Der Wiener Prater. Labor der Moderne

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DER PRATER WIENER

Labor der Moderne

POLITIK VERGNÜGEN TECHNIK

Birkhäuser
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Der Wiener Prater Labor der Moderne

Der Wiener Prater Labor der Moderne

Politik – Vergnügen – Technik

Herausgegeben von

Werner Michael Schwarz

Susanne Winkler

Birkhäuser Basel

Inhalt

10 Vorworte

Michael Ludwig

Veronica Kaup-Hasler

Matti Bunzl

WAS IST DER PRATER?

14 Was ist der Prater?

Werner Michael Schwarz

Susanne Winkler

22 »Nur mit der freien Zugänglichkeit kann der Prater seine Einmaligkeit behaupten«

Silvia Lang und Michael Prohaska im Gespräch mit den Herausgeber:innen

25 Wo sich die Kleinen groß fühlen und die Großen sich an ihrer Angst vergnügen können

Nostalgischer Praterspaziergang eines Psychoanalytikers

Helmuth Figdor

32 Vom Kasperl oder Wurstel

Kleine Mischkulanzen

Elsbeth Wallnöfer

40 Der Prater in der Kartografie Orientierung und räumliche Transformationen

Tobias Hofbauer

55 Der Prater als Ort der Gaumenfreude »Wer sehen will, wie gerne die Wiener essen und trinken, der gehe hieher und er wird staunen«

Susanne Breuss

64 »Der Stolz jedes echten Wieners«

Zur Karriere des Praters als »typisch wienerischer« Ort Martina Nußbaumer

70 Von Josephs Milde zu Kammerers Kröten Eine kurze Literaturgeschichte des Praters (1766 – 2016)

Gernot Waldner

77 Zu den Praterliedern : Alltagsgeschichten und Glücksversprechen

Wolfgang Fichna

Susana Zapke

86 Typen, Massen, Dinge

Der Prater in der Fotografie

Susanne Winkler

99 Landschaftsmalerei

Der Prater als künstlerisches Motiv und Arbeitsstätte

Claudia Koch

Eva-Maria Orosz

106 Das »Autodrom« und andere Praterszenen von Otto Rudolf Schatz

Cornelia Cabuk

111

Welt unermüdlicher Bewegung

Der Prater als Schauplatz im Kino Vrääth Öhner

STADT, POLITIK, MACHT

116 »Was für ein schöner Schau-Plaz!« ?

Wien 1766. Ein kurzes Porträt einer Stadt im Umbruch

Sarah Pichlkastner

122 Aufgeklärte Vergnügungsarchitektur

Das Lusthaus im Prater

Andreas Nierhaus

129 Freie Fahrt in den Prater

Joseph II. und die Entstehung des Pratersterns 1780 / 82 Manuel Swatek

134 Die »Praterschlacht« im Revolutionsjahr 1848

Wolfgang Maderthaner

139 Holprige Verbindung

Stadt- und Verkehrsplanung für den Prater

Béla Rásky

147 Wien, der Prater und die Weltausstellung 1873

Werner Michael Schwarz

156 Das Pratercottage

Ein mondänes Villenviertel am Rand der Wildnis

Andreas Nierhaus

163 Der 1. Mai im Prater

Georg Spitaler

168 Abgebrannt, zerstört, geschleift

Die ephemeren Bauten des Messegeländes

Béla Rásky

173 Choreografierte Theatralik

Politische Massenveranstaltungen im Prater

Béla Rásky

180 Ein Stadion für Wien

Bernhard Hachleitner

185 Der Prater in der Zeit des Nationalsozialismus

Sarah Knoll

196 Der Prater als Reich der »Schlurfs«

Anton Tantner

201 »Das größte Volksfest Wiens«

Das Volksstimmefest – eine kommunistische Tradition seit 1946

Anna Jungmayr

208 Republik Kugelmugel

Kugelhaus und Ministaat im Prater

Elke Wikidal

NATUR UND TECHNIK

213 Von der Aulandschaft zum Landschaftspark

Die flussmorphologische Entwicklung des Praters Severin Hohensinner

220 Der grüne Prater

Urbane Großparkanlage in der ehemaligen Flusslandschaft Lilli Lička

225 Fahrgeschäfte und Technik im Wiener Prater

Eisenbahnkarussell, Hochschaubahn und Tornado

Stefan Poser

232 Pyrotechnische Erzählungen

Der Prater als Veranstaltungsort von Feuerwerken

Ursula Storch

236 Die Geburt der bemannten Luftfahrt in Österreich

1784 aus dem Geist der Prater-Feuerwerke

Martin Scheutz

240 Beim Schnellfotografen

Susanne Winkler

245 Venedig in Wien

Der erste große Themenpark der Welt

Ingrid Erb

253 Praterspatz, Aeroplankarussell und Raketenbahn Luft- und Raumfahrtattraktionen im Wiener Prater

Christian Klösch

258 Das Wiener Planetarium im Prater

Michael Feuchtinger

TIERE

260 Tiere im Prater

Thomas Macho

269 Die Affen sind los!

Affentheater im Prater

Alina Strmljan

273 Der Flohzirkus

Eine letzte Frage

Susanne Winkler

279 Die wechselvolle Geschichte von Prater Nr. 1 (1873 – 1945)

Wie ein Aquarium zu einem Zoo und zu einer biologischen Forschungsanstalt wurde

Klaus Taschwer

284 Im Prater spiel’n wieder die Spechte

Klaus Nüchtern

KÖRPER UND LUST

286 Moderne Körper und moderne Körpergeschichte(n) im Prater

Alys X. George

294 Sex im Prater

Andreas Brunner

300 Präuschers Panoptikum und Anatomisches Museum

Werner Michael Schwarz

Susanne Winkler

308 Julia Pastranas lange Pilgerreise nach Hause

Laura Anderson Barbata

316 Rassistische Spektakel

Das »Aschanti-Dorf« im Wiener Thiergarten 1896

Werner Michael Schwarz

324 Brotlose Kunst

Die Auftritte der Hungerkünstler : innen Riccardo

Sacco und Auguste Viktoria Schenk

Peter Payer

326 Spektakel oder Sport?

Die Ringkämpfe im Zirkus

Bernhard Hachleitner

329 Sportplatz Prater

Bernhard Hachleitner

GROSSES THEATER

341 Himalaya

Imaginäre Reisen, kleine Fluchten und Begegnungen mit dem Fremden im Prater

Ernst Strouhal

351 Visuelle Spektakel im Prater des 19. Jahrhunderts

Marie-Noëlle Yazdanpanah

358 Promenieren, Repräsentieren und Flanieren

Die noble und populäre Prater Hauptallee Elke Wikidal

367 »Versammlung der schönen Welt«

Die drei Kaffeehäuser in der Prater Hauptallee Martina Nußbaumer

375 Zirkusse im Prater

Katalin Teller

380 Der Circus Busch im Prater 1892 – 1920 Katalin Teller

383 Theater im Prater

Mikrokosmos der Theaterstadt Wien 1808 bis 1945

Birgit Peter

394 Der Einzug des Kinos in den Prater

Werner Michael Schwarz

402 Der Prater »is Mega-Lei(n)wand!«

Der Prater in der Malerei oder die Malerei im Prater

Christine Strahner

411 »Jeder wird glücklich, keiner bleibt verschont«

Ein Abriss der Wiener Zauberkunst im Prater

Brigitte Felderer

418 Ein Fest für Mozart

Internationale Ausstellung für Musikund Theaterwesen Wien 1892

Ingrid Erb

420 Das »Fest auf dem Mars« in der Wiener Rotunde 1902

Christian Klösch

422 »Gruss vom Meeresgrund«

Eine Tauchfahrt im Prater

Christine Strahner

424 Automatisierte Heiratsvermittlung?

» … oben wirft man einen Thaler hinein und unten fällt das complete Lebensglück heraus …«

Tabea Rude

428 Clubjahre sind Hundejahre

Die Pratersauna – seit fast 60 Jahren ein Hotspot zwischen Exzess und Erschöpfung

Thomas Mießgang

DAS NEUE PRATERMUSEUM

430 Das erste Pratermuseum

Die Stadtforscher:innen Hans Pemmer und Ninni Lackner

Tobias Hofbauer

434 Vielfalt auf allen Ebenen der Erfahrung

Was ist ein Pratermuseum?

Michael Wallraff

438 Planet Prater

Olaf Osten

444 Autorinnen und Autoren

447 Dank

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»Super 8er Bahn« im Prater, 2013

Foto: Ralf Roletschek

Vorworte

Der Prater ist nicht nur ein Sehnsuchtsort vieler Wiener:innen, sondern auch unzähliger Besucher:innen unserer Stadt. Im Prater blüh’n wieder die Bäume: Der bekannte Robert-Stolz-Klassiker bringt es beinahe programmatisch auf den Punkt. Denn die gesungene Gemütslandschaft – ja, der Prater ist weit mehr als Topografie – verheißt das ultimative Paradox: gleichbleibende Erneuerung. Es muss sich etwas ändern, aber bitte schön nur, solange alles so bleibt, wie es bisher war. Dieser sehr urwienerische Zugang zum Leben sollte die Resilienzforschung vermehrt interessieren, denn er trägt zum Erfolg unserer Zwei-Millionen-Metropole maßgeblich bei. Im Prater hat alles Platz: die Aufgeregtheit des Neuartigen parallel zur Gelassenheit des Althergebrachten.

Das wilde Fahrspiel neben beschaulicher Wiese, der ambitionierte Jogger neben dem müßigen Flaneur, das aktuellste E-Bike neben der historischen Kutsche. Ein Soziotop (aus-)gelebter Ambiguitätstoleranz. Oder mit einfacheren, besseren Worten: ein Ort des Miteinanders. Ein Ort für alle.

Hier gibt es seit jeher keine sozialen Grenzen, weshalb jedes Jahr verlässlich im Prater nicht nur die Bäume blüh’n, sondern wesentlich bedeutender: neue Ideen die Zukunft gestalten. Die persönliche, ganz private – und manchmal auch die Zukunft der großen, weiten Welt.

Ich wünsche viel Vergnügen bei der Lektüre.

Ihr Bürgermeister

Michael Ludwig

Er ist aus Wien nicht wegzudenken: Der Wiener Prater ist Teil der Identität dieser Stadt. Nur selten spielt ein Vergnügungsareal eine derart große Rolle im urbanen Bewusstsein. Mit der Beschreibung »Entertainment-Park« wird man dem Prater nicht gerecht, denn er steht für viel mehr: für die Entdeckung urbaner Freizeit im 18. Jahrhundert, für den Übergang von einer feudalen zu einer bürgerlichen Gesellschaft bis hin zur Erholung im öffentlichen Raum. Der Prater und seine zahllosen Darstellungen in Literatur, bildender Kunst und Film gehören zu Wien wie der Stephansdom oder die Ringstraße. Diese Geschichte erhält nun eine neue Fassung: ein Museum mitten im Prater, dort, wo der Mythos »Prater« entstanden ist und sich ständig neu auflädt. Michael Wallraff hat den ersten Kulturbau des Landes in einer Holzbauweise konzipiert, die Funktionalität, Ästhetik und Klimaschutz vereint. Es ist ein Ort großer Sichtbarkeit entstanden, an dem Geschichte und Gegenwart des Wiener Praters in der neuen Dauerausstellung gezeigt und vermittelt werden. Dazu kommt ein offener Raum, der –frei zugänglich – Begegnungen ermöglicht. Dieser niederschwellige Zugang zum Pratermuseum spricht eine Einladung an das Publikum aus, sich mit diesem einzigartigen Ort auseinanderzusetzen.

Damit setzt die Stadt Wien ein weiteres kulturpolitisches Signal für eine lustvolle Durchdringung des Lebens mit Kunst, Kultur und Wissenschaft. Mit dem Pratermuseum wird deutlich gemacht, dass der Prater kein kommerzieller Vergnügungspark ist, der beliebig ausgetauscht werden könnte. Der Wiener Prater lebt von seiner tiefen Verwobenheit mit der Stadt, so wie auch diejenigen, die ihn prägen – die Wiener »Praterfamilien«, denen an dieser Stelle Dank für ihre konstruktive Kooperation ausgesprochen werden soll. Auch sie garantieren die Unverwechselbarkeit des Wiener Praters.

Der Prater, in dem seit Jahrhunderten die gesamte Wiener Bevölkerung genauso wie internationale Gäste zusammenkommen, ist ein idealer Mikrokosmos, um sich in der Geschichte der Stadt wiederzufinden – sei es über Kindheitserinnerungen im Wurstelprater, Erlebnisse im Stadion oder Freizeitaktivitäten und Spaziergänge im weitläufigen Erholungsgebiet des grünen Praters.

Der Prater gehört zu Wien und die Wiener:innen zum Prater.

Mag.a Veronica Kaup-Hasler amtsf. Stadträtin für Kultur und Wissenschaft in Wien

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Der Prater ist ein Ort der Liminalität. Der einflussreiche Begriff stammt von meinem großen kulturanthropologischen Fachkollegen Victor Turner. Er beschreibt darin einen Schwellenzustand jenseits festgefahrener sozialer Strukturen. In Momenten oder an Orten solcher Liminalität sind die normalen Regeln der Gesellschaft ausgesetzt. Vorübergehende Freiheiten ermöglichen neue Beziehungsmuster und Bedeutungszusammenhänge. Der Wald in Shakespeares Sommernachtstraum ist ein wunderbares Beispiel, genauso wie die Faschingszeit. Und eben der Wiener Prater – ein Schlaraffenland, in dem verbotenes Zuckerzeug Grimm’schen Märchen gleich auf der Straße liegt und sich ängstliche Kinder als heldenhafte Jagdpilot:innen wiederfinden können. Teil der Stadt und doch in vielerlei Hinsicht außerhalb ihrer sozialen Beschränkungen. Teil unserer Zeit und doch immer versucht, die Gegenwart zu überwinden, sei es durch Nostalgie, wie bei der Liliputbahn oder im Spiegelkabinett, oder durch den Futurismus von Attraktionen wie Space-Shot oder Ejection Seat. Im Prater kommt das alles irgendwie zusammen. Er ist ein Ort, an dem man heute das Morgen von gestern erleben kann.

Der Neubau des Pratermuseums sowie die Schaffung einer neuen Dauerausstellung waren ein Herzensprojekt. Ich danke den vielen Mitarbeiter:innen, die es ermöglicht haben, allen voran meiner Co-Direktorin Christina Schwarz. Das Team am Wien Museum hat unermüdlich gearbeitet: die Kurator:innen Werner Michael Schwarz und Susanne Winkler (mit kuratorischer Assistenz von Tobias Hofbauer), die Bauleiter Heribert Fruhauf und Yusuf Özdemir und die Produzentin Karina Karadensky. Großer Dank gebührt auch dem Architekten und Gestalter Michael Wallraff sowie den Grafiker:innen Olaf Osten (Prater-Panoramabild und Ausstellungsgrafik) und Katharina Gattermann (Publikationen). Die Katalogproduktion lag in den bewährten Händen von Sonja Gruber.

Mein tiefer Dank gilt auch zwei weiteren Personen: Ursula Storch, Vizedirektorin des Wien Museums, hat die Pratersammlung mit großer Sorgfalt über Jahrzehnte betreut. Silvia Lang, Präsidentin des Wiener Praterverbands, wiederum ist es zu danken, dass diese Sammlung jetzt in einem neuen Haus zu sehen ist. Es war ihr jahrelanger, unermüdlicher Einsatz, der das Bauprojekt ermöglicht hat.

Matti Bunzl

Direktion Wien Museum

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Joseph Daniel von Huber (zugeschrieben): Plan des Praters (Ausschnitt), 1782, kolorierter Kupferstich; Wien Museum, Inv.‑Nr. 169784

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Was ist der Prater?

Was ist der Prater? Um die Einzigartigkeit des Geländes seinen Leser:innen zu vermitteln, zählte Adalbert Stifter in seinem bekannten, 1844 erschienenen Text Der Prater mehrere mögliche Definitionen auf, um sie sofort wieder zu verwerfen. Es sei kein »Park«, keine »Wiese«, kein »Garten«, kein »Wald« und auch keine »Lustanstalt«.1 Es sei alles das »zusammengenommen« und vermutlich, so lässt sich diese Aufzählung interpretieren, noch viel mehr. Stifter verweigerte eine topografisch-historische und statistische Beschreibung des Geländes, einen gelehrten Blick von oben, und führte stattdessen zum Beweis seiner These die Leser:innen gleich in das Geschehen. Denn, so der Autor implizit, man muss den Prater gesehen und erlebt haben, um diesen zu begreifen. Seine Tour, die in der Erzählung einen ganzen Tag in Anspruch nimmt, von morgens bis spätabends dauert und so Teil einer Rhetorik wird, mit der Vollständigkeit wie Subjektivität betont werden, führt an einzelne Orte, zur Hauptallee, zum Wurstelprater, zur Feuerwerkswiese, zu einsamen Wald- und Wiesenpartien. Nur zu einem geringen Teil spielen die äußerlichen Merkmale der verschiedenen Orte eine Rolle, fast ausschließlich werden sie im Text durch ausführliche Beschreibungen davon hergestellt, wie und von wem sie genutzt werden. Stifter, und hier lässt sich eine direkte Verbindungslinie zu den Raumtheorien von Henri Lefebvre oder Michel de Certeau ziehen, versteht den Prater durch die Summe seine Nutzungen oder die »Gesamtheit der Bewegungen, die sich in ihm entfalten«.2 Um das zu betonen, verzichtet er im Gegensatz zu vielen Autor:innen auf die Verwendung einer starken Metapher wie Paradies oder Zaubergarten 3 und vermittelt die Einzigartigkeit des Geländes durch die Addition sachlicher, aber einander ausschließender Begriffe und skizziert ihn so als eigentlich unwirklichen Ort.4

Demokratie im Labor

Springen wir aber an den Ursprung zurück, zum Gründungstext und zur Öffnung des Praters im Jahr 1766. Menschenliebe und Kalkül bilden die beiden Pole der Interpretation, wenn es um die Motive geht, die hinter der Öffnung des Praters für die

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Werner Michael Schwarz Susanne Winkler

Wilhelm Böhm: »Praterharfenist«, Illustration in: Adalbert Stifter, »Wien und die Wiener in Bildern aus dem Leben«, Wien 1844 (nach S. 165), kolorierter Kupferstich: Carl Mahlknecht; Wien Museum, Inv. Nr. 31740/3

Allgemeinheit stehen. Für zeitgenössische Bewunderer und Bewunderinnen Kaiser Josephs II., wie Michael Denis, den Verfasser der Ode auf den Prater (1766), war der Fall eindeutig. Für den aufgeklärten Priester bedeutete das Geschenk des Kaisers eine soziale wie eine politische Tat. Sie brachte alle Menschen in den Genuss der Annehmlichkeiten des Praters und hob das Unrecht auf, das durch die Privilegierung der Aristokratie bestanden hatte.5 In der historischen Interpretation spielt hingegen das Kalkül eine wichtige Rolle, durch die Schaffung von Erholungsräumen die Produktivität zu steigern und im Sinne einer biopolitischen Maßnahme die Gesundheit der Bevölkerung und die hygienischen Verhältnisse der stark wachsenden Stadt zu verbessern.6 So gesehen stand die Öffnung des Praters unmittelbar mit der Etablierung eines neuen Zeitsystems in Verbindung, das die kirchliche Festtagsordnung ablöste und um Arbeit organisiert ein modernes Verständnis von Freizeit begründete, das auch die Idee der besonders rekreativen Kraft der Natur reflektierte. In Begriffen der Freizeitsoziologie zählt der Prater so zu den neuen Räumen der Rekreation und Kompensation, mit denen die zunehmenden Anforderungen, die die Arbeitsdisziplin an die Menschen stellte, ausgeglichen werden sollten.7 Die Anerkennung dieser Bedürfnisse vermittelt zugleich ein von mathematisch-statistischem Denken gelenktes Verständnis von öffentlicher Wohlfahrt im 18. Jahrhundert. Die Öffnung des Praters war aus dieser Perspektive kein singuläres Ereignis, wie das von Zeitgenoss:innen oft gesehen wurde. Auch gibt es Hinweise darauf, dass das Areal zumindest in Teilen bereits vor 1766 für breitere Schichten der Bevölkerung zugänglich war.8 Ab dem 17. Jahrhundert wurden in vielen europäischen Städten fürstliche Jagdgebiete und Gärten für die Allgemeinheit geöffnet, anfänglich zur herrschaftlichen Repräsentation, später aus der Einsicht der Notwendigkeit von Räumen zur Regeneration. Beispiele dafür sind die Villa

Borghese in Rom, die Tuilerien in Paris, New Spring Gardens in London oder der Tiergarten in Berlin.9 Selbst in Wien war der Prater kein Einzelphänomen, denn auch die Festungswälle und das Glacis wurden in dieser Zeit als Erholungsräume adaptiert und in den 1770er Jahren der Augarten sowie Schloss Schönbrunn für die Allgemeinheit geöffnet.10

Dennoch ist der Prater anders, wofür sowohl die Existenz eines öffentlichen Gründungsdokuments wie auch dessen Inhalte sprechen. Das »Avertissement«,11 das am 9. April 1766 im Wiener Diarium erschien, benennt mit knappen Worten die Adressat:innen, den Umfang der Widmung, die möglichen Nutzungen und die dafür vorgesehenen Bedingungen. Es kommt einer Verfassung für das Gelände gleich, man könnte zugespitzt von der ersten modernen Verfassung in Österreich sprechen, die bereits die wesentlichen Leitlinien der vielfältigen und vielschichtigen Nutzungsgeschichte des Praters vorzeichnet. Die Adressat:innen werden als »jedermann« angesprochen, der Umfang der Widmung schließt das gesamte Gelände mit Ausnahme der »abgelegenen Orte und dicken Waldungen« mit ein, die Nutzungen werden nur exemplarisch genannt und lassen betont andere Möglichkeiten zu. Die Freiheit, hier zu »spazieren«, zu »reiten« oder zu »fahren«, wird im Sinn der aufgeklärten Gesellschaftsphilosophie nur vom Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme und der Einhaltung allgemeiner moralischer Verhaltensweisen begrenzt. Der Prater wird als ein Territorium definiert, in dem die Menschen über gleiche Rechte verfügen und auch die Arten, dieses zu nutzen, als gleichberechtigt anerkannt werden. Das Besondere an diesem Gründungstext sind die vagen und offenen Formulierungen und die Zurückhaltung, Ziele, Vorgaben oder

15 WAS IST DER PRATER?

Wo sich die Kleinen groß fühlen und die Großen sich an ihrer Angst vergnügen können

Nostalgischer Praterspaziergang eines Psychoanalytikers

Im Spiegelkabinett im Prater, 1957; Foto: Leo Jahn Dietrichstein; Wien Museum, Inv.‑Nr. 228314

Gerade einmal sieben, acht Minuten von dem Haus entfernt, in dem ich die ersten Lebensjahre mit meinen Eltern verbrachte, zweigt von der Ausstellungsstraße der Kratky-Baschik-Weg ab. Benannt nach Anton Kratky-Baschik, einem seinerzeit international berühmten Zauberkünstler und Illusionisten, der hier an der Ausstellungsstraße zur Zeit der Weltausstellung 1873 ein mit 1.000 Sitzplätzen ausgestattetes Zaubertheater unterhielt.

Als Kind freilich interessierte mich der gute Kratky-Baschik in keiner Weise – auch wurde der Weg erst viel später nach ihm benannt –, sondern der Umstand, dass sich genau hier mein Lieblingsringelspiel befand. Ich schaue mich um – kein Ringelspiel mehr. Wo ich mich von meinem Vater oder meiner Großmutter nach Minuten der Ungeduld losriss, die Plattform des Ringelspiels erklomm und in den rot-weißen Straßenbahnwaggon – es war immer der Straßenbahnwaggon – sprang, hat sich ein bläulich-weißer Gips-Eisberg, eine Art digitale, interaktive Grottenbahn breitgemacht. Werde ich überhaupt noch etwas vom Prater meiner Kindheit finden?

Zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass mich trotz des Fehlens ›meines‹ Ringelspiels, trotz des künstlichen Eisbergs – der mich nicht interessiert –, trotz Spielautomaten – die mich nicht interessieren –, trotz ohrenbetäubender Rap-Musik – die von irgendwo herüberschallt und mir ganz und gar nicht gefällt –, dass mich trotz alldem ein Hauch des Zaubers umweht, den der Prater in meiner Kindheit stets hatte. Was mir im

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Moment nicht klar ist, ob der Zauber der Gegenwart angehört oder nur nostalgischer Teil meiner Erinnerung ist. Und ich könnte ja nicht einmal sagen, worin der damals bestand …

Ich lenke meine Schritte nach links und beginne zu strahlen: Da war sie und ist noch immer, prächtig wie eh und je, die alte Grottenbahn. Und gleich dahinter das Calypso, ich glaube, das älteste Spiegel- und Lachkabinett des Praters.

Die Verzerrungen durch die konkaven und konvexen Spiegel lassen mich daran denken, dass in den Anfangszeiten des Praters die Zurschaustellung von Naturabnormitäten zu den größten Attraktionen des Praters zählte – die Dame ohne Unterleib; Nikolaj Kobelkoff, der berühmte »Rumpfmensch«; Riesen und Zwergmenschen. An eine »Liliputaner«-Bühne kann ich mich sogar noch aus meiner Kindheit erinnern. Sich am Leid anderer lustvoll zu laben, ist, psychodynamisch gesehen, ein höchst komplexes Phänomen: Sadistische Regungen können sich als Mitleid tarnen oder der verlockende Absturz eines Akrobaten, einer Akrobatin (bewusst) als ängstliche Hoffnung, es möge nicht passieren; dazu kommt die Erleichterung, nicht selbst betroffen zu sein, und – affektiv besonders entlastend – die Möglichkeit, normale, auf die eigene Person bezogene diffuse Ängste und Komplexe nach außen zu projizieren, auf eine Situation oder Person, von der man weiß, dass sie für mich keine reale Bedrohung darstellt.

Die Spiegel des Spiegelkabinetts erfüllen im Grunde die gleiche Funktion wie die einstige Zurschaustellung. Die Abnormität wird auf den eigenen Körper zurückgeworfen, und die bewussten bis unbewussten Ängste können sich durch Lachen Luft machen. Was natürlich nur funktioniert, wenn ich weiß, dass es sich nicht um mein wirkliches Spiegelbild handelt.

Über dieses Phänomen wusste bereits Aristoteles Bescheid. Er erkannte, dass die Wirkung der Tragödie vornehmlich darin besteht, dass bei den Zuschauer:innen die tragischen Schicksale der Helden Gefühle wie Angst, Liebe, Mitgefühl auslösen, die in der Realität unerwünscht sind, im Theater hingegen sein dürfen. Aus dieser Leistung der Vorstellungskraft (phantasia) erfahre die Seele eine Entlastung: Katharsis. Diese kathartische Funktion erfüllt natürlich nicht nur die antike Tragödie, sondern jede dramatische Form, wie Theater, Oper, Film oder Literatur, Romane. Und sie spielt auch für die seelische Entwicklung der Kinder eine unverzichtbare Rolle: in den selbst erfundenen Spielen ebenso wie in der klassischen Kinderliteraturform, dem Märchen. »Die Hexe, die aus den Angstphantasien eines Kindes geboren ist, wird es verfolgen«, schreibt Bruno Bettelheim, »aber eine Hexe, die man in ihren eigenen Ofen stoßen und verbrennen kann, ist eine Hexe, von der sich das Kind befreit glauben kann.«

Kinder brauchen Märchen betitelte Bettelheim sein mittlerweile zum Klassiker gewordenes Buch.1 Und insofern sie Märchen brauchen, lieben sie auch den Kasperl – bzw. sein literarisches Vorbild, den von Josef Anton Stranitzky kreierten Hanswurst – mit seinen Genossen, Freund:innen und deren ewigen Kampf gegen die gefürchteten, gehassten, jedoch ebenso geliebten Inkarnationen des archaischen Bösen: die Hexe, den Zauberer und natürlich (!) das Krokodil. Nach der Öffnung des kaiserlichen Jagdgebiets 1766 für die Bevölkerung durch Joseph II. waren die ersten beiden PraterAttraktionen ein Bierausschank und ein Kasperltheater. Ihm folgten zahlreiche andere, und bis zum heutigen Tag sind sie das namensgebende Aushängeschild des »Wurstelpraters«.

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WO S i CH die KL ei N e N G r OSS FÜHL e N …
Straßenbahntriebwagen im Ringelspiel im Prater 55d, 1954; Foto: Franz Jebavi; Rudolf Krause (Pratertopothek), ID 0271696

Meine Assoziationsreise von den Zerrspiegeln des Lachkabinetts über die Abnormitäten-Zurschaustellungen, die griechische Tragödie bis zum Praterkasperl lässt mich an die lebensgeschichtlich frühesten Formen denken, in denen Kinder sich symbolisch mit dem auseinandersetzen, was man als Urangst bezeichnen kann: das Schicksalspaar Aggression und Trennung. Deren Entmachtung durch Wiedervereinigung ist der Sinn der Versteckspiele des zweiten und dritten Lebensjahres, in denen es ja noch gar nicht um erfolgreiches Sich-Verbergen geht: Die Lust entsteht im möglichst frühzeitigen Gefundenwerden. Die nämliche Dynamik entdeckte Sigmund Freud 2 in einer typischen Liebhaberei kleiner Babys, die in mehrmaligen Wiederholungen ihren Schnuller – ein Mutterbrustsymbol – mit erstaunt-erschrockenem Gesichtsausdruck aus dem Kinderwagen werfen, oft begleitet von einem lang gezogenen »Ohh!«, und darauf warten, dass er ihnen zurückgegeben wird, was sie mit zufriedener Entspannung, oft begleitet von einem »Aah!«, beantworten. »Fort-daSpiel« nannte Freud diese selbstheilenden Versuche von Babys, die potenziell traumatische Trennung von Mutter, Vater usw. durch die fantasierte Wiedervereinigung, die früheste Form von Hoffnung, zu entschärfen.

Gleich den Babys entfährt mir ein spontanes »Ooh-Aah«: Mit einem Male verstehe ich den Reiz des Ringelspiels! Bislang war ich davon ausgegangen, dass seine Anziehung von den Objekten, mit denen das jeweilige Ringelspiel ausgestattet ist, ausgeht: den Autos, Kutschen, Pferden, Feuerwehren, Straßenbahnwaggons usw. Das trifft durchaus zu. Aber um diese narzisstische Lust am Als-ob-ich-schon-groß-Wäre, zentrales Motiv vieler Kinderspiele, genießen zu können, müsste sich das Ding nicht drehen. Genau darauf aber warten alle Kinder mit Ungeduld. An besonderen Körpergefühlen kann es nicht liegen, dazu drehen sich klassische Ringelspiele zu langsam – im Gegensatz zu anderen Attraktionen wie Achterbahnen und Co. Nein, der Reiz, wird mir klar, besteht darin, die vertraute Begleitperson, die immer kleiner wird, zu verlassen, sich plötzlich allein in der fremden Rückseite zu finden, aber nach etwa zwanzig Sekunden den Papa, die Mama, Oma wieder zu erblicken. Ein lachendes Winken, dem »Fort« folgt ein »Da«, bis es, mit neuem Mut und Vertrauen getankt, auf eine neue Runde der Welteroberung geht …

Dem Spiegelkabinett der Calypso ist ein Irrgarten angeschlossen, dessen Reiz nun mehr kaum verwundert. Labyrinthe verhindern die Rückkehr (das »Aah«, das »Da«) und sind gerade deshalb auch beliebte Bestandteile von Thrillern und Horrorfilmen. Im Irrgarten der Calypso

Handpuppe Krokodil aus dem Kasperltheater bei der Walfischgrottenbahn, um 1890; Wien Museum, Inv.‑Nr. 125356/2 werde ich hingegen nicht verloren gehen. Es ist dieses Wissen, das zu Folge hat, dass angesichts des wiederholten Scheiterns, den richtigen Weg zu finden, meine Erregung nicht als Angst erlebt wird, sondern sich, wie schon bei den Spiegeln, als Lachen Luft macht. Bin ich dem Zauber des Praters schon auf die Spur gekommen? Mich wie ein Großer fühlen können und meine archaischen Ängste – Trennung, Verlorengehen, Beschädigung, Vernichtung – in lustvolle Spannung transformiert zu erleben. Die narzisstische Befriedigung bedient sich der Fantasien, der Neutralisierung bedrohlicher Situationen, des Wissens, dass real keine Gefahr droht. Ringelspiel und Kasperltheater vereinen beide Aspekte – das Ringelspiel, auch der Irrgarten, im unmittelbaren Erleben, das Kasperltheater mittelbar über Identifizierung.

Was die Psychodynamik betrifft, sind viele PraterAttraktionen im Grunde Ringelspiele. So auch meine Lieblingsautobahn. Auch sie gibt es noch. Sie heißt

27 WAS IST DER PRATER?
38 V OM Ka SP er L O der Wur S te L
Publikum beim Kasperltheater im Prater, ca. 1906; Fotos: Emil Mayer; Wien Museum, Inv.‑Nr. 111448/16, 24, 30
39 WAS IST DER PRATER?

Der Prater in der Kartografie

Orientierung und räumliche Transformationen

»[…] A map tells you where you’ve been, where you are, and where you’re going — in a sense it’s three tenses in one.«

Wie hat der Prater früher ausgesehen? Was hat es alles gegeben? Wie hat er sich verändert? Der Prater ist ein dynamisches Gebiet, ein Raum der Transformation. Obwohl nur Momentaufnahmen, sind Karten (und deren Vergleich) Instrumente, die Antworten liefern und räumliche Veränderungsprozesse veranschaulichen. Keine anderen visuellen Medien dokumentieren den Wandel von einer Aulandschaft zum gegenwärtigen Vergnügungs- und Erholungsgebiet, von den Anfängen des 17. Jahrhunderts bis heute, so gesamtheitlich wie Karten. Der Fokus liegt dabei nicht auf Gesamtplänen der Stadt Wien, sondern auf Karten, deren zentraler Inhalt der Prater ist.

Den bedeutendsten Einfluss auf die Gestaltung der Praterlandschaft hatte über die Jahrhunderte hinweg der Donaustrom. Eine der ältesten bekannten Gesamtdarstellungen des Pratergebiets und der umliegenden Donauauen ist ein Plan aus dem Jahr 1632 → Abb. 1 . Anlass war ein Rechtsstreit zwischen dem Wiener Bürgerspital und dem Stift Klosterneuburg über die Nutzung einer der zahlreichen Donauinseln.2 Sie waren neben dem Kaiserhaus, anderen Klöstern und Gemeinden Grundbesitzer im Prater.3 »Grenz- oder Grenzstreitigkeitskarten« waren eine Art thematischer Karten, die sich im 16. und 17. Jahrhundert entwickelten und vor Gericht oftmals als Beweismittel dienten.4 Der damals vorherrschende Holzbedarf für den Bau der Stadtbefestigungen und vor allem der Bedarf an Brennmaterial waren Auslöser für den im Jahr 1547 gestarteten und über 112 Jahre andauernden Gerichtsprozess zwischen den beiden Parteien. Erosion und Überschwemmungen waren vermutlich ausschlaggebend dafür, dass einige dieser Donauinseln im Laufe der Zeit verschwanden, neue dazukamen und Unklarheiten bei den Besitzansprüchen ungelöst blieben.5 Neben dem Gebiet der heutigen Leopoldstadt sind auf dem Plan auch die

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Areale der heutigen Bezirke Brigittenau, Floridsdorf und Donaustadt abgebildet. In der Mitte des linken Randes des nordöstlich orientierten Plans ist der Vorort Nußdorf (A) auszumachen, in der rechten oberen Ecke die Dörfer Kagran (B), Hirschstetten (C) und Stadlau (D). Bei den Booten in dem darunter liegenden Flussarm könnte es sich um Schiffsmühlen handeln (E). Am unteren Rand der Planaufnahme sind der Sporkenbühel (F), der Obere Werd (G), die innere Stadt (H) und die Vorstadt Weißgerber (I) eingezeichnet. Von der inneren Stadt führt die Schlagbrücke (J) zum Unteren Werd (K), jahrhundertelang die einzige Verbindung zwischen den beiden Gebieten.6 Rechts abzweigend führt die Jägerzeile, die heutige Praterstraße (L), über den Fugbach zum Einlasstor (M) in den Prater.7 Oberhalb von diesem ist das im Besitz des Bürgerspitals befindliche Stadtgut vermerkt (N). Am Westufer des Fugbachs, auf der Insel des Unteren Werd, ist mit zwei Bäumen der ehemalige Brückenkopf »Alt Tabor« eingezeichnet (O). Der von der Schlagbrücke links abzweigende Straßenzug, die heutige Taborstraße (P), leitet zum »neuen« Tabor (Q), von dem aus eine Brücke auf die Insel der Durchlaufsau, der heutigen Brigittenau (R), führt. Der Weg verläuft in nördlicher Richtung weiter zur »Schwarzen Lacke« (S) im heutigen Floridsdorf. Oberhalb des Stadtguts ist auf einer Auinsel der Lauf eines alten, nicht mehr bestehenden Donauarms kartiert (T). Auffallend sind auch die »Spitallerheusl«(?) benannten Bauwerke in der rechten Blattmitte (U). Vermutlich handelt es sich dabei um ein Augebiet im Besitz des Wiener Bürgerspitals, das in unmittelbarer Nähe des heutigen Kaiserwassers in Kaisermühlen gelegen ist. Links dieser Häuser, bezeichnet als »Strittige Au«, liegt die konfliktauslösende Auinsel (V). Bemerkenswert an dieser Plandarstellung ist, obwohl zu dieser Zeit bereits vorhanden, die fehlende Einzeichnung der 1537 / 38 angelegten Hauptallee und des »Grünen Lusthauses«. Könnte der Grund dafür sein, dass der Prater und die beiden in ihm liegenden Anlagen als Teil der habsburgischen Besitztümer nicht von zentralem Interesse für die Ersteller dieser Karte waren?

1 — Planaufnahme des Unteren Werd und der Donau bei Wien mit Einzeichnung einer zwischen dem Wiener Bürgerspital und dem Stift Klosterneuburg strittigen Au sowie früheren Verläufen des Donaustroms, 1632, Gouache; Wien Museum, Inv. Nr. 95961/4

41 WAS IST DER PRATER?
A F G H J K P Q S R L M N O U V T I B E C D

2 — Johann Jacob Marinoni:

»Mappa uber den Kays.en Prater«, aus: »Neuer Atlas der Kayserl.en Wildban in Östereich unter der Ens«, 1726 – 1729, ca. 1 : 11.000, kolorierte Handzeichnung; ÖNB/KAR, Inv. Nr. K I 98480, Bd. 1, Tafel 12

Gut hundert Jahre später erscheint die Mappa über den Kays.en Prater 8 , Teil des berühmten Jagdatlas von Kaiser Karl VI., gezeichnet vom Hofmathematiker Johann Jacob Marinoni von 1726 bis 1729. Dieser Plan gilt als die erste genaue kartografische Darstellung des Praters → Abb. 2  . 9 Die südwestlich ausgerichtete und ausführlich beschriftete Karte zeigt unter anderem in ihrer Mitte die Hauptallee, die durch einen Donauarm (Heustadelwasser) geteilt wird.10 Der eingezeichnete Ausweichweg für diesen Mäander verläuft am Südufer.11 In der rechten unteren Ecke des Plans (Norden) ist das außerhalb der Grenzen des kaiserlichen Jagdreviers befindliche Stadtgut des Wiener Bürgerspitals auszumachen. Ende des 17. Jahrhunderts erlangte die Stadt Wien die Grundobrigkeit über die Leopoldstadt, das schwer verschuldete Bürgerspital behielt nur das Stadtgut.12 Hinter dem Lusthaus, noch innerhalb der Jagdgrenzen, ist eine als »der Kleine Prater« bezeichnete Insel zu erkennen. Im Franziszeischen Kataster ist diese bereits Teil der Freudenau.13

Die Zeit um 1780 nimmt einen signifikanten Platz in der Geschichte der Praterkartografie ein. Nach der Prateröffnung 1766 widmete sich Joseph II. einem raumplanerischen Projekt, der Neugestaltung des Pratersterns, das einen bedeutenden Beitrag zur weiteren Entwicklung des Praters darstellte.14 Zwei bedeutende, in diesem Zusammenhang angefertigte Kartenwerke aus den Jahren um 1778 15 und 1780 16 stammen von Major Lauer → Abb. 3 – 4 und zeigen das gesamte Praterareal vor und nach der Umgestaltung des Pratersterns. Vermutlich wurden diese Pläne von Joseph II. in Auftrag gegeben.17 Neben dem neu angelegten »Sternplatz« stechen die Zuschüttung des Fugbachs und die über das Heustadelwasser führende Hauptallee als markante Änderungen hervor.18 Die Errichtung der projektierten Brücken über das Heustadelwasser dürfte allerdings erst um 1867 erfolgt sein.19 Von der Karte aus dem Jahr um 1778 existiert noch

42 d er Prater i N der Kart OG ra F ie

3 — Major Lauer: »Reducirter Aufnahms Plan des Ober und Unteren Praters von Au Garten bis zum Zusamenflus der Großen Donau, und des Leopold Städter Arms, samt denen zwischen beyden liegenden Inseln«, um 1778, ca. 1 : 8.750, kolorierte Handzeichnung; ÖNB/KAR, Inv. Nr. FKB C.13.2

4 — Major Lauer: »Plan des Au Gartens, der Ganzen Leopold. Stadt, der Jäger Zeyl, des Stadt Guths, des Ober und Unteren Praters bis zu dem Zusamenflus der großen Donau und des Leopold.Städter Arms, samt den zwischen beyden liegenden Inseln«, 1780, ca. 1 : 8.750, kolorierte Handzeichnung; ÖNB/KAR, Inv. Nr. FKB C.13.1

43 WAS IST DER PRATER?

Würstelstand im Prater, ca. 1955;

Foto: Leo Jahn Dietrichstein; Wien Museum, Inv. Nr. 228306

die großen Körbe mit Würsten, Brot und Kuchen und die mit gebackenen Häneln, Capauneln und Fasanen überladenen Tische selbst gesehen haben, um sich einen anschauenden Begriff von dem Appetit des Wiener Volkes zu machen; was an Coffee, Limonade, Chocolade, Wein und Bier verbraucht wird, ist eben so beträchtlich, und der damit im Prater commerzierende Teil befindet sich dabei sehr wohl.« 8

Besonders an schönen Tagen war der Publikumsandrang in den »Nasch- und Freßhütten« 9 so groß, dass man Gefahr lief, gar keinen Sitzplatz zu ergattern oder sehr lange auf das Bestellte zu warten. Zudem entsprachen der Service und die Qualität der Speisen und Getränke nicht immer den Erwartungen und den verlangten Preisen: Von gewässertem und essigähnlichem Wein war in Kritiken die Rede, von überteuertem und warmem Bier oder von der Unmöglichkeit, den Braten gleichzeitig mit den Beilagen zu bekommen. Solche Missstände kamen sogar in Theaterstücken zur Sprache, wobei nicht immer klar ist, ob es sich dabei um einigermaßen realistische Schilderungen oder um satirische Übertreibungen handelt, wenn etwa von Raben die Rede ist, die als Fasane aufgetischt

58 d er Prater a LS Ort der Gau M e NF reude

werden, oder von häsernem Lammfleisch.10 Die Qualität des Angebotenen hing nicht nur von den Fähigkeiten und von den guten oder bösen Absichten der Wirtsleute ab, sondern auch vom Preisniveau. Die günstigen Etablissements boten vielleicht nicht gerade die am lieblichsten duftenden Gerichte an, doch diese konnten durchaus bodenständig, unverfälscht und auf einfache Weise wohlschmeckend sein.

Vielfältiges Angebot

Die historische Langzeitperspektive zeigt, dass das Angebot an Ess- und Trinkbarem im Prater stets sehr vielfältig war und mehr oder weniger alle Geschmäcker und Geldbörsen berücksichtigte. Gehobene und exklusive Gastronomie wie die von Eduard Sacher betriebene Hof-Restauration am Konstantinhügel war ebenso vertreten wie einfache und preiswerte Küche, Regionales und Vertrautes genauso wie Exotisches (für das besonders die Weltausstellung von 1873 sorgte). Es gab aufwendig Serviertes am schön gedeckten Tisch oder Schnelles aus dem Automatenbuffet, elegante mehrgängige Menüs oder stückweise verkaufte Kleinigkeiten wie Salzgurken und Brezeln, und je nach Temperaturverhältnissen konnte zwischen Gefrorenem, Gekühltem oder Wärmendem gewählt werden. Man konnte harmlose Kracherl, Soda- und Mineralwässer, Kaffee, Tee oder Milch trinken,

Käse und Salamiverkäufer (»Käs! Salamucci!«) beim »Gasthaus zum Hirschen« im Prater aus der Serie »Wiener Typen«, 1878; Foto: Otto Schmidt; Wien Museum, Inv.‑Nr. 174462 oder aber Bier verschiedenster Brauereien, leichte, schwere, süße oder saure Weine, American Drinks oder hochprozentige Schnäpse, je nach Gusto und erwünschtem Berauschungsgrad. Die Lokale konnte man danach aussuchen, ob man eher Ruhe oder lebhafte Gesellschaft, nur Speis und Trank oder auch Musik und sonstige Unterhaltung wünschte. Das Restaurant Zur Praterfee sorgte sogar dafür, dass einsame Witwen und Junggesellen neuen Anschluss fanden, während das Gasthaus Zur Vermählung angeblich die »ledigen Madln« 11 anlockte. Führte schließlich die Ausübung oder der Anblick all der Schlemmerei zur Übersättigung, versprach der Auftritt eines gastierenden Hungerkünstlers ein erholsames Kontrastprogramm. Die große Bandbreite der kulinarischen Angebote illustriert insgesamt recht eindrucksvoll, wie sehr der Prater tatsächlich ein Erholungs- und Vergnügungsort für alle war, auch wenn sich die Angehörigen der verschiedenen sozialen Milieus, Schichten und Klassen in den einzelnen Lokalitäten nicht zwangsläufig miteinander vermischten (Ausnahmen waren die großen Kaffeehäuser entlang der Hauptallee).

Eine wichtige und gerne genutzte Ergänzung zum Angebot der Wirtshäuser stellten die kleinen Verkaufsstände sowie die mobilen Lebensmittelhändler und Hökerinnen dar, die ebenfalls allerlei Ess- und Trinkbares feilboten, von Äpfeln, Feigen, Datteln und Zitrusfrüchten über Brot und Kipferl bis hin zu Kanditen und anderen Süßwaren. Zu den bekanntesten dieser oft als »Wiener Typen« dargestellten und stereotypisierten Figuren zählten die meist aus Italien stammenden Salami- und Käsehändler, »Salamucci« genannt. Immer wieder kam es zu

59 WAS IST DER PRATER?

»Der Stolz jedes echten Wieners «

Zur Karriere des Praters als »typisch wienerischer« Ort

Nußbaumer

Martina

»Wenige Hauptstädte in der Welt dürften so ein Ding aufzuweisen haben wie wir unseren Prater. Ist es ein Park? ›Nein.‹ Ist es eine Wiese? ›Nein.‹ Ist es ein Garten?

›Nein.‹ Ein Wald? ›Nein.‹ Eine Lustanstalt? ›Nein.‹ – Was denn?

›Alles dies zusammengenommen.‹«

In Adalbert Stifters viel zitierter Beschreibung des Wiener Praters aus dem Jahr 1844 schwingt deutlich lokalpatriotischer Stolz auf den »riesenhaften Garten« der »riesenhaften Residenz« mit, der sowohl »Gewimmel« als auch »Ruhe und Einsamkeit« biete – »wohl uns, dass wir den Prater haben«.1 Mit seiner Schilderung des Praters als in der Städtekonkurrenz herausragender Ort, an dem sich Naturerlebnis, Erholung und Vergnügungen auf einzigartige Weise verschränken, liefert Stifter aber auch Stoff für jene touristische Vermarktung des Areals, die Mitte des 19. Jahrhunderts an Fahrt aufnehmen sollte, in ihren Erzählungen aber durchaus schon an Vorbilder aus dem 18. Jahrhundert anknüpfen konnte.

Die Etablierung einer Sehenswürdigkeit

Schon früh nach der Öffnung des Wiener Praters für die Bevölkerung im Jahr 1766 wird das Areal in Reiseberichten als »vielleicht der schönste Spaziergang Europas« beschrieben –»besonders an jenen Tagen, wo die sehr gut ausgeführten Feuerwerke Stuwers eine ungeheure Menge hinlocken, die so alle Vergnügungen genießt und den Glanz des gebotenen Schauspiels erhöht«, wie Johann Graf Fekete de Galantha 1787 schreibt 2 – und damit der Prater schrittweise als touristische Sehenswürdigkeit etabliert. Spätestens die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts boomende Reiseführerliteratur nimmt den Prater endgültig als Fixpunkt in die Reihe jener Orte auf, die es bei Aufenthalten

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in Wien unbedingt zu besuchen gilt. Theobald Griebens Illustrirter Wegweiser für Reisende etwa empfiehlt 1860 den Besuch des Praters selbst im Fall eines nur eintägigen Wien-Besuchs – gleich nach Wanderungen durch die Innere Stadt, die kaiserlichen Stallungen und die Jägerzeile.3 Auch in den Zeiteinteilungstipps der meisten anderen Reiseführer aus deutschen und österreichischen Verlagshäusern im 19. und frühen 20. Jahrhundert gehört der Besuch des Praters, dessen internationaler Bekanntheitsgrad sich durch die Wiener Weltausstellung 1873 noch einmal schlagartig erhöht, spätestens am Nachmittag des zweiten Wien-Tages zum fixen Sightseeing-Programm.4

Begründet wird diese Empfehlung zum einen oft – ähnlich wie bei Stifter – mit der behaupteten Einzigartigkeit und Vielseitigkeit des Praters und damit, dass »der Wiener« darauf besonders stolz sei. »Kein anderer der öffentlichen Belustigungsorte ist dem Wiener so theuer, keiner ist ihm, wie er selbst zu sagen pflegt, ›so sehr ans Herz gewachsen‹, auf keinen ist er so stolz, wie auf den Prater«, schreibt etwa der Illustrirte Führer durch Wien und Umgebungen im Jahr 1883. »Und mit Recht, denn er steht einzig da und lässt sich nach Charakter oder Ausdehnung weder mit dem Bois de Boulogne, noch mit Hyde-Park, weder mit dem Berliner Thiergarten, noch mit den Cascinen in Florenz vergleichen. Er hat von allen diesen Orten etwas und vereinigt ihre Vorzüge, und es wird kaum irgend einen Besucher des Praters geben, so verschieden sie auch nach Rang, Bildung und Einkommen sein mögen, so weit auch ihre Ansprüche auf Lebensgenuss auseinandergehen mögen, dem er nicht nach irgendeiner Richtung Befriedigung bieten wird.« 5

Zugleich wird der Prater auch zu dem Ort stilisiert, der gleichsam als Pars pro Toto für das »Wiener Leben« und den »Wiener Volkscharakter« steht: »Die Freude an Waldesdunkel und grünen Wiesenmatten, die musikalischen Neigungen der Wiener, ihre Lust am bunten Gedränge einer heiteren Menge und endlich die verständnisvolle Schätzung der festen und flüssigen Gottesgaben – alle diese verschiedenen Eigenschaften

Ansichtskarte: »Gruss aus Wien« mit »Praterstern mit Tegetthoff Monument«, Rotunde, »Prater: Haupt Allee«, Nordbahnhof, 1897; Lithografie und Verlag: Henri Schlumpf; Wien Museum, Inv. Nr. 238057

65 WAS IST DER PRATER?

Notendruck: Foxtrottlied

»Das Lied vom Riesenrad«, 1921; Musik: Karl Hajós, Wort: Beda; Verlag: Pierrot; Wien Museum, Inv.‑Nr. 172799

Zu den Praterliedern : Alltagsgeschichten und Glücksversprechen

Der Wiener Prater ist seit seiner Öffnung 1766 und bis zur jüngsten Gegenwart sowohl für Musiker:innen als auch für Dichter:innen und Texter:innen ein inspirierendes Motiv. Die Praterlieder, zur Unterhaltung eines breiten Publikums gedacht, enthalten hier und dort kurze, sonst nirgends vorhandene Informationen über den Wiener Habitus; 1 es finden sich wertvolle Hinweise auf Personen, historische Ereignisse, Nachrichten und Alltagsgeschichten der Stadt, die das Milieu von bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten vergegenwärtigen. So spiegeln etwa die Darbietungen von Johann Strauss (Vater und Sohn) oder Carl Michael Ziehrer die Herausbildung der popularen Unterhaltungskultur im 19. Jahrhundert wider, im Einklang mit Ereignissen, die im Wiener Prater stattgefunden haben, wie die Weltausstellung von 1873, die Eröffnung des Themenparks Venedig in Wien 1895, und den dazugehörigen Aufführungsorten – temporären wie fix verbauten Theater- und Varietébühnen, Musikpavillons und Kinos. Vor allem sind es Lieder, Walzer, Militärmärsche und Operetten, die diese Klangwelt bilden und den Praterraum mitdefinieren. Das einzigartige Prater-Ensemble besteht somit aus feinst differenzierten Orten des Vergnügens und der Erholung. Die Aulandschaften, Sportveranstaltungsorte sowie der Nobel- und Wurstelprater treten in einer Vielzahl von Liedern in Erscheinung.2 Diese waren nicht nur im Prater selbst zu hören, sondern erklangen als Repertoire für Singstimme mit Klavierbegleitung in den Cafés und Etablissements ebenso wie in den Gassen und vor allem auch im privaten Familienkreis. Sie zeichnen Erinnerungen an Erlebnisse, Belustigungen oder Stimmungen nach – und auch manch sentimentalen Ausblick. Wie der Prater selbst sind auch seine Lieder heterogen und umfassen nicht nur thematisch variantenreiche Motive, sondern auch unterschiedliche Gattungen: Wiener Marschlieder,

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Das »Autodrom« und andere Praterszenen von Otto Rudolf Schatz

Im Aquarell Autodrom von Otto Rudolf Schatz findet der Blick der Betrachtenden keinen Ruhepunkt. Den Eindruck permanenter Bewegung der »Säulenscooter« 1 auf der gleißenden Stahloberfläche, jäh unterbrochen durch gewollte oder ungewollte Kollisionen, charakterisiert es als authentisches Seherlebnis. Das Momentum der Aktion der Selbstfahrer – einzeln oder zu zweit, modern gekleidete junge Leute in den bunten, aerodynamischen Chaisen – erhält durch die entlang der stählernen Konstruktion aufgereihten Schaulustigen Bedeutung. »Elektrische Funken sprühen unter den Rädern, es kracht und bru[t]zelt aufregend bei den Kontakten« 2 – diese prägende Wahrnehmung bei den ab 1928 im Prater üblichen Autodromen thematisiert Schatz durch Leerstellen und Kontraste in pastoser Pinseltechnik sowie die Darstellung des stromleitenden Gitternetzes, über das die Stromabnehmer rasselnd gleiten. Ein Zeitzeuge bemerkte in der technischen Neuheit den »Elektrifizierungs- und Maschinengeist der Gegenwart«, dass »jedermann ein Automobil besteigen und es selber nach jeder gewünschten Richtung steuern kann«, und dabei »den Gedanken der Loslösung von jeder Kreisgebundenheit und von jeder persönlichen Abhängigkeit«.3 Abgesehen von dieser zukunftsweisenden Huldigung motorisierter Mobilität, wobei der Akzent auf der Verheißung von Freiheit lag, wurde der Prater auch als ein Ort der Liminalität, eines Schwellenzustands jenseits festgefahrener sozialer Strukturen, erfahren.4 Könnte man das Auto drom von Schatz in diesem Sinn als das Gleichnis einer Gesellschaft ziellos schweifender Individuen in einer Kettenreaktion zufälliger und absichtlicher Kollisionen betrachten? In den 1921 datierten Philosophischen Kurzbetrachtungen, 5 einer Montage von Einzelreflexionen, beschreibt Schatz den Prater als kaleidoskopischen Ort der Erinnerung und Grenzüberschreitung:

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»Heute war ich einmal im Prater [+] […] ich wollte lachen und wollte ein Prater Mensch sein [+] ganz anders ist man da unten [+] vergessen auf Stunden [+] […] das ist der Prater [+] der mehr Leid sieht als die Lust von der man reden hört [+] […] wie Selbstmörder sind sie [+] stürzen sich toll in alles nur schneller solls gehen [+] noch lauter […] was nirgends getan werden soll kein Gesetz [+] keinen Zwang [+] alles auf [+] schrankenlos [+] es ist viel zu tragisch das Leben im Prater [+] als dass drüber gelacht werden soll [+] es ist ein Narrenhaus ohne Dach [+] Ich kann über Narren nicht lachen [+]«

Bevor der Galerist der Neuen Galerie, Otto Nirenstein 6 , ihn 1923 unter Vertrag nahm, bewegte sich der durch die Erfahrung der Kriegsgräuel im Ersten Weltkrieg traumatisierte 21-jährige Absolvent der Wiener Kunstgewerbeschule in der sozialutopischen Lebenswelt der Vagabondage.7 Künstlerinnen und Künstler der zentraleuropäischen Avantgarde, darunter die Exilungarn Lajos Kassák und Béla Uitz, lebten nach dem Sturz der ungarischen Räteregierung in Wien, wo Kassák auch Lyrik publizierte Dabei wurden unzusammenhängende Impressionen im Rhythmus der Schritte anhand von Interpunktionen in Form eines Sterns in einer poetischen Montage aneinandergereiht.8 In vergleichbarer Weise blieben

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Otto Rudolf Schatz: »Autodrom«, 1929, Aquarell; Wien Museum, Inv. Nr. 249752

Das Lusthaus im Prater

Aufgeklärte Vergnügungsarchitektur a ndreas Nierhaus

»In diesem Bezirke ist bemerkenswürdig das Lusthaus, welches am Ufer der Donau gegen Osten seine Lage hat, und in die Rundung vom Holz ungemein niedlich gebauet ist. Es ist zwey Geschosse hoch, in jedem befindet sich ein Saal, der treflich gemalt, und eben so niedlich meublirt ist. Jedes Stockwerk hat einen Gang, von welchem man die angenehmste Aussicht nach den umliegenden Ortschaften, als: Schwecha[t], Ebersdorf, Neugebäude, Simmering, Erdbeer, Weißgärber u. s. w. hat. Das Lusthaus steht für jedermann offen, und jedem frey, darinn zu serviren. In einer kleinen Entfernung an der linken Seite des Eingangs zum Lusthause ist ein Wirtshaus, wo man Caffee, Wein, Bier, und von allen Arten Speisen in verschiedenen Preisen bekömmt.« 1

Als Ignaz de Luca seine Beschreibung Wiens zur Zeit der Regierung Kaiser Josephs II. 1787 veröffentlichte, waren erst wenige Jahre seit der Fertigstellung des Lusthauses im Prater vergangen. Der 1781 bis 1784 errichtete Bau besetzte den Platz – »die Rundung vom Holz« – am Ende der Hauptallee und lag zu jener Zeit tatsächlich noch »am Ufer der Donau«, ehe dieser Arm des Stroms 1835 in ein neues Bett verlegt wurde → Abb. 1 . Seinen Namen hatte der Bau von einem 1555 im Auftrag Kaiser Maximilians II. in unmittelbarer Nähe errichteten Vorgänger, dem kreisrunden »Grünen Lusthaus« (»Casa Verde«) übernommen.2 Unter Lusthaus versteht das Wörterbuch der Gebrüder Grimm ein »haus zu einem vergnügungsaufenthalte auf dem landgute oder im garten«; 3 das hier angedeutete

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1 — Plan des Praters, 1782, kolorierter Kupferstich (vermutlich Joseph Daniel von Huber); Wien Museum, Inv.‑Nr. 169784

private Vergnügen wurde im Prater im Kontext der Aufklärung gleichsam öffentlich, mit einem höheren politischen Sinn versehen und damit monumentalisiert.

Der Ausblick als Vergnügen und die Politik der Erholung

Das in zahlreichen zeitgenössischen Veduten festgehaltene Lusthaus → Abb. 2 war einst eines der beliebtesten Ausflugsziele Wiens und beherbergt bis heute ein bekanntes Restaurant. Es zählt mit dem Josephinum, dem »Narrenturm« im Allgemeinen Krankenhaus, dem Augartenportal und dem Josephsstöckel zu den Bauten, die auf die Initiative Kaiser Josephs II. zurückgehen und nach Entwürfen des aus Vincennes stammenden und in Paris ausgebildeten kaiserlichen Hofarchitekten Isidor Canevale (1730 – 1786) entstanden.4 In ihnen kam auf funktioneller, formaler und symbolischer Ebene ein neues Verständnis von öffentlichem Bauen und kaiserlicher Repräsentation zum Ausdruck, das sich von der bis dahin in Wien vorherrschenden spätbarocken höfischen Kunst deutlich unterschied. Nobilitierte die zurückhaltende, würdevolle Formensprache des schlossartigen, 1783 bis 1785 erbauten Josephinums die Ausbildung der Militärärzte, so entsprach der mächtige Zylinder des 1784 errichteten »Narrenturms« der Funktion und den inneren Abläufen einer völlig neuen Einrichtung – der ersten psychiatrischen Klinik auf dem europäischen Festland. Der Mangel an Vorbildern mag dabei zur höchst ungewöhnlichen, ja »radikalen« Gestalt des Gebäudes beigetragen haben, die mit der Architektur des französischen »Revolutionsklassizismus« verglichen wird, ohne dass sich direkte Verbindungen nachweisen lassen.5 Beim bereits 1775 fertiggestellten Portal des Augartens kam das Motiv des antiken Triumphbogens zum Einsatz, der nun jedoch nicht mehr als Träger von Trophäen und anderen Siegeszeichen diente, sondern mit der berühmten Inschrift »Allen Menschen gewidmeter Erlustigungs-Ort von Ihrem Schätzer« den zuvor privaten kaiserlichen Garten dem Publikum öffnete und zugleich auch ein neues Verhältnis des

123 STADT, POLITIK, MACHT

Freie Fahrt in den Prater

Joseph II. und die Entstehung des Pratersterns 1780 / 82

Die großen Feuerwerke lockten in den 1770er Jahren oft tausende Menschen in den Prater. Deren Freude am Spektakel war allerdings durch die unzulängliche Verkehrssituation getrübt, die auf solche Massen nicht ausgelegt war. Dabei bildete der Pratereingang ein wesentliches Nadelöhr, das alle passieren mussten. Joseph II., der diesen Boom 1766 durch die Öffnung des kaiserlichen Jagdgebiets und seine Erlaubnis zur Errichtung von Lokalen und Vergnügungsstätten ausgelöst hatte, schuf Abhilfe. Er ließ um 1780 ein Projekt umsetzen, das bis heute den Grundriss weiter Teile der Leopoldstadt prägt. Damals entstand ein sternförmiges System aus mehreren schnurgeraden Alleen mit einem riesigen Platz im Zentrum: dem Praterstern.1 Joseph hatte dabei aber nicht nur das Vergnügen seines Volks im Auge, sondern auch sein eigenes. Der Monarch war nämlich im Begriff, sich neben dem 1775 ebenfalls der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten Augarten ein eigenes Refugium errichten zu lassen, das mit dem Prater verbunden werden sollte. Er wollte aber auch hier seinem Ruf eines auf Nützlichkeit bedachten Regenten gerecht werden und sorgte mit dem Vorhaben gleichzeitig für eine Verkehrsberuhigung der Taborstraße, wo bis dato der gesamte Fernverkehr von und nach Böhmen entlangfuhr.

Der Plan von 1778 zeigt die Situation vor dem Umbau des Pratereingangs zum Praterstern. In der Bildmitte ist die Brücke über den Fugbach zu sehen, einen schma len Donauarm, der später zugeschüttet wurde. Auf der Praterseite ist das kaiserliche Forsthaus eingezeichnet, von der Praterbrücke über den Fugbach führt die Allee, die Jägerzeile (heute Praterstraße), in die Stadt.

Ausschnitt aus Joseph Daniel von Huber: »Scenogra phie / oder Geometrisch Perspect Abbildung / der / Kayl: Königl: Haupt: u: Residenz Stadt / WIENN / in Oester reich / auf allerhöchsten Befehl aufgenommen und gezeichnet / vom Jahr 1769 May Monots, bis letzten October 1774 / …«, Kupferstich; Wien Museum, Inv.‑Nr. 19525 / 43

Mit den Planungen beauftragte Joseph II. Isidor Ganneval.2 Der für den Bau des Josephinums (1786) bekannte Hofarchitekt hat es geschafft, aus der eben skizzierten Gemengelage ein schlüssiges Konzept zu entwickeln – angesichts der komplexen Aufgabenstellung eine beachtliche Leistung, wie hier hervorgestrichen werden soll. Kernstück des vom Kaiser persönlich finanzierten Projekts war die Neugestaltung des Pratereingangs. Seit dem 17. Jahrhundert trennte dort der Fugbach, ein Seitenarm der weitverzweigten Donau, den Prater und das benachbarte Stadtgut vom Rest der Stadt. Wollte man von der Jägerzeile (heute Praterstraße) in den Prater gelangen, führte der Weg über die Praterbrücke. Sie ist nicht mit der heutigen Brücke dieses Namens zu verwechseln und befand sich an jener Stelle, wo sich heute das Tegetthoff-Denkmal erhebt. Ihr Aussehen um 1775 ist bildlich überliefert.3 Sie verfügte über

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Holprige Verbindung

Stadt- und Verkehrsplanung für den Prater

Béla r ásky

Blick von Höhe Nestroyplatz Richtung Praterstern, ca. 1890; Foto: unbekannt; Wien Museum, Inv.‑Nr. 106081/112

»Der Prater wird sehr besucht. An manchen Sonntagen finden sich wohl mehr als 15,000 Fußgeher ein. Die größte Menge der Wägen sieht man in den Nachmittagsstunden. Im Frühling und im Herbst bilden sie in langsamer Bewegung, oft anzuhalten genöthigt, einen Zug von mehr als zwei Stunden.« 1

Wie man solche Wägen – sozial und hierarchisch säuberlich nach Fiakern, Stell- und Zeiselwägen, Bauernleiterwagen mit über die Seiten gelegten Sitzbrettern gestaffelt – zu mieten, wie man sich gegenüber den Kutschern zu verhalten hatte, führte der 1832 erschienene Stadtführer Der Fremde in Wien und Der Wiener in der Heimath genau an: »Man titulirt den Fiaker du, und gibt kein Trinkgeld.« 2 Doch wie dreißig Jahre früher, als ein anderer Fremdenführer vorschlug, sich »in den Sommenmonathen in der Nähe der Donaubrücke vor dem Rothenturmer-Thore zu stellen«, wo man »ein buntes Gewühl schon früh Morgens vor sich vorbeiziehen« sehen werde, besuchte man den Prater noch lange hauptsächlich zu Fuß.3

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Wien eine Art Massenverkehrsmittel: Während bis dahin Arbeitsstellen und Wohnungen meist neben- oder gar übereinander, in Gehweite lagen, waren die Erholungs- und Vergnügungsgebiete – so auch der Prater – verhältnismäßig weit entfernt. Und so spielte beim Ausbau der Pferdebahnen vor allem der sonntägliche Ausflugsverkehr in die grüne Peripherie eine zentrale Rolle. Schon kurz nach der Erteilung einer Betriebskonzession erhielt das Tor zum Prater, der Praterstern – so erst 1879 benannt –, 1868 seinen Anschluss an die Tramway.4

Der Prater war aber nicht nur Erholungs- und Vergnügungsraum, sondern auch »eine Stätte der Novität«,5 ein Experimentierfeld für technische Neuerungen – gerade auch im Bereich des Verkehrswesens: Der Eisenbahnpionier Franz Anton von Gerstner (1796 – 1820) ließ 1824 hier eine 120 Wiener Klafter, etwa 227,5 Meter, lange Pferdeeisenbahnstrecke errichten: »Da eine solche Bahn hier noch nicht gesehen wurde, so dürfte es von Interesse seyn, sie in Augenschein zu nehmen« 6 , kündigte die

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Haupteingang der Weltaus stellung mit der Rotunde im Hintergrund, 1873; Foto: György Klösz; Wien Museum, Inv.‑Nr. 47869/31

Wien, der Prater und die Weltausstellung 1873

Die Wiener Weltausstellung fand 25 Jahre nach der gescheiterten Revolution von 1848 statt, in deren Verlauf sich bereits viele der dann bestimmenden politischen Ideen und Akteur:innen gezeigt hatten. Das liberale Bürgertum forderte eine Verfassung und einen Anteil an der politischen Macht, Demokrat:innen traten für ein allgemeines Wahlrecht ein, Arbeiter:innen lehnten sich gegen die verheerenden Lebens- und Arbeitsbedingungen und ihre politische Marginalisierung auf, Juden und Jüdinnen kämpften gegen ihre rechtliche Diskriminierung, und Frauen demonstrierten erstmals für ihre Gleichberechtigung.1 Im Neoabsolutismus waren diese politischen Bewegungen starken staatlichen Repressionen unterworfen, zugleich wurden erste städtebauliche und wirtschaftspolitische Reformschritte gesetzt (Bau der Ringstraße, Liberalisierung der Gewerbeordnung 1859). 1861 wurde der Parlamentarismus zugestanden, das Wahlrecht allerdings nur einer kleinen Gruppe aus dem Groß- und Bildungsbürgertum eingeräumt. Militärische und außenpolitische Niederlagen (Solferino 1859, Königgrätz 1866) sowie die schwer zerrütteten Staatsfinanzen förderten eine spektakuläre politische Kehrtwende. 1867 wurden die bis heute gültigen Grund- und Freiheitsrechte in der Verfassung verankert und die Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn abgeschlossen.

Dominante politische Idee dieser Jahre war der Liberalismus, mit dem auch das Projekt Weltausstellung eng verbunden war, der in der Tradition der Aufklärung mit einem universalen Anspruch auf individuelle bürgerliche Freiheitsrechte eine vom Staat unabhängige Wirtschaft, technisch-industriellen Fortschritt, Freihandel, freies Pressewesen sowie die Förderung von Wissenschaft, Bildung und Kunst propagierte.

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Luftaufnahme des Praterstadions (heute Ernst Happel Stadion), 1930er Jahre; Foto: unbekannt; Wien Museum, Inv.‑Nr. HP 27/10/4

Ein Stadion für Wien

Als die Stadt Wien aus Anlass der Arbeiterolympiade 1931 daranging, ein kommunales Stadion zu errichten, war schnell klar, dass dieses im Prater entstehen sollte.1 Für die als Sportpark mit Massenarena, Radrennbahn, Schwimmbad und (letztlich nicht verwirklichter) Festwiese konzipierte Anlage war eine große Fläche, idealerweise in einigermaßen zentraler Lage, notwendig. Das sprach für den Prater, zudem verfügte die Gemeinde hier über Grundbesitz. Es ging außerdem darum, dem Prater, der als Raum seit der Öffnung gewissermaßen allen Wiener:innen gehörte, der aber auch durch die Sportplätze der gutbürgerlichen bis aristokratischen Vereine geprägt war, den Stempel des Roten Wien aufzudrücken. Noch bevor der genaue Bauplatz feststand, erfolgte am 12. November 1928

in Anwesenheit des Bundespräsidenten Michael Hainisch die Enthüllung des Grundsteins mit der Inschrift: »Der Jugend widmet dieses Stadion die Gemeinde Wien zur Erinnerung an den zehnten Jahrestag der Republik.« 2 Aus dem Planungswettbewerb ging der deutsche Architekt Otto Ernst Schweizer als Sieger hervor. Er entwarf ein Bauwerk, das in seiner konsequent modernistischen Form – unverhüllter Stahlbeton, Glasfassade und fast völliger Verzicht auf Hierarchisierungen – untypisch für das Bauprogramm des Roten Wien, aber auch für Stadionbauten dieser Zeit ist.

Eine Woche nach der Eröffnung stellte am 19. Juli 1931 die Arbeiterolympiade die erste ganz große Bewährungsprobe dar. Den Abschluss bildete das Massenfestspiel. Hier zeigte sich das sozialdemokratische Sportverständnis der Zwischenkriegszeit – zwischen Partizipation und Inszenierung – in seiner beeindruckendsten Ausprägung. Die frühen 1930er Jahre waren aber auch die Zeit des ›Wunderteams‹. Von Beginn an wurde mitbedacht, dass der – von sozialdemokratischer Seite eigentlich abgelehnte – Profifußball die wichtigste Nutzungsform des Stadions sein würde.3 Bereits wenige Wochen nach der Arbeiterolympiade, am 13. September 1931, bildete das Praterstadion die Bühne für den

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5 : 0-Sieg der österreichischen gegen die deutsche Fußballnationalmannschaft. Neben Länderspielen (ab 1933 bis 1968 alle Heimspiele, seither der Großteil) fanden zahlreiche Spiele der österreichischen Meisterschaft und andere nationale Bewerbe statt. Die Wiener Fußballvereine nutzten das Stadion auch für ihre internationalen Begegnungen, wie die Mitropacup-Spiele der Zwischenkriegszeit oder ab den späten 1950er Jahren die Matches im Europacup und der Champions League, darunter der 7 : 0-Sieg des Wiener Sport-Club gegen Juventus Turin. Ohne österreichische Beteiligung verliefen die Finalspiele im Europacup der Pokalsieger (1970), im Europacup der Meister bzw. in der Champions League (1964, 1987, 1990). Teile der österreichischen Sportgeschichte sind dagegen das Hinspiel des UEFA-Cupfinales 1994 zwischen Austria Salzburg und Inter Mailand, die in den 1950er Jahren populären Speedwayrennen auf der Aschenbahn, ein Boxkampf und die Tennis-Davis-Cup-Begegnung Österreich – USA. Das Stadion beherbergte aber auch religiöse Veranstaltungen (etwa eine Papstmesse), und die Rolling Stones eröffneten am 3. Juli 1982 eine lange Reihe von Rock- und Popkonzerten. 1993 erfolgte die Umbenennung in Ernst-Happel-Stadion.

Das Praterstadion war von Beginn an ein eminent politischer Ort. Das begann mit der staatspolitischen Aufladung durch die Widmung auf dem Grundstein, zeigte sich bei den sozialdemokratischen Massenfestspielen von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Ende der Ersten Republik. Dollfuß und Schuschnigg wiederum nutzten es für austrofaschistischkatholische Inszenierungen. Es war auch Schauplatz des von der nationalsozialistischen Propaganda im Zusammenhang mit der bevorstehenden

Erich Leischner:

»Vogelschauübersichtsplan der Wiener Stadionanlagen im Prater«, 1931, Lithografie; Wien Museum, Inv.‑Nr. 146344/3

181 STADT, POLITIK, MACHT

Von der Aulandschaft zum Landschaftspark

Die flussmorphologische Entwicklung des Praters

Friedrich August Brand: Blick auf die Donaulandschaft vom Leopoldsberg (Ausschnitt), 1780, Aquarell; Wien Museum, Inv.‑Nr. 45300

Wie mag der Bereich, den wir heute als »Prater« kennen, im Mittelalter ausgesehen haben? Wie lange mag er bestanden haben, bevor er durch historische Überlieferungen für uns greifbar wurde? Eine Urkunde aus dem Jahr 1403, wonach Herzog Albrecht IV. über Mittelsmänner die Gemeinde Stadlau mit »drey Auen gelegen in der Thunaw bey Stadlaw, deren Eine genandt ist die Scheiben, die ander der Segengrundt undt die dritte der Pratter, die von Unns Lehen sindt«, belehnte, lässt erste Rückschlüsse auf die damalige topografische Situation zu.1 Berücksichtigt man, dass früher als »Auen« allgemein von Wasser umströmtes Land bezeichnet wurde, so ist von drei Inseln auszugehen. Die Tatsache, dass diese als Lehen vergeben wurden, deutet zudem darauf hin, dass es sich um einen größeren Inselkomplex gehandelt haben muss, der damals bereits von wirtschaftlichem Interesse war. Aus besagter Urkunde geht auch hervor, dass diese drei Inseln schon längere Zeit vor 1403 bestanden haben müssen. Dabei ist aber anzunehmen, dass sich aufgrund der intensiven Flussdynamik der Donau nicht nur ihre Form, sondern auch ihre Lage laufend verändert hat.2

Südlich dieser Inselgruppe erstreckte sich im ausgehenden Mittelalter ein größerer Arm der Donau, aus dem der spätere »Wiener Arm« und der heutige Donaukanal hervorgingen. Dieser Flussarm mag wohl im Hochmittelalter noch ein oder der Hauptarm der Donau gewesen sein. Im Jahr 1326 wurde eine Siedlung im Bereich der späteren Vorstadt Weißgerber noch als »Altdonau« bezeichnet, was nahelegt, dass damals der Hauptstrom der Donau bereits nördlich der Praterinseln verlief.3 Flussab der Wienflussmündung zeugten Altarme und Gräben bei Erdberg und Simmering bis ins 19. Jahrhundert davon, dass sich hier einstmals der Hauptstrom oder zumindest ein größerer Donauarm befunden hat. Im sogenannten Meldeman-Plan aus dem Jahr 1530 ist noch ein Rest dieser Arme erkennbar, der später als »Seeschlachtgraben« bezeichnet wurde.4 Große

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Severin Hohensinner

1 — Der Prater zur Zeit der Ersten osmanischen Belagerung 1529; Grafik: Severin Hohensinner und Bernhard Lager

Altarme wurden früher als »Seen« und Wasserbauten als »Schlachten« oder »Beschlächt« bezeichnet.5 Somit wäre die Simmeringer Haide in großen Bereichen oder sogar zur Gänze Teil des Praterinsel-Komplexes gewesen. Ab wann sich dieser Donauarm nach Norden verlagert und dabei die Simmeringer Haide durchbrochen hat, ist unsicher – vermutlich aber im Zeitraum zwischen 1100 und 1500 → Abb. 1

In den Jahren 1537 und 1538 veranlasste Kaiser Ferdinand I. eine Maßnahme, die bis heute das Erscheinungsbild des Praters prägen sollte: Er ließ eine Schneise durch das Augebiet schlagen, die als »Langer Gang« bezeichnet wurde – die spätere Hauptallee.6 Diese Schneise war mit rund

2 — Durch die Anlage des »Langen Gangs« in den Jahren 1537/38 wurden Augewässer (blau) und Gräben (hellgrün) in der Aulandschaft unterbrochen; Grafik: Severin Hohensinner und Bernhard Lager

5,6 Kilometern Länge um einiges länger als die heutige Hauptallee und reichte daher um circa 1,2 Kilometer über das heutige Lusthaus hinaus. Dies mag vielleicht auch der Grund dafür gewesen sein, dass das alte, vermutlich 1555 errichtete »Grüne Lusthaus« nicht wie das heutige genau in der Achse der Hauptallee lag, sondern seitlich davon → Abb. 2  . 7 Der Vorläufer des Donaukanals, der Wiener Arm, wies damals eine starke Strömung auf und drohte alsbald den Langen Gang oder gar das Grüne Lusthaus wegzuspülen, weshalb bereits vor 1580 erste Uferschutzbauten errichtet werden mussten.8 Um diese Zeit waren Teile des Praters noch auf dem Landweg vom Unteren Werd, seit 1670 Lepoldstadt genannt, erreichbar. Wollte man jedoch über den Langen Gang zum Lusthaus, so musste man einen mäandrierenden Nebenarm der Donau überqueren → Abb. 2 . Erst als eine schmale Landbrücke zwischen zwei Nebenarmen im Zeitraum von 1572 bis 1632 vermutlich infolge eines Hochwassers durchbrochen worden war, war der Prater vollständig vom Unteren Werd abgetrennt. Das damals entstandene Gewässer, das einen der damaligen Hauptarme der Donau mit dem Wiener Arm verband, wurde »Fugbach« genannt.9 Dieser Verbindungsarm bestand bis zum Jahr 1780, als er beim Bau des Pratersterns endgültig zugeschüttet wurde.10 Historische Pläne belegen, dass der Lange Gang im Lauf der Zeit immer mehr ausgebaut wurde, indem querende Gewässer zugeschüttet oder überbrückt wurden. Dadurch wurde die Zirkulation des Wassers im Prater zwischen den nördlich gelegenen Hauptarmen der Donau und dem Wiener Arm im Süden zunehmend eingeschränkt. Diese Maßnahmen begünstigten die Verlandung von durchströmten Nebenarmen bzw. Altarmen und trugen zur allmählichen Stabilisierung des einst dynamischen Inselkomplexes bei.

Fraglich ist, ob der Prater – so, wie wir ihn heute kennen –die Jahrhunderte überstanden hätte, wenn nicht immer wieder Gegenmaßnahmen getroffen worden wären, um der Dynamik der Donau Einhalt zu gebieten. So zum Beispiel in den 1640er Jahren, als sich ein größerer Donauarm etwa auf Höhe des heutigen Ernst-Happel-Stadions südwärts verlagerte. In den folgenden Jahren entwickelte der betreffende Donauarm einen ausgeprägten Flussbogen, wodurch große Bereiche des Praters, damals kaiserliches Jagdrevier, erodiert wurden. Um dort einen weiteren Flächenverlust zu verhindern, wurde vermutlich um 1645 ein massiver Uferschutz errichtet. Allerdings durchbrachen die folgenden Hochwässer die Uferschutzbauten, worauf im Jahr 1649 ein neuer Anlauf zur Regulierung unternommen wurde.11 Dieses Mal wurde versucht, das Problem mithilfe zweier Durchstiche zu lösen, mit

214 V ON der a u L a N d SCH a F t zu M La N d SCH a F t SP ar K

3 — Bereits vor der Zweiten osmanischen Belagerung 1683 wurde ein Teil des »Langen Gangs« (Hauptallee) von der Donau erodiert; Grafik: Severin Hohensinner und Bernhard Lager

4 — Situation der Donau nördlich des Praters in den frühen 1650er Jahren, kurz nachdem das spätere Heustadelwasser den »Langen Gang« (Linie T am rechten Bildrand) durchbrochen hatte. A: Schwarze Lacke, B: Uferschutz, C: neue Anschütten, D: Durchstich, errichtet 1649, E: Durchstich, errichtet 1649 (?), F: Donauarm, durch den ein Drittel des Abflusses abgeführt wurde, G und H: weiterer geplanter Durchstich, I: Sandablagerungen bzw. weitere Schlacht (Wasserbau), K: Struktur im Fluss, L: ehemalige Hauptarme der Donau, M: »Nonnentisch« im Prater, N und O: weiterer geplanter Durchstich, P: geplanter Sporn, Q: neu entstandenes Land, R: Stadtgut, dem Bürgerspital zugehörig, S: Heustadel, V: Dorf Stadlau, W: Glashütte, X: nicht erläutert. OeStA, FHKA, Kartensammlung, F 244

denen die gefährlichen Donauarme abgeschnitten und auf diese Weise vom Prater weggeleitet werden sollten. Einer der beiden Durchstiche wurde etwa vier Kilometer stromaufwärts des bedrohten Augebiets (dort, wo heute die Wagramer Straße und die U1 die Alte Donau queren) errichtet, indem man eine 340 Meter lange Künette ausheben ließ. In diese Künette wurde ein umzuleitender Donauarm, »Schwarze Lacke« genannt, eingeleitet. In weitere Folge sollte die Strömung diesen Durchstichkanal durch Erosionsprozesse verbreitern und austiefen. Gemäß historischen Aufzeichnungen waren die Dimensionen der beiden Durchstiche enorm, da rund ein Drittel des gesamten Donauabflusses durch diese abgeleitet wurde. Zusätzlich wurden bei der Schwarzen Lacke ein fast 500 Meter langes Leitwerk und eine Abdämmung errichtet, um die Strömung vom Prater wegzuleiten.

Trotz aller Bemühungen konnte nicht verhindert werden, dass der Strom bis in die frühen 1650er Jahre einen kurzen Abschnitt des Langen Gangs wegspülte → Abb. 3 – 4 . Drei weitere Durchstiche sowie neue Uferschutzbauten wurden geplant, wovon zumindest ein Durchstich um 1660 verwirklicht wurde. Die Verlagerung des Stroms in Richtung Süden setzte sich dennoch fort. Rund sechzig Jahre nach der Erosion der Hauptallee durchbrach die Donau schließlich im Jahr 1713 die Praterinsel und erreichte den Wiener Arm, für den sich damals allmählich die Bezeichnung

215 NATUR UND TECHNIK

Straßenbahnlinie 18 queren und das Praterstadion an die Stadt anbinden. Dafür wird der Autoverkehr auf dieser Trasse reduziert werden. Einer der 14 Stadtwanderwege führt in einer 13 Kilometer langen Schleife vom Praterstern zum südöstlichen Ende rund um das Mauthnerwasser.

Trotz der vielfältigen Reduktionen und Einschnitte an seinen Rändern, die fast alle Widerstand und Auseinandersetzung verursacht haben, ist der zusammenhängende grüne Prater ein essenzieller Bestandteil der Grünraumversorgung Wiens geblieben. Er ist, seiner Nutzung entsprechend, eine der bedeutenden, naturnahen Parkanlagen Wiens.

1 Roland Berger, Friedrich Ehrenberger: Ökosystem Wien. Die Naturgeschichte einer Stadt, Wien 2011, S. 246.

2 Die Vereinbarung wurde 1996 beschlossen und trat mit 2. Februar 1997 in Kraft.

3 Severin Hohensinner: Wild, aber nicht ursprünglich. Wiens Gewässer vor 1683, in: Zentrum für Umweltgeschichte (Hg.): Wasser Stadt Wien. Eine Umweltgeschichte, Wien 2019, S. 44 – 63, hier S. 51; Berger, Ehrenberger, Ökosystem, S. 509.

4 Ursula Storch: Das Pratermuseum. 62 Stichwörter zur Geschichte des Praters, Wien 1993, S. 30.

5 Vgl. Karl Brunner, Petra Schneider (Hg.): Umwelt Stadt. Geschichte des Natur- und Lebensraumes Wien, Wien u. a. 2005, S. 309.

6 https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/ grundlagen/stadtforschung/pdf/ stadtklimaanalyse-karte.pdf (14. 12. 2023).

7 Die Fläche wurde in mehreren Verordnungen angepasst, wie den Landesgesetzblättern für Wien zu entnehmen ist.

8 Vgl. https://www.wien.gv.at/recht/landesrechtwien/landesgesetzblatt/jahrgang/1998/pdf/ lg1998003.pdf (14. 12. 2023).

9 https://www.wien.gv.at/umweltschutz/ umweltgut/lsg2-prater.html (14. 12. 2023).

10 Vgl. https://prater.at/pratergeschichte/ (14. 12. 2023).

11 Vgl. Barbara Bacher: Lothar Abel. Das gartenarchitektonische Werk, Diss. Univ. für Bodenkultur, Wien 2006, S. 115.

Anlage zum Landesgesetzblatt für Wien: Erklärung von Teilen des 2. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet Prater), 56. Verordnung der Wiener Landesregierung vom 4. September 1990 zu dieser Erklärung

222 d er G r ÜN e Prater
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Fahrgeschäfte und Technik im Wiener Prater

Eisenbahnkarussell, Hochschaubahn und Tornado

Kettenflieger im Prater, 1957;

Foto: Leo Jahn Dietrichstein; Wien Museum, Inv. Nr. 228283

»Der Besucher von heute [bevorzugt] eine Funktion des Vergnügungsparks […], den sensorischen, physiologischen Reiz. Er will geschleudert und gedreht, gestürzt und aufgefangen werden und genießt die Angriffe auf seinen Vestibularapparat [Sinnesorgan im Ohr zur Steuerung des Gleichgewichts].« 1

Diese Beobachtung, festgehalten im Büchlein Rund um das Riesenrad von 1966, lässt sich – mit etwas anderer Wortwahl – bis heute bestätigen. Aber wie kam es dazu?

Schon frühzeitig war der Prater ein Ort des Staunens über Neues, Fremdes, Exotisches. Seine Attraktionen reichten von der Ausstellung Venedig in Wien, deren Vorbild schon um 1900 eine Touristenattraktion war, über die – aus heutiger Warte verwerfliche – Präsentation von indigener Bevölkerung kolonialisierter Kontinente bis zur Annäherung an jeweils moderne Wissenschaft und Technik.2 Am bekanntesten ist das 1897 errichtete Riesenrad, das ähnlich dem Pariser Eiffelturm zu einem Wahrzeichen der Stadt wurde.

Bis in die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts prägte eine breite Palette von Vorführungen das Pratervergnügen, darunter solche unter erheblichem Technikeinsatz wie Feuerwerke, die über 25.000 Zuschauende mobilisierten, oder der erste Ballonaufstieg in Österreich 1784, den 15.000 Gäste verfolgten.3 Ballonaufstiege wurden von bewunderten wissenschaftlich-technischen Leistungen der Anfangszeit zu wiederkehrenden schaustellerischen Präsentationen. Seit den 1870er Jahren erlangten

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Praterspatz, Aeroplankarussell und Raketenbahn

Luft- und Raumfahrtattraktionen im Wiener Prater

Christian Klösch

Im Korb der »Vindobona«:

Victor Silberer mit seiner Frau

Johanna und dem Sportredakteur

Georg Ernst, 1882; Foto:

Michael Frankenstein & Co; Wien Museum, Inv.‑Nr. 173115

Der Pater als Projektionsmaschine menschlicher Sehnsüchte hat neben einer nostalgischen auch immer eine futuristische Komponente. Abenteuerlust, Nervenkitzel, Bildung und Unterhaltung machen ihn zu einem Experimentierplatz technischer Innovationen und von Luft- und Raumfahrtutopien. Diesen Freiraum in der urbanen Peripherie nutzten die Early Adopter auch zum Testen neuer Technologien.

Victor Silberer und seine Erste Wiener Aeronautische Anstalt

Einer davon war der Protagonist des modernen Sports und der Mobilität Victor Silberer (1846 – 1924), der in den 1880er Jahren als Aeronaut hervortrat. In Paris erwarb er 1882 den Ballon Vindobona, mit dem er mehrere Hundert Aufstiege im Prater absolvierte, wo er auch eine eigene Ballonhalle errichten ließ. Sein Ziel war nicht, die Massen mit Ballonfahrten zu unterhalten, sondern neue technologische Projekte auszutesten. So gründete er 1885 die Erste Wiener Aeronautische Anstalt, und 1888 initiierte er die Große Internationale Ausstellung für Luftschifffahrt im Prater.1 Er propagierte auch die militärische Nutzung von Ballonen und führte Luftfahrtkurse für das Militär ein. Die ab den 1870er Jahren aufkommenden Luftschiffe starteten im Prater hingegen nur mehr zu Unterhaltungszwecken, das Militär verlagerte seine Luftschiffaktivitäten schon früh nach Fischamend. Großes Aufsehen erregte die Zirkusartistenfamilie Renner mit ihrem in Graz gefertigten Luftschiff Estaric I, das sie im Oktober 1909 im Prater vorführte.2

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Tiere im Prater

Verschwinden der Tiere

Tiere und Pflanzen verschwinden in zunehmender Geschwindigkeit. Auf der regelmäßig von der Weltnaturschutzunion (IUCN) veröffentlichten Roten Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten standen im Juli 2020 mehr als 90.000 Arten, von denen zumindest 32.000 vom Aussterben bedroht seien. Die neueste Liste wurde am 11. Dezember 2023 auf der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai vorgestellt. Demnach sind nun von 157.190 erfassten Arten rund 42.000 bedroht. Nach Angaben der Umweltstiftung WWF könnte eine Million Arten in den nächsten Jahrzehnten aussterben; jeden Tag verschwinden rund 150 Arten von unserem Planeten, und ihr Aussterben vollziehe sich fast tausendmal schneller als die Entstehung neuer Arten. Rund eine halbe Million Arten gelten in den Berichten des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) inzwischen als »dead species walking«, deren Überleben in den kommenden Jahren ernsthaft gefährdet sei. Diese Bezeichnung evoziert die Erinnerung an Filme und TV-Serien wie Dead Man Walking (1995) oder The Walking Dead (2010 – 2022). Denn das aktuelle Artensterben, das sechste Massensterben der Erdgeschichte,1 bedroht auch die Menschengattung selbst, und zwar womöglich nachhaltiger als der Klimawandel.

Doch wohin verschwinden die Tiere? Die überwiegende Mehrheit bleibt anonym und unbekannt, sie verschwindet im Nichts einer gescheiterten Evolution. Viele Insektenarten, Vögel oder Meerestiere sind verschwunden, bevor sie überhaupt erfasst und taxonomisch in Listen eingetragen werden konnten. Nur wenige Tierarten erhalten so respektvolle und berührende Nachrufe, wie sie Vinciane Despret den Wandertauben gewidmet hat: »September 1899, Babcock, Wisconsin: die letzte freilebende Wandertaube (Ectopistes migratorius) wird vom letzten amerikanischen Wandertaubenjäger erlegt. Manche sagen jedoch, dass dennoch eine übrig blieb. Sie wäre im März darauf gefangen worden. Sie überlebte nicht. Am 1. September 1914, um 13 Uhr, im Zoo von Cincinnati, Ohio. Martha, das letzte Weibchen, bis dahin wie durch ein Wunder in der Gefangenschaft erhalten, erlischt im hintersten Winkel ihres Käfigs. Sie war neunundzwanzig Jahre alt. Ihr Gefährte war vier Jahre zuvor gestorben. Sie waren beide die letzte Chance für ihre Art. Die haben sie ausgeschlagen. Sie zogen es vor, keine Nachkommen zu hinterlassen. […] Die Menschen können ruhig um die Wandertauben trauern. Die Welt aber ist es, die an ihrer Abwesenheit krepiert.« 2 Die Frage, wie sich das Artensterben abschwächen und begrenzen lässt, findet keine Antwort.

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Gegenwärtig werden sogenannte Lazarus-Projekte, benannt nach dem Film von John Patrick Glenn aus dem Jahr 2008, verfolgt: experimentelle Versuche, die DNA ausgestorbener Tier- und Pflanzenarten nicht nur durch Speicherung in Archiven, sondern auch durch Klonung oder Rückzüchtung wiederzubeleben. Solche Versuche betreffen allerdings nur minimale Bestände, etwa den tasmanischen Beutelwolf, der bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ausgerottet wurde, oder das früher in Südafrika verbreitete Quagga (Equus quagga quagga), eine in den 1880er Jahren nach exzessiver Bejagung ausgestorbene Unterart des Steppen-Zebras. Mehr als hundert Jahre nach dem Tod des letzten Quaggas im Amsterdamer Zoo (August 1883) wurden 1986 die »Quagga-Projects«, aufwendige

Versuche der Rückzüchtung, in Angriff genommen. Zu den Initiatoren dieses Projekts gehörte der am Frankfurter Senckenberg-Museum ausgebildete Tierpräparator Reinhold Eugen Rau, der seit 1959 am South African Museum in Kapstadt wirkte und rund zwei Drittel der präparierten Quagga-Exemplare in den verschiedensten Museen untersuchte, um DNA-Materialien für sein Projekt zu gewinnen. Zumindest implizit ergibt sich daraus eine weitere Antwort auf die Frage, wohin die Tiere und Pflanzen verschwinden: Sie verschwinden in Museen und Archiven.

Tiere im Museum

Seit vielen Jahrhunderten bildeten Entdeckungs- und Eroberungsreisen den oft genug grausamen Background der Weltgeschichte, getrieben von Machtgier, Handelsinteressen und erträumtem Reichtum. Fortschritt wurde stets auch mit dem räumlichen Fortschreiten assoziiert, auf der Suche nach einem Ende der Welt, das eben nicht nur als apokalyptischer Untergang, sondern auch als territorialer Grenzbereich imaginiert wurde. Auf dem Tympanon des Mittelportals der romanischen Basilika Sainte-Marie-Madeleine auf dem Hügel von Vézelay im Burgund wird die Urszene der Mission gezeigt: Christus in einer Mandorla, der die Apostel aussendet und mit seinen Strahlen auch seltsame Gestalten erleuchtet, häufig assoziiert mit antiken Berichten über merkwürdige Lebewesen an den Rändern der Erde, wie sie schon seit dem vierten vorchristlichen Jahrhundert zirkulierten, etwa in den mittelalterlichen »Alexanderromanen«, in Darstellungen Persiens, Indiens oder Chinas. Obwohl diese Berichte schon in den Geographica Strabons angezweifelt wurden,3 hat sie noch Plinius der Ältere, fünfzig Jahre nach Strabons Tod, in seinen Naturalis Historiae unkommentiert versammelt und tradiert.4 Auf Plinius beriefen sich in den folgenden Jahrhunderten die fantasievollsten Beschreibungen fremdartiger Pflanzen, Tiere und »Wundervölker« an den Grenzen der Welt.

Diese Berichte nahmen vorweg, was in der Spätrenaissance und im Barock zunehmend in Kunst- und Wunderkammern ambitionierter Fürsten gesammelt und ausgestellt wurde. Charakteristisch für die Wunderkammern war der Nimbus des Seltenen, Einmaligen und Kuriosen; auf Differenzierungen zwischen Naturalien, Artefakten, wissenschaftlichen Objekten und Kunstwerken wurde verzichtet. Präparate exotischer Tiere, ausgestopfte und ästhetisch arrangierte Elefanten- oder Löwenköpfe standen neben großen Muscheln, Korallen, Perlen, imposanten Bergkristallen und den als Hörner des legendären Einhorns angepriesenen Narwalzähnen, zwischen Astrolabien und Himmelsgloben, optischen, physikalischen und chirurgischen Instrumenten, Spiegeln, Gläsern,

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Tasmanischer Tiger (Beutelwolf), 1905; Naturhistorisches Museum Wien, Inv.‑Nr. NMW ST 132

Moderne Körper und moderne Körpergeschichte(n) im Prater a

Der Prater nimmt einen singulären Platz in der Geschichte des modernen Körpers in Wien ein. Er ist möglicherweise der einzige Ort in der Stadt, an dem alle denkbaren diskursiven Kontexte für den modernen Körper – kulturelle, politische, soziale, wirtschaftliche und wissenschaftliche – aufeinandertreffen. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Bereichen sind fließend und ändern sich ständig, abhängig vom historischen Kontext. Was jedoch konstant bleibt: Bis heute ist der Prater Wiens Experimentierfeld für das, was den Körper modern macht. Wie eng der Prater mit der Körpergeschichte verbunden ist, zeigt ein Kostümporträt aus Hubert Marischkas mit österreichischem Lokalkolorit durchtränkter Revue Alles aus Liebe (1927). → Abb. 1 Zu sehen ist ein üppiges Kostüm der Designerin Stella Junker-Weißenberg, getragen von einer Tänzerin, die mit halb entblößtem Oberkörper den Prater und die Freudenau verkörpert. Drei architektonische Prater-Wahrzeichen –Rotunde, Lusthaus und Riesenrad – bugsiert sie geschickt über die Bühne. Somit wird der Körper der Darstellerin zum symbolischen Träger für die dem Prater eigentümliche körperfokussierte Mischung aus Unterhaltung, Spektakel und Erotik.

In der Ausstellung diverser menschlicher Körper im Prater findet ein Prozess der individuellen und kollektiven Identitätskonstruktion statt. Dieser erfolgt durch die Visualisierung, Inszenierung und Repräsentation von zwei Körpern: dem Körper des Selbst und dem Körper des Anderen. Private Körper werden dort zu öffentlichen Ausstellungsobjekten, deren kulturelle Arbeit darin besteht, die Identitäten von Betrachter:in und Betrachtetem oder Betrachteter durch die Aufführung bestehender Machtverhältnisse gegenseitig zu konstituieren.

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Kontaktzone

Der Prater war aufgrund seiner Rolle in der räumlichen und sozialen Geografie der Stadt ein einzigartiger Begegnungsort. Seit Beginn seiner Nutzung als öffentlich zugängliches Erholungsgebiet (1766) war der Prater ein Ort des Körperkontakts, an dem Menschen, die einander sonst typischerweise nicht begegnen würden, auf begrenztem Raum in engen Kontakt treten. An der Peripherie Wiens gelegen, ist der Prater so etwas wie eine abgegrenzte Welt, in der die Aufhebung räumlicher Trennlinien sowie sozialer Konventionen seit Langem an der Tagesordnung ist.1 Einen ›ungeschminkten‹ Einblick in die besondere Sozialökonomie des Praters bietet beispielsweise ein 1892 von einem fahrenden Gesellen verfasster Stadtführer: »Der Prater! In dieses eine Wort läßt sich die gesammte [sic] Unterhaltungslust der Wiener zusammenfassen und was wäre für die Wiener ein Sonntag ohne Prater? Ein Nichts! Ein Tag den sie verloren hätten! In der Hauptallee […] und im sogenannten Wurstelprater […] wogt eine Menschenmasse hin und her, strebt und webt Alles, was Wien ist, durch die Praterauen. Hier sieht man Offiziere aller Grade, Unteroffiziere, Soldaten, Bürger, Handwerker und Arbeiter mit Kind und Kegel, ohne Standesunterschied hin- und

1 — Kostümporträt: »Alles aus Liebe«, Revuegirl »Prater / Freudenau« (Revue Nummer: »Österreichische Bundesländer«, Wien), Neues Wiener Stadt theater, 30. September 1927; Theatermuseum, Wien, Inv.‑Nr. FS_PSA 165508

287 KÖRPER UND LUST

Wachsfigur: geöffneter

männlicher Rückentorso aus

seien lebendig geworden: »Der Fürst der Hölle hat die Schreckensgrotte im Prater aufgegeben und ist in das Hotel auf dem Kärtnerring übersiedelt. Alle Monstren sind ihm gefolgt.« 10

Seit 1888 bestand Präuschers Etablissement aus zwei Abteilungen, die durch eine gemeinsame Fassade verbunden, aber in zwei getrennten Hallen mit jeweils eigenem Eingang untergebracht waren.11 In einem Teil befand sich das namengebende Panoptikum, das die angesprochenen Wachsfiguren ausstellte, im anderen ein Anatomisches Museum, in dem auf unterschiedliche Weise konservierte Leichenteile und anatomische Wachsnachbildungen zu sehen waren. Als Herbert List 1944 bei Präuscher fotografierte, mag zwar das Panoptikum mit seinen Attraktionen aus der Welt gefallen sein, das Anatomische Museum präsentierte sich hingegen trotz seiner vermutlich nicht minder modrigen Atmosphäre erschreckend gegenwärtig und referierte dezidiert auf die herrschende Ideologie der Zeit. Wie dem 1939 herausgegebenen Führer durch das »Menschenmuseum« zu entnehmen ist, wurde die Schau über den menschlichen Körper unter das sozialdarwinistische Diktum vom »Kampf ums Dasein« gestellt

»Präuschers Anatomischem Museum«, ca. 1900; Wien Museum, Inv. Nr. 169956/3 und stellte gleich an den Anfang die »rassekundliche« Abteilung, die den Mediziner und Zoologen Ernst Haeckel zitierte, der zu den Wegbereitern von Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland zählte.12 Dass dieser Teil überwiegend mit bereits lange existierenden Wachsfiguren arrangiert wurde, zeigt zum einen die bis zum Beginn des »Museums« zurückreichende Popularisierung unterschiedlicher Ideologien von »Rasse«, wie Siegfried Mattl betont,13 zum anderen das freie Spiel mit den Imaginationen und Erwartungen des Publikums.

»Präuschers Anatomisches Museum«

Das Anatomische Museum bildete den Grundstock der Sammlungen von Präuscher und ist über Zeitungsannoncen ab den frühen 1850er Jahren als mobile Schaustellung nachweisbar.14 In den Jahren davor war das Unternehmen noch in Verbindung mit einer wandernden Menagerie genannt worden.15 Mobil blieb das Anatomische Museum auch noch in den ersten Jahren, nachdem sich Hermann Präuscher (1839 – 1896) im Jahr 1871 an der Feuerwerksallee (der heutigen Ausstellungsstraße) im Prater, von der bevorstehenden Weltausstellung angezogen, in einem eigens errichteten »Bretterbau« dauerhaft in Wien niedergelassen hatte.16 Hier präsentierte er anfangs auch noch andere Attraktionen wie exotische Tiere oder eine Schlangenbeschwörerin, über deren angeblich indische Herkunft die zeitgenössische Presse witzelte.17 Das Anatomische Museum von Präuscher war oft über einen längeren Zeitraum von Wien abwesend und tourte durch die größeren Städte der Monarchie und des benachbarten Auslands.

Ein Grund für die temporäre Abwesenheit mag gewesen sein, dass es mit Henry Dessort in Wien einen starken Konkurrenten gab. Seit 1868 befand sich dessen Anatomisches Museum an wechselnden Schauplätzen an der Wiener Ringstraße, bevor es, möglicherweise nun seinerseits von Präuscher bedrängt, im November 1875 die Stadt verließ.18

»Anatomische Museen« hatten sich ab den 1850er Jahren als eigenständige mobile Schaustellungen etabliert und wanderten in wachsender Zahl durch Europa. Ihr Gegenstand, anatomische Präparate, ob von Leichen oder kunstvoll in Wachs nachgebildete Teil- und Ganzkörperfiguren, hatte in Wien (am Josephinum und an der Universität) in medizinischen Lehrsammlungen eine bereits lang zurückreichende Tradition. Die so vorhandene

302 Präu SCH er S Pa NOP ti K u M u N d aN at OM i SCH e S Mu S eu M

technisch-materielle Infrastruktur war eine der Voraussetzungen für die Herausbildung dieser Schaustellungen. Ab den 1850er Jahren kamen bedeutende Innovationen bei der Präparierung hinzu, die das Erscheinungsbild und das Potenzial für einen mobilen Betrieb stark verbesserten: insbesondere die Weiterentwicklung von Verfahren zur Präparierung von Menschenteilen durch in Gefäße und Hohlräume injizierte Kunstharze (Korrosionspräparate) sowie die anschließende Härtung ihrer Oberflächen mittels Klebstoffen, bei der u. a. der in Wien lehrende Anatom Joseph Hyrtl international führend war. Zur Attraktivität seiner Präparate trug auch eine sorgfältige Bemalung bei.19

Die gesellschaftspolitischen Dimensionen dieser neuen und in den Jahrzehnten nach 1850 durch die Mobilität der Schaustellungen breit und niedrigschwellig zugänglichen »Spektakularisierung« 20 des menschlichen Körpers werden in der Literatur auf zentrale Perspektiven des postrevolutionären Europas bezogen: auf Technik, Industrie und Wissenschaft und so auf die klassischen Werte des Liberalismus, wodurch ihnen sowohl ein emanzipatorisches wie ein disziplinatorisches Potenzial zugeschrieben wird.21 Wenn auch die Revolution 1848 blutig niedergeschlagen wurde, bekannte sich das neoabsolutistische Regime dennoch bald zu der von den Revolutionären geforderten Lehr- und Lernfreiheit und drängte den Einfluss der katholischen Kirche an den Universitäten zurück.22 Kritik an den oben erwähnten Schaustellungen kam dementsprechend auch regelmäßig aus katholischen Kreisen.23 In diesem Kontext steht nicht zuletzt auch die Verwendung des Begriffs »Museum« für Schaustellungen dieser Art, der sowohl den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit wie Öffentlichkeit betonte. Die wenigen nachweisbaren Vorläufer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sich in Anlehnung an fürstliche Sammlungen »Kabinett« (»Cabinet«) genannt.24

Die Anatomie des menschlichen Körpers hatte ab den 1850er Jahren auch einen festen Platz auf den Welt-, Industrie- und Gewerbeausstellungen. So wurden die Präparate Joseph Hyrtls mehrmals prämiert und waren 1873 auch in Wien zu sehen.25 Die Fragmentierung des Körpers oder

Wachsfigur: »Das ruhende Mädchen« aus der Gruppe »Akademische Figuren« aus »Präuschers Anatomischem Museum«, ca. 1900; Wien Museum, Inv.‑Nr. 169956/2

303 KÖRPER UND LUST

Vielfalt auf allen Ebenen der Erfahrung

Was ist ein Pratermuseum?

Das Pratermuseum ist ein kleines Museum mitten im Wurstelprater und zeigt auf vielfältige Weise die Kultur- und Naturgeschichte nicht nur des Vergnügungsparks, sondern des gesamten heterogenen Praterareals im Osten Wiens, zwischen Innenstadt und Donau. Glücklicherweise konnte das Projekt ganz zentral mitten im Herzen des Vergnügungsparks, also mitten im Ausstellungsgegenstand selbst, realisiert werden. Was für eine bizarre Nachbarschaft für ein Museum zwischen Autodromen, Glücksspielhallen und Geisterbahnen sowie direkt neben dem Riesenrad! Die herkömmlichen städtebaulichen Parameter eines Architekturentwurfs können hier jedenfalls nicht gelten: Was zählen im Wurstelprater Begriffe wie Kontext, Ensemble, Angemessenheit, Wechselwirkung, räumliche Ordnung, Gliederung, Hierarchie der Räume? Und wie soll unser Entwurf auf das extrem heterogene, flüchtige, sensationsheischende Umfeld reagieren? Alles rundherum toppen und noch greller, selbstbewusster, schriller und lauter werden? Oder sich seriös auf den Begriff Museum reduzieren, High Culture in die Welt des vergnüglichen Trash implementieren?

Ausgangspunkt unseres Entwurfs war zunächst ganz klassisch die Frage der Zugänglichkeit, der Eingangssituation des Museums. Schließlich sollte es ja ein Museum »für alle« werden, das heißt leicht zu finden, gut zu erreichen und möglichst niederschwellig mit dem öffentlichen Raum verknüpft. Nun liegt das kleine Grundstück zwar in einer geschlossenen Bebauung, ist aber durch den Block durchgesteckt und hat zwei Fronten, eine zur Straße des Ersten Mai, der fußläufigen Hauptachse des Vergnügungsparks, und eine zum Riesenrad, der wesentlichsten Attraktion dort. Hier erwies sich das Prinzip des Sowohl-als-auch, das Robert Venturi schon 1966 als eine wesentliche Qualität von Architektur postulierte,1 als guter Leitgedanke, der uns in der weiteren Gestaltung immer wieder begleiten sollte: Das Museum musste natürlich zwei – gleichwertige – Eingänge bekommen! Damit war aber auch klar, dass es bei diesem kleinen Bauplatz keine eingeschoßige Lösung, wie ursprünglich angedacht, geben

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kann. Also auf in die Höhe, in die Vertikalität! Und das war genau mein Thema, beschäftige ich mich doch schon seit Jahren mit vertikalen öffentlichen Räumen. Doch die Wiener Magistratsabteilung für Architektur und Stadtgestaltung legte fest, dass der Blick auf das Riesenrad nicht verstellt werden dürfe. Deshalb schnitten wir kurzerhand diesen Blick auf das Riesenrad in Form eines Kegels aus dem hohen Bauvolumen aus – das ergab eine etwas eigenartige, für die geringe Größe des Projekts relativ wuchtige, ja geradezu markante Bauplastik. Aber Eigenartigkeit ist ja vielleicht für den Prater gar nicht so unpassend, und so entstand fast zufällig eine Kontextualität, ein ganz direkter Bezug zum Riesenrad: die Form des Museums als Abdruck des Blicks auf das Riesenrad. Und diese besondere Verbindung ist ja mehr als legitim, ist doch das Riesenrad mit hoher Wahrscheinlichkeit der dauerhafteste, langlebigste und monumentalste städtebauliche Bezug an diesem Ort.

DAS NEUE PRATERMUSEUM
Pratermuseum, Schnittzeichnung, 2024; Michael Wallraff ZT GmbH

Autorinnen und Autoren

Laura Anderson Barbata ist eine mexikanische Künstlerin, die in New York und MexikoStadt lebt. Seit 1992 initiiert sie Projekte u. Kooperationen, die sich mit sozialer Gerechtigkeit u. Umwelt befassen, u. a. im venezolanischen Amazonasgebiet, in Trinidad und Tobago, Mexiko, Norwegen und den USA. Ihre Werke befinden sich im Metropolitan Museum of Art, im Museo de Arte Moderno, Mexiko D. F. und in der Sammlung TBA21.

Susanne Breuss, Kulturwissenschaftlerin; Studium der Europäischen Ethnologie, Geschichte, Soziologie und Philosophie an der Universität Wien und an der TU Darmstadt; Publikationen, Ausstellungen, Forschungsprojekte und Lehraufträge zu historischen Alltagskulturen; bis 2023 Kuratorin im Wien Museum.

Andreas Brunner, Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik. Seit Ende der 1980er Jahre in der Schwulen- und Lesbenbewegung engagiert, Mitbegründer der Regenbogenparade. Seit 2007 Co-Leitung von QWIEN  – Zentrum für queere Geschichte. Forschungen, Publikationen und Stadtführungen zur queeren Stadtgeschichte.

Cornelia Cabuk, Kunsthistorikerin, Expertin und Autorin; 2010 – 2021 tätig am Belvedere für die Serie Belvedere Werkverzeichnisse, darunter Carl Moll (2020), Otto Rudolf Schatz (2018), Marc Adrian (2016) und Carry Hauser (2012); zudem Beiträge u. a. zu Jean Egger (2023), O. R. Schatz & Carry Hauser – Im Zeitalter der Extreme (2016).

Ingrid Erb ist Architektin, Bühnenbildnerin und freie Autorin. Sie studierte Kunst in Bern, Kunstgeschichte in Basel und Architektur an der ETH Zürich. Sie wurde dreimal mit dem Swiss Design Award ausgezeichnet und promovierte am Institut für Architekturwissenschaften der TU Wien, wo sie auch als Lehrbeauftragte und Forschungsassistentin tätig ist.

Brigitte Felderer lehrt an der Universität für angewandte Kunst Wien und leitet dort die Abteilung Social Design – Arts as Urban Innovation. Ihre Projekte bewegen sich zwischen Alltagskultur und Mediengeschichte und verfolgen transdisziplinäre wie gleichermaßen gesellschaftspolitische Themen. Zuletzt: Das Fest zwischen Repräsentation und Aufruhr, MAK 2022 / 23 (Ausstellung und Publikation).

Michael Feuchtinger studierte Physik und Astrophysik an der TU Wien und an der Universität Wien und promovierte 1992 in theoretischer Astrophysik. Von 1989 bis 2000 war er am Institut für Astrophysik der Universität Wien und am Department of Physics der University of Florida tätig. Seit 2001 arbeitet er im Planetarium der Wiener Volkshochschulen, seit 2022 als Direktor.

Wolfgang Fichna, Kulturhistoriker mit Forschungsschwerpunkt Popularkultur im 20. Jahrhundert und Kurator. U. a.: Die Musik des Wiener Praters. Eine liederliche Träumerei (mit S. Zapke, 2023), Wohngeschichten aus den 1950er / 60er Jahren (mit W. M. Schwarz, G. Vasold und S. Winkler, 2021).

Helmuth Figdor, Universitätsdozent am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien und an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Er arbeitet in eigener Praxis als Psychoanalytiker, Kinderpsychotherapeut und Erziehungsberater und ist Ehrenpräsident der Arbeitsgemeinschaft Psychoanalytische Pädagogik.

Alys X. George, Assistant Professor of German Studies an der Stanford University, ist Autorin des preisgekrönten Buchs The Naked Truth: Viennese Modernism and the Body (2020). Forschung und Lehre zur österreichischen und deutschen Literatur, visuellen Kultur und Kulturgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts mit Schwerpunkt Moderne und Nachkriegszeit.

Bernhard Hachleitner, Historiker und Kurator, Dissertation zum Wiener Praterstadion. Zahlreiche Publikationen und Ausstellungen zu Wiener Populärkulturen, insbesondere Sport. Zuletzt: Die Zerstörung der Demokratie. Österreich, März 1933 bis Februar 1934 (hg. mit A. Pfoser, K. Prager und W. M. Schwarz, 2023), Etappenziel Österreich. Radsport 1930 bis 1950 – Helden, Raum und Nation (mit M. Marschik, R. Müllner und J. Skocek, 2024).

Tobias Hofbauer, Studium der Geografie, seit 2015 im Wien Museum tätig, u. a. Bearbeitung der topografischen Fotosammlung, kuratorische Assistenz Pratermuseum Neu.

Severin Hohensinner, Flussmorphologe und Landschaftsplaner am Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der Universität für Bodenkultur Wien, erforscht seit 1998 die historische Entwicklung österreichischer Flusslandschaften und ist in der Planung und im Monitoring von Gewässerrevitalisierungen tätig.

Anna Jungmayr studiert(e) Kultur- und Sozialanthropologie und ist derzeit Curatorial Fellow im Wien Museum. Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen österreichischer Vergangenheitspolitik und Zeitgeschichte, Alltagsgeschichte sowie Frauen- und Geschlechtergeschichte.

Christian Klösch, Historiker, Studium der Astronomie, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Graz und Wien. Kustos und Kurator für Raumfahrt und Inklusion / Exklusion im Sammlungsbereich Verkehr / Mobilität des Technischen Museums Wien. NS-Provenienzforscher am Technischen Museum Wien und Mitglied der Kommission für Provenienzforschung.

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Sarah Knoll ist Historikerin und Postdoc im Arbeitsbereich Zeitgeschichte des Instituts für Geschichte der Universität Graz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind österreichische Zeitgeschichte, Flucht und Migration, Humanitarismus und humanitäre Hilfe sowie die Geschichte des Wiener Praters zur Zeit des Nationalsozialismus.

Claudia Koch, Studium der Kunstgeschichte in Wien, Graz, Utrecht. Seit 1999 Kuratorin, seit 2022 Sammlungsleiterin der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien, sowie seit 2008 Lehrbeauftragte der Wiener Akademie (IKR ). Forschungstätigkeit zu den eigenen Beständen, Neuaufstellung der Sammlung im Format Sammlung betrachten (2022).

Lilli Lička, Landschaftsarchitektin, ab 2003 Leiterin des Instituts für Landschaftsarchitektur an der Universität für Bodenkultur Wien. Bis 2016 Büro koselička, seit 2017 LL-L Landschaftsarchitektur. Mitbegründerin und -betreiberin: Nextland, LArchiv und Netzwerk der europäischen Landschaftsarchitekturarchive (NELA ) sowie Büro für lustige Angelegenheiten (BLA )

Thomas Macho, 1993 – 2016 Professor für Kulturgeschichte am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin; 1976 Promotion an der Universität Wien; 1984 Habilitation für Philosophie, Universität Klagenfurt; 2016 – 2023 Leitung des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften (IFK ) der Kunstuniversität Linz in Wien; 2019 Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, 2020 Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik. Seit 2023 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Zuletzt: Warum wir Tiere essen (2022), Sehen ohne Augen (2022).

Wolfgang Maderthaner, Historiker. Präsident des Vereins für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, Generaldirektor a. D. des Österreichischen Staatsarchivs. Zahlreiche Publikationen in mehreren Sprachen, zuletzt: Zeitenbrüche. Sozialrevolutionäre Aufstände in habsburgischen Landen (2023).

Thomas Mießgang, Studium der Germanistik und Romanistik, 1984 Promotion mit einer Diss. zu Sex, Mythos, Maskerade – Antifaschistische Literatur in Österreich. Langjährige journalistische Tätigkeit u. a. bei Falter, Profil, DIE  ZEIT und ORF -Hörfunk (Diagonal, Radiokolleg). Von 2000 – 2011 (Chef-)Kurator der Kunsthalle Wien. Verschiedene Ausstellungsprojekte, zuletzt: Das Medienphänomen Heinz Conrads, Wienbibliothek im Rathaus. Zahlreiche Buchpublikationen und Kataloge.

Andreas Nierhaus, Kunsthistoriker und Kurator für Architektur und Skulptur im Wien Museum, Privatdozent der Universität Wien. Ausstellungen und Publikationen zur Geschichte der Architektur in Wien. Forschungsschwerpunkte: Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts, Medien der Architektur, Otto Wagner.

Klaus Nüchtern studierte Germanistik und Anglistik in Wien und schreibt seit 1989 für den Falter, dessen Feuilleton er 25 Jahre lang geleitet hat. Seine Kolumne Nüchtern betrachtet ist mehrfach in Buchform erschienen, er veröffentlichte Bücher über Buster Keaton (2012), Heimito von Doderer (2016) und zuletzt Famose Vögel (2023). 2009 Preis für Publizistik der Stadt Wien, 2011 Österreichischer Staatspreis für Literaturkritik. Mitglied der Cloud Appreciation Society, Betreiber des Jazz-Labels Handsemmel Records und Bummeltudent des Fachs Geschichte.

Martina Nußbaumer studierte Geschichte, Angewandte Kulturwissenschaften und Kulturmanagement in Graz und Edinburgh und ist seit 2008 Kuratorin im Wien Museum. Ausstellungen, Publikationen und Radiosendungen (Ö1) zu Stadt- und Kulturgeschichte im 19., 20. und 21. Jahrhundert, Geschlechtergeschichte sowie zu Geschichts- und Identitätspolitik.

Vrääth Öhner ist Film-, Medien- und Kulturwissenschaftler sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ludwig Boltzmann Institute for Digital History und am Institut für Creative \ Media / Technologies der FH  St. Pölten. Forschungsschwerpunkte: Theorie, Ästhetik und Geschichte insbesondere des Dokumentar- und Amateurfilms, der Medien- und Populärkultur.

Eva-Maria Orosz, Studium der Kunstgeschichte und Geschichte in Wien, seit 2004 Kuratorin im Wien Museum. Forschungsschwerpunkte und Publikationen: angewandte Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, Interieurs und Period Rooms, Kunst- und Kulturgeschichte Wiens. Ausstellungen u. a.: Goldscheider Keramiken (2007), Glanzstücke. Emilie Flöge und der Schmuck der Wiener Werkstätte (2008), Werkbundsiedlung (2012), Otto Wagner (2018).

Olaf Osten ist bildender Künstler und Grafiker; durch Zeichnung, Malerei und technische Kombinationen befasst er sich auf verschiedene Art u. a. mit dem Thema der Zeitlichkeit. Seine Arbeiten wurden international auf zahlreichen Ausstellungen gezeigt. In Wien kooperierte er z. B. bereits mit den Wiener Festwochen, Impulstanz, dem mumok und dem Wien Museum.

Peter Payer, Historiker, Stadtforscher und Publizist. Inhaber eines Büros für Stadtgeschichte, Kurator im Technischen Museum Wien. Zahlreiche Artikel in Zeitungen und Fachjournalen, Buchpublikationen zur Stadtgeschichte von Wien, zuletzt: Gebirgswasser für die Stadt. Die I. Wiener Hochquellenleitung (mit J. Hloch, 2023).

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Birgit Peter, Studium der Theaterwissenschaft und Philosophie an der Universität Wien, Leitung des Archivs und der theaterhistorischen Sammlung des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien. Forschungs- und Publikationsschwerpunkte: vergessene und verdrängte Theatergeschichte, NS -Theaterwissenschaft und Fachgeschichte, Zirkus, historische Populärkultur in Wien.

Sarah Pichlkastner studierte Geschichte und Archivwissenschaft an den Universitäten Wien und Tours, seit 2020 Kuratorin im Wien Museum. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Frühen Neuzeit: Stadtgeschichte, Geschichte der institutionellen Fürsorge, Geschichte der Armut und des Bettelns, Ernährungsgeschichte.

Stefan Poser ist Technikhistoriker am Karlsruher Institut für Technologie (KIT ) und Präsident des UNESCO -basierten International Committee for the History of Technology (ICOHTEC ). Arbeitsschwerpunkte: gesellschaftliche Bewältigung von technischen Risiken, spielerischer Umgang mit Technik.

Béla Rásky, Diss. zur Festkultur der Sozialdemokratie 1918 – 1934, Mitarbeit an Projekten und Ausstellungen zur österreichischen Zeitgeschichte u. a. im Wien Museum, 1996 – 2003 Leiter der Außenstelle Budapest des Österreichischen Ost- und SüdosteuropaInstituts, 2010 – 2021 Leiter des Wiener Wiesenthal-Instituts für Holocauststudien (VWI).

Tabea Rude ist seit 2017 sowohl restauratorisch als auch kuratorisch für die Uhrensammlung der Museen der Stadt Wien zuständig. Sie lernte das Uhrmacherhandwerk in Pforzheim und studierte Restaurierung für Uhren und dynamische Objekte an der University of Sussex. Darauf folgten mehrere Jahre projektbasierte Arbeiten für Museen in London.

Martin Scheutz, Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, ao. Prof. für Neuere Geschichte am Institut für Geschichte der Universität Wien; Forschungsgebiete: Stadtgeschichte, Wiener Hof, Spitalgeschichte, Selbstzeugnisse.

Werner Michael Schwarz, Historiker, PD , Kurator im Wien Museum und Pratermuseum Neu, Ausstellungen, Publikationen und Lehre zu Stadt-, Film- und Mediengeschichte. Ausstellungen u. a.: Die Zerstörung der Demokratie. Österreich, März 1933 bis Februar 1934 (2023), Terra Nova. 70 Jahre Siedlung Siemensstraße in Wien Floridsdorf (2020), Das Rote Wien 1919 – 1934 (2019).

Georg Spitaler, Politologe und Historiker, forscht am Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, lehrt an der Universität Wien. Zahlreiche Publikationen zu den Forschungsschwerpunkten ArbeiterInnengeschichte, Politische Theorie, Fragen des Politischen im Sport. 2019 / 20 Co-Kurator der Ausstellung Das Rote Wien 1919 – 1934 im Wien Museum MUSA .

Ursula Storch, Studium der Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Wien, 1988 Promotion. Seit 1989 freie Mitarbeiterin im Wien Museum (ehemals Historisches Museum der Stadt Wien), seit 1992 Kuratorin, seit 2008 Vizedirektorin. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen zur Wiener Kunst- und Kulturgeschichte im 19. bis 21. Jahrhundert.

Christine Strahner, Kunsthistorikerin und langjährige Mitarbeiterin des Wien Museums.

Alina Strmljan studierte Geschichte, Kunstund Bildgeschichte sowie Gender Studies in Berlin und Wien. Mit Schwerpunkten auf Museumsgeschichte und Inklusion arbeitet sie zu den Verflechtungen von Wissenschaft, Kunst und Erinnerungskultur – am liebsten in Form von Ausstellungen und mit Interesse am Kuriosen, wie z. B. den Affen im Prater.

Ernst Strouhal, Autor, Publizist, Professor an der Universität für angewandte Kunst Wien; 2010 Österr. Staatspreis für Kulturpublizistik. Zuletzt: Wenn der Wind weht (hg. mit L. Scheffknecht, 2022), Vier Schwestern. Fernes Wien, fremde Welt (2022), Die Phantome des Ingenieur Berdach. Medienkritik und Satire (mit G. Geringer, 2023).

Manuel Swatek, Studium der Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Graz und Wien, Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Historiker und seit 2007 Mitarbeiter im Wiener Stadt- und Landesarchiv. Forschungsinteressen: Stadtgeschichte, historische Karten und Topografie von Wien.

Anton Tantner ist Historiker mit Passion für Nummern und Wanderdünen, er lehrt als Senior Lecturer an der Universität Wien. Publikationen u. a. für Augustin und Tagebuch. Zuletzt erschienen: Von Straßenlaternen und Wanderdünen. Miniaturen aus dem abseitigen Wien (2020).

Klaus Taschwer, Studium der Sozialwissenschaften in Wien, daneben und danach Tätigkeit als »Zwischenschaftler«. Gründer und Mitherausgeber des Wissenschaftsmagazins heureka! (1996 – 2010), Wissenschaftsredakteur bei Der Standard (seit 2007), Autor zahlreicher Publikationen vor allem zur österreichischen Wissenschafts- und Zeitgeschichte.

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Katalin Teller unterrichtet am Lehrstuhl für Ästhetik der Eötvös-Loránd-Universität Budapest. Sie forscht zu Theorien und Geschichte der Populärkultur, zur vergleichenden Stadtgeschichte und zur Zirkusgeschichte, insbesondere zum Geschichtsbild von Zirkuspantomimen.

Gernot Waldner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik der Universität Wien. Er hat Philosophie, Literaturwissenschaft und Wissenschaftsgeschichte in Wien, Berlin und Cambridge (MA) studiert. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind die Literatur des Josephinismus und bürokratische Sprachreformen.

Elsbeth Wallnöfer, Wienerin, Südtirolerin, Volkskundlerin, Philosophin, Kostümhistorikerin, Autorin, Kuratorin, unregelmäßig Kommentatorin bei Der Standard. Zuletzt: Heimat. Ein Vorschlag zur Güte und TRACHT MACHT POLITIK . Arbeitet derzeit an zwei Buchprojekten.

Michael Wallraff ist Architekt. Er studierte Bühnenbild und Architektur in Wien und Los Angeles und ist seither in verschiedenen Bereichen tätig: von Stadtplanungen über Entwürfe für Umnutzungen, Zu- und Neubauten, Bühnenräume, Ausstellungen und Möbel bis hin zu Objekten der Alltagskultur. Er lehrt an verschiedenen Universitäten und arbeitet an Forschungsprojekten.

Elke Wikidal, Studium der Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Wien. Seit 2005 Mitarbeiterin im Wien Museum, vorwiegend in der Grafik- und Fotosammlung und Depotverwaltung sowie im Bereich wissenschaftliche Recherche. Arbeitsschwerpunkte: Wiener Stadt- und Kulturgeschichte, Kunstgeschichte 19. / 20. Jahrhundert.

Susanne Winkler, Historikerin, Kuratorin im Wien Museum und Pratermuseum Neu, Sammlungsbereich Topografie und Stadtentwicklung. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen mit Schwerpunkt Stadt-, Fotografie- und Freimaurergeschichte, u. a.: Terra Nova. 70 Jahre Siedlung Siemensstraße in Wien Floridsdorf (2020), Das Rote Wien 1919 – 1934 (2019), Es lebe der Widerspruch! Fotos aus 40 Jahren Falter 1977 – 2017 (2017).

Marie-Noëlle Yazdanpanah ist Kulturwissenschaftlerin und Historikerin mit den Schwerpunkten Visual History, Gender, Vergnügungskultur und Stadtgeschichte. Zuletzt forschte sie zu »Praktiken des Lehr- und Unterrichtsfilms in Österreich« (2020 – 2023), aktuell zu »Visual Culture in der Bildillustrierten Die Bühne« und zu emanzipatorischen Wohnmodellen.

Susana Zapke studierte an den Universitäten Freiburg i. Br. und Köln Musikwissenschaft und Französische Philologie. Promotion an der Universität Hamburg, Habilitation an der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Seit 2009 Professorin für Historische Musikwissenschaft an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK ). Zahlreiche Publikationen und Forschungsprojekte zur Musik- und Kulturgeschichte Wiens, zuletzt: Die Musik des Wiener Praters. Eine liederliche Träumerei (mit W. Fichna, 2023).

Praterfamilien

Brantusa

Gruber

Grumbir

Heindl

Holzdorfer

Kern / Waldmann

Kleindienst-Passweg

Kobelkoff

Koidl

Kolarik

Kolnhofer

Lamac

Lang

Liselotte Lang-Schaaf

Lindengrün

Meyer-Hiestand

Nemec

Padilla / Quoika

Pasara

Peer

Petritsch

Pichler

Pondorfer

Popp

Rath / Jenko

Reinprecht

Reinthaler

Schaaf

Schredl

Seifert

Sittler

Sittler-Koidl

Steindl

Prater GmbH Wien

Michael Prohaska

Marina Rathgeb

Alexander Ruthner

Ferry Ebert

Monika Faber (Photoinstitut Bonartes)

Gerhard Friedler und Team (Bezirksmuseum Leopoldstadt)

Robert Kaldy (Circus- & Clownmuseum Wien)

Tom Koch

Ingrid Leibezeder

Magic Christian

Alexander Nikolai (Bezirksvorsteher Leopoldstadt)

Ralf Roletschek

Alexander Schatek (Pratertopothek)

Friedrich Stifsohn (Novomatic)

Michael Swatosch (Circus- & Clownmuseum Wien)

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Dank

Impressum

Diese Publikation erscheint anlässlich der Eröffnung des Pratermuseums im März 2024.

Herausgegeben von

Werner Michael Schwarz

Susanne Winkler

Konzept und Redaktion

Werner Michael Schwarz

Susanne Winkler

Grafische Gestaltung

Katharina Gattermann

Publikationsmanagement

Sonja Gruber

Lektorat

Julia Teresa Friehs

Bildredaktion

Tobias Hofbauer, Andrea Ruscher

Fotografien Wien Museum

Atelier Stiegler / Massard, Fotostudio Otto, TimTom, Birgit und Peter Kainz

Bildbearbeitung

Pixelstorm Litho & Digital Imaging, Wien

Content & Production Editor für den Verlag: Katharina Holas, Birkhäuser Verlag, Wien

Druck

Holzhausen, die Buchmarke der Gerin Druck GmbH, Wolkersdorf, Österreich

Papier

Munken Polar 120 g/m2 F-Color glatt 120 g/m2 Gerinica Diamant 120 g/m2

Schriften

Euclid Circular A (Swiss Typefaces) Antonia (Typejockeys)

Abbildung Cover

Otto Rudolf Schatz: Autodrom, 1929 Wien Museum, Inv.-Nr. 249752, Bildrecht, Wien 2024

Bildrecht, Wien 2024: Norbert Artner (S. 262), Peter Dwořak (S. 271), Barbara Filips (S. 85), Kurt Gerlach (S. 192), Christine Heuer (S. 28), Otto Rudolf Schatz (S. 107 – 109)

Library of Congress Control Number: 2023950513

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

ISBN 978-3-0356-2855-5

© 2024 Wien Museum; Autor:innen; Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Im Westfeld 8, 4055 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin / Boston

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