Baupraxis Flächenbedarf
DER KAMPF UM DEN LETZTEN BODEN Das Siedlungswachstum, neue Verkehrsinfrastrukturen und
Und die Landwirtschaft macht die «Ernährungssouveräni-
der zunehmende Flächenbedarf für die Befriedigung der Erho-
tät » zum Leitmotiv — mit entsprechendem Flächenbedarf. Der
lungs- und Freizeitbedürfnisse bedrängen das Landwirt-
Konflikt um den Boden wird grösser, und es stellt sich die
schaftsgebiet. Gleichzeitig hat die Sensibilität der Bevölkerung
Frage, wie er sich künftig entschärfen lässt.
zum Schutz der Produktionsgrundlage Boden zugenommen.
TEXT Dr. Marco Pezzatti* ILLUSTRATIONEN / GRAFIKEN Benjamin Rüdlinger
Boden ist eine endliche Ressource. In diesem
Konfliktraum zu nähern, arbeiten wir uns
Einzonung gefällt. In einem nächsten Schritt
Punkt besteht Einigkeit zwischen Wirtschaft,
nach dem Ausschlussprinzip schrittweise
müssen 53 000 Hektaren Waldflächen von
Raumplanung, Land- und Forstwirtschaft,
vor. In einem ersten Schritt müssen von
der verbleibenden Restmenge abgezogen
Erholungssuchenden sowie Umwelt- und
173 200 Hektaren Kantonsfläche 10 400
werden. 1876 trat das erste Waldgesetz —
Naturschutzvertretern. Es wird festgestellt,
Hektaren unproduktive Flächen — im Mittel-
das Bundesgesetz über die Forstpolizei im
dass es immer schwieriger wird, die verschie-
land vor allem Gewässerflächen, teilweise
Hochgebirge (FpolG) — in Kraft, das 1902 auf
denen Interessen am Boden gleich zeitig zu
Naturschutzflächen — abgezogen werden. In
die ganze Schweiz ausgedehnt wurde. Mit
befriedigen. Dies, um an schlies send zu
einem zweiten Schritt müssen 34 800 Hek-
dem dahinterstehenden Grundsatz, dass
begründen, warum gerade die eigene Interes-
taren Siedlungsflächen aus der Bilanz ent-
jede Generation Anrecht auf die gleichen
sensgruppe ein unbestreitbares Recht hat,
fernt werden. Zwar gibt es auch in der Bau-
Ertragsmöglichkeiten im Wald haben soll und
Boden zu beanspruchen. Bei der Analyse des
zone Konflikte — diese drehen sich jedoch in
dass immer nur die Zinsen — das nachwach-
Konflikts um die Bodenverwendung stellen
der Regel um das Bauen. Dabei gibt es unter-
sende Holz — genutzt werden sollen, war und
sich im Folgenden vier Fragen:
schiedliche Ansichten über Dichte, über
ist die schweizerische Waldgesetzgebung
■ Wo spielt sich der Konflikt um die Boden-
maximale Höhen und Ausnützungsziffern,
internationales Vorbild. Mit dem im Gesetz
über erforderliche Restgrünflächen, über
verankerten Walderhaltungsgebot wurde
■ Wer sind die Akteure?
Parkplatzerfordernisse und anderes. Aber
der Wald in seiner Ausdehnung faktisch
■ Sind die Spielregeln ausreichend wirksam?
mit dem Konflikt über die Verwen-
unter absoluten Schutz gestellt. 1991 wurde
■ Kann die Eskalation des Konflikts verhin-
dungsrichtung eines ungestörten natürlich
das FpolG durch das Bundesgesetz über den
gewachsenen Bodens in der freien Land-
Wald (WaG) abgelöst, ohne dass am Grund-
verwendung ab?
dert werden?
schaft hat dies wenig zu tun. Dieser Rich-
satz der Walderhaltung wesentlich gerüttelt
Betrachten wir exemplarisch das Gebiet des
tungsentscheid wurde bei den heutigen
wurde. Diese aus Sicht der Waldwirtschaft,
Kantons Zürich. Um uns dem eigentlichen
Bauzonen in den letzten Jahrzehnten vor der
aber auch aus umwelt- und naturschutzpolitischen Überlegungen grosse Errungenschaft rückt den Wald damit fern ab von der
Wo spielt sich der «Kampf um den Boden» ab?
Kampfzone um Boden. Nach Abzug all dieser Flächen von der kantonalen Gesamtflä-
■ Landwirtschaft (75 000 Hektaren)
che bleiben rund 75 000 Hektaren Land
■ Wald (53 000 Hektaren)
Landwirtschaftsgebiet im Nichtsiedlungs-
■ Siedlungsgebiet (34 800 Hektaren)
gebiet übrig (44 Prozent der Kantonsflä-
■ Unproduktive Fläche (10 400 Hektaren)
che) — unsere eigentliche Konfliktzone. In diesem Raum müssen alle Boden beanspruchenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen realisiert werden, die sich nicht im Siedlungsgebiet umsetzen lassen, was unweigerlich zu Problemen führt. Wer
* Dr. Marco Pezzatti ist stellvertretender Chef des Amtes für Landschaft und Natur des Kantons Zürich. Bei dem vorliegenden Artikel handelt es sich um ein Referat, gehalten an der Beispiel Kanton Zürich, 173 200 Hektaren Fläche.
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architektur + technik 3| 2015
Infra-Tagung 2015 des Fachverbandes Infra.