Geliehene Szenerien
Der Einfluss japanischer Gartenkunst auf die Schweizer Landschaftsarchitektur
BirkhÀuser Basel
Rahel Hartmann Schweizer
Japan als Materia prima
Von der FĂŒlle paradiesischer Inseln
zur Schönheit der Leere
Von Zukai teien zĆhĆ zu Sakuteiki
Projektionen, RĂŒckkopplungen, KreuzbestĂ€ubungen
Inspiration, Imitation, Integration
Japanische Gartengestaltung als Katalysator
Von Ammann bis ZĂŒrcher
Gustav Ammann
Japan als Modul
Albert Baumann
Japan als Motiv
Ernst Baumann
Japan gespiegelt
Ernst Cramer
Japanisch temperiert
Hans Graf Japan als Quelle
Werkverzeichnisse
Fritz und Fredy Klauser Japan als Ingredienz
Walter Leder Japan im Herzen
Evariste Mertens / Walter und Oskar Mertens / Hans Nussbaumer Japanisch maskiert
Willi Neukom Japan als Generalbass
Adolf ZĂŒrcher Japanisch umgedeutet
Sachregister Bildnachweis Biografie und Dank 17 5 49 81 137 140 148 152 164 186 285 303 306 316 318 319 198 210 230 240 264
Pflanzenkataloge Bibliografie
1 ShĆnagon 2017, S.â316.
2 Die ĂŒberlieferten NachlĂ€sse von Frauen sind rar. Dem Archiv fĂŒr Schweizer Landschaftsarchitektur (ASLA) haben bisher nur Verena Dubach und Ursula Schmocker-Willi ihre NachlĂ€sse vermacht. Bedauerlicherweise haben sie zudem bloĂ einen bescheidenen Teil ihrer Werke fĂŒr wert gehalten, aufbewahrt zu werden. GesprĂ€ch mit Hansjörg Gadient, Professor fĂŒr Planung und Entwurf urbaner FreirĂ€ume, Leiter des Archivs fĂŒr Schweizer Landschaftsarchitektur ASLA, Ostschweizer Fachhochschule, 15. Februar 2021. Nur bei Verena Dubach finden sich vereinzelte japanische Inspirationen, die in âInspiration, Imitation, Integrationâ zur Sprache kommen.
3 Am ausfĂŒhrlichsten widmete sich Johannes Stoffler dem Thema. Siehe Stoffler 2006a, S.â147â152, S.â170, 178â179, 220, 250â251.
Im Garten eines verfallenden Hauses, wo der BeifuĂ wuchert und das KrappgewĂ€chs verwildert, den Vollmond rein und klar aufgehen zu sehen, ist stimmungsvoll. Das gilt auch fĂŒr das Mondlicht, das durch die Ritzen eines solchen ver fallenden Hauses ins Innere dringt. Dazu passt das Rauschen des Windes, sofern es nicht allzu heftig ist.
Ein Anwesen mit einem Gartenteich wirkt zur Regenzeit im 5. Monat recht reizvoll. Dicht gedrĂ€ngt wachsen Schwertlilien und Binsen, das Wasser ist grĂŒn, wie auch der ganze Garten ringsumher. Wie schön ist das GefĂŒhl, den ganzen Tag ĂŒber den wolkenverhangenen Himmel zu betrachten! Ăberhaupt gefallen mir Gartenteiche zu jeder Zeit. Unbeschreiblich ist selbst der Winter, wenn morgens das Wasser gefroren ist. Reizvoller als sĂ€uberlich gepflegte GĂ€rten sind jene, die man vernachlĂ€ssigt hat, wenn sich in den LĂŒcken hier und da blinkend das Mondlicht zwischen dem GrĂŒn der wuchernden Wasserpflanzen spiegelt. Das Mondlicht hat fĂŒr mich immer groĂen Reiz, an welchem Ort es auch sei. 1
Sei ShĆnagon
In zahlreichen im 20. Jahrhundert in der Schweiz entworfenen GĂ€rten und Parkanlagen lĂ€sst sich Japan als Inspirationsquelle nachweisen, ja, etliche Gartenkonzeptionen sind ohne den japanischen Einfluss kaum zu denken. Die BeweisstĂŒcke lagern im Archiv fĂŒr Schweizer Landschaftsarchitektur (ASLA) in Rapperswil und im Archiv des Lehr- und Forschungsinstituts âGeschichte und Theorie der Architekturâ (gta) der ETH ZĂŒrich. Dass in den dort aufbewahrten NachlĂ€ssen Zeugnisse fĂŒr den japanischen Einfluss schlummern, mutmaĂte Hansjörg Gadient, Professor fĂŒr Landschaftsarchitektur an der Fachhochschule OST und Leiter des ASLA. Sein vor drei Jahren geĂ€uĂertes Ansinnen, sie buchstĂ€blich aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken â denn die Ă€ltesten EntwĂŒrfe datieren aus den 1890er-Jahren â und erstmals auf die japanische Referenz hin zu untersuchen, entfachte sofort meine Neugier.
Waren es vorerst Indizien â eine Freihandzeichnung mit einem Alpenmotiv von Adolf ZĂŒrcher [â S. 277 ], das Modell der GrĂŒnraumkonzeption von Ernst Cramer fĂŒr die SUVA in Bellikon [â S. 300] und der ĂŒber fĂŒnf Meter lange Plan des Seeuferwegs von Willi Neukom [â S. 100â101] â, wurde mein Entdeckergeist bei jedem Abtauchen in die Archivalien aufs Neue angestachelt von unverhofften Trouvaillen. Mit zunehmender Anzahl durchforsteter Materialien verdichtete sich die Ahnung zur Hypothese. Nachdem Tausende PlĂ€ne, Zeichnungen und Fotografien konsultiert waren, erwies sich die Ausbeute als ungeahnt erschöpfend, und es kristallisierten sich die Hinterlassenschaften von zehn GestalterbĂŒros als ergiebigste Quellen heraus: Gustav Ammann, Albert Baumann, Ernst Baumann, Ernst Cramer, Hans Graf,
Fritz und Fredy Klauser, Walter Leder, Evariste Mertens, die GebrĂŒder Mertens sowie Mertens & Nussbaumer, Willi Neukom und Adolf ZĂŒrcher.2
10 NachlĂ€sse â 1000 Objekte
In einer ersten Auswahl wurden rund 1000 Objekte selektioniert, die japanische ZĂŒge zeigen. Um aus ihnen eine ĂŒberschaubare Anzahl zu destillieren, wurden Kriterien etabliert. Diese berĂŒcksichtigten den jeweiligen biografischen Hintergrund, den Zeitraum der BerĂŒhrung mit japanischen Vorbildern, die Art von deren Vermittlung â BĂŒcher, Ausstellungen, Reisen, Berufskollegen â und die in eigenen Schriften reflektierte Wahrnehmung. Fokussiert wurde zudem auf Objekte, in denen der japanische Einfluss fĂŒr die Gesamtkomposition prĂ€gend war â sei es, dass darin etliche Gestaltungselemente eingesetzt wurden, sei es, dass sie von ĂŒbergeordneten japanischen Prinzipien wie der Verschmelzung von innen und auĂen, dem Einsatz der geliehenen und der miniaturisierten Landschaft, der Behandlung als GemĂ€lde, der Schönheit des Unvollkommenen oder dem PhĂ€nomen der Leere durchwirkt waren. SchlieĂlich wurden auch die QualitĂ€t des Materials und seine ReproduktionsfĂ€higkeit erwogen.
Die geografische Streuung ergab sich aufgrund des Domizils und Wirkungsradius der jeweiligen Landschaftsarchitekten, sodass Schwerpunkte in den Kantonen Aargau, Bern, Thurgau, Zug und ZĂŒrich liegen â gefolgt von den jeweils angrenzenden Kantonen Solothurn, Luzern, Schwyz, St.âGallen und â vereinzelt â Waadt und Tessin sowie dem benachbarten Ausland. Die Zeitspanne der konkreten Realisierungen reicht vom ersten von Gustav Ammann entworfenen Garten Eugster in AltstĂ€tten 1929 bis zu Hans Grafs Garten Schmid in Steffisburg 1997.
Das PhĂ€nomen wird mit dieser Publikation erstmals umfassend anhand der Arbeiten von zehn LandschaftsarchitekturbĂŒros dargestellt. Bislang wurden EinflĂŒsse âwenn ĂŒberhaupt â tendenziell eher als Episoden innerhalb eines Werkkorpus gestreift â wie etwa bei Willi Neukom, Ernst Cramer oder Gustav Amman3 â denn als generative Faktoren identifiziert. An Publikationen, in denen der Wirkung der traditionellen japanischen Gartengestaltung auf die hiesige Landschaftsarchitektur konsequent nachgespĂŒrt wird, mangelt es gĂ€nzlich.
Parallelen
Die TuchfĂŒhlung der Schweiz, die mit Japan 1864 den ersten Handelsvertrag einer westlichen Nicht-GroĂmacht abschloss, wurde begĂŒnstigt durch Parallelen mit dem Land der aufgehenden Sonne, die fĂŒr die Rezeption der japanischen Gartengestaltung ausschlaggebend waren: 1. die Konnotation als Paradies, 2. die gartengestalterische Ausbildung, 3. das VerhĂ€ltnis zwischen Garten und Haus, 4. die rĂ€umliche Kleinteiligkeit, 5. der Einfluss von auĂen.
1.âEbenso wie Japan wurde die Schweiz international als paradiesische SphĂ€re wahrgenommen. Und auch gegenseitig assoziierten sich die beiden LĂ€nder als Naturidyllen.
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Japan als Materia prima
In Japan wurde die Gartengestaltung gleichsam als Geheimwissenschaft ĂŒberliefert. In der Schweiz waren die Möglichkeiten einer schulischen, auf gestalterische Aspekte fokussierten Ausbildung beschrĂ€nkt. Nur an der Gartenbauschule ChaÌtelaine in Genf wurden seit 1887 entsprechende FĂ€cher unterrichtet. Doch war die Zeit dafĂŒr im Lehrplan knapp bemessen. In der deutschen Schweiz fehlte es bis zur Eröffnung der Kantonalen Schule fĂŒr Obst-, GemĂŒse- und Gartenbau Oeschberg in Koppigen 1920 gĂ€nzlich an einer AusbildungsstĂ€tte fĂŒr Gartengestalter.4 Deshalb vertieften die angehenden Landschaftsarchitekten ihre kreativen FĂ€higkeiten im Ausland. Deutschland und England waren fĂŒr die meisten der hier behandelten Akteure die ersten Adressen, weshalb im 2. Kapitel die Rezeption Japans in diesen beiden LĂ€ndern im Vordergrund steht. 3.âDie Gartengestaltung genoss in Japan seit jeher ein hohes Ansehen als Kunstform und definierte die Beziehung zur Architektur. In der Schweiz beeinflussten wie in Deutschland die Architekten der Avantgarde die Gartengestaltung. Einige von ihnen â etwa Hermann Muthesius (1861â1927) und Peter Behrens (1868â1940) âhielten es fĂŒr unabdingbar, Haus und Garten aus einer Hand zu planen, und fĂŒhlten sich qualifiziert, die Gartengestaltung zu ĂŒbernehmen.5 Kongenial dazu Ă€uĂerten sich Gartengestalter, die Haus und Garten als eine Einheit verstanden, deren GrundzĂŒge von einem Geist ersonnen seien, und ĂŒberlieĂen das Primat der Architektur: â[âŠ] das Haus ist das herrschende, darum hat notgedrungen der Garten die Formen und Linien des Hauses anzunehmen.â6
Gleichzeitig gab es das umgekehrte âInteresse vieler Gartenarchitekten, durch ein dezidiertes Gartenkonzept, das groĂe Pflanzenkenntnis erforderte, professionelles Terrain von den Architekten zurĂŒckzuerobernâ.7 4.âWĂ€hrend der Heian-Zeit (ćčłćźæä»Ł , 794â1185) verstĂ€dterte das politische Zentrum Heian-kyĆ (heute KyĆto) zunehmend. UnberĂŒhrte Natur mussten die Höflinge auĂerhalb der Stadtbefestigung suchen und in die âEnge der StadtgĂ€rtenâ hereinholen. Mit BĂ€umen, GrĂ€sern, Steinen und BachlĂ€ufen schufen sie âidealisierte Naturlandschaftenâ.8
In den 1930er-Jahren vollzog sich in der Schweiz ein Wandel, der bis zu einem gewissen Grad der Weltwirtschaftskrise geschuldet war. Die vermögende, groĂe LĂ€ndereien besitzende Kundschaft verringerte sich. AuftrĂ€ge erteilten nun mittelstĂ€ndische Einfamilienhausbesitzer fĂŒr ihre vergleichsweise kleinen HausgĂ€rten.9
5.âDie Gartengestaltung in Japan bildete sich aus der Ăbernahme fremder, das heiĂt chinesischer â daoistischer und buddhistischer â EinflĂŒsse heraus. Diese wurden aufgesogen, destilliert, umgedeutet und im Laufe der Jahrhunderte zu dem umgeformt, was sich schlieĂlich als japanischer Garten zu einer eigenen Kunstform verfestigte (vgl. âVon der FĂŒlle paradiesischer Inseln zur Schönheit der Leereâ).
In der Schweiz entstanden Anlagen von kunsthistorischer Bedeutung, âaus Impulsen von aussenâ10, verbunden
âmit englischen, amerikanischen und japanischen Landschaften, mit Schwedens GĂ€rten, mit deutscher Gartenkunstâ.11 Gustav Ammann verglich die Aufgabe, die der schweizerischen Gartengestalter harre, mit dem, was âdas japanische Volk im Zusammenhang mit einer einfachen Lebensweise und dem Auftreten der Zen-Sekte des Buddhismusâ im 13. Jahrhundert gelernt habe: Den âWert der Eleganz und der Verfeinerung der Einfachheitâ ins Werk zu setzen, werde das Ziel des hiesigen Gartenschaffens sein.12
Pilgerschritt zwischen Landschaftsund Architekturgarten, Natur und Geometrie
Eingebettet in die Entwicklung der europĂ€ischen Gartengestaltung, lĂ€sst sich der Prozess in der Schweiz trefflich in den Begriff Pilgerschritt kleiden â und das japanische Moment war sein Impuls. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts löste der englische Landschaftsgarten die âgeometrische Naturbeherrschungâ13 des Absolutismus ab und prĂ€gte wĂ€hrend Jahrzehnten die Gartengestaltung. Doch kippten seine aufklĂ€rerischen Prinzipien der âEinfĂŒhlung in die Natur durch ihre Nachahmungâ zunehmend in ein âoberflĂ€chliches Stilkonzeptâ14 und verkamen zu ornamentaler Zierde, zur âTeppichbeetGĂ€rtnereiâ, wie Heini Mathys urteilte.15 Befeuert von der Arts-and-Crafts-Bewegung und dem Jugendstil, sprang âals Reaktion auf den saft- und kraftlos gewordenen Naturalismusâ um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert der Architekturgarten in die Bresche. Abgesteckte Grundrisse, axiale Raumdefinitionen und dekorative Elemente der Art nouveau kennzeichneten die Anlagen.
In diese Zeit fiel die Eröffnung der Gartenbauschule Oeschberg im bernischen Koppigen 1920. Albert Baumann, der sie wĂ€hrend Jahren als Lehrer prĂ€gte, konzipierte einen den Unterricht gleichermaĂen unterstĂŒtzenden wie spiegelnden Park. Dieser verkörperte beispielhaft den Charakter symmetrischer, Achsen betonender Kompositionen. Baumann inkorporierte ihm aber auch einen japanischen Garten.
Die GrĂŒndung des Bundes Schweizerischer Gartengestalter (BSG) 1925 situierte sich im Fahrwasser einer neuerlichen reformerischen Welle. Sie wurde getragen sowohl von Gartengestaltern als auch von Architekten. AnstoĂ war die 1927 in Stuttgart errichtete WeiĂenhofsiedlung. Le Corbusier unter dem Titel Kommende Baukunst und Leberecht Migge seinerseits mit âDer kommende Gartenâ sprachen einer naturnĂ€heren Gestaltung das Wort und plĂ€dierten fĂŒr die Verbindung zwischen Haus und Garten (vgl. âInspiration, Imitation, Integrationâ).16
Die ZĂŒrcher Gartenbauausstellung (ZĂŒga) 1933 war ein erstes Spielfeld dieser Entwicklung hin zum neuen ââorganischenâ Gestaltenâ.17 Und sie beherbergte zwei japanisch konnotierte Anlagen, eine von Otto Spross und eine von Paul SchĂ€dlich. Als InitialzĂŒndung fĂŒr die verbreitete Wahrnehmung japanischer Gartengestaltung in der Schweiz wirkte die Ausstellung ĂŒber â Japanische Architektur und GĂ€rtenâ, die 1933 im Kunstgewerbemuseum der Stadt ZĂŒrich stattfand â just zu einer Zeit, da der als
4 Stoffler 2006a, S.â7.
5 Muthesius veröffentlichte dazu auch ein Buch. Siehe Muthesius 1907; Bucher 1996, S.â25.
6 Encke subsumierte seine EinschĂ€tzungen unter dem Begriff âWohngartenâ. Encke 1910, S.â8.
7 Wolschke-Bulmahn 2009, S.â174.
8 Itoh 1999, S.â72.
9 Siehe Osoegawa 2020c, S.â24. (Der Gartenarchitekt)
10 Mathys 1972, S.â1â2.
11 Ammann 1936.
12 Ammann 1943b, [S.â287].
13 Bucher 1998, S.â4.
14 Bucher 1998, S.â6.
15 Mathys 1972, S.â6.
16 Siehe Le Corbusier 1926; Migge 1927b.
17 Mathys 1972, S.â8, 10.
6 2.
1964, hundert Jahre nach der Besiegelung der Handelsbeziehungen, reiste ein Dutzend Schweizer Gartengestalter zum 9. Kongress der International Federation of Landscape Architects (IFLA) nach TĆkyĆ. Von den in diesem Buch besprochenen Landschaftsarchitekten waren Ernst Baumann, Ernst Cramer, Walter Leder, Hans Nussbaumer und Willi Neukom dabei sowie als Berichterstatter Richard Arioli. Exkursionen fĂŒhrten sie zu einigen der berĂŒhmtesten japanischen GĂ€rten âlandschaftlich-pittoreske Szenerien wie im Park der Katsura-Residenz (æĄéąćźź ) und reduzierte, symbolisch aufgeladene Abstraktionen wie der Garten des ZenTempels RyĆan-ji (éŸćźćŻș ) in KyĆto. Letzterer stimulierte die Tendenz zu Stilisierung und WertschĂ€tzung der Leere.
18 Bucher 1998, S.â6.
19 Stoffler 2006a, S.âix.
20 DĂŒmpelmann 2001, S.â71.
21 Stoffler 2016a, S.â13.
22 Vgl. Groeningen 1996, S.â592, 598.
23 Vgl. RĂŒttermann 1999, S.â82, 83.
24 Ammann 1943b, S.â285.
25 Siehe Roy 1983.
26 Vgl. Bucher 1998. Christian Stern bildete das Atelier 1974 zusammen mit Klaus Holzhausen, Edmund Badeja, Gerwin Engel und HansUlrich Weber. Schwerin 2015, S.â71.
27 So wurden in der Zeitschrift Anthos gleichzeitig und parallel zueinander auf der Seite platziert BĂŒcher zum einen und zum anderen Thema besprochen. Vgl. o.âA. 1991.
28 Siehe Mertens E 1881c; ZĂŒlli 1932; Ammann 1947; Leder 1952; Ammann 1953a.
29 p.â1945; Gustav Ammann Belegbuch IV, NSL 2-8-S-4.
30 Ammann 1953 gtaA, S.â1.
31 Ammann 1953 gtaA, S.â1.
Reaktion auf den Landschaftsgarten entwickelte Architekturgarten zugunsten des Wohngartens aufgegeben wurde18, um durch âdie Auflösung des Formalen [âŠ] einer ânatĂŒrlichenâ Gestaltungsweiseâ19 Raum zu geben.
âJuwelenturmâ und âJuwelenbaumâ 1937 datierte Ammann die âneue Erkenntnis der Landschaftâ als stilbildenden Faktor. Die SensibilitĂ€t fĂŒr die Landschaft spiegelte sich in Ammanns Pflanzenverwendung, die von Ideen des englischen, von William Robinson geprĂ€gten, âWild Gardeningâ und der deutschen, von Karl Foerster begrĂŒndeten, âWildnisgartenkunstâ beeinflusst war.20 Diese wiederum reflektierten ein âstetig wachsendes Interesse fĂŒr die japanische Gartenkultur und fĂŒr fernöstliche Pflanzen mit malerischem Habitusâ.21
VerblĂŒffenderweise erfand der in der Schweiz aufmerksam rezipierte Foerster eine Nomenklatur fĂŒr seine ZĂŒchtungen, deren poetische Beinamen manchen japanischen Bezeichnungen Ă€hneln, so etwa âJuwelenturmâ fĂŒr den Rittersporn, Delphinium cultorum, oder âSeidenjuwelâ fĂŒr den TĂŒrkischen Mohn, Papaver orientale 22 In Japan gelten die Magnolia compressa als âJuwelenbaumâ und die HĂ€ngemoose Usneaceae Lichenophyta als âJuwelensteineâ [â S.â7]. 23
An der Landesausstellung 1939 etablierte sich die japanisch inspirierte Einheit von Haus und Garten. Dieser wurde nicht mehr um das Haus drapiert, sondern âein sachlich gebautes Haus in einen zwanglosen, möglichst natĂŒrlichen Garten gestelltâ.24
Die G59 markierte einen vorlĂ€ufigen Höhepunkt der Anverwandlung japanischer Gartengestaltung, die gewissermaĂen als Materia prima fungierte, aus der sich wie ehedem in Japan als Quintessenz eine eigene Exegese herausbildete.
Falsch verstandene Reduktion fĂŒhrte indes alsbald zum Ăberhandnehmen pflegeleichter Einöden. In das Vakuum stieĂ Mitte der 1970er-Jahre die Naturgartenbewegung, deren Fanal theoretisch mit Louis G. Le Roys Buch Natur einschalten, Natur ausschalten25 1973 und praktisch mit der UniversitĂ€t Irchel als erstem groĂen Park im Naturgartenstil des Ateliers Sternâ+âPartner 1982 datiert wird.26 Die GrĂŒn 80 in MĂŒnchenstein stand unter beider Stern: Biodivers konzipierte Pflanzengesellschaften und formale Kompartimente â beide japanisch unterfĂŒttert â gesellten sich zueinander.
Anfang der 1990er-Jahre schlieĂlich positionierten sich naturnahe AnsĂ€tze und architektonische Gestaltungselemente einander gleichberechtigt gegenĂŒber.27 Die hier besprochenen Landschaftsarchitekten decken das gesamte Spektrum ab.
Wasser, Inseln, geliehene Szenerien, Trockenlandschaften
In manchen FĂ€llen tauchte der Einfluss expressis verbis als âjapanischer Gartenâ auf, in anderen charakterisierten japanisch aufgeladene Elemente die Anlagen: GewĂ€sser, Inseln, Steinsetzungen, Schrittsteine, Wasserschöpfbecken, BrĂŒcken und Pflanzen von spannungsvollem Habitus. AugenfĂ€lliges Signum war zunĂ€chst der Einsatz von Wasser. Dem Element widmeten sich mehrere Gestalter auch publizistisch.28 Der aktivste dabei war Gustav Ammann. An seinem japanischen Garten Eugster in AltstĂ€tten lĂ€sst sich die Wandlung der Form der Becken unter japanischem Einfluss exemplifizieren: âSolche Bassins wurden bis Anfang der Zwanziger Jahre immer schön rechteckig geplant, wĂ€hrend spĂ€ter nach und nach die mehr der Natur des Wassers angepassten abgerundeten Formen bevorzugt wurden.â29
Ammann selber skizzierte den Wandel als eine Transformation, die sich von der âfrĂŒheren Formung des Wasserbeckensâ als architektonischem Rahmen âwie beim Spiegelâ hin zur Auflösung der RĂ€nder bewegte, um sie mit der umliegenden Pflanzung zu verzahnen, das durchsichtige Element mit der Vegetation zu verbinden. Er umriss zudem eine Kontur als âeiner Insel gleich in der Strömung eines Flusses, nur dass hier umfliessendes Wasser als Land und Insel als Wasser erscheint, quasi eine Negativpause des Ist-Zustandesâ.30 Am Prinzip der
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Usnea longissima oder Dolichousnea longissima steht in Japan als Nagasagarigoke reprĂ€sentativ fĂŒr HĂ€ngemoose, die mit Juwelensteinen assoziiert werden.
Umkehrung delektierte sich besonders Willi Neukom. Er vertiefte es und trieb es zur Perfektion. Dem Japanischen entlehnte Ăberquerungen des Wasserspiegels mit Platten- oder BrĂŒckenelementen31 reihte Ammann in sein Repertoire ein, ebenso â wie am Teichrand des Gartens der Katsura-Residenz â Seeufer imitierende âVerlandungszonenâ. Die Anleihe bei der Natur wurde ebenfalls thematisiert: âDas unregelmĂ€ssige Seerosenbecken steht an Stelle der frĂŒheren, versumpften Wiese inmitten des BlĂŒtenstaudengartens.â32 Und beliebt war die japanische Referenz fĂŒr die Forderung nach gegenseitiger Durchdringung von Haus und Garten ââĂ€hnlich wie beim japanischen Haus und Garten, dessen Einfluss sich beide in Europa nicht zu entziehen vermochtenâ.33 Als starkes Bindeglied fungierten SteingĂ€rten, wobei Japan wiederum als Stoffumwandler funktionierte â vom in der Schweiz traditionellen Alpinum zur Trockenlandschaft.
Von Ammann bis ZĂŒrcher
Gustav Ammann (1885â1955), der zunĂ€chst in Opposition zum Landschaftsgarten den Architekturgarten gefordert hatte, propagierte um 1927 âdie Auflösung des Formalen zugunsten einer ânatĂŒrlichenâ Gestaltungsweise des Wohngartensâ.34 Japans GĂ€rten attestierte er eine kulturelle Ăberlegenheit, von der ânicht nur die Tendenz zum Nichtarchitektonischen, sondern auch die Vertiefung der seelischen Werte im Gartenâ zu lernen sei.35
Albert Baumann (1891â1976), von 1920â1957 Hauptlehrer fĂŒr Gartenbau an der Kantonalen Gartenbauschule Oeschberg, der sich als Gartenarchitekt einen Namen auf dem Gebiet der Reformgartenarchitektur machte, wĂŒrde man die AffinitĂ€t zum japanischen Kulturkreis nicht ohne Weiteres zuschreiben. Doch mit Ausnahme von Heini Mathys ist von keinem anderen Landschaftsarchitekten, dessen NachlĂ€sse sich im ASLA befinden, eine vergleichbare Anzahl von BĂŒchern ĂŒber die traditionelle japanische Gartengestaltung ĂŒberliefert.
Ernst Baumann (1907â1992) besaĂ eine der Zen-Kunst entsprechende SensibilitĂ€t. Fotografien einzelner Partien seiner GĂ€rten zeigen, wenn sie Aufnahmen japanischer Anlagen gegenĂŒbergestellt werden, zuweilen eine verblĂŒffende Ăhnlichkeit.
Ernst Cramer (1898â1980), dessen berĂŒhmter an der G59 realisierter âGarten des Poetenâ gemeinhin nicht mit Japan assoziiert wird, schuf gerade da eine durchaus japanischer Lesart wĂŒrdige Schöpfung. Neben organisch ausformulierten, von deutlich japanischem Duktus geprĂ€gten Gestaltungen stammen von ihm zwei expressis verbis als âjapanische GĂ€rtenâ titulierte Anlagen.
Hans Graf (1919â2014) bediente sich oft des Motivs des Miniaturgartens und befasste sich sogar mit der Kunst des Bonsai. Ihm diente die fernöstliche Referenz zunehmend auch als Basis einer naturnahen Gestaltung, wie sie sich im Zuge der Forderung nach ökologischeren Anlagen zur Förderung der BiodiversitĂ€t entwickelte.
Fritz und Fredy Klauser (1885â1950, 1921â2007) unterschieden sich markant in ihrem Zeichnungsduktus. Fritz
Klausers PlĂ€ne zeichnen sich durch AufgerĂ€umtheit aus. Geometrisch-ornamental ausgebildete Partien tĂ€uschen zuweilen ĂŒber japanische Motive hinweg. Fredy Klausers Haltung rĂŒckte in die NĂ€he des Japanischen, faszinierte ihn doch das Zeitlose, das Einfache und Unattraktive. Walter Leder (1892â1985) war der stille FĂŒrsprecher der japanischen Gartengestaltung und durchdrang deren Seele vielleicht am tiefsten von allen. Er pflegte intensive Kontakte zu den japanischen Kollegen, denen er am IFLA-Kongress 1964 in TĆkyĆ begegnet war und von wo er mit âJapan im Herzenâ zurĂŒckkehrte.
Evariste Mertens (1846â1907) schuf sein Werk zwar lange vor der in der Schweiz verbreitet einsetzenden Japan-Rezeption, jedoch in einer Zeit des regen Austauschs mit dem âLand der aufgehenden Sonneâ, der mit dessen erzwungener Ăffnung 1853 eingesetzt hatte. Seine ĂuĂerungen zur Gartengestaltung lehnen sich an japanische Prinzipien. âTrachten wir darnach, dasjenige zu sammeln, was uns Wald und Berg und Thal tĂ€glich zu beobachten bieten und suchen wir es verstĂ€ndig zu einem Ganzen zu verschmelzen; [âŠ].â36 Auch seine Empfehlungen fĂŒr den Einsatz von Wasser und Steinen erinnern an ostasiatische Gepflogenheiten: âWasserfĂ€lle, in unendlichen Variationen ausfĂŒhrbar, tragen sehr zur Belebung bei und sind, wo immer thunlich, zu erstreben.37 âDie Felsenparthie sollte wo thunlich ausschliesslich aus Ă€usserlich verwitterten Blöcken bestehen [âŠ].â38 Walter und Oskar Mertens (1885â1943, 1887â1976), die das Unternehmen als GebrĂŒder Mertens weiterfĂŒhrten, entwarfen 1933 einen âFelsgartenâ, bei dem sie sich an den vĂ€terlichen Ermahnungen orientierten. Vor allem beim Umgang mit Wasser tauchen in ihren Schöpfungen immer wieder japanische Anleihen auf.
Hans Nussbaumer (1913â1992) setzte im Gespann Mertens & Nussbaumer diese Entwurfshaltung fort.
Willi Neukom (1917â1983) machte ebenso verschwenderisch wie freizĂŒgig von japanischen Elementen Gebrauch â ob fĂŒr PrivatgĂ€rten, öffentliche Parkanlagen oder Friedhöfe. Bislang wurden diese jedoch nur bei der ZĂŒrcher Seeufergestaltung39 und der Umgebung der ETH ZĂŒrich40 identifiziert.
Adolf ZĂŒrcher (1934â2011) verstand sich auf organisch-biomorphe und geometrisch-reduktionistische Szenerien. In auffallend japanischer Manier stellte er BĂ€ume und Steine in seinen PlĂ€nen dar. Zudem hinterlieĂ er einige Zeichnungen, die das ostasiatische Vorbild unschwer erkennen lassen.
Gemeinsam ist den Protagonisten dieses Buchs, dass ihr Werk â verortet in der pendelnd schwingenden Entwicklung schweizerischer Gartenkunst zwischen architektonisch-geometrischen PrĂ€missen einerseits und landschaftlich-organischen andererseits â beispielhaft Zeugnis ablegt fĂŒr die katalytische Funktion, die das japanische Vorbild hatte.
32 ZĂŒlli 1932, S.â5.
33 Ammann 1934, S.â115.
34 Stoffler 2006a, S.âix.
35 Stoffler 2006a, S.â151.
36 Mertens E 1881b, S.â90.
37 Mertens E 1881c, S.â203.
38 Mertens E 1881c, S.â204.
39 Sigel/Jong 2010, S.â41â48.
40 Stoffler 2016b, S.â24â28.
8
Der Wohnhausgarten von Walter Leder an der G59, dessen Wasserbecken in japanischer Manier von einer zwischen Steinen hervorsprudelnden Quelle gespeist war.
Die architektonische Ausbildung des Hauses zu Walter Leders Garten an der G59 war dem Neuen Bauen verpflichtet.
102
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103
Ernst Cramers Garten des Poeten mit dem Kegel, den Richard Arioli mit einem Vulkan assoziierte.
Durch das Rhododendrental schlĂ€ngelte sich ein trockenes Bachbett aus Kieseln. Das japanische Flair unterstrich die leicht gewölbte BrĂŒcke aus rohen Holzbohlen.
104 Willi Neukoms Nymphenteich war eine der berĂŒckendsten Schöpfungen an der G59.
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105 Das glĂ€serne âJuwelâ im Jardin dâamour weckt die Assoziation mit dem buddhistischen Wunschjuwel.
106 Blick ĂŒber den Kristallgarten von Neukom/Baumann auf Cramers Garten des Poeten an der G59.
Im Garten Deller in Winterthur-WĂŒlflingen schuf Ammann 1945 eine bezaubernde japanisch Miniatur. Aus einer seichten Vertiefung im Fels, als habe das Wasser sie ausgewaschen, flieĂt ein kleiner Wasser fall in das mit Seerosen, Japanischen Sumpfschwertlilien, Japanischen Primeln und Rohrkolben bepflanzte Bassin. Japanische Zierquitte und geschlitztblĂ€ttriger Ahorn akzentuieren das japanische Kolorit.
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Albert Baumann
Der japanische Garten in Oeschberg in einer seltenen Farbaufnahme.
In der Zeichnung eines japanischen Gartens erscheint der Brunnen als haargenaue Kopie des Schöpfbeckens, das KinkichirĆ Honda auf Tafel 24 abbildete, wĂ€hrend die Laterne derjenigen auf Tafel 17 gleicht.
1891--1976
â 148
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KinkichirĆ Hondas Tafel 17 diente Baumann als Vorlage fĂŒr die Lichtquelle, die er im Vordergrund zeichnete; die kleinere dahinter entnahm er dem Katalog auf Tafel 35.
1 Baumann A 1931/1932, S.â32.
2 Siehe Osoegawa 2020b, S.â22.
3 Siehe Osoegawa 2020b, S.â23.
4 Ebd.
5 Siehe Osoegawa 2020b, S.â24.
6 Siehe Wettstein 1977, S.â37.
7 Siehe Osoegawa 2020b, S.â24
8 Siehe Osoegawa 2020c, S.â22.
9 Osoegawa 2020c, S.â24.
10 Ebd.
11 Ebd.
12 Vgl. Osoegawa 2020a, S.â17.
13 Osoegawa 2020c, S.â24
14 Ebd.
Der im thurgauischen Arbon als Sohn eines Bandwebers geborene Albert Baumann durchlief zunĂ€chst eine Ausbildung an der StickereiZeichnungsschule St.âGallen.2 Die BeschĂ€ftigung mit ornamentalen Pflanzenmotiven bewog ihn 1909, eine GĂ€rtnerlehre an der Ecole cantonale dâhorticulture de ChaÌtelaine bei Genf in Angriff zu nehmen, wo er auf Walter Leder traf, mit dem sich eine Freundschaft anbahnte. Entschlossen, sich weniger als GĂ€rtner denn als Gestalter zu betĂ€tigen, trat er 1913 in die interkantonale Gartenbauschule WĂ€denswil ein.3 Nach deren Abschluss engagierte ihn Garteninspektor Gottlieb Friedrich Rothpletz (1864â1932) im Gartenbauamt der Stadt ZĂŒrich, wo Baumann bis 1919 blieb,4 sich anschlieĂend freischaffend betĂ€tigte und Reisen nach Frankreich und Deutschland unternahm. Im Herbst 1920 berief ihn der Regierungsrat zum Hauptlehrer an die neu gegrĂŒndete Kantonale Gartenbauschule Oeschberg im bernischen Koppigen,5 wo er bis 1957 wirkte.6
Archiv fĂŒr Schweizer Landschaftsarchitektur ASLA an der Hochschule Rapperswil (heute OST Ostschweizer Fachhochschule) hervorging.7
Lange Zeit vor allem als Lehrer wahrgenommen, war es der Gartenhistoriker und Landschaftsarchitekt Steffen Osoegawa, der Albert Baumanns Rolle als eine der âfĂŒhrenden Persönlichkeiten der Schweizer Reformgartenbewegungâ8 hervorhob: âDer Architekturgarten war fĂŒr ihn nicht alleine Kunstform, sondern Ausdruck seiner Weltanschauung, der Lebensreform, die es ihm ermöglichte, sich von vielen ihm unlieben Konventionen zu befreien.â9
Der Reformcharakter des Wohngartenstils jedoch wollte ihm nicht in den Kopf, er galt ihm nicht âals eine eigenstĂ€ndige Weiterentwicklung der Gartenkulturâ,10 seine Gestaltungsweisen waren fĂŒr ihn nur Sujets, weshalb er fĂŒr sie den Begriff des Motivgartens prĂ€gte.11
Osoegawa datierte den Moment, in dem sich Baumann ausschlieĂlich dem Motivgarten und der jungen Disziplin der Landschaftsgestaltung zu widmen begann, wĂ€hrend Bauerngarten und herrschaftlicher Barockgarten nahezu vollstĂ€ndig aus seinem Entwurfsrepertoire verschwunden seien, in die Mitte der 1930er-Jahre.12
Albert Baumanns Nachlass begrĂŒndete 1981 die Entstehung der Stiftung Archiv fĂŒr Schweizer Gartenarchitektur und Landschaftsplanung, aus der das heutige
Das âMotivâ13 etwa eines sich schlĂ€ngelnden, mittels Steinen ein natĂŒrliches Bett simulierenden Bachs oder ein mit Seerosen bestĂŒcktes Badebecken und eine âneue Landschaftlichkeitâ,14 bei der das Umfeld in den Garten einbezogen wurde, eröffneten Baumann die Chance, das Korsett von Symmetrie und strenger Gliederung zu Umgeben von GebĂŒschwĂ€nden aus Schneebeeren, geschlitztblĂ€ttrigem Holunder und Nadelhölzern liegt der japanische Garten fĂŒr sich abgeschlossen neben dem Alpinum. Als Unterlage fĂŒr die Gestaltung dienten Vorbilder erster japanischer Gartengestalter. 1
149
Japan als Motiv
Die Maueröffnung gleicht frappant derjenigen des Eingangs zum Garten der Katsura-Residenz.
Treillagen und RankgerĂŒste empfand Baumann im âkleinen Wohngartenâ japanischen Beispielen nach.
Die kaum behandelte, auf einem ebensolchen Stein abgestellte HolzstĂŒtze im âkleinen Wohngartenâ erinnert an den Tokobashira (ćșæ± ) der traditionellen japanischen Bildernische Tokonoma (ćșăźé ).
155
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173 Eine nicht identifizierbare Fotografie eines Gartenausschnitts japanischer PrÀgung.
Der definitive Plan fĂŒr das Anwesen von Hugo Mann beinhaltet alle vormals skizzierten japanischen Elemente: das japanisch gestaltete Atrium, die Magnolie und das âTeehĂ€uschenâ.
183
Japan als Generalbass
4 Langkilde (1919â1997) verantwortete den dĂ€nischen Beitrag an der Gartenbauausstellung in Hamburg 1963. Siehe Arioli 1963a.
5 Siehe o.âA. 1983, S.â35; Nyffenegger 2004, S.â27.
6 Der erste Hinweis auf Neukoms BeschĂ€ftigung mit Max Bill ist die Einladungskarte zu dessen vom 20. Okt. bis 15. Nov. 1946 dauernden Ausstellung in der Galerie des Eaux Vives an der Seefeldstr. 48 in ZĂŒrich: ASLA, NL WNE, o. Sign. Aus demselben Jahr datiert ein Artikel ĂŒber Alexander Calder, den Neukom aufhob: NĂ€f 1946; ASLA, NL WNE, o. Sign.
7 FĂŒeg 1959; Mathys 1960, S.â28; o.âA. 2002. Remmele/Vegesack 2003; Maurer 2013.
Auf kleinem Raum viel Wasser, das war hier die rettende gestalterische Idee! Poesievoll wie ein japanischer Garten. 1
Willi Neukom absolvierte zunĂ€chst eine GĂ€rtnerlehre, ehe er sich autodidaktisch zum Landschaftsarchitekten ausbildete. 19382 oder 19393 stieĂ er zum BĂŒro von Ernst Cramer, wo er sein zeichnerisches Talent, seine Begabung als Projektleiter und sein Interesse an Architektur, bildender Kunst und Grafik entfalten konnte. 1951 grĂŒndete er in ZĂŒrich sein eigenes âStudio fĂŒr Gartenarchitektur und Landschaftsgestaltungâ.
Auf gartenarchitektonischem Gebiet inspirierten ihn Roberto Burle Marx, Eywin Langkilde4 und Ingwer Ingwersen, auf kĂŒnstlerischem Feld Figuren aus dem Kreis der ZĂŒrcher Konkreten. Er unternahm Studienreisen nach Japan (1964), Skandinavien (1967), England (um 1970) und in die TĂŒrkei (Ende der 1970er-Jahre).5 Drei Jahre bevor sich Neukom 1951 auf eigene FĂŒĂe stellte, hatte Ernst Cramer den Garten Hegner gestaltet â die japanischste Schöpfung seines Arbeitgebers. Angewiesen war Neukom auf diese Erfahrung zweifelsohne nicht, um japanische Elemente zu adaptieren. Die traditionelle Gartenkunst Nippons war seit den 1930erJahren in aller Munde. Neukom entwarf denn auch bereits in den ersten Jahren seiner SelbststĂ€ndigkeit Anlagen, in denen er mit fernöstlichen Motiven liebĂ€ugelte: geschwungene, mit Seerosen bepflanzte oder mit Inseln bestĂŒckte Wasserbecken, an deren Ufer er Gesteinsbrocken setzte, unregelmĂ€Ăig verlegte Schrittsteine und Bambus. Auch die Begeisterung fĂŒr Gehölze von bizarrem Wuchs, die er in den 1970er-Jahren an der ETH Hönggerberg ausleben wird, zeichnete sich hier schon ab.
Musikalisch gesprochen, figurierte die japanische Gartengestaltung in Neukoms Schöpfungen als Generalbass. Zuweilen durchströmt von skandinavischen Quellen, arrangierte er ihn mit Burle Marxâ gleichermaĂen organisch wuchernder wie geometrisch definierter Ader oder â kĂŒnstlerisch gewendet â ĂŒberlagerte ihn mit Schemata der konkreten Kunst eines Max Bill oder der kinetischen eines Alexander Calder.6
Geometrisch-organisch, positiv-negativ Er pendelte zwischen geometrischen und organischen Konzepten, entschied sich beim Sitz der International Business Machines Corporation (IBM) im zĂŒrcherischen RĂŒschlikon 1962 [â S. 134â136, 254, 256, unten] , beim Schulhaus Fondli in Dietikon 1966 [â S. 244, oben] und beim Hof der mechanisch-technischen Abteilung der Gewerbeschule in ZĂŒrich im selben Jahr [ â S. 299 ] fĂŒr Ersteres, bei der Wohnsiedlung fĂŒr die Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft Pax im aargauischen Wohlen 1983 [ â S. 241 ] und beim Einfamilienhaus fĂŒr das Ehepaar Ungricht in Dietikon 1982 fĂŒr Letzteres [â S. 245]. In manchen FĂ€llen arbeitete er sich bei ein und demselben Projekt an beiden StrĂ€ngen ab â am ausgeprĂ€gtesten bei der
Gestaltung des AuĂenraums der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) auf dem Hönggerberg in ZĂŒrich [â S. 252, 253]. Oder er kombinierte naturnahe mit puristischen Kreationen, wie beim Schwesternhaus des Bezirksspitals BĂŒlach 1962 [â S. 244, unten].
Ăberdies hegte er eine AffinitĂ€t zu Positiv-NegativKompositionen. Die japanische Gepflogenheit, Wasser durch Sand auszudrĂŒcken, traf seinen Nerv. Er entfaltete daraus aber auch eine eigene Interpretation, Wege als trockene BĂ€che aufzufassen â etwa bei dem Entwurf fĂŒr Bruno Scheiwiler in ZĂŒrich 1977 [â S. 243] â, oder vollzog die Umkehrung, Wasser als Inseln einzusetzen â beispielsweise im Innenhof des ForschungsgebĂ€udes an der ETH 1976 [â S. 253]. Ein weiterer Kunstgriff seines Repertoires war, die drei Elemente Wasser, Stein und Pflanze in je eigenen RĂ€umen zu konzentrieren â exemplarisch in den als âGrĂŒnhofâ, âWasserhofâ und âSteinhofâ konzipierten Atrien der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) in Bellikon 1973 [â S. 300].
Eines der prestigetrĂ€chtigsten und bis in die jĂŒngere Vergangenheit rezipierten Objekte war die von Marcel Breuer (1902â1981) fĂŒr den Rechtsanwalt und Kunstsammler Willy Staehelin-Peyer (1917â1996) 1956â1957 entworfene und 1957â1958 gebaute Villa in Feldmeilen (ZH).7 Das zweigeschossige Haus gliedert sich in drei zueinander versetzte Kuben, die an die Gliederung des Hauptbaus der Katsura-Villa erinnern, akzentuiert durch die ihnen einbeschriebenen drei Höfe â Kinderhof, Wohnhof, Studiohof [â S. 248].
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Ein von Steinen Ă la japonaise ĂŒberbrĂŒckter Teich ist das HerzstĂŒck der Siedlung der Schweizerischen Lebensversicherungs-Gesellschaft Pax im aargauischen Wohlen von 1983.
Garten Feller, Horgen
WĂ€hrend der Wasserhof als in sich gekehrte Zen-Miniatur erscheint, binden einzelne Gehölze innerhalb und auĂerhalb der Umfriedung die gestaltete und die natĂŒrliche Landschaft zusammen.
Die Konturen der Inseln sind miteinander verbunden, der Zwischenraum aber ist blau ĂŒberhaucht. Je nach Pegelstand wĂ€re die Insel an ihrer tiefsten Stelle ĂŒberspĂŒlt worden und als zweigeteilt erschienen oder hĂ€tte sich aus dem Wasser gehoben und sich als ein Eiland prĂ€sentiert. Die Stege sind aus zueinander versetzten Brettern oder Steinplatten gefĂŒgt, wie es typisch ist fĂŒr BrĂŒcken in japanischen GĂ€rten.
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â â â Willy Neukom
274 Adolf ZĂŒrcher
Ein mĂ€andernder Bach prĂ€gt den GrĂŒnraum im Garten Vasella im zugerischen Risch.