 400

werden. 1876 trat das erste Waldgesetz —

Naturschutzvertretern. Es wird festgestellt,

Hektaren unproduktive Flächen — im Mittel-

das Bundesgesetz über die Forstpolizei im

dass es immer schwieriger wird, die verschie-

land vor allem Gewässerflächen, teilweise

Hochgebirge (FpolG) — in Kraft, das 1902 auf

denen Interessen am Boden gleich zeitig zu

Naturschutzflächen — abgezogen werden. In

die ganze Schweiz ausgedehnt wurde. Mit

befriedigen. Dies, um an schlies send zu

einem zweiten Schritt müssen 34 800 Hek-

dem dahinterstehenden Grundsatz, dass

begründen, warum gerade die eigene Interes-

taren Siedlungsflächen aus der Bilanz ent-

jede Generation Anrecht auf die gleichen

sensgruppe ein unbestreitbares Recht hat,

fernt werden. Zwar gibt es auch in der Bau-

Ertragsmöglichkeiten im Wald haben soll und

Boden zu beanspruchen. Bei der Analyse des

zone Konflikte — diese drehen sich jedoch in

dass immer nur die Zinsen — das nachwach-

Konflikts um die Bodenverwendung stellen

der Regel um das Bauen. Dabei gibt es unter-

sende Holz — genutzt werden sollen, war und

sich im Folgenden vier Fragen:

schiedliche Ansichten über Dichte, über

ist die schweizerische Waldgesetzgebung

■ Wo spielt sich der Konflikt um die Boden-

maximale Höhen und Ausnützungsziffern,

internationales Vorbild. Mit dem im Gesetz

über erforderliche Restgrünflächen, über

verankerten Walderhaltungsgebot wurde

■ Wer sind die Akteure?

Parkplatzerfordernisse und anderes. Aber

der Wald in seiner Ausdehnung faktisch

■ Sind die Spielregeln ausreichend wirksam?

mit dem Konflikt über die Verwen-

unter absoluten Schutz gestellt. 1991 wurde

■ Kann die Eskalation des Konflikts verhin-

dungsrichtung eines ungestörten natürlich

das FpolG durch das Bundesgesetz über den

gewachsenen Bodens in der freien Land-

Wald (WaG) abgelöst, ohne dass am Grund-

verwendung ab?

dert werden?

schaft hat dies wenig zu tun. Dieser Rich-

satz der Walderhaltung wesentlich gerüttelt

Betrachten wir exemplarisch das Gebiet des

tungsentscheid wurde bei den heutigen

wurde. Diese aus Sicht der Waldwirtschaft,

Kantons Zürich. Um uns dem eigentlichen

Bauzonen in den letzten Jahrzehnten vor der

aber auch aus umwelt- und naturschutzpolitischen Überlegungen grosse Errungenschaft rückt den Wald damit fern ab von der

Wo spielt sich der «Kampf um den Boden» ab?

Kampfzone um Boden. Nach Abzug all dieser Flächen von der kantonalen Gesamtflä-

■ Landwirtschaft (75 000 Hektaren)

che bleiben rund 75 000 Hektaren Land

■ Wald (53 000 Hektaren)

Landwirtschaftsgebiet im Nichtsiedlungs-

■ Siedlungsgebiet (34 800 Hektaren)

gebiet übrig (44 Prozent der Kantonsflä-

■ Unproduktive Fläche (10 400 Hektaren)

che) — unsere eigentliche Konfliktzone. In diesem Raum müssen alle Boden beanspruchenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen realisiert werden, die sich nicht im Siedlungsgebiet umsetzen lassen, was unweigerlich zu Problemen führt. Wer

* Dr. Marco Pezzatti ist stellvertretender Chef des Amtes für Landschaft und Natur des Kantons Zürich. Bei dem vorliegenden Artikel handelt es sich um ein Referat, gehalten an der Beispiel Kanton Zürich, 173 200 Hektaren Fläche.

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architektur + technik 3| 2015

Infra-Tagung 2015 des Fachverbandes Infra.


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