Urbane Natur gestalten

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Martin Prominski Malte MaaĂ&#x; Linda Funke

Urbane Natur gestalten Entwurfsperspektiven zur Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung


Inhalt 6 Vorwort

Christina von Haaren Roswitha Kirsch-Stracke 8 Einleitung 10 Perspektiven für urbanen Naturschutz

18

Entwurfsfelder und Entwurfswege

2 1 24 26 28 30

Komplexität erhöhen Quartiere durch Grünräume entwickeln Übergeordnete Systeme berücksichtigen Biotop- und Freiraumsysteme kombinieren Wassermanagement integrieren

33 36 38 40

Eigenarten kultivieren Historische Landschaftsstrukturen Traditionelle Bewirtschaftung, alte Kulturpflanzen und Nutztiere Ortsgeschichte thematisieren

43 46 48 50

Dynamik zulassen Pionierstandorte schaffen Ruderal- und Sukzessionsflächen Natürliche Ufer ermöglichen

53 56 58 60

Produktionsräume gestalten Landwirtschaft in der Erholungslandschaft Vielfalt der Agrarlandschaft fördern Naturschutz durch Ökolandbau

63 66 68 70

Durch Nutzung pflegen Temporär beweiden Dauerhaft beweiden Pflege durch Sportnutzung

73 76 78 80 82

Grenzen und Übergänge konzipieren Besucher gezielt lenken Nutzungsintensitäten zonieren Pufferzonen und Sicherheitsbereiche anlegen Zugangsbeschränkungen und Eingänge optimieren

85 Naturkontakt intensivieren 88 Räume für Naturerfahrung 90 Bildung für nachhaltige Entwicklung 93 96 98 100 102

Akteure einbinden Bürgergruppierungen beteiligen Beschäftigung und Qualifikation Öffentliche Nutzgärten Kunst im Freiraum

105 108 110 112 114

Bau- und Vegetationsmaterial nachhaltig einsetzen Entsiegeln Verfügbares Material nutzen Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten Naturnahen Wald entwickeln


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Entwurfsproben

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Beispiele guter Praxis

118 Sandpark Rissen Biotopverbundflächen in Grünanlagen Freie und Hansestadt Hamburg

128 Lebens-Welten, Andernach

122 Waller Fleet Kleingartengebiete im Bremer Westen Freie Hansestadt Bremen

140 Landschaftspark Rudow-Altglienicke, Berlin-Neukölln/Berlin-Treptow

132 Scherbelhaufen, Apolda 136 Grünzug Bullengraben, Berlin-Spandau

144 Park am Gleisdreieck, Berlin-Kreuzberg 148 Park am Nordbahnhof, Berlin-Mitte 152 Schöneberger Südgelände, Berlin-Schöneberg 156 Wartenberger Feldmark, Berlin-Lichtenberg 160 Park links der Weser, Bremen-Huchting 164 Weseruferpark, Bremen-Rablinghausen 168 Alter Flugplatz, Frankfurt-Bonames 174 Rüschpark, Hamburg-Finkenwerder 178 Buchholzer Bogen, Hannover-Buchholz 182 Landschaftsraum Kronsberg, Hannover-Bemerode 186 Westhovener Aue, Köln-Westhoven 190 Grüner Bogen Paunsdorf, Leipzig-Paunsdorf 194 Riemer Wäldchen, München-Riem 198 Zentrale Bahnflächen, München-Nymphenburg 202 Grünzug Olbeschgraben, Trier-Tarforst

207 Bibliografie 210 Register 213 Über die Autoren 215 Danksagung 216 Bildnachweis


Entwurfsfelder und Entwurfswege

Das Kapitel gibt einen Überblick über erfolgversprechende Entwurfsansätze zur Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung aus verschiedensten Perspektiven. Die vorgeschlagene Systematik aus Entwurfsfeldern und Entwurfswegen bildet den Kern des Buches. Die Strukturierung macht die zukünftige Gestaltung urbaner Natur effizienter, und die Basis aus guten Beispielen sichert eine hohe Qualität.


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Eigenarten kultivieren Je charakteristischer eine urbane Landschaft ist, desto höher die Chance, dass sich Bürger mit ihr identifizieren können. In modernen urbanen Landschaften ist der Charakter meist durch zeitgenössische Elemente mit hoher Gleichförmigkeit bestimmt. Sind jedoch noch historisch gewachsene Strukturen und Landschaftsbestandteile, Geschichtsrelikte oder traditionelle Bewirtschaftungsformen vorhanden, so fügen diese eine weitere Eigenart hinzu und bieten damit Potenziale und Ansatzpunkte, um die Identifikation der Bürger mit einem Freiraum zu steigern. Oftmals lassen markante Eigenschaften Rückschlüsse auf das standörtliche Potenzial einer Fläche zu und geben Hinweise für eine nachhaltige Bewirtschaftung. Hinzu kommt, dass sich durch bestehende Strukturen und lang zurückreichende Bewirtschaftungsformen oftmals spezielle Artengemeinschaften etabliert haben, die in urbanen Räumen zunehmend seltener werden und somit als schutzbedürftig eingestuft werden können. Werden diese Flächen einer zeitgemäßen Freiraumnutzung zugeführt, lassen sich gleichzeitig ökologisch wertvolle Lebensräume schaffen. Diese naturschutzfachlichen Aktivitäten finden dann häufig auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Lokale Eigenarten können so genutzt werden, um den Charakter eines Ortes zu schärfen, sei es in Bezug auf touristische Attraktivität, als Abgrenzung gegenüber benachbarten Bereichen oder zur stärkeren Identifikation der Bewohner mit ihrer Gemeinde oder Region.

Kontinuität und Dauerhaftigkeit im Naturschutz Naturschutzfachlich klassische Ziele, wie die Bewahrung oder Wiederherstellung von Schutzgütern, erhalten in Bezug auf lokale Eigenarten eine besondere Relevanz. Zu den Schutzgütern zählen beispielsweise historisch alte Biotope sowie kulturhistorische Landschaftselemente. Dementsprechend sind auch traditionelle, schonende Bewirtschaftungsformen in all ihren Facetten als „Hersteller und Bewahrer“ dieser Eigenarten für die Kontinuität bedeutsam. Aufgrund ihrer Vielfalt, Eigenart und Schönheit und des damit verbundenen Erholungswertes von Natur und Landschaft sind die oben angeführten Landschaftselemente nach Bundesnaturschutzgesetz dauerhaft zu sichern (vgl. § 1 Abs. 4 BNatSchG). Der Erhalt kann durch speziell abgestimmte Pflegekonzepte oder eine spezielle Nutzung erreicht werden (siehe „Durch Nutzung pflegen“, S. 63). Auch lassen sich die Schutzgüter durch ihre Unterschutzstellung oder die Eindämmung oder Verhinderung von externen Störungen nachhaltig bewahren (siehe „Grenzen und Übergänge konzipieren“, S. 73). Mit dem Kontinuitätsgedanken lassen sich auch das Wiederherstellen von Schutzgütern nach historischen Vorbildern, zum Beispiel von ursprünglichen Landschaften oder topografischen Strukturen, und die Wiederaufnahme kulturhistorischer Nutzungsformen begründen. Historisch alte Biotope und Strukturen, aber auch traditionelle Bewirtschaftungsformen prägen ein Landschaftsbild, erinnern an ursprüngliche Zustände und Nutzungsformen und erhöhen den Wiedererkennungswert einer Landschaft. Gegenüber modernen Nutzungsformen der Land- und Forstwirtschaft bieten historische Bewirtschaftungen oftmals eine höhere Strukturvielfalt, die sich sowohl in der Biodiversität niederschlägt als auch für die Besucher ästhetisch attraktiver sein kann. Entsprechendes gilt für bewahrte und inszenierte Kulturrelikte früherer Nutzungen.


Historische Landschaftsstrukturen

Traditionelle Bewirtschaftung, alte Kulturpflanzen und Nutztiere


Ortsgeschichte thematisieren


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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Streuobstanbau erhält alte lokale Sorten, ist selbst eine Form der Traditionspflege und bietet vielfältige wertvolle Habitate. Großräumig tragen diese Flächen zur gestalterischen Gliederung der Landschaft bei. Entlang des „Grünen Rings“ mit seinen charakteristischen blauen Markierungen beleben sie hier einen Radwegverbund. (Landschaftsraum Kronsberg, Hannover) Alte Nutztierrassen sind oft robust und eignen sich für extensive Haltungsformen und schwieriges Gelände. (Lebens-Welten, Andernach)


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Traditionelle Bewirtschaftung, alte Kulturpflanzen und Nutztiere

Lebens-Welten | 128 Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Landschaftsraum Kronsberg | 182

Entwurfsperspektiven Traditionelle Bewirtschaftungsformen, alte Kulturpflanzen und ihre Sorten sowie alte Haustierrassen sind Bestandteil der landschaftlichen und regionalen Geschichte – und damit Kulturgüter. Ihre Bewahrung im Rahmen von entsprechenden Projekten kann bei der Bevölkerung das Bewusstsein für den kulturellen Wert stärken. Werden die früher üblichen extensiven Haltungs- und Anbauformen beibehalten oder wieder aufgenommen, entstehen auch für den Naturschutz oft günstige Effekte. Die sich aus diesen Nutzungsformen ergebenden Landschaftsbilder sind oftmals kleinteilig, vielfältig und lassen die jeweilige Bearbeitungsform erkennen (siehe „Historische Landschaftsstrukturen“, S. 36). Beispiele für traditionelle Nutzungen sind ganzjährige Weidekonzepte mit robusten Rassen, der Nischenanbau von alten Feldfrüchten (Flachs, Buchweizen, Steckrüben etc.), Streuobstwiesen, der Gehölzschnitt zur Gewinnung von Korbreisern oder die Holzrückung mit Pferden. Alle diese Themen – der Wert der Kulturlandschaft, die durch die Maßnahmen ausgelösten Auswirkungen sowie allgemeine Natur- und Umweltthemen – lassen sich, anschaulich dargestellt und integriert in ein Freizeitkonzept, zugleich für die Umweltbildung nutzen. Über die Vermarktung von Erträgen und Produkten können zudem Einnahmen erzielt werden (siehe „Temporär beweiden“, S. 66; „Dauerhaft beweiden“, S. 68; „Öffentliche Nutzgärten“, S. 100).

Naturschutz Die aus der Bewirtschaftung mit alten Sorten und Rassen entstandenen Formen der lokaltypischen Nutz- bzw. Kulturlandschaft stellen ebenso wie die Sorten und Rassen selbst einen eigenen Wert dar und sind als kulturhistorische Güter von besonderer Bedeutung. Alte Rassen und Sorten sind zudem eine wichtige Genreserve und können als Pool für zukünftige Züchtungen dienen. Weiterhin gilt ein Großteil der ursprünglichen Bewirtschaftungsformen als umweltbzw. bodenschonend; aus Gründen der Wirtschaftlichkeit werden sie jedoch vielfach durch eine intensive Bearbeitung mithilfe großer landwirtschaftlicher Maschinen ersetzt.

Bemerkungen Werden kleinere Maschinen eingesetzt und mehr körperliche Arbeit geleistet, so hat dies Folgen für die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte: Die Arbeitskraft reicht oftmals lediglich für die Bewirtschaftung kleinerer Schläge, während der Zeitaufwand steigt und die Erträge im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft sinken. Auch die Zucht alter Nutztierrassen kann meist nicht kostendeckend betrieben werden. Darum muss hier häufig auf Förderprogramme zurückgegriffen werden. Wirksame Medienpräsenz von Beginn eines Projektes an zu betreiben und etwaige Fördermöglichkeiten auszuloten, kann für eine Akzeptanzsteigerung und eine allgemeine Unterstützung hilfreich sein. Kooperationen mit öffentlichen Trägern und Vereinen sowie die Einbindung der Bevölkerung sind weitere Faktoren für das Gelingen solcher Projekte (siehe „Bürgergruppierungen beteiligen“, S. 96).

Der Anbau seltener Gemüsesorten dient dem Erhalt der biologischen Vielfalt. (Lebens-Welten, Andernach)


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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Vorgefundenes Material wird zur Raumgliederung genutzt. Relikte befestigter Flächen und Gleise verbleiben als Hinweise auf die frühere Nutzung und werden durch neue Flächen ergänzt. (Park am Nordbahnhof, Berlin)

Historische Relikte wurden für neue Nutzungen umfunktioniert: Im Schöneberger Südgelände dienen Gleisanlagen als Randbegrenzung für Wege. (Schöneberger Südgelände, Berlin)


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Ortsgeschichte thematisieren

Scherbelhaufen | 132 Landschaftspark Rudow-Altglienicke | 140 Park am Gleisdreieck | 144 Park am Nordbahnhof | 148 Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168

Entwurfsperspektiven Fragmente von Industrieanlagen, Gebäude oder Gebäudeteile, Gleisanlagen oder auch Wege können als Zeugnisse ehemaliger Nutzungen erhalten und in Szene gesetzt werden. Anhand baulicher Überreste lassen sich anschaulich Rückschlüsse auf die Geschichte eines Ortes ziehen, die ansonsten durch Überformung und Neunutzung nicht mehr ablesbar wäre. Als Teil der Kulturgeschichte gilt es, diese geschichtsträchtigen Spuren zu erhalten, um sie in dem Bewusstsein der Bevölkerung zu bewahren. Aus einer Kombination mit naturschutzfachlichen Maßnahmen können attraktive Gestaltungsthemen und an Erlebnismöglichkeiten reiche Flächen entstehen, die eine gesteigerte und neuartige Naturwahrnehmung im urbanen Bereich ermöglichen. Neben baulichen und technischen Relikten können auch alte Vegetationsstrukturen als Reverenz an die Ortsgeschichte erhalten und inszeniert werden.

Naturschutz Aus naturschutzfachlicher Sicht bieten insbesondere Reste von Baustoffen und Überreste von Bauwerken wichtige Unterschlupfmöglichkeiten und Habitate für spezialisierte Arten. Hier sind beispielsweise Mauern, Materiallager, die Schotterflächen von Gleisanlagen und verbliebene magere Baugründe zu nennen (siehe „Pionierstandorte schaffen“, S. 46; „Ruderal- und Sukzessionsflächen“, S. 48; „Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten“, S. 112). Oftmals sind diese Relikte schon lange nicht mehr intensiv betreten oder bearbeitet worden, sodass sich die Natur große Teile der Flächen zurückerobert hat. Dadurch sind oftmals interesseweckende und aus Sicht des Naturschutzes wertvolle Bereiche entstanden, die mit einer bewussten Inszenierung erhalten, geschützt und ausgeweitet werden können.

Bemerkungen Ein Bauwerk zu sichern oder dauerhaft zu erhalten, kann aus ökonomischen Erwägungen schwierig werden. Dieses Problem wird häufig noch durch den hohen baulichen Nutzungsdruck verstärkt, der im urbanen Raum herrscht. In solchen Fällen können sich Natur-, Kultur- und Denkmalschutz, indem sie alle dasselbe Ziel verfolgen, in ihren Positionen gegenseitig stärken.

Recyclingmaterial bildet die Basis für wertvolle Naturentwicklung. In Apolda wurden Abrisshäuser geschreddert, und das Material verbleibt in Form gestalteter Trocken-, Geröll- und Felsbiotope auf der Fläche. (Scherbelhaufen, Apolda)


Pufferzonen und Sicherheitsbereiche anlegen


Nutzungsintensit채ten zonieren

Zugangsbeschr채nkungen und Eing채nge optimieren

Besucher gezielt lenken


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Entwurfsfelder und Entwurfswege

Über Stege und Ausgucke werden Besucher an wertvolle Bereiche gelenkt, ohne diese zu betreten oder zu stören. (Buchholzer Bogen, Hannover) Durch den Höhenunterschied eines Steges entsteht eine Betretungshürde, die wertvolle Flächen schützt. Über Formen und Materialität wird der Charakter des Ortes, in diesem Fall ehemalige Bahnanlagen, aufgegriffen. (Schöneberger Südgelände, Berlin)


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Besucher gezielt lenken

Park am Gleisdreieck | 144 Park am Nordbahnhof | 148 Schöneberger Südgelände | 152 Alter Flugplatz | 168 Buchholzer Bogen | 178 Westhovener Aue | 186 Grüner Bogen Paunsdorf | 190

Entwurfsperspektiven Naturschutzfachlich wertvolle Flächen mit seltenen, schützenswerten Arten bieten oft ein im urbanen Raum ungewohntes Bild, sodass ihre Einbindung bestehende Freiräume bereichern kann. Je nach Nutzungsdruck und Schutzziel kann es nötig werden, direkte oder indirekte Störungen beispielsweise durch freilaufende Hunde zu begrenzen oder zu unterbinden. Neben der Ausweisung über eine offizielle Kategorie nach dem Bundesnaturschutzgesetz, zum Beispiel als Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet oder geschützter Landschaftsbestandteil, gibt es auch andere Möglichkeiten, Flächen zu schützen. Das kann beispielsweise durch unterschwellige Besucherund Aufmerksamkeitslenkung, wie den Einsatz von Stegen oder auch durch Einzäunung und Errichtung von Lärm- und Sichtbarrieren erreicht werden. Dabei sollten diese „harten“ Maßnahmen lediglich als letzte Möglichkeit eingesetzt und bauliche Elemente möglichst stimmig in ein Gestaltungskonzept integriert werden, damit sie bei den Besuchern als logische gestalterische Setzungen und nicht als Hindernis erscheinen. Die gestalterische Integration von gezielt gesetzten Sichtbarrieren und Aufmerksamkeitspunkten, absichtlich „unwirtlich“ gestaltete Wegränder, wegbegleitend angeordnete Gräben und Feuchtbereiche, Großviehbeweidung als Betretungsabschreckung und der explizite Verweis auf Gefahren (beispielsweise Zecken, Munitionsreste, Altlasten) gehören zu

den Möglichkeiten, um wirksame Rückzugszonen zu erhalten. Diese können auch zeitlich variabel gestaltet werden, wenn es beispielsweise um den Brutvogelschutz geht. Insbesondere „weiche“ Maßnahmen können bei gezielter Aufklärung und gegebenenfalls zugestandener Naturbeobachtungsmöglichkeit Interesse, Verbundenheit und Wertschätzung durch die Besucher steigern.

Naturschutz Sämtliche Schutzmaßnahmen dienen dem Erhalt besonders geschützter oder sensibler Biotope und gefährdeter Arten. Inwieweit es dabei Beeinträchtigungen durch den Menschen gibt, ob diese im Hinblick auf die Schutzziele eventuell hinnehmbar sind oder ob Betretungshürden notwendig werden, muss im Einzelfall abgewogen werden.

Bemerkungen Betretungshindernisse können auf Unverständnis bei den Besuchern stoßen, gleichzeitig aber auch für den Schutz der Fläche nicht effektiv sein. Darum müssen Akzeptanz und Wirksamkeit regelmäßig überprüft werden. Die Kontrolle der Flächen können neben den Behörden ehrenamtliche Gruppierungen oder andere (Naturschutz-)Organisationen übernehmen.

Mithilfe einfacher Maßnahmen, wie einer markanten und zugleich schlichten Reling als Handlauf, werden Naturschutzflächen inszeniert und in Wert gesetzt. Die Art der Konstruktion signalisiert, dass kein absolutes Betretungshindernis geschaffen werden soll. (Park am Nordbahnhof, Berlin)


Beispiele guter Praxis

Die Auswahl der Beispielprojekte erfolgte auf der Grundlage einer umfangreichen­ Recherche in der Literatur, insbesondere in einschlägigen Fachzeitschriften, im Internet sowie in Telefonaten mit den jeweiligen Fachleuten vor Ort. Gezielt wurden­Projekte mit unterschiedlichem Charakter ausgewählt, um eine möglichst große Bandbreite von naturschutzfachlichen, aber auch gestalterischen­ Aspekten einzubeziehen. Darüber hinaus wurde Wert darauf gelegt, dass verschiedenste Nutzungen in den urbanen Freiräumen vorzufinden sind. Um das dahinterstehende­Entwurfskonzept sowie die naturschutzfachlichen Maßnahmen im Hinblick auf erreichte Ziele und Dauerhaftigkeit einordnen zu können, kamen nur bereits umgesetzte Projekte infrage.


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Die Beispielprojekte zeichnen sich aus durch: • ihre naturschutzfachliche Bedeutung: Die Projekte sind in ihrer Gesamtheit oder in Teilräumen von hohem Wert für den Naturschutz. Urbane Freiräume, die ausschließlich für verschiedene Nutzungen durch den Menschen vorgesehen sind, scheiden für die Untersuchung aus. • eine Finanzierung aus Mitteln der Eingriffsregelung: Bei allen Projekten sind Teile der urbanen Freiräume aus Mitteln der naturschutzfachlichen Eingriffsregelung realisiert worden. Dabei sind entweder Kompensationsflächen (Ausgleichs- und/oder Ersatzflächen) in den Freiraum integriert oder Ersatzgelder in die Planung und Umsetzung des Freiraumes geflossen. Auf diese Weise wird gesichert, dass verbindliche und überprüfbare Zielvorgaben für Naturschutz, Nutzung und Freiraumgestaltung festgelegt wurden. • die Freiraumnutzung: Die Räume weisen zusätzlich zur naturschutzfachlichen Bedeutung eine oder mehrere Formen der Freiraumnutzung auf und zeichnen sich auch durch eine vielfältige Gestaltung der einzelnen Elemente und Flächen aus. Auszeichnungen oder Anerkennungen für die Projekte wurden entsprechend berücksichtigt.

In einer ersten Vorauswahl wurden 27 Projekte in der gesamten Bundesrepublik bereist, von denen abschließend 19 in die Untersuchung aufgenommen wurden. Die Besichtigungen vor Ort wurden jeweils von Mitarbeitern aus Verwaltung, Landschaftsarchitekturbüros oder Bürgerinitiativen begleitet, um fehlende Informationen einzuholen und offene Fragen klären zu können. Überdies haben die Ansprechpartner im Nachhinein die Aufarbeitung und Dokumentation inhaltlich unterstützt. Neben der Entstehungsgeschichte, den Anforderungen der Eingriffsregelung und den zugrunde liegenden Akteurskonstellationen wurden unter anderem der umgebende Landschaftsraum, Aspekte der Freiraumnutzung, Gestaltungsprinzipien und -mittel, Pflege- und Managementstrategien sowie die Raumwirkung der jeweiligen Maßnahmen untersucht.


160

Beispiele guter Praxis

Park links der Weser Bremen-Huchting Ein naturnaher Landschaftspark mit vielen Aspekten traditioneller Kulturlandschaft vereint Erholung und Naturschutz miteinander – getragen durch bürgerschaftliches Engagement.

Lage 9 km südwestlich des Stadtzentrums Flächengröße ca. 400 ha Entstehungszeitraum seit 1976 Bauherr/Träger Stadt Bremen

Naturschutzrelevanz

Planer/Büro Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Bremen

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung

Kompensationscharakter Ausgleich und Ersatz

Lage im urbanen Raum

Erschließung

Gehölzstruktur

Mitte der 1970er Jahre liefen Planungen, die Autobahn 3 durch die landschaftlich reizvollen und aus naturschutzfachlicher Sicht sensiblen Niederungen zwischen den Bremer Ortsteilen Huchting und Grolland hindurchzuführen. Daraufhin setzte sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt der Niederungen ein und konnte den Bau der Autobahn verhindern (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Aus dieser Initiative gründete sich der Parkverein, der sich bis heute für die Entwicklung und Pflege der damals umstrittenen Freiräume engagiert. Der Großteil des dadurch entstandenen heute rund 400 Hektar großen Parks links der Weser sind landwirtschaftliche Flächen, die durch Pächter extensiv bewirtschaftet werden. Zusätzliche Pflegemaßnahmen werden unter anderem durch die Mitglieder des Parkvereins durchgeführt. Diese gestalten und entwickeln den Park für Erholung und Naturschutz kontinuierlich weiter, bis heute werden diverse Einzelprojekte umgesetzt (Amt für Straßen und Verkehr Bremen 2008). Das Gesamtareal wird heute durch eine Straßenbahntrasse sowie die Bundesstraße 75 in einen Nord- und einen Südteil geteilt. Mittlerweile wurde zudem im Rahmen der Erweiterung des Bremer Flughafens die Ochtum, die das Rollfeld im Süden und Südwesten begrenzte, nach Westen in die Niederung zwischen Huchting und Grolland verlegt (Riesner-Kabus 1997: 143). Im Zuge der Verlängerung von Startund Landebahn wurde die Ochtum dort auf einer Länge von ca. 850 Metern verfüllt und zusätzliche Flächen versiegelt (ebd.: 146). Der neu entstandene Flusslauf führt nun westlich am erweiterten Flughafengelände vorbei (Bernhardt et al. 2003: 120f).

Naturschutzfachliche Aspekte Der Park links der Weser verbindet innerstädtisch die etwa 375 Hektar großen Naturschutzgebiete Ochtumniederung bei Brockhuchting (Bremen) und die Kladdinger Wiesen (Niedersachsen) und erhält damit große Bedeutung für den Biotopverbund (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Der gesamte Park ist durch Grünland und nasse Bereiche mit stehenden Gewässern geprägt. Mit dem neuen Abschnitt der Ochtum wurde eine 5 Kilometer lange und bis zu 300 Meter breite mäandrierende Flusslandschaft mit naturnahen Strukturen und Gehölzsukzession geschaffen (Amt für Straßen und Verkehr Bremen 2008). Zudem verfügt der Park über weite Grünlandflächen. Der Bereich ist als FFH-Gebiet Bremische Ochtum und als Vogelschutzgebiet Ochtum bei Grolland gemeldet (SUBV 2011). Bisher wurden verschiedene Maßnah-


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„Binnensalzstelle Rethriehen“ (FFH)

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Beispiele guter Praxis

men als Kompensation für diverse Bauvorhaben (unter anderem Bau der Autobahn A 281; Flughafenerweiterung) im Parkgebiet umgesetzt: Rund 34 Hektar Grünlandbewirtschaftung wurden speziell auf die Brutvogelarten, die dem Leitbild entsprechen, ausgerichtet: Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel und Bekassine (Ehlers 2011: 14). Des Weiteren wurden knapp zwei Kilometer periodisch wasserführende Senken (Blänken) im Grünland angelegt, ein ökologisches Grabenräumprogramm auf über 7 Kilometern Länge durchgeführt und durch Verminderung des Wasserabflusses der Gräben großflächig vernässt (ebd.; Amt für Straßen und Verkehr Bremen 2008). Die Bewirtschaftung des Grünlandes im Park erfolgt nach naturschutzfachlichen Vorgaben (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Der neu geschaffene Park wurde in die drei Abschnitte untergeteilt, denen entsprechend dem jeweiligen räumlichen Nutzungsschwerpunkt Gestaltungsgrundsätze zugewiesen wurden (Riesner-Kabus 1997: 147). Auf einem Drittel der Flächen erhielt der Naturschutz Vorrang, auf etwa zwei Dritteln die Erholung und Flugsicherheit. In den prioritären Naturschutzbereichen erhielt die Ochtum einen stark verzweigten Verlauf mit Inseln und einem breitem Außendeichland. Zudem wurden diverse Feuchtbiotope und Teiche angelegt und dieser Bereich für die Erholungsnutzung weitestgehend gesperrt (ebd.: 148). Insgesamt wurden die Beziehungen zwischen Fluss und Niederungsbereichen durch die Entwicklung der Landschaft mit auentypischen Biotopen und deren Tierbeständen deutlich verbessert (ebd.: 153). Darüber hinaus setzt der Parkverein­ in Absprache mit der Stadt zusammen mit Bürgern und Umweltverbänden weitere Aufwertungsmaßnahmen im Bereich der Naherholung und der natürlichen Entwicklung des Parks um: Standortgerechte Aufforstung von Ackerflächen, Anlage von Streuobstwiesen, Einzelbaumpflanzungen sowie das Anbringen von Nist- und Unterschlupfmöglichkeiten sind einige Aktivitäten des Vereins (Ehlers 2011: 14ff). Seit der Gründung des Vereins gibt es fast jährlich Pflanzaktionen und eine stetige Weiterentwicklung des Parks (ebd.). Die ökologische Entwicklung des Gebietes wird zudem langfristig wissenschaftlich begleitet (Amt für Straßen und Verkehr Bremen 2008).

Gestalterische Aspekte Der Park links der Weser greift grundlegende Gestaltelemente des englischen Landschaftsgartens wie die Inszenierung von Blickbeziehungen, geschwungene Wegführungen und einzelne künstliche Setzungen als Blickfang auf (Hentschel & Knode 2012, mdl.). Lineare und solitäre Kulturlandschaftselemente wie Hecken, Gräben, Zäune, Alleen, Baumgruppen, aber auch bewirtschaftete Wiesen, Weiden und Waldbereiche setzen sich zu einer strukturreichen Parklandschaft zusammen. Eine sehr seltene Binnensalzstelle (FFH-Gebiet Rethriehen am Heulandsweg) und anthropogen geprägte Gewässer wie Wiesengräben, das Huchtinger Fleet, der neu angelegte Verlauf der Ochtum und diverse Vernässungsbereiche fügen sich landschaftstypisch in das Gesamtkonzept ein und sind von Wegen und Aussichtshügeln aus erlebbar. Das Gelände wird über Wege, Pontons und Holzstege maßvoll erschlossen (SUBV 2012). Neben landwirtschaftlich genutzten Weiden und Grünlandflächen durchziehen Rad- und Wanderwege mit Rast- und Picknickplätzen das Gebiet und laden zum Verweilen ein.

Zusammenfassende Darstellung Die Entstehung und konstante Fortentwicklung des Parks links der Weser auf der Basis einer Kooperation zwischen Parkverein und Stadt hat Beispielcharakter. Eine solche Aufgabenverteilung kann (eventuell. in abgewandelter Form) als übertragbares Modell für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren stehen. Während der Parkverein seinen Schwerpunkt auf gestalterische Elemente für die Naherholung legt, steht im Zentrum der Arbeit der Naturschutzbehörde die ökologische Aufwertung des Gebiets. Vor dem Hintergrund knapper finanzieller Ressourcen werden Kompensationsmaßnahmen dementsprechend gezielt in das Gebiet gelenkt.


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Die Gr체nlandfl채chen werden teilweise beweidet und so offen gehalten. Durch geringe Besatzdichten hat die Beweidung extensiven Charakter.

Wichtige Stadtteilverbindungen queren den Park.

Blick in die abwechslungs- und strukturreiche Landschaft von einem der angelegten Aussichtsh체gel.


168

Beispiele guter Praxis

Alter Flugplatz Frankfurt-Bonames In einem Stadtrandpark wird die Wiedereroberung eines ehemaligen Flugplatzes durch die Natur gestalterisch thematisiert und inszeniert.

Lage 10 km nördlich des Stadtzentrums Flächengröße 4,5 ha Entstehungszeitraum 2001 – 2011 Bauherr/Träger Umweltamt der Stadt Frankfurt am Main

Naturschutzrelevanz

Planer/Büro Gnüchtel Triebswetter Landschaftsarchitekten, Kassel

Hintergrund und Maßnahmenbeschreibung

Kompensationscharakter Naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe des Landes, Sammelausgleich

Lage im urbanen Raum

Erschließung

Gehölzstruktur

Das Areal des ehemaligen amerikanischen Maurice-Rose-Militärflugfeldes für Hubschrauber ist heute Teil des Frankfurter GrünGürtel-Projektes und vereint Erholungsraum, sozialen Begegnungsraum sowie ökologischen Raum an einem Ort (Stadt Frankfurt am Main 2011: 35). Nach dem Abzug der US-Armee 1992 begann eine etwa zehn Jahre andauernde Phase der Zwischennutzung (Wentzell 2012, mdl.), in der das Areal in der Nidda-Aue überwiegend brach lag. Im Jahr 2001 erwarb die Stadt Frankfurt am Main das Grundstück aus Mitteln des Naturschutzes; der überwiegende Teil der Maßnahmen wurde aus Kompensationsmitteln der naturschutzfachlichen Eingriffsregelung finanziert. Den Rest finanzierte die Stadt Frankfurt mit Mitteln aus dem GrünGürtel-Etat (Stadt Frankfurt am Main 2011: 39). Die Projektgruppe GrünGürtel und das Büro GTL (Gnüchtel Triebswetter Landschaftsarchitekten) aus Kassel planten die Maßnahmen (ebd.: 35). Bereits im Jahr 2003 wurden die ersten Bereiche entsiegelt und Teile der Flächen der natürlichen Entwicklung überlassen (ebd.: 35; Wentzell 2012, mdl.). Heute teilt sich das Gelände in den „wilden Westen“, der überwiegend der Sukzession überlassen wird, sowie den „zivilisierten Osten“, der primär ein Ort für Erholungs- und Freizeitnutzung ist (Wentzell 2012, mdl.). In den alten Militärgebäuden finden die Besucher zudem verschiedene pädagogische und soziale Einrichtungen. Die Werkstatt Frankfurt, die hier das Towercafé betreibt, gibt zudem arbeitsuchenden Menschen die Möglichkeit, sich für Gastronomieberufe zu qualifizieren. Darüber hinaus arbeiten „Landschaftslotsen“ im Park, die den Besuchern das Areal zeigen und ihnen dabei die naturschutzfachlichen Werte der Flächen nahebringen.

Naturschutzfachliche Aspekte Die Randbereiche des ungenutzten Flughafengeländes waren vor der Umgestaltung stellenweise von Wildflora und -fauna besiedelt (Leppert 2006: 18). Nach der Umgestaltung haben sich Ruderalgesellschaften und Vorboten eines Auwaldes wie Birken, Pappeln und Weiden angesiedelt (Stadt Frankfurt am Main 2011). Am westlichen Ende der Landebahn ist ein Pionierwäldchen entstanden, das teilweise über schmale Pfade erschlossen ist. In diesem Wäldchen liegt auch ein kleiner Teich, der von einer Vielzahl verschiedener Tiere als Nahrungs- oder Laichhabitat genutzt wird (Wentzell 2012, mdl.). Die großflächigen und wertvollen Sukzessionsbereiche, die auf den entsiegelten Flächen zwischen dem aufgebrachten Abbruchmaterial entstanden sind, haben seither keine Pflegeeingriffe mehr erfahren (Hoppe 2012).


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Beispiele guter Praxis

Seit Beginn der Entsiegelungsarbeiten wird das Gebiet vom Forschungsinstitut Senckenberg im Rahmen eines wissenschaftlichen Langzeitmonitorings untersucht und begleitet, um Artenentwicklung und -zusammensetzung zu beobachten (Wentzell 2012, mdl.; BMBVBS, BBSR & BBR 2009: 96). Die gesamte Umgestaltung steht unter dem Leitgedanken der Dynamik: Pflanzengesellschaften sollen sich zwischen den aufgebrochenen Schollen und Betonstücken eigenständig entwickeln und die Flächen zurückerobern (Hoppe 2012). Durch nachträgliches Anstauen eines Baches entwickeln sich abhängig vom Pegelstand temporäre Wasserflächen, die wichtige Laichplätze für Amphibien bieten und durch die ein Nebeneinander von feuchten und trockenen Lebensräumen entsteht. Dort sind geschützte Arten wie der Laubfrosch und die Wechselkröte zu finden (Wentzell 2012, mdl.; Leppert 2006: 20). An die Nidda grenzen weite sogenannte Schmetterlingswiesen, die zugleich Nistplatz für Wiesenvögel sind; für den Brutzeitraum besteht ein entsprechendes Betretungsverbot (Wentzell 2012, mdl.). Die Wiesen werden zwei Mal im Jahr durch einen landwirtschaftlichen Pächter gemäht (ebd.). Die Pflege der intensiver genutzten Liegewiesen mit Baumhainen wird über Spendengelder und den GrünGürtel-Etat finanziert und von der Werkstatt Frankfurt durchgeführt. Der Pflege- und Unterhaltungsaufwand ist auf die Gesamtfläche bezogen vergleichsweise gering (BMVBS, BBSR & BBR 2009: 98).

Gestalterische Aspekte Nach zehn Jahren der Zwischennutzung und dem Kauf des Geländes durch die Stadt wurden zunächst Absperrzäune, die um das Areal verliefen, entfernt. Auf diese Weise wurde das an die Stadtteile Bonames und Kalbach grenzende Gelände mit seinen lang gezogenen Entwicklungsflächen entlang der ehemaligen Startund Landebahn für die Bevölkerung geöffnet. Wichtige Schritte waren die Anbindung an den Nidda-Uferweg sowie die Einbindung in das Wegenetz des Frankfurter GrünGürtels im Osten. Dies geschah im Jahr 2005 durch eine Radfahrerbrücke (Auesteg) (Leppert 2006: 19ff; Stadt Frankfurt am Main 2011), die zugleich eine wichtige Verbindung zum übergeordneten Regionalparkweg RheinMain ist. Das Areal ist durch die Teilung in einen Bereich für die Naturentwicklung und einen Bereich für die intensivere Nutzung kontrastreich gestaltet. Westlich befindet sich der Teil, der für die natürliche Entwicklung und für eine dynamische Stadtwildnis steht (Wentzell 2012, mdl.). Dort wurden die unbelasteten Asphalt- und Betonschichten ehemaliger Hubschrauberlandeplätze aufgebrochen und sortiert in verschiedene Korngrößen abgelegt. Teerbelastete Beläge wurden fachgerecht in einer Deponie entsorgt (Hoppe 2012). Die größten Betonschollen wurden in Anlehnung an „Das Eismeer“ von Caspar David Friedrich inszeniert angeordnet (Leppert 2006: 17). Auch in dem angrenzenden Pionierwäldchen wurden an den verwunschenen Pfaden punktuell Beton- und Asphaltteile großformatig gestapelt und als Aussichtspunkte und Geschichtsrelikte genutzt. Im Mittelpunkt des „zivilisierten Ostens“, der kulturell intensiv bespielt wird, steht die ehemalige Start- und Landebahn, die beispielsweise zum Fahrradfahren, Inlineskaten oder Modellautofahren genutzt wird (BMVBS, BBSR & BBR 2009: 96). Rund 750 Meter der Bahn wurden bewusst erhalten, um die Geschichte des Ortes zu bewahren (Hoppe 2012). Auch frühere Militärgebäude wurden erhalten und umgenutzt, ein Beispiel ist das Towercafé. Im Rahmen der Umweltbildung besuchen Gruppen aus Kindertagesstätten und Schulen die Geröll- und Sukzessionsfelder und erhalten von Landschaftslotsen zusätzliche Informationen zu Flora und Fauna (Leppert 2006: 21; Stadt Frankfurt am Main 2011). Einen Kontrast zu den extensiven Wiesen an der Nidda bilden der schattenspendende Baumhain sowie eine Liegewiese (Stadt Frankfurt am Main 2011, BMVBS, BBSR & BBR 2009: 97). Mit dem Aufbruchmaterial der einstigen Hubschrauberplätze gefüllte Gabionen sind als Sitz- und Gliederungselemente auf der ehemaligen Start- und Landebahn positioniert (Leppert 2006: 18).


171 Blick vom Ausguck aus wiederverwendeten, geschichteten Betonplatten auf die aufgebrochenen Asphaltflächen in den Sukzessionsbereichen.

Vielfältige Verwendung vorhandenen Materials zeichnet das Projekt aus.

Die ehemalige Landebahn ist nun eine vielfältig nutzbare Fläche für diverse Sport- und Freizeitaktivitäten.


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Der Steg über die feuchten Niddawiesen ist ein wichtiges Verbindungselement zum regionalen Grüngürtel. Die Vernässungsbereiche beziehen Schotterflächen und versiegelte Bereiche mit ein, sodass ein vielfältiges Standortmosaik entsteht.


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ÜBER DIE AUTOREN

Martin Prominski (*1967); Landschaftsgärtnerlehre und Gesellenpraxis; 1996 Diplom in Landschaftsplanung, TU Berlin; DAAD-Stipendiat an der Harvard University, Graduate School of Design, 1998 Abschluss „Master in Landscape Architecture“; 1998–2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin, 2003 Promotion; 2003–2008 Juniorprofessor für „Theorie aktueller Landschaftsarchitektur“ an der Leibniz Universität Hannover und dort seit 2009 Professor für „Entwerfen urbaner Landschaften“. Er war 2006 Mitgründer und bis 2010 Herausgeber des Journal of Landscape Architecture (JoLA). Mitglied der Architektenkammer Niedersachsen (Landschaftsarchitekt), der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung sowie im STUDIO URBANE LANDSCHAFTEN, einer interdisziplinären Plattform für Forschung, Praxis und Lehre. Ko-Autor der Publikation Fluss.Raum.Entwerfen: Planungsstrategien für urbane Fließgewässer, erschienen 2012 bei Birkhäuser.

Malte Maaß (*1981); 2009 Diplom der Landschafts- und Freiraumplanung an der Leibniz Universität Hannover. Von 2007 bis 2010 Mitarbeit in einem Büro für Architektur, Landschaftsarchitektur und Städtebau. Seit 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Entwerfen urbaner Landschaften am Institut für Freiraumentwicklung der Leibniz Universität Hannover. Er ist Mitglied der interdisziplinären Plattform für Lehre, Forschung und Praxis STUDIO URBANE LANDSCHAFTEN.

Linda Funke (*1987); 2009 Bachelor of Science in Landschaftsarchitektur und Umweltplanung; 2011 Master of Science in Umweltplanung, beides an der Leibniz Universität Hannover. Von 2012 bis 2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Entwerfen urbaner Landschaften am Institut für Freiraumentwicklung und seit 2012 in der Abteilung Raumordnung und Regionalentwicklung am Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover tätig. Sie ist Mitglied im Jungen Forum der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) und als Geschäftsführerin des Arbeitskreises „Mind the Gap! – Kooperationen und Selbstverständnisse in der räumlichen Planung“ tätig.

Christina von Haaren (*1954); Studium und Promotion an der Technischen Universität Hannover (Dipl. Ing. Landespflege), anschließend 6 Jahre Praxis im Planungsbüro; Vertretungsprofessorin an der Universität Kassel. Seit 1998 Lehrstuhl für Landschaftsplanung und Naturschutz am Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover. Die Arbeitsschwerpunkte umfassen Methoden, Planungs- und Umsetzungsinstrumente des Naturschutzes, den Einsatz neuer Technologien in der umweltbezogenen Entscheidungsunterstützung und Partizipation sowie Bioenergie im Kontext der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums. Sie war von 2000 bis 2008 Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung, seit 2002 als dessen stellvertretende Vorsitzende. Seit 2007 ist sie ordentliches Mitglied der Akademie für Raumordnung und Landesplanung, seit 2009 Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des von Thünen-Instituts (vTI), seit 2011 des Beirates der Bundesanstalt für Gewässerkunde und seit 2012 der Senatskommission Agrarökologie der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Roswitha Kirsch-Stracke (*1956 im Sauerland); Studium der Landespflege in Essen und Hannover, Diplom 1981; selbstständig tätig 1982-1994 in Hessen, Niedersachsen und NRW, vielfach in interdisziplinären Teams, Schwerpunkte: Ökologische Gutachten, Vegetationskartierung, Naturerleben im besiedelten Bereich, dörfliche Freiraumkultur. Seit 1992 wissenschaftliche Angestellte am Institut für Landschaftspflege und Naturschutz, heute Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover. Schwerpunkte in Lehre und Forschung: Landschaft als Lern- und Erlebnisraum, Umgang mit historischen Kulturlandschaften, Dorfentwicklung. Gründungsmitglied des Forums für GenderKompetenz in Architektur Landschaft Planung an der LUH; Mitbegründerin des Netzwerks „Frauen in der Geschichte der Gartenkultur“ im deutschsprachigem Raum; aktiv in der landschaftsbezogenen Kulturarbeit in Südwestfalen.


Martin Prominski Malte Maaß

Die Publikation analysiert 19 urbane Freiräume wie den Park am Gleisdreieck in Berlin, den Park am Nordbahnhof in Berlin oder den Alten Flugplatz Bonames in Frankfurt, die wegweisend für eine gelungene Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung sind. Daraus gewinnt sie einen systematischen Katalog von gestalterischen Möglichkeiten in Form von 30 „Entwurfswegen“, die vielfältige Anregungen für Landschaftsarchitekten, Naturschützer und Stadtplaner geben. „Das hier vorgelegte Buch gibt der Debatte um die Gestaltung von Naturschutzmaßnahmen mit ihren so verschiedenen Facetten neue Impulse. Vor allem erhalten Praktiker anregende und strukturierende Hinweise, wie die anspruchsvolle Aufgabe, Naturschutz und Gestaltung zu verbinden, im urbanen Raum gelöst werden kann. Bisher fehlten „Regeln“, die eine systematische Umsetzung der Integration von Gestaltung in Naturschutzprojekte befördert hätten. Nun liegen uns diese Impulse gespickt mit vielen guten Praxisbeispielen vor, sodass selbst eingeschworene Naturschützer dazu angeregt werden dürften, nachzumachen, weiterzuentwickeln und neu zu erfinden.“ Aus dem Vorwort von Christina von Haaren und Roswitha Kirsch-Stracke

Martin Prominski | Malte Maaß | Linda Funke

Der Umgang mit Naturschutz und die Integration ökologischer Aspekte in der Gestaltung urbaner Freiräume sind aktuelle und wichtige Themen. In der bisherigen Praxis allerdings werden in der Freiraumgestaltung Naturschutzaspekte häufig nicht aufgegriffen und im urbanen Naturschutz menschliche Nutzungen meist ausgeschlossen. Dieses Buch zeigt die Zusammenführung dieser beiden Aspekte. Durch diese Verknüpfung werden einerseits Akzeptanzprobleme des urbanen Naturschutzes reduziert und andererseits die Gestaltungsspielräume für urbane Freiräume erweitert.

Urbane Natur gestalten

Linda Funke

Urbane Natur gestalten Entwurfsperspektiven zur Verbindung von Naturschutz und Freiraumnutzung


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