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Mit der Postkutsche über den Gotthardpass
Liebe Leserinnen und Leser der SL-Clubnachrichten. Sie wundern sich vielleicht, was die Reise mit der Postkutsche mit dem Reisen in unseren „modernen“ Cabrios zu tun hat. Ich meine sehr viel. Die Zahl der Pferdestärken ist zwar erheblich grösser. Aber die Reise mit einem Oldtimer-Cabrio, wenn auch mit 105 PS oder mehr, verlangt doch einige „Opfer“ von den Insassen. Die Handhabung der alten Technik stellt Anforderungen an die Fahrenden. Der Reiz des Offenfahrens, speziell in den älteren Modellen die den Fahrtwind mehr oder weniger spüren lassen, ist Genuss und Herausforderung zugleich. Die neuen Cabrios mit vielen hundert PS, stellen dagegen an die Selbstverantwortung der Fahrerinnen und Fahrer hohe Ansprüche. Das alles ist aber freiwillig und gewollt. So haben wir wieder den Bezug zur Postkutschenfahrt. Die „Mühen“ der Reise werden durch das Erlebnis mehr als ausgeglichen und die Freude überwiegt. Also viel Vergnügen beim Lesen und Betrachten der eindrücklichen Bilder von Hansruedi Tschudin. dk
Von Andermatt über den Gotthardpass nach Airolo mit der legendären Gotthard-Pferdepost. Eine Reise in die Vergangenheit, die es in sich hat. Damals für Kaufleute und Wissenschaftler ein exklusives Vergnügen und

nachhaltiges Erlebnis. Einst war diese Reise eine Strapaze, heute ist sie ein romantisches Abenteuer. Die Fahrt mit dem Postilion geht über den Gotthardpass und hinunter bis nach Airolo. Unterwegs erleben maximal acht Per-

sonen die herrliche Landschaft des Gotthards in der Postkutsche wie anno dazumal. Der alte Saumweg aus dem Mittelalter wurde seit seiner Entstehung abschnittsweise ausgebaut, so dass er ab Ende des 18. Jahrhunderts auch von den Kutschen der Gotthardpost genutzt werden konnte. Noch gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Gotthardweg mit Granitrollsteinen und Gneisplatten gepflastert und zur Strasse ausgebaut. Ich hatte den Auftrag, eine private Gruppe zu begleiten und diese Reise fotografisch zu dokumentieren. Wir trafen uns um 10 Uhr am Bahnhof in Andermatt. Nach einer kurzen Fahrt durch das Dorf wurde vor dem Hotel Drei Könige & Post ein Apéro serviert. Der Kutscher informiert dabei seine Gäste über die Geschichte und Gepflogenheiten der Kutscherei im 18. Jahrhundert. Das Wetter ist hervorragend und die Fahrt geht weiter durch das Dorf und Richtung Hospental. Wo immer das möglich ist wird das
Trasse der alten Passstrasse befahren. Unter anderem auch nach Hospental wie auf der Aufnahme links zu sehen ist. Auf halbem Weg zur Passhöhe, beim Restaurant „Mätteli“, gab es eine Pause für Ross, Kutscher und die Reisenden. Den Pferden wird Kraftfutter und Wasser und den Gästen ein „Kutscherkaffee“ serviert. Es ist Ferienzeit und die Kutsche mit den Pferden findet grosse Bewunderung durch die Touristen. Es geht weiter, das Wetter immer noch hervorragend und die Stimmung der Passagiere in der Kutsche ebenso. Gegen 13 Uhr erreichen wir das Gotthard Hospitz. Die Pferde haben ihre Ruhepause verdient und für uns ist im Restaurant reserviert und weiss gedeckt. Ein Platz neben dem Kutscher, auch beim Essen, ist immer von Vorteil. Dadurch habe ich viele Details erfahren. Die Pferde sind von der Rasse der „Freiberger“ und von Mitte September bis Ende Mai auf den weiten Wiesen der Jurahöhen anzutreffen. Es werden traditionell immer vorne 3 Schimmel und in der hinteren Reihe 2 Braune vorgespannt. Sie sind einen Tag für eine Fahrt im Einsatz und geniessen am Folgetag ihre Freiheit in Andermatt im Stall oder auf der Wiese, je nach Lust und Laune. Die Kutsche ist originalgetreu aber mit moderner Technik nachgebaut. So ist sie mit 4 hydraulischen Scheibenbremsen ausgestattet. Da durch wenig Fahrtwind die Kühlung der Bremsscheiben nicht ganz optimal ist, gibt es zwei getrennte Bremssysteme. Der Kutscher kann also bei der Talfahrt in der Tremola abwechslungsweise vorne oder hinten bremsen. Das Gesamtgewicht der Kutsche ist so

ausgelegt, dass die Höchstzuglast pro Pferd nicht überschritten wird. Diese Lasten wurden über Jahre unter Aufsicht des Veterinäramtes ermittelt und getestet. Die Pferde sind alle zwischen 10 und 14 Jahre alt und immer noch kerngesund und topfit. Es geht um 15 Uhr weiter mit der Talfahrt nach Airolo, natürlich durch die berühmte „Tremola“. Dort angekommen werden die Zugpferde in einen grossen Lastwagen verladen, die Kutsche auf dem Tiefbettanhänger verzurrt und zurück über den Pass nach Andermatt geführt. Genaue Angaben und Buchungen können auf folgender Internetseite gemacht werden. www.gotthardpost.ch
Text und Fotos: Hansruedi Tschudin

