Architektur in Zeiten der Krise

Page 1



Susanne Stacher

Architektur in Zeiten der Krise Aktuelle und historische Strategien für die Gestaltung „neuer Welten”

Birkhäuser Basel


Impressum Susanne Stacher

Library of Congress Control Number: 2023936682

Doktor der Philosophie, Habilitation im Fachbereich Architektur und Städtebau, Professorin an der École nationale supérieure d’architecture

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

de Versailles

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

https://www.versailles.archi.fr/fr/annuaire-enseignants/susanne-stacher

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von der Universität für angewandte Kunst Wien und mit Unterstützung der École nationale

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten

supérieure d’architecture de Versailles und ihres Forschungslabors LéaV

Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung,

Mit Gastbeiträgen von: Paolo Amaldi, CH-Genf, und Philippe Potié,

der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und

F-Nizza

der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses

Projektleitung „Edition Angewandte“ für die Universität für

Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den

angewandte Kunst Wien: Anja Seipenbusch-Hufschmied, A-Wien

Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergü-

Content & Production Editor für den Verlag: Katharina Holas, A-Wien

tungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

Übersetzung aus dem Französischen: Caroline Gutberlet, D-Berlin Lektorat: Claudia Mazanek, A-Wien

ISSN 1866-248X

Layout, Gestaltung und Satz: Katharina Erich, A-Wien

ISBN 978-3-0356-2772-5

Covergestaltung: Floyd E. Schulze, Birkhäuser Verlag, D-Berlin

e-ISBN (PDF) 978-3-0356-2775-6

Litho Buchkern: Katharina Erich und Elmar Bertsch, A-Wien

Französische Print-ISBN 978-3-0356-2774-9

Litho Cover: Pixelstorm Litho & Digital Imaging, A-Wien

Die französische Originalausgabe erscheint zeitgleich 2023 unter dem

Druck: Holzhausen, die Buchmarke der Gerin Druck GmbH,

Titel: Architecture en temps de crise. Stratégies actuelles et historiques

A-Wolkersdorf

pour la conception de „mondes nouveaux“

Papier: Nautilus Classic 90 g/m2, holzfrei Bilderdruck matt 135 g/m2 Schriften: Kern: Avenir, MetaPlus, Nami Com; Cover: Arial und Times

© 2023 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Im Westfeld 8, 4055 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston 987654321

www.birkhauser.com


Inhalt

2 Zurück zur Ländlichkeit Streben nach Entschleunigung ...................................

62

• Ebenzer Howard: Die Gartenstadt als Vorbild der Vorwort ....................................................................

6

Theoretische Rahmung ..............................

9

modernen Agrarstadt ..................................................

66

• Adolf Loos und Margarete Schütte-Lihotzky: Haus mit

Krisen ........................................................................

10

• Welche Entwürfe, welche Ästhetiken angesichts der

einer Mauer und Selbstversorgergarten, 1920 ..............

69

• Hannes Meyer: Siedlung Freidorf, Muttenz, 1919–1924

73

• Bruno Taut: Die Stadtkrone und die Hufeisensiedlung, 1920/1933 ..................................................................

Krise? ..........................................................................

12

Psychologie der Krise ................................................

13

• Pierre-Henri Castel: Apokalypse, Angst und Schrecken –

83

3 Schaffen durch Zerstören Beschleunigung als Mittel zum Zweck ......................

98

• Marinetti und Sant’Elia: Die Manifeste des Futurismus

wie gelingt eine Wiederverzauberung der Welt? ........

13

• Sigmund Freud: Todestrieb und Sublimierung ...........

14

• Hartmut Rosa: Beschleunigung und Resonanz,

1909/1914 ..................................................................

101

• Le Corbusier: Plan Voisin de Paris, 1925 ...................... 106 • Gordon Matta-Clark: Anarchitektur und Conical

eine neue Weltbeziehung ...........................................

17

Ästhetik ....................................................................

18

Nutzungen und Rituale .............................................

19

Intersect, 1975 ............................................................ 117 • Bjarke Ingels Group (BIG): Masterplanet, ab 2020 ....... 125

4 Wiederverzauberung der Welt Aufhebung der Zeit durch einen Sprung in die Zukunft 134 • Paul Otlet und Le Corbusier: Weltmuseum und Museum

Krise, Katastrophe, Zusammenbruch, Kollaps ............

20

mit unbegrenztem Wachstum, 1928/1939 ..................... 136 • Cedric Price und Joan Littlewood: Fun Palace,

Zeit ...........................................................................

22

• Fortschritt ...................................................................

22

• Archigram, David Greene: Rokplug und Logplug, 1969

1961–1965 .................................................................. 148

• Beschleunigung ..........................................................

24

• Ryūe Nishizawa und Rei Naito: Teshima Art Museum,

• Subjektive Zeit ............................................................

26

Vier Figuren ..............................................................

28

157

2010 ............................................................................. 162

Ein Fazit mit Aussicht ................................... 168 Andere Zeiten, andere Räume – Paolo Amaldi ............... 177

Architektur in Zeiten der Krise ...............

33

Angesichts eines „Endes aller Zeiten“ – Philippe Potié .. 181

34

Anhang ................................................................ 183

1 Archaismus Sprung rückwärts in Raum und Zeit .......................... • J.-N.-L. Durand und J.-T. Thibault: Tempel für die

Abbildungsverzeichnis ..................................................

184

Gleichheit, 1793 ..........................................................

40

Bibliografie .................................................................... 187

• Bernard Rudofsky: Architektur ohne Architekten, 1964

46

Index ............................................................................. 193

• Hans Hollein: Absolute Architektur, 1962 ...................

50

Dank ............................................................................... 199

• Junya Ishigami: House & Restaurant, Yamaguchi, 2019

55

Biografie der Autorin ..................................................... 200


Vorwort Was nun folgt, ist Spekulation, oft weitausholende Spekulation, die ein jeder nach seiner besonderen Einstellung würdigen oder vernachlässigen wird. Im weiteren ein Versuch zur konsequenten Ausbeutung einer Idee, aus Neugierde, wohin dies führen wird. Sigmund Freud, Jenseits des Lustprinzips (1920)

Giorgio de Chirico, Die Eroberung des Philosophen, 1913/1914, Öl auf Leinwand Die Zeit auf der Uhr, die einen frühen Nachmittag anzeigt, passt nicht zur düsteren Stimmung des Gemäldes, dessen lange Schatten von einem wesentlich späteren Zeitpunkt künden. Diese Diskrepanz wirkt beunruhigend, denn man verliert die zeitliche Orientierung. Die glänzende Kanone im Vordergrund, vor der zwei metallisch wirkende, wie Kanonenkugeln anmutende Artischocken liegen, sowie die Abwesenheit von Menschen und die mutmaßlich vollkommene Stille verstärken dieses Krisengefühl. Nur die Technik – zudem verkörpert durch die fahrende Eisenbahn – scheint wie von selbst in Bewegung zu sein, als Sinnbild eines Fortschritts, der bedrohliche Züge angenommen hat. Der Titel „Die Eroberung des Philosophen“ verweist auf diesen Kipppunkt, wo die Technik an die Stelle des reflexiven Denkens tritt.

6

Vorwort


Verschiedene Positionen aus Wissenschaft und Philosophie

Meine Hypothese lautet, dass historische Krisen, die eine

zu den aktuellen Krisen geben uns ein Werkzeug an die Hand,

Störung der linearen Zeit und des Strebens nach Fortschritt

um die Vorstellungen von Fortschritt, Wachstum, Natur und

(der seit der Moderne als kontinuierliche Dynamik begriffen

Gesellschaft zu hinterfragen, die in Architekturprojekten

wird) hervorrufen, gleichzeitig auch immer zu ontologischen

jüngeren Datums zum Tragen kommen. Die ästhetischen Ent-

Krisen führen, in denen unsere Beziehung zur Welt infrage

scheidungen und Entwurfsstrategien dieser Projekte werden

gestellt wird. In diesen Momenten des Umbruchs werden

denen aus anderen Krisenzeiten, die sich im Laufe der

Fortschritt, Kultur und Gesellschaft in ihren Grundlagen und

Geschichte ereignet haben, gegenübergestellt. Krisen sind

ihrem Wesen hinterfragt. Wenn Krisen menschliches Handeln

Kippmomente, in denen die Zeit gleichsam stehen bleibt, sich

radikal infrage stellen, sind die Haltungen, die Architekt:innen

die Erwartungen an die Zukunft verändern und sich neue

in solchen destabilisierenden Momenten einnehmen, als

Perspektiven auftun.

psychische Mechanismen anzusehen, die aus deren inneren

Wir werden die Gegenwart hinterfragen, indem wir die Archi-

Krisen resultieren. Das zwingt sie, Stellung zu beziehen und

tekturgeschichte neu auslegen. Dabei werden wir uns vielmehr

durch die eigenen Entwürfe neue Weltbeziehungen zu schaffen.

auf die Brüche konzentrieren und eine Deutung durch das

Historische Krisen fungieren als Auslöser und wecken starke

Prisma der Krise unterbreiten, statt die heroischen Ereignisse,

Emotionen, die uns zum Nachdenken und Handeln bewegen:

die großen Erfindungen und den technischen Fortschritt zu

Wir projizieren uns in sie hinein und stützen uns auf sie, um

beleuchten und einem Narrativ zu folgen, dem eine vermeint-

Projekte zu entwerfen, die die Welt grundsätzlich hinterfragen

liche historische Linearität zugrunde liegt.

und somit ihrerseits die Welt in eine Krise stürzen. Da sie eine

Denn ist es nicht so, dass gerade in Momenten tiefgreifender

Gegenströmung hervorbringen, üben architektonische Entwürfe

Veränderungen, die stets mit einer starken Beschleunigung

eine Rückwirkung auf die Gesellschaft aus. Insofern können

einhergehen, unter dem Vorzeichen der Dringlichkeit bedeu-

sie nicht nur als „Ausdruck“ der Krisen betrachtet werden,

tende Projekte entstehen, die eine neue Weltbeziehung zu

denen sie eine dinghafte Gestalt verleihen, sondern auch als

skizzieren vermögen? Dass die Ausarbeitung solcher Projekte

„Agierende“, die auf ihre Weise an der Transformation

letztlich das einzige Mittel ist, um in unsicheren und angstbe-

von Gesellschaft mitwirken. Somit können wir Krisen durch

setzten Zeiten weiterzukommen? Aber wie kann aus der Angst

diese Architekturen verstehen, und das ist genau der Blick-

heraus ein Schaffensdrang entstehen?

winkel, aus dem heraus ich meine Erkundungen unternehmen

Wenn ich heute im Kontext der Krisen, die unsere gegenwär-

werde. Welche Art von Projekten entwickeln Architekt:innen,

tige Gesellschaft auf globaler Ebene erschüttern und bedro-

welcher Strategien und Mittel bedienen sie sich, was ist ihr

hen, die Architekturgeschichte durch das Prisma der Krise zu

Instrumentarium?

beleuchten versuche, dann in dem Bemühen, uns aus dem

Momente des Stillstands eröffnen ein fiktionales Feld; das

lähmenden Schrecken zu lösen und zum Nachdenken und

Unerwartete, Schwebende, Unbekannte entfacht ein kreatives

Handeln anzuregen.

Potenzial, das von dem Drang getragen ist, die Welt zu verändern: Architekt:innen bemühen sich, die Gesellschaft umzu-

Zusammenhänge zwischen Krise, Zeit und Ästhetik

wandeln, das Stadt-Land-Verhältnis zu überdenken, sich

Wo große historische Umbrüche eine neue ästhetische

andere Städte und Wohnformen vorzustellen, die Architektur

Dynamik – begriffen als Ausdruck einer kulturellen Renais-

und ihre Materialität zu erneuern, aber auch, eine innovative

sance – hervorbringen, werden bestimmte Muster und

Ästhetik zu schaffen, um eine Dynamik des Neubeginns in

Konstanten erkennbar, die der Bildung einer kollektiven Vor-

Gang zu setzen. Welchen Blick auf die Welt schlagen sie vor?

stellungswelt zugrunde liegen. Diese Umbrüche infolge von

Gemäß welcher Ästhetik (im Sinne einer sinnlichen Erfahrung)

Wirtschafts-, Finanz-, Staats-, Gesellschafts- oder Gesund-

und zu welchen Zwecken?

heitskrisen sowie von Kriegen oder Umweltkatastrophen

Die Vorstellung vom „Ende der Zeiten“ fordert uns auf, über

schlagen sich insbesondere in der Architektur nieder, die

unsere Beziehung zur Welt nachzudenken. Krisen bewirken

wie andere künstlerische Praktiken als Vorreiterin das Bild

einen Bruch, eine klare Zäsur zwischen dem Davor und dem

einer „neuen Welt“ über die Trümmer der „alten“ breitet.

Danach. Sie unterbrechen die Dynamiken, die bis dahin die Vorwort

7


Welt bestimmten, und haben ihre eigene Zeitlichkeit. In der

Die Mechanismen dieser räumlich-zeitlichen Eingriffe, die

kurzen Spanne des Kippmoments laufen die Geschehnisse

verschiedene Möglichkeiten des Reagierens, Projizierens und

verdichtet, wie in Zeitlupe ab. Angesichts von Krisen, so meine

Handelns erahnen lassen, werden anhand unterschiedlicher

Hypothese, müssen Architekt:innen Strategien entwickeln, um

Beispiele aufgezeigt. Dabei stütze ich mich im Wesentlichen

ihre eigene Raum-Zeit zu erschaffen, und sich dem Chaos

auf die Projekte und Schriften der jeweiligen Architekt:innen

entziehen, indem sie eine „neue Welt“ kreieren. Was genau

sowie auf Interviews, die mit ihnen geführt wurden. Maßgeblich

ist die Triebfeder für ihre Projekte? Welche Rolle nehmen

für die Auswahl der Schriften und Projekte, die längst nicht

Architekt:innen in den großen Krisenmomenten ein? Auf

erschöpfend ist, sind die jeweils bestimmenden Merkmale der

welche Art wirken sie an der Formulierung neuer Werte mit?

vier Figuren. Ausgehend von den Ästhetiken und Narrativen der präsen-

Vier Figuren von zeitverändernden Handlungsmodi

tierten Architekten, die in krisenbedingten Kippmomenten

Ich schlage vor, die Reaktionsweisen von Architekt:innen ange-

entstanden sind, richtet sich das Augenmerk auf ihre Gefühls-

sichts von Krisenzeiten entsprechend ihrer Handhabung von

welt und ihre Anliegen, auf ihr Verhältnis zu Fortschritt und

Raum und Zeit zu differenzieren. Diese Kategorien der Kon-

Technik sowie darauf, wie sie an der Formulierung neuer

traktion und Dilatation der Raum-Zeit sind mit spezifischen

Werte mitgewirkt haben. Besonderes Interesse gilt dabei

Handlungsmodi verbunden, die immer mit einem bestimmten

ihrem Handeln auf der Raum-Zeit-Ebene, dem Ausgangspunkt

psychologischen Zustand einhergehen: Nehmen die Archi-

einer Ästhetik, in der Fiktion und Ritual eine wesentliche Rolle

tekt:innen das eine Mal einen Kurswechsel vor und versetzen

spielen. Die ausgewählten Architekten sind namhafte Vertreter

sich in die Raum-Zeit einer vergangenen Epoche, so versuchen

der Baukunst, und ihre Projekte und Schriften sind allgemein

sie ein andermal die bestehenden Dynamiken zu verlangsamen

bekannt; mein Beitrag wird die Analyse und Deutung ihrer

oder zu beschleunigen, oder aber sie versuchen den disruptiven

Projekte durch das Prisma der Krise sein, verbunden mit der

Prozess der Krise anzuhalten, um sich in eine ferne Zukunft

Frage nach ihrem Instrumentarium und ihrer Handhabung von

zu projizieren.

Zeit. Die ausgewählten Beispiele stammen im Wesentlichen

Um die Handlungsweisen mit der Handhabung von Zeit zu

aus dem 20. und 21. Jahrhundert; einige sind älteren Datums,

verbinden, habe ich – als Darstellungen einer bestimmten

um zu verdeutlichen, wie bestimmte Phänomene und Hand-

Dynamik, als mentales Bild, Konzept oder Handlung in greif-

lungsmodi über einen längeren Zeitraum fortbestehen. Die

barer Form – vier „Figuren“ ausgemacht, die auf einem

Auswahl der Beispiele ist eine dezidiert internationale, um die

Eingriff in die Zeit beruhen. Diese Figuren, die in der gegen-

Unterschiedlichkeit der politischen, sozialen und kulturellen

wärtigen Welt (wieder) auftauchen, sind als psychischer und

Kontexte aufzuzeigen. Die internationale Dimension erlaubt

politischer Ausdruck des Schaffens in Krisenzeiten anzusehen.

außerdem, die Architektur in den Kontext einer immer stärker

Handlungsmodi und Positionierungen verdichten sich zu einer

vernetzten Welt zu stellen (was in Krisen- und Kriegszeiten

ästhetischen Haltung und bieten Narrative für eine Neugestal-

wesentlich sichtbarer wird). Die historische Einbindung gegen-

tung der Gesellschaftsräume. Die vier Möglichkeiten, in die

wärtiger Projekte lässt sie greifbar werden, ermöglicht einen

Zeit einzugreifen, sind:

Vergleich der Narrative, Anliegen und Instrumente sowie eine Auslotung ihres Aktionspotenzials angesichts künftiger Klima-,

Archaismus: Sprung rückwärts in Raum und Zeit

Gesundheits-, Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen.

Zurück zur Ländlichkeit: Streben nach Entschleunigung

Der erste Teil dieser Publikation liefert das theoretische Instru-

Schaffen durch Zerstören: Beschleunigung als Mittel zum

mentarium für die eigentliche Architekturanalyse im zweiten

Zweck

Teil, dessen Gliederung den vier „Figuren“ des Handelns und

Wiederverzauberung der Welt: Aufhebung der Zeit durch

der Handhabung von Zeit und Raum folgt.

einen Sprung in die Zukunft

8

Vorwort


Theoretische Rahmung Denn was ist schließlich der Mensch in der Natur? Ein Nichts im Vergleich mit dem Unendlichen, ein All im Vergleich mit dem Nichts, ein Mittelding zwischen nichts und allem, unendlich weit davon entfernt, die Extreme zu erfassen; […] Er ist gleichermaßen unfähig, das Nichts zu sehen, dem er entrissen wurde, und das Unendliche, das ihn verschlingt. […] Das ist unser wahrer Zustand. Das macht uns unfähig, etwas entweder sicher zu wissen oder es überhaupt nicht zu kennen. Wir treiben auf einer weiten Mitte, immer unsicher und schwankend, von einem Ende zum anderen gestoßen; jeglicher Grenzpunkt, an den wir uns klammern und festhalten wollten, gerät ins Wanken und entschlüpft uns, und wenn wir ihn verfolgen, entzieht er sich unserem Zugriff, er entgleitet uns und wendet sich zu ewiger Flucht; nichts steht für uns still. […] Wir brennen vor Verlangen, einen festen Halt und eine letzte, beständige Grundlage zu finden, um darauf einen Turm zu errichten, der sich bis zum Unendlichen erheben soll, aber unser ganzes Fundament kracht auseinander, und die Erde tut sich bis in die Tiefen auf.1

Blaise Pascal, Gedanken (1670)

9


Krisen

tiefgreifenden Wandel, die in utopischen oder dystopischen Szenarien Gestalt annehmen.

10

Fast täglich verkünden die Medien Krisen und sagen größere

Ein anderes Phänomen, von dem wir insbesondere während

Katastrophen voraus. Auf der einen Seite haben wir den Klima-

der Lockdowns zur Eindämmung der Pandemie betroffen

notstand und die Umweltkrise, die sich zu einer immensen

waren, ist der Eindruck, dass die Zeit stillsteht. „Wenn alles

Katastrophe auszuweiten drohen, wenn die Auswirkungen des

stillsteht, kann alles infrage gestellt, umgelenkt, ausgewählt,

Menschen auf den Planeten nicht drastisch eingeschränkt

gesichtet, endgültig unterbrochen oder, im Gegenteil, be-

werden, auf der anderen Seite eine Verschärfung der Ungleich-

schleunigt werden“, stellt der französische Soziologe und

heiten, die seit den 1980er Jahren zu einer wachsenden Ver-

Philosoph Bruno Latour fest, der diesen Stillstand der Zeit als

elendung der ärmsten sozialen Schichten führt. Es sind Protest-

Chance für eine mögliche Neuorientierung ansieht.2 Ein

bewegungen entstanden, deren Akteur:innen Straßen und

günstiger Zeitpunkt also, um sich auf das Wesentliche zu

Verkehrskreisel blockieren sowie Plätze, Einkaufszentren und

konzentrieren und sich eine andere Welt für die Zukunft aus-

im Bau befindliche Flughäfen besetzen. Umweltschützer:innen,

zumalen. Denn wie Latour mahnt: „Tatsächlich ist die Gesund-

Klimaaktivist:innen, Gelbwesten, Gewerkschaftler:innen, Protest-

heitskrise eingebettet in etwas, das keine – stets vorüber-

nomad:innen und viele andere versuchen sich symbolischer

gehende – Krise ist, sondern ein dauerhafter und unumkehr-

Orte zu bemächtigen, um ihren Unmut gegenüber der weltweit

barer ökologischer Wandel. Während wir bei Ersterer gute

herrschenden Dynamik zum Ausdruck zu bringen.

Chancen haben, glimpflich davonzukommen, stehen bei

Während ich diese Zeilen schreibe – im Rückblick am Ende

Letzterem die Chancen gleich null.“3

meiner Recherche –, sind zwei große Krisen hinzugekommen:

Angesichts des ökologischen Notstands, der keine Krise ist,

zuerst die Pandemie, besonders verheerend und grenzenlos,

„sondern ein dauerhafter und unumkehrbarer Wandel“, denken

und dann der Krieg in der Ukraine, eine wahre menschliche,

Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen sowie

ethische und geopolitische Katastrophe, die zudem die ökolo-

Politiker:innen, Philosoph:innen, Architekt:innen und Städte-

gische, wirtschaftliche und soziale Krise auf globaler Ebene

planer:innen über neue Modelle nach, in denen der Mensch

drastisch verschärft und deren volles Ausmaß wir noch nicht

einen geringeren Einfluss auf die Natur haben sollte. Der öko-

abschätzen können. Zahlreiche Publikationen haben sich bereits

logische Notstand hängt unmittelbar mit der Geopolitik und

mit der weltweiten Interdependenz in Krisenfällen beschäftigt,

dem Wirtschafts- und Finanzsystem zusammen, die wiederum

insbesondere wenn es zur Überlagerung mehrerer Krisen

andere, nämlich soziale Krisen auslösen können. Wie For-

kommt. Doch erst wenn wir plötzlich direkt betroffen sind, wer-

scher:innen warnen, könnte das Zusammenfallen unterschied-

den wir uns kollektiv bewusst, wie stark diese Interdependenz

licher Krisen eine globale Katastrophe auslösen, die die

der Ströme von Energie, Nahrungsmitteln, Technologieproduk-

Überlebensfähigkeit auf unserem Planeten gefährdet.

ten usw. in einer globalisierten Welt ist. Diese bedeutenden

Nach der Finanzkrise von 2008 prognostizierte Jacques Attali

Krisen zeigen uns, dass wir vor nichts in Sicherheit sind (für

eine recht düstere Zukunft;4 Thomas Piketty hingegen sieht in

diejenigen, die noch glaubten, es zu sein), und machen die po-

der Krise nicht nur eine Bedrohung, sondern auch eine Dynamik

litische, wirtschaftliche, soziale, ökologische und gesundheitliche

der Beschleunigung und des Fortschritts, die bedeutende

Zerbrechlichkeit unserer vollends vernetzten Welt deutlich.

Veränderungen und Verbesserungen in der Menschheits-

Das rasante globale Grassieren des Coronavirus und die

geschichte herbeiführen könnte. In seinem Buch Kapital und

Energiekrise in Europa infolge des Krieges in der Ukraine

Ideologie 5 unterstreicht der Ökonom die Notwendigkeit, eine

haben in hohem Maße unser Bewusstsein dafür geschärft,

auf mehr Gleichberechtigung aufgebaute Gesellschaft nach

dass wir uns in einer Krise befinden. Wir wurden schlagartig

sozialdemokratischem Vorbild zu schaffen, in der die

mit den negativen Auswirkungen der Globalisierung und mit

Umverteilung von Vermögen absoluten Vorrang haben muss

der Anfälligkeit unserer Lebensräume konfrontiert. Die Logik

(etwa durch progressive Vermögenssteuern), um einer Ver-

des Fortschritts und des unbegrenzten Wachstums wird mehr

schärfung der Armut entgegenzuwirken. Zur Verhinderung

denn je infrage gestellt, und es entstehen Träume von einem

einer unumkehrbaren ökologischen Katastrophe plädiert er

Theoretische Rahmung

Anmerkungen Seite 30 xx


für eine weltweite Regulierung der CO2-Emissionen (wovon

Dieses Wiederaufleben apokalyptischer Themen ist mehr als

vor allem die reichen Länder betroffen wären) mit dem Ziel,

ein Symptom“, schreibt Michaël Fœssel.11 Für den Philosophen

die Luftverschmutzung und die Zerstörung der Ozonschicht zu

ist das Ende der Welt bereits eingetreten, weil das menschliche

reduzieren.

Subjekt durch den Verlust seiner Handlungsmöglichkeiten

Bei dem jetzigen Tempo könnte die Gleichzeitigkeit von Krisen,

nicht mehr von der Welt bewohnt ist: „Der Triumph der Technik

gepaart mit der Verschärfung bzw. Beschleunigung mehrerer

über das Handeln, des Kapitals über die Arbeit, des Bedürf-

Indikatoren (etwa das Versiegen von Energieressourcen, der

nisses über das Verlangen sind alles Phänomene, die erklären,

rasante Anstieg der Weltbevölkerung, klimabedingte Migra-

warum wir es so eilig haben, eine Welt, die wir bereits verloren

tionsbewegungen, soziale und ökonomische Ungleichheiten

haben, zu Ende gehen zu sehen.“12 Er verortet diesen Verlust

oder Finanzkrisen) zum Zusammenbruch der Gesellschafts-

in der Moderne und der „Auflösung der traditionellen Hierar-

systeme führen, wie die Analysen zahlreicher internationaler

chien, was ein neues Unbehagen hervorgerufen hat, nämlich

Forscher:innen nahelegen. Angesichts der Verschärfung der

,nach dem Ende der Welt‘ leben zu müssen“.13 Insofern sei

verschiedenen Krisen auf globaler Ebene in den letzten Jahren

„die Tatsache, dass das Ende der Welt bereits eingetreten ist,

ist eine neue Wissenschaft namens Kollapsologie entstanden,

[…] eine gute Nachricht, die uns vor die Alternative stellt, das

die einen intuitiven Ansatz verfolgt; denn das Erstellen von

Leben zu verewigen oder einen Raum für das Mögliche einzu-

Prognosen auf der Grundlage komplexer Daten könne keine

richten“, denn „am dringendsten ist nicht, die kommende

rein wissenschaftliche Forschung ohne spekulative Dimension

Apokalypse zu verhindern, sondern sich die Welt wieder anzu-

sein, so Pablo Servigne und Raphaël Stevens, die Exponenten

eignen“.14 In seinem Nachwort zur Neuauflage 2019 thematisiert

dieser Strömung in Frankreich. In ihrem ersten Buch für ein

Fœssel „die katastrophale Beschleunigung des Klimawandels“15

breites Publikum mit dem Titel Comment tout peut s’effondrer,6

und stellt die Frage „Was macht das Reale zu einer wirklichen

das ein Bestseller wurde,7 stellen sie folgende von einem apo-

Welt?“16 in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Angesichts

kalyptischen Unterton begleitete rhetorische Frage: „Können

der durch den Klimawandel stark verschärften sozialen Ungleich-

das Zusammentreffen und die Verstetigung von ,Krisen‘ unsere

heit, wenn nur die Reichsten ihr Überleben durch Abschottung

Zivilisation wirklich in einen unumkehrbaren Strudel hinein-

sichern können, drängt sich die Frage auf, was eigentlich eine

ziehen?“ Sie lenken das Augenmerk auf die Verbindungen

bewohnenswerte und rettungswürdige Welt wäre. So lädt

zwischen den verschiedenen Krisen, um uns vor der Gefahr zu

Fœssels Buch in diesen unsicheren Zeiten zum Handeln, zur

warnen, die ihr Zusammenfallen für die Gesellschaft bedeuten

Neugestaltung der Welt ein.

könnte. Sie versuchen uns damit klarzumachen, dass wir auf

Während die einen aus einer politischen und gesellschaftlichen

den Zusammenbruch, auf „das Ende der Welt“9 zusteuern,

Perspektive heraus das Handeln in den Vordergrund stellen,

allerdings nicht ohne Szenarien einer Wiederverzauberung

konzentrieren sich die anderen darauf, wie die ökologische

der Welt zu entwerfen, die ein anderes Bild der Zukunft

Apokalypse vermieden werden kann. Doch unabhängig vom

zeichnen, um die Leserschaft nicht in eine nihilistische De-

Blickwinkel betrifft die Frage der Unumkehrbarkeit alle Men-

pression zu stürzen. So sprechen sie sich für den Aufbau

schen und alle Bereiche. Wissenschaftliche Erkenntnisse

einer resilienteren Gesellschaft aus, die auf der Bildung autono-

vermischen sich mit Emotionen. Mehr oder weniger gewagte

mer, vernetzter Kollektive beruht und demzufolge in ländlichen

Vorhersagen im Zusammenhang mit der Frage „Wann geht

Gegenden angesiedelt ist. Die durch Covid -19 ausgelöste

die Welt unter?“ erhitzen die Gemüter, ohne eine Antwort zu

Gesundheitskrise hat diese Bewegung aufs Land noch verstärkt,

geben, denn niemand kann die Zukunft vorhersagen. Dann

nicht nur als Zufluchtsort für Städter:innen, sondern auch als

wird versucht, sich in eine ungewisse Zukunft zu projizieren.

Ort, der für die Erzeugung lebenswichtiger Güter von entschei-

Um sich der Angst vor dem „Ende der Welt“ zu entziehen,

dender Bedeutung ist.

entwickeln die einen Theorien, Strategien und diverse Szenarien

„Unsere Epoche ist, so sagt man, eine der Katastrophen. Ange-

„anderer Gesellschaften“, die resilienter, egalitärer und nach-

sichts von Gesundheits- und Umweltkrisen oder der atomaren

haltiger sind. Die anderen nehmen eine nihilistische Haltung

Bedrohung ist der Fortschrittsglaube der Angst gewichen.

ein, sehen zu, wie die Welt zugrunde geht, und genießen die

8

10

Anmerkungen Seite 30

Krisen

11


letzten Augenblicke, die ihr noch bleiben. Die Dynamik des

Im aktuellen Kontext die Krise in den Mittelpunkt der Forschung

Kippmoments fördert die Entstehung dystopischer und utopi-

zu stellen, eröffnet die Möglichkeit, die Korrelation zwischen

scher Szenarien der Vor- oder Nach-Katastrophen-Zeit, die die

dem Niedergang eines Systems und der Entstehung eines

Umrisse einer neuen Gesellschaft skizzieren. Dieser fiktionale

neuen Paradigmas sowohl in ästhetischer als auch in sozialer

Prozess führt uns zurück zu unserem Forschungsgegenstand:

Hinsicht zu analysieren. Die Suche nach einer neuen Welt findet

Architektur, Kunst und Ästhetik im weiteren Sinne, begriffen

oft ihren ersten Ausdruck in der Architektur: Sie öffnet imaginäre

als geteilte Erfahrung des Wahrnehmbaren (siehe Abschnitt

Räume und schafft neue Weisen, die Welt zu bewohnen (und

„Ästhetik“).

damit auch des In-der-Welt-seins im Heidegger’schen Sinne). So lassen sich die Umwälzungen unserer Gesellschaften in den

Welche Entwürfe, welche Ästhetiken angesichts der Krise?

Bauwerken ablesen, die den Kern, den Status Nascendi uto-

Durch ihr Ausmaß beeinflussen die verschiedenen Krisen unserer

mitgewirkt?

Epoche und die apokalyptischen Erzählungen auch die Archi-

Die französische Philosophin Agnès Gayraud definiert „Kultur“

tektur. Welche Rolle können Kunst und Architektur in einem

in Anlehnung an Theodor W. Adorno als „die Art und Weise,

Schlüsselmoment spielen, wenn die bis dato gültigen Systeme

wie eine Gesellschaft sich selbst darstellt, und die Gesamtheit

kollabieren? Können sie eine neue Weltbeziehung aufbauen?

der sedimentierten Formen, die diese Darstellungen ihrer

Welche Aufgabe kann die Architektur haben, wenn sie zum

selbst veranschaulichen“.20 Die Kultur ist Ausdruck der politi-

Medium einer Untergangsvision oder, im Gegenteil, zu einer

schen, philosophischen und künstlerischen Ideen einer Gesell-

Schöpfungsvision für eine neue Gesellschaft wird? Dies führt

schaft. Sie stellt, so Gayrauds Formulierung, „eine Art Kruste

uns zur Frage der Ästhetik und der Form.

über der Welt“ dar, entstanden durch die Geschichte, durch

Für den Mathematiker und Wegbereiter der sogenannten

Reden, Geschwätz und Repräsentationen; eine ziemlich dünne

Katastrophentheorie (1972) René Thom bezeichnete der

Kruste, und „dann kommen die Kritiker und kratzen, versuchen

Begriff „Katastrophe“ den Ort, an dem eine Funktion plötzlich

das Sedimentierte aufzulösen, bringen zutage, dass sich unter

ihre Form ändert. Er versuchte die unvermittelten Formvari-

dem Offenkundigen Widersprüche verbergen“.21 Das post-

anten, die zum Auftreten von Diskontinuitäten führen, mit

metaphysische kritische Denken (das seit Kant den Versuch

einzukalkulieren, um ein dynamisches Modell zu entwickeln,

der Philosophie, die Existenz Gottes beweisen zu wollen,

das eine Morphologie hervorbringen kann. Er stellte eine

anprangert) bezieht sich auf das Offensichtliche, insbesondere

Verbindung zwischen Singularitäten und der Entstehung von

auf die Kultur, und versucht die Sedimentschichten freizulegen.

Formen her. Eine „Katastrophe“ war für ihn also eine Ände-

Versuchen wir also, an dieser Kruste zu kratzen und die ver-

rung der Form, die zum Auftreten einer Diskontinuität führt.19

schiedenen Kulturkrisen unserer Gesellschaft zu analysieren,

Die Verbindung zwischen Diskontinuität, Bruch und Entste-

indem wir in den Kosmos der Architektur und der urbanen

hung einer Form, welche auf einem dynamischen System

Visionen eintauchen.

gründet, ist besonders interessant, wenn man diese Annahme

Wie funktioniert ästhetisches Handeln und wie eignet es sich

auf die Architektur-produktion anwendet. Denn wie Kunst

die Welt an? Welche tieferen Motive stecken dahinter? Um

und Literatur hat Architektur Teil am fiktionalen Prozess (sei

Antworten auf diese Fragen zu finden, werde ich in dieser

er nun utopisch oder dystopisch) durch ihr Vermögen, andere

theoretischen Rahmung fünf Themenbereiche entfalten: zu-

Lebensweisen in anderen Räumen zu skizzieren.

nächst die Psychologie der Krise, um ästhetisches Handeln

Die Frage der Form gehört in den Bereich der Ästhetik.

aus psychologischer Sicht zu verstehen; dann die Ästhetik, um

Welche Ästhetik ist heranzuziehen, wenn alles kippt?

genauer zu bestimmen, was dieser Begriff umfasst; ferner die

Welche Funktion hat der ersonnene Entwurf und wie

Nutzungen und Rituale, um die physische Dimension zu

kann dieser umgesetzt werden? Wie ist sein Modus Ope-

erfassen, die ihrerseits eine bestimmte Ästhetik hervorbringt;

randi zur Überwindung der Krise?

des weiteren die Zeit als wesentlichen Faktor für die fiktionalen

17

18

12

Theoretische Rahmung

pischer Ideen verkörpern. Wie haben Architekt:innen in Kippmomenten an der Formulierung neuer kultureller Werte

Anmerkungen Seite 30


Eingriffe seitens der Architekt:innen; und schließlich den

um die Welt zu retten, wenn man um die Unausweichlichkeit

Begriff des Fortschritts, um die Zielsetzungen der Entwürfe

ihrer Zerstörung weiß?“23

besser fassen zu können.

In seiner Antwort beschäftigt sich Castel mit dem Moment, der dem Weltende vorausgeht: Wie wird der Mensch reagieren?

Psychologie der Krise

Er ordnet die Vorstellung vom Weltende in den historischen Kontext ein und stellt fest, dass es seit jeher apokalyptische Erzählungen gegeben hat; „neu aber ist, dass es nicht eine

Für ein besseres Verständnis des ästhetischen Prozesses wird

Katastrophe ist, sondern die Katastrophe. Günther Anders

die für Krisenzeiten typische Gefühlslage untersucht, nämlich

nannte das eine Apokalypse ohne Reich, ohne Heil“, erläutert

die Angst. Wie können wir mit unserem Schaffen darauf rea-

er. „Diese Vorstellung gab es vor dem Atomkrieg der 1960er

gieren und uns aus dem Stillstand befreien? Wie vermögen

Jahre nicht. Die Klima- und Umweltkatastrophe bedroht die

wir kraft des ästhetischen Prozesses unsere angstvolle Weltbe-

Existenz der Menschheit und der Welt.“ Im Gegensatz zu vielen

ziehung zu überwinden?

anderen verzichtet Castel darauf, die Alarmglocken zu läuten,

Für den dänischen Philosophen Søren Kierkegaard ist Angst

um die Menschen zu mobilisieren, damit sich die gegenwärtige

etwas zutiefst Menschliches; es ist der Schwindel des freien

Lage verbessert (so wie dies beispielsweise Bruno Latour in

Individuums angesichts seiner Möglichkeiten und wider-

seinem Buch Où atterrir? getan hat).24 Er geht von der fatalis-

sprüchlichen Entscheidungen: „Wäre der Mensch ein Tier

tischen Feststellung aus: „Die Apokalypse ist unvermeidlich,

oder ein Engel, würde er sich nicht ängstigen können. Da er

sie wird kommen, in Wirklichkeit hat sie schon begonnen. Wir

eine Synthesis ist, vermag er sich zu ängstigen. Und je tiefer

sind die Menschen vom Ende. Es geht nicht mehr darum, wie

er sich ängstigt, desto größer ist der Mensch.“ In Krisensi-

sie aufgehalten werden kann, sondern darum, wie wir mit ihr

tuationen verstärkt sich die Angst umso mehr. Forscher:innen,

leben können.“25

insbesondere Philosoph:innen und Psycholog:innen, versuchen

Castel befasst sich mit unserem Verhalten in der Endphase

dann die Möglichkeiten der Reaktion des Menschen auf die

der Menschheit und kommt zu dem Schluss, dass wir eben

Krise und deren Reichweite zu ergründen und zu bewerten.

keine Angst vor dem Ende der Welt haben müssen, da dieses

22

so sicher sei wie für den Einzelnen die Gegebenheit des Todes.

Pierre-Henri Castel: Apokalypse, Angst und Schrecken – wie gelingt eine Wiederverzauberung der Welt?

Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine Angst gibt. Angst

Ein Beispiel aus jüngerer Vergangenheit: Am 31. Dezember 2018

(das er in einer fernen Zukunft ansiedelt) wird zur Kernfrage,

war Pierre-Henri Castel, Philosoph, Psychoanalytiker und For-

da er die kollektive Bewusstwerdung konditioniert. „Wie kann

schungsdirektor am CNRS, in der Radiosendung L’Invité(e)

die lähmende Angst in einen kollektiven Rettungsimpuls um-

des Matins von France Culture zu Gast. Guillaume Erner, der

gewandelt werden?“, fragt Castel in seinem Buch Le Mal qui

Moderator der Sendung mit dem Titel „Zusammenbruch:

vient. Essai hâtif sur la fin des temps, das philosophische und

2019 oder das Ende der Zeiten?“, eröffnete das Gespräch mit

psychologische Ansätze verbindet.27 „Lange Zeit hat man es

folgender Frage: „Angesichts der Litanei von Klimakatastrophen

mit der Angst versucht“, doch „die Heuristik der Angst ist in-

und alarmierenden Prognosen, aber auch der zunehmenden

effektiv, denn Angst kann zu Übersprungshandlungen führen;

Aufmerksamkeit für Kollaps-Theorien scheint die Vorstellung

aber sie lähmt auch und die daraus folgenden Effekte der

vom nahenden Ende sich in den Köpfen festgesetzt zu haben.

Resignation sind weit verbreitet. Deshalb habe ich vorge-

Aber was geschieht, wenn man diese Annahme ernst nimmt?

schlagen, es mit dem Schrecken zu versuchen. Am Ende wird

Was wird aus dem menschlichen Handeln und der Moral,

die Angst so groß sein, dass wir aufwachen“, spekuliert

wenn es kein Morgen mehr gibt? Wie soll man mit dem

Castel in der Hoffnung, den Lauf der Dinge doch noch ändern

Ende der Welt leben? Warum sollte man weiterhin handeln,

zu können.28 Was die Reaktion der Menschen nach dieser

Anmerkungen Seite 30

und Obsession sind Castel zufolge „die Kollateralschäden der aufkommenden Figur des verantwortlichen Individuums“.26 Unser psychologischer Zustand angesichts des Weltendes

Psychologie der Krise: Pierre-Henri Castel

13


Bewusstwerdung betrifft, bleibt er allerdings skeptisch:

Zerstören“ auf diesen Aspekt zurückkommen, der uns einen

„Es ist nicht sicher, dass es in Richtung des kollektiven Interesses

Schlüssel zum Verständnis des „Zerstörungstriebs“ liefern

geht, wenn sie [die Bewusstwerdung] keine Überlebensstra-

könnte.

tegien nährt, sondern furchtbare, gewalttätige Handlungen ent-

Castels Position mag fatalistisch erscheinen – er versucht

fesselt.“ Castel nennt diesen Zustand (in Anlehnung an Freuds

nämlich nicht, den Gang der Welt zu verändern, indem er uns

Theorie des Destruktionstriebs) „die Herrschaft des Bösen“.

auffordert, gegen jedwede Handlung zu kämpfen, die die In-

Dieses Szenario geht von der Annahme aus, dass menschliches

teressen des Gemeinwohls unterläuft –, hätte er nicht gleich

Handeln in Chaossituationen nicht notwendigerweise auf das

zu Beginn seines Buches angekündigt, dass er einen spekula-

Gute ausgerichtet ist: „Wenn es drängt, steht man dann

tiven Ansatz verfolgt und sich dabei auf den Leitsatz von

aufseiten der Opfer oder aufseiten der Henker?“, fragt er und

Freud bezieht: „Was nun folgt, ist Spekulation […], ein Versuch

stellt sich die Reaktion des letzten Überlebenden vor, der

zur konsequenten Ausbeutung einer Idee, aus Neugierde,

vielleicht eine „unheimliche, besondere Freude an den Trüm-

wohin dies führen wird.“35 Damit setzt er eine Reflexion in

mern und Gemetzeln“ empfindet.30 Die Möglichkeit, dass das

Gang, in der der Zusammenbruch, den er in einer fernen

Böse entfesselt wird, sei in den postapokalyptischen Holly-

Zukunft ansiedelt, in den Bereich der Fiktion gerückt wird.

wood-Drehbüchern sehr wohl vorhanden, komme aber im

Die unterbreitete apokalyptische Erzählung ist eine Spekula-

Katastrophen-Diskurs nicht vor, warnt er. „Das schließt das

tion, anhand derer er die Umrisse einer fiktiven Welt erkunden

Gute nicht aus, aber das Gute wird Klauen und Zähne haben,

kann. Durch seinen fiktionalen Ansatz lädt Castel uns ein, nicht

es wird bis zum Schluss seinen Willen zur Aufrechterhaltung

in Nihilismus zu verfallen, sondern eine Wiederverzauberung

der Gerechtigkeit bewahren und dafür ziemlich brutale Mittel

der Welt anzustreben.

einsetzen.“

Eine solche Haltung als Reaktion auf Krisensituationen ist

29

31

Castel bezieht in seiner weiteren Argumentation den Faktor

weit verbreitet, auch in der Architektur. Dies wird anhand

Zeit mit ein, da „das Ende der Welt nicht sofort kommen

einiger Beispiele im Kapitel „Wiederverzauberung der Welt“

wird“. Wenn die Panik nachlässt, muss man das Leben über-

veranschaulicht.

denken und sich mit dem Gedanken an den Untergang anfreunden: „Wenn sich unser Schicksal in den nächsten Jahrhunderten entscheidet, was wird dann aus unserer Moral, wenn nur noch wenig Zeit bleibt, um glücklich zu sein? Ist es wirklich

14

Sigmund Freud: Todestrieb und Sublimierung

so schlimm, dem Ende der Welt nahe zu sein, und wie können

Von Sigmund Freud erfahren wir, dass das ästhetische Handeln

wir uns einen glänzenden Abgang verschaffen?“32 Als Moral

auf dem Todestrieb beruhen kann. Er entwickelte dieses Konzept

schlägt Castel daher die Freude vor: „Es steht uns nicht mehr

nach dem Ersten Weltkrieg als einem Ereignis beispielloser

viel Zeit zur Verfügung, um glücklich zu sein. So präsentiert

menschlicher Vernichtung. Im Jahr 1915, mitten im Krieg, ver-

sich das Morgen oder Übermorgen als die einzige Gelegen-

öffentlichte der Vater der Psychoanalyse einen Text, in dem er

heit, die uns bleibt, um zu verwirklichen, was uns am Herzen

die komplexen Beziehungen zwischen Krieg und Tod analysierte.

liegt.“33

Dieser Text, der sogleich auch ins Französische übersetzt

Damit thematisiert Castel sowohl die unheimliche Lust an

wurde, lässt seine tiefe Skepsis gegenüber der Idee des Fort-

der Zerstörung als auch das Sehnen nach einer Wieder-

schritts der Menschheit erkennen, da der Krieg die Illusion

verzauberung der Welt. Die Frage der Wahrnehmung und

zerstört hat, dass die kulturellen Errungenschaften unerschüt-

des psychologischen Zustands angesichts des Zusammen-

terlich seien; auf schonungslose Weise hat er die primitiven

bruchs steht im Zentrum seiner Erkundungen: „Es war ein

Triebmotive offengelegt:

Weg, die Idee des Todestriebs bei Freud aufzugreifen, was mir

„Von dem Wirbel dieser Kriegszeit gepackt, […] werden wir

erlaubt, die eigentliche Bedeutung der Zivilisation und des

selbst irre an der Bedeutung der Eindrücke, die sich uns

Anteils an Zerstörung, der in ihrem Aufbau steckt, zur Spra-

aufdrängen, und an dem Werte der Urteile, die wir bilden.

che zu bringen.“

Es will uns scheinen, als hätte noch niemals ein Ereignis so

34

Ich werde im Kapitel „Schaffen durch

Theoretische Rahmung

Anmerkungen Seite 30


viel kostbares Gemeingut der Menschheit zerstört, so viele

dieses Phänomen als „ewige Wiederkehr des Gleichen“41

der klarsten Intelligenzen verwirrt, so gründlich das Hohe

und stellte die Hypothese auf, „daß es im Seelenleben einen

erniedrigt. Selbst die Wissenschaft hat ihre leidenschaftslose

Wiederholungszwang gibt, der sich über das Lustprinzip

Unparteilichkeit verloren; ihre aufs tiefste erbitterten Diener

hinaussetzt“.42 Freud war der Ansicht, dass Lustprinzip und

suchen ihr Waffen zu entnehmen, um einen Beitrag zur

Destruktionstrieb paradoxerweise keinen Widerspruch dar-

Bekämpfung des Feindes zu leisten. Der Anthropologe

stellen, da die Selbstzerstörung eine Möglichkeit ist, innere

muß den Gegner für minderwertig und degeneriert erklären,

Spannungen abzubauen, und das Streben nach Lust manchmal

der Psychiater die Diagnose seiner Geistes- oder Seelen-

nichts anderes ist als das Ende eines Schmerzes. Seiner These

störung verkünden. Aber wahrscheinlich empfinden wir das

zufolge würde das niedrigste Spannungsniveau (das das

Böse dieser Zeit unmäßig stark und haben kein Recht, es

Lustprinzip erreichen will) letztlich dem Ruhezustand des

mit dem Bösen anderer Zeiten zu vergleichen, die wir nicht

Leblosen entsprechen. So kommt er zu dem Schluss, dass

erlebt haben.

das Lustprinzip im Dienste des Destruktionstriebs steht:

Der einzelne, der nicht selbst ein Kämpfer und somit ein

„Wiederholungszwang und direkte lustvolle Triebbefriedi-

Partikelchen der riesigen Kriegsmaschinerie geworden ist,

gung scheinen sich dabei zu intimer Gemeinsamkeit zu

fühlt sich in seiner Orientierung verwirrt und in seiner

verschränken.“43

Leistungsfähigkeit gehemmt.“36

In Das Unbehagen in der Kultur (1930) unterscheidet Freud

Daraufhin stellt sich Freud die Frage, welche Triebe uns dazu

zwischen der trennenden Tendenz des Todestriebs (auch

bewegen, den Tod eines anderen Menschen herbeizuwün-

Thanatos), der die lebende Substanz auflösen, vernichten,

schen: Wir anerkennen „den Tod für Fremde und Feinde und

in ihren „uranfänglichen, anorganischen Zustand“ zurück-

verhängen ihn über sie ebenso bereitwillig und unbedenklich

führen will, und der bindenden Tendenz des Lebenstriebs,

wie der Urmensch“. Der Unterschied zu diesem bestehe darin,

„die lebende Substanz zu erhalten und zu immer größeren

dass „unser Unbewußtes […] die Tötung nicht aus[führt], es

Einheiten zusammenzufassen“44 (auch É, der mitunter die

denkt und wünscht sie bloß. […] So sind wir auch selbst, wenn

Triebe zur Selbsterhaltung und die Sexualtriebe umfasst, seine

man uns nach unseren unbewußten Wunschregungen beurteilt,

Energie ist die Libido 45). Eros und Thanatos wirken gleichzeitig

wie die Urmenschen eine Rotte von Mördern.“37 Freud setzt

und kämpfen unaufhörlich gegeneinander an, was Leben

diesen Wunsch in den Kontext der Aufklärung, die von der

hervorbringt. Diese beiden Triebe, die dem Wiederholungs-

Idee des menschlichen Fortschritts getragen wird:

zwang unterliegen, zielen zunächst auf das Subjekt selbst und

„Es ist ein Glück, daß alle diese Wünsche nicht die Kraft

richten sich dann, um die Selbstzerstörung zu vermeiden, auf

besitzen, die ihnen die Menschen in Urzeiten noch zutrau-

ein anderes Objekt in Form von Liebe oder Zerstörung.

ten; in dem Kreuzfeuer der gegenseitigen Verwünschun-

Freuds These46 wurde von seinen Zeitgenossen, insbesondere

gen wäre die Menschheit längst zugrunde gegangen, die

von den Marxisten Wilhelm Reich und Otto Fenichel, heftig

besten und weisesten der Männer darunter wie die schöns-

angefochten, denn mit einer solchen Theorie könnten Krieg

ten und holdesten der Frauen.“

und Völkermord sowie soziale und wirtschaftliche Ausbeutung

38

legitimiert und unwiderruflich sein, da sie als biologisches Destruktionstrieb, Todestrieb

Phänomen verstanden würden.

Nach dem Krieg entwickelte Freud in Jenseits des Lustprinzips 39

Interessant am Destruktionstrieb ist die Tatsache, dass er in

(1920) das Konzept von Destruktionstrieb oder Todestrieb. Er

seiner verwüstenden Dynamik versucht, das niedrigste

beobachtete einen Wiederholungszwang bei Kriegsneurotikern,

Spannungsniveau zu erreichen, um Erleichterung herbei-

bei denen traumatische Ereignisse starke Spannungen erzeug-

zuführen. Um schneller zum „Nullpunkt“ der Spannung

ten und immer wieder im Traum auftauchten. Der Patient sei

zu gelangen, strebt man nach einer Beschleunigung

„genötigt, das Verdrängte als gegenwärtiges Erlebnis zu

aller Dinge und der Zeit. In diesem Moment kann das

wiederholen, anstatt es, wie der Arzt es lieber sähe, als ein

Über-Ich mit dem Destruktionstrieb interagieren, um

Stück der Vergangenheit zu erinnern“. Freud charakterisierte

die Energie in ein produktiveres Feld umzulenken, was

40

Anmerkungen Seite 30 und 31

Psychologie der Krise: Sigmund Freud

15


als „Sublimierung“ bezeichnet wird und uns zum Gegen-

Triebverzicht als Grundlage von Kultur

stand dieser Studie zurückführt: zu Architektur und Kunst.

Freuds Definition von Kultur ist eng mit den Trieben verbunden. Er sieht in der Kultur ein Mittel für den Menschen, sich von

16

Sublimierung durch Kunst und deren Verhältnis zur Zeit

seiner eigenen Natur und seiner natürlichen Umgebung zu

Nach Freuds Auffassung kann der Destruktionstrieb über den

entfernen: Das Wort „Kultur“ bezeichnet „die ganze Summe

Umweg der Sublimierung in schöpferische Tätigkeit umgewan-

der Leistungen und Einrichtungen […], in denen sich unser

delt werden. Bei diesem Umwandlungsprozess wird die Trieb-

Leben von dem unserer tierischen Ahnen entfernt“, wobei sie

energie in Bereiche umgelenkt, die gesellschaftlich wertge-

zwei Zwecken dient: „dem Schutz des Menschen gegen die

schätzt werden, insbesondere den der Kunst, den die soziale

Natur und der Regelung der Beziehungen der Menschen unter-

Gruppe und das Über-Ich gutheißen. Dank dieser doppelten

einander“.47 Kultur beruht auf Verzicht, wie in Unbehagen in

Dynamik, die vom Todestrieb ausgeht, der auf Vernichtung aus

der Kultur dargelegt wird: Es ist „unmöglich zu übersehen,

ist, und dessen Sublimierung, die darin besteht, beispielsweise

in welchem Ausmaß die Kultur auf Triebverzicht aufgebaut ist,

durch die Kunst neue Perspektiven zu eröffnen, kann das (indi-

wie sehr sie gerade die Nichtbefriedigung (Unterdrückung,

viduelle oder kollektive) Trauma der Zerstörung überwunden

Verdrängung oder sonst etwas?) von mächtigen Trieben zur

werden. Dieser Aspekt wird im Kapitel „Erschaffung durch

Voraussetzung hat“.48 Für den Begründer der Psychoanalyse

Zerstören“ erörtert.

ist das Gewissen „die Folge des Triebverzichts“.49

Im Prozess der Sublimierung, bei dem die Urtriebe in schöpfe-

Die Kultur wäre also kein aktives und bewusstes Konstrukt,

rische Sphären gehoben werden, wird das Zeitempfinden zu

sondern ein „Prozess, der über die Menschheit abläuft“,50 ein

einem wichtigen Werkzeug. Die Kunst ermöglicht es, die Zeit-

unbewusster Prozess im Dienste des Eros, der versucht, die

wahrnehmung zu verändern oder sogar aufzuheben, wie das

vom Lebenstrieb angetriebenen Menschen zu größeren Ein-

Beispiel der Musik zeigt. Man denke an das Magnificat der

heiten zu vereinen.51 Dieser zivilisatorische Prozess steht im

Dante-Symphonie von Franz Liszt: Wenn wir das Decrescendo

Gegensatz zum natürlichen Aggressionstrieb, der Ausdruck

der Stimmen des Kinderchors hören, das sich allmählich ent-

des nach außen gerichteten Todestriebs ist. Der Aggressions-

fernt, halten wir den Atem an. Die Violinen vibrieren weiter in

trieb wird jedoch nicht einfach unterdrückt, sondern auch zum

hohen Lagen und verharren in einem erhabenen Schwebezu-

Aufbau der Kultur verwendet (durch Sublimierung). Die Kultur

stand. Dann wird es still. Wir spüren, wie sich die Spannung

steht also im Zentrum des Kampfes zwischen Eros und Thanatos,

auflöst, einen Augenblick lang hatten wir das Gefühl, dass die

dem Lebens- und dem Todestrieb.

Zeit stillsteht.

Dies ist ein für unsere Forschung einsatzfähiges Konzept,

In der Architektur kann die Zeit durch eine anachronistische

denn wenn wir die Ästhetik in das Zentrum des permanenten

Ästhetik, eine starke Raumatmosphäre oder einen spezifischen

Konflikts zwischen den Trieben stellen, können wir daraus

künstlerischen Akt aufgehoben sein, sodass eine neue Weltbe-

stichhaltige Interpretationen für die Analyse der in Krisenzeiten

ziehung entsteht, welche die Raumwahrnehmung verändert.

geschaffenen Ästhetik ableiten: In diesen Momenten starker

Die Aufhebung der Raum-Zeit lässt etwas anderes entstehen.

Beschleunigung radikalisiert sich alles, erst recht der Kampf

Schöpferisches Handeln kann als ein fiktionaler Vorgang ange-

zwischen Eros und Thanatos. Dieser psychoanalytische Ansatz

sehen werden, der eine eigene Zeitlichkeit und Räumlichkeit

eröffnet eine neue Perspektive für die Interpretation von

begründet und die Konstruktion eines Anderswo ermöglicht.

Architekturprojekten, die in Zeiten der Instabilität entworfen

In Krisenzeiten, nach einem Krieg oder einer Katastrophe, ver-

wurden, insbesondere wenn sie mit der umfassenderen Frage

mögen Kunst, Architektur und Ästhetik (im weitesten Sinne)

nach der Wirkung der Ästhetik auf die Gesellschaft im Allge-

den Destruktionstrieb zu sublimieren und ihn auf höhere Ziele

meinen in Verbindung gebracht werden.

auszurichten, um mit dem Lebenstrieb eine Gesellschaft wieder-

Zusammenfassend lässt sich bei der Untersuchung der mögli-

aufzubauen, die eine größere Resonanz, einen höheren Zivili-

chen Verbindungen zwischen den psychologischen Reaktionen

sationsgrad und einen stärkeren Zusammenhalt aufweist, eben

und den Zeitmodi die Hypothese aufstellen, dass der Vorgang

das, was Freud „Kultur“ nennt.

der Verdrängung in zwei Phasen verläuft. Die erste besteht

Theoretische Rahmung

Anmerkungen Seite 31


zunächst in einer Aufhebung der Zeit, um sich aus dem Hier

Fähigkeit, uns von der Welt „ergreifen“, berühren und verän-

und Jetzt zu lösen, die zweite in einem Zeitsprung nach vorn,

dern zu lassen. Rosa zufolge mangelt es in unserer modernen

um eine neue Zukunft zu eröffnen, wobei der Lebenstrieb die

Gesellschaft an Resonanz, da die Beschleunigung der Zeit

treibende Kraft ist (Kap. 4 „Wiederverzauberung der Welt“).

unsere Weltbeziehung auf individueller und kollektiver Ebene

Der Zeitmodus des Todestriebs hingegen besteht in einer

tiefgreifend verändert hat.

Beschleunigung, um den Untergang voranzutreiben, gefolgt

Rosa analysiert unsere Weltbeziehung anhand unterschied-

von einem Akt der Sublimierung, der die Zeit aufhebt und ein

lichster Formen, angefangen bei unseren körperlichen Grund-

neues Feld der Möglichkeiten eröffnet (Kap. 3 „Schaffen

erfahrungen (Atmung, Ernährung, Empfindungen) über unsere

durch Zerstören“). Das ästhetische Handeln hängt also vom

affektiven Beziehungen bis hin zu den ausgefeiltesten kogni-

jeweiligen Zeitmodus und vom jeweiligen psychologischen

tiven Konzepten. Er legt drei Resonanz-Kategorien fest: die

Zustand ab.

Beziehungen zu anderen Menschen in den Bereichen Freundschaft, Liebe und Politik („horizontale Resonanzachsen“), die

Hartmut Rosa: Beschleunigung und Resonanz, eine neue Weltbeziehung

Beziehungen zur Materie, zu Artefakten und Dingen in den

Die Frage der Kultur und der Aufhebung der Zeit ist auch

in den Bereichen Natur, Religion, Kunst und Geschichte („ver-

Gegenstand der Überlegungen von Hartmut Rosa. In der

tikale Resonanzachsen“) – mit anderen Worten alles, was nach

Nachfolge Adornos befasst sich der deutsche Soziologe mit

Gayraud die „Kruste über der Welt“ oder „Kultur“ ausmacht.

der Situation des Einzelnen angesichts von Krisen, die durch

Dieses Konzept ist für die Erforschung der Strategien und

die von ihm sogenannte Beschleunigung der Zeit in unseren

Sprache der Architektur interessant, weil es die Gesamtheit

modernen Gesellschaften ausgelöst werden. Er entwickelt

unseres In-der-Welt-seins einschließt, das hier durch das

eine „soziale Kritik der Zeit“ und analysiert zu diesem Zweck

Prisma der Ästhetik ergründet werden soll.

Bereichen Arbeit, Bildung und Sport („diagonale Resonanzachsen“) und die Beziehungen zu Ideen und einem Absoluten

die Transformationen, die sozialen Umbrüche, das Werden des Individuums und dessen Weltbeziehung. Rosa zufolge ist

Ästhetik und die Kraft der Kunst

die bedeutendste Erfahrung der Moderne die der „Beschleu-

Nach Rosa ist die Ästhetik integraler Bestandteil der

nigung“ – „alles wird immer schneller“ –, was zu einer grundle-

Resonanz:

genden Krise unserer Gesellschaft führt. „Wenn Beschleunigung

„Die Kunst ist – fast gleichzeitig mit der und in ganz

das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung“, um

ähnlicher Weise wie die Natur – zur vielleicht wichtigsten

der gegenwärtigen Hektik entgegenzuwirken, so seine Hypo-

und nach und nach alle Alltagsbereiche durchdringenden

these. Unter „Resonanz“ versteht er „eine spezifische Form

Resonanzsphäre der Moderne geworden. […] Die Kunst

des Eintretens in eine Beziehung zur Welt, die auf wesentlichen

berührt und bewegt den modernen Menschen als Rezipien-

Dingen beruht. […] Dafür muss man sich mit der Welt verbun-

ten im Innersten seiner Seele wie nichts anderes – und sie

den fühlen. […] Man muss die Erfahrung gemacht haben, die

gebietet ihm als Produzenten, das heißt als Künstler oder

Welt zu berühren.“53 Diese Betrachtung vom Standpunkt des

Kunstschaffendem, indem sie ihre eigene Gesetzmäßigkeit

Einzelnen, die fast schon eine mystische Dimension aufweist,

gegen alle instrumentelle, politische oder ökonomische

ergänzt Rosa um eine Betrachtung vom Standpunkt der Gesell-

Vernunft geltend zu machen vermag.“54

52

schaft, da die menschliche Lebensqualität auch ein institutionel-

Ähnlich wie das Religiöse in früheren Gesellschaften durch-

les und kulturelles Problem ist. Er versucht mit der Vorstellung

dringt die Kraft der Kunst „die (spät-)moderne Subjektivität

zu brechen, dass allein materielle, symbolische und psychische

in allen Poren […]. Ästhetische Resonanzfähigkeit ist auf

Ressourcen uns zu unserem Glück verhelfen, und betont, dass

diese Weise als kollektiv verbindliche Forderung an die gesell-

wir auch in der Lage sein müssen, zu handeln. Die Resonanz,

schaftliche Stelle religiöser Resonanzfähigkeit getreten.“55

das heißt unsere sinnliche, bewusste Verbindung zur Welt,

Ich komme später im Abschnitt Zeit auf dieses Phänomen

stärkt unser Handlungsvermögen und im Gegenzug unsere

zurück, denn tatsächlich stellt die Ersetzung der Religion

Anmerkungen Seite 31

Psychologie der Krise: Hartmut Rosa

17



Charles de Wailly, Projekt für die Umgestaltung des Panthéons in eine Pyramide, Paris, um 1797, Perspektive, Feder und Tinte, lavierte Tinte mit Spuren von Graphit auf Papier, auf Karton montiert

1Archaismus Sprung rückwärts in Raum und Zeit Zeit: ein Sprung in Raum und Zeit, um einen Kurswechsel zu vollziehen Psychologie: Rückkehr zum Archetypus unter Bezugnahme auf eine frühere Kultur Modus Operandi: Reduzierung der Materialien, Verwendung von Urformen

Der Modus Operandi der Ästhetik, wie sie in der theoretischen

der Zeit und der Sprache“; bei diesem Vorgang dient die

Rahmung dargelegt wurde, vollzieht sich im nun folgenden

Apokalypse mit dem Bild der Wüste oder des Gartens „der

Kapitel in einem Sprung in Raum und Zeit. Die Rückbesinnung

Entstehung einer neuen Zeitlichkeit, die das Archaische zum

auf eine Epoche, die weit genug zurückliegt, um Abstand zur

Hauptmodus der Erfassung und Identifikation mit der Zeit

Jetztzeit zu gewinnen und somit eine andere Weltbeziehung

erhebt“.3 Wie zeigt sich diese „Rückkehr“ in der Architektur,

aufzubauen, erfolgt durch einen beabsichtigten Kurswechsel.

und inwiefern trägt sie dazu bei, eine neue Zukunft zu denken?

Es ist eine idealisierte „Rückkehr zu den Wurzeln“, eine Projek-

Wie können eine neue Formensprache und eine neue Ästhetik

tion in eine frühere Epoche, deren Ästhetik wiederverwendet

erschaffen werden, wenn Architekt:innen aus der Vergangenheit

wird, um ein neues politisches, kulturelles und gesellschaftliches

schöpfen? Auf welche Vorbilder stützen sie sich dabei, und wie

Ideal zu konstruieren. In diesem Kapitel geht es um die Neu-

kann dadurch die gegenwärtige Zeit initialisiert werden?

erfindung einer Sprache, eines Vokabulars, eines kulturellen Codes, die ein neues Zeitalter einläuten, indem sie aus dem

Archetypus

Urprinzip der Welt – arché – schöpfen. Unter Bezugnahme

In ihrer raumzeitlichen Dynamik rekurriert die Ästhetik auf

auf die griechischen Philosophen definierte Hannah Arendt

den Archetypus (von griech. archétypon „zuerst geprägt;

die Arché als „einen Anfang, der selbst nicht anfängt, eine

Urbild“),4 der in der Philosophie ein ideales (allgemeines)

dauernde Quelle des Entstehens“.1 Aus dieser Urquelle des

Modell ist, von dem ausgehend die Form, der Stoff und

potenziellen Werdens schöpfen Architekt:innen und Künst-

der Zweck eines Themas, das gleichsam zu einer Serie

ler:innen ihre Schaffenskraft. Chris Younès nennt sie eine

gehört, konstituiert werden. Bei den Empirikern ist der

sprudelnde „source-ressource“, Quelle und Ressource in

Archetypus eine „Grundempfindung, die psychologisch als

einem. Philippe Potié geht auf den Zeitfaktor ein und beschreibt

Ausgangspunkt dient, um ein Bild zu konstruieren“.5

den „Archaismus“ treffend als „einen Ort der Initialisierung

Gemäß der Theorie der Analytischen Psychologie von C. G. Jung

2

Anmerkungen Seite 60

Sprung rückwärts in Raum und Zeit

35


sind „Archetypen die instinktiven Formen mentaler Reprä-

Inhalt transportieren. Der beste Träger ist zu diesem Zweck

sentation“, die der menschlichen Erfahrung a priori zugrunde

auch der einfachste:

6

liegen, indem sie die Denk- und Vorstellungsmuster konditio-

„In Mythen, Legenden und allen anderen elaborierten

nieren. Es sind also leere Vorformen, die das Instinkt- und

mythologischen Stoffen gelangt man an die Grundstrukturen

Geistesleben organisieren und mentale Bilder (Gedanken,

der menschlichen Psyche nur durch eine sie bedeckende

Fantasien, Träume usw.) nach ihren je eigenen Dynamiken

Schicht mit Kulturelementen. Märchen hingegen enthalten

strukturieren. C. G. Jung sah in den Mythen einen Zugangs-

weitaus weniger spezifisches, bewusstes Kulturmaterial

weg zu den kulturellen Archetypen. In einem Brief an Sigmund

und spiegeln deshalb die Grundstrukturen der Psyche

Freud (der als Antwort auf Jungs Theorie der unzähligen Arche-

klarer wider.“10

typen den Begriff der „Urphantasien“ prägte, die lediglich das

Die „Schicht mit Kulturelementen“ stört C. G. Jung bei der

intrauterine Leben, die „Urszene“ bzw. den elterlichen Koitus,

Entzifferung der Grundstrukturen der menschlichen Psyche,

die Verführung und die Kastration umfassen) pochte Jung auf

da sie diese überlagert und verkompliziert, während Märchen

seine Kulturtheorie: „Das Letzte der Neurose und der Psychose

sich aufgrund ihrer offenkundigen Schlichtheit wesentlich

werden wir ohne Mythologie und Kulturgeschichte nicht lösen.“8

besser dafür eignen.

Von besonderem Interesse ist hier die Verbindung zwischen

Gilt das auch für die Architekturformen? Diese Analyse soll

Archetypus (als Repräsentationsform), Psychologie und Kultur-

uns als Schlüssel zum Verständnis der Werke dienen: Die

geschichte, geht es doch darum, die Entstehung eines Werkes

Archetypen, auf denen sich ein Werk stützen kann, sind –

mit archetypischen Zügen in einem Kontext des Umbruchs zu

samt all der darin enthaltenen Symbolik – umso leichter zu

verstehen, wenn Kultur, Gesellschaft und Umwelt in eine Krise

erkennen, je reduzierter und schlichter die Formensprache

geraten, die eine ontologische und im Grunde genommen

ist. Tatsächlich greifen Werke, die entstehen, wenn gesell-

auch eine psychologische ist. Welche Träume lassen sich durch

schaftliche Werte in eine Krise geraten, häufig auf Archetypen

den Rückgriff auf den Archetypus einer früheren Kultur herbei-

zurück, so jedenfalls meine Hypothese, um an eine ideali-

rufen? Welche Symbolik transportiert er?

sierte frühere Kultur anzuknüpfen. Auf diese Weise wird die

Kehren wir zu C. G. Jung zurück, um mehr darüber zu erfahren.

Gegenwart in der Schwebe gehalten und erfährt eine

Seiner Theorie zufolge neigt die menschliche Psyche überall

Erneuerung durch die Vergangenheit. Der Archetypus dient

dazu, auf ein und dieselbe a priori vorgegebene Repräsenta-

dann dazu, die symbolischen Kategorien zu reaktivieren, die

tionsform zurückzugreifen, und wird vom Universalthema

Kulturen Struktur verleihen, und sich Letztere (wieder) anzu-

strukturiert, das sie in sich birgt. Dieses Thema, das allen

eignen, indem die bis dahin gültigen Werte durch andere er-

menschlichen Kulturen und allen geschichtlichen Epochen,

setzt werden. Durch einen solchen raumzeitlichen Eingriff

trotz der Unterschiede in der symbolischen Darstellung,

lassen sich die ontologischen Werte einer Gesellschaft verän-

gemeinsam ist, generiert das kollektive Unbewusste. Die

dern. Der Archetypus dient als Werkzeug für eine Kultur-

Archetypen treten in Mythen und Träumen zutage und bilden

und Gesellschaftskritik, indem er aus Mythen, Symboliken

symbolische Kategorien, die Kulturen Struktur verleihen. In

und a priori vorgegebenen Repräsentationsformen schöpft.

einer offenkundigen Schlichtheit verbinden sie ein Symbol

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Archetypen starr sind,

mit einer Emotion.

im Gegenteil, wie C. G. Jung bemerkt: Die „archetypischen

7

36

„Die Archetypen werden [in den Märchen] in ihrer

Formen [sind] nicht bloss statische Muster […], sondern dyna-

einfachsten, schlichtesten und prägnantesten Form

mische Faktoren, die sich ebenso spontan wie die Instinkte

dargestellt. In dieser reinen Form liefern uns die arche-

in Impulsen äussern.“11

typischen Bilder die besten Schlüssel zum Verständnis der

Dieser Aspekt verleiht ihnen etwas Lebendiges, sodass sie

Prozesse, die in der Kollektivpsyche ablaufen.“

jederzeit reaktiviert und unbegrenzt wiederverwendet

9

An dem Archetypus-Begriff von C. G. Jung ist besonders

werden können. Die Besonderheit des Archetypus ist

interessant, dass das Wesentliche auf ein Bild oder eine

gerade seine Zeitlosigkeit: Er ist immer da und ist schon

Form reduziert wird, die einen symbolischen und kulturellen

immer dagewesen, er ist außerhalb der Zeit.

Archaismus

Anmerkungen Seite 60


Welche Archetypen wurden wann in der Geschichte und

Gesellschaft aufzubauen. Hier transportiert die Ästhetik auf ko-

zu welchem Zweck bemüht?

difizierte Weise eine politische und gesellschaftliche Bot-

Die raumzeitlichen Rückbesinnungsvorgänge setzen Dynami-

schaft. Die Verwendung antiker Archetypen bietet die

ken in Gang, die der bis dahin vorherrschenden Ästhetik zu-

Möglichkeit, eine zuvor unmögliche, neue Form der Resonanz

widerlaufen. Davon zeugen die nach Platons Vorbild abge-

einzuführen, kraft derer die Bürger:innen in einer humanisti-

haltenen Gastmahle in der Renaissance, die durch Rückgriff

schen Gesellschaft nun „die Welt berühren“ können.12 Im

auf die Antike einen Kontrapunkt zur damaligen politischen

Mittelalter wurden die „vertikalen Resonanzachsen“ (nach

Lage setzten, die von endlosen Kriegen und Lagerkämpfen

Hartmut Rosa die Beziehungen zu Ideen und einem

geprägt war. Dante, der selbst im Exil lebte, beschreibt dies

Absoluten in den Bereichen Natur, Religion, Kunst und

anschaulich in seiner Reise durch die Hölle, an deren Rand er,

Geschichte) weitestgehend von der Religion vereinnahmt.

geführt von dem Dichter Vergil Sokrates, Platon, Euklid und viele andere griechische Philosophen antrifft. Das Streben nach Erneuerung unter Rückbesinnung auf eine frühere Epoche wie die Antike findet seinen Ausdruck in Botticellis Gemälde Die Geburt der Venus, in dem die Liebesgöttin mit einer magischen, gleichsam schwebenden Zartheit ein neues Zeitalter ankündigt. Botticellis Gemälde revolutionierte die mittelalterliche Malerei ebenso wie die Darstellung der Idealstadt, mit der die Perspektive in die Malerei eingeführt wurde. Der Rückgriff auf antike Quellen ermöglicht es, das Pendel auf null einzustellen.

Sandro Botticelli, Die Geburt der Venus, um 1484/1485, Tempera auf Leinwand

Die Rolle der Ästhetik besteht nun darin, diesem neuen intellektuellen Impuls, der die philo-

In der Renaissance weiteten sie sich auf die Bereiche der

sophische und politische Reflexion der Bürger:innen anregt,

Kunst, Architektur und Philosophie aus. Die neue Greifbarkeit

Gestalt zu verleihen. Ein Impuls, der in der zerbrechlichen

der Welt, in der der Mensch nun denken und handeln konnte,

Frische der Venus ebenso wiederzufinden ist wie in der römisch

spiegelt sich in Bildern wider, die den „neuen Wind“ (den

inspirierten Rotunde, die in einem dynamischen Raum zu

Zephir buchstäblich verkörpert) zum Ausdruck bringen. Der

schweben scheint und gleichsam der Zeit enthoben das Zentrum

Lebenstrieb bricht sich Bahn und vertreibt die Finsternis

einer menschenleeren Stadt bildet, die im Werden begriffen ist

der überkommenen Epoche.

und erst noch gebaut werden muss. In einem solchen Moment

Seit der Renaissance ist der fiktionale Modus der Verankerung

der Aufhebung der Zeit lässt die Ästhetik die Archetypen

in einer früheren Epoche ein wiederkehrendes Phänomen in

einer weit zurückliegenden Epoche aufleben, um die Menschen

krisenbedingten Kippmomenten, auch wenn die Ästhetik und

zu berühren, indem sie ihnen (wie Zephir der Venus) eine be-

die symbolische Dimension je nach Epoche variieren können.

lebende Regung einhaucht, die sie dazu antreibt, eine bessere

Anmerkungen Seite 60

Sprung rückwärts in Raum und Zeit

37


Luciano Laurana (vormals zugeschrieben), Idealstadt, um 1480/1490, Öl auf Holztafel

„Initialisierung“ der Sprache

der unter der Schreckensherrschaft seinen Höhepunkt erreichte, durch ein neues Kultur- und Symbolprogramm subli-

Nehmen wir als Beispiel die Französische Revolution. Sie

miert (in höhere Sphären erhoben) wurde. Zu diesem Zweck

markierte das „Ende einer Welt“, wie Kant es formulierte,

wurde im Jahr II der Republik (22. September 1793 bis

indem sie eine neue Regierungsform einführte, die auf den

21. September 1794) ein Wettbewerb ausgelobt, dessen

Werten der Aufklärung beruhte. Welche Ästhetik entstand in

ehrgeiziges Programm die Schaffung von Revolutionszeremo-

diesem radikalen Übergangsstadium vom Absolutismus zur

nien und -festen sowie neuer Institutionen und Denkmäler für

Volkssouveränität, als sogar die Zeitrechnung auf null gestellt

die Republik vorsah, um die alten zu ersetzen. Dieser Wende-

wurde (der neue Kalender begann mit der Gründung der

punkt war mit der Rückkehr archaischer Formen verbunden.

Republik im September 1792 mit dem Jahr I), und wie vermit-

Das zeigt unter anderem der Entwurf von Charles de Wailly,

telte sie die neuen Werte? Auf welche Epoche, welche Kultur,

der 1797 im Rahmen einer Ausschreibung für die Sicherung

welche Mythen und Riten stützte sie sich?

der Kuppel des Panthéon vorschlug, eine Pyramide in die

Nach der massiven Zerstörung königlicher und kirchlicher

ehemalige Kirche einzufügen, um sie dem Zeitgeschmack an-

Denkmäler ergab sich die zwingende Notwendigkeit, neue

zupassen und ihr die fehlende statische Stabilität zu verleihen.

Symbole für die aufstrebende Republik einzuführen. Aus

Ägyptische Formen waren auch in den Entwürfen für den

psychoanalytischer Sicht ließe sich die Hypothese aufstellen,

Wettbewerb des Jahres II stark vertreten. Zu den zahlreichen

dass der Destruktionstrieb (zusammen mit dem Todestrieb),

Vorhaben zählte auch ein republikanisches Denkmal als Ersatz für das Reiterstandbild Ludwig XIV. auf der Place des Victoires. Den Zuschlag bekam der Architekt Sobre für seinen von Elefanten gestützten Obelisken, der mit nach dem Vorbild ägyptischer Hieroglyphen flach eingravierten Allegorien verziert war und von einer Freiheitsstatue gekrönt wurde.13 Durch das Aufgreifen des ägyptischen Stils erhielt der Zeitfaktor eine wichtige Bedeutung, da man sich auf diese Weise in eine frühere Epoche zurückversetzen konnte. Dieses ästhetische Vorgehen ging mit einem politischen Programm einher: Jene Intellektuellen, die meinten, dass Frankreich dem ägyptischen Volk die Aufklärung nahebringen und es von den Mamelucken befreien sollte, betrachteten Ägypten nun als „Wiege der westlichen Zivilisation“. Diese Art von Verankerung an einem fernen Ort und in einer fernen Epoche funktioniert

Architekten Legrand und Molinos, Entwurf für einen Nationalzirkus auf der Place des Invalides in Paris, 1791

38

Archaismus

wie ein Archetypus im Sinne C. G. Jungs und eröffnet die

Anmerkungen Seite 60


Möglichkeit, eine Gesellschaft von Grund auf neu aufzubauen.

Republik und die Nationalfeiertage im Winter mit staatsbürger-

Bei einem so radikalen Umsturz, der nicht nur die Politik und

lichen und kämpferischen Liedern zu feiern“.15 Die alten Kultur-

die Staatsführung tangiert, sondern auch Ethik und Moral,

denkmäler sollten neuen Symbolen und Ritualen weichen, die

Religion und Ontologie, spielen Rituale eine wesentliche

zur Konsolidierung der jungen Republik beitragen konnten.

Rolle: Die emotionale Funktion der Kirche wurde von säkularen

Solche Umdeutungen von Ritualen, wozu auch gehörte, dass

Festen abgelöst, die auf die neuen Ideale von Freiheit,

Opernarien durch Revolutionslieder ersetzt wurden, scheinen

Gleichheit und Gerechtigkeit (sporadisch anstelle der Brüder-

bei der „Sublimierung“16 der Politik der Schreckensherrschaft

lichkeit) ausgerichtet waren. Zahlreiche Bauvorhaben sollten

eine wesentliche Rolle gespielt zu haben, dadurch dass der

die republikanischen Feste in Szene setzen, und so entwarfen

Destruktionstrieb mit dem Festritual (nach dionysischem

die Architekten riesige Arenen, um ihnen einen geeigneten

Muster) auf ein höheres Ziel umgelenkt wurde.

Rahmen zu bieten.

Hatte das Programm der neuen Bauvorhaben bis 1792 im

So sah eine Verordnung vom 5 floréal an II (24. April 1794)

Wesentlichen die Republik und die Freiheit zum Gegenstand

den Umbau der Oper der Königlichen Musikakademie (ein

(wie zahlreiche Vorschläge für die Nationalversammlung und

wichtiges Symbol der Kultur des Ancien Régime), die damals

die Place de la Bastille belegen), verlagerte sich mit dem Er-

am Boulevard Saint Martin untergebracht war, in eine über-

starken des linken Flügels innerhalb der Revolutionsbewegung

dachte Arena vor, „die dazu bestimmt ist, die Triumphe der

sein Schwerpunkt immer mehr in Richtung republikanische

14

Tugend und Gleichheit.17 In dieser Dynamik spielte der Politiker und Kupferstecher Sergent-Marceau, der als Abgeordneter im Nationalkonvent in der Fraktion der Montagnards saß und Mitglied des Überwachungsausschusses war,18 eine wichtige Rolle. Der glühende Revolutionär war in die Massaker vom September 1792 verwickelt.19 Seine Unterschrift steht unter einem Rundschreiben, in dem er diese Taten rechtfertigt (was man ihm später zum Vorwurf machte): „[…] Die Pariser Kommune beeilt sich, ihre Brüder in allen Departements darüber in Kenntnis zu setzen, dass ein Teil der in ihren Gefängnissen festgesetzten wilden Verschwörer vom Volk getötet worden ist. […] Zweifellos wird die ganze Nation […] sich schon bald dieses für das Wohl der Allgemeinheit so notwendigen Mittels bedienen.“20 Im Oktober 1792 wurde Sergent-Marceau zum stellvertretenden Leiter der „Kommission zur Erhaltung der künstlerischen Denkmäler“ nominiert, deren Aufgabe es war, die von den revolutionären Tumulten bedrohten Meisterwerke in Museen zu verwahren und die historischen Baudenkmäler vor Vandalismus zu schützen. In dieser Funktion schlug er am 7. Oktober 1793 vor,21 man möge „den Konvent bitten, dass ein Tempel für die Gleichheit und einer für die Freiheit errichtet werde und dass die Bildprogramme zugleich als ornamentaler Schmuck für diese beiden […] dienen. Ich weise darauf hin, dass es nur recht ist, wenn die Nation, die dafür zahlt, sich auch daran erfreuen kann. […] Das wird ein neues Schauspiel sein, für das Universum, Architekt Sobre, Entwurf eines Denkmals für die Place des Victoires in Paris mit Hieroglyphen und Elefanten, Wettbewerbsentwurf, 1793

Anmerkungen Seite 60

erschreckend für die Despoten, interessant für alle Völker.“22

„Initialisierung“ der Sprache

39


Leo von Klenze nach Jean-Nicolas-Louis Durand und Jean-Thomas Thibault, Temple à l’Égalité, 1793, Perspektive und Grundriss

J.-N.-L. Durand und J.-T. Thibault: Tempel für die Gleichheit, 1793

entspricht allerdings keiner klassischen Bauordnung und

Jean-Nicolas-Louis Durand und Jean-Thomas Thibault, die

Konventionen überall gleich, was dem gesamten Bau einen

zuvor im Atelier von Étienne-Louis Boullée gearbeitet hatten,

schablonenhaften, normierten Charakter verleiht. Der Unter-

gewannen den ersten Preis des Wettbewerbs für den Tempel

bau ist nicht weniger seltsam, bestehen doch die beiden

für die Gleichheit mit ihrem Entwurf für ein neoklassizistisches

Seitenteile nicht aus Stufen, wie bei griechisch-römischen

Bauwerk, das weit über die Funktion eines Tempels hinausging

Tempeln üblich, sondern aus dicken Mauern, die an den

und ein regelrechtes Heiligtum sein sollte, das der Republik

Enden ein Quadrat bilden, auf dem (rechts) eine Allegorie

geweiht war.23 Das Bauwerk hat die Form eines Peripteros,

der Gerechtigkeit und (links) eine Allegorie der Gleichheit

weist mehrere Kuriositäten auf: Bei den sechs Frontsäulen ist die Zwischenweite entgegen den stets nuancierten klassischen

eingraviert sind. Auch die Säulen sind ungewöhnlich, denn sie haben keinen runden, sondern einen quadratischen Querschnitt.24 All diese architektonischen Mittel spiegeln die neue „revolutionäre Ordnung“ des Tempels wider, der moderne, kubische und abstrakte Merkmale aufweist. Seine ägyptische Anmutung verdankt er einerseits den Kapitellen mit den Frauenköpfen, für die zweifellos der Tempel von Dendera in Ägypten Pate stand,25 und andererseits den Mauern zu beiden Seiten, die wie die Vorderpfoten der Sphinx von Gizeh nach vorn ragen. Auf dem Giebel sind Allegorien der Freiheit und der Gleichheit abgebildet, zwischen denen die Inschrift „Sie sind unzertrennlich“ prangt. Unter dem Fries ist zu lesen: „Die Tugenden sind die festesten Säulen der Gleichheit.“26 Diese Tugenden werden auf den Säulen genannt: Staatsbürgerliche Gesinnung, Mut, Eintracht, Arbeit, Sparsamkeit, Weisheit. Die Botschaft der Inschriften, die an das staatsbürgerliche Jean-Nicolas-Louis Durand, „Combinaisons horisontales, de Colonnes, de Pilastres, de Murs, de Portes et de Croisées“, 1802, Tafel 2, aus: Précis des leçons d’architecture données à l’École Polytechnique 40

Archaismus

und moralische Verhalten der Republikaner appellieren, wird

Anmerkungen Seite 60


symbolisch durch die Frauenköpfe (mit griechischem statt

des leçons d’architecture données à l’école polytechnique

ägyptischem Kopfschmuck) unterstrichen, die wie zahllose

(1802) eine erschöpfende Methode zur Durchführung eines

Über-Ichs von oben auf sie herabschauen.

Bauprojektes und zur Gebäudeanalyse. Das Neun-Felder-Haus,

Durand und Thibault waren die einzigen der am Wettbewerb

bei dem die Gebäudeteile in drei verschiedenen Kombinationen

für den Tempel für die Gleichheit teilnehmenden Architekten,

„zu einem Ganzen zusammengefügt“ werden,29 ist ein leuchten-

die über das eigentliche Denkmal hinaus ein Revolutionsmu-

des Beispiel dafür. In gewisser Weise kehrt dieses dreidimensio-

seum im Tempelinneren vorschlugen. Ein Bildprogramm, das

nale Spiel, das als zweite Tafel im zweiten Teil des Bandes mit

sich an die Zeichnungen von Jacques-Louis David anlehnt,

der Überschrift „Horizontale Kombinationen von Säulen,

veranschaulicht die wichtigsten Ereignisse der Revolution:

Stützen, Wänden, Türen und Fenstern“ abgebildet ist, zu den

den Sturm auf die Bastille, den Ballhausschwur, eine Szene

geometrischen Wurzeln der Architektur zurück und reiht sich

des Nationalkonvents sowie mehrere Kampfszenen. Eine

in die Tradition von Vitruvs De architectura ein.

raumgreifende Statue der Glückseligkeit der Allgemeinheit

Die Reduzierung der Architektur auf ein Vokabular der wirksa-

füllt die Mitte des Museums aus. Auf zwei Seitenaltären

men und nützlichen Typisierungen unterlag einer Dynamik,

steht geschrieben: „Natur, Vernunft, Menschlichkeit und

die derjenigen von Boullées fantastischen Entwürfen entgegen-

Gerechtigkeit sind das Fundament der Gesellschaftsordnung“.

gesetzt war, die von der Kraft des Erhabenen getragen eine

Mit dem großen Glasdach, durch das Tageslicht einfällt,

kosmische Stimmung verbreiten, wie die Entwürfe eines

taucht dieser Museumstempel der Moral die Gemälde und

Kenotaphs für Isaac Newton (1784) und der Königlichen Biblio-

Symbole der Republik in weißliches Licht.

thek (1786) belegen. Die postrevolutionäre stilistische Reduktion

Den klassischen Tempel auf eine streng geometrische, schab-

spiegelt nicht nur die Entstehung einer neuen bürgerlichen

lonenhafte Gestaltung zu reduzieren, kündigte einen Paradig-

(weniger wohlhabenden) Kundschaft wider, sondern auch den

27

menwechsel an: Nicht mehr das Schöne bestimmt die Ästhetik mit ihrem fragilen Gleichgewicht der Wahrnehmung, auch nicht das Erhabene eines Boullée, das starke Emotionen auslöst, sondern das Reduzierte und radikal Schlichte, das mit Rationalisierung und Kostenersparnis am Bau einhergeht.28 So hat dieser Revolutionstempel die Aufgabe, gleichsam den Destruktionstrieb zu sublimieren, indem er diesen in höchste Kunst umwandelt, die die Architekten mit einem moralischen und staatsbürgerlichen Erziehungsprogramm verbinden. Als a priori vorgegebene Repräsentationsform dient der Archetypus des Tempels nach ägyptischem Vorbild als Ausgangspunkt für die psychologische Konstruktion eines kollektiven Imaginären. Im Unterschied zur Architektur von Claude-Nicolas Ledoux, bei der alles – von der Bauform bis zum Ornament – eine „sprechende“ Symbolik transportiert, und im Gegensatz zur Architektur von Étienne-Louis Boullée, die das Register des Erhabenen bedient, reduziert Jean-Nicolas-Louis Durand, der radikal mit seinem Lehrer bricht, die Architektur auf Typisierun-

Jacques-Louis David, Der Schwur der Horatier, 1784, Öl auf Leinwand

gen, auf ein fast stummes Vokabular, wobei schon von außen, ohne jedes Geheimnis, sich das Innere eines Bauwerks erahnen

Durchbruch des Fortschrittsgedankens, der mit der einsetzenden

lässt. Das Tempelprojekt wurde nie realisiert.

Industrialisierung rasch konkrete Formen annahm. Die Form- und

Drei Jahre nach dem Staatsstreich von Napoleon Bonaparte

Kostenreduktion erfolgte durch eine drastische Simplifizierung, die

entwickelte Durand im ersten Band seiner Vorlesungen Précis

die Architektur auf ein Grundvokabular des Bauens reduzierte.

Anmerkungen Seite 60

Durand und Thibault: Tempel für die Gleichheit

41



Emil Krause, Hugo Mayer (nach einem Masterplan von Adolf Loos), Siedlung Rosenhügel, Siedlerarbeit, 1921, Fotograf: Josef Derbolav Machovsky

2 Zurück zur Ländlichkeit Streben nach Entschleunigung Zeit: Entschleunigung Psychologie: Rückgriff auf gesellschaftliche Archetypen; kollektive Rückbesinnung und Mitgefühl Modus Operandi: Reduktion und Sublimierung durch Ästhetik

Das Phänomen der „Rückkehr zur Ländlichkeit“ geht mit

einher, entweder umständehalber nach einer Katastrophe oder

Entschleunigung und mit substanziellen Einschränkungen der

einem Krieg oder aufgrund einer proaktiven Willensentschei-

Lebensweise einher, die von einer urbanen zu einer agrarischen

dung, die einen Verzicht impliziert. Solche Momente der Ein-

übergeht. Die Idee der Entschleunigung als Antwort auf die

schränkung sind mit einem starken ästhetischen Streben und

Dynamik des Fortschritts und dessen Folgen, die wir immer

einem fundamentalen Bedürfnis nach Verschönerung des neuen

weniger im Griff haben, bringt die Hoffnung auf eine Verlang-

„Naturzustands“ verknüpft, um darin über die Befriedigung

samung des Beschleunigungsprozesses mit sich, der exponen-

der mit dem bloßen Überleben verbundenen Bedürfnisse hinaus

tielle Ausmaße angenommen hat. Als Gegenentwurf zum

eine wahrnehmbare intellektuelle Entfaltung zu finden, die eine

chaotischen Wachstum der Industriestädte, verursacht durch

Transzendierung des vom üblichen Kulturmodell weit entfernten

die Dynamik des Kapitalismus und der Bodenspekulation,

Urzustands ermöglicht. Wie kann die Ästhetik neue Narrative

verbindet sich die „Rückkehr“ zu einer zumeist auf Autarkie

der „Rückkehr zur Ländlichkeit“ erschaffen? Und welche Archi-

und Selbstversorgung beruhenden neuen Form der Agrar-

tekturformen nimmt sie an, um der Dynamik der schnell wach-

gesellschaft in der Regel mit der Vision einer Gesellschaft,

senden Städte standzuhalten?

die nach genossenschaftlichem Vorbild umgestaltet wird

Der psychologische Modus besteht in einem „kollektiven Mit-

und nach Autonomie strebt. Kollektives Handeln spielt

gefühl“ (getragen vom Lebenstrieb) und in einer utopischen

dabei eine Schlüsselrolle und hat eine starke politische

Vision für die Gesamtheit einer sozialen Klasse (dann spricht

Dimension mit dem Ziel, gemeinschaftlich eine Gesellschaft

man von „Solidarität“) oder, in kleinerem Maßstab, für den

aufzubauen, die sich durch eine größere Solidarität und

begrenzten Mitgliederkreis einer Mikrogesellschaft, die ein

Resonanz auszeichnet.

paralleles Experimentum Mundi lebt. Die entschleunigte „Rück-

Diese Gegendynamik geht mit drastischen Einschränkungen

besinnung“ auf eine vorindustrielle Gesellschaftsform nimmt

(der Lebensweise, der Kultur, der verfügbaren Materialien usw.)

mitunter nostalgische, romantische und sogar mystizistische

Streben nach Entschleunigung

63


Züge an, wenn sie nicht in ein gewagtes Abenteuer abdriftet.

Berührung kommt) die bestehende Diskrepanz zwischen der

In jedem Fall knüpft sie an gesellschaftliche Archetypen an, die

Schnelligkeit des technischen Fortschritts und der Langsamkeit

tief im kollektiven Unbewussten vergraben sind. Das Imaginäre

der menschlichen Moral entgegen: „Aber die sittliche Anlage

beruht hier auf einem anderen Verhältnis zur produktiven Natur

der Menschheit, die […] ihr immer nachhinkt, wird sie, die in

(natürlicher, näher am Menschen, mit einem anderen Produk-

ihrem eilfertigen Lauf sich selbst verfängt und oft stolpert, (wie

tionsmaßstab) sowie auf der Neugestaltung einer „maßvolleren“

man unter einem weisen Weltregierer wohl hoffen darf) der-

Gesellschaft, das heißt mit reduziertem Konsum und auf die

einst überholen.“3 Vor dem Hintergrund der Aufklärung war

Befriedigung der Grundbedürfnisse ausgerichtet, allerdings

Kant der Überzeugung, dass im rasanten Wettlauf zwischen

angereichert mit neuen Kulturelementen und gesellschaftlichen

Moral und Fortschritt, der Konsum und Überfluss einschließt,

Werten, kraft derer die Einschränkungen und das damit zwangs-

am Ende die Moral siegen würde. Doch er hat sich geirrt. Im

läufig entstehende Gefühl von Verlust ertragen und überwunden

Zuge der zunehmenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert,

werden können. Bleibt die Frage, wie es bei diesem Modus

der Ausbreitung des Kapitalismus (mit seinen zyklischen

Operandi der Entschleunigung gelingt, neue Werte einzuführen,

Schwankungen, die dem Prozess der „schöpferischen Zerstö-

mit anderen Worten, auf welche ästhetische Ressourcen zu-

rung“ im Sinne Joseph Schumpeters innewohnen: Prosperität,

rückgegriffen wird, um mit den Einschränkungen und deren

Rezession, Depression, Erholung; siehe Kap. 3) und der immer

Sublimierung umzugehen.

gierigeren Bodenspekulation (1873 platzte die Spekulations-

Die „Rückkehr zur Ländlichkeit“ ist in der Geschichte ein wieder-

blase und löste wegen ihres Ausmaßes und ihrer internationa-

kehrendes Phänomen. Die Vision eines „Weltendes“ in Verbin-

len Tragweite die erste Große Depression aus) blieb ein

dung mit der Idee einer heilsamen „Rückkehr aufs Land“, wie

Großteil der Bevölkerung vom Fortschritt ausgeschlossen. Die

sie heute von den Vertretern der Kollapsologie propagiert wird

Industrialisierung verwandelte die Städte in überbevölkerte

(die Covid-19-Krise hat den Trend zur Stadtflucht noch beschleu-

und entsprechend ungesunde Metropolen und setzte die Ar-

nigt), erinnert an die Lebensreformbewegungen, die im ausge-

beiterklasse menschenunwürdigen Lebensbedingungen aus.

henden 19. Jahrhundert in England und im deutschsprachigen

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich die Hoffnung, die man

Raum aufkamen. Auf welchen Ideen basierte ihr Streben nach

in den technischen Fortschritt gesetzt hatte, infolge seiner ver-

Erneuerung und wie wurden diese in der Architektur umge-

heerenden Auswirkungen teilweise zerschlagen. Der Fort-

setzt? Wie verpflichteten sie zum Handeln? Im Folgenden wird

schritt hatte den Wettlauf gegen die Moral gewonnen.

die Bewegung der „Rückkehr zur Ländlichkeit“ – als Antwort auf Grundbedürfnisse und zugleich utopische Projektion einer

Walter Benjamin und der Engel der Geschichte

besseren Welt – anhand einiger Beispiele aus dem frühen

Im Zusammenhang mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus

20. Jahrhundert nachgezeichnet, auch um den Bogen zum

in Deutschland und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

heutigen Trend der Stadtflucht zu spannen, der von der Angst

kritisierte Walter Benjamin, der in Berlin in eine assimilierte

vor dem Klimawandel und vom Willen nach Entschleunigung

jüdische Familie geboren wurde und ab 1933 in Frankreich im

getragen wird.

Exil lebte, den Fortschritt. Er verglich ihn mit einem unkontrollierbaren Sturm, der den „Engel der Geschichte“ in die Zukunft

64

Anzweiflung des „Fortschritts“

treibt, obwohl sich dieser der Vergangenheit zuwenden will,

In diesem Kapitel wird der derzeit zunehmend in der Kritik

um deren Trümmer wieder aufzurichten. Benjamin ließ sich

stehende Begriff des Fortschritts als ein „Prozeß andauernder

dafür von einem Bild von Paul Klee inspirieren, das er in den

und zunehmender Vervollkommnung […], der […] von den

frühen 1920er Jahren erworben hatte:

Menschen selber zu planen und zu vollstrecken sei“,1 diskutiert.

„Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein

Wie in der Einleitung dargelegt, hielt schon Kant dem Leib-

Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im

niz’schen Postulat „progressus est in infinitum perfectionis“2

Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine

und der Idee Rousseaus von der Vervollkommnungsfähigkeit

Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine

des Menschen (insbesondere, wenn er mit der Natur in

Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß

Zurück zur Ländlichkeit

Anmerkungen Seite 95


so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zuge-

Sozialdemokratie, für den

wendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns

die Natur „gratis da ist“7

erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die

und ganz im Dienst des

unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor

Menschen steht. Entgegen

die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten

dieser positivistischen

wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein

Weltanschauung folgte

Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln

Benjamin eher dem Ansatz

verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht

von Joseph Fourier, der

mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam

die Frage der Natur mit

in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der

der Idee einer sinnvollen

Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir

gesellschaftlichen Arbeit

den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“

verband;8 die Ausbeutung

4

Demnach bewahren die Trümmerhaufen, die der Fortgang des

der Natur sollte den kol-

Fortschritts verursacht hat, in sich eine Erinnerung, die den

lektiven (und nicht dem

katastrophalen Lauf der Geschichte aufhalten kann. Der Engel

spekulativen) Interessen

will die Zeit verlangsamen, um innezuhalten und die Trümmer

untergeordnet werden.

wieder aufzurichten, doch vergeblich. Diese Kritik des Fort-

Diese Vorstellung, die sowohl die Natur als auch eine für die

schritts versucht aus der Dynamik der Beschleunigung

Gesellschaft als Ganzes sinnvolle Arbeit umfasst, war bereits in

auszubrechen, die die Menschheit in eine grauenvolle Zukunft

der englischen Reformbewegung des späten 19. Jahrhunderts

treibt. Dieser Text ist einer von vielen, die Walter Benjamin

weit verbreitet; diese stellte sich gegen die unbegrenzte Dyna-

auf seiner Flucht Hannah Arendt anvertraute, nachdem er

mik des Industrialisierungsprozesses, der drastische Auswir-

als Deutscher in Südfrankreich in ein Internierungslager

kungen auf die Städte und die ländlichen Gebiete hatte.

gesteckt worden war. In seiner Verzweiflung nahm er sich

Der Fortschritt, der für gewöhnlich mit dieser Dynamik in Ver-

wenig später, im September 1940, als er in Portbou, nahe

bindung gebracht wird, ist ein ins Unendliche strebender

der französischen Grenze festsaß, das Leben. Arendt ver-

Vektor. Doch weil die Moral nicht mehr einem Fortschritt

schickte Benjamins Manuskripte nach New York, wo sie 1942

entsprach, der sich schrittweise von jeglicher Moral losgesagt

veröffentlicht wurden.

hatte und nur noch der eigenen Bahn des „immer mehr“

Angesichts des Aufstiegs des Faschismus reflektierte Benjamin

folgte, mussten der Begriff des Fortschritts neu definiert und

über Geschichte und Zeit und stellte die Vorstellung vom linea-

neue Formen der Stabilität gefunden werden – ausgehend von

ren Verlauf des Fortschritts infrage:

der Natur, einschließlich der des Menschen. Wie und auf wel-

Paul Klee, Angelus Novus, 1920, aquarellierte Zeichnung aus Tusche u. Ölkreide auf vergilbter Radierung eines Luther-Porträts aus dem 19. Jh.

„Die Vorstellung eines Fortschritts des Menschenge-

cher Grundlage sollte eine Gemeinschaft geschaffen werden,

schlechts in der Geschichte ist von der Vorstellung ihres

die sich wieder mit der Natur verband? Im englisch- und

eine homogene und leere Zeit durchlaufenden Fortgangs

deutschsprachigen Raum des späten 19. und frühen 20. Jahr-

nicht abzulösen. Die Kritik an der Vorstellung dieses

hunderts stand die Natur im Vordergrund der Erneuerungs-

Fortgangs muß die Grundlage der Kritik an der Vorstellung

bestrebungen, die von dem Wunsch nach Versöhnung des

des Fortschritts überhaupt bilden.“5

Menschen mit seiner Umwelt getragen waren und ihren Aus-

Benjamins Zweifel am linearen Verlauf des Fortschritts schloss

druck in der Idealvorstellung der „Town-Country“ bzw.

die Ausbeutung der Natur mit ein. Gemäß seiner marxistischen

Gartenstadt fanden. Diese wurde nicht als Gegensatz zwischen

Auffassung sollte die „Arbeit, wie sie nunmehr verstanden

Stadt und Land begriffen, sondern als Idealstadt, die sich das

wird“, nicht „auf die Ausbeutung der Natur“ hinauslaufen,

Ländliche zu eigen machte und zur Natur zurückkehrte. Für

„welche man mit naiver Genugtuung der Ausbeutung des Pro-

diese Bewegung, die auf einem starken kollektiven Mitgefühl

letariats gegenüber stellt“, schreibt er und bezieht sich dabei

beruhte, mussten angemessene urbane und architektonische

auf Josef Dietzgen, einen wichtigen Akteur der deutschen

Formen gefunden werden. Es entstanden ganzheitliche

6

Anmerkungen Seite 95

Streben nach Entschleunigung

65


Modelle, die einen regelrechten „Kosmos“ schufen, in dem wieder eine Resonanz zwischen Mensch und Umwelt erzeugt und der Aufbau einer genossenschaftlich organisierten Gesell-

Ebenzer Howard: Die Gartenstadt als Vorbild der modernen Agrarstadt

schaft möglich wurde, die auf gemeinschaftlichem Handeln

Als Ausgangspunkt dient uns die von Ebenezer Howard (1850–

beruhte. Welche Form haben diese Gesellschaftsmodelle ange-

1928) ersonnene „Gartenstadt“, da sie in der Folgezeit Mo-

nommen? Mit welchen Mitteln lässt sich ein kollektiver Geist

dellcharakter für zahlreiche Stadtentwicklungsvorhaben hatte.

bilden?

Heute verbinden wir mit diesem Begriff meist eine einfache Wohnform und vernachlässigen die Philosophie, die dem Kon-

Die in diesem Kapitel vorgestellten Beispiele enthalten Refle-

zept der Gartenstadt innewohnt, obwohl sie in gesellschaftli-

xionen über das Wesen und die Ausrichtung des Fortschritts.

cher Hinsicht revolutionär war – und doch ist angesichts der

Dabei geht es auch um den Status der Natur (als Freizeitraum

heutigen Krisen wieder ein wachsendes Interesse daran festzu-

und als produktive Natur) angesichts des ungebremsten

stellen. Als Reaktion auf die verheerenden Auswirkungen der

Wachstums der Industriestädte. Die Projekte übermitteln eine

Industriellen Revolution – die katastrophalen hygienischen Zu-

Kritik der Undifferenziertheit des urbanen Raums, die von der

stände in den rußgeschwärzten, überbevölkerten Städten und

rein spekulativen Dynamik des Kapitals gesteuert wird; sie unter-

das Elend der Arbeiter – stellte Howard im Londoner Kontext

breiten differenzierte, durch „starke Formen“9 gegliederte

des späten 19. Jahrhunderts weitreichende Überlegungen zum

Lebensräume, die für die Allgemeinheit bestimmt sind. Diese

Verhältnis von Stadt und Land an. Er wollte die laufende Spe-

beruhen auf einer grundlegenden Fragestellung: Wie findet man

kulationsdynamik bremsen, indem er ein alternatives Gemein-

eine Form, die der Formlosigkeit der modernen Stadt, die

schaftsmodell im ländlichen Raum vorschlug.

gemeinschaftliche Räume ausmerzt, entgegenwirkt? Wie kann

Die Gartenstadt – nachgerade ein Modell sozialer Durchmi-

man ein Gegenmodell entwerfen, das makrokosmisch und

schung – soll wie ein Magnet sowohl die Stadt- als auch die

stark genug ist, um gegen die bestehenden Dynamiken

Landbevölkerung anziehen. Um diese Idee zu veranschaulichen,

standzuhalten, und das gleichzeitig vielfältige mikrokosmische

entwarf Howard ein Diagramm mit drei Magneten, die Stadt,

Erfahrungen zulässt, die das Entstehen einer anderen Welt-

Land und die von ihm sogenannte „Town-Country“ mit ihren

beziehung konkret ermöglichen?

Vorzügen und Schattenseiten darstellen. Dem krassen Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land setzte er das Idealmodell der „Stadt in der Landschaft“10 entgegen, die idealerweise die

Ebenezer Howard, aus: Tomorrow – A peaceful Path to Real Reform, 1898, „Die drei Magneten“ 66

Zurück zur Ländlichkeit

„Social Cities“, Vernetzung der Gartenstadt

„Garden-City“, Diagramm der Gartenstadt und des umgebenden Agrarlandes

Anmerkungen Seite 95


besten Eigenschaften von Stadt und Land vereinen sollte:

ihrerseits an das Fernbahnnetz angeschlossen ist. Es ist ein re-

„Schönheit der Natur. Soziale Chancen. Leicht zugängliche

gelrechter Mikrokosmos, der nach eigenen Regeln funktioniert

Felder und Parks. Niedrige Mieten. Hohe Löhne. Niedrige

und dennoch mit der Außenwelt verbunden ist.

Steuern. Viel zu tun. Niedrige Preise. Ohne Schwitzsystem. Platz für Unternehmertum. Kapitalfluss. Reine Luft und reines

Ein politisches Modell

Wasser. Gute Kanalisation. Helle Häuser & Gärten. Kein

Howard legte besonderes Augenmerk darauf, wie die Verwal-

Rauch. Keine Slums. Freiheit. Zusammenarbeit.“

tung des Bodens als Gemeingut gestaltet sein sollte, um die

11

Howard schlug mit seiner Gartenstadt eine Kompromiss-

Spekulation zu bekämpfen. Er folgte einer politischen Vision,

lösung vor, um die Nachteile der Lebensweisen in der Stadt

die auf eine Reform des Bodenrechts sowie eine Stärkung der

und auf dem Land zu beheben. Dafür übertrug er die guten

Macht der Kommunen und des Staates im Zuge der Urbanisie-

Eigenschaften der Stadt auf das Land und umgekehrt. Auf

rung setzte. Er erwog sogar, die Banken in eine soziale Rich-

diese Weise führte er die Stadt gleichsam zum Naturzustand

tung zu reformieren: Sie sollten die Gewinne an die Stadtkasse

zurück und erhob das Land zum Kulturzustand, indem er die

ausschütten und durch die Stadtverwaltung kontrolliert wer-

herkömmliche urbane Logik vollständig umkrempelte. So

den.12 Diese Vision ist in das Zeitgeschehen eingebettet. Zur

wurde die ländliche Langeweile mit Kultur und Bildung sowie

Erinnerung: Marx hatte 1867 Das Kapital veröffentlicht, also

einer neuen Gesellschaftsordnung überwunden, in der jeder

31 Jahre vor dem Erscheinen von Howards Gartenstadt-Projekt.

Einzelne am kollektiven Leben teilnahm.

In Bezug auf den Kommunismus nahm Howard eine ambiva-

Die ideale Raumordnung basiert hier auf einem Prinzip von

lente Haltung ein: „Gewiß ist er ein vorzügliches Prinzip, und

Ringen mit einer Gartenanlage im Zentrum, um die sich das

bis zum gewissen Grad sind wir alle Kommunisten, selbst die,

Rathaus, die Kultureinrichtungen und das Krankenhaus grup-

die bei dem bloßen Gedanken schaudern, so genannt zu wer-

pieren; daran schließt ein großer „Zentralpark“ an. Rund um

den. Wir alle glauben an kommunistische Straßen, Parks, Biblio-

diesen Park läuft eine verglaste Galerie als Einkaufszentrum,

theken usw. Aber darum dürfen wir doch den Individualismus

der „Kristallpalast“. Um sie herum erstreckt sich ein Wohnviertel,

nicht unterschätzen.“13 Er verteidigt auch die Notwendigkeit

das durch Avenuen untergliedert ist; an der breitesten und

des Wettbewerbs, um das menschliche Handeln anzuspornen,

prächtigsten Avenue, die als kreisförmiger Park angelegt ist,

insbesondere hinsichtlich der Art und Weise, wie das Land zu

stehen die Schulen. Am Außenring befinden sich die Fabri-

bewirtschaften sei, da die Produktivität der Kommune eine

ken, deren Grundstücke direkt an der Ringbahn liegen, die

gute Bodenrente einbringt, die für ihr Funktionieren unerlässlich ist. Allerdings sollte der freie Wettbewerb nicht zu einem System der Ausbeutung führen; die Unternehmen seien „natürlich an das allgemeine Landesgesetz sowie an die Vorschriften gebunden, die für Werkstätten bestimmte Raumverhältnisse und gesundheitliche Bedingungen vorsehen“14. Ziel ist es, die Qualität der Produkte und die Produktion in einer gerechteren und sozial verträglicheren Weise zu verbessern. Um die Fehler des Kapitalismus zu korrigieren, soll Howard zufolge der Markt reguliert werden, damit es nicht zu Überproduktion und Handelsverlusten kommt. So sollten die Ladengeschäfte im „Kristallpalast“ der Aufsicht durch die Gemeinde unterliegen, die einen Numerus clausus festlegt, um sie vor der Konkurrenz zu schützen, gleichzeitig aber auch die Konsumenten, die, sollten sie mit den Produkten oder Preisen unzufrieden sein, fordern können, dass ein anderes Fachgeschäft dersel-

„Ward and Centre Garden-City“, Ausschnitt des Planes der Gartenstadt

Anmerkungen Seite 95

ben Branche die Genehmigung erhält, sich in der Gartenstadt

Ebenezer Howard: Die Gartenstadt

67



Gordon Matta-Clark, Conical Intersect, Paris, 1975, Fotograf: Harry Gruyaert

3Schaffen durch Zerstören Beschleunigung als Mittel zum Zweck Zeit: Beschleunigung Psychologie: Destruktionstrieb und Sublimierung Modus Operandi: Herbeiführung des Niedergangs, um Erneuerung in Gang zu setzen

Der Handlungsmodus, den dieses Kapitel nun beleuchtet,

und die Zeit beschleunigen. Gleichwohl kann der Destruktions-

beruht auf einem Akt der Zerstörung. Dabei kann es unter-

trieb über den Umweg der Sublimierung in produktive und

schwellig durchaus konstruktive Ambitionen geben, da Zer-

künstlerische Tätigkeiten umgewandelt werden. Wie Freud

störung auch neue Horizonte zu eröffnen vermag; dafür muss

unterstreicht: „Am meisten erreicht man, wenn man den Lust-

aber erst eine „Grundreinigung“ erfolgen. Daher wird es hier

gewinn aus den Quellen psychischer und intellektueller Arbeit

um Geschichte gehen und die Vorstellung vom „reinen Tisch

genügend zu erhöhen versteht. Das Schicksal kann einem

machen“, die Nietzsche häufiger bemühte, sowie um Fortschritt

dann wenig anhaben. Die Befriedigung solcher Art, wie die

und Entropie, um Beschleunigung und ihre ökonomischen,

Freude des Künstlers am Schaffen, an der Verkörperung seiner

ökologischen, urbanen und sozialen Folgen.

Phantasiegebilde […] haben eine besondere Qualität.“1 Nicht

Aus psychologischer Sicht ist die Triebkraft des schöpferischen

nur Künstler:innen, auch Architekt:innen vermögen sich die-

Handelns hier der Todestrieb (oder Destruktionstrieb), den

ses schöpferischen Elans in Momenten realer und zugleich

Freud in der Folge der Traumata des Ersten Weltkriegs theo-

ontologischer Krisen zu bedienen, um einem sich ihnen als

retisierte und der im Gegensatz zum Lebenstrieb mit Auflösung

unabänderlich darbietenden „Schicksal“ zu entrinnen. Dieses

verbunden ist: Er will zerschlagen, vernichten, zerstören und

Schicksal gilt es zu verändern: Der Vorgang der Beschleunigung

das Lebendige in seinen anorganischen Zustand zurückführen

zielt auf das schnellere Eintreten des Niedergangs ab, gefolgt

und zielt dabei in erster Linie auf das Subjekt selbst ab. Mit

von einem Akt der Sublimierung, der die Zeit aufhebt, um ein

diesem Auflösungsprozess ist zugleich ein fortwährender

radikal neues Feld potenzieller Möglichkeiten zu eröffnen.

Kampf zwischen Eros und Thanatos verbunden. Der Destruk-

Diese psychologische Dynamik liegt allen Projekten zugrunde,

tionstrieb, der einem Wiederholungszwang unterliegt, gewinnt

die in diesem Kapitel vorgestellt werden und deren Schaffens-

die Oberhand über das Lustprinzip, da er innere Spannungen

modus auf einem zerstörerischen Vorgehen beruht. Getrieben

abbaut. Um sie schnellstmöglich zu lindern, will man zerstören –

vom Wunsch nach Beschleunigung, haben manche Architekten

Anmerkungen Seite 131

Beschleunigung als Mittel zum Zweck

99


andere Räume und Zeitlichkeiten zu erschaffen versucht, ent-

Bruch mit der Geschichte und Tabula rasa

weder um eine „neue Welt“ zu entwerfen (die radikal moder-

Der Zerstörungsakt stellt das Verhältnis zur Geschichte grund-

ner, gerechter, hygienischer, sinnlicher usw. sein sollte) oder

sätzlich infrage. Nietzsche zufolge hat das sehnsüchtige

um das Alte auszulöschen – manchmal ohne eine bestimmte

Bewusstsein des Vergangenen eine lähmende Wirkung: „zu

Zukunftsperspektive vor Augen zu haben. „Schaffen durch

allem Handeln gehört Vergessen“,2 damit es Wandel geben

Zerstören“ beschreibt diesen doppelten Vorgang der Zerstö-

kann:

rung und Sublimierung in der Architektur (und in der Kunst).

„[e]s giebt einen Grad von Schlaflosigkeit, von Wieder-

Genaugenommen handelt es sich, je nach Fall, um eine

käuen, von historischem Sinne, bei dem das Lebendige zu

Schöpfung, die proaktiv durch einen Zerstörungsakt oder re-

Schaden kommt, und zuletzt zu Grunde geht, sei es nun

aktiv im Anschluss an eine erlittene Zerstörung erfolgt, indem

ein Mensch oder ein Volk oder eine Cultur. Um diesen

eine prospektive oder eine aperspektivische (perspektivlose,

Grad und durch ihn dann die Grenze zu bestimmen, an der

nihilistische) Haltung eingenommen wird. Bei der Analyse der

das Vergangene vergessen werden muss, wenn es nicht

Beispiele wird es darum gehen, auf diese feinen Unterschiede

zum Todtengräber des Gegenwärtigen werden soll, müsste

zu achten, da sie jeweils nicht nur einen eigenen Zeitablauf,

man genau wissen, wie gross die plastische Kraft eines

sondern auch eine jeweils andere psychologische Disposition

Menschen, eines Volkes, einer Cultur ist, ich meine jene

implizieren. Diese auf psychischen Reaktionen beruhenden

Kraft, aus der sich heraus eigenartig zu wachsen, Vergan-

zeitlichen Eingriffe können sich in unterschiedlichen ästheti-

genes und Fremdes umzubilden und einzuverleiben,

schen Haltungen niederschlagen, die in Momenten der Insta-

Wunden auszuheilen, Verlorenes zu ersetzen, zerbrochene

bilität und an Kipppunkten in Erscheinung treten. Worin

Formen aus sich nachzuformen.“3

bestehen die von Architekten vorgenommenen Zerstörungs-

Für den Philosophen der deutschen Romantik ist die Fähigkeit

akte, welches sind die Sublimierungsmodi und wie lautet ihre

zu vergessen befreiend, gleichzeitig unterstreicht er, wie

symbolische Botschaft an die Gesellschaft? Welche Ziele ver-

wichtig es ist, sich im richtigen Augenblick erinnern zu können,

folgen sie und welche Ästhetik bringen sie hervor? Welcher

denn „das Unhistorische und das Historische ist gleicher-

Natur sind die Beschleunigungsstrategien und welche Aus-

maassen für die Gesundheit eines Einzelnen, eines Volkes

wirkungen haben sie auf Stadt, Gesellschaft und Umwelt?

und einer Cultur nöthig“.4 Um von der Geschichte nicht zermalmt zu werden, sondern fortwährende Erneuerung zu ge-

Nietzsches Dionysos: „reinen Tisch machen“

währleisten, die ihrerseits in die Geschichte eingeht, plädiert Nietzsche dafür, dass jeder Mensch seinen eigenen Horizont,

100

Der Zerstörungsakt kann mit einem dionysischen Ritual

seine eigene Weltanschauung erschaffen sollte, die Voraus-

einhergehen, da dieser mit allem Apollinischen (Schönheit,

setzung, damit „der Mensch zum Menschen [wird]“.5 Auf

Harmonie, Beständigkeit) aufräumt. Umwälzungen und der

diese Weise führt er einen neuen Ansatz ein, der es dem In-

Verlust von Bezugspunkten ermöglichen eine tiefergehende

dividuum ermöglicht, frei zu denken und zu handeln – und

Befreiung, indem sie mit der alten Welt reinen Tisch machen,

also auch mit der Geschichte zu brechen, wann immer es ihm

der Conditio sine qua non für Erneuerung: Man muss sich

beliebt, um ein neues Kapitel aufzuschlagen.

des Vergangenen entledigen, um handeln zu können.

Seine romantisch-dionysische Vorstellung, „aus dem Nichts

Diese Haltung wird von der Figur des Dionysos verkörpert,

Werte zu erschaffen“,6 kommt in der Wendung „reinen Tisch

die Nietzsche mit einem Bruch mit der Geschichte assoziiert,

machen“ zum Ausdruck, die in mehreren seiner Schriften auf-

wobei der schöpferische Handlungsmodus in der Tabula

taucht. In Ecce Homo erklärt Nietzsche: „Und warum sollte

rasa besteht. Die Überlegungen des Philosophen sind

ich nicht bis ans Ende gehn? Ich liebe es, reinen Tisch zu

hier von besonderem Interesse, da er einen Schlüssel

machen.“7 Das ist eine mögliche Weise, die Gedanken zu

zum Verständnis dieses sonderbaren Zerstörungsmodus

befreien, um etwas erschaffen zu können. Diese Vorstellung

liefert, der letztlich die Bedingung schlechthin für jede

wird in seinem Werk Die Genealogie der Moral verinnerlicht

radikale Schöpfung zu sein scheint.

und mit dem Bewusstsein verbunden, der Stille einen Raum

Schaffen durch Zerstören

Anmerkungen Seite 131


zu geben, damit Unerwartetes zum Vorschein komme: „Die

an eine Krisis, wie es keine auf Erden gab, an die tiefste

Thüren und Fenster des Bewusstseins zeitweilig schliessen;

Gewissens-Collision, an eine Entscheidung, heraufbe

[…] ein wenig Stille, ein wenig tabula rasa des Bewusstseins,

schworen gegen Alles, was bis dahin geglaubt, gefordert,

damit wieder Platz wird für Neues.“8

geheiligt worden war. Ich bin kein Mensch, ich bin

In solchen Momenten der Schwebe, des Vergessens und des

Dynamit.“13

Bruchs mit der historischen Zeit bieten sich unversehens

Nietzsche, der alle Werte umwertete, war überzeugt: „Wir

Schöpfungsakte dar. Bei der Frage nach den Beweggründen

werden die Zeitrechnung verändern, ich schwöre es ihnen

eines solchen Vorgangs des Schaffens-durch-Zerstören unter-

zu.“14 Ziemlich kühn stellte er die christliche Zeitrechnung in

scheidet Nietzsche zwischen Nihilisten, die vom „Hass des

Abrede, hatte aber gleichzeitig „schreckliche Angst davor,

Missrathenen“ getrieben sind (eine Haltung, die er entschie-

dass man mich eines Tages heiligspricht […]. Ich will kein

den ablehnt), und der dionysischen Lust, die ihn fasziniert:

Heiliger sein, lieber noch ein Hanswurst.“15 Doch seine Nach-

die gepeinigte Seele des Philosophen oder Künstlers, der in

folger sollten anders entscheiden. Seine Schriften, insbeson-

seinem zutiefst romantischen Erkenntnisstreben fortwährend

dere der dionysische Begriff des Übermenschen, wurden ins

sich selbst sucht.

Gegenteilige umgedeutet (unterm Strich blieb nur der „Wille

Die dunkle und tragische Seite der Schaffenskraft verdichtet

zur Macht“ übrig), weit entfernt vom Streben des Selbst nach

sich im Lachen „jenes dionysischen Unholds […], der

Transzendenz, das für ihn mit einer Emanzipation des Denkens

Zarathustra heisst“ und in dessen taumelndem Tanz im

einherging.

Sturm. Das Lachen und der Tanz des Propheten, die Nietzsche

Nietzsches Plädoyer für den befreienden „reinen Tisch“

schildert, sind die symbolischen Vorboten einer Welt, die sich

machte Schule und fand über die Philosophie hinaus Eingang

auflöst, um sich in „der ganzen wundervollen Ungewissheit

in die Praxis, vor allem in Architektur und Städtebau. Fasziniert

und Vieldeutigkeit des Daseins“,11 wie Nietzsche begeistert

von der Figur des Architekten, projizierte Nietzsche ein be-

formuliert, neu zusammenzusetzen. Das Lachen resultiert aus

stimmtes Handlungsvermögen in sie hinein: „hier ist es der

der kritischen Distanzierung von der Gesellschaft und ist eine

grosse Willensakt, der Wille, der Berge versetzt, der Rausch

plötzliche Reaktion auf die Bewusstwerdung unseres In-der-

des grossen Willens, der zur Kunst verlangt.“ Für ihn war

Welt-seins in Abweichung zur Gesellschaft. Diese Art der

Architektur „eine Art Macht-Beredsamkeit in Formen, bald

Distanzierung haben wir beim Monte Verità gesehen (Kap. 1),

überredend, selbst schmeichelnd, bald bloss befehlend. Das

wo der von jeglichen Konventionen befreite Tanz die gel-

höchste Gefühl von Macht und Sicherheit kommt in dem zum

tende Moral zerrüttet. Nietzsche führt ins Feld, dass es eine

Ausdruck, was grossen Stil hat.“16 Kein Wunder, dass diese

absolute Wahrheit nicht gibt und dass jeder Mensch seinen

Faszination sich auf manche Architekturströmungen übertrug,

Weg finden muss, um der zu werden, der er ist. So wendet

verlieh Nietzsche doch dem Architekten durch den „grossen

sich Zarathustra an seine Schüler und stellt klar: „Hier redet

Willensakt“ eine einzigartige Macht als ordnende Kraft, die

kein Fanatiker, hier wird nicht ,gepredigt‘, hier wird nicht

bis dahin noch niemand so ausformuliert hatte.

9

10

Glauben verlangt“ – und fordert sie auf, sich selbst zu folgen. 12

Lachen, Tanzen, Ungewissheit, Vergessen, zersprungene Formen und „reinen Tisch machen“ sind die Modi Operandi eines zerstörerischen Schaffens, das zugunsten einer künstle-

Marinetti und Sant’Elia: Die Manifeste des Futurismus, 1909/1914

rischen Suche mit der Geschichte bricht. Wie ein Ende 1888,

In Italien setzte die Nietzsche-Rezeption zunächst im literari-

kurz vor seinem Zusammenbruch, verfasstes Manuskript

schen Bereich mit D’Annunzio ein, bekam aber 1908 mit

deutlich macht (posthum 1908 in Ecce Homo publiziert),

Mussolinis Aufsatz über die „Philosophie der Stärke“17 als

wusste Nietzsche durchaus, welchen Sprengstoff sein Werk

Antwort auf einen Vortrag des Abgeordneten Treves über

beinhaltete:

Nietzsches Buch Der Wille zur Macht (1901 postum von

„Ich kenne mein Loos. Es wird sich einmal an meinen

Nietzsches Schwester herausgebracht, die seine Schriften

Namen die Erinnerung an etwas Ungeheures anknüpfen, –

nach Belieben zusammenstellte und veränderte18) eine eminent

Anmerkungen Seite 131

Marinetti und Sant’Elia: Die Manifeste des Futurismus

101



Robert Delaunay und Felix Aublet, Innenausstattung der kegelstumpfförmigen Halle des Palais de l’Air, realisiert von der Association Art et Lumière, Architekten: Audoul, Hartwig, Gerodias, Exposition Internationale des Arts et Techniques, Paris, 1937; im Vordergrund: verschiedene Flugzeugmotoren; Fotograf: Henri Baranger

4

Wiederverzauberung der Welt Aufhebung der Zeit durch einen Sprung in die Zukunft

Zeit: Aufhebung der Zeit Psychologie: Lebenstrieb und Verdrängung Modus Operandi: Einklammerung der Krise zwecks Projizierung in die Nachkrisenzeit

Nach einer Krise oder einer großen Katastrophe, wie sie ein

erachtete Vorstellungen abweist und vom Bewusstsein fernhält.

Krieg darstellen kann, drängt sich die Frage der Identität und

Es sei auch an das Postulat „zu allem Handeln gehört Verges-

der Kultur als Seele einer Gesellschaft geradezu zwingend

sen“ von Nietzsche erinnert,2 der damit auf die lähmende

auf. Wie lässt sich in einer Gesellschaft nach einer Krise oder

Wirkung des Wissens um die Vergangenheit verwies; mithin

einem Konflikt unser kollektives „Sein“ wiederaufbauen, wie

sollten wir uns des Geschichtssinns und der Erinnerung entle-

können die Sehnsüchte nach einem besseren Leben in Frieden,

digen, wenn Letztere uns zu schaden beginnt, lautete die

in Resonanz mit der Gesellschaft und im Gleichgewicht mit

Schlussfolgerung des Philosophen noch vor Freud und dessen

der Umwelt erfüllt werden? Die Antworten fallen den jeweiligen

Theorie der Verdrängung. In diesem Kapitel steht also nicht

Herausforderungen und Bedürfnissen einer Epoche entspre-

das „reinen Tisch machen“ im Fokus, sondern die „Verdrän-

chend unterschiedlich aus.

gung“ als psychische Abwehrstrategie gegen den durch

Der Wunsch nach einer Wiederverzauberung der Welt während

große Krisen ausgelösten Destruktionstrieb, wodurch der

oder nach einer Krise gehorcht einer von den Lebenstrieben

Lebenstrieb wieder die Oberhand gewinnen kann. Welche

befeuerten Dynamik der Selbsterhaltung, Selbstliebe und

Werkzeuge haben Architekt:innen zur Hand, um die Vision

Nächstenliebe, die Freud „Eros“ oder „Libido“ nennt. Es ist

einer besseren Welt zu entwerfen? Inwieweit können Architek-

der Versuch, das Zersprengte wieder zusammenzufügen,

turprojekte eine politische Dimension haben und konkret auf

indem der Destruktions- und Spaltungstrieb neutralisiert wird.

unser Leben einwirken?

Der vereinigende Lebenstrieb kann mit Verdrängung einher-

Der Vorgang der „Wiederverzauberung der Welt“ weist eine

gehen, deren Wesen Freud zufolge „nur in der Abweisung

doppelte Zeitdimension auf und besteht zunächst aus einer

und Fernhaltung vom Bewußten besteht“.1 Verdrängung ist

Aufhebung der Zeit, um sich dem Hier und Jetzt zu entziehen,

die priorisierte Form der Triebabwehr und ein Vorgang, bei dem

und anschließend aus einer Projektion in eine bessere Zukunft.

das Subjekt als unangenehme und als mit dem Ich unvereinbar

Wie schlägt sich diese zeitliche Doppelbewegung bei den

Anmerkungen Seite 166

Aufhebung der Zeit durch einen Sprung in die Zukunft

135


Vernetzung: Vom Global Village zu architektonischen Phantasmagorien Das Aufkommen der Informatik hat auch Sozialwissenschaftler, Schriftstellerinnen, Künstler und Architektinnen dazu animiert, phantasmagorische Vorstellungswelten zu entwickeln, wobei die Möglichkeit einer computervernetzten Menschheit nicht nur neue Perspektiven eröffnete, sondern auch neue Ängste schürte. Diese beiden Aspekte finden sich auch im Buch The Gutenberg Galaxy. The Making of Typographic Man von Marshall McLuhan aus dem Jahr 1962. McLuhan setzte sich kritisch mit dem Beginn des Computerzeitalters auseinander und prägte den Begriff „Global Village“. Er ahnte voraus, dass die „Massenmedien“ die Welt in ein „globales Dorf“ verwandeln würden. Die „Gutenberg-Galaxis“ vereint, wie in Paul Otlets (ebenso vorausschauendem) Projekt, alle verzeichneten menschlichen Kunstwerke und Wissensbestände in sich – in einer Welt, die zu einem riesigen Computer geworden wäre: „Statt sich auf eine riesige alexandrinische Bibliothek hinzubewegen, ist die Welt ein Computer geworden, ein elektronisches Gehirn, wie wir das in einem kindischen Zukunftsroman lesen können. Und so wie unsere Sinne sich

Carl Andre, Essay On Sculpture For E. C. Goossen, 1964, Schreibmaschinenschrift auf Papier, 28 × 21 cm, aus: Carl Andre, Things in Their Elements, London 2011

nach außen begeben haben, so dringt der Große Bruder in

156

uns ein. Folglich werden wir, wenn wir uns dieser Dynamik

entschließt, diese visuelle Technik durch eine elektrische

nicht bewußt sind, schlagartig in eine Phase panischer

Technik einzuschränken, wird auch der Individualismus

Schrecken hineingeraten, was genau zu unserer kleinen, von

eingeschränkt.“61

Stammestrommeln widerhallenden Welt, zu unserer völligen

McLuhan unterstrich die Bedeutung des Übergangs von der

Interdependenz und aufgezwungenen Koexistenz paßt. […]

mündlichen Überlieferung zur schriftlichen, die durch die

Der Terror ist in jeder oralen Gesellschaft der Normalzustand,

Schrift segmentiert und homogenisiert worden sei, während

denn in ihr wirkt allzeit alles auf alles ein. […] In unserem

die neue elektrische Kultur eine Rückkehr zur Stammeskultur

langen Bemühen, für das Abendland wieder eine Einheit

mit sich bringe, die der oralen Kultur ähnle. Unsere „neue

des Empfindens, des Denkens und Fühlens zurückzuerlangen,

elektrische Zivilisation“ stelle „unser Leben wieder auf die

sind wir ebensowenig darauf gefaßt gewesen, die sich aus

Basis einer neuen Stammeskultur“, schrieb er zu Beginn des

einer solchen Einheit ergebende Stammeskultur anzunehmen,

Informatikzeitalters in der Überzeugung, dass die Technologie

wie wir auf die Fragmentierung der menschlichen Psyche

das Selbstverständnis des Menschen tiefgreifend verändern

durch die Buchdruckkultur vorbereitet waren.“60

würde, sowohl individuell als auch kollektiv.62 Die Geschichte

McLuhan stellte die These auf, dass der Buchdruck (im Unter-

hat ihm Recht gegeben.

schied zur Manuskriptkultur) den Menschen individualisiert

Die Rückkehr zur Stammeskultur ist in gewisser Weise eine

bzw. „entkollektiviert“ habe:

Rückkehr zum Archaischen. Die Faszination für das Archaische

„Der Buchdruck bildet die Endphase der Alphabet-Kultur,

findet sich bei David Greene, dem Mitbegründer der britischen

die den Menschen in erster Linie aus dem Stammesverband

Architektengruppe Archigram, ebenso wieder wie bei den

gerissen oder entkollektiviert hat. […] Der Buchdruck ist die

amerikanischen Minimalisten mit ihren rätselhaften, stummen

Technik des Individualismus. Wenn nun die Menschheit sich

Gegenständen, die wie aus vorgeschichtlichen Zeiten zu

Wiederverzauberung der Welt

Anmerkungen Seite 167


stammen scheinen, als die Schrift noch nicht erfunden war. Die Auflösung der Sprache im Sinne herkömmlicher Sprachformen vollzog bereits Kurt Schwitters mit seiner Ursonate (1922 –1932) nach dem Trauma des Ersten Weltkriegs, wobei Raketengeräusche die Satzstrukturen zerstören. Nach dem darauffolgenden Krieg setzte gegen Ende der 1950er Jahre die Wiener Gruppe (Achleitner, Artmann, Bayer, Rühm, Wiener) diese auflösend-neukomponierende experimentelle Tendenz mit Lautgedichten, Atemgedichten, Partituren und bildhaften „Topologien der Sprache“ (Konrad Bayer) fort – so, als ob nach einer schweren Katastrophe

Hans Hollein, Mobiles Büro, 1969, Installation, Foto und Film: Hans Hollein beim Zwischenstopp mit Reißbrett und Telefon am Flugfeld Aspern bei Wien

die Sprache selbst erst wieder neu erfunden werden müsste. Carl Andre, den der Besuch

dass die Zeichnung seines Hauses bald fertig sei. Der Kurzfilm

von Stonehenge 1954 tief beeindruckt hatte, schuf Anfang

Mobiles Büro feierte eine Erfindung, die uns dank des Telefons,

der 1960er Jahre Schriftbilder, in denen er die Sprache, völlig

das Hollein sich hellsichtig als drahtloses, mobiles Gerät vor-

sinnentleert, auf Wortgebilde reduzierte (…cockcockcock…)

stellte, von räumlichen Zwängen befreit. Allein die Vorstellung

und sie zu Rechtecken oder anderen geometrischen Figuren

einer Vernetzung des gesamten Globus und einer Mobilität

anordnete. Die Form gewann die Oberhand über den Inhalt,

ohne Einschränkungen stellte schon damals die Kultur- und

die geschriebene Sprache verschwand in abstrakten Figuren.

Weltsicht auf den Kopf.

Seine massiven, dunklen Skulpturen, auch aus unbehandeltem Holz, scheinen mehr der oralen, altüberlieferten und tribalistischen Tradition verbunden zu sein als der Schrifttradition. Schon lange vor dem Internet war die Vorstellung einer Ver-

Archigram, David Greene: Rokplug und Logplug, 1969

netzung der ganzen Welt, einer generalisierten Zusammenschaltung aller Erdbewohner:innen ein Traum, der viele

Ungefähr zur selben Zeit, als Cedric Price den Fun Palace ent-

Künstler:innen und Architekt:innen inspirierte, die über neue

warf, machte sich eine Gruppe junger Londoner Architekten

Wege nachdachten, die Erde zu bewohnen, beispielsweise in

daran, in Abkehr von der funktionalistischen Nachkriegsarchi-

mobilen und ultravernetzten Kapseln. 1969 erfand Hans Hollein

tektur des Wiederaufbaus eine andere Art des Bauens zu er-

ein ephemeres, aufblasbares, mobiles Büro, das überall aufge-

finden, die die Welt ein Stück weit wiederverzaubern könnte.

stellt und beliebig umgestellt werden konnte. Er ließ sich filmen,

Aus der Popkultur kommend, versuchten sie die Kriegszeit

wie er in einer Blase auf dem Boden sitzt, ein Zeichenbrett auf

und die darauf folgenden Krisenjahre mit ihren Erzählungen

den Knien; im Hintergrund sind Sportflugzeuge zu sehen. Als

und Architekturfantasien schnellstmöglich zu vergessen. Die

sein Telefon klingelt, hebt er ab und erklärt seinem Kunden,

Jugend hatte damals nur einen Wunsch: sich schleunigst von

Anmerkungen Seite 167

Archigram, David Greene: Rokplug und Logplug

157


Smart City Taiwan: https://www.twsmartcity.org.tw/en

Moderator: Guillaume Erner, 28. 9.2020: https://www.radiofrance.fr/

(zuletzt aufgerufen am 6.4.2023).

franceculture/podcasts/l-invite-e-des-matins/confines-deconfines-re

Williams, Alex und Srnicek, Nick, #Beschleunigungsmanifest für eine

confines-que-faire-de-notre-incertitude-avec-francois-hartog-et-

akzelerationistische Politik (2013), übers. von Samir Sellami und

frederic-worms-5412638 (zuletzt aufgerufen am 14. 4.2023).

Frederik Tidén, online: https://www.designing-history.world/beschleu

Rosa, Hartmut, Quelles relations aux autres dans la société moderne?,

nigungsmanifest-fuer-eine-akzelerationistische-politik/ (zuletzt aufgeru-

Radiosendung von France Culture, 26. 9. 2018: https://www.francecul

fen am 16.3.2023).

ture.fr/emissions/la-grande-table-2eme-partie/quelles-relations-auxautres-dans-la-societe-moderne

Wörterbücher Bailly, Wörterbuch Griechisch–Französisch (1894), Paris 1935. Chantraine, Pierre, Dictionnaire étymologique de la langue grecque, Paris 1968. Dictionnaire de l’académie française, 5e éd., Paris, 1798. Dictionnaire étymologique CNRTL des CNRS (Centre national de la recherche scientifique). Duden. Das große Fremdwörterbuch, Mannheim 2007. Gaffiot, Wörterbuch Lateinisch– Französisch, Paris 1934. Larousse: https://www.larousse.fr/dictionnaires/francais/rituel/69584 Le Robert: https://dictionnaire.lerobert.com/definition/contretemps Musiklexikon online: https://musikwissenschaften.de/lexikon/v/ver zoegerung/ TLFi, Le Trésor de la Langue Française informatisé: http://stella.atilf.fr/

Radio Audoin-Rouzeau, Stéphane, Il y a un imaginaire de fin de guerre qui, avec la crise du Covid-19, n’arrivera jamais, Radiosendung von France Culture, 15.4.2020: https://www.franceculture.fr/emissions/linvite-desmatins/stephane-audoin-rouzeau-est-linvite-des-matins (zuletzt aufgerufen am 10.1. 2023). Castel, Pierre-Henri, Pollution, inondations, contaminations: comment vivre avec la peur?, Radiosendung von France Culture: L’Invité(e) des Matins, Moderator: Guillaume Erner, 28.10.2019 a: https://www.franceculture.fr/emissions/linvite-des-matins/pollution-inondations-contami nations-comment-vivre-avec-la-peur (zuletzt aufgerufen am 3.1. 2023). Castel, Pierre-Henri, Effondrement: 2019 ou la fin des temps?, Radiosendung von France Culture: L’Invité(e) des Matins, Moderator: Guillaume Erner, 31.12.2019 b: https://www.radiofrance.fr/francecul ture/podcasts/l-invite-e-des-matins/effondrement-2019-ou-la-fin-destemps-2355938 (zuletzt aufgerufen am 3.1.2023). Gayraud, Agnes in einer Radiosendung von France Culture, Reihe „69, année philosophique“, Folge 2/4: „Adorno, mort d’un antimoderne“, 1.10. 2019: https://www.radiofrance.fr/franceculture/pod casts/les-chemins-de-la-philosophie/adorno-mort-d-un-anti-moderne5117463 (zuletzt aufgerufen am 3.1.2023). Hartog, François, Confinés, déconfinés, reconfinés: que faire de notre incertitude?, Radiosendung von France Culture: L’Invité(e) des Matins,

192

Anhang


Index

Bakunin, Michail 85

Chenal, Pierre 114

Bangkok 122, 124

Chiattone, Mario 104

Banham, Reyner 151

Chipiez, Charles 138

Absolutismus 38, 44

Barcelona 117

Chirico, Giorgio de 6, 168f., 172

Achleitner, Friedrich 157

Bard, Jean 81

Chronos 27, 32, 146, 174, 176

Adorno, Theodor W. 12, 17, 30

Baron, Erich 85, 97

Churchill, Winston 149

Agrargenossenschaft 73f.

Baumgarten, Siegmund Jacob 18

Cité Mondiale 136

Agrarreform 68

Bayer, Konrad 157

Città Nuova 103–106, 131

Ahrenberg, Theodor 146

Belviso, Francesca 102, 131

Colbert, Jean-Baptiste 113, 127

Aisthetik 31, 82, 96, 119

Benedikt von Nursia 177

Computermensch 147f., 162, 172

Akzelerationismus 120f., 123, 171

Benjamin, Walter 61, 64f., 73, 93, 95, 106,

Conrad, Peter 178, 180

akzelerationistisch 106, 121, 123ff., 130, 133

131, 173ff., 176

contretemps/contre-espaces 172, 176

Algier 117

Bergson, Henri 176

Cues, Nicolaus von 22, 31

Alloway, Lawrence 151, 166

Bernoulli, Hans 74, 96

Altmann-Loos, Elsie 95

Berthault, Louis-Martin 43

D’Annunzio, Gabriele 101

Amaldi, Paolo 88, 97, 104, 131, 166

Beschleunigung 7f., 10f., 15–18, 20f., 24, 28,

Dalí, Salvador 173

Anarchitecture 118, 132

29, 68, 86, 92, 99, 102, 108, 115, 119f., 124,

Damaschke, Adolf 74

Anders, Günther 13

130, 142, 171, 178, 180

Dante 16, 37

Angst 7, 11, 13, 26, 30, 165, 169, 173

Beschleunigung(sdynamik) 121, 130

David, Jacques-Louis 41ff., 60f

Anthropozän 24, 57, 174

Bezos, Jeff 129

Delaunay, Robert 135, 143f.

Antwerpen 117

BIG (Bjarke Ingels Group) 125ff, 129f., 133

Delécluze, Étienne-Jean 60f.

Apokalypse 11, 13, 21, 24, 26, 30, 35, 106,

Birobidschan 83

Demiurg, demiurgisch 89, 116, 126, 128

178, 182

Blum, Léon 144

Dessauer Bauhaus 75, 83, 97

_ architektonische 86, 97

Boccioni, Umberto 106

Destruktion(strieb) 14ff., 28, 38f., 41f., 45,

apollinisch 20, 100, 118

Bodenreform 74, 96, 107

60, 70, 99, 117, 119, 132, 135

Appia, Adolphe 150

Böhme, Gernot 18, 31, 82, 96

Detroit 120f.

Archaismus 8, 28f, 35, 44, 55ff., 58, 165, 169

Bois, Marcel 97

Deutsche Gartenstadtgesellschaft 84

Arché 28, 35, 54, 165, 170

Booth, Andrew 151

Diderot, Denis 42

Archetypus (-typisch) 28, 35 –38, 41, 43, 47,

Borromini, Francesco 142, 166

Dietzgen, Josef 65, 95

49, 50 –55, 57ff., 60, 63, 138, 141f., 170

Botticelli, Sandro 37

dionysisch 20, 39, 46, 100ff., 116, 118ff, 155,

Archigram 156–159, 161f., 165, 167, 172

Boullée, Étienne-Louis 40ff.

158, 165, 171ff.

Arendt, Hannah 35, 50, 60f., 65, 147, 166

Braillard, Maurice 94, 96, 107

Directoire-Stil 42, 44

Artmann, H. C. 157

Bramante, Donato 142, 166

Dissonanz 18

Ashby, Ross 152, 166

Brasilia 117

Doktrin 110

Ästhetik (ästhetisch) 7f., 12f., 16 –20, 26ff.,

Brecht, Bert 150, 153

Doumergue, Gaston 144

31f., 35, 37f., 41– 44, 46f., 49, 56 – 59, 63, 69,

Breitenborn 75

Dubut, Louis-Ambroise 179

73f., 78, 82ff., 87, 91– 94, 100, 104ff., 115f.,

Brunelleschi 181

Dufy, Raoul 144

118f, 123, 130, 135, 144, 160, 165, 169 –172

Bruschi, Arnoldo 142, 166

Durand, Jean-Nicolas-Louis 40f., 43, 59,

Ästhetisierung 82, 102, 106

Büchner, Ludwig 24, 32, 137

60, 170, 179

Attali, Jacques 10, 30

Buckminster Fuller, Richard 149, 151

Attlee, Clement 149, 166

Buenos aires 117

Attlee, James 118, 132

Egli, Ernst 70 Einstein, Albert 25, 182

Aublet, Felix 135, 143f.

Carli, Mario 106

Empire-Stil 42

Auböck, Carl 61

Carlyle, Thomas 178, 180

Ende aller Dinge/Zeiten 21ff., 25f., 32, 95,

Aufhebung von Zeit 8, 16f., 28, 29, 37,

Castel, Pierre-Henri 13f., 30, 176

175, 178, 180

135, 172

Centre Pompidou 119, 155

Engels, Friedrich 70, 85, 95

Aufklärung 15, 21f., 24, 38, 42, 60, 64,

Chamberlain, Neville 150

Enthoven, Raphaël 25, 32

123, 178

Chauvier, Éric 26, 32

Entropie 99, 117ff.

Index

193


Gesell, Silvio 74f.

124, 130, 171, 179

Gibson, William 129

Epstein, Jean 114

Goethe, Johann Wolfgang von 25

Jäggi, Bernhard 74f., 78

Erner, Guillaume 13, 30, 166, 176

GOR (Groupe des Objets Révolutionnaires)

Jeanneret, Pierre 114, 132, 166

Eros 15, 31, 55, 99, 135, 172

173, 176

Johnson, Philip 49

Ethik 28, 39, 47f.

Green City 124, 130, 133

Jung, C. G. 35f., 38, 52, 58, 60

Euklid 37

Grenoble 146

Experimentum Mundi 63, 82

Gropius, Walter 83

Kairos 27f., 32, 172, 174

Expressionismus 86, 91, 97, 182

Gruntz, Lukas 96

Kalter Krieg 50, 55, 148

Guevrekian, Gabriel 182

Kant, Immanuel 12, 21– 26, 28, 31f., 64, 95,

Guggenheim 94, 146

173, 176, 178f., 180, 181

Fenichel, Otto 15

Kapitalismus 45, 63f., 67, 73, 93f., 118, 120ff.,

Feuerstein, Günther 61 Fiktion 8, 14, 18f., 86, 90, 119, 126, 129f., 147,

Hamilton, Richard 151, 166

124, 133

158, 169, 175, 181

Hartog, François 19, 25, 27, 32, 147f., 166,

Katastrophe 7, 10–14, 20f., 31, 49, 55, 63, 65,

Fischer, Theodor 84

174, 176, 181

113, 116, 118, 122, 124, 131, 135, 141, 147, 157,

Fleming, Billy 126

Hartwig, René 135

173, 175, 177f.

Fœssel, Michaël 11, 30, 32, 178, 180

Haus mit einer Mauer 69, 71f.

Katastrophismus 182

Ford, Henry 121

Haussmann, Georges-Eugène 107, 109

Kaufmann, Emil 178f., 180

Fortschritt 6, 7f., 10f., 13ff., 22 – 25, 28, 31,

Heidegger, Martin 12, 27, 155, 167

Keynes, John Maynard 122

41f., 48f., 50, 53, 56, 59, 64ff., 68, 73, 83f., 92f.,

Heinrich VIII. 177

Kierkegaard, Søren 13, 30

99, 108, 115, 117–121, 123f., 128, 141, 145–148,

Heisenberg, Werner 152

King, Martin Luther 117

155, 165, 169–175, 178f., 181

Herder, Johann Gottfried 24, 32

Klee, Paul 64f.

Fourier, Joseph 65, 95

Hitchcock, Henry-Russell 49

Klenze, Leo von 40

Frank, Josef 70

Hitler, Adolf 97, 144, 146, 150

Kolbe, Georg 182

Franz, Marie-Louise von 60

Hoffmann, Franz 84

Kollaps 13, 20f., 30

Französische Revolution 22, 24ff., 38, 42ff.,

Hoffmann, Theodor 77ff., 81

Kollapsologie 11, 64

59, 170, 178, 180

Hölderlin, Friedrich 85

Kölner Werkbundausstellung 84

Freidorf 73–83, 92f., 96, 170

holistischer Kosmos 92

Kolumbus, Christoph 177

Freud, Sigmund 6, 14ff., 20, 30f., 36, 42, 53,

Hollein, Hans 33, 50– 55, 59, 61, 157, 166, 170

Konsonanz 18

55, 60f., 99, 131f., 135, 166, 173

Hollywood 14, 145

Konterrevolution 26

Fried, Michael 43, 60

Holzmeister, Clemens 51

Koolhaas, Rem 93

Friedrich, Caspar David 88, 97

Hoppen, Donald W. 61

Koselleck, Reinhart 22, 31f., 95, 178, 180

Frugès, Henry 113

Howard, Ebenezer 66–70, 73ff., 77, 83, 89,

Krause, Emil 63, 70

Fuhrmann, Ernst 85

92ff., 95, 107, 170

Krise 7f., 10f., 12, 13f., 16–19, 20f., 25 –28, 36,

Fun Palace 148ff., 152–155, 157, 159, 165,

Hufeisensiedlung 83, 90f. 97

44f., 49ff., 55f., 64, 66, 69, 73, 91, 94, 99, 101,

166f., 172

Huizinga, Johan 48

107, 115ff., 120f., 124, 130, 135, 141, 143f., 146,

Funktionalismus 46ff., 50 –53, 59, 82f., 106,

Hundertwasser, Friedensreich 51, 55, 61

148f., 159, 165, 169, 171–175, 178, 181

110, 117, 147, 171

Hüttenau 75

Kristallpalast 67, 86, 90– 93, 170

Futurismus, Futuristen 101 –106, 115f., 120f.,

Kropotkin, Pjotr 85 ICON Build 129

Krupp 75

Idealstadt 37f., 65, 84, 92

Kulturzustand 67

Gartenstadt 65–69, 73 – 76, 79, 83f., 88 –92,

Immeuble-Villas (Villen-Block) 112f.

Kunst 12, 16–20, 27, 37, 41– 46, 48, 51, 55, 59,

94, 95, 107, 112f., 130, 170

In-der-Welt-sein 12, 17, 20f., 54, 58, 101, 119,

50, 80ff., 85, 91, 97, 100ff., 104ff., 108f., 114,

Gayraud, Agnès 12, 17, 30

155, 163, 165, 173

116, 119, 123, 126, 136, 144, 146, 149, 163f., 170

Genf 94, 96, 107, 136, 138f., 141

Indeterminismus 152f., 155, 167

künstliche Intelligenz 127f.

George, Henry 74f., 96

Industrialisierung 24f., 41f., 64, 84, 102, 116

Kybernetik 147f., 152 –155, 161, 172

Gerodias, Jack 135

industrielle Revolution 66, 151f.

Gérôme, Jean-Léon 44

Instant City 159

123, 125, 130, 131, 147, 171, 176

194

Ishigami, Junya 55– 59, 61 170

Entschleunigung 8, 28, 29, 63f., 73, 86, 92,

Anhang

Laban, Rudolf von 45f., 61, 150


Labbé, Edmond 144, 166

_ Alles ist Architektur 53

Morasso, Mario 102

La Estampa Méxicana 83

_ Anarchitektur 132, 171

More, Thomas 177

La Fontaine, Henri 141

_ Architektur mit Händen 51

Moses, Robert 118

Laland, André 177, 180

_ Die futuristische Architektur 104

Moya, Hidalgo 149

Lamartine, Alphonse de 24f., 32

_ Kommunistisches Manifest 133

Muchina, Vera 144

Landauer, Gustav 85f.

_ Manifest der Moderne 115

Mundaneum 136–139, 141, 166, 172

Ländlichkeit 8, 28, 29, 45, 63f., 68, 91ff., 130,

_ Manifest des Futurismus 101–104, 106, 123,

Musée esthétique 140, 142

170 lange Dauer 174 Lapauze, Henri 60

131, 176 _ Manifest für die Genossenschaftsbewegung 91

Museum mit unbegrenztem Wachstum 136, 140–146, 165, 172 Musk, Elon 129

Larousse, Pierre 61

_ Museumsmanifest 165

Mussolini, Benito 101f., 106, 113, 131, 143

Latour, Bruno 10, 13, 30, 173ff., 176

_ terrestrisches Manifest 30, 176

Muttenz bei Basel 73f

Laurana, Luciano 38

_ Verschimmelungsmanifest 51, 61

Lebensreform(bewegung) 45f., 49, 64, 83f.,

Margarethenhöhe 75

Napoleon Bonaparte 41f., 44, 60

86

Marinetti, Filippo Tommaso 101–106, 123,

NASA 128f.

Lebenstrieb 15ff., 28, 31, 37, 63, 99, 135, 172

131, 171, 176

Nationalmuseum für westliche Kunst 146f.

Le Corbusier 53, 55, 61, 83, 97, 104, 106 –119,

Marot, Sébastien 94

Naturzustand 28, 45f., 59, 63, 67, 92

127, 130, 132, 136, 138–147, 166, 171f., 178,

Marx, Karl 45, 67, 85, 95, 120, 133

Netzwerk 137, 148, 159ff., 162

180, 181f.

Maschinenmensch 147

neue Welt 8, 28, 54, 73, 80f., 84, 86, 89, 96,

Ledoux, Claude-Nicolas 41, 178f., 180

Masterplanet 125f., 128f., 133, 171

100, 102, 116, 172

Legrand, Jacques-Guillaume 38

Materialität 7, 58, 79, 138, 144, 182

Neumann, John von 151f., 166

Leibniz, Gottfried Wilhelm 22, 31, 64, 95

Mathews, Stanley 151, 166f.

Neurath, Otto 141

Lenoir, Nicolas 60

Matta-Clark, Gordon 99, 117ff., 132

Newby, Frank 149, 151

Letchworth 69

Mayer, Hugo 63, 70

Newton, Isaac 41

Lévi-Strauss, Claude 25, 32, 174, 176, 181

Meisenbach, Johann Adam 45

New York 47, 51, 65, 94, 104, 113, 117f., 161

Licklider, J. C. R. 148, 166

Mendelsohn, Erich 182

Niemeyer, Oscar 117

Liszt, Franz 16

Mengel, Johannes 97

Nietzsche, Friedrich 18, 20, 31, 46, 85,

Littlewood, Joan 148 –155, 166f., 172

Mengel, Margarete 83, 97

99–103, 107, 114, 116, 120, 131ff., 135, 166,

London 66, 69, 113, 131, 146, 149ff., 154,

Menke, Christoph 18, 31

171, 176, 178, 180

161

Mensch, René 97

Nishizawa, Ryūe 162ff., 172

Loos, Adolf 63, 69 –74, 77f., 84, 92f., 95f.,

Mensch-Computer-Symbiose 148, 155, 159f.

Nuove Tendenze 104

170, 182

Metzendorfs Atelier 75

Loos, Claire 95

Meumann, Klaus 97

Obsoleszenz 159,176

Loos, Lina 95

Meyer, Hannes 69, 73– 84, 92f., 96f., 170

Olbrich, Joseph Maria 104

Louis-XVI-Stil 42

Meyerhold, W. E. 150

OMA 120, 124

Ludwig XIV. 38

Mies van der Rohe, Ludwig 182

ontologische Krise 7, 36, 47, 49, 50f., 56, 99,

Moderne 7, 11, 17, 20, 46f., 49, 56, 73, 82f.,

116, 148, 159, 165, 169, 172

MacColl, Ewan 150

104, 106f., 114 –117, 120f., 123, 128, 130, 147,

Otlet, Paul 136–139, 141, 146f., 156, 165,

Malabou, Catherine 28, 32, 155, 176

171, 177ff., 180, 181f.

166, 172

Malewitsch, Kasimir 182

Möhring, Bruno 84

Owen, Robert 75

Mallet-Stevens, Robert 144, 182

Molinos, Jacques 38

Malraux, André 117

Mondothèque 137

Pais, Filipe 173, 176

Manhattan 52

Montagnard 39

Palais de Compiègne 60

Manifest

Montaigne, Michel de 22, 31

Palais de l’Air 135, 143

_ #ACCELERATE MANIFESTO #Beschleuni-

Montecassino 177

Palais de Trocadero 144

gungsmanifest für eine akzelerationistische

Monte Verità 45f., 101

Palais Royal 60, 109

Politik 121ff., 125, 128, 130, 133

Montevideo 117

Palladio, Andrea 79, 83

Monzie, Anatole de 114

Pandemie 10, 127

_ Absolute Architektur 52, 61, 170

Index

195


Panthéon 35, 38, 119

Raum-Zeit 8, 16, 27, 43, 46f., 49, 50, 55, 84,

Schumpeter, Joseph 64, 120ff., 130, 133, 171

Paradigmenwechsel 41, 56, 118, 146f., 165, 169

92, 103

Schütte-Lihotzky, Margarete 69, 71–74, 95, 170

Paris 39, 42, 55, 99, 102, 106–110, 112ff.,

raumzeitlich 18f., 28, 35ff., 58, 84, 91, 119,

Schwarzwald, Eugenie 72

117ff., 132, 155

146, 169ff.

SEArch+ 129

Pariser Weltausstellung 1937 135, 142 – 146,

Recamier, Juliette 43, 45

Selbstverwaltung 75f. 79, 170

166, 178

Red Megaphones 150

Sell, Madlen 55, 61

Pascal, Blaise 9, 30

Reduktion 41f., 49, 60, 63, 71, 74, 84, 92f.,

Semper, Gottfried 53

Pask, Gordon 152ff., 167

169ff.

Seneca 20

Pasmore, Victor 151, 166

régimes d’historicité 19, 25, 32, 166

Sergent-Marceau 39, 60

Pavillon de l’Esprit Nouveau 112f., 115, 144

Reich, Wilhelm 15

Serres, Michel 173, 176

Pavillon de la Lumière 144

Religion 17, 37, 39, 44, 47, 59, 89, 93, 164, 178

Servigne, Pablo 11, 30

Pavillon des Temps Nouveaux 114, 144ff.

Renaissance 22, 37, 79, 181

Siedlerbewegung 69

Perrot, Georges 138

Resonanz 17f., 31, 37, 44f., 47, 49, 51, 55, 58f.,

Siedlung Freidorf 73– 80, 82f., 92f., 96, 170

Perugino 43

61, 63, 65, 69, 79, 93, 117, 135, 169f., 175

Siedlung Friedensstadt 72

Pestalozzi, Johann Heinrich 75

Resonanzachsen 17, 37, 44, 59

Siedlung Rosenhügel 63, 70

Philippeville (Skikda) 146

Revolution (Baukunst oder) 112f., 116, 132

Siedlungsgenossenschaft 73, 76

Piano, Renzo 155

revolutionäre Ordnung 40

Skylon 149

Pichler, Walter 51f., 54, 61

Rio de Janeiro 117

Smart (Cyber) City 121, 124, 128, 130, 133

Pierrefeu, François de 61

Ritual 8, 12, 19f., 39, 44, 46f., 51ff., 55, 57, 59,

Smithson, Robert und Alison 118

Piketty, Thomas 10, 26, 30

100, 119, 169, 171, 177

Sokrates 37

Plan Cerdà 107

Robert, Hubert 178, 180

Solano, Solita 73, 96

Plan de Paris 108ff., 132

Robespierre, Maximilien de 42, 60

Sombart, Werner 120, 133

Plan Voisin 106ff., 109f., 113ff., 132

Rogers, Richard 155

Sorel, Georges 102

Platon 37

Rosa, Hartmut 17f., 31, 37, 44, 51, 59, 60f., 69,

Soria y Mata, Arturo 107

Plug-in City 159

179, 180

Speer, Albert 144

Popper, Karl 152, 155, 167

Rosenberg, Harold 118

Spence, Thomas 68, 95

Portoghesi, Paolo 142, 166

Rosenblum, Robert 42, 60f.

Spencer, Herbert 68

Postmoderne 119, 181

Rousseau, Jean-Jacques 22, 64, 179

Spieltheorie 151f., 154

Potié, Philippe 35, 60

Rudofsky, Bernard 46–49, 50, 59, 61, 103, 170

Spiralform 124, 140 –143

Powell, Philip 149

Rudofsky, Berta 47, 61

Sprung in Raum und Zeit 28, 35, 46, 58, 170

Prachensky, Markus 51, 55, 61

Rühm, Gerhard 157

Srnicek, Nick 121ff., 125, 127, 133

Präraffaeliten 43

Russolo, Luigi 106

Stammeskultur 156

Präsentismus 25 Sagan, Carl 125

142, 147

Primitivismus 121

Salzburg 52

Steinmann, Martin 91, 95, 97

Psychoanalyse des Kleides 47f.

Sant’Elia, Antonio 101, 103 –107, 115, 119,

Stevens, Raphaël 11, 30

Püschel, Konrad 97

123f., 131

Stockholm 117

São Paulo 117

Sublimierung 14, 16f., 28, 39, 63f., 82, 92f.,

Saramago, José 173, 176

99f., 119, 132, 170f.

Sartoris, Alberto 104

Szambien, Werner 60

Quasi-Objekt 173, 176

196

Standardisierung 74f., 78f., 81ff., 93, 137,

Price, Cedric 148f., 151–155, 157, 159, 167, 172

Rabhi, Pierre 93, 97

Schär, Friedrich 74

Raffael 43

Schaudt, Emil 74

Tabula rasa 28, 100ff., 107, 112f., 115ff., 171

Rainer, Arnulf 51, 55, 61

Scheerbart, Paul 85–88, 90, 93, 97, 174

Taipei 121

Rainer, Roland 61

Scheeren, Ole 122, 124, 133

Taller de Gráfica Popular 83

Rancière, Jacques 18f., 31, 57, 61, 73, 82, 97,

Scheffler, Béla 97

Taut, Bruno 69, 73, 83–93, 97, 170

119, 133

Schinkel, Karl Friedrich 88, 97

Temporal, Marcel 108

Räumlichkeit 16, 42, 181

Schlegel, Friedrich 25, 32

Tempus 22, 28, 169

Raumstadtkonzept 159

schöpferische Zerstörung 64, 120f., 130, 171

Ternaux, Louis Mortimer 60

Anhang


Teshima Art Museum 162 –165, 172

Wien 50, 52f., 69f., 73, 77, 15

Thanatos 15f., 55, 99

Wiener Avantgarde 52

Theater Co-op 81

Wiener Gruppe 157

Theatre of Action 150

Wiener, Norbert 148, 152

Theatre Union 150

Wiener, Oswald 157

Thermidor 22

Williams, Alex 121–125, 127, 133

Thibault, Jean-Thomas 40f.

Winckelmann, Johann 18

Thom, René 12, 30, 180

Wittmer, Hans 83

Tokio 146

Wright, Frank Lloyd 50, 61

Tolstoi, Lew 85 Tolziner, Philipp 97

Xenakis, Iannis 182

Town-Country 65f. Trédé-Boulmer, Monique 27, 32

Yeampierre, Elizabeth 127

Treves, Claudio 101, 131

Younès, Chris 35, 60, 165

Turing, Alan M. 152 Zeitkrise 25 Übergangsritus 55, 59

Zeitlichkeit 8, 16, 19, 35, 42, 68, 90, 100,

Ukraine 10, 125

105, 119, 151, 155, 163ff., 169f., 175, 181f

Universalcomputer 152

Zeitmaschine 155

Universalismus 123

Zeitobjekte 163

Universalität 118

Zerstörung 11, 13 –16, 26, 71, 99f., 105f.,

Universalkultur 140

116 –121, 130, 133, 136, 147, 171

Universallehre 169

Zikkurrat 138, 141

universeller Sozialismus 89, 93

Zirkularität 154

Urban, Antonin 97

Zschokke, Heinrich 75

Ureinwohner (elektrifizierte) 161f., 165

Zusammenbruch 11, 13f., 20f., 59, 118,

Ursprung, Philip 118, 132

121f., 136

Utopie/Dystopie 10, 12, 84, 89, 91, 112f., 124ff., 129f., 155, 161f., 171, 180 Verdrängung 16, 28, 135, 166, 172 Vergil 37 Ville (cité) radieuse 111, 116f., 119, 130, 171 Virilio, Paul 179, 180 Vischer, Robert 96 Vitruv 41 Voisin, Gabriel (Plan V.) 106 –110, 113ff., 132 Wagner, Martin 91 Wagner, Otto 53, 104, 107 Wahrnehmung von Raum/Zeit 16, 19, 22, 27, 32, 57, 141, 163ff., 166 Wailly, Charles de 35, 38 Walking Architecture 161 Warhol, Andy 118 Weiner, Tibor 97 Weltbibliothek 136f., 140f., 147 Welwyn 69

Index

197



Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.