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Dezember 2007

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Entdecken Sie...

die Suche.

Eindr端cke aus einer Justizvollzugsanstallt. Seite 38

Die Suche nach politischer Orientierung. Seite 30

Kofi Annan auf dem Campus Seilersee. Seite 8



Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Das Leben ist die Suche des Nichts nach dem Etwas“ – dies hat der berühmte Schriftsteller Christian Morgenstern einmal gesagt. Die Suche nach einem Artikel, der einen interessiert, beginnt für den Leser meist im Inhaltsverzeichnis des jeweiligen Magazins. So etwas ist schon recht praktisch, denn auf diese Weise findet man per Seitenzahl direkt den Weg zu seinem favorisierten Thema. In der zwölften Ausgabe hat sich nun die BiTSLicht-Redaktion auf eine ganz intensive und außergewöhnliche Suche begeben: Die Suche nach Zielen, Ereignissen und den Sinn in unserem Leben – ganz in der Anlehnung an das Zitat von Christian Morgenstern. Mit interessanten Reportagen und Stories über bewegende Schicksale, die politische Orientierung, die Partnersuche oder sogar über den „freien Fall“ ehemaliger Pop-Weltstars wollen wir uns an dieses komplexe Thema heranwagen und es aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. „Die Suche“ – ein Thema, das mehr denn je neugierig macht... Doch auch sonst hat diese neue Ausgabe wieder einiges zu bieten: Was verschlägt einen BiTS-Alumnus nach China? Welcher Wein vom BilligDiscounter ist der Beste – und was macht nun eigentlich der ehemalige Profi-Fußballer Michael Rummenigge? Fragen über Fragen, auf die Sie hier garantiert eine Antwort finden werden. Außerdem haben wir einen

Impressum BiTSLicht Ausgabe 12, Dezember 2007 Herausgeber: BiTSLicht e.V. Reiterweg 26, 58636 Iserlohn Fax: 02371-776503 E-Mail: team@bitslicht.de Internet: www.bitslicht.de Auflage: 2000 Stück

Redaktionsmanagement: Gerrit Meißler

Tag „hinter Gittern“ verbracht, lassen die chaotische Saison in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft Revue passieren und berichten über den beeindruckenden Nationalpark im südostasiatischen Laos.

Simon Engels & Janni Deitenbach

Mögen Sie, liebe Leserinnen und Leser, alle Antworten auf Ihre Fragen finden, nach denen Sie beim ersten Betrachten des Titelblattes bereits gesucht haben – denn wie sagt man so schön: „Wer sucht, der findet.“ Viel Spaß beim Lesen dieser BiTSLicht-Ausgabe wünschen Ihnen Janni Deitenbach und Simon Engels sowie die gesamte Redaktion des

BiTSLicht. Chefredaktion: Janni Deitenbach, Simon Engels

Köppen, Marco Lauerwald, Alisa Kannapin, Desirée Backhaus

Redaktion: Kristin Borlinghaus, Sven Heimes, Florian Hintze, Jennifer Jung, Gerrit Meißler, Tim Schneider, Sarah Gottschalk, Philine Lietzmann, Lena Wouters, Eugen Friesen, Andrea Scheffler, Wolfgang André Schmitz, Marie Ting, Anna Lena Daniels, Alexandra Vesper, Sonja Baier, Viktoria Lipps, Alexandra Kunze, Anika Baumann, Merete Elias, Julian Jaursch, Steffi Titzck, Hanne Giesen, Laura

Vorstand: Janni Deitenbach, Gerrit Meißler, Ronny Sachse Anzeigen & Marketing: Ronny Sachse, Laura Köchling, Pascal Trilling Layout: Gerrit Meißler, Andrea Scheffler, Julian Jaursch, Philine Lietzmann, Lena Wouters, Jennifer Jung

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Inhaltsverzeichnis

Titelthema 13 Die Suche & das BiTS Alumni Patenprogramm 14 Ein Schicksal 16 Wenn unsere Kinder vor uns sterben 20 Couchsurfing 22 Suche... Liebe, aber schnell! - Speeddating 24 Partnersuche - Nichts dem Zufall Ăźberlassen 28 Links ist da, wo der Daumen rechts ist 30 Auf der Suche nach Anerkennung

Heimatkunde 6

Neues aus den BiTS Ressorts

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Studentisches Engagement an der BiTS

10 Hagen City - eine Talfahrt

Ăœber Leben 34 DTM Grotesk 36 Hinter der Mauer - Jugendstrafvollzug in Iserlohn 41 Friede auf Erden - Friedensnobelpreis 42 Die Gibbon Experience 46 Die Schweiz sucht ihre Richtung

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Inhaltsverzeichnis

Versuchsgebiet 48 Angehรถrt: Radiohead - In Rainbows 48 Angelesen: Tom Wolfe - Ich bin Charlotte Simmons 49 Angschaut: Lady Vengeance 50

Auf der Suche nach dem besten Discount-Wein

Aufstieg 52 Von der BiTS nach China - Alexander ร zbahadir 56 Nicht nur reicher als die Queen... 60 Interview mit Michael Rummenigge

Ansichtssache 62 Unterirdische Fotografie 64 BiTSLicht meint... 66 Fragebogen: Prof. Dr. Peter Wolf

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Heimatkunde

Neues aus den BiTS Ressorts BiTS.fm - Guten Morgen! Zusätzlich zu den werktäglichen Livesendungen (zwischen 18 und 20 Uhr) kann BiTS.fm mit einigen Neuerungen aufwarten: Für Frühaufsteher, die nicht auf den Genuss von BiTS.fm verzichten wollen, gibt es in diesem Semester eine Morning Show. Jeden Donnerstag von 8 bis 9.30 Uhr sorgen einige Studenten des Business Journalism-Studiengangs dafür, dass ihr gut aus dem Bett kommt. Reinhören und frisch in den Tag starten! Außerdem wird es montags und donnerstags auch ganz neue Sendekonzepte geben. Aber wer mal eine Sendung verpasst hat, ist nicht

verloren: BiTS.fm plant einen Ausbau der Wiederholungen von LiveSendungen sowie eine Verbesserung ihrer Website. Außerdem können nun die Hörer direkt Einfluss auf ihr Campusradio nehmen. Denn über eine Fragebogen-Aktion will BiTS. fm seine Hörer besser kennen lernen, um dann das Programm genauer auf die Hörerwünsche zuzuschneiden. Es wird auch in diesem Semester wieder eine BiTS.fm-Aktion geben. Und da der Verein jetzt auch einen Verantwortlichen für Kommunikation & Event hat, sollen weitere Aktionen folgen.

BiTS-2-Society - In guter Gesellschaft Schon zu Beginn des Semesters war BiTS-2-Society sehr aktiv. Vor allem eine groß angelegte Spendensammlung im Rahmen des WeltAidstages am 1.12. und auch andere Spendenaktionen standen auf dem Programm. Neben diesen einmaligen Aktionen, die auch in Zukunft geplant sind, kooperiert BiTS-2-Society langfristig mit dem Krankenhaus Bethanien in Iserlohn. Auf der Kinderstation basteln und spielen die BiTS-2-Society-Mitglieder jeden

Mittwoch mit den Kindern. Ähnliche Partnerschaften mit Altenund Pflegeheimen sind in Planung. Außerdem ruft BiTS-2-Society im kommenden Sommersemester zu einem großen Spendenlauf auf. Für Fragen zum Ressort steht Martin Stobbe, Vorstandmitglieds des Vereins, gerne zur Verfügung und es werden natürlich auch noch neue Mitglieder aufgenommen. Also, mitmachen und die BiTS „in die Gesellschaft tragen“!

B.selected - Auserwählt! Die BiTS-Ressort-Familie bekommt Nachwuchs: Der Verein „B.selected e.V.“ befindet sich momentan in der Gründung. Mit B.selected gibt es nun einen eigenen Verein für Bewerbungstraining. B.selected gibt die Kompetenzen im Bereich Bewerbungen, die während des Business Psychology-Studiums an der BiTS erworben werden, an interessierte Oberstufenschüler der Region weit-

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er. In Gruppen- und Einzeltrainings erlernen die Schüler alles rund um die erfolgreiche Bewerbung. Von der schriftlichen Bewerbung, über einzelne Fallstudien, Diskussionen und Testaufgaben bis hin zum Auswahlgespräch wird alles in kleinen Übungen direkt angewendet und umgesetzt. So sollen die Schüler bestens vorbereitet in ihre bald anstehenden Bewerbungsprozesse gehen.



Heimatkunde

Studentisches Engagement steigert den Bekanntheitsgrad der BiTS Blutspendetag, Aids-Schleifenverkauf, Internationaler Studentenwettbewerb Rubicon und das Campus Symposium - alles von von Studenten der BITS organisiert. Im Sommer diesen Jahres habe ich ein Praktikum in der Hansestadt Hamburg gemacht. Praktischer Weise konnte ich bei meinen Eltern wohnen, im ruhigen Winsen Luhe, ca. 30 Kilometer südwestlich von Hamburg. Fast 400 Kilometer liegen zwischen der Kleinstadt Winsen und Iserlohn. Allein schon wegen der Entfernung, den Semesterferien und der Konzentration auf die Beschäftigung im Praktikum, habe ich relativ wenig an die BiTS gedacht. In der regionalen Tageszeitung Winsens, dem „Winsener Anzeiger“, jedoch, wurde ich wieder auf die BiTS aufmerksam. Auf der Titelseite erkannte ich einen Kommilitonen: Max Isernhagen. Er war im Organisationsteam des Internationalen Studentenwettbewerbs Rubicon,

Das Rubicon Organisationsteam 2007

welcher im September 2007 zum wiederholten Male auf dem Campus Seilersee in den Räumlichkeiten der BiTS stattfand. Im Innenteil der Tageszeitung ein großer Artikel über die RubiconOrganisatoren. Alle mit Foto abgebildet. Kostenlose Werbung für unsere Hochschule am Seilersee in Iserlohn. Auch in großen bekannten Wirtschaftsmagazinen wie der „WirtschaftsWoche“ wurde ich erneut auf die BiTS aufmerksam. Dort wurde auf einer halben Seite das Campus Symposium beworben – ebenfalls ein großes Event von Studenten organisiert. Im September durfte ich dann als BiTSLicht-Redakteur beim Campus Symposium 2007 live dabei sein. Ein

Foto: Gerrit Meißler

Auf der Titelseite und im Innenteil des „Winsener Anzeiger“ vom 09.09.2007 ein Artikel mit mehreren Fotos

Foto: Rubicon 2007

Die Podiumsdiskussion mit hochkaratigen Persönlichkeiten

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Heimatkunde

wahrhaft imposantes Event, mit vielen bekannten und herausragenden Persönlichkeiten wie Herrn Kofi Annan, dem ehemaligen Generalsekretär der UN, oder Herrn Bodo Hombach, dem Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe. Eine Veranstaltung bei uns auf unserem Campus, dass in ganz Deutschland bekannt ist und somit auch den Bekanntheitsgrad der BiTS steigert, erreicht durch Werbung, Artikel wie im „Winsener Anzeiger“ und ganz besonders durch die engagierten Studentinnen und Studenten der BiTS. Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, weiter so: organisiert, engagiert und profitiert!

Das Festzelt des Campus Symposiums 2007 kurz vor Eröffnung

Gerrit Meißler Fotos: Tim Schneider

Dietrich Walther (Präsident der BiTS) begrüßt Kofi Annan auf dem Campus Seilersee zum Campus Symposium 2007

aus der Wirtschaft

Dietrich Walther bedankt sich am Ende des Symposiums ganz herzlich bei den studentischen Organisatoren

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Heimatkunde

Hagen City - eine Talfahrt Gelegen im schönen Volmetal, legt die weniger schöne Hagener Innenstadt seit Jahrzehnten eine Talfahrt in Sachen Stadtentwicklung hin. Zuletzt wurde sie spürbar gebremst. Doch ob sie sich noch stoppen lässt, ist ungewiss... Es ist ein trüber Sonntagmorgen im März 2004; das Wetter lädt zum ausgiebigen Ausschlafen ein. Dennoch erfreut sich die Hagener Innenstadt für einmal einer ungekannten Prominenz: 40.000 Menschen sind in die City geströmt, das Verkehrschaos ist kaum zu bändigen, die 200.000-Einwohner-Stadt, in weiten Teilen Deutschlands kaum bekannt, ist plötzlich auch in überregionalen Medien allgegenwärtig. Doch die schlagartige Berühmtheit ist wenig nachhaltig: Es ist die spektakuläre Sprengung eines 98 Meter hohen Sparkassengebäudes, die für einen Vormittag einen Run auf die Hagener City ausgelöst. Seit seiner Einweihung 1975 hatte es das nun marode Hochhaus, verkleidet mit Glasplatten in einem zweifelhaften Grün, bis zum Hagener Wahrzeichen gebracht - aus Mangel an optisch attraktiveren Alternativen? Um 10:53 Uhr versinkt das zum Skelett aus Stahl und Beton rückgebaute Wahrzeichen vorschriftsmäßig in seinem Fallbett. Die Zuschauer applaudieren - und machen sich sogleich auf ihren Heimweg. Einen Sonntag später herrscht in der Hagener City wieder gähnende Leere. Der Sparkassenkoloss, im Volksmund „Langer Oskar“ genannt, ist ausgerechnet vom Hochhaus der Agentur für Arbeit als höchstes Bürogebäude der Innenstadt beerbt worden. Ein unfreiwilliges Symbol für die Probleme der Stadt? Keineswegs. Trotz aller Strukturprobleme liegt die Arbeitslosenquote in Hagen seit jeher weit unter der vieler Ruhrgebietsstädte. Doch mit der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten können sich Arbeitssuchende in der Hagener City nur sehr bedingt die Zeit vertreiben... Trostlose, uniforme Wohn- und Geschäftshäuser der 50er-Jahre prägen die Hagener Innenstadt. Nur die teilsrenovierungsbedürftigen Fassaden des Stadttheaters und des Hauptbahnhofs weisen auf Hagen

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als „Jugendstilstadt“ hin - einem Attribut, dem man nur außerhalb des Stadtkerns mit Baudenkmalen wie dem Hohenhof gerecht wird. Repräsentative Bauten aus der Gründerzeit innerhalb der City sind an einer Hand abzuzählen. Stattdessen sind es Parkhäuser und ein ganzes Ensemble aus 1-Euro-Shops, die prominente Standorte der City besetzen. Undurchdacht bis provisorisch erscheint vielerorts die Verkehrsführung, echtes Großstadtflair wird vergeblich gesucht. Ein Dilemma, das - wie so vieles - seine Ursprünge in der NS-Diktatur und im Zweiten Weltkrieg hat: Es sind konventionelle, aber durchaus repräsentative Gebäude aus der Gründerzeit, die das erst rund 250 Jahre alte Hagen damals in seinem Stadtkern prägen - bis in die 1940er-Jahre hinein. Britische Bombenangriffe zerstören bereits im Oktober 1943 weite Teile der

Die Innenstadt in Trümmern Innenstadt, mit einem nächtlichen Angriff im März 1945 ist der Exitus der City besiegelt. Mehr als 800 Hagener verlieren ihr Leben, Zehntausende ihre Bleibe - und Hagen sein ansprechendes Stadtbild. Der Wiederaufbau ist Herausforderung und Chance zugleich: Die beengenden Straßen des 19. Jahrhunderts können durch moderne Verkehrswege ersetzt werden, die Innenstadt auf lange Zeit besser strukturiert werden. Doch an der Umsetzung des Wiederaufbaus scheiden sich die Geister. 1946 liegen drei Entwürfe zum Wiederaufbau vor - zwei von ihnen fallen in einer Sitzung des Stadt- und Bauausschusses als „zu großzügig in Bezug auf die Inanspruchnahme von Gelände“ durch. Der dritte Plan scheint verheißungsvoll: „Hagen, Verkehrsknotenpunkt und Verkehrsstadt“, „Hagen, eine Handels- und Gewerbestadt“, „Hagen, eine Industriestadt im Kranze grüner Berge“, lauten die beinahe poetischen Schlagworte. 1947 liegen erste konkrete Neuordnungspläne vor, die „im Kranze grüner Berge“ auch einen Kranz aus Asphalt vorsieht - einen modernen Verkehrsring um den

Stadtkern. Verbreiterte Straßen, Parkflächen für 1.000 Fahrzeuge, großzügige Platzstrukturen, eine einladende grüne Promenade an der Volme und eine eindeutige Trennung von Wohn-, Geschäfts-, und öffentlichen Gebäuden: Der Neuaufbau befindet sich auf einem guten Weg.. Mit zwei weiteren Neuordnungsplänen von 1949 und 1950 werden die guten Ansätze verwässert: Die angedachte Volme- Promenade wird gekürzt, Grünflächen weichen Bebauungsflächen. Großzügige Plätze werden nun doch nicht realisiert, Änderungen der ursprünglich geplanten Verkehrsführung im Stadtkern werden sich Jahrzehnte später als fatal erweisen. Obwohl die Neuordnung weniger konsequent ausfällt als im ersten Plan von 1947 vorgesehen, bleiben Reste der alten Bausubstanz weit gehend ungenutzt - und müssen einfallslosen 50er-Jahre-Bauten weichen. Die wenigen Versuche, historische Substanz zu verarbeiten, enden abenteuerlich: Das neugotische Rathaus bekommt ein stilechtes Flachdach, Jahre später werden Dach und Sockel des heutigen Karl-Ernst-Osthaus-Museums mit ungeschminkten Betonklötzen versehen. Dennoch: Die Hagener sind stolz auf ihre neue Innenstadt - und zeigen sich in den 60er- und 70er-Jahren dem Zeitgeist entsprechend als wahre Autofreaks. Der Plan einer „autogerechten Stadt“ sieht eine Autobahnanbindung von der A45 bis zur A1 mitten in der Innenstadt inklusive einer überbauten Volme vor. Teile der Pläne werden umgesetzt: Eine formschöne Hochstraße auf Betonstelzen prägt seit rund 40 Jahren das Bahnhofsviertel. Mit einem neuen Parkhaus direkt an der Volme wird den Hagener Autos die Standzeit nicht mit Meer-, doch immerhin mit Flussblick versüßt. Ein Parkhaus mitten im Volkspark führt die Fahrzeuge direkt an die grüne Lunge der Innenstadt. Dass Parkhäuser vornehmlich am Verkehrsring - wie im benachbarten Dortmund umgesetzt - zu platzieren sind, um den Stadtkern zu entlasten, hatte sich in Hagen nicht herumgesprochen. 1976 werden die traditionellen

Ein provisorischer Parkplatz in der nähe des Hagener Rathauses


Heimatkunde

Straßenbahnen endgültig aus Hagen verbannt - zu entschleunigend waren sie für den Individualverkehr in der Stadtmitte. Schon 1978 setzt ein Umdenken ein: Die Autostadt wird zur Busstadt. In den folgenden Jahren wird eine weitläufige Fußgängerzone eingerichtet - bereichert um zwölf Meter lange Vehikel mit rund 40 Sitzplätzen. Bis ins neue Jahrtausend hinein tuckern Busse im Schritttempo durch weite Teile der Fußgänger- und Busfahrer-zonen; der Rathaus-Vorplatz ist ein einziger Busbahnhof. Abseits der Auto- und Busstraßen herrscht

Vorfahrt für vier Räder Stillstand: Das Ensemble aus Nachkriegsbauten und einigen Bausünden aus den 70er-Jahren vegetiert vor sich hin - doch der Rathausbezirk wird immer mehr zum Stein des Anstoßes. Schon 1965 hatte ein Teil des neugotischen Flachdach-Rathauses einem Waschbeton-Neubau, bestehend aus einer nahezu fensterlosen Bürgerhalle und einem Verwaltungshochhaus, weichen müssen. Doch dieser entspricht schon bald nicht mehr den ästhetischen Vorstellungen der Bürger: Kaum mehr als 20 Jahre nach der ersten Umgestaltung werden Ende der 80er-Jahre Architekturwettbewerbe zum erneuten Umbau an der Volme ins Leben gerufen - die, wie so oft, im Sande verlaufen... Zum Ende der 90er-Jahre hin scheint es aufwärts zu gehen. Wo bis zum Zweiten Weltkrieg eine Stadthalle mit durchaus beeindruckendem Kuppeldach stand, belebt außerhalb des Verkehrsrings endlich ein Komplex aus Stadtbücherei, Gastronomie und Großkino das einstige Stadtzentrum. Auch in den Kern des neuzeitlichen Stadtzentrums kommt Bewegung: Ein Einkaufszentrum und ein Verwaltungsneubau, ergänzend zum historischen Rathaus und zum 60er-Jahre-Ver waltungsgebäude, sollen den Rathausbezirk attraktiver machen. Eine aufwändige Treppenanlage am neuen „Rathaus an der Volme“, sowie ein Fußweg direkt am Flussbett sollen die Volme besser ins Stadtbild integrieren und die Hagener zum Verweilen einladen.

Mithilfe des niederländischen In- Fragen: Wo einst das grüne Hochvestors MDC macht sich die hoch haus und ein Verwaltungsgebäude verschuldete Stadt eifrig an die Um- aus den 50er-Jahren standen, hat setzung der ehrgeizigen Pläne zur das Kreditinstitut eine gelungene „Neuen Mitte“. 2003 wird der lang Repräsentanz mit Laden-, Gastroersehnte Rathaus- und Shopping- nomie- und Büroflächen errichtet, Komplex an der Volme eingeweiht. die zu einem architektonischen Er verschönert das lange vernachläs- Highlight der Innenstadt wird - und sigte Stadtzentrum, ohne architek- die jungfräulichen Rathaus- Neutonische Highlights zu setzen. Teile bauten optisch um Jahre altern lässt. der „Volme-Galerie“, des neuen Ein- 2007 präsentiert sich die Hagener kaufszentrums mit rund 30 Laden- City zwar wesentlich attraktiver als lokalen, bleiben vorerst ohne Mieter - doch es geht ein Ruck durch die Innenstadt. Die Busse sind vom Rathausvorplatz und aus der Fußgängerzone verbannt. Angrenzend an das „Rathaus an der Volme“ befindet sich noch immer ein „Parkhaus an der Volme“. Entgegen alten Plänen aus den 80er-Jahren ist das Parkhaus nicht abgerissen, sondern gar erweitert worden - doch immerhin präsentiert sich die Fassade deutlich Fotos: Wolfgang André Schmitz aufgehübscht. Die ausladende Lokalbüro- Altenhagener Brücke kratie ist nun in zwei zentralen Anlaufstellen gebündelt. noch zehn Jahre zuvor - ZwischenDas erweiterte „Rathaus I“ wird er- zeugnis: „Sie waren stets bemüht.“ gänzt um ein voluminöses „Rathaus Doch Baustellen gibt es weiterhin II“, einen modernisierten früheren reichlich: Ein prominentes GrundPost-Komplex am Hauptbahnhof - stück, nur 100 Meter vom Rathaus wo eine neue Wäschespinne, auch entfernt, will vom provisorischen bekannt als Busbahnhof, für das Parkplatz-Dasein befreit werden, nächste ästhetische Debakel sorgt. Nachkriegsfassaden gammeln vor Bereichert wird das Rathaus II um sich hin, die Volme- Galerie hat der ein Ladenensemble im Erdgeschoss: Fußgängerzone weitere Attraktivität Endlich gibt es auch in Hagen sel- entzogen. Ungepflegte Laternen, tene Shopping-Diamanten wie Aldi ein undefinierbarer Pflastersteinund KiK, die den klangvollen Na- Mix und provisorische Sitzbänke, men „Graf-von-Galen-Karree“ mit Modell „Haushaltsloch“, verführen in der Elberfelder Straße, einst die passendem Inhalt füllen. prominenteste Einkaufsmeile der Ohnehin befindet sich die Stadt im Stadt, zum Weitergehen, die 1-Euro„Karree“-Fieber - unabhängig davon, Shop-Epidemie breitet sich weiter ob das Bauobjekt mit der eigent- aus. Pläne werden geschmiedet und lichen architektonischen Wortbe- wieder verworfen - teils wegen der deutung, eine Baugruppe um einen desolaten Haushaltslage, teils wegen quadratischen Innenhof, auch nur eines nicht immer einladenden Umannähernd etwas zu tun hat: Ein gangs mit Investoren. Im Städterlange ungenutztes Kaufhaus gegenü- anking der WirtschaftsWoche schber dem Stadttheater wird 1998 zum neidet Hagen unter 50 Großstädten „Theater-Karree“, das mit mausgrau- auf Rang 38 ab, die Einwohnerzahl er Fassadenverkleidung und im Mo- sinkt im Vergleich rapide. Ob sich natstakt wechselnden Ladenmietern die Talfahrt im Volmetal noch stoplockt. Erst das „Sparkassen-Karree“ pen lässt? gibt Hagen mit seiner Eröffnung 2006 fundierte Nachhilfe in KarreeWolfgang André Schmitz

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Titelthema

Suchst du noch, oder sinnierst du schon? BiTSLicht begibt sich auf „Die Suche“. Ein Annäherungsversuch an ein Thema, das die Menschen bewegt. Gleich zu Beginn: Um dem „Suchen“ gerecht zu werden, dazu müsste man eine ganze Buchserie herausgeben - und mit der kann man dann Bibliotheken füllen. Die Suche als Titelthema, das soll nur ein Versuch sein, an der Oberfläche des Begriffs zu kratzen, Einblicke in unsere eigene, aber auch die anderer, Vorstellung vom Suchen geben. Nur, was ist eigentlich dieses Suchen? Zunächst ist es eine Tätigkeit, um ein bestimmte Kriterien erfüllendes Etwas zu finden. Doch die Konnotationen, die jeder mit dem „Suchen“ verbindet, sind so vielfältig, wie zu kaum einem andeJanni sucht die Nadel im Heuhaufen

ren Begriff. Suchen, das kann Partnersuche sein, Suchmaschine, Suche nach einer Jeans, Jobsuche, die Suche nach dem verlorenen Haustürschlüssel. Gemein haben diese unterschiedlichen Vorgänge, dass am Ende dieses Etwas steht, das den Vorstellungen entsprechen muss: Partner, tja, der muss bestimmte Merkmale besitzen, sonst ist er eben nicht, wie man so schön sagt, „der Richtige“; mit der Suchmaschine will man Informationen finden, die eine Aussage zu einem von mir gewählten Thema in ansprechender Form enthalten; die perfekte Jeans macht am besten sexy, kostet kein Eckhaus und sitzt; nicht jeder Job entspricht meinen Vorstellungen bezüglich Bezahlung, Anforderungen, Aufgaben; der Haustürschlüssel ist

erst gefunden, wenn es der ist, der auch ins Schloss passt. Suchen ist also eine Tätigkeit, die zum Finden führen soll. Aber wenn man etwas gesucht und dann gefunden hat, ist man dann auch fertig? Leider nein. Suchen ist eben nicht nur das aktive Streben, an dessen Ende der Erfolg in Form des Findens zu stehen hat, Suchen kann auch als metaphysischer Zustand des Menschseins interpretiert und gedeutet werden. Alle Menschen suchen, mehr oder weniger aktiv, nach dem Sinn des Lebens. Das ist die Antriebsfeder eines jeden. Grundsätzlich gilt den Menschen Liebe, allerdings auch in anderen Formen als Zuneigung und Freundschaft im privaten Bereich, sowie als Anerkennung und Wertschätzung im Beruf, als bedeutendster Sinn. Liebe, das meint gebraucht zu sein. Wer einen Sinn in seinem Leben hat, weil er gebraucht wird, der schätzt sich selbst als glücklich ein. Das Individuum sucht also nach einem Zustand, in dem es glücklich ist. Was man zum glücklich sein braucht, da hat dann jeder wieder seine eigenen Vorstellungen. Glück, glücklich sein, das ist zwar ein erstrebenswerter Zustand, aber er ist, ob dieser Wünsche, auch praktisch unerreichbar. Es gibt eben immer etwas, dass noch besser, noch idealer sein könnte. Und darum ist diese ewige Streben nach Liebe, nach Glücklich sein, ein ständiger Zustand des Suchens nach selbigem.

Janni Deitenbach

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Foto: Kristin Borlinghaus

Und so suchen wir mal mehr oder weniger bewusst unser ganzes Leben nach irgendetwas. Also, begleitet uns beim Finden von Anerkennung für den Frauenfußball, politischer Orientierung, der Erlösung aus dem Single-Dasein, einer bequemen Couch, einem passenden AlumniPaten und dem perfekten Wein für die nächste Party!


Titelthema

Pate Gesucht Ein Outdoor–Programm Ende Oktober? Riskant! Doch der Optimismus der BiTS-Alumni, auf diesem Wege ihre potentiellen Patenkinder kennen zu lernen, wurde von Petrus mit einem trockenen Herbsttag belohnt. Alumni, das sind BiTS-Studenten der ersten Stunde, die ihr Studium an der BiTS bereits absolviert haben. Mittlerweile haben sie in der Wirtschaft Fuß gefasst, Erfahrungen gesammelt und sich als Verein zusam-

Das BiTS-Alumni Patenprogramm

ness Psychology-Absolvent und heute Berater bei der Personalberatung Kienbaum. Dieser verlegte die sonst mit Managern durchgeführte Veranstaltung kurzerhand auf den Campus am Seilersee.

Eine unruhige Gruppe, auf der Stelle tretend, hin und her wippend. Das Bild der Studenten unterschied sich nicht sonderlich von dem der Akademiker. War es die Kälte? Oder doch die Nervosität? Die Information von Martin Bersem ließ die Symptome jedenfalls schnell verfliegen. Die schock ierende Nachricht: Die private Fachhochschule ISM in Dortmund stehe kurz davor, Iserlohn zu vernichten und die Weltherrschaft an sich zu reißen. „Rettet die Welt“, lautete daher sein Appell. Den TeilFoto: BiTS Alumni e.V. nehmern stand Ein sommerliches Wochenende im Oktober auf dem BiTS Campus ein Nachmittag mit vielen kniffligen Aufgaben mengeschlossen. Andreas Tegeder leitet das Alumni–Patenprogramm. bevor. Das Bestehen einer jeden Es soll dazu dienen, Studenten des Aufgabe versprach einen Teil des ersten und zweiten Semesters an erlösenden „Elixiers“. Von Unwisdie Hand zu nehmen. Sie werden senden als ordinäres Leitungswasser auf ihrem Weg begleitet, so dass es abgetan, würde dieses letztendlich gelingt, Stolpersteine im Studium, die Welt vor dem Untergang bewahFragen zur Zukunftsplanung oder ren. Durch die mit Teamwork erpersönlichen Problemen sicher zu zielten Erfolge entwickelte sich aus der Gruppe von Fremden rasch eine meistern. feste Einheit.

Solche und andere skurrile Gruppenspiele ließ Studenten und Alumni rasch zusammenwachsen und sich einmal von einer ganz anderen Seite kennen lernen. Mit Kreativität, Strategie, Teamwork und einer großen Portion Spaß verging der Tag und führte letztendlich, wie sollte es anders sein, zum Ziel - dem Sieg über die ISM. Ein solcher Sieg musste gefeiert werden. Nach kurzer Feedbackrunde - die einstimmig positiv ausfiel - ging es mit Kuchen, Hotdogs und Getränken im B7 weiter. Entstanden war eine lockere Atmosphäre, die den Altersunterschied kaum noch spüren ließ. Nur der eigentliche Grund des Zusammenkommens, die Suche nach einem Paten, war

Das Alumni-Patenprogramm soll den Studenten auf ihrem Weg helfen

Immer als Unterstützung dabei war Stefanie Hacke vom Career Center. Dieses dient dazu, Studenten frühzeitig bei ihrer Zukunftsplanung zu unterstützen. Frau Hacke hilft bei der Suche nach Praktika und der Überarbeitung von Bewerbungsunterlagen.

im Laufe des Tages eher in den Hintergrund gerückt. Auf Grund des Ungleichgewichts von Alumni und Studenten ergab sich für die meisten vorerst keine Patenschaft. Von Unmut war dennoch nichts zu spüren. Die Teilnehmer waren stattdessen um viele neue Bekanntschaften, Erkenntnisse und ein einmaliges Erlebnis bereichert worden. In gemütlicher Runde wurden zu späterer Stunde schon wieder Pläne für künftige Treffen geschmiedet. Als nächstes ist ein Tanzkurs Anfang Dezember geplant. Die Suche geht also weiter…

Auch an diesem Nachmittag stand

Anika Baumann

„Rettet die Welt“ Gar nicht so einfach den passenden Partner für ein solches Projekt zu finden. Schließlich müssen für eine effektive Kooperation sowohl Charakter als auch Erwartungen zusammenpassen. Den Rahmen für diese Suche bot das Outdoor-Programm von Alumnus Martin Bersem, Busi-

sie wieder einmal mit Rat und Tat zur Seite, als sich die Gruppe Gefahren wie dem rauschenden Schokofluss zu stellen hatte. Mit viel Phantasie entstand vor den Augen der Teilnehmer diese plötzlich deutlich erkennbare Gefahr, die es gemeinsam zu bezwingen galt. Als Hilfsmittel dienten Bretter, die sich als wundersame Zauberkekse entpuppten. Auf ihnen erreichte die Gruppe unbeschadet das andere Ufer.

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Titelthema

Ein Schicksal - kein Glücksspiel und eine Partnersuche!

Wie das Leben seine Geschichten schreibt. Es dreht sich unaufhörlich! Füße wippen nervös, die Hände werden feucht. Eine gespannte Stille flutet den Raum. Es wird langsamer. Schwarz oder rot? Gewinn oder Verlust? „19 – Rot“ - die einen haben die richtige Entscheidung getroffen, während andere die falsche trafen.

eine Behinderung, die die Gliedmaßen lähmt. Zwar kann durch gezielte krankengymnastische Behandlungen die Spannung in den Muskeln gelockert werden, jedoch ist eine Heilung dieser Behinderung nicht möglich. Erschwerend kommt hinzu, dass Annika geistig behindert ist und sehr schlecht sieht. Sie spricht nicht, ver-

ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit in uns breit. Danach setzte die Abwehrreaktion und die Suche nach der Schuld ein. Das hat uns zwar erst mal abgelenkt, aber in Wirklichkeit hat es niemandem genutzt. Dann folgten zwei Jahre intensive Therapie und Krankengymnastik und wir hofften, dass sich Annika doch noch

Es ist gewiss kein Glücksspiel und auch kein Zufall wie beim Roulette, es ist vielmehr das bewusste Handeln, das den Menschen ausmacht. Es ist die bewusste Berechnung und Abwägung von Risiken und Chancen, die die Suche eines Menschen nach einem Sinn im Leben begleitet. Schon von der Geburt an bahnen wir uns den Weg durch das Leben. Immer auf der Suche nach dem maximalen Erfolg, strebt der Mensch von Natur aus Perfektion an. Er setzt sich Ziele - sei es die berufliche Karriere, eine Familie zu gründen, oder einfach bei einem Fußballspiel das entscheidende Tor zu schießen.

... auf der Suche nach der Vollendung eines Zieles... Die Menschen sind also das ganze Leben auf der Suche nach der Vollendung eines zuvor von ihnen definierten Zieles - bewusst oder unbewusst. Doch was macht der Mensch mit seinem Leben, wenn er nicht die Wahl zwischen Rot oder Schwarz hat oder er sie nicht bewusst treffen kann?

Annika Barendt mit ihrer Mutter Claudia (li.) und Schwester Christina (re.)

steht aber das Meiste und nimmt ihre Umwelt sehr gut wahr, ihr Gehör ist hervorragend ausgebildet. Im Interview spricht ihre Familie, Mutter Claudia und Schwester Christina, über das Leben mit dem Schicksalsschlag und wie es sich nach Annikas Geburt verändert hat.

Was war es für ein Gefühl, als Sie erfahren haben, dass Ihre Tochter nie das Leben eines Annika Barendt aus Hemer ist 14 gesunden Mädchens führen Jahre alt. Ein sehr fröhliches, liebes und aufgewecktes Mädchen. Durch wird? Sauerstoffmangel während oder kurz nach der Geburt kam es zu einer Hirnschädigung. Seither leidet das junge Mädchen an Tetraspastik,

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Es war so, als würden wir unsere bisherige Lebenssicherheit verlieren. Wir hatten angst und es machte sich

gut entwickeln würde. Leider trat kein Erfolg ein und wir mussten endlich akzeptieren, dass Annika immer ein schwerstbehindertes Kind bleiben würde. Nachdem wir dann nicht mehr soviel erwartet haben, ging es uns eigentlich besser. Ein riesiger Druck fiel ab.

Wie sieht es mit einer schulischen und externen Betreuung Ihrer Tochter aus? Annika besucht die Felsenmeerschule in Hemer und eine Förderschule der Landschaftsverband WestfalenLippe. Sie ist gut in ihrer Klasse integriert und fühlt sich in der Schule sehr wohl. Weiterhin haben wir die Möglichkeit, eine Kurzzeitpflege von


Titelthema

maximal vier Wochen im Jahr in Anspruch zu nehmen. Zur unserer Entlastung kommt stundenweise eine vertraute Person zu uns nach Hause, damit wir in der Familie auch ein wenig Freizeit haben.

Wie wirkt sich die Krankheit Ihrer Tochter auf Annikas Leben aus? Auf Annikas Leben wirkt es sich so aus, dass sie völlig hilflos und vollständig auf unsere Hilfe angewiesen ist. Sie kann sich nicht alleine fortbewegen, nicht alleine sitzen, kann nicht alleine essen und sich nicht selber pflegen. Sie ist ein absoluter Pflegefall und ist auf Hilfsmittel, wie zum Beispiel einen Rollstuhl oder eine Badewannenliege, angewiesen.

Wie wirkt sich die Behinderung auf Ihr Familienleben aus?

zur Geltung bringen. Man wird sehr erfinderisch bei Spielsachen und Beschäftigung für das Kind - Annika fordert uns. Außerdem haben wir gelernt, uns auch über Kleinigkeiten und kleine Erfolge zu freuen. Wir sind zufriedener mit unserem Leben als manch anderer. Annika lachen zu sehen macht uns sehr glücklich und entschädigt uns für all die Mühen.

Die Singlebörse für geistig Behinderte in Iserlohn lockte zahlreiche Alleinstehende aufs Parkett. Um der Suche nach Liebe, Zärtlichkeit und Geborgenheit Abhilfe zu verschaffen, veranstaltete die Diakonie kürzlich die erste Singleparty für Menschen mit einer Behinderung im Senator-Pütter-Saal an der Alexanderhöhe.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus Die war ein voller Erfolg. Rund 140 Für die Zukunft stellen wir uns viele Fragen. Diese Ungewissheit ist belastend. Wird es Annika mal gut haben, wenn wir nicht mehr da sind? Finden wir einen schönen Heimplatz? Können ihre Geschwister sich mal um sie kümmern und nach dem Rechten sehen, oder müssen sie aus beruflichen Gründen wegziehen?

Für uns bedeutet das, dass wir immer für sie da sein müssen - 24 Stunden am Tag. Alles hat einen sehr hohen Organisationsbedarf. Spontan geht fast nichts, wir müssen alles sorgfältig planen. Wenn mein Mann und ich zum Beispiel mal etwas alleine unternehmen wollen, muss Annikas Betreuung geregelt sein. Alle zusammen können wir selten etwas unternehmen.

flirtwillige Gäste, die teils von weit her und keineswegs nur aus den Wohnheimen der Diakonie, sondern auch aus vielen Privathaushalten kamen, feierten bis in die späten Abendstunden. Neue Kontakte wurden geknüpft und alte gepflegt.

„Ob sich hier wirklich Pärchen fürs Leben gefunden haben weiß ich nicht“ Bei Kennenlernspielchen, flotter Musik, allerlei Leckereien von der Kuchentheke, eine Long-Drink-Bar sowie bei einer Partnerbörse mit Liebesboten und Love-Letter-Wand, konnten sich die Besucher schnell näher kommen. „Es haben sich hier auf jeden Fall viele kennen gelernt und es wurden auch Adressen ausgetauscht“, erklärte Samatha Lovick, die Sozialarbeiterin aus dem Hemeraner Diakonie Wohnheim, die die Organisation des Abends im Vorfeld geleitet hatte.

Wenn Sie den Sinn des Lebens beschreiben müssten, Annika Barendt aus Hemer wie würde Ihrer und der Ihrer Da an allen Ecken und Kanten an „Ob sich hier wirklich Pärchen fürs Tochter aussehen? Unser Lebenssinn besteht aus unseren Kindern. Uns ist es vor allem wichtig, dass wir für Annika einen Platz finden werden, an dem sie, wenn wir selbst nicht mehr in der Lage dazu sind, liebevoll gepflegt wird. Und welchen Sinn macht Annikas Leben? Annika erlebt sich selbst nicht als Behinderte. Sie leidet nicht unter ihrer Behinderung. Ich kann dazu sagen, dass Annika uns immer aktiv hält. Wir sehen die Behinderung nicht als Unglück, sondern als eine Lebensprüfung und eine Aufgabe: Man muss seine Kräfte mobilisieren, kann sein Organisationstalent

Leistungen gespart wird, stellen wir uns auch die Frage: Wie wird es mal in einigen Jahren mit der staatlichen Versorgung aussehen?

Vielen Fragen, die sich eine Familie nach solch einem Schicksalsschlag stellen muss, doch eines ist für Familie Barendt und bestimmt für alle liebenden Eltern klar: „Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass Annika gesund und, dass alles leichter gewesen wäre, jedoch würden wir Annika um nichts in der Welt gegen ein anderes Kind eintauschen wollen. Annika ist eben so, wie sie ist. Durch sie haben wir so viel erfahren und kennen gelernt.“

Leben gefunden haben, weiß ich nicht“. Und auch wenn es am Ende keines der flirtenden Paare vor den Traualtar schafft, konnte die Diakonie mit dieser Veranstaltung zur Lebensfindung und Lebensgestaltung behinderter Menschen beitragen. Aufgrund der großen Resonanz wird es auch in Zukunft weitere SinglePartys für Menschen mit einer Behinderung geben und vielleicht kann die Diakonie doch schon bald ihre erste Heirat verkünden. Marco Lauerwald

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Wenn unsere Kinder vor uns sterben Sterbebegleitung für Kinder - Kinderhospize in Deutschland “Es tut uns leid, ihre Tochter ist austherapiert.” Kurz: Ihr Kind wird sterben. Für Eltern ist diese Nachricht ein Schlag ins Gesicht. Unbegreifbar ist es, dass die Generation nach uns vor uns sterben soll. „Mein Sohn ist jetzt siebzehn. Als er zwölf Jahre alt war, haben mir die Ärzte gesagt, dass sich Daniel zurückentwickeln wird. Bis zum Babyalter.“ Ramona Spelinsky, die mit ihrem Sohn Daniel und ihrem Mann regelmäßig das Kinderhospiz Sternenbrücke in Hamburg besucht, fährt mit fester Stimme fort: „Ich habe es nicht geglaubt.“

Belastete Eltern -Kinderhospiz als Tankstelle In Deutschland sterben jedes Jahr über 4200 Kinder unter 16 Jahren. Viele Eltern sorgen für ihre schwerkranken Kinder über Jahre oder sogar Jahrzehnte. Sie schlafen im Zimmer ihrer Kinder, weil sie zum Beispiel Angst haben, dass die Atmung aussetzt. „Manche Eltern müssen aber auch alle drei Stunden aufstehen, um ihr Kind zu wenden, damit es sich nicht wund liegt“, erzählt Frauke Frodl, Pressesprecherin vom Kinderhospiz Sonnenhof in Berlin Pankow. Mit einem kranken Kind kommen meistens auch die finanziellen und sozialen Sorgen innerhalb der Fami-

lie. 70 Prozent der Ehen gehen kaputt. Kinderhospize versuchen den Eltern einen Teil der Belastung abzunehmen, indem sie die Eltern nicht nur in der letzten Phase unterstützen. So können Eltern ihre Kinder, die vielleicht noch Jahre zu leben haben, für eine gewisse Zeit im Hospiz lassen und vielleicht seit Jahren mal wieder Urlaub machen, Essen gehen, oder eine Nacht durchschlafen, weil sie das Kind als gut versorgt wissen. In diesem Sinne werden Kinderhospize gerne als Tankstellen wahrgenommen, die es den Eltern ermöglichen neue Energie zu tanken. „Im Februar 2005 hatte Daniel einen Zusammenbruch. Er kann nicht mehr laufen, nicht sehen, nicht essen. Im Grunde ist er nur noch da. Ich weiß nicht, wie sich das anhört, wenn ich das jetzt so sage, aber Daniel hat nur noch wenig Lebensqualität. Wir wissen nicht was er denkt, wie er denkt. Aber wir glauben, dass er uns hören und verstehen kann.“ Daniel hat eine Sonderform der Multiple Sklerose. „Am Anfang ist ihm zum Beispiel mal der Stift aus der Hand gefallen und dann hat er gesagt: Huch, was war das denn nun? Er hat sich selber über sich gewundert. Wir haben mit ihm eigentlich nie richtig über die Krankheit geredet. Das tut mir heute sehr weh.“ Ein Jahr später, im Februar 2006 entschlossen sich die Spelinskys für eine Woche in das Kinderhospiz

Sternenbrücke zu gehen. „Für die meisten Eltern ist der Eintritt in ein Kinderhospiz wie eine Akzeptanz, dass ihr Kind sterben wird. Und

“Dein Bruder ist tot, er ist jetzt an einem anderen Platz.” wenn sie das akzeptieren fühlen sie sich schlecht“, erklärt Frauke Frodl. Auch Ramona Spelinsky hatte Angst in ein Kinderhospiz zu gehen. Sie verband damit Tod, Traurigkeit, Dunkelheit. „Aber es war das Beste, was uns passieren konnte. Das Haus war so hell und freundlich, vielleicht - ich möchte sogar sagen ein wenig glücklich. Wir wurden empfangen, als wären wir dort schon lange bekannt.“ Der Umgang mit den Eltern und ihren Kindern spielt eine wichtige Rolle. Die Pfleger werden nicht als Hospizhelfer, sondern als Familienbegleiter bezeichnet, denn „mit einem Hospizhelfer würde man sich den Todesengel ins Haus holen“, erklärt Frauke Frodl. Die Kinder sind auch keine Patienten, sondern Gäste. Ramona Spelinsky erzählt: „Wir sagen ihm nicht, dass wir in ein Kinderhospiz fahren, weil wir nicht wissen, ob er das einordnen kann. Ich sage ihm immer wir fahren in ein Ferienlager.“ In Deutschland wurde 2005 eine Kinderhospizakademie gegründet. Familienbegleiter erhalten hier eine

Das Kinderhospiz Sonnehof in Berlin hat z.B. einen kleinen Streichelzoo, ein Schwimmbad und ein Wasserbett. - Hier sollen alle Sinne angesprochen werden. Fotos: Kinderhospiz Sonnenhof

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Titelthema Zusatzqualifikation. Der Sozialpädagoge Hubertus Sieler gibt Seminare für Familienbegleiter. Aus seiner Erfahrung hat er gelernt, dass man gerade den Geschwistern gegenüber manche Sachen klar benennen sollte anstatt in Bildersprache zu reden: „Einige Eltern sagen ihren Kindern, dass ihr Bruder eingeschlafen ist. Teilweise bekommen die Kinder dann später Probleme beim Einschlafen, weil sie Angst haben nicht mehr aufzuwachen. Manchmal ist es besser zu sagen: Dein Bruder ist tot, er ist jetzt an einem anderen Platz.“ Außerdem bereitet Sieler die Familienbegleiter auf verschiedene Probleme vor: „Neben Erkrankungen des Kindes kommen meist noch andere Päckchen hinzu, die die Betroffenen zu tragen haben. Dazu gehören Alkohol, Drogen, Gewalt, eben alles, was eine Gesellschaft so zu bieten hat.“ In ganz Deutschland gibt es acht Kinderhospize. Der Sonnenhof in Berlin ist das einzige in Berlin/Brandenburg. Es kann bis zu zwölf Kinder aufnehmen. „In England gibt es 40 stationäre Kinderhospize, die fast alle ausgelastet sind“, erzählt Sabine Kraft, Geschäftsführerin des Bundesverbandes für Kinderhospize e.V. In England hatte die Hospizbewegung ihren Ursprung circa zehn Jahre bevor 1998 auch in Deutschland das erste Kinderhospiz gebaut wurde. Das Sterben von Kindern ist in Deutschland immer noch ein Tabuthema. Der Weg bis zu den ersten Kinderhospizen war steinig. Sabine Kraft erklärt: „Kliniken und Pfleger hatten Angst, dass ehrenamtliche Pflegekräfte ihnen die Arbeit wegnehmen könnten.“

8 Kinderhospize für ganz Deutschland Die kleine sechsjährige Sami krabbelt in die Höhle, die sie mit anderen Kindern aus einem Tisch und Decken im Sonnenhof gebaut hat. „Komm“, sagt sie energisch zu allen Pflegern, die an der Höhle vorbeigehen und fordert die zögernden auch gerne noch einmal auf: „Komm! Komm!“, bis sich auch der letzte entschlossen hat, in die Höhle zu kriechen. In einem Jahr wird sie im Rollstuhl sitzen, wie ihr nur wenige Jahre älterer Bruder. Die

Lebenserwartung der beiden liegt bei circa 14 Jahren. Sie haben die Stoffwechselkrankheit NCL, eine Erbkrankheit. Kinder mit dieser Krankheit entwickeln sich bis zum vierten Lebensjahr völlig normal. „Dann fangen sie an zu stolpern und die Auge werden schlechter“, erzählt Frauke Frodl. „Bis zur endgültigen Diagnose vergehen meistens ein bis zwei Jahre, weil der Kinderarzt das Kind zum

“Warum spricht sie nicht mehr?”, fragen die Kinder im Sonnenhof. “Sie kennt schon das Engelsgeheimnis und das darf sie niemandem verraten”, antwortet eine Mutter. Beispiel erst einmal zum Augenarzt schickt.“ Die Krankheit endet in völliger Blindheit, Orientierungsverlust, Sprachverlust und Gedächtnisverlust. Die Kinder bauen immer mehr ab, müssen letztendlich künstlich ernährt werden und irgendwann geben sie auf. Bis heute sind die Rahmenbedingungen für Kinderhospize nicht im Gesetz verankert. Deshalb ist auch die Finanzierung schwierig. „Jedes Hospiz muss mit den Kassen im eigenen Land über die Kostenübernahme verhandeln und Verträge abschließen“, erzählt Sabina Kraft. Durchschnittlich übernehmen die Kassen 40 Prozent der Kosten. Der Rest muss durch Spendengelder finanziert werden. „Ich bremse deswegen lieber etwas ab, wenn es um den Bau neuer Kinderhospize geht. Der Spendenmarkt verträgt im Moment einfach nicht noch mehr“, fügt sie hinzu. Der Umbau des Sonnenhofes, komplett durch Spenden finanziert, kostete 2,6 Millionen Euro. Die hellen, freundlichen Gänge des Kinderhospizes führen zum Aufenthaltsraum, indem sich auch die Küche befindet. Frauke Frodl erzählt: „Wir haben die Küche extra offen gelassen, damit die kranken Kinder die Gerüche mitbekommen und das Töpfeklappern hören können.“ Viele der Kinder können zum Beispiel nicht mehr laufen und nicht mehr reden. Es ist wichtig, möglichst viele Sinne anzusprechen. So wurde zum Beispiel ein Wintergarten an das Haus angebaut, „damit

Daniel hat eine Sonderform der Multiple Sklerose. Langsam entwickelt er sich bis zum Babyalter zurück. Fotos: Familie Spelinsky

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Das Kinderhospiz Sonnehof in Berlin hat einen Garten und einen kleinen Teich. die Kinder, die nur noch im Bett liegen können, auch mal eine andere Perspektive haben und nicht dauernd nur an die Decke starren müssen.“, erklärt sie. Außerdem gibt es auch ein Schwimmbad und das Snoezelenzimmer, in dem die Kinder auf einem Wasserbett treiben und sich dabei das bunte Lichtspiel an den Wänden angucken können, das durch eine Discokugel erzeugt wird. Auch ein Streichelzoo war von Anfang an geplant, damit sich die Geschwisterkinder auf dem Sonnenhof nicht langweilen, wenn die Eltern sich um ihr krankes Kind kümmern. Denn das Grundprinzip auf dem Sonnenhof ist: Wenn ein Kind erkrankt ist, ist immer die ganze Familie betroffen und jeder muss in irgendeiner Form begleitet werden. Sterbebegleitung ist Begleitung über den Tod hinaus. Denn viele Eltern kennen ihre Möglichkeiten nicht. Sie wissen zum Beispiel nicht, dass sie ihr Kind nach dem Tod drei bis fünf Tage aufbahren dürfen und sich von ihm verabschieden können. „Ich bin überzeugt davon, dass dadurch auch den Geschwistern - zehn Jahre

Traueraufbereitung erspart bleiben können“, meint Frauke Frodl, „denn die meisten toten Kinder sehen wirk-

“Die meisten toten Kinder sehen wirklich aus, als würden sie schlafen.” lich aus als würden sie schlafen.“ Man muss die Eltern allerdings darauf vorbereiten, was passieren kann... „also ihnen sagen: Auch wenn ihr hier die Heizung auf volle Pulle dreht, die Körpertemperatur wird absinken und irgendwann wir das Kind richtig unangenehm kalt sein, erschreckt nicht. Oder nach soundso vielen Stunden wird eine Steifheit im Körper eintreten, erschreckt euch auch davor nicht. Oder wenn ihr euer Kind hochnehmt, kann es sein, dass irgendwo Körperflüssigkeit austritt“, erklärt Jürgen Schulz, Vorstandsmitglied der „Björn Schulz Stiftung“ praktisch die Hilfe der Kinderhospize und fährt fort: „Wenn die Eltern genügend Zeit haben Abschied zu nehmen und sie

Foto: Kinderhospiz Sonnenhof

merken, wie der Körper kälter wird, dann sagen sie irgendwann: Jetzt wirds langsam nur noch die Hölle.“ Dann sind sie bereit, den Tod des Kindes zu akzeptieren, das Kind vielleicht sogar selber in den Sarg zu legen und den Deckel zu schließen, denn sie wissen, dass ihr Kind nun in ihrem Herzen ist. Im Hinterhof des Kinderhospizes plätschert ein kleiner Bach vor sich hin. An seiner Quelle liegen einige Steine im Wasser, auf die Eltern mit bunten Farben die Namen ihrer toten Kinder geschrieben haben. Im Kinderhospiz Balthasar, dem ersten Kinderhospiz in Deutschland, sind es die zahlreichen bunten Fuß- und Fingerabdrücke an einer großen Wand, die an die vielen Kinder erinnern. Es sind die wenigen sichtbaren Spuren, die diese Kinder hinterlassen.

Andrea Scheffler

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Suche... bleibe!

Hotelzimmer sind für Individualisten und preisbewusste Reiseexoten ein rotes Tuch: der hohe Preis und die Anonymität hemmen die Reiselust. Wer Fremden grundsätzlich wohlgesonnen ist, wird an Couchsurfing dagegen seine Freude haben. Neue Stadt, neue Leute, neue Couch – das sind die Grundpfeiler der Couchsurfing-Philosophie.

Foto: Couchsurfing

Weltweites Netzwerk - jeder Punkt ein Couchsurfer

Die moderne Art der Gastfreundschaft funktioniert ganz einfach: Man meldet sich auf der Webseite an, gibt dann eine Beschreibung über sich und seine Couch ab und begibt sich auf die Suche nach einem netten Gastgeber, der bei der nächsten Reise so freundlich sein möge, eine Schlafmöglichkeit anzubieten. Um dem Trend der Social NetworkingPlattformen gerecht zu werden und die Idee in den modernen Sprachgebrauch einzubetten, könnte das Schlagwort dafür also am ehesten “Reisen 2.0” lauten. Dabei impliziert die Philosophie ferner, dass diese Art der halb-anonymen Gastfreundschaft - ersteAbtastungsversuche werden ja vorher schon per Mail unternommen - unentgeltlich erfolgen soll. Seit dem 1. Januar 2003 gibt es die Webseite bereits und seitdem steigen die Besucherzahlen stetig an. Dabei erlitt das Projekt 2006 einen herben Rückschlag, als plötzlich ein gravierender Datenbankfehler die Webseite, und damit das ganze Projekt, zum Erliegen brachte. Casey Fenton, der aus den USA stammende Gründer der Plattform, hatte aufgrund dieses Vorfalls sogar beschlossen, das Projekt aufzugeben. Jedoch kamen aus der Gemeinschaft etliche Hilfsangebote und dank professioneller Da-

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tenforensiker aus aller Welt konnten auch die meisten Profile samt Referenzen, Freundschaftsbeziehungen und persönlichen Angaben gerettet werden. Nach vielen Litern Kaffee war dann alles wieder in Ordnung und die Seite ging im Juli 2006 wieder in Betrieb. Seitdem heißt das Projekt Couchsurfing 2.0 und hat sich einer neuen Philosophie verschrieben. „Participating in Creating a Better World, One Couch at a Time“ – so lautet die offizielle Mission nun. Damit ist gemeint, dass sich Leute aus aller Welt austauschen und damit Werte wie Toleranz oder das Gemeinschaftsgefühl steigern, also die kulturelle Verständigung verbessern sollen. Couchsurfen für eine bessere Welt sozusagen. Es geht eben nicht nur darum, eine möglichst bequeme Couch zu finden, die möglichst wenig aufs Portemonnaie drückt. Die Couch dient eher als physischer Gegenstand im Prozess der Völkerverständigung. Hat man als gewöhnlicher Tourist nur die Möglichkeit lediglich den Kopf in das kulturelle Becken einer Region zu tunken, erhält man durch den Gastgeber die Chance, vollkommen in die fremde Kultur einzutauchen. So bekommt man die Gelegenheit, weitere Einheimische kennenzulernen, auf Partys zu gehen, die dem gewöhnlichen

Reisenden vorenthalten bleiben oder erhält Tipps, die kein Reiseführer auflistet. Jedoch gehört eine kleine Portion Flexibilität und Geduld dazu, denn nicht immer hat der Gastgeber Zeit und Lust, den Stadtführer zu mimen oder soviel Vertrauen, einen zusätzlichen Wohnungsschlüssel für ein paar Tage abzutreten. So kann es sein, dass die eigenen Pläne an die fremde Tagesplanung angepasst werden müssen. Entsprungen ist diese Idee – wie könnte es anders sein - aus der Not heraus, eine günstige Unterkunft zu finden. Als der heute 29-Jährige Casey Fenton sich ein Billigticket nach Island sicherte, lag der Gedanke nahe, dass er das gesparte Geld nicht in ein teures Hotelzimmer investieren wollte. So hackte er sich in den Server der Universität von Reykjavik ein und schickte Mails an über 1500 Studenten, mit der Bitte, ihm einen Schlafplatz anzubieten. Nachdem sich zahlreiche Leute gemeldet hatten und Fenton ein unvergessliches Wochenende dort verbrachte, beschloss er, das CouchSurfing-Projekt ins Leben zu rufen. Anfang November 2007 teilten über 354.000 Couchsurfer in 224 repräsentierten Ländern diese Philoso-


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Wer das Couchsurfing-Projekt mit mehr als seiner Couch unterstützen möchte, kann Geld an die NonProfit-Organisation spenden. Das ist auch gleich mit dem Sicherheitsgedanken gekoppelt; wer über einen bestimmten Betrag hinaus spendet, bekommt den Bonus, dass angegebene Daten wie Name und Adresse verifiziert werden. Diese Personen erscheinen bei den Suchergebnissen weiter oben und signalisieren durch ein Symbol auf der Profilseite, dass die von ihnen angegeben Daten der Wahrheit entsprechen.

Foto: Eugen Friesen

Eine typische Couchsurferin

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phie. Bis dahin wurde schätzungsweise 270.000 Mal Gastfreundschaft zelebriert, wurden gepolsterte Möbelst ücke zu Plätzen der Geborgenheit in der Ferne. Paris, Montreal, London und Berlin gehören dabei zu den am meisten „ g e s u r f t e n“ Städten. Dabei muss nicht jedes Mitglied zwangsweise seine Couch anbieten. Stattdessen kann man auch seine Freizeit offerieren, indem man sich nur auf ein Kaffee trifft, jemandem die Stadt zeigt oder zusammen ein Festival besucht.

Natürlich fehlt auch die soziale Komponente auf der Seite selbst nicht. Gruppen, Chats, Foren, regionale und internationale Treffen, sowie ein Wiki bieten genügend Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Mitgliedern. So sucht man sich meist Leute aus, die ähnliche Interessen haben und verteilt auf diese Weise schon erste Sympathiepunkte, gewährt der/dem Fremden einen Vertrauensvorschuss. Weiteres Vertrauen verdienen sich die Mitglieder durch die Bewertungen der Gastgeber und können auch diese wiederum bewerten – ähnlich wie bei eBay. Besonders attraktiv ist Couchsurfing also für Abenteuerlustige mit knappem Budget, die sich nicht davor scheuen, offen auf fremde Menschen zuzugehen. Wer sich verschlossen und desinteressiert zeigt, wird sicherlich außer einem warmen Schlafplatz nicht viel davon haben. Jedoch gibt es viele Möglichkeiten, ein einzigartiges Reiseerlebnis zu verbringen – nämlich genauso viele, wie es Mitglieder gibt. Die Ambitionen des Portals sind jedenfalls nicht bescheiden, denn CouchSurfing will „nicht nur die Art wie wir reisen, sondern die Art wie wir die Welt sehen“ verändern. Ein schöner Gedanke. Eugen Friesen

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Suche... Liebe, aber schnell! Exzessive Kneipenabende und ausgedehnte Disconächte… Hier wird zwischen Biergläsern, schwitzenden Leibern und wummernden Soundboxen vor allem eines: Gejagt. Auf engem Raum und stundenlang. Der moderne Mensch hat gelernt, dass jene Plätze geeignete Zusammenkünfte sind, um auf Beutezug zu gehen. Hier trifft sich, wer flatternden Rockzipfeln, steil aufgestellten Hemdkragen und koketten Blicken hinterherspähen will; hier werden gleichermassen raffinierten Charmeoffensiven und plumpe Fallen eingesetzt. Man rottet sich zusammen, um die interessantesten und gleichzeitig aussichtsträchtigsten Objekte auszumachen (per Gruppenvorteil höhere Trefferquote - viele Augen sehen mehr), begibt sich in eine beobachtende Position (oft durch Bier in der linken, Zigarette in der rechten Hand und dezenten Blick in Richtung Tanzfläche erkennbar) , deutet Signale (wildes Zurückwerfen von Haaren, unauffälliges Exponieren von primären Geschlechtsmerkmalen), wägt Risiken gegen Chancen ab (potentiell möglicher Misserfolg gegen subjektiv empfundenen, sehr wahrscheinlichen Erfolg), macht sich

Kandidat 1 entzückt

Und so könnte alles so einfach sein für zeitgenössische Singles. Lägen

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… Oder er verfehlt sein Ziel um Längen. Denn ob Jäger/in und auserkorene Beute tatsächlich gemeinsam den Weg nach Hause finden, entscheidet sich erst dann, wenn ersichtlich wird, ob die Strategie des Jägers zu dem jeweiligen Zickzacklauf des Häschens passt. Zu forsches Vorgehen kann ebenso in die Leere gehen,

Kandidat 2 ist ehrlich

die gewitzten Häslein ihren sicheren Bau verlassen würden. „Hier bin ich!“, würden die Geifernden mutig rufen und „Bitte, hasch mich!“ die Willigen antworten. Ein Spiel ohne langes Taktieren würde folgen: In Minutenschnelle würden scharfe Augen Maß nehmen und passende Beute selektieren, im Sekundentakt würden feine Näschen zuckend die Geruchs -Nuancen eines Jägers feststellen. Um eine Bewertung des Gegenübers vorzunehmen, bedarf es schließlich nur weniger Augenblicke. Auch der gegenseitige Abgleich der Evaluierungen mit anschließender Pärchenbildung könnte sich rasch vollziehen.

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zum großen Sprung bereit (Beute anvisieren, Körperspannung aufbauen, nicht die Nerven verlieren!) und geht letztendlich zum Angriff über. Jaaa, man spürt es ganz genau: Dieser Schuss könnte genau ins Schwarze treffen!!!

doch nur die Karten klar auf dem Tisch! Hätte man doch nur die Möglichkeit, statt zeitraubender PartnerSuche und aufreibendem Kennenlern-Prozedere die Dinge auf das Wesentliche zu reduzieren! Wer bist du? Will ich dich? Wer will mich? ,- so lauten die essentiellen Fragen eines bindungswilligen Individuums, die jedoch allzu oft eingebettet sind in umständliche Formalitäten, eine zähe Masse an Konventionen, Sitten und Normen. Im Keim ersticken sie einen ehrlichen Schlagabtausch: Selten kann man sich seines Gesprächspartners binnen weniger Minuten entledigen („Sorry, aber deine Nase passt mir nun einmal nicht!“), gleichwohl verbietet der gebührende Anstand eine

wie ein lauer Anpirschversuch, dem die ehrgeizige Ambition fehlt. Ach, wie schwierig diese sich zyklisch wiederholenden Jagdausflüge doch sind! Wie schnell verwandelt sich der mutige Jäger in einen anhänglichen Stalker, der die angelegte Flinte einfach nicht ins Korn werfen will. Wie traurig, wenn schon gar zu oft das fröhliche Jagdhorn ertönte und unerbittlich von erfolglosem Wildern gefolgt wurde. Erquicklich wäre ein Revier, in dem sich die Jäger/innen ihrer grünen Tarn-Kluft entledigen würden und

Kandidat 3 ist charmant

unumwundene Begeisterungsoffenbarung. („Küssen wäre jetzt nicht schlecht!“). Eine neue Lösung dieses Problemfeldes eröffnet eine sehr zeitgemäße Dating–Alternative: „Speed-Dating“ nennt es sich, und es ist genau das, was man sich vorstellt: Eine verschlankte Form der Partnersuche. Sieben Frauen treffen auf sieben Männer, bilden Paare und haben sieben Minuten Zeit, ihr Gegenüber kennenzulernen. Daraufhin wechseln die Männer die Tische und es bilden sich neue Paarungen mit wiederum sieben Minuten Zeit. Nachdem jeder Herr das Vergnügen mit jeder anwesenden Dame hatte, füllen die Teilnehmer einen Zettel aus, der dokumentiert, ob Interesse an einem


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Wiedersehen mit den vorherigen Gesprächspartnern besteht. Falls sich übereinstimmende Bewertungen finden, übermitteln die Veranstalter des „Speed-Datings“ im Nachhinein die Kontaktdaten der jeweiligen Aneinander-Geschmack-Findenden. Soweit also das „Lean-Management“ des Kennenlernens in der Theorie. Zeiteffizient, direkt, unkompliziert. Was aber sagt der Praxistest? Handelt es sich um Verzweifelte, die in eben jener Art der Kontaktaufnahme ihr Heil suchen? Deprimierte? Verschüchterte? Verschrobene Menschen? Welche Art von Mensch gibt sich so offenkundig der Abwendung von herkömmlichen Formalitäten hin? Hängt sich so ungeniert das „Suche…Liebe“-Schild um den Hals?

Weder Weiß noch Schwarz gibt es in dieser Frage,- stattdessen schillert (wie so oft) das Spektrum an Antworten ungeniert vor sich hin. Denn die tatsächlichen Teilnehmer sind bemerkenswert normal. Fast scheint es, als würden sie einen zufälligen Durchschnitt der Gesellschaft bilden. Klaus, 26, Projektmanager, feuchter Händedruck und nervöses Grinsen, folgt auf Jim, 32, Kanulehrer, sympathisch und braungebrannt. Der mit unverkennbar ostdeutschem Akzent parlierende Zeitungsausträger Heiko, 39, seit 6 Jahren Single und Weiße-Sockenin-schwarzen-Schuhen-Träger löst Ramin, 25, ab, der durch sein Augenbrauen-Piercing auffällt und einen Vollzeitjob mit abendlichem Studium kombiniert. Die weiblichen Teilnehmer sind eben so wenig spektakulär, - weder bewahrheitet sich der vage Verdacht einer äußerlich begründe-

ten Schwervermittelbarkeit, noch die Vermutung einer wahrnehmbaren Verhaltensabnormalität. Dementsprechend unkompliziert geht es in den einzelnen Konversationen zu: „Speed-Dating“ besticht durch die gebotene Möglichkeit zu lockerem Smalltalk, unkonventionellem Gesprächsstoff und einem sehr zielführenden Ablauf. Denn die Mission ist klar definiert: Es geht um das reziproke Abchecken, Auschecken, das mentale Betasten. Was schon lange in der Wissenschaft bekannt ist, findet hier seine logische Konsequenz: Bei jedwedem Aufeinandertreffen von Frau und Mann entscheiden beide Seiten innerhalb weniger Sekunden intuitiv, ob das Gegenüber als potentieller Beziehungspartner in Frage kommt, oder ob die erfolgreiche Weitergabe des Erbgutes in diesem Falle eher unwahrscheinlich ist. Sieben Minuten sind demzufolge mehr als genug. Was witzig und spannend klingt, erweist sich tatsächlich als kurzweiliges

Fotos: Marie Ting und Eugen Friesen

Hat es etwas mit Würde und Stolz zu tun, sich selbst auf sieben Minuten zu reduzieren? Oder ist es ein Zeichen von Stärke und Zielstrebigkeit, dem Wunsch nach einem Partner auf diesem Wege näherzukommen? Ein Zeichen von Mut,

Experimentierfreudigkeit, Spaß am effektiven Kommunizieren? Lust am Reiz des Neuen?

Kandidat 4 ist sexy

Kandidat 5 ist witzig

Abendvergnügen. Wenn alle 420 Sekunden ein Glöckchen bimmelt und sich das Gesicht auf der anderen Seite des Tisches ändert, so fällt es schwer, peinliche Pausen und gelangweilte Mienen aufkommen zu lassen. Merkwürdig ist es trotzdem, dieses moderne Aussieben und Abschöpfen von Möglichkeiten auf dem Partnersuchmarkt. Man trifft sich, wechselt wenige Sätze, macht ein „JA“- bzw. ein „NEIN“-Kreuz und geht wieder auseinander. Fast erinnert es an eine spontan einberufene Tauschbörse: Ein Basar, ein temporärer Marktplatz, auf dem sich Angebot und Nachfrage treffen, ihre Vorzüge ins rechte Licht rücken, Bereitschaften signalisieren und schlussendlich ein Gebot abgeben.

Die Handelsbedingungen sind transparent, die Motive der Akteure eindeutig. Warum aber mutet das „Speed-Dating“ so viel unromantischer und verzweifelter an, als das allabendliche Fährten-Legen und -Aufnehmen der vergnügungstollen Jäger und Hasen? Vielleicht ganz einfach, weil das Spielen und Necken ebenso wie das Jagen und Erlegen doch in der menschlichen Natur liegt. Vielleicht, weil es Liebenden widerstrebt, auf die Frage nach dem Begebnis ihres Kennenlernens „Speed-Dating“ antworten zu müssen. Denn auch wenn unser Alltag von knappen Zeitressourcen geprägt ist, auch wenn Schnelligkeit, Kurzlebigkeit und Effizienz die wichtigsten Faktoren unseres Handelns sind,-

Kandidat 6 ist wohl der Richtige!

eine derart entschlackte Form des Flirtens ist nicht jedermanns Sache. Um schnell mit potentiellen Partnern in Kontakt zu kommen, zu testen, zu tasten und zu teasen, lässt sich „Speed-Dating“ ohne Bedenken weiterempfehlen. Auch für Schüchterne. Auch für Mutige. Besonders für solche, die es gerne etwas schneller hätten. Aber ohne mehr Garantie auf Erfolg. Marie Ting

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Nichts dem Zufall überlassen Gezielt suchen und doch nichts finden? Das Problem mit der Partnersuche. Wer bist Du? Was machst Du? Was suchst Du? - Deine Aussagen in deiner Kontaktanzeige entscheiden über „Top oder Flop“. Es geht ums Marketing in eigener Sache. Mit diesen entscheidenden Fragen haben sich bereits 6,5 Millionen, der insgesamt 11,2 Millionen Singles deutschlandweit, auseinandergesetzt. Sie alle sind auf der Suche nach dem vollkommenen Idealpartner. Ein Trend der heutigen Singlegesellschaft? Der moderne Single überlässt sein Schicksal nur noch selten dem Zufall. Zwar wissen wir nicht genau, was wir wollen, dafür aber umso besser, wie der Traumpartner auf gar keinen Fall sein darf. Wir suchen nach irgendeinem Ideal - Hauptsache perfekt und makellos - obwohl wir selber gar keine genaue Vorstellung haben, wie es auszusehen hat. Und exakt dabei hilft uns eine der wachstumsstärksten Branchen im Internet: Die Partnerbörsen.

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Sie versprechen uns, ohne großen Aufwand, den maßgeschneiderten Partner zu finden, nachdem wir so lange vergebens gesucht haben. Indem wir Persönlichkeitstests durchlaufen, unsere Vorlieben angeben und direkte Angaben zu unserem Traumpartner machen, filtert die Partnervermittlung potentielle Kandidaten heraus, die unseren Vorstellungen am ehesten entsprechen. Viele von uns nutzen diese Möglichkeit der Partnersuche als letzten Versuch, jemanden zu finden. Vor allem durch die Anonymität im Internet verlieren wir Hemmungen und Kontaktscheu. Auch die Angst vorm Versagen und dem wohlbekannten „Korb“ schwindet. Plötzlich fühlen wir uns nicht mehr persönlich angegriffen, wenn uns der eben noch potentielle Partner ablehnt, da dieser „Jemand“ in unserer Welt gar nicht real ist. Wir nehmen dies beiläufig zur Kenntnis, fokussieren aber schon zeitgleich unseren Blick auf neue Angebote der Partnerbörse. Auch diese Bekanntschaft scheint erneut perfekt zu sein und vielleicht klappt es ja diesmal...

Um dem Phänomen „Singlebörse“ oder „Partnervermittlung“ mal genauer auf den Grund zu gehen, haben wir von der Redaktion das Internet als Möglichkeit zur Partnersuchegetestet. Dabei stellten wir uns einige Fragen: „Kann man sich in eine Internetbekanntschaft wirklich verlieben oder verrennt man sich in eine Wunschvorstellung?“ „Ist es überhaupt möglich ernsthafte Kontakte zu knüpfen?“ „Wie ehrlich sind die Interessenten zu sich selber und zu uns?“ und „Wird die Anonymität des Internets überschritten?“. Wir testeten alle genau eine Woche lang in verschiedenen Partnerbörsen. Zwei männliche und zwei weibliche Charaktere, mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften und Vorzügen, machten sich auf die Suche nach Resonanzen und Antworten. Vergleichend dazu haben wir das Dortmunder Nachtleben auf Kontaktfreude und Flirtlaune geprüft.

Sarah als “Miri (21)” Frau sucht Mann beim 1live Liebesalarm „Ich suche einen MANN!“ Kurz, knapp und ziemlich präzise stellt sich Miri in ihrem Profil dar, ohne lange Rederei über ihre Person, ihren Traummann oder ihre Hobbys. Darunter ein sehr sympathisches Bild mit Strohhut und kessem Lächeln, welches die Sucher in ihren Bann ziehen soll. Sie ist zudem blond und wirkt frisch, noch dazu sehr fröhlich und witzig. Der Traum eines jeden Mannes? Das unkomplizierte Mädel


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Alexandra gab sich als Dreamboy Ben Schoner (22) aus - ohne spürbaren Erfolg ... von nebenan mit dem ‚Mann‘ Pferde stehlen kann. Die Interessenten zeigten kreatives Geschick, indem sie überwiegend auf ihre „sehr seltenen“ Vorlieben, wie z.B. gutes Essen, eingingen. Auch der Strohhut bot den Herren die Chance einen unkomplizierten Flirtversuch zu starten. Von ihrem verzweifelten Aufruf „Ich suche einen MANN“ fühlten sich besonders Männer ab 30 dazu aufgefordert sie „anzuflirten“! Dabei ergatterte sie nicht nur diverse Handynummern, sondern auch zahlreiche Anfragen, den Mann ihrer Träume treffen zu können. Und obwohl ihr Aufruf eindeutig scheint, meldeten sich auch Frauen, die sie kennen lernen wollten.

Flirtresonanz (1live): 1448 Besucher ihres Profils 96 Nachrichten von Usern im Alter von 21-37 Jahren - darunter 3 Frauen 5 Handynummern

Alexandra als “Ben Schoner (22)” Mann sucht Frau bei Jux.de Blond, blauäugig, Jura-Student, durchtrainiert - eben der Prototyp des guten Geschmacks: Ben Schoner. Ein Problem gibt es da jedoch, Ben ist einsam. Um dem schmerzenden Herzen Linderung zu verschaffen, geht er auf die Suche - und zwar im Internet. Von den zahlreichen Portalen entscheidet er sich für Jux.de, welches noch zur „Untergrund-Szene“ der Singlebörsen gehört. Und es wird auch schnell klar warum. Trotz tadellosem Profil wird Ben schlichtweg ignoriert. Motiviert ergreift er nun die Offensive, was sich im notorischen „Anlächeln“ (vgl. „gruscheln“) von weiblichen Wesen ausdrückt. Ein Erfolg will sich dennoch nicht einstellen. Ben vergisst also jede Scheu und beginnt wahllos Mädchen anzuschreiben – und siehe da: Erste Erfolge zeichnen sich ab, man antwortet ihm lustlos. Aber immerhin! Um wirklich alles ausprobiert zu haben, versucht Ben wagemutig ein Treffen mit einem der hart erkämpften

weiblichen Kontakte zu arrangieren. Dabei scheitert er jedoch, als ihm seine Angebetete nicht mehr antwortet. Das hat dann selbst Ben verstanden und gibt niedergeschlagen auf, da er feststellen muss, dass es sich bei dem Versprechen „neue Freunde“ auf jux.de zu finden wohl tatsächlich doch eher um einen Witz handelt.

Sonja als “Becky (21)” Frau sucht Mann bei Neu.de Becky_W trifft ihren Traummann „bei einem Abendessen zu Zweit bei Kerzenschein unter einem sternenklaren Himmel“. So oder so ähnlich hätte eine Romanze ihren Lauf nehmen können, hätte „Männlich24“ nicht nach all den Versprechungen den Email-Kontakt abrupt beendet. Sätze wie „Wer weiß, was das Schicksal für uns bereit hält?“ sind wohl doch nur bei Word gespeichert und werden bei Bedarf in den entsprechendem Emailtext kopiert. Vor Blendern schützt eben auch kein TÜVZertifikat, mit dem sich Neu.de als einzige deutsche Social Community schmücken darf.

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Qualitätszeichen hin oder her, das Interesse der interaktiven Männerwelt an der „verspielten Individualistin“ ist zunächst sehr gering- die Enttäuschung Becky_Ws dementsprechend groß. Das Warten wird dennoch belohnt. Tag 4 verspricht die ersten Annäherungsversuche des anderen Geschlechts über Forum-interne Nachrichten. Männer zwischen 21 und 27 fragen sowohl nach Gemütszustand, als auch nach Beruf und bitten um den Austausch der ICQ-Nummern. Interne Gespräche auf diesem Wege aufzubauen erweist sich für Becky_W als mühsam und unpraktisch, ein intensives Kennen lernen bleibt daher aus.

Anna Lena als “Max (23)” Frau sucht Mann beim 1live Liebesalarm „Mädels, wo seid ihr?“ Max als typischer Singlemann ist auf

der schnellen Suche nach der makellosen Traumfrau. Er träumt von einem spontanen, humorvollen und abenteuerlustigen Mädchen, das nicht nur sportlich sondern am besten auch noch schlank und gutaussehend sein sollte. Er selbst stellt sich natürlich ebenfalls als Abenteurer mit sympathischem Lächeln dar. Somit ist die erste Kontaktaufnahme recht einfach: ein kurzes Kompliment zu seinem „phänomenalen“ Lächeln oder ein flüchtiger Satz über das Profil, welches die potenziellen Flirtpartnerinnen neugierig macht. „Hey Max, uiuiui nettes Profil … und dein Lachen gefällt mir - Lust zu schreiben?“ Aber trotz sehr kreativer Nachrichten junger Userinnen ist es nahezu unmöglich für Max, einen intensiveren Kontakt herzustellen. Über belanglose Fragen nach Wohnort oder Hobbys ge-

hen seine Gespräche eigentlich nicht hinaus.

Flirtresonanz (1 live): 304 Neugierige Besucher des Profils 29 Nachrichten 16 Mädels zwischen 17 und 25 Jahren aus dem Sektor

Disco-Hopping in Dortmund - Partnersuche zwischen Diskonebel und Cocktailbar Vier junge Frauen, ein wildes Durcheinander aus Mini, Pumps, Babydoll und einer Auswahl italienischer Parfumkreationen, umringt von einer Horde grölender Männer. „Single ladies, put your hands up, sexy ladies, make noise”- Oder so ähnlich... Klingt nach bedientem Klischee und schlechter Seifenoper, der Wirklichkeit jedoch gar nicht so fern. Die Realität eines Diskobesuchs Sonntagmorgen um 3 Uhr - Jagdsaison eröffnet. Von dem Erwerb einer Eintrittskarte versprechen sich viele nicht nur einen Besuch der Lokalität inklusive eines Freigetränks, sondern vielmehr Spaß, Freiheit und die berühmte „Leichtigkeit des Seins“. Man betritt den Spielplatz junger Erwachsener. Einen Jahrmarkt der Eitelkeiten auf dem sich jeder nach seinem Belieben präsentieren kann. Die Garantie sich richtig in Szene zu setzen bieten allseits beliebte Podeste - variabel auch mit Stange. Für den zwischenmenschlichen Kontakt gelten ebenfalls andere Regeln.

Sarah sucht ihr Glück als “miri 21” und hat auch Erfolg bei Frauen!

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Ist man im Alltag Fremden gegenüber noch zurückhaltend und auf einen Mindestabstand bedacht, verliert so manch einer auf der überfüllten Tanzfläche sämtliche Hemmungen und überschreitet selbstgesteckte Grenzen. Die Gelegenheiten ein nettes Mädchen


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Vier Mädels machen den Test: Findet man die große Liebe bei 120 Dezibel im Disconebel?

anzutanzen oder sich von einem Fremden einen Drink spendieren zu lassen scheinen grenzenlos. Ungewöhnlich schnell knüpft man neue Kontakte oder ist in ein Gespräch verwickelt. Diese überschreiten jedoch selten ein gewisses Level. Mag es am steigenden Alkoholkonsum oder an einer Umgebungslautstärke von geschätzten 120 Dezibel liegen, Unterhaltungen bleiben meist flach und kurzlebig. Mit sicherem Wissen die große Liebe nicht bei dröhnendem Beat und im flackernden Licht der Diskokugel zu treffen, verlässt so manch einer die Party. Sowohl Miri, Becky, Ben und Max, als auch wir sind um einige Erfahrungen reicher - positive wie negative. Wir prüften nicht nur das Internet als zuverlässige Option sein SingleDasein zu beenden, sondern eben-

falls die Chance abends in der Disko mit Freunden zu feiern und nebenbei auch noch das Liebesglück zu finden. Auf den ersten Blick zwei völlig verschiedene Spielfelder. Trotz der offensichtlichen Unterschiede fällt eines auf: Alkohol und die Anonymität des Internets scheinen die gleiche Wirkung zu haben.

Fotos: Partnersucheteam

eine persönliche Basis, denn der wahre Charakter bleibt vermutlich aus Angst vor Enttäuschung hinter oberflächlichen Floskeln verborgen. Im Gegensatz zu kostenpflichtigen Singlebörsen versuchen die User der getesteten Foren, ohne Risiken kurzfristige Kontakte zu knüpfen.

Müde, erschöpft und um einige Illusionen ärmer.

Glücklicherweise sind wir bei der Suche nach Liebe noch nicht ausschließlich auf moderne Technik angewiesen. Für das Finden des Traumpartners muss man eben doch mehr investieren, als lediglich in einen DSL-Anschluss und einen Drink.

Hemmungen gegenüber anderen werden leichter überwunden. Schüchternheit schwindet beim Schreiben von unpersönlichenNachrichten und unverbindlichen Flirtereien im abendlichen Rausch. Daher erreichen Kontakte nur selten

Den Partnerversuch machten: Anna Lena Daniels, Sarah Gottschalk, Alexandra Vesper und Sonja Baier

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Titelthema

Links ist da wo der Daumen rechts ist - die “Postmoderne Beliebigkeit” Die emanzipierte Susi von nebenan stimmt dem Papst in der Stammzellendebatte zu, Nachbar Kalle schimpft auf die Ausländer, doch lobt die Unterstützung erneuerbarer Energien. Rechts und Links war gestern, heute ist es komplizierter. Früher war wie immer alles einfacher - man war entweder Rechts oder Links, hatte ein gemeinschaftliches Klasseninteresse und fühlte sich sozial zugehörig. Jedoch zeigen viele Studien heute, dass keine Neigungen zu Extremen mehr stattfinden. Über 40 Prozent der Jugendlichen ordnen sich keiner Partei zu. Unter den Studierenden, die sich im studiVZ; einer Internet-Plattform, über die sich Studenten unterschiedlicher Hochschulen miteinander vernetzen können, eingetragen haben, beschreibt sich eine große Mehrzahl als unpolitisch. Die Jugend wird also immer unpolitischer, doch ist sie das wirklich oder überfordert einfach die „Neue Unübersichtlichkeit“ wie Habermas sie nennt? J u g e n d l i ch e stehen heute unter dem Einfluss des großen Medienangebotes, aus allen Kanälen schwappen Me i n u n g e n , Ideen und populistische Strömungen. Doch welcher Linie soll man folgen? Stimmt man der einen Denkrichtung in Sachen Umweltpolitik zu, hakt es bei den Werten oder der Familienpolitik. Wer soll da noch einen Überblick behalten? Nachrichtensender der USA haben diesem Desinteresse entgegengewirkt: Um die Zuschauer weiterhin für sich

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zu gewinnen, verlieren die News an Objektivität, richtungweisende Bulletins leiten die Zuschauer durch die Nachrichten und siehe da: die Einschaltquoten steigen. Sehnen sich die Zuschauer nach einer klaren Position? Ist ihnen das zu verdenken? Heute dominieren nicht mehr politische und gesellschaftliche Gesinnungen die Meinungsbildung, sondern Themen und Ideen. Ein Konsenspopulismus entsteht, Alli-

sanne Gaschke, Redakteurin der Zeit, bringt es auf den Punkt: „Die Jugend ist, wie sie ist – und vor allem ist sie ein Kind ihrer Zeit, ein Produkt der Erziehung ihrer Eltern, der Vorbilder, die die Gesellschaft ihr geliefert hat.“ Der Wandel der politischen Einstellung und sozialen Werte im Laufe der Jahrzehnte beweist den Wahrheitsgehalt dieser These. Unternehmen wir eine Zeitreise: „Solange du deine Beine unter meinen Tisch stellst, hast du zu tun, was ich sage.“

“Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.”

In den 50er Jahren dominiert der Boogie Woogie, und Elvis Presley fasziniert die jungen Menschen. Die Nachkriegsjugend trinkt Coca Cola, kaut Wrigley’s, trägt Jeans, Petticoats und schaut zum ersten Mal fern. Ehrlichkeit und Strebsamkeit stehen an erster Stelle, die Eltern sind die Vorbilder. Die Jugend kuscht und fällt nicht weiter auf, unpolitisch bahnen sie sich ihren Weg durchs Leben.

anzen über alle gesellschaftlichen Gruppen und Lager werden gebildet. Klima, Ökologie und Energie sind die Themen, die den Anfang des 21. Jahrhundert bestimmen. Im privaten Bereich ist es das nähere Umfeld, die

Familie und Freunde. Jugendliche und Studierende interessieren sich zweifellos für Themen wie Klima und Energie, doch unübersichtliche sowie schwer einzuordnende Ansichten und Meinungen erschweren eine eindeutige Positionierung. Su-

„Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“ Die 60er Jahre sind wild, die Jugend tanzt verehrt Stars wie die Beatles und Rolling Stones. Der Spaß am Protest steht an erster Stelle, die sexuelle Revolution bahnt sich ihren Weg. Die Jugend wird auch politischer, sie protestiert gegen den Vietnam-Krieg und Alt-Nazis in hohen Ämtern. Die Hippies feiern in Woodstock, Studenten schreien „Benda ans Geländer“ und Neil Armstrong lässt das Weltraumfieber ansteigen. „Keine Macht für Niemand.“ Die Jugend hat Frieden mit dem kapita-


Titelthema listischen Wertesystem geschlossen, Hotel Mama die Spaß- und PartyInteressierten. Raus aus dem grauen Alltag, rein in die glitzernde DiscoWelt. Der Idealismus der 60er wird durch Frustration und Terrorismus verdrängt, nüchterne Reformen lassen für Jugendliche nur noch zwei Dinge in der Freizeit als Wichtig erscheinen: Spaß und Unterhaltung. „No Atomstrom in my Wohnhome“ „Biste Punker oder Popper?“ war wohl eine der Fragen aller Fragen in den 80ern. Angepasste oder Protestler bilden zwei Pole unter den sorgenvoll in die Zukunft blickenden Jugendlichen. Die Angst vor Krieg in Europa und der Atomkraft findet sich in der Friedens-, Ökologie- und Frauenbewegung wieder. Hausbesetzer, Trendsetter und Anarchisten bestimmen die gesellschaftliche und politische Landschaft. Der Mauerfall lässt die Jugend die Krisen vergessen, die Freude über die Wiedervereinigung dominiert. „Der einzige Weg, das Leben zu ertragen, ist, es zu genießen.“ Die 90er beginnen mit Euphorie, endlich sprudelt der Optimismus, doch bald werden die Probleme deutlich. Themen wie Arbeitslosigkeit, Lehrstellenmangel und Entwertung der Bildungsabschlüsse zeichnen sich ab, auch die Parteien verlieren: Jugendverdrossenheit lautet das Stichwort. Allein die Internet-Euphorie bringt neue wirtschaftliche Belebung. „Mal sehen, was kommt, und dann das Beste daraus machen.“ Das Entweder-oder Prinzip wird im 20. gegen das tolerante Sowohl-als-auch Prinzip eingetauscht. Das Credo: „Kein Vorbild ist so, wie ich es möchte…“ Unsicherheiten und Risiken bestehen immer noch, aber auch Chancen. Die Technik macht die Welt zum Globalen Dorf. Doch das direkte Umfeld ist das Wichtigste, Politik nur nebensächlich. „Das kann ich gut in meinen Lebenslauf schreiben.“ Heute dominiert immer noch die Unsicherheit, Chance auf einen sicheren Arbeitsplatz. Hohe Anforderungen an den Einzelnen werden gestellt, der eigene Marktwert wird geprüft, bescheidene Ziele werden gesetzt, Träumen tun nur Wenige. Die Familie wird als ökonomische Unterstützung angesehen, gibt Stabilität, Kontinuität und emotionalen

Links oder Rechts?

Rückhalt. Aufgrund der demografischen Entwicklung sind sich die jungen Leute bewusst, dass private Vorsorge immer wichtiger wird. Die Entwicklung zeigt, dass, um noch einmal das Zitat anzuführen, „die Jugend ein Kind ihrer Zeit ist“. Wie in einer Welt zurechtfinden, in der an allen Fronten Schlachten ausgetragen werden? Wie so oft, wenn es zu kompliziert wird, wenden sich die

“Der einzige Weg, das Leben zu ertragen, ist es zu genießen.” Menschen ab, beschäftigen sich meist nur mit den Themen, die ihr Umfeld unmittelbar tangieren. Rechts und Links verschwimmen, Vorbilder verschwinden, Skandale stiften Unruhe. Krieg und Frieden, Freundschaft und Feindschaft, Demokratie und Diktatur, Privatsphäre und Öffentlichkeit. Eindeutige Zuordnungen werden zunehmend komplizierter. Die Politiker der eigenen Lager streiten sich, Nahles stichelte gegen ihren Parteivorsitzenden, Peer Steinbrück bezeichnet seine Anhänger als „Heulsusen“ und beschwert sich über „strukturkonservative Elemente“. Zeitschriften und Tageszeitungen ließen sich früher ihrer politischen Linie zuordnen, heute ist Zeitung lesen wieder spannend, Redakteure wechseln zwischen der Welt und der taz - und

Fotos: Kirstin Borlinghaus

das scheint keinen mehr zu jucken. Die zunehmende Kompliziertheit führt zu Unsicherheit, die Verständigung wird schwieriger, Missverständnisse treten häufiger auf. Die Jugend verliert die Orientierung; aufgrund der vielen politischen Strömungen, Themen und Ideen ziehen viele den Hut und werden passiv, lassen sich berieseln und wenden sich ihrem eigenen Umfeld und nicht den großen Themen der Politik und Gesellschaft zu. Auf der anderen Seite bieten die vielen Strömungen Nischen: Spezielles Interesse wird befriedigt und kann ausgelebt werden. Ob Gothic, Punk oder Alternativ, Schickimicki, elegant oder Tussi - die Jugend verurteilt nicht, sondern akzeptiert. Individualisten können sich frei entfalten. Die Toleranz, Freizügigkeit und Gedankenoffenheit suggeriert eine Art von Grenzenlosigkeit: „Anything goes.“ Doch die Gefahr der Grenzenlosigkeit ist der Selbstverlust, eine zerfaserte Identität. Wer bin ich? Was will ich? Was liegt mir? In der großen Unübersichtlichkeit ist die Suche nach der persönlichen und politischen Identität eine Herkules-Aufgabe und gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Doch ich bin mir sicher, es lohnt sich. Kristin Borlinghaus

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Titelthema

Auf der Suche nach... Anerkennung Laute Fangesänge und tanzende Spieler auf dem grünen Rasen. Am 30. September 2007 war es soweit – mit einem 2:0 Sieg im Finale gegen Brasilien konnte die Fußballelf ihren Titel in China verteidigen. Nein, nicht Ballack, Klose und Co. holten den begehrten Pokal, sondern die durchaus erfolgreicheren FußballFRAUEN...

Fußball-WM mit weiblicher Beteiligung statt. Dass der Frauenfußball natürlich Nachholbedarf hat, daran trägt auch der DFB eine Teilschuld. Es ging soweit, dass der Sport für Frauen jahrelang verboten wurde. Der DFB war der Meinung, dass Fußball ein Männersport sei. Aus diesem Grund wurde 1955 ein Verbot des Frauenfußballs eingeführt. Aber wie kommt eine Frau bei all diesen Vorurteilen und Schwierigkeiten überhaupt dazu, die Initiative

Der emotionale dritte Platz des K linsma nn-K la ns riss Deutschland anscheinend mehr mit, als der zweite Damen- Weltmeistertitel in Folge. Trotz der außergewöhnlichen Erfolge begegnet die Männerwelt in Deutschland dem Frauenfußball oft mit einem „abwertigen“ Schmunzeln. Schon bekannte Fußballgrößen wie Sepp Herberger, WM-Trainer von 1954, äußerte erste Bedenken bei der Vorstellung von Fußball spielenden Frauen: „Fußball ist keine Sportart, die für Frauen geeignet ist, eben schon deshalb, weil er ein Kampfsport ist.“ Auch die FIFA brauchte lange, um dem Frauenfußball die nötige Anerkennung zu schenken. Erst 1991 fand die erste

zu ergreifen und Fußball zu spielen? Mira Möller, mittlerweile erfolgreiche Spielerin beim SG Wattenscheid in der ersten Frauenfußball Bundesliga, hat sich schon vor 17 Jahren dazu entschieden. Bei der heute 21-Jährigen war es ausgerech-

Zweikampf um den Fußball, gekämpft wird mit aller Kraft

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net ein Mann, der sie zum Fußballspielen animierte. Begeistert durch ihren Bruder spielte Mira bereits ab ihrem vierten Lebensjahr beim SV Geisecke in der Jungenmannschaft. Auch ihr einziges direktes Vorbild ist männlich. Der ehemalige Nationalspieler „Kalle“ Riedle motivierte Mira am Ball zu bleiben. Nach mehreren Wechseln zu verschiedenen Mädchen- und Damenmannschaften testet Mira nun schon seit drei Jahren ihre Grenzen beim SG Wattenscheid. Vier Trainingstage in der Woche plus zwei Extraeinheiten gehören für die Spitzensportlerin zum Alltag. Ein freier Tag ist etwas ganz Besonderes für Mira: „Als richtig freier Tag bleibt mir nur der Samstag, daher reduziert sich auch der Freundeskreis im Laufe der Zeit.“ Der Vorteil den Mira hat, sind die vielen Kontakte zu Mitspielerinnen und Beteiligten am Frauenfußball. Daher ist sie noch nie richtigen Vorurteilen begegnet. Vielleicht reicht es ihr deshalb Anerkennung von den Menschen zu bekommen, die wissen, wie aufwendig auch Frauenfußball in dieser Spielklasse sein kann. Von einer allgemeinen und gleichberechtigten Anerkennung kann im

Ausholen und den Ball in die richtige Ecke befördern


Titelthema

Moment noch nicht die Rede sein. Zuschauerstatistiken von Bundesligaspielen zeigen die größere Beliebtheit beim Männerfußball. In der Saison 2005/2006 besuchten im Schnitt 586 Zuschauer ein Bundesligaspiel bei den Frauen, bei den Männern waren es ca. 35.000 Besucher. Frauenfußball bekommt immer noch nicht das verdiente Interesse. Jubelnde Fanmassen und hochbezahlte Tickets sind auf den Fußballplätzen der Damen nicht vorstellbar. Aber aus welchen Gründen ist Frauenfußball eigentlich

weniger bedeutsam als der unserer Männerelf? Auch Mira gibt zu, dass man den Frauenfußball nicht gleich mit dem Männerfußball bewerten kann. Ihrer Meinung nach ist der Sport langsamer und dadurch nicht ganz so attraktiv. Ein Pluspunkt der Frauen sei jedoch der technische Bereich, der mittlerweile ganz gut mit dem der Männer vergleichbar ist. Gerecht belohnt wird ihre verbesserte Technik jedoch nicht. Von einem gleichwertigen Einkommen sind die Damen noch weit entfernt. Bei der WM bekam jede deutsche Nationalspielerin für den Gewinn des Turniers 50.000 Euro. Die Männer hingegen würden für einen Titelgewinn 300.000 Euro einstecken können. Um Frauenfußball in Deutschland überhaupt hauptberuflich ausüben zu können, muss man eine namenhafte und erfahrene Spielerin sein. Die Bundesligaspielerin Mira Möller kann davon im Moment nur träumen. „Neben meinem Beruf

als Sachbearbeiterin muss ich alles was möglich ist für den Fußball geben.“ Anstatt für ihre sportlichen Leistungen ausgiebig bezahlt zu werden, muss Mira für Länder- und Auswärtsspiele, sowie Vorbereitungslehrgänge Sonderurlaub nehmen. Der erfolgreichen Spielerin stehen im Jahr allerdings nur zehn Tage Sonderurlaub zu, sodass sie dann auf ihre normalen Urlaubstage angewiesen ist. „Je nach Länge des Turniers ist das natürlich eine Schmach für jedes Urlaubskonto“, gesteht Mira. Sie ist sich sicher, dass der Zeitaufwand und die Hingabe für den Fußball bei Männern und Frauen gleich zu bewerten ist. Trotz der schlechten finanziellen Aussichten kann sich Mira nicht vorstellen, in ein Land wie die USA zu wechseln, welches den Frauenfußball besser bezahlt. Sie weiß, dass sie nicht ewig Fußball spielen kann. Früher oder später wird sie auf den Job und ihren Lebensmittelpunkt angewiesen sein. Der Zukunftstraum ist für die 21-Jährige verständlicherweise der eines jeden Fußballspielers: einmal für die Nationalmannschaft aufzulaufen. Und die Chancen dazu stehen vielleicht gar nicht so schlecht. Trotz vieler junger Talente ist die Konkurrenz bei den Frauen nicht so stark wie beim Männerfußball. Miras vorrangiges Ziel ist es jedoch, den Klassenerhalt mit Wattenscheid zu sichern. Viele Menschen versprechen sich seit Bekanntgabe des Austragungsortes Deutschland für die WM 2011 einen zukünftigen Aufschwung für den Frauenfußball. Schon seit dem Titelgewinn in diesem Jahr machte sich ein Boom in den Medien bemerkbar: mehr Aufmerksamkeit und größere Artikel in den Zeitungen. Die Wattenscheiderin bemerkt zusätzlich: „Es kommen auch mehr Zuschauer ins Stadion.“ Von der WM im eigenen Land erhoffen sich die Damen jetzt die weitere nötige Medienpräsenz. Es ist natürlich klar, dass die Stimmung nicht so eine große Euphorie auslösen wird wie die MännerWM. Allerdings ist klar ein Trend in Richtung „Frauen beim Fußball“ zu erkennen. Mira Möller ist sehr zufrieden mit der Jugendarbeit beim DFB. Durch die sehr gute Förderung junger Spielerinnen ist die 21-Jährige der Meinung, dass diese Jugendarbeit sogar die Be-

ste auf der Welt ist. Es rücken also in Zukunft sehr viele junge, talentierte Jugendspielerinnen aufs Spielfeld. Doch nicht nur junge Spielerinnen bekommen ihren Einsatz, sondern auch am Spielfeldrand können sich Frauen als Schiedsrichterassistenten auszeichnen. Bibiana Steinhaus ist Deutschlands erste Profischiedsrichterin in der Bundesliga der Herren, die sich keine Macho-Sprüche und Vorurteile zu Herzen nimmt. Und sogar in den höchsten Rängen können die Frauen mitmischen: Han-

nelore Ratzeburg ist als erste Frau in der 107-jährigen Geschichte des DFB ins Präsidium gewählt worden. Obwohl es immer noch genug Probleme mit der Anerkennung gibt, werden Frauen immer mehr in den „Männersport“ integriert. Für die Bundesligaspielerin Mira Möller steht eines im Bezug auf Frauen- und Männerfußball, trotz aller Anerkennungsprobleme, fest: „Fußball ist ein Teamsport, man lernt nette Leute kennen, macht was für die sozialen Kontakte, hat einen Ausgleich zum Alltag. Fußball ist ein toller Sport!“ Viktoria Lipps, Alexandra Kunze

Fotos: Dany Alexander

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Quo vadis Britney Spears?

Was passiert nur mit unseren Stars der 90ern? Was ist los mit Britney Spears? Mit Ohnmacht verfolgen wir den Fall der bekanntesten Popsängerin des Jahrhunderts, mit ausgestrecktem Zeigefingerwird hämisch gelacht, begafft und kritisiert. Wenn ich ehrlich bin, verwundert mich das ein wenig. Begreift denn keinerdiesen lehrbuchartigen Fall der Ikone? Hinterfragt denn keiner die Gründe? (CC) Foto: BUDSMR (wikipedia.org)

Titelthema

Britney Spears bei einem Konzertauftritt in L.A.

Britney Spears wuchs auf in Kentwood, Louisiana, einem 2200 Seelen großen Dorf, 50 km entfernt von New Orleans. Bereits als Kind spielte sie in Werbespots und nahm an Talentwettbewerben teil, bekannt wurde sie als Moderatorin des Mickey Mouse Clubs, genauso wie ihre Kollegen Timberlake und Aguilera. Ich vermute, dass sie von ihrer ehrgeizigen Mutter ins Rampenlicht geschubst wurde, um dann in anzüglicher Schuluniform Anbagger-Liedchen zu trällern. Doch der Ehrgeiz zahlte sich aus; ihr Debütalbum verkaufte sich über 28 Millionen Mal, in über 40 Ländern war „Baby One More Time“ auf Platz eins der Charts. Der kometenhafte Aufstieg hatte begonnen. Die beiden ersten Alben bescherten der Sängerin unglaublichen Erfolg in der ganzen Welt, mit ihrem dritten Album „Britney“ wagte sich die zu der Zeit 20-Jährige an einen neuen Sound. Der erste Rückschlag der Popikone war das Leinwand-Debüt „Crossroads“ 2001, wofür die Laienschauspielerin als schlechteste Schauspielerin des Jahres nominiert wurde.

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2003 machte die 22-Jährige mit einem Imagewechsel auf sich aufmerksam: Von der sexy und unschuldigen Jungfrau zum skandalträchtigen Vamp - Brustwarzenpiercing, öffentliches Geknutsche mit Madonna bei den MTV Awards und die 58 Stunden Ehe mit ihrem langjährigen Freund Jason Allen Alexander. Ihre Musik wurde nicht mehr vom Pop dominiert: Ein Mix aus Hip Hop, R&B und Dance Pop bestimmten das vierte Album „In The Zone“, was der Sängerin zum ersten Mal Anerkennung von ihren Kritikern zukommen ließ. Nur acht Monate nach der Annullierung ihrer BlitzEhe heiratet sie Kevin Federline, ihren Background-Tänzer. Die Ehe hielt zwei Jahre und aus ihr gingen zwei Söhne hervor. Im Dezember 2006 traten dann die ersten Skandale auf: Britney zeigte sich des Öfteren ohne Unterwäsche, angetrunken torkelte sie durch die Gegend, ließ sich den Kopf kahl scheren, heulte in der Öffentlichkeit, lieferte sich Auseinandersetzungen mit ihren entfremdeten Eltern und fiel immer wieder als schlechte Mutter ihrer zwei Kinder auf. Diese Abwärtsspirale wird nun schon seit einem Jahr von der allzu lüsternen Boulevardpresse be gleitet, die sich wie Hyänen auf das ehemalige Pop(p)sternchen stürzen. Ob bei Stipp-Visiten in Rehakliniken, Nervenzusammenbrüchen, ihren genitalen Entblößungen oder Fauxpas in der Erziehung, die amerikanische Boulevardpresse knipst, filmt und dokumentiert was das Zeug hält: „Slipless in Hollywood“ , „Ooops, jetzt sind sie ab“ und „Fettney Spears ist zurück“ lauten die Schlagzeilen. Die Weltöffentlichkeit schafft es auch nach der kompletten Entblößung, erst des genitalen Bereichs, dann der des Schädels nicht, die nackte, verletzliche und gebrochene Spears zu erkennen. Die großen Kulleraugen aus dem kahlen Köpfchen, die auf einmal verletzlich und traurig wirken, werden nicht beachtet: Die Fans sind der Auffassung, dass Frau Spears sich doch gefälligst schämen sollte. Trotz der immer häufiger auftretenden Skandale entscheidet MTV, die Sän-

gerin für ein Comeback einzuladen. Dies galt als Lockstoff für Sensationslüsterne, denn keiner konnte der Überzeugung sein, dass Britney an ihre alte Form hätte anknüpfen können - wissentlich spielte MTV Komplize. Denn schon bei Proben wurde klar, wie ernst Spears den Auftritt nahm, sie konnte weder Text noch Choreographie und ging lieber nach Vegas zum Feiern. Die Bretter der Bühne wurden ihr zum Verhängnis – einst als größter medialer Coup mit dem unvergesslichen Zungenkuss gefeiert – bedeuteten sie nun den entscheidenden Funken, um den Scheiterhaufen zu entzünden. Unsicheres Gewackel, unsynchrone Lippen und ein unvorteilhaft gewähltes Outfit lassen sie in nur fünf Minuten zum Gespött der Nation werden. Im Oktober 2007 verliert Britney Spears schließlich das alleinige Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder an Kevin Federline. Das Gericht steht ihr das Besuchsrecht nur unter Aufsicht zu. Jetzt hat sie sich die Lippen aufspritzen lassen. Tätowiert sich. Es sieht so aus, als ob sie händeringend Veränderungen sucht und ihren Körper absichtlich entfremdet. Als Mutter ist es schwierig, eine Neupositionierung zu inszenieren. Aus dem „Keinen-Sex-vor-der-Ehe“ Image wird wohl nichts mehr, der Sexy-Vamp hat sich auch verflüchtigt. Auf ihrem neuen Album, das als das bisher persönlichste betitelt wird, beschreibt sie ihre Sichtweise in dem Song „Piece of Me“. Da heißt es: „Ich bin Miss Oh-mein-Gott-dieschamlose Britney… Ich bin Miss Schlechtes-Medien-Karma, jeden Tag ein anderes Drama… Willst du ein Stück von mir? Dann stell dich in die Schlange, zu den Paparazzi, die mich in den Wahnsinn treiben!“ Kann der jungen Frau nicht mal einer helfen? Und aufhören, sie als öffentliches Gut zu betrachten, von dem sich jeder ein Stück abschneiden kann? Rumhacken und trittbrettfahren hilft nicht immer, Amerika. Kristin Borlinghaus



Über Leben

DTM Grotesk Audi und Mercedes sind 2007 in eine Ehekrise geschlittert. Die DTM braucht dringend weitere Marken, um die Lage zu entkrampfen - doch mit der Herstellersuche tut sich die Serie seit jeher schwer... Der Titelkampf im Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) spitzt sich zu. Die Fans erwarten beim 9. Saisonlauf in Barcelona einen packenden Dreikampf zwischen Mattias Ekström, Martin Tomczyk (beide Audi) und Bruno Spengler (Mercedes-Benz) - und erleben einen beispiellosen Eklat. Runde 6 - Mercedes-Pilot Mika Häkkinen riskiert ein Überholmanöver gegen Tomczyk, rutscht in dessen Audi, der später wegen Folgeschäden ausrollt. Runde 13 - Ekström kollidiert mit Mercedes-Fahrer Daniel La Rosa. Am Audi-Kommandostand will niemand mehr glauben, dass das vorzeitige Ende für beide Titelkandidaten nur Zufall ist, die Gangart auf der Strecke wird härter und härter. Als in Runde 38 erneut ein Audi-Pilot nach einer Berührung mit einem Mercedes im Kiesbett strandet, gibt es im Audi-Lager kein Halten mehr:

Mit dem Segen von Audi-Vorstandschef Rupert Stadler ruft Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich acht Runden vor Schluss alle verbliebenen Audi A4 in die Garagen. Sechs Mercedes beenden das Rennen im Alleingang. Der Eklat ist perfekt - begleitet von Pfeifkonzerten der Fans. „Es gab zu viele Aktionen, die nicht dem sonstigen Niveau der DTM entsprachen. Ich wollte das Zeichen setzen, dass wir uns fairen Motorsport anders vorstellen“, begründet Ullrich später die Entscheidung, die bei der ITR, der Dachorganisation der DTM, nicht auf Gegenliebe stößt. ITR-Chef Hans Werner Aufrecht bemüht sich gegenüber www.adrivo. com um eine Analyse: „Was heute passiert ist, geschieht nur dann, wenn eine solche Polarisierung zwischen

zwei Herstellern passiert wie hier. Zwischen zwei Premiumherstellern, für die der Gewinn des DTM-Titels eine unglaublich hohe Priorität hat. Das ist das Ergebnis der Dramaturgie.“ So deutlich wie nie zuvor wird in Barcelona, dass der DTM weitere Hersteller fehlen, die das erbitterte Duell zwischen Audi und Mercedes entkrampfen. Beim Saisonfinale in Hockenheim, wo Ekström neuer Champion wird, hat sich die Lage entspannt; Gerüchte um einen AudiAusstieg aus der DTM sind passé.

Herstellersuche aus Tradition Doch noch immer knistert es. Bruno Spengler fühlt sich durch AudiBlockaden um den Titel gebracht: „Es war wie über die gesamte Saison hinweg - Audi hat mehr für das Team

Foto: Wolfgang André Schmitz

Ein DTM-Opel aus dem Jahr 2005 bei der Startaufstellung

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Über Leben

Foto: Wolfgang André Schmitz

Ein 2005er DTM-Mercedes wird von Mechanikern zurück in die Box geschoben

gekämpft, wir mehr für den Sport.“ Die Herstellersuche hat seit der Wiederbelebung der DTM im Jahr 2000 Tradition. Opel und Mercedes entscheiden sich damals zum Einstieg in die heute wichtigste Tourenwagenserie Europas, erst 2004 stößt mit Audi eine dritte Marke hinzu nachdem die Ingolstädter bislang nur über ein Privatteam vertreten waren. Die Dreisamkeit aus Audi A4, Mercedes CKlasse und Opel Vectra ist perfekt, mehr noch: Für 2005 kündigt die britische Traditionsmarke MG an, die DTM mit einer Rennversion seiner Sportlimousine ZT zu verstärken. Doch noch bevor ein erstes Exemplar auf den Rädern steht, kreist der Pleitegeier über der MGRover-Zentrale. Auch 2005 geht man zu dritt in die Saison - mit düsteren Aussichten für die Zukunft: Schon Ende 2004 hatte Opel nach langen Jahren des Misserfolgs angekündigt, 2006 nicht mehr in der DTM anzutreten. Mitte 2005 kündigt die ITR an, für 2007 ein neues Technisches Reglement zu erarbeiten, das die Kosten reduzieren und neue Hersteller in die DTM locken soll. Doch das Damoklesschwert hängt weiter über der DTM. Beunruhigend viel Zeit lässt sich Audi, bis man sich im Dezember 2005 endlich zum Start in

der kommenden Saison bekennt. Das Jahr 2006 wird zum Erfolg: Immer neue Zuschauerrekorde werden verbucht, das Duell zwischen Audi und Mercedes zieht die Fans in ihren Bann. Doch plötzlich ist von einem neuen Reglement für 2007 keine Rede mehr - und noch immer bekundet kein neuer Hersteller Interesse an einem Einstieg in die populäre Serie. Hinter vorgehaltener Hand wird über Avancen der ToyotaPremiumtochter Lexus spekuliert. Doch hätten Audi und Benz tatsächlich Interesse daran, die in Europa eher unbekannte Marke mit einem Dreikampf in der DTM bekannter zu machen? Scheinbar war bewiesen, dass es vorerst auch mit zwei Marken geht - bis zur Saison 2007: Sinkende Zuschauerzahlen sorgen ebenso für Irritation wie die Rennen selbst. Ein Safety-Car, das sich falsch im Feld einfädelt und die Platzierungen so durcheinander würfelt, dass das Rennergebnis nur mit halber Punktzahl gewertet wird? Strategieexzesse um die beiden Pflichtboxenstopps, die die Rennen für die Fans zum Rechenspiel machen? Pfeifkonzerte nach einer Audi-internen Stallorder, Diskussionen um eine teils überfordert

Gute Vorsätze

scheinende Rennleitung, immer wieder kehrende Verbalduelle zwischen Audi und Mercedes? Um all das ist die DTM 2007 nicht verlegen... Eine unterhaltsame, aber über weite Strecken chaotische Saison 2007 hat die DTM wachgerüttelt. „Wenn wir überzeugt sein sollten, dass es mit null Boxenstopps besser geht, machen wir es mit null Stopps“, regt Mercedes-Sportchef Norbert Haug Änderungen am Sportlichen Reglement an, ITR-Chef Aufrecht besinnt sich auf gute Vorsätze von 2006: „Es ist ganz entscheidend, mit welchen Budgets wir arbeiten, mit welchem Budget ein Hersteller in der DTM Erfolg haben kann. Das ist eine Grundvoraussetzung für andere Hersteller.“ Für die kommende Saison scheint der Herstellerzug bereits abgefahren, doch ein neues Technisches Reglement für 2009 ist in greifbarer Nähe. Mehr Gleichteile sollen den Erfahrungsvorsprung von Audi und Mercedes reduzieren, die Einstiegshürde für neue Hersteller beseitigen und die Kosten weiter senken. Die Partnersuche von Audi A4 und Mercedes C-Klasse geht in ihre nächste Runde - und ist zum Erfolg verdammt. Wolfgang André Schmitz

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Über Leben

Hinter der Mauer

Jugendstrafvollzug in Iserlohn „Das sieht ja gar nicht nach typischem Gefängnis aus!“ In der Tat, bei unserem ersten Blick verrät die Justizvollzugsanstalt Iserlohn nicht viel über den wahren Zweck des Gebäudes. Grauer Waschbeton, in mitten von Wäldern und Pferdekoppeln. Ein kleiner Bach plätschert in der Nähe. Aber hinter dem unscheinbaren Äußeren befinden sich fast 300 männliche Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren, die Haftstrafen verbüßen,

die sie von einem nordrhein-westfälischen Gericht für verschiedene Delikte auferlegt bekommen haben. Die JVA ist ein Jugendgefängnis, erbaut 1970, erweitert 1988, 272 Hafträume, mit im Schnitt 8,6 qm für jeden Insassen. Das riesige Areal, das zur Anstalt gehört, ist aufgeteilt in mehrere Trakte. Die drei verschiedenen Vollzugsarten haben ihre eigenen Häuser, Werkstatt- und Schulgebäude, Sportplatz. Schließlich noch das Verwaltungsgebäude. Von dort geht es direkt zum ersten Trakt - dem geschlossenen Vollzug.

Geschlossener Vollzug bedeutet: Die Gefangenen werden nur zum Hofgang und für Arbeit oder Schule aus ihren Zellen gelassen. Hier sehen alle Zellen ähnlich trostlos aus ein Schlauch, mit Bett und Schrank, einem Waschbecken und Toilette. Manchmal, wenn wieder viel zu viele Straftäter in der JVA sind, müssen zwei Betten in den Raum passen. Dann wird es noch enger. Jede dieser Zellen hat zwar ein Fenster, dennoch ist es meist stickig und duster. Die Gefangenen hängen es für gewöhnlich zu - lieber im Dunklen hocken, als auf die Gitter schauen. Notdürftig werden aus den Zellen Wohnhöhlen gestaltet; die einst schlicht gestrichenen Wände sind übersät mit Kritzeleien und weißen Flecken. Das ist Zahnpasta, damit werden die Poster von halbnackten Frauen und schnellen Autos an die Wand gepappt. Wer es sich leisten kann, der hat einen Fernseher und lässt das bunte Flackern die Langeweile erleuchten. Die dicke, schwere Eisentür kann jeder Zeit von Vollzugsbeamten geöffnet werden fürs Anklopfen bleibt bei der Masse von Häftlingen häufig keine Zeit. „Am Anfang hatte ich Angst hier vor“, gibt Georg* zu. Er sitzt ein, weil er sich nach einem Taxiraub hat erwischen lassen. Er war total vollgedröhnt, ist abhängig von Benzodiazepin, Beruhigungsmitteln. Leicht geht ihm der medizinische Fachbegriff über die Lippen, denn die Drogen haben ihn schon mehrmals in Konflikt mit dem Gesetz gebracht. „Eigentlich ist das ziemlich lächerlich gewesen“, beschreibt er die Tat und grinst. Der blonde 19-Jährige wirkt sympathisch. Es ist seine erste Haftstrafe. Die ersten drei Monate in der JVA im geschlossenen Vollzug waren seine persönliche Hölle. Dafür steht auch die Tätowierung auf seiner Hand: Fünf Punkte, angeordnet wie auf einem Würfel. „Ich und meine vier Wände. Das erinnert mich daran, dass ich es geschafft hab, mich wieder rauf zu ziehen aus dem Loch.“ Die Einsamkeit, weg von der Fami-

Bett, Tisch, Schrank - Standarisierte Trostlosigkeit mit Gitteraussicht

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lie und den Freunden, Eintönigkeit und Langeweile, fremdbestimmt und eingesperrt sein, all das stürzt auf die Jugendlichen bei ihrem Haftantritt ein - dazu kommen die Angst und Ungewissheit. Eine schwere Prüfung für die jungen Häftlinge. Ganz allein schaffte Georg es dann doch nicht, sich aus seinem Loch zu ziehen. In seiner Verzweiflung suchte er religiösen Beistand. „Aus dem Gottesdienst hab ich mir Teelichter geklaut und dann meinen eigenen Altar gebaut. Und dann hab ich die Psalme aus meinem Kalender runter gebetet. Und dann war irgendwann gut.“ Der Gang, der die Abteilungen des geschlossenen Vollzugs mit Verwaltung und der Schule verbindet, ist 180 Meter lang. Es ist Mittagszeit, die Häftlinge kommen von ihren Beschäftigungen zurück auf die Zellen zum Essen. Man fühlt sich ein bisschen wie Fleisch in der Auslage beim Metzger. Grimmige Gesichter starren einen an, taxieren, beobachten, lauern fast, kaum einer ist älter als 20. Der Gang zieht sich endlos. Am anderen Ende dann das Schulgebäude, völliges Kontrastprogramm zum Zellentrakt. Helle, freundliche und gepflegte Klassenzimmer, bunte und gerahmte Graffitis hängen an den Wänden, üppige Pflanzen auf der Fensterbank. Hier haben die Fenster keine Gitter, eine absolute Seltenheit in einem Gefängnis. Nur die fünf Meter hohe Mauer hinter dem Sportplatz stört ein wenig die Aussicht auf die sauerländische Landschaft. Sonst sieht es hier nach einem ganz normalen Klassenzimmer aus. Vielleicht ist es sogar noch ein bisschen schöner und gepflegter als draußen, in einer normalen Schule. Das Ziel des Jugendstrafvollzugs: Die jungen Gefangenen sollen künftig ein Leben ohne Straftaten führen. Um das zu erreichen wäre es wenig sinnvoll, die Häftlinge 23 Stunden am Tag weg zu sperren und sie nur für die pflichtmäßige eine Stunde auf den Hof zu lassen. Viele, die hier sind, haben nicht einfach einen dumme Jungen-Streich auf dem Kerbholz; bis man als jugendlicher Straftäter im Gefängnis landet, geben einem viele Lehrer, Schulleiter, Sozialarbeiter und Richter noch mal eine Chance. Aber niemand hat den Jungen hier je beigebracht, wie man

Fotos: Kristin Borlinghaus

Hinter jeder Tür ein Schicksal - Trakt der Untersuchungshaft

etwas aus seinem Leben macht. Teilweise sitzen Gefangene ein, denen die grundlegenden soziale Regeln und Verhaltensweisen völlig unbekannt sind. Viele Insassen können kaum richtig lesen oder schreiben; Anträge, die von ihnen für nahezu jede Aktivität gestellt werden müssen, kann man kaum entziffern. Die abenteuerlichen Formulierungen führen dazu, dass die Beamten raten oder nachfragen müssen, um was es dem Häftling geht. Wohlgemerkt, nicht nur die ständig zitierten Migranten-Kinder hadern mit der Sprache, auch viele Deutsche sind schlicht nicht in der Lage, sich schriftlich auszudrücken. Das hier ist das untere Ende der Gesellschaft. Im Strafvollzug ist jeder Gefangene zur Arbeit verpflichtet. Im Jugendvollzug sind Schule und Berufsausbildung Arbeit - schließlich wäre das unter normalen Umständen der reguläre Weg eines jungen Erwachsenen. Die Anstaltspädagogen nehmen bei der Einrichtung der Schulklassen nicht das Alter als Einstufungsgrundlage. Jeder Neuankömmling muss eine Reihe von Tests über sich ergehen lassen: Intelligenz, Verhalten, Bildung. Danach wird entschieden, welcher Klassenlevel der geeignete ist. 8 bis 12 Schüler pro Klasse, abhängig vom Bildungsniveau, das unterrichtet wird. Mehr ist einfach nicht möglich. Manche Schüler haben noch nicht mal die

geistige Reife, um dem Hauptschullevel zu folgen; für sie gibt es eine Klasse auf Primarstufenniveau. Albrecht Bucher unterrichtet zurzeit eine solche Klasse. Er ist seit 25 Jahren in der JVA als Justizoberlehrer angestellt - mit Leib und Seele Pä-

180 € kostet jeder Insasse - pro Tag dagoge. Er liebt seinen Job. Bei der Beschreibung der Möglichkeiten, die seine Schüler hier haben, blüht er regelrecht auf. Seine Priorität ist es, für die „Armen der Armen“ zu sprechen - Jungs, die nicht nur von allen um sie herum aufgegeben wurden, sondern die sich vor allem selbst aufgegeben haben. Aber auch er gibt zu: „Wir können hier nicht alles das ausbügeln, was Elternhaus und Gesellschaft versäumt haben.“ Die Bildungsmöglichkeiten in der Haft sind vielfältig: In fünf verschiedenen Berufsfeldern Elektro, Metall, Bau, Maler und Garten- und Landschaftsbau gibt es 8 verschiedene Ausbildungsberufe. Hier unterrichten nicht nur fest angestellte Pädagogen der JVA, sondern man arbeitet darüber hinaus intensiv mit dem Berufskolleg des Märkischen Kreises und dem Berufsfortbildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes zusammen. Diese Institu-

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tionen schicken externes Personal, 110 anerkannte Ausbildungsplätze wurden so geschaffen, Prüfungen werden durch die entsprechenden Handwerkskammern abgenommen. Kritiker bemängeln die Kosten eines solchen Vollzugs. Rund 180€ kostet jeder Insasse, der die Schule besucht oder eine Berufsausbildung macht, hier den Steuerzahler. Pro Tag. Das ist enorm viel Geld. Auf der anderen Seite muss man sich aber vielleicht fragen: Was kostet es die Gesellschaft, wenn solche Jugendliche weiterhin Straftaten begehen?

Kontrastprogramm: Albrecht Buchers freundliches Klassenzimmer...

... die gut bestückte Sporthalle...

Jugendstrafvollzug und dessen Ausführung ist nicht erst seit den Vorfällen in Siegburg ein heißes Diskussionsthema. Die eine Seite würde die Verbrecher am liebsten dauerhaft wegschließen, die andere versucht mit Verständnis und pädagogischen Maßnahmen aus den straffällig gewordenen Jugendlichen irgendwie im Leben erfolgreiche Erwachsene zu machen. Dieser Konflikt spiegelt sich auch in der JVA Iserlohn selbst wider. Zum einen die Lehrer, die ihren Schützlingen „so viel Normalität wie möglich“, vor allem bei ihrer Ausbildung, bieten wollen. Denen noch eine Chance geben, die bisher jede vergeben haben. So wie Albrecht Bucher. Zum anderen aber die Vollzugsbeamten, die als oberste Priorität die Sicherheit im Kopf haben. Achim Weschenbach, Abteilung „Sicherheit und Ordnung“, sieht als erstes die Risiken, die mit den vielen Angeboten für die Häftlinge verbunden sind. Insassen könnten sich in den Werkhallen Waffen bauen oder Dinge stehlen, die Externen könnten Absprachen treffen und Nachrichten, Drogen, Waffen schmuggeln. Darum gibt es aufwändige Kontrollen, die Zeit kosten. Sich nicht mit den Gefangenen beschäftigen, das wäre eigentlich das einfachste. Und schließlich soll die Haft auch Strafe sein. Dennoch versucht die Anstaltsleitung, beide Seiten mit einander zu vereinen: So viel Sicherheit wie nötig, so viel Normalität wie möglich. Zauberwort ist hier die „soziale Sicherheit“. Den Gefangenen wird durch die vielen Projekte und Möglichkeiten ein Halt geboten, den die meisten von ihnen in ihrem bisherigen

... die Ausbildungshalle der Metaller - Ablenkungen vom tristen Häftlingsdasein

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Leben so noch nicht erfahren haben. Sie erhalten Wertschätzung und Respekt, wenn sie sich an die Regeln halten. Ein großer Teil der hier ausgebildeten jungen Männer kann in einen Beruf vermittelt werden, und das ist vielleicht die bestmögliche Straftatenprävention - da sind sich Pädagoge Bucher und Vollzugsbeamter Weschenbach einig. Georg beschreibt es uns so: „Uns geht es hier eigentlich viel zu gut zum abhauen oder Scheiße bauen.“

keit nachgehen und sind den ganzen Tag beschäftigt: von morgens halb

Besonders am Wochenende, ohne Schule, Berufsausbildung oder Ar-

Im halboffenen Vollzug, Sonderform des geschlossenen Vollzugs, haben die Häftlinge mehr Privatsphäre. Das winzige Bad ist in einem extra Raum, die Türen sind auch von innen zu verriegeln. Denn zu bestimmten Tageszeiten haben die

Sie werden zur Gefahr für sich und andere. Gefangenen hier die Möglichkeit, sich in ihrem Trakt frei zu bewegen, sich gegenseitig zu besuchen und zu unterhalten. Es gibt sogar einen Aufenthaltsraum, mit Sofa und Billardtisch, ohne die Gitter vor den Fenstern könnte das hier ein normaler Jugendclub sein. Junge Männer im Jogging-Anzug turnen durch den Gang, kichern. Ein Milchgesicht, keine 17, öffnet uns bereitwillig die Tür zu seiner Zelle: „Extra aufgeräumt, für den Damenbesuch!“ Wieder die typischen Poster an der Wand, aber weniger Vandalismus. Untermalt wird das Szenario durch Bushido und 50 Cent. Georg mag diese Musik nicht. „Das brauch ich mir nicht anhören, wie es im Knast ist. Das hab ich hier jeden Tag“, erklärt der „Chef “ der Bücherei. Jeden Werktag betreut er die Ausleihe und schreibt nebenbei für die Gefangenen-Zeitschrift „Podium“. Gerne hätte er eine Ausbildung angefangen, aber dazu ist seine Haftstrafe zu kurz. Phillip*, sein 20jähriger Kollege im Café Lichtblick, dem von Gefangenen geführten „Freizeitzentrum“ für Häftlinge der Haftanstalt, ist trotzdem froh über seine Aufgaben. „Ja klar, ein paar Kollegen sind schon neidisch“, sagt er von seinem Job. Beide können relativ frei ihrer Tätig-

Fotos: Kristin Borlinghaus

„Meine 4 Wände und ich“ - Georgs Knasttattoo

8, bis abends halb 8. Grauen tut es ihnen, wie vielen anderen, vor den Wochenenden. Dann droht wieder die Langeweile. Und die ist gefährlich. Zwischenfälle gibt es immer wieder. Insbesondere sexuelle Übergriffe untereinander sind bei den Häftlingen ein Reizthema. Vorfälle wie in Siegburg lösen Unverständnis und Ekel aus, und die Täter müssen die Rache ihrer Mitgefangenen fürchten. Körperliche Gewalt ist gelittener, darüber zu reden wäre allerdings ein Tabubruch. Phillip und Georg meinen dazu nur: „Man muss versuchen, sich da raus zu halten. Fertig.“ Dieses „raus halten“ ist ein Problem, häufig bei osteuropäischen Insassen. Für die Vollzugsbeamten ist es gerade bei ihnen schwierig einzugreifen, denn Übergriffe anzuzeigen trauen sich die wenigsten. Die häufig von außen in die Anstalt rein transportierten Bandenstrukturen schüren Angst vor Racheakten und schüchtern ein. Hier zeigt sich das Problem, wenn Häftlinge zu wenig Beschäftigung und zu viel Zeit erfahren. Sie werden zur Gefahr für sich und andere.

beit, gilt es den Überdruss zu vertreiben. Zwar versuchen die Beamten und Pädagogen gemeinsam, durch ausgeweitete Sport- und Freizeitan-

„Uns geht es hier eigentlich viel zu gut zum abhauen oder Scheiße bauen.“ gebote die Gefangenen zu unterhalten. Doch bei weitem reicht der Umfang der Angebote nicht aus, um jeden Häftling bei Laune zu halten. Dazu fehlen auch die Mittel. Zwar gibt es ein für eine Haftanstalt sehr breites Freizeitangebot, insbesondere unterstützt durch Studenten des Fachbereichs Rehabilitationswissenschaften an der Uni Dortmund, die hier Praktika absolvieren und immer wieder neue und interessante Aktionen mit den Jugendlichen durchführen. Doch darf längst nicht jeder an den Sport- und Freizeitaktivitäten teilnehmen. Hierzu muss in der Regel erst ein mal ein Antrag der Insassen gestellt werden. Den Strafaspekt darf man eben auch nicht aus den Augen verlieren. >>

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Und so wird Achim Weschenbach weiter mit seinen Kollegen bei den regelmäßigen Zellenkontrollen Produkte der Unterbeschäftigung und Aggression finden: selbstgebaute Tätowiermaschinen, Waffen, Drogenutensilien, vermeintliche Ausbruchshilfsmittel. Der offene Vollzug, die dritte Station innerhalb der Haft, wird besonders zum Ende der Strafzeit genutzt, um den Häftling wieder an das Leben „draußen“ zu gewöhnen. Unter Absprachen kann die Anstalt verlassen werden - manche der Auszubildenden arbeiten in einem externen Betrieb. Allerdings gibt es manche Gefangene, die sich vor dieser Station des Vollzugs drücken: Die Konfrontation mit alten Problemen, alten Freunden beängstigt sie. Die Gefahr, wieder die gleichen Fehler zu machen, ist ständig im Hinterkopf. Die JVA ist eben so etwas wie ein Nest, eine harte und brutale, aber auch eine verlässliche und sichere Welt. Das Leben draußen dagegen ist kompliziert.

Wenn man es nicht besser wüsste... Der Schulhof der Anstalt

Auch bei Phillip und Georg, die zu Weihnachten Hafturlaub bekommen werden, ist die Sorge vor dem Rückfall in alte Gewohnheiten da. Doch trotz der Angst vermissen sie ihr gewohntes Umfeld und die Freunde. Einfach mal wieder zwanglos durch die Innenstadt ziehen, sich mit Mädchen treffen. Phillip bei seiner Arbeit im Café Lichtblick

Wenn Georg nächstes Jahr dann richtig raus kommt, will er eine Therapie machen und dann vielleicht noch den Schulabschluss nachholen. Bleibt zu hoffen, dass er seine Chance nutzt. Es ist vielleicht seine letzte. Janni Deitenbach

* Namen von der Redaktion geändert

Herr der Bücher - Georg nutzt seine Haftzeit

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Fotos: Kristin Borlinghaus


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Frieden auf Erden

Eine der begehrtesten Auszeichnungen: Der Friedensnobelpreis Jean Henry Dunant, Gustav Stresemann, Albert Schweitzer, Bertha von Suttner, Nelson Mandela und Martin Luther King haben ihn bekommen. Außerdem das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge, die UNICEF und die Ärzte ohne Grenzen. Das neueste Mitglied im Club sind der ehemalige US-Vizepräsident und jetzige Klimaschützer Al Gore und das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Doch das sind nur einige der bekanntesten Namen in einer mittlerweile langen Liste: der Liste der Friedensnobelpreisträger. Bereits seit 1901 wird diese Auszeichnung in Oslo verliehen, und zwar immer am Todestag ihres Stifters Alfred Nobel, der mit der Erfindung des Dynamits zu Ruhm und Reichtum gelangte. Nobel häufte zu Leb-

Sonderstellung für einen besonderen Preis zeiten ein Vermögen an und legte in seinem Testament fest, wofür dieses zu verwenden war: Es wurde in einer Stiftung angelegt, die von einem sechsköpfigen Rat geleitet werden sollte. Mit den Zinsen dieses Geldes sollten Menschen ausgezeichnet werden, die auf verschiedenen Betätigungsfeldern große Erfolge erzielt oder der Menschheit Nutzen gebracht hatten. Für den Friedenspreis wünschte sich Nobel Empfänger, die die Verbrüderung der Völker vorantreiben, dafür sorgen, dass stehende Heere abgeschafft oder vermindert werden und Friedenskongresse unterstützen und organisieren. Dabei können neben Einzelpersonen auch Organisationen ausgezeichnet werden: So erhielten beispielsweise im Jahr 1988 die Friedenstruppen der Vereinten Nationen, im Jahr 2005 die Internationale Atomenergiebehörde oder 1977 Amnesty International die Auszeichnung. Dass Amnesty International bedacht wurde, zeigt die Ausweitung des Friedensgedankens. Seit 1960 kann der Preis auch für den Einsatz für die Menschenrechte vergeben werden, seit dem Jahr 2004 kann ihn auch bekommen, wer sich

für die Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung einsetzt. So verschieden die Preisträger sind, so kontrovers wurden die Entscheidungen des Nobelpreiskomitees schon immer diskutiert. Bei nahezu jeder Preisvergabe bisher gab es Proteste und Anfeindungen. Zu den größten Diskussionen kam es vor 13 Jahren, als der Palästinenser Jassir Arafat zusammen mit den Israelis Schimon Peres und Jitzhak Rabin für die Bemühungen um Frieden im Nahen Osten ausgezeichnet wurden. Aberkannt werden kann der Preis allerdings nicht mehr. Andere Entscheidungen wiederum führen zu großem politischen Interesse. So erhielt die Preisträgerin von 1991, Aung San Suu Kyi, die in ihrem Heimatland Myanmar Demokratie fordert und dafür von der Militärregierung unter Hausarrest gestellt wurde, im Zuge ihrer Auszeichnung viel öffentliche Unterstützung. Mitunter fällte das Komitee auch Entscheidungen, die auf den ersten Blick nichts mit Frieden zu tun haben: 2006 wurden Muhammad Yunus und die Grameen Bank aus Bangladesch ausgezeichnet, weil sie Mikrokredite an Frauen vergeben und ihnen somit den Aufbau einer Existenz ermöglichen. Auf der anderen Seite hingegen gibt es Menschen, die den Preis nie erhalten haben, obwohl sie ihn in den Augen der Öffentlichkeit verdient hätten. Das berühmteste Beispiel hierfür ist Mahatma Gandhi – dieser sollte zwar im Jahr 1948 ausgezeichnet werden, wurde allerdings vor der Bekanntgabe ermordet. Doch wer entscheidet eigentlich darüber, wer das Preisgeld und die Medaille mit Nobels Profil auf der einen und drei sich umarmenden Männern auf der anderen Seite bekommt? Am Anfang stehen die Vorschläge, die von Regierungsmitgliedern, aber auch Universitätsprofessoren bestimmter Fächer, früheren Preisträgern, Mitgliedern des Preiskomitees oder des internationalen Gerichtshofes in Den Haag eingereicht werden können. In den letzten Jahren kamen jedes Mal weit über 140 Empfehlungen zusammen, mit denen

sich das aus fünf Personen bestehenden Nobelpreiskomitee auseinandersetzt. Dieses Komitee wird vom norwegischen Parlament für sechs Jahre gewählt und setzt sich aus Frauen und Männern unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Profession zusammen. Diese treffen dann eine Entscheidung für höchstens drei Personen, deren Namen zumeist im Oktober bekannt gegeben werden. Als einziger Nobelpreis wird die Auszeichnung am 10. Dezember in Oslo vergeben, die Verleihung in den anderen Sparten findet in Stockholm statt. Auch das ist eine Bestimmung, die Alfred Nobel in seinem Testament festlegte und für die es bis heute nur spekulative Begründungen gibt. Die populärste ist, dass Norwegen zu Nobels Lebzeiten noch zu Schweden gehörte und sein Parlament nur für die Innenpolitik zuständig war. So hoffte der Stifter möglicherweise, dass die Norweger sich bei der Vergabe nicht durch die Regierung manipulieren lassen würden. Der Friedenspreis ist übrigens die Auszeichnung, die am häufigsten von allen Nobelpreisen an Frauen vergeben wurde. Außerdem muss er nicht jedes Jahr einen „Besitzer“ finden: In den Weltkriegsjahren 1914, ´15, ´16, ´18 sowie 1939 bis ´43 sah das Komitee von einer Verleihung ab. Auch zwischendurch gab es immer mal wieder Jahre, in denen sich niemand für eine Medaille für den Frieden würdig zeigte. Andere erhielten ihn dafür sogar mehr als einmal: Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes etwa wurde drei Mal ausgezeichnet. Nach Deutschland ging der Preis bisher vier Mal. Im Jahr 1926 an Gustav Stresemann zusammen mit dem Franzosen Aristide Briand, ein Jahr später erhielt in bereits der nächste Deutsche, Ludwig Quidde, bevor 1935 der jüdische Pazifist Carl von Ossietzky ausgezeichnet wurde. Der letzte deutsche Preisträger war Willy Brandt im Jahr 1971, der den Friedensnobelpreis für seine Ostpolitik der Annäherung bekam – ganz im Sinne Alfred Nobels trat er für die Verbrüderung von Völkern ein. Merete Elias

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Die Gibbon Experience - ein außergewöhnliches Urwaldabenteuer Beim ersten Fall ins Seil steht ihnen die Sorge ins Gesicht geschrieben. Hält das dünne Drahtseil? Das hohe metallische Surren und Quietschen. Ist das normal? Dann sind die Gesichter zu weit weg, um weitere Gefühle zu erkennen. Aber sobald sie die erste Plattform erreichen, haben alle den gleichen Ausdruck. Sie strahlen. Ein tolles Gefühl. Es kann losgehen. Der Dschungel ruft. Im Bokeo Naturschutzpark in Laos wurde von einem Team aus Laoten und Ausländern ein Projekt aufgebaut, dessen Ziel es ist, den Dschungel und seine Bewohner vor Brandrodung, illegalem Holzeinschlag und Wilderei zu schützen. Benannt wurde es nach den kleine, schwarzen flauschigen Äffchen, Gibbons, die in Laos für ausgestorben gehalten wurden, bis sie in eben diesem Nationalpark wiederentdeckt wurden. Das internationale Team legt dabei sehr viel Wert darauf, die Einheimischen mit einzubeziehen. Ihnen soll die Möglichkeit geboten werden, mit dem Wald Geld zu verdienen, ohne ihn zu zerstören. Der Hauptteil des Projekts, sind die

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Baumhäuser und „Ziplines“, die diese verbinden. Sie wurden von Einheimischen in die Baumkronen gebaut. Bis zu vierzig Meter hoch über dem Boden. Und es gibt viel Arbeit mit den Touristen. Es muss gekocht werden, es werden Führer benötigt und Männer, die noch sechs weitere geplante Baumhäuser rund um das Naturschutzgebiet herum verwirklichen. Später, wenn alles fertig ist, wollen die Organisatoren das Projekt ganz den Laoten übergeben. Kurz nach dem ersten Ritt auf dem Seil sitzen fast alle zusammen bei Tee und Früchten im ersten Baumhaus. Es gibt keine Wände und keine Fenster. Der Ausblick ist fantastisch. 360° Rundumsicht. Alles ist grün. Hunderte Kilometer ist nichts als Dschungel. Zum Teil sei dieser so tief, erzählt der Führer, dass kaum ein Mensch je dort gewesen sei. Alle sind voller Tatendrang, sie wollen das weitläufige Seilnetzwerk, die Dschungelpfade und die anderen Baumhäuser erkunden. Doch zuerst werden sie auf die ersten drei Baumhäuser verteilt, die nah an der ersten Basisstation liegen. Acht Jungendliche aus England bleiben im Baumhaus eins, ein schottisches Pärchen bekommt die „FlitterwochenSuite“, Baumhaus zwei und eine gemischte Fünfer-Gruppe bricht auf zu Baumhaus drei. Der einzige Weg die Bauhäuser zu erreichen, oder zu ver-

lassen, sind die Ziplines. Daher beginnt auch die nächste Wanderung wieder mit einem Zip, der allen jetzt schon viel leichter fällt. Ohne Motor surren die Aufbrecher, nur durch Schwerkraft angetrieben, über die Baumwipfel. Auf der anderen Seite angekommen, heißt es laufen, denn das Zipping funktioniert nur von oben nach unten. Zum nächsten Seil muss man immer erst hochlaufen. Trotzdem ist Baumhaus zwei bald

40 Meter über dem Boden purer Luxus erreicht. Der Ritt dorthin ist atemberaubend. Im Wald ist niemand vorbereitet auf den weiten Ausblick, der sich kurz nach dem Start zur Rechten auftut. Wieder nichts als Dschungel, aber diesmal mit tief stehender Sonne und den Füssen fünfzig Meter über dem Boden. Der Wind weht um die Nase, das Sirren der Rolle klingt in den Ohren, der Nervenkitzel treibt viele zu kleinen Jauchzern und der Blick lässt alle alles vergessen. Leonardo DiCaprio wusste nicht wovon er sprach, als er rief „Ich bin der König der Welt!“. Was ist schon das


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Meer, verglichen mit all dem, was der Dschungel zu bieten hat? An Baumhaus zwei vorbei führt ein Trampelpfad zu Baumhaus 3. Teilweise ist er so überwuchert, dass die, die ihn jetzt begehen, sich fragen, ob es auch wirklich der Richtige ist. Schließlich taucht eine neue Zipline auf. Das Baumhaus entschädigt für alle Mühen. Es ist groß und hat alles was man braucht. Ein paar Nüsse und Früchte, Baguettes, Kaffee und Kondensmilch. Sogar fließendes Wasser. 40 Meter über dem Boden purer Luxus. Und der Ausblick ist fantastisch. Selbst vom Klo aus. Hier machen es sich die Ankömmlinge gemütlich. Die dünnen Matratzen werden zurechtgerückt, die großen, weißen Moskitonetze aufgespannt, so dass alle darunter passen und die Streichhölzer werden zurechtgelegt, die Kerzen sind in der Nacht die einzige Lichtquelle. Bald kommt ein Helfer und bringt das Essen. Büffel mit Kohlgemüse. Die erste Nacht bricht an. Der Dschungel ist nachtaktiv. Es knackt und kracht und zirpt, das Baumhaus

Frühstück um 9.00 Uhr: schon wieder Büffel mit Kohl

knarrt, Tiere scharren und irgendwo in der Dunkelheit ertönt ein Fauchen. Man sieht die Hand vor Augen nicht. Die drei Laternen erhellen das Baumhaus zwar, dafür ziehen sie Heerscharen von Moskitos und Faltern an. Wieder ist ein Fauchen zu hören.

Der Tag war anstrengend. Die Falltür zu den Drahtseilen wird verriegelt, Besuch ist unerwünscht. Moskitos auch. Zum Schutz werden die Moskitonetze unter den Matratzen festgesteckt. Eine der Engländerinnen löscht die Kerzen. Mit einem leisen Zischen fällt die Dunkelheit über das Baumhaus. Der nächste Morgen beginnt um vier. Die Gibbons singen etwa 100 Meter vor dem Baumhaus. Ihr Ruf klingt wie der einer Eule, nur lauter und klarer. Dort wo sie in den Bäumen turnen, schwingen die Baumwipfel hin und her. Außer den Gibbons ist nichts zu hören, Auch die Menschen sind ganz leise. Über den Bergen am Horizont bricht die Sonne hervor. Langsam vertreiben ihre Strahlen den Nebel, der in dichten, weißen Schwaden über den Dschungel zieht. Die Zeit scheint still zu stehen. Dieser Moment könnte ewig dauern. Doch er wird vom lauten Sirren des Seils unterbrochen. Es kommt Besuch. Der Führer bringt leider kein Frühstück. Er will den ausgeruhten Baumhausbewohnern den Dschungel zeigen. Mit der Aussicht, vielleicht einen Gibbon zu sehen, gehen alle mit. Noch herrscht Motivation. Die Wanderung ist nicht lang. Eine kleine Runde um das Baumhaus. Es gibt nicht viel zu sehen. Eine hübsche Blume, einige große Farne, eine fette

Spinne und auch die ein oder andere Ameisenkolonne kreuzen den Pfad. Gibbons werden nicht gesichtet. An Spinnen ist die Gruppe inzwischen gewöhnt. Im Baumhaus wohnen mindestens drei handteller-große, schwarze, behaarte Biester. Auch ein Eichhörnchen - oder etwas

Ähnliches scheint es sich dort gemütlich gemacht zu haben, denn bei der Rückkehr finden sie einen Rucksack angenagt vor. Natürlich könnten es auch Termiten gewesen sein. Aber ein Mädchen schwört, sie habe in der Nacht einen großen Schatten gesehen, der sich über die Reste des Vorabends hermachte. Um neun Uhr gibt es Frühstück. Schon wieder Büffel mit Kohl. Kurz darauf ertönt wieder das inzwischen vertraute Surren der Seile,

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das Besuch ankündigt. Die Gruppen der anderen Baumhäuser kommen, um sich umzusehen und gemeinsam warten sie auf einen Führer, der sie auf den großen Marsch zu Baumhaus fünf mitnehmen soll. Der Hinweg besteht nur aus langen Zippings. Auf dem letzten Ritt weicht der Dschungel plötzlich zurück und gibt den Blick frei auf eine weite Ebene. Nur ein einziger riesiger Baum steht in der Mitte, umgeben von niedrigen Sträuchern. Mitten darin, ein großes zweistöckiges Baumhaus. Baumhaus fünf. Der Ausblick ist unvergleichlich. Hinter der endlosen Ebene erheben sich am Horizont die grünen Hügel. Alles scheint offener, weiter, freier. Dieses Baumhaus ist geräumiger als die an-

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deren drei, mit eigener Basisstation, Küche und Führern. Aber auch hier herrscht, wie auf allen anderen Baumhäusern, eine Bienenplage. Sie sind zwar nicht übermässig aggressiv, aber sie krabbeln in alle Öffnungen, in Hosenbeine, Hemdsärmel und in die Handschuhe, die die Hände vor dem harten Drahtseil schützen. Auf der Toilette sitzen sie in Scharen und lassen sich durch nichts vertreiben. Jeder in der Gruppe bekommt im Laufe der Tage noch einen Stich ab. Aber für den Moment werden alle verschont. Sie machen es sich bequem, ruhen sich aus, oder zippen hin und her. Das ist eigentlich alles, was es auf der „Gibbon Experience“ zu tun gibt. Essen, zippen und schlafen. Auf das Mittagessen folgt der Aufbruch. Gleich am Anfang müssen alle in den Dschungel zurückweichen. Kleine Ponys schleppen Proviantsäcke, fast so groß wie sie selbst, den steilen Pfad hinauf, der Nachschub für Basisstation fünf trifft ein. Kurz nach dieser Begegnung verschwindet der Weg und geht nahtlos über in ein Flussbett. Dieses teilt sich irgendwann und eine Gruppe nimmt den falschen Abzweig, dieser führt tief in den Dschungel. Wer hier verloren geht, der taucht so schnell nicht wieder auf. Der Führer stürmt verärgert hinter ihnen her. Der Rest sucht sich

nun etwas zum Sitzen und wartet. Es ist Blutegelzeit im Dschungel. Alles ist feucht. Und nichts bietet Schutz vor diesen Blutsaugern, noch nicht einmal dicke Wanderschuhe und Socken. Leider stellen das die Meisten erst bei der Rückkehr in die Baumhäuser fest. Baumhaus drei ist nach diesem Punkt in etwa einer halben Stunde erreicht. Nur ein sehr steiler, sehr rutschiger und sehr anstrengender Aufstieg trennt die Bewohner von einer bienenbesetzten Dusche und etwas zu essen. Nach der Dusche müssen alle ihre Blutegel loswerden. Blutegel sind weniger abstoßend, als es den Anschein haben mag, denn sie schmerzen nicht und sie übertragen keine Krankheiten. Ganz im Gegensatz zu den Bienen, die langsam lästig werden. Das Essen haben sich hiernach alle verdient. Es gibt Café Lao, aus eigenen Anbaugebieten im Süden Laos, mit viel Kondensmilch, so etwas wie

Bienen krabbeln in Hosenbeine, Hemdsärmel und Handschuhe. das Nationalgetränk der Laoten. Die Kondensmilch ist sirupartig und zuckersüß. Auf dem Baumhaus wird sie zum Brotaufstrich für das Baguette umfunktioniert. Schon träumen die Ersten von Schokolade und kalten Getränken. Während sich zwei nach dem Essen noch einmal zum Zippen aufmachen, bleiben die anderen im Baumhaus und ruhen sich aus. Die zweite Nacht bricht an. Alle sind so erschlagen, dass schon um neun die


Über Leben

Laternen gelöscht werden. Doch um zwei Uhr morgens werden alle durch einen Schrei geweckt. Das war kein Tier. Hektisch wird nach einer Taschenlampe gesucht. Eines der Mädchen schreit immer noch. Im grellen Licht der Taschenlampe sieht sie aus wie ein Geist, blass, die Angst flackert in ihren Augen, die Haut spannt über ihren Händen, Füßen und Lippen. Sie sind dreimal so dick, wie sie sein sollten Sie stöhnt vor Schmerz. Sprechen kann sie nicht. Die Führer schlafen in der Basisstation eins. Wenn man läuft, könnte man in einer halben Stunde dort sein. Aber es ist stockfinster. Der Weg ist schon im Hellen kaum zu finden und der Dschungel ist tief und unheimlich. Panik macht sich breit. Der einzige Mann im Baumhaus versucht in dem Erste-Hilfe-Paket etwas Nützliches zu

finden. Es ist prall gefüllt. Leider stehen auf den meisten Medikamenten die Namen in Thai. In einem anderen Erste-Hilfe-Paket finden sich AntiHistamine. Die einzige Hilfe die es hier gibt. Allein, nachts, auf einem Baum im Nichts. Mehr kann nicht

Eines der Mädchen schreit immer noch. Sie stöhnt vor Schmerz. getan werden, alle legen sich wieder hin. Das Mädchen wimmert noch ein bisschen. Am nächsten Morgen geht es ihr schon besser, aber der Schreck sitzt allen in den Gliedern. Umso erleichterter sind sie, als das Surren des Seils erklingt. Aber der Führer macht

nur große Augen und verschwindet sofort wieder. Als Stunden später alle bei der Basisstation ankommen, weiß niemand von diesem Zwischenfall. Und so sind doch die meisten froh, dass sie den Dschungel wohlbehalten wieder verlassen können. Die zwei Tage waren ein Abenteuer, aber nach dieser Nacht ist jedenfalls der Gruppe von Baumhaus drei klar, wie schnell Abenteuer auch umschlagen können. Die Dschungelromantik ist getrübt. Wenn aus Spaß Ernst wird, gibt es hier keine Hilfe. Nach dieser Erfahrung sehnen sich alle nur noch nach einigen der Errungenschaften der Zivilisation. Einer warmen, bienenfreien Dusche oder einer ordentlichen Pizza. Text und Fotos: Philine Lietzmann

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Rechts oder doch Links - die Schweiz sucht ihre Richtung Eigentlich hat man als Ausländer – auch als Deutscher – vom üblichen Geplänkel der Parteien vor anstehenden Wahlen in der Schweiz in der Regel kaum etwas mitbekommen. Was daran liegt, dass in dem beschaulichen Alpenstaat eben auch der politische Wahlkampf eher von der ruhigen Sorte ist. Bedingt wird diese Tatsache vielleicht auch deswegen, dass die Eidgenossen keinen wirklichen Regierungschef kennen, sondern das der siebenköpfige Bundesrat - zusammengesetzt aus Mitgliedern sämtlicher im Schweizer Parlament vertretener Parteien - der Regierungschef ist. Entschieden wird in diesem Gremium auch immer gemeinsam, Alleingänge einzelner Bundesräte gibt es nicht. Doch dieses Modell einer Regierung, die die gesamte politische Breite abdeckt, scheint einem Ende (CC) Foto: Luca Mascaro

Die SVP sorgt für Kontroverse. Ein beschmiertes Wahlplakat im Tessin

entgegenzugehen. Denn der sonst so beschaulich und gesittet ablaufende Wahlkampf im Alpenstaat hat in diesem Jahr eine ganz neue Dimensionen angenommen, machte sogar weltweit Schlagzeilen – und nicht wenige ausländische Medien berichteten das erste Mal vom Schweizer Wahlkampf und dem komplizierten politischen System im Lande. Im Kampf um des Wählers Stimmen setzte die Schweizerische Volkspartei (SVP), die sich in den letzten Jahren zu einer rechtsbürgerlichen, wenn nicht gar rechtspopulistischen Partei gewandelt hat, in diesem Jahr auf sehr deutliche, nämlich ausländer-

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feindliche Aussagen. Diese führten bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Bern sogar zu Krawallen und Schlägereien – Nachrichten, die man aus der Schweiz bislang so gar nicht gewohnt war. Auf der Homepage der Partei konnte sich der User zudem mit einem kleinen Online-Spiel die Zeit vertreiben, indem man als Ziegenbock „Zottel“ die Pässe für einzubürgernde Ausländer abfing, die der Bundesrat wohl allzu freigiebig verteilte. In einem weiteren Spielchen bestand die Möglichkeit, die schwarzen Schafe mit einem Fußtritt elegant aus dem Land zu befördern. Am bekanntesten dürften dennoch jene Plakate sein, auf denen drei weiße Schafe – abgebildet auf der Flagge der Schweiz – ein schwarzes Schaf aus dem Land kicken. Sogar ein UNO-Sonderbeauftragter wurde durch dieses Plakat auf den Plan gerufen. Diese „schwarze Schafe“-Thematik zog sich dann auch durch den Wahlkampf der SVP; so sagte Christoph Blocher, Spitzenkandidat und bisheriger Justizminister, unter anderem, dass der Ausländeranteil in der Schweiz hoch sei und ein großer Teil dieser Ausländer zur Kriminalität neige – schwarze Schafe eben. Auch die EU, die Gegner aus der politische Linken und Richter die für eine Vereinfachung des Einbürgerungsverfahrens sind, bekommen ihr Fett weg, auch sie sind für den Multimilliadär schwarze Schafe, die der Schweiz Schaden zufügen. In Zeiten, in denen immer mehr Schweizern eine Art Heimatgefühl verloren geht, generiert die SVP mit Blocher an der Spitze mit Parolen wie „Stopp den Islam“ oder der Forderung, dass es in der Schweiz keine Minarette mehr geben solle, Aufmerksamkeit. Für Aufruhr sorgte auch der Vorschlag, dass kriminelle ausländische Jugendliche mitsamt ihrer Familien abgeschoben werden sollen. Eine wirkliche Abgrenzung der Rechtspartei gegenüber dem Rechtsextremismus hat nie stattgefunden, der Wahlkampf wurde aber hart an der Grenze desselben geführt.

Dementsprechend ist Christoph Blocher selbst natürlich auch nicht gerade unumstritten. Im Jahr 1994 hat er – damals noch als Mitglied im Nationalrat, einer der beiden Kammern des Schweizer Parlamentes - die Abwesenheit seinern Sitznachbarin und Parteigenossin Lisbeth Fehr für seine Zwecke ausgenutzt. Bei einer Abstimmung drückte er kurzerhand ihren Abstimmungsknopf gleich mit und gab somit seine Stimme zweimal ab. Nachdem die Zeitung „Luzerner Neuesten Nachrichten“ diese Geschichte enthüllt hatte, wurde ihm von der Präsidentin der Kammer ein Verweis erteilt. Im September 2007 wurde ihm in einem Bericht Kompetenzüberschreitung und Missbrauch der Gewaltentrennung in seinem Amt als Mitglied der Regierung vorgeworfen. Auch beim Großteil der Medien und seinen politischen Gegnern kommt er nicht gut an, diese werfen ihm immer wieder Populismus und Fremdenfeindlichkeit vor. Aber wie konnte es dazu kommen, dass ausgerechnet in der so neutralen Schweiz, in der es vier Amtssprachen gibt und dementsprechend Menschen unterschiedlicher Mentalitäten und Kulturen zusammenleben, dass eine Partei wie die SVP seit zwei Wahlperioden Stimmanteile dazu gewinnt? Wie bereits oben kurz erwähnt, fühlen sich die Schweizer im Zuge der Globalisierung immer heimatloser, trotz ihres Wohlstandes haben nicht wenige Eidgenossen Angst vor der Zukunft, dem Ausnutzen des Sozialsystems durch Scharen von Zuwanderern, die dann auch noch ihre jeweiligen Kulturen durchsetzen wollen. Von allen Flächenländern Europas hat die Schweiz den höchsten Anteil an Ausländern – 20 Prozent der in den 29 Kantonen lebenden Menschen sind eingewandert. Zudem standen die anderen Parteien dem Treiben der SVP für lange Zeit eher machtlos gegenüber, es wurde kein wirksames Mittel gefunden


Über Leben

um Blocher, dem Parteivorsitzenden Ueli Maurer und ihren Parolen etwas entgegensetzen zu können. Hierfür sind aber auch finanzielle Gründe anzuführen, denn die Kassen der SVP sind – bedingt durch das gewaltige Vermögen Christoph Blochers – prall gefüllt. So konnte sich die ehemalige Bauernpartei dann auch den professionellsten und umfangreichsten Wahlkampf leisten; nicht gerade ein Nachteil. Das Unvermögen der anderen Parteien, ihre Positionen zu verdeutlichen und klar zu kommunizieren und somit eine Alternative anzubieten, hat sicherlich auch seine Rolle gespielt. Zudem gibt es in der schweizerischen Politik eben nur eine schillernde Figur – und das ist Christoph Blocher, der Self-Made-Milliadär, der wie kein anderer in der Lage war gleichzeitig Regierungsmitglied und Oppositionsführer zu sein, mit den anderen Regierungsmitgliedern Entscheidungen zu treffen und sich gleichzeitig deutlich davon zu distanzieren. In der behäbigen Politik

der Schweiz sorgt er als einziger für Aufsehen und könnte sogar dafür sorgen, dass die Sozialdemokraten aus der Regierung fliegen – für die Schweiz käme das fast einem politischen Erdbeben gleich. Doch einfach wird dies für Blocher nicht.

Zwar wurde die SVP Wahlsieger, der Zugewinn fiel jedoch geringer aus als erwartet. Stattdessen holten die Schweizer Grünen soviele Stimmen wie noch nie. Sven Heimes

Schwarze Schafe aus der Schweiz werfen, die SVP verbildlicht ihre Kampagne Anzeige

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Versuchsgebiet

Angehört: CDs Radiohead: In Rainbows Radiohead appellieren an den ehrlichen Hörer und gewähren ihm eine in dieser Form noch nicht da gewesene Mündigkeit. Das neue Album gibt es bislang nur als Download von der Homepage der Band. Der eigentliche Clou dabei ist aber, dass jeder Käufer selbst entscheiden kann, wie viel ihm die neue Platte wert ist. Dennoch steht hier nicht das neue Marketingkonzept, die Lossprechung von einem (großen) Musiklabel oder gar die Fragestellung nach dem materiellen Wert von Kunst im Vordergrund, sondern das achte Studioalbum der Band aus Oxford. Die neue Platte von Radiohead ist anstrengend. Sie ist schwermütig, melancholisch und verstörend. Schwerverständlich die Texte, ebenso wie die Songstrukturen. Allerdings suggeriert „In Rainbows“ auch, dass bei der Verstörtheit auch Ästhetik, Schwerelosigkeit, ja fast schon Erlö-

sung mitschwingen. All diese Attribute verkörpern Radiohead schon seit Anbeginn ihrer Karriere. Diese scheinbaren Gegensätze machten ihre Werke mal mehr, mal weniger zugänglich und vermittelten diese einzigartige, bittersüße Harmonie. Die Wertschätzung wächst dabei mit jedem Hördurchgang und erfordert ständige Aufmerksamkeit, Geduld und vor allem die Bereitschaft, sich in diese Stimmung einfühlen zu wollen. So auch bei diesem Album. Thom Yorkes außerordentliche Stimme breitet poetische Texte auf einem verworrenen Elektroteppich aus, der von perkussiven Rhythmen und vertrackten Beats durcheinandergewirbelt wird, wie etwa beim großartigen und abstrakten Opener „15 Step“ oder dem treibenden „Jigsaw Falling Into Place“. Bei „Bodysnatchers“ unterstützt zusätzlich noch eine verzerrte Gitarre die Verwirrung und Ausweglosigkeit: „I have no idea what I am talking about / I‘m trapped in this body and can‘t get out.“ Stücke wie „Nude“ oder das aku-

stische „Faust Arp“ bilden die Ruhepole und lassen den Hörer „In Rainbows“ spazieren, nachdem der Regenschauer vorbei ist. Der Closer „Videotape“ beginnt sehr intim mit sanften Klaviertönen und der herausragenden Stimme Yorkes, bevor die BeatRaserei beginnt und abwechselnd von einem Ohr zum anderen wandert, als stünde man an einer Autobahn und hörte links und rechts die Autos an einem vorbeirauschen. Dann schließlich verstummt auch das Klavier in der weiten Ferne und am Ende bleibt nur noch ein einsamer Sänger zurück. Trotz des Albumtitels ist Radiohead nicht in euphorischen Gefilden angelangt, stattdessen dominiert ein bedrückendes Hochgefühl. Es ist, als sähe man die Band und allen voran den Sänger auf einen Abgrund zulaufen, den Mund zu einem seltsamen Lächeln verzogen. Aber trotzdem schaffen sie es, dass man ihnen gerne folgt. Eugen Friesen

Angelesen: Bücher Tom Wolfe: Ich bin Charlotte Simmons Jungfräulich schön. Hochbegabt. Hinterwäldlerisch. Das ist Charlotte Simmons. Akademischer Star ihrer High School, Abschlussrednerin und Lehrerliebling. Doch gleichzeitig beläuft sich ihr Freundeskreis auf eine einzige Freundin, wenn man ihre weltfremde Mentorin Mrs. Paddington und ihre hochreligiöse Mutter ausnimmt. Charlotte stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Als sie ein Vollstipendium für die legendäre Eliteuniversität Dupont bekommt, ist die Aufregung groß. Charlotte verlebt die letzten Wochen vor Studienbeginn in der Illusion, bald Menschen

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zu treffen, die sich im Gegensatz zu ihren jetzigen Bekannten anstatt für Sex und Alkohol für Philosophie und Neurobiologie interessieren. Dupont entpuppt sich allerdings als Gegenteil der gebildeten Welt: Verdummte Studenten feiern hoch alkoholisierte Orgien. Sex scheint das Einzige zu sein, was auf dem Campus zählt. Charlotte glänzt anfangs noch durch glatte Einsen, doch als sich ihr gleich drei Verehrer - der Basketballstar Jojo, der Intellektuelle Adam und der reiche Anführer der Studentenverbindung Hoyt - zu Füßen legen, fallen nicht nur ihre akademischen Ergebnisse ins Bodenlose. Auch ihre eigene kleine Welt gerät gehörig ins Wanken. Sie scheint genau zu wissen, wer sie ist und was sie will – bis sie mit

der

Realität

konfrontiert

wird.

Unverblümt, zynisch und provokativ erzählt Autor Tom Wolfe eine Geschichte von alkoholischen Exzessen, dem Sichselbst-Verlieren, dem Drang dazuzugehören und „dem ganz normalen College-Leben“. Der Leser wird veranlasst, die eigene Person, seine Lebenssituation oder das bereits vergangene Studentenleben zu reflektieren. Als wäre er selbst noch Student, zeichnet Wolfe ein Portrait einer modernen Jugendkultur, das schockiert und gleichzeitig fasziniert. Detailgetreu schildert der Erfolgsautor die Ereignisse auf dem „Olymp des Wissens“ und kritisiert mindestens einen Lebensstil, wenn nicht sogar eine ganze Generation. Steffi Titzck


Versuchsgebiet

Angeschaut: Filme Lady Vengeance Das asiatische Kino ist in Deutschland so gut wie unbekannt. Kaum etwas ist in deutschen Kinos oder im Fernsehen gelaufen. Unter diesen Exoten ist der südkoreanische Film vielleicht dann noch ein Schritt ungewöhnlicher. Der preisgekrönte Film „Lady Vengeance“ beweist eindeutig, dass sehr interessante Streifen aus der Ferne kommen können. „Sie soll ein wahrhaftiger Engel sein!“ Gemeint ist Lee Geum-ja, die 13 Jahre wegen Entführung und Mord an einem Kind im Frauenknast saß. Den symbolischen weißen Tofu „um künftig ein reines Leben zu führen und keine Sünden mehr zu begehen“ isst sie nicht. Sie wirft ihn auf den Boden. Ein Schock für diejenigen die denken, sie kennen sie. Der Zuschauer wird zunächst im Dunkel gelassen. Andeutungen ihrer ehemaligen Mithäftlinge bringen ihn langsam auf die Spur. Durch

geschickt eingesetzte Rückblenden erfährt er langsam, was Lee Geum-ja vorhat und warum sie nicht einfach einen Neuanfang nach dem langen Aufenthalt im Knast startet. Der dritte Film aus der Trilogie zum Thema „Rache“ des koreanischen

Regisseurs Park Chan-Wook wirft zu Anfangs viele Fragen auf. Denn es ist nicht nur Rache für die 13 Jahre Haft. Es ist eine Rache die mehrere Personen teilen. Durch die Erzählweise nimmt der Film in Kauf, dass der Zuschauer sich noch weitere Fragen stellt. Langsam werden diese mit Hilfe von Rückblenden detailiert beantwortet. Doch sie ergeben erst am Ende alle ein schlüssiges Ganzes. Die vielen Auflösungen lassen dem Zuschauer trotzdem noch viel Raum für Interpretation. Fordern ihn aber zum mitdenken heraus, also kein Popcorn-Kino für zwischendurch. Dabei werden die Szenen für mehr als nur Darstellung genutzt. Teilweise sehr makaber zeigen sie sehr geschickt, dass Film immer noch Kunst sein kann – unterstrichen von der Musik von Vivaldi. Florian Hintze

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Versuchsgebiet

Muss teuer immer besser sein? Auf der Suche nach dem besten Discount-Wein

Die Zeit und das Geld sind knapp. Das Abendessen mit Freunden steht kurz bevor und der perfekte Wein ist noch immer nicht gefunden. Aber wie blickt man durch im Flaschen-Dschungel der Discounter? Neben Pauken, Prüfungen und Arbeitsstress darf beim BiTS-Studenten auch der Genuss nicht zu kurz kommen. Während früher der Griff eher zu süßem Sekt oder Alkopops ging, fällt die Wahl heute immer öfter auf ein gutes Glas Wein. Doch wer seine Freunde beim gemütlichem Abendessen mit einer guten Weinauswahl überraschen möchte, muss nicht im-

mer gleich tief in die Tasche greifen.

wir die studierte Sommelière Andrea Müller, Inhaberin des Restaurant „Tastevin“ in Halver, gebeten, uns mit ihrer Expertenmeinung zu unterstützen.

Um euch die Wahl zu erleichtern, haben wir sechs verschiedene Weine von den Discountern Plus, Lidl und Aldi getestet. Dabei war kein Wein teurer als 3 € und unsere Auswahl bestand aus vergleichbaren Weinsorten: die Weißweine waren alle Pinot Grigios, während die Rotweine aus dem Anbaugebiet Rheinhessen stammten. Um unserem Test eine professionelle Note zu verleihen, haben Weinexpertin Andrea Müller

Die Testergebnisse ALDI Weißwein: Pinetta / Trentino / Italien 2006 / Pinot Grigio / 2,99 €

Unser Fazit: der beste Weißwein im Studenten-Test Experten-Test: Duft und Geschmack: leichte, fruchtige Aromen von Birne und Apfel, leichter Körper, empfehlenswert. Fazit: der beste Weißwein im Experten-Test

Rotwein: Regent / Rheinhessen / 1,59 €

Studenten-Test: Erinnert im ersten Moment an den würzigen Geruch von Glühwein. Der süßliche Geschmack entfaltet sich schnell, aber hinterlässt eine trockene Zunge. Aufgrund des sanften Nachgeschmacks sehr süffig. Unser Fazit: gut Experten-Test: Duft und Geschmack: Pflaumen-Aromatik, fruchtig-weich im Geschmack, leichter bis mittlerer Körper Fazit: der beste Rotwein im Experten-Test

LIDL Weißwein: Delle Venezie / Italien 2006 / Pinot Grigio / 2,79 € Studenten-Test: Vom Geruch her etwas säuerlich, aber prickelt fruchtig auf der Zunge. Ist nicht bitter im Nachgeschmack und schmeckt auch nach dem dritten Glas.

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Studenten-Test: Eher zitronig-säuerlicher Geschmack mit stärkerer Alkoholnote. Nicht so süß und fruchtig, mit langem Nachgeschmack.


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Studenten-Test: Der Geruch ist nussig-leicht und wirkt nicht so schwer wie man es von Rotwein gewöhnt ist. Leichter, fruchtiger Geschmack, der sicht nicht so lange im Mund hält. Unser Fazit: der beste Rotwein im Studenten-Test Experten-Test: Duft und Geschmack: Intensiver Erdbeer-Marmeladen-Duft etwas aufdringlich, fehlerhaft im Geschmack mit chemischer Note Fazit: nicht empfehlenswert

zu entfalten. Trotzdem langer, intensiver Nachgeschmack. Unser Fazit: gut Experten-Test: Duft und Geschmack: leicht medizinal, bereits oxidative Noten hat seinen Höhepunkt überschritten. Fazit: nicht mehr empfehlenswert

Rotwein: Saint Laurent / Rheinhessen 2006 / 1,99 €

PLUS Unser Fazit: in Ordnung, aber man hat schnell genug Experten-Test: Duft und Geschmack: neutraler Duft, leichter Körper, wenig Säure

Weißwein: Luca Carlino / Italien 2006 / Pinot Grigio / 2,59 €

Fazit: etwas flach

Rotwein: Spätburgunder / Pfalz 2006 / 1,59 €

Studenten-Test: Angenehm frischer Geruch und runder, leichter Geschmack. Im Mund schnell da, aber genauso schnell wieder verschwunden. Gut zu trinken. Unser Fazit: gut

Studenten-Test: Riecht elegant und überzeugt vom Geruch her am meisten. Nach einem wässrigen Erstkontakt auf der Zunge, braucht der Wein Zeit, um seinen traubig-säuerlichen Geschmack

Kleines Wein-Lexikon Bouquet: (auch „Bukett“) Bou quet ist der Gesamteindruck der Geruchs- und Geschmacksstoffe, die dem Wein sein typisches, arteigenes Geruchsbild verleihen. Degustation: Verkostung und anschließende Wein-Bewertung. Dabei werden Auge, Nase und Gaumen (Geschmack) des Weines objektiv bewertet. Körper: Geschmackliche Bezeichnung

für den Gesamtextrakt des Weines. Rund 500 verschiedenen Substanzen und Stoffe, die gelöst im Wein vorkommen, bilden den Körper. Leicht: Als leicht wird ein Wein bezeichnet, der relativ wenig Alkohol enthält, etwa zwischen 8% und 11,5% Vol. Nase: Nase ist ein Fachausdruck für Duft (Aroma oder Bukett). Pinot Grigio: Pinot Grigio ist ein meist extraktreicher und säurearmer weißer

Experten-Test: Duft und Geschmack: Himbeer-Aromatik mit GlühweinNoten, kräftiger Säure, etwas bitter mit kurzem Abgang. Fazit: in Ordnung Hanne Giesen, Laura Köppen, Alisa Kannapin

Wein. In Deutschland ist die Bezeichnung für diesen Wein Grauburgunder. Reinsortig: Reinsortig ist ein Wein, wenn er ausschließlich aus einer Traubensorte erzeugt wurde. Schwer: Als schwer bezeichnet man einen kraftvollen, alkoholreichen Wein. Trocken: Als trocken bezeichnet man einen Wein mit keiner oder nur sehr geringer Restsüße.

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Aufstieg

Von der BiTS nach China

Interview mit Alumnus Alexander Özbahadir Der 29-jährige Alexander Özbahadir ist BiTS-Absolvent und arbeitet momentan als Director of Rental, Leasing and Used Equipment für die deutsche Firma Jungheinrich in China. BiTSLicht fragte ihn im Interview nach seinen Eindrücken und Erfahrungen. Was wolltest du als Kind werden? Als Kind wollte ich gerne so wie Michael Jordan werden. Nachdem ich dann den Film „Wall-Street“ gesehen habe, wollte ich so werden wie Gordon Gekko, der als Banker in Manhattan das große Geld verdiente. Anschließend blieb der Wunsch bestehen, ins Management zu gehen, da mir Aufgaben wie Schulsprecher oder Studentensprecher schon immer viel Spaß gemacht haben. Da lag ein BWL Studium natürlich sehr nahe, wobei ich aus heutiger Sicht sagen muss, dass es vor allem für Deutschland typisch ist, dass künftige Unternehmenslenker ein BWL, Jura oder auch Ingenieursstudium absolvieren. In anderen Ländern ist es viel üblicher, dass man beispielsweise erst Mathe oder Geschichte studiert, dann einen Master draufsetzt und erst dann ins Management wechselt.

Walther mit seiner charismatischen Art und der tollen Idee, die hinter der BiTS steht, davon überzeugen nach Iserlohn zu wechseln. Die Firma Goldzack fand sich dann recht schnell als Mentor und somit begann ich im nächsten Semester mit dem Studium und konnte dabei sein, wie eine neue Hochschule und ein neuer Studiengang aufgebaut wurden. Würdest du dich heute noch einmal für die BiTS entscheiden? Ich fand, die Wahl für die BiTS war

eine sehr gute. Vor allem die nicht ganz hürdenfreie Anfangszeit war sehr spannend und ich konnte viel für später lernen. Wie aber bereits angesprochen würde ich heute im ersten Schritt nicht mehr unbedingt BWL studieren wollen, sondern eher etwas, was mich noch mehr fordert, wie zum Beispiel Mathematik oder Chinesisch. Anschließend würde ich dann zur BiTS kommen und hier meinen Master machen. Bei einem Studium an der BiTS würde ich aber auch versuchen, mehr als nur ein Semester im Ausland zu ver-

Wie bist du zur BiTS gekommen? Nach meinem Abitur in einem Internat begann ich mein BWL Studium an der staatlichen Uni Nürnberg. Als ich dann gerade im 2. Semester war, bekam ich einen Anruf von einem guten Freund, der mir von der BiTS erzählte. Er erzählte mir, dass die ganze Uni noch in den Kinderschuhen stecken würde und dass das bestimmt etwas für mich wäre, weil man noch etwas mitgestalten könnte. Daraufhin lud er mich nach Iserlohn ein, um mir selbst ein Bild machen zu können. Gleich zwei Tage später fuhr ich also zusammen mit einem anderen Freund aus Bayern nach Iserlohn, besorgte mir Termine bei Herrn Freitag, Herrn Walther und Herrn Professor Teichmann und schlussendlich konnte mich Herr

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BiTS-Alumnis Alexander Özbahadir bei seinem neuen Arbeitgeber JUNGHEINRICH

Foto: Jungheinrich AG


Aufstieg

bringen. Ich würde versuchen mehr Sprachen zu lernen und mich mehr aufs Ausland konzentrieren, denn in Iserlohn kann man ganz leicht vergessen, wie schnell sich die Welt überhaupt bewegt. Meiner Ansicht nach ist es essentiell zu lernen global zu denken und das funktioniert nur, wenn man möglichst oft über den eigenen Tellerrand schaut. Diese Möglichkeit haben mir meine Eltern zum Glück ermöglicht. Auch wenn man später vorhat in Deutschland arbeiten zu wollen, sollte man sich einfach mal angucken, wie die Welt in Afrika, Asien oder Amerika tickt. Mein eigenes Auslandssemester habe ich zwar in Australien verbracht, aber da in Australien sehr viele unterschiedliche Nationalitäten studieren, konnte ich auch bereits dort sehen, wie man auch denken kann. Wie ging es nach dem Studium für dich weiter? Im Projektpraktikum habe ich die Firma Jungheinrich kennen lernen dürfen, die in meinen Augen eine unglaublich tolle Firma war und die mir dann auch die Möglichkeit gegeben hat, meine Diplomarbeit mit Schwerpunkt Controlling und Logistik bei ihr zu schreiben. Bereits noch während meines Studiums erhielt ich von Jungheinrich eine Traineestelle angeboten, doch stand für mich fest, dass ich erst einmal ein halbes Jahr ins Ausland gehen wollte. Dies haben sie mir ermöglicht und so bin ich erst ein halbes Jahr nach China gegangen um in Peking Chinesisch zu studieren, um dann im Anschluss die Traineestelle anzunehmen. Leider war man dann anfangs der Meinung, dass man mich nach der Traineezeit nicht nach China schicken würde, weil das zu teuer sei und nicht zum Konzept passe, doch hat man es sich glücklicherweise noch einmal anders überlegt. In meiner Traineezeit war ich auch schon in den unterschiedlichsten Standorten unterwegs, so dass ich sehr viel vom Konzern gesehen habe und ein großes Kontaktnetzwerk aufbauen konnte, was mir heute unheimlich viel nützt. Nach dem Ende dieser Zeit lagen mir dann von Jungheinrich insgesamt drei mögliche Angebote vor, wovon eben eins meine heutige Stelle in China darstellte. Unter anderem habe ich mich damit gegen ein An-

Das Unternehmen Jungheinrich: Jungheinrich gehört zu den international führenden Unternehmen in den Bereichen Flurförderzeug-, Lager- und Materialflusstechnik. Jungheinrich hat sich zum produzierenden Logistikdienstleister entwickelt und bietet seinen Kunden ein umfassendes Produktprogramm an Staplern, Regalsystemen und Dienstleistungen für die komplette Intralogistik. Die Jungheinrich-Aktie wird an allen deutschen Börsen gehandelt. Jungheinrich beschäftigt rund 9.300 Mitarbeitern in drei Produktionsstandorten in Deutschland, einem Montagewerk in China und in den Direktvertriebs-Gesellschaften in 31 Ländern. Im Rest der Welt wird der Vertrieb über ein Händlernetzwerk gesteuert. Mit der Entwicklung, Fertigung und dem Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen im Bereich des innerbetrieblichen Materialflusses erwirtschaftet das Unternehmen knapp 2 Mrd. Euro.

gebot in der Vertriebssteuerung in Frankreich entschieden, da für mich wieder einmal die Vorstellung etwas komplett neues aufbauen zu können sehr reizvoll war, anstatt mich in ein bereits gemachtes Nest zu setzen. Und somit versuche ich nun in einer jungen Niederlassung als einziger Deutscher im Vertrieb, in dem sonst nur Chinesen arbeiten, das Miet-, Leasing- und Gebrauchtgerätegeschäft aufzubauen. Was fasziniert dich an China? Mich fasziniert an China vor allem die Sprache. Ich habe gelernt, dass man auf Chinesisch so viele Dinge ausdrücken kann, für die es im Deutschen oder im Englischen einfach gar keine Möglichkeiten gibt und anders herum. Außerdem begeistere ich mich für die chinesische Kultur und diese fremde Art zu denken. So habe ich mich sehr viel mit chinesischer Philosophie und Strategielehre beschäftigt, was ich persönlich sehr spannend fand. Beruflich betrachtet ist aber vor allem die Geschwindigkeit faszinierend. Wenn man hier arbeitet sieht man, dass unsere deutsche korrekte und säuberliche Arbeit nicht der einzige Weg ist, um nach vorne zu kommen, sondern dass es auch anders geht. Diese Idee, dass es viele verschiedene Möglichkeiten zum Erfolg gibt, sollte meiner Meinung nach jeder mal miterlebt haben. Und zum anderen glaube ich, dass wir alle einfach nicht an China vorbei kommen werden. Heute konzentrieren sich noch alle darauf, in China die schnelle Mark zu machen, doch in Zukunft bin ich fest davon überzeugt, dass China mehr in Europa investieren wird. Ich sehe hier täglich, dass

chinesische Unternehmen immer besser werden, dass die Qualität ihrer Produkte steigt und dass auch ihre Prozesse langsam aber sicher besser werden. So wird China in 20 oder 30 Jahren die Wirtschaftsweltmacht sein und dann werden wir damit irgendwie umgehen müssen. Um dies zu lernen, ist meiner Ansicht nach jetzt ein guter Zeitpunkt. Wie gestaltet sich dein typischer Tagesablauf? Im Allgemeinen habe ich eigentlich keinen typischen Tagesablauf, da ich oft auf Geschäftsreise bin. Wenn dies aber nicht der Fall ist, versuche ich mir den Tag meist wie folgt einzuteilen: ein Tag beginnt für mich zwischen 7:30 Uhr und 9 Uhr in meinem Büro, da zu dieser Zeit das Büro noch leer ist und ich dann am besten arbeiten kann. Wenn um 9 Uhr die meisten anderen kommen, mache ich oft einen Gang durchs Büro um die persönlichen Kontakte zu pflegen, die in meinen Augen ganz besonders wichtig sind. Anschließend bearbeite ich meine restlichen E-Mails, die ich morgens noch nicht abgearbeitet habe und führe vormittags meist Mitarbeitergespräche, da ich eine noch relativ neue Abteilung habe. Angefangen habe ich hier mit einer Mitarbeiterin und mittlerweile habe ich vier Mitarbeiter, ab Januar dann sechs, mit denen ich dann erst einmal die Organisationsstruktur stehen habe, die ich brauche. Zudem kann man meine Abteilung als funktionale Abteilung in einer Matrixorganisation sehen, was bedeutet, dass alle Jungheinrich Verkäufer hier in China sämtliche Produkte für alle Geschäftsbereiche

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verkaufen. Aktuell sind das insgesamt 31 Verkäufer und 24 Servicetechniker, die zwar den Regionalverantwortlichen unterstehen, aber mir auch dabei helfen, meinen Bereich aufzubauen. Nach dem Mittagessen drehe ich dann meist eine Runde durchs Lager, bevor der Nachmittag oft für Meetings reserviert ist oder ich Telefonate führen muss. Am späten Nachmittag gibt es komischerweise oft Probleme bei unseren Kunden, so dass ich dann als Problemlöser gefragt bin, denn der Kunde hat ganz klar Vorrang. Abends führe ich dann aufgrund der Zeitverschiebung meine Telefonate nach Deutschland und wenn kein Geschäftsessen an-

lernen, doch hier zu arbeiten und in der Arbeit zu merken, dass das Geschäft quasi von alleine wächst und du nur schauen musst, dass du es in Bahnen gelenkt bekommst, ist einfach unvorstellbar, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Und zum anderen: wenn du in Deutschland oder in Europa anfängst zu arbeiten hängst du immer in irgendwelchen bereits gemachten Strukturen drin. In der Hinsicht ist dann bestimmt auch gerade Jungheinrich ein ganz besonderer Arbeitgeber, der mir mal eben die Gelegenheit gegeben hat, ganz alleine ein neues strategisches Geschäftsfeld aufzubauen. Klar, habe ich einen chinesischen Geschäftsfüh-

Alexander Özbahadir ist zwischen Gabelstaplern zu Hause

steht, nehme ich Chinesischunterricht. Anschließend gehe ich laufen, bevor ich dann noch ein letztes Mal meine E-Mails bearbeite und Berichte schreibe, zu denen ich tagsüber im Büro nicht gekommen bin.

rer über mir, aber in meinem Bereich gibt’s hier sonst niemanden, der von meinen Aufgaben Ahnung hat und das ist für mich die aller spannendste Herausforderung, die ich mir so vorstellen kann.

Würdest du dich noch einmal für ein berufliches Leben in China entscheiden?

Welche Tipps gibst du kommenden Absolventen?

Wenn ich heute noch einmal vor der Wahl stünde, würde ich genau diesen Job, bei genau dieser Firma jederzeit wieder haben wollen und ich würde im Moment auf gar keinen Fall wechseln wollen. Doch weiß ich auch, dass China kein Land ist, in dem ich alt werden möchte. Im Moment ist es aber ohne Familie super hier. Im Urlaub könnte man hier schon viel

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Lass mich überlegen: Sprachen, Sprachen, Sprachen. Ich hatte in meinem kurzen Berufsleben schon mit so vielen Nationalitäten zu tun und es macht immer einen guten Eindruck, wenn man die Sprache zumindest ein bisschen beherrscht. Klar, Englisch muss 1000%ig sitzen, aber es wäre schon gut, wenn man 1 bis 2 weitere Fremdsprachen beherrscht. Ich würde auch allen raten,

mal nach China, nach Russland, nach Brasilien oder nach Indien zu fliegen, und sei es nur für einen Urlaub. Macht dort die Augen auf und schaut euch mal an, was aktuell in diesen Ländern passiert. Guckt euch an, auf welchem Entwicklungsstand sie gerade sind und was das für uns und für Deutschland bedeutet. Den Leuten, die später mal Führungsaufgaben übernehmen wollen rate ich, schon früh anfangen zu lernen, wie man managt. Und managen heißt in meinen Augen Prioritäten setzen und dann Dinge zu erledigen. Peter Drucker sagt immer „First things first and second things not at all!“. Mir ist aufgefallen, dass da etwas dran ist.

Foto: Jungheinrich AG

Lernt eure Zeit kennen und guckt, ob das was ihr macht, auch einen Beitrag zu einer Sache leistet. Wenn das nicht der Fall ist, dann lasst es lieber ganz sein und investiert eure Zeit sinnvoller. Zu dem Thema auch noch: entscheiden und durchführen. Lernt euch schnell zu entscheiden. Lieber schnell und falsch, als zu lange zu warten. Wer zu lange wartet, der wird abgesägt. Und wenn man sich dann für etwas entschieden hat, muss man die Sache auch durchziehen. Wenn man anschließend merkt, dass man falsch liegt, muss man für den Fehler natürlich auch gerade stehen. Tim Schneider



Aufstieg

Nicht nur reicher als die Queen…

Sie haben Geld und Erfolg - das war nicht immer so. Beide Frauen mussten sich ihren Erfolg hart erarbeiten. Joanne K. Rowling und Zhang Yin haben es geschafft. Die beiden Frauen sind ganz oben angekommen. Obwohl ihre Ausgangspositionen nicht unterschiedlicher hätten

sein können, finden sich in ihren Biographien doch einige Gemeinsamkeiten. Während Joanne K. Rowling im demokratischen Großbritannien aufwuchs, wurde Zhang Yin 1958 in der kommunistischen Volksrepublik China geboren. Die Britin bezog zeitweise als alleinerziehende Mutter Sozialhilfe und schaffte schließlich mit ihren Harry Potter Büchern den internationalen Durchbruch als Schriftstellerin. Als Gründerin des privaten chinesischen Verpackungspapier-Unternehmens Nine Dragons Paper Holdings Ltd. machte Zhang Yin ihr Vermögen und gilt seit dem Gang ihres Unternehmens an die Börse als reichste Selfmade-Frau der Welt. Eigentlich hatte Zhang Yin (Hongkonger Schreibweise: Cheung Yan) Buchhaltung studiert. Sie war noch nie mit der Altpapierbranche in Kontakt gekommen, als sie 1985 im Alter von 27 Jahren beschloss ein Unternehmen für den Import von Altpapier zu gründen. Doch die damalige Büroangestellte war fest davon überzeugt, Erfolg mit ihrer Firma zu haben. Sie begann mit einem Startkapital von

Zhang Yin

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umgerechnet 3000 Euro Altpapier von Hongkong nach China zu importieren. Obwohl der Start sehr holprig war, gab die Chinesin nicht auf und wurde belohnt. Doch ihre Arbeit wurde nicht von allen gutgeheißen. In der Anfangszeit wurde sie von der Mafia bedroht, aber auch dieses Kapitel ihres Lebens meisterte Zhang Yin und erarbeitete sich nach nur sechs Jahren ein beachtliches Gr undk apital. Chinas E xpor tbra nche boomte und Altpapier war nach der Abholzung großer Waldbestände so wertvoll wie der Wald selber geworden. Mit der Gründung einer eigenen Papierfabrik in China erweiterte sie kurze Zeit später ihr Geschäft. Sie kaufte Altpapier in den USA und transportierte es in Containerschiffen nach China. Da die Frachter chinesische Exportware in die USA schickten und auf dem Rückweg oft leer nach China zurückkehrten, konnte sie Transportkapazitäten zu einem sehr geringen Preis nutzen. Trotz weniger Kenntnisse in der englischen Sprache, zog Zhang Yin 1990 mit ihrem Ehemann nach Los Angeles. Von dort aus konnte sie die Geschäfte besser koordinieren. Heute ist ihr Unternehmen Nine Dragons Paper Holdings Ltd. der größte Verpackungspapierhersteller Chinas. Als sie im März 2006 mit dem Konzern an die Hongkonger Börse ging, verneunfachte sie ihr Vermögen auf 3,4 Milliarden US-Dollar. Damit war sie 2006 der reichste Mensch Chinas. Dies war zuvor nur Männern und Leitern von

Staatsunternehmen gelungen. Außerdem gilt sie als reichste SelfmadeFrau der Welt. Auch heute besitzt sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Bruder noch 72% der Anteile ihres Unternehmens. Zhang Yin, die als ältestes von acht Kindern im Jahr 1958 zur Welt kam, wurde von ihren Eltern sehr traditionell erzogen. Dem Stern sagte sie 2006, ihre Familie habe ihr weder Geld noch hohen Status gegeben,

Der reichste Mensch Chinas aber den unternehmerischen Charakter habe sie geerbt. Dass ihr Vater in seiner Tätigkeit als Offizier der chinesischen Roten Armee Beziehungen zur Kommunistischen Partei hatte, öffnete ihr im Laufe ihrer Karriere jedoch einige Türen. Trotzdem muss die Leistung der inzwischen zweifachen Mutter gewürdigt werden. Sie gilt trotz ihres Erfolges und Reichtums immer noch als sehr bodenständig, aufrichtig und fleißig. Geld sei ihr nicht so wichtig, sie könne es ja immer wieder neu verdienen, sagt Zhang Yin. Wie die meisten anderen reichen Chinesen, ist auch die 49-jährige sehr zurückhaltend im Umgang mit Medien. Sie gibt nur äußerst selten Interviews, da ihre Kultur vorschreibt, Reichtum nicht zur Schau zu stellen. Ihr ältester Sohn studiert zurzeit in den USA, wo die Chinesin auch heute noch mit ihrer Familie lebt. Zhang Yin hatte den Mut einen unkonventionellen Weg zu gehen. So erarbeitete sie sich mit Fleiß und etwas Glück ein enormes Vermögen. Obwohl sie schon lange weiß, dass es der letzte Band sein wird, fällt ihr der Gedanke daran trotzdem noch schwer. Mit der Veröffentlichung des siebten und damit letzten Harry Potter Bandes „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ geht die Ära des wohl berühmtesten und be-

Joanne K. Rowling




Aufstieg

liebtesten Zauberlehrlings der Welt, zumindest im Roman, zu Ende. Der Erfolg seiner Erfinderin, so scheint es, dafür noch lange nicht, denn Joanne K. Rowling befindet sich gerade jetzt auf dem Gipfel ihres Erfolgs: Mit einem Vermögen von über einer Milliarden Dollar ist sie die reichste Frau Großbritanniens, sogar reicher als die Queen.

sie wenigstens aufgrund des Studienlehrplans für ein Jahr nach Paris bringt. Nach ihrer Rückkehr nach Großbritannien arbeitet sie längere Zeit in London für Amnesty International als Recherche Assistentin. Zu dieser Zeit schreibt sie weiterhin nebenbei, findet aber keinen Verlag, der ihre Bücher veröffentlichen möchte. Darauf folgend nimmt sie einen Job als Sekretärin in Manchester an, wobei sie sich selbst als „schlechteste Sekretärin aller Zeiten“ bezeichnet, schreibt aber dennoch weiterhin viel. 1990 entwickelt sie während einer Zugfahrt die legendäre Idee zu Harry Potter. Sie hat die ersten Einfälle zu dem ersten Band „Harry Potter

65 Sprachen; 325 Millionen Exemplare

Joane K. Rowling

Foto: Richard Young

Doch der Erfolg und die Begeisterung für ihre Werke waren keinesfalls selbstverständlich. Bis zur Veröffentlichung ihres ersten Buches „Harry Potter und der Stein der Weisen“ war es ein langer Weg voller Hürden, Rückschläge und natürlich harter Arbeit für die Britin. Geboren wird Joanne K. Rowling am 31. Juli 1965 in einem Vorort von Bristol. Sie verbringt dort eine schöne Kindheit, wobei sich für sie schon früh herausstellt, dass sie einmal Schriftstellerin werden will. Mit sechs Jahren schreibt sie bereits ein ganzes Buch über den Hasen „Rabbit“, welches sie auch selbst illustriert. 1974 folgt dann der erste schwere Schicksalsschlag: Ihre Lieblingsgroßmutter Kathleen stirbt. Dass sie für Joanne ein ganz besonderer Mensch war, drückt sie später in ihrem eigenen Namen aus: Sie gibt sich selbst den Zweitnamen Kathleen. Nach der Schulzeit beginnt Joanne ein Französischstudium an der Universität von Exeter in Südengland. Obwohl sie lieber Englisch studiert hätte, gibt sie dem Druck ihrer Eltern nach, was

und der Stein der Weisen“, aber auch schon für den weiteren Werdegang des Zauberlehrlings. Dann, knapp sechs Monate nach Verfassen des ersten Ausgangskapitels, das tragische Ereignis: Ihre Mutter Anne verstirbt nach einer schweren Multiple Sklerose Krankheit im Alter von nur 45 Jahren. Joanne, ihr Vater Peter und ihre Schwester Dianne sind geschockt. Um den Verlust zu verkraften und um Abstand zu gewinnen, reist Joanne nach Portugal, wo sie dann auch ihr, wie sie selbst sagt, liebstes Kapitel, Der Spiegel Nerhegeb, schreibt. In Portugal arbeitet sie am Institut für Sprachen und unterrichtet dort Englisch, wobei sie den Journalisten Jorge Arantes, kennenlernt. Schon

1992 heiraten die beiden. Die Ehe, aus der 1993 ihre erste Tochter Jessica stammt, scheitert noch im selben Jahr und Joanne kehrt mit einigen Harry Potter Geschichten im Gepäck

nach Großbritannien zurück. Dort zeigt sie ihre Geschichten zuerst ihrer Schwester Dianne, die sofort fasziniert ist. Trotz einem Einkommen von nur 70 Pfund Sozialhilfe pro Woche lässt sich Joanne nicht entmutigen und schreibt eifrig weiter an ihrem Manuskript, bis sie es schließlich 1995 vollendet und ein selbst abgetipptes Exemplar von „Harry Potter du der Stein der Weisen“ an mehrere Agenten und Verlage schickt. Vielen lehnen es sofort ab, bis ein Jahr später Bloomsbury beschließt das Buch zu veröffentlichen. Nach dem Erscheinen des ersten Bandes im Juni 1997 geht die Karriere von Joanne K. Rowling steil bergauf: WarnerBros. erwirbt die MerchandisingRechte für Harry Potter, der zweite Band erscheint ein Jahr später und die Filmrechte werden vergeben. Als dann wieder ein Jahr später der dritte Band erscheint und alle drei Harry Potter Bände die Bestsellerlisten der New York Times belegen wird nun endgültig die komplette Weltöffentlichkeit auf Joanne K. Rowling aufmerksam. Dem dritten Band folgen noch drei weitere, bis Joanne, die mittlerweile wieder verheiratet und noch zwei weitere Kinder bekommen hat, die Arbeit am siebten und letzten Abenteuer von Harry Potter am 11. Januar 2007 in einem Hotel in Edinburgh beendet. Dies wird im Sommer 2007 veröffentlicht, womit die Harry Potter Reihe ihren Angaben zufolge endgültig abgeschlossen ist. Mittlerweile wurden Ihre Bücher über die Abenteuer von Harry Potter weltweit in 65 Sprachen übersetzt und sind in einer Gesamtauflage von rund 325 Millionen Exemplaren erschienen. Allein das letzte Abenteuer des Zauberlehrlings wurde in Deutschland mit einer Start-Auflage von über drei Millionen Exemplaren veröffentlicht. Rekord! Doch all dies lässt Joanne nicht abheben. Neben dem Erfolg engagiert sie sich für die Rechte von Heimkindern, vor allem in der von ihr gegründeten Organisation „The Chilrdren’s Voice“. Joanne K. Rowling hat es geschafft: Sie ist ganz oben und vergisst dabei nicht wo sie herkommt. Desirée Backhaus, Lena Wouters

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Aufstieg

Interview mit Michael Rummenigge

„Zumindest habe ich Fußball-Japanisch gelernt“ Michael Rummenigge (43) ist nach Beendigung seiner Fußball-Karriere 1995 noch immer sportlich unterwegs – und damit auch wirtschaftlich äußerst erfolgreich: Er betreibt eine Fußballschule, eine Soccer-Halle in Münster und die Sportmarketing-Agentur „Sports & Business“.

hat nur der Torwart Englisch gesprochen. So habe ich während meiner Zeit dort auch ein wenig Japanisch gelernt, zumindest Fußball-Japanisch. Diesen Schritt haben neben mir ja auch so bekannte Fußballer wie Uwe Bein, Uwe Rahn oder Guido Buchwald gemacht. Aber obwohl

Herr Rummenigge, die BiTS bietet den etablierten Studiengang Sport- und Eventmanagement an. Dieser kommt Ihrer MarketingPhilosophie inhaltlich sehr nahe. Was können sich Absolventen in diesem Berufszweig später erhoffen? Der Sport bekommt ja auf dieser Ebene eine immer wichtigere Bedeutung. Gerade der Fußball ist mittlerweile als komplettes Event zu vermarkten. Ich habe mir damals mit meinem Sohn Marco, der ja nun auch an der BiTS studiert, die Hochschule angeschaut und war durchweg begeistert. Gerade durch die Qualität der Ausbildung und des Abschlusses sind die Absolventen später gefragt. Diese Hochschule hat einen sehr guten Ruf in Deutschland. Nach meinen Erfahrungen und meinem Besuch in Iserlohn bin ich sicher, dass man alle Chancen hat, später in Top-Positionen unter zu kommen. Dazu trägt ja auch bei, dass die BiTS-Studenten im vierten Semester für ein halbes Jahr an eine Universität im Ausland gehen. Am Ende Ihrer Karriere als Profi-Fußballer haben Sie Station bei den Urawa Red Diamonds in Japan gemacht. Welche Erfahrungen konnten Sie in dieser Zeit machen? Japan ist ja sozusagen extremes Ausland. In der damaligen Mannschaft

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Regionalliga, hat also ein sehr hohes Niveau. Doch schwere Verletzungen haben Marco um zwei Jahre in seiner fußballerischen Entwicklung zurückgeworfen. Nun hat er den Anschluss wieder geschafft. Doch gerade auch durch meine damalige Situation hat er schnell erkannt, dass man sich nicht nur auf den Profi-Fußball als späteren Lebensinhalt verlassen darf. Marco hat ein gutes Abitur gemacht, will durch das anschließende Studium des Sport- und Eventmanagements an der BiTS den Einstieg in die Wirtschaft schaffen und sich so ein stabiles zweites Standbein schaffen. Wenn das Training und die Spiele sich mit dem Studienalltag über-

„Ich bin stolz auf meinen Bruder.“ schneiden, wird das von der BiTS berücksichtigt und er kann auf besondere Hilfe zurückgreifen. Zudem ist Dortmund nicht besonders weit entfernt.

es so extrem war, war es eine RiesenErfahrung. Ich habe in Japan vor allem auch eine ganz neue Sicht auf gesellschaftliche Hierarchien gewinnen können. Ich habe diesen Schritt nie bereut, auch wenn dort eine sehr schwere Verletzung meiner Karriere ein frühzeitiges Ende bereitete. Ihr Sohn Marco studiert hier am Campus Seilersee, spielt aber auch bei Borussia Dortmund in der zweiten Mannschaft. Wie will er beide Zweige miteinander kombinieren? Die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund spielt ja immerhin in der

Sie haben nicht nur bei Borussia Dortmund, sondern auch beim FC Bayern gespielt. Beneiden Sie ihren Bruder Karl-Heinz manchmal um seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender beim großen Vorzeige-Klub? Nein, eigentlich nicht – aber ich bin natürlich stolz auf meinen Bruder, dass er in so einem außergewöhnlichen Klub eine solche Position hat. Die Bayern haben mit ihren Investitionen viel Mut und Risiko bewiesen. Es ist toll, was der Verein auch dadurch für die Bundesliga tut. Das, was der FC Bayern und mein Bruder auf die Beine gestellt haben, ist schon aller Ehren wert. Simon Engels Foto: Sports & Business



Ansichtssache

Unterirdische Fotografie Metroarchitektur – die U-Bahn-Stationen der Welt mit der Fotokamera in Szene gesetzt

München, Candidplatz

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„Architekturfotografen gibt es viele, aber U-BahnStations-Fotografen?“ Sobald der große Ansturm an den Stationen vorbei ist und kaum noch Personen auf dem Bahnsteig sind, wird er aktiv. Motiv suchen, Stativ aufbauen, Kamera einstellen und den richtigen Zeitpunkt abwarten. Die Türen des Zuges schließen. Die Bahn verlässt die Haltestelle. Der Bahnsteig ist fast leer. Kaum ein Passant, der ins Bild laufen könnte. Nun ist der perfekte Moment gekommen um den Auslöser zu betätigen. Die Digitalkamera belichtet so lange, dass sie keinen Blitz benötigt und gleichzeitig für sichtbare Effekte gesorgt wird. Den Rest erledigt die Nachbearbeitung am heimischen PC, bevor das Bild

zusammen mit einer kurzen Information auf seiner Webseite http:// absence-of-fear.de/ online gestellt wird. Weil er nur auf nahezu leeren Bahnsteigen fotografiert, wird er selten von Passanten angesprochen. Und wenn doch, dann können sich viele nicht vorstellen eine Bahnstation unter der Erde überhaupt abzulichten und zu dokumentieren. Dies spürt Daniel Erler immer wieder: „In Los Angeles wurde ich mal angesprochen. Nachdem rauskam, dass ich Deutscher bin, wollten sie aber eher wissen, ob es wirklich so viele Nazis in Deutschland gibt – Tolle Vorurteile.“ Unverständnis ebenso bei den Verkehrsbetrieben. Früher verbrachte er sehr viel Zeit mit der Vorbereitung seiner Shootings. Das schließt das Einholen einer Genehmigung ein, viele Verkehrsbetriebe wollen ihre Stationen allerdings lieber verstecken. Ein deutscher Verkehrsbetrieb lehnte eine Genehmigung schon deshalb ab, weil er „sich nicht mit mir identifizieren konnte,“ erklärt Daniel Erler. „In Bilbao gab es auch erst einen langen Schriftwechsel, da sie alles wissen wollten. Am Ende dann schickten sie mir doch keine Fotogenehmigung. Ich denke einfach mal, die Spanier konnten kein Englisch“, fährt er fort.

„Falls jemand meckert, ich bin ein harmloser Tourist der einfach die U-Bahn fotografiert.“ Inzwischen spart er sich diesen Schritt häufig und fotografiert einfach, solange sich keiner gestört fühlt. „In Kiew habe ich auch mal Fotos gemacht, das hat denen nicht so gefallen. Ich hörte nur eine Rolltreppenaufsicht – so was gibt es dort – meckern. Kurz daruf kam etwas mit ‚Fotografija‘ durch die Lautsprecher. Das war das Zeichen, mich zu

http://absence-of-fear.de/

Ihr Mittel, die Stationen von ihrer Schokoladenseite einzufangen, ist die Fotokamera. Sie bietet die Möglichkeit, mit Licht und vor allem Schatten herumzuspielen, um eine besondere Stimmung einzufangen. Einer der wenigen, die dieses als

Hobby betreiben, ist der 21-jährige Daniel Erler. Die Leidenschaften „interessante Gebäude“ und „außergewöhnliche Eisenbahnen“ miteinander zu kombinieren, hat ihn in den Untergrund verschlagen. Seitdem reist er mit Kamera und Stativ durch die Welt und lichtet den Untergrund der Großstädte ab – während der normale Tourist nur für besonders interessante Gebäude an der Oberfläche ein Auge hat.

Fotos: Daniel Erler

Die U-Bahn ist überfüllt – Rush Hour. Dicht gedrängt stehen Menschen in einer überdimensionalen Sardinenbüchse. Der schlechte Atem eines anderen Pendlers steigt in die Nase. Tag für Tag beachten sie es nicht, was anderen auffällt – die architektonischen Besonderheiten der U-Bahn-Stationen: Die sogenannte Metroarchitektur. Eine kleine Gruppe von Bewunderern dieser Baukunst gibt es dennoch. Sie versuchen die Schönheiten dieser Orte, die mit allem Negativen einer modernen Großstadt assoziiert werden, aufzudecken und zu präsentieren.


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Köln, Christophstraße/Mediapark

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verdünnisieren“, erklärt er und fügt hinzu, „Um dann erst mal bisschen oberirdisch zu bleiben. Ich hatte auch schon für den Notfall einen 5Euro-Schein als Bestechungsgeld bereit.“ Hier lief es aber glimpflicher, ab als in London. Zwar hatte er hier eine Genehmigung vorher eingeholt, doch stürmten die Sicherheitsleute schon beim Auspacken der Kamera auf ihn zu und stellten ihn zur Rede. Offizielle Begründung: Terrorgefahr.

In Singapur ist deswegen sogar überhaupt nicht möglich, im Untergrund Stationen zu fotografieren. In Stockholm, das für die Szene der Metroarchitektur-Fanatiker auch die längste Kunstgalerie im Untergrund haben soll, werden die sogar die Stationen stolz vorgezeigt. Es gibt einen speziellen Flyer und im Internet dokumentieren die Verkehrsbetriebe jede Station ausführlich.

Doch viele Städte trimmen ihre Stationen vor allem auf eines, den puren Nutzen. Dazu gehören auch deutsche Städte, bei denen der Metroarchitektur-Fotograf entweder einfach weiterfährt oder gerade versucht diese Hässlichkeit einzufangen. Die Bilder der Stationen in Köln werden auf der Homepage nur mit dem Text „zum Zustand“ verlinkt. „Die Stationen sind dunkel, verdreckt und man baute in den 80ern noch Stationen, die in den 60ern modern waren“, resümiert Daniel Erler. In der Stadtverwaltung hat scheinbar noch keiner erkannt, wie wichtig es ist unter Tage nicht zu sparen. Positiv dagegen ist München. Die Stadt scheint sich Mühe zu geben und jeder Station ein individuelles Aussehen zu verleihen. Aber dass Architektur im Untergrund wichtig ist, erkannten die Berliner schon vor fast 100 Jahren beim Bau der ersten U-Bahn- Stationen unter der Hauptstadt. Die Station „Heidelberger Platz“ soll sogar die Planer der UBahn in der Sowjet-Union so stark beeinflusst haben, dass sie ihre Stationen nach diesem Vorbild bauten. Florian Hintze

Stuttgart, Filderstadt

Duisburg, Hauptbahnhof

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Foto: Daniel Erler

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Simon sagt: „Der deutsche Fußball: Am Boden, aber glücklich!“

Florian fordert: „Stoppt den Aktionismus!“

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Was ist nur mit dem deutschen Vereins-Fußball los? Wo sind die glorreichen Zeiten, als Clubs wie wie Borussia Mönchengladbach – mittlerweile ja in der zweiten Liga – den Gegnern im Europapokal die Grenzen aufzeigte und jede Mannschaft dieses Kontinents auseinander nahm? Seit diesem Herbst wissen wir: Diese Zeiten gibt es nicht mehr! Wann haben wir zuletzt unseren Deutschen Meister in die Champions League geschickt, der dann wiederkam ohne ein einziges gewonnenes Spiel, sogar nur mit bitteren Niederlagen geschunden? Sogar unser einstiger Vorzeige-Klub, der FC Hollywood aus München, krebst im Uefa-„Verlierer“-Cup herum und kann selbst gegen Teams wie Belgrad oder Bolton keine Glanzleistungen mehr abliefern. Einigen scheint der Ernst der Lage trotz allem nicht bewusst zu sein. Am Boden, aber glücklich – so kommt es einem irgendwie vor. Die Bundesliga boomt mit neuen Zuschauerrekorden, einen wie Franck Ribéry feiern sogar die ärgsten Bayern-Hasser und unter Jogi Löw herrscht bei der DFB-Elf endlich wieder „högschde Dischziplin“... und was nützen uns die modernsten und schönsten Stadien, wenn wir uns nur

selbst in sie einladen können?! Jenseits dieser rosaroten Scheinwelt tun sich international immer größere Gräben auf. „Jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken“, würde der große Lothar Matthäus sagen. „Lebbe geht weita“, hatte Kult-Trainer Dragoslav Stepanovic einmal geäußert. Doch so einfach sollten wir es uns nicht machen und nach und nach drei Euro ins Phrasenschwein stecken, weil wir es uns ja wie immer alles schönreden. In Zeiten wo die Supernanny die nervenden Kinder auf die stille Treppe setzt und Schuldnerberater Peter Zwegat die Haushaltskassen von Hartz 4-Empfängern drei mal umdreht, sollten wir auch eine Therapie für unseren lieben König Fußball finden. Vielleicht könnten ja Mario Basler und Stefan Effenberg in Zusammenarbeit als Retter des deutschen Fußballs reaktiviert werden. Denn wenn es um WeißbierSaufen, Kettenrauchen, den bösen Finger zeigen oder den Umgang mit blonden und doofen Frauen geht, sind die beiden Altmeister immer schon international ganz vorne mit dabei gewesen – und vorne dabei sein, das wollen wir ja schließlich wieder. Ich habe fertig!

Welch gute Idee... Wenn wir eines gewohnt sind, dann ist es politischer Aktionismus. Es vergeht kein Tag, an dem nicht zumindest ein Politiker spontan eine wunderbare Idee äußert. Egal ob dafür erst ein Terrorist einen Anschlag geplant haben, ein Kind zu Tode misshandelt, oder einfach ein paar Schlagworte zu heiß gekocht werden mussten. Tolle Ideen finden sich immer. Genauso finden sich genug Freiwillige, die in den Kanon des „Das habe ich schon immer gefordert“-Liedes einstimmen. Dieses Jahr wurde der Umweltschutz besungen. Plötzlich schien jeder Politiker zu behaupten, dass dieser Schadstoff Kohlenstoffdioxid an allem allein Schuld war. Es ist eigentlich unfair gegenüber Methangasen, Schwefelwasserstoffen oder – dem eigentlich böseren Bruder des Kohlenstoffdioxids – das Kohlenstoffmonoxid und was sonst so an Abgasen bei einem Lagerfeuer entsteht. FCKW ist als Modegift schon lange nicht mehr aktuell. Jüngstes Opfer aus der Reihe der Schadstoffe ist immer noch der Feinstaub.

Lag er uns allen noch letztes Jahr schwer auf der Lunge, fristet er nun wieder sein Schattendasein. Doch das Problem hat sich für die Politik gelöst: Schließlich haben die Autos nun eine Feinstaubplakete und sind damit gleich sehr viel sauberer und zwar so sehr, dass sich keiner mehr damit aufhalten muss noch ein Wort in der Öffentlichkeit über den Feinstaub zu verlieren. Wer jetzt noch hustet, der hat einfach zu viel CO2 eingeatmet. Und genau dieses gilt es jetzt mit aller Härte des politischen Aktionismus zu bekämpfen. Tempo 130 auf deutschen Autobahnen scheint für einige nun die beste und einzige Lösung, die globale Erwärmung zu stoppen, den Weltfrieden zu sichern und vor allem: Die nächste Wahl zu gewinnen. Dabei weiß jeder Mediziner, dass ein Mensch einen gewissen CO2Ausstoß hat. Dieser ist bei einem Menschen in Aufregung um einiges höher als bei einem Gelassenen. Ergo, verbietet den Politikern ihren unbändigen Aktionismus.


Ansichtssache

Janni zum Thema: „Girls in Pop.“

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Es ist November, das Jahr 2007 nach Christus, morgen ist Redaktionsschluss und mein Kommentar zur Meckerkultur in diesem Land zieht sich wie Kaugummi, das unter der Schuhsohle klebt: Endlos. Der Bahnstreik als Aufhänger ist eigentlich schon ein gelutschter Drops und nach intensiverer Betrachtung ist selbst eine satirisch angehauchte Beschwerde über Beschwerdeführer ziemlich schizophren. Aus lauter Langeweile wird der Fernseher eingeschaltet, da kann man sich gerade beim Nachmittagsprogramm doch die eine oder andere Anregung holen. Beim zappen bleibe ich bei einem Musiksender hängen - das neue Video von Monrose. Monrose ist eine Mädchenband aus dem Popstars-Zyklus. Ich gebe zu, im letzten Jahr habe ich ihren Werdegang intensiv verfolgt, aber - wie so üblich im Medienzirkus - als Nicht-BravoLeserin habe ich die drei Ladies dann irgendwann aus dem Blickfeld verloren. Um sie nun so wiederzuentdecken: Im Lack- und Leder-Ganzkörperoutfit, Korsagen von New Yorker, High Heels aus der DeichmannKollektion und Bijou Brigitte St rassha lsbä nder. Die Verma rk t ungsmaschinerie läuft wie geschmiert und mir läuft der Magensaft in die Speiseröhre. Denn dunkel kann ich mich erinnern, dass

eine der jungen Damen, die dort über die Vorzüge körperlicher Liebe trällern, noch nicht volljährig ist. Als ich mit einem Glas Wasser gegen den fiesen Geschmack im Mund wieder vorm TV-Gerät sitze, hüpft Rihanna durchs Bild. Ok, sie hüpft nicht ganz, sondern sie räkelt sich verführerisch und gibt mit ihren lüsternen Blicken zu verstehen, dass sie jetzt gerne „Naughty on the dancefloor“ wäre. Ah ja. Auch die Lady aus Barbados ist noch nicht besonders alt, aber anscheinend alt genug, um seit zwei Jahren in knappsten Outfits durch Musikclips zu turnen. Lustigerweise interessiert das niemanden, denn seit Britney und Christina in ihrer Post-JungfrauPhase erfolgreich zum „dirrty“-Sein angeregt haben, sind Hotpants, Minirock und Bikinioberteil die Standarduniform eines weiblichen Popstars. Auch vermeintlich „unkonventionelle“ Sängerinnen wie Avril Lavigne - die sich selbst gerne als weibliche Rettung des Rock inszeniert - kurzes Lachen von mir an dieser Stelle - zeigt so viel Bein, dass sie locker in einem der MadonnaVideos von Anfang der Neunziger mitmachen könnte. Nur an der Farbauswahl müsste sie arbeiten, das war nämlich Madonnas SchwarzWeiß-Phase. Doch während ihre hochgesexten Videos damals zum Teil auf dem Index landeten oder nur nach Mitternacht ausgestrahlt wurden, gehört das Nutten-Repertoire heute ins Portfolio ihrer Erbinnen. Ich mache den Fernseher wieder aus. Was mir bleibt: Nein, früher war definitiv nicht alles besser. Aber damals haben sich Mädchen noch nicht so schnell eine Blasenentzündung eingefangen.

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Prof. Dr. Peter Wolf im Interview Peter Wolf studierte von 1982 bis 1987 Informatik und BWL an der Universität Dortmund. Im Anschluss war er am Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund tätig, bevor er über die Stationen Logistikdienstleister und Unternehmensberatung im Jahre 2003 an die BiTS kam. Hier ist er nun Dozent für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik und designierter Studiengangsleiter für Business Information Management.

Heliskiing in Kanada. Das heißt, dass mich ein Hubschrauber irgendwohin fliegt, wo ansonsten keine Lifte sind, er mich dort runterlässt und ich dann in unberührtem Terrain Ski fahren kann.

Was gefällt Ihnen an sich besonders?

Was können Sie besonders gut kochen?

Ich behaupte mal, dass ich relativ flexibel bin, was das Einstellen auf verschiedene Personen, Umstände oder Situationen angeht.

Thailändischen Curry.

Wem würden Sie aus welchen Gründen einen Orden verleihen? Meinem 12-jährigen Sohn. Auf welche eigene Leistung sind Sie besonders stolz?

Was war Ihr schönster Lustkauf?

Mit wem würden Sie gerne einen Monat lang tauschen? Da ich das nach einem Monat wieder abgeben dürfte, würde ich ganz gerne mit Herrn Hartmut Mehdorn tauschen.

Ein Käfer Cabrio zu Studienzeiten.

Welche berufliche Aufgabe könnte Sie reizen?

Wo hätten Sie gerne Ihren Zweitwohnsitz?

Das wäre immer noch der Pilot. Leider darf ich das nur nicht.

Am Lake Tahoe, USA.

Wenn Ihnen eine gute Fee alles Geld der Welt geben würde, was würden Sie damit tun?

Was wäre Ihre Henkersmahlzeit? Entsprechend Thailändischer Curry.

Ich würde es schön verteilen. Wo bleiben Sie beim Zappen hängen? Grundsätzlich bei Fußball, Skifahren und bei guter Musik. Also irgendeiner Liveaufnahme aus älteren Zeiten. Ihr Lieblingsschauspieler/-in? Kevin Spacey.

Mein Werdegang und meine Position hier an der BiTS, weil ich mir das so erhofft habe und dann auch erreichen konnte.

Was sagt man Ihnen nach?

Was wollten Sie als Kind werden?

Wem sollten wir diese Fragen als nächstes stellen?

Pilot. Wie können Sie am besten entspannen?

Ungeduldig zu sein, sagt meine Frau.

Dem lieben Kollegen Volker Busch. Tim Schneider

Da gibt es zwei verschiedene Dinge: Zum einen beim Skifahren und zum anderen bei guter Musik und einer schönen Flasche Wein. Das sind zwar völlige Extrema, aber das funktioniert bei mir wie geschmiert. Was ist für Sie eine Versuchung?

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Foto: Gerrit Meißler

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