Innenräume Entwerfen

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A K U S TI K

AKUSTIK IST KOMMUNIKATION Die Akustik ist ein kommunikatives Medium. Ihre mediale Komponente zeigt sich in der Fähigkeit, ein Kommunikationskanal zu sein und Inhalte zu kommunizieren und selbst zu bilden. Dies unterstreicht das Potenzial, auf zeitgenössische Einflüsse und Bedürfnisse eingehen zu können. Eine Akustik, die die Funktion des Raumes unterstützt, ermöglicht eine interaktive, menschliche Kommunikation und eine Kommunikation zwischen Mensch und Raum. Eine wohlklingende Akustik erleichtert die intellektuelle Vermittlung von Informationen. Wenn der Hörende ohne Anstrengung informative auditive Signale empfangen kann und irritierende akustische Signale gar nicht erst entstehen, entspricht die Akustik der Funktion des Raumes. Flexible Akustikkonzepte ermöglichen innerhalb eines Raumes variierende, individuelle Nutzungen mit unterschiedlichen Ansprüchen an den Raumklang. Innerhalb eines Raumes können mehrere individuelle Klangqualitäten durch eine akustische Strukturierung integriert werden. Akustische Zonen lassen sich so nach inhaltlichen und funktionalen Aspekten differenzieren und unterschiedlichen Nutzungsanforderungen anpassen. Eine auditive Raumatmosphäre, die emotionales Wohlempfinden, intellektuelle Kommunikation, kreatives Arbeiten, aber auch kontemplative Ruhe ermöglicht, bereichert das Leben um visuelle, haptische und auditive Inspirationen und verleiht dem Raum eine emotional erfahrbare Dimension und Tiefe. Akustikkonzepte müssen auf individuelle Unterschiede der Menschen eingehen. Wenn beispielsweise innerhalb eines Raumes ruhige, introvertierte Personen mit lauten, extrovertierten Personen arbeiten und kommunizieren sollen, müssen sich beide Personengruppen in diesem Ambiente wohlfühlen. Der Akustikplaner sollte dann innerhalb des Raumes akustische Zonen schaffen, so dass jedem Menschen ermöglicht wird, seiner Persönlichkeit entsprechend zu interagieren und sich wohlzufühlen. Betrachtet man die Akustik unter kulturell inspirierten Aspekten, eröffnen sich unterschiedliche auditive Vorlieben und Muster, die wiederum unterstreichen, mit welcher Sensibilität ein Akustikkonzept entwickelt werden sollte und wie bedeutend der räumliche, kulturelle, soziale, politische und gesellschaftliche Kontext ist. Die Analyse unterschiedlicher Kulturen und Nationen zeigt, dass es, ohne komplexitätsreduzierende Klischees bedienen zu wollen, teilweise tatsächlich gravierende Unterschiede in Temperament und dadurch auch im Empfinden für Lautstärken in räumlichen Umgebungen gibt. In vielen Regionen der Welt wird eine hohe Lautstärke als normal, als Zeichen von Lebensfreude und Dynamik wahrgenommen, während dies wiederum in anderen Regionen als

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störende Lärmbelästigung empfunden wird. In südlichen Ländern wird beispielsweise eine lebendige Lautstärke als raumbildendes, raumcharakterisierendes Element in die Akustikplanung mit einbezogen oder einfach nicht durch entsprechende Maßnahmen „bekämpft“. In nördlichen Ländern dagegen wird sehr großes Augenmerk darauf gelegt, dass sich die Akustik der Funktion des Raumes anpasst und eine meist ruhigere auditive Atmosphäre geschaffen wird, die keine störende Geräuschkulisse entstehen lässt. Auch die unterschiedlichen Vorlieben der Menschen in ländlichen und urbanen Gebieten sollten bei der Planung einer gelungenen Akustik bedacht werden. Innerhalb der lauten Geräuschkulisse einer großen Stadt müssen Räume akustisch anders behandelt werden, als Räume in ruhigen, ländlichen Gebieten. Sollte in urbanen Räumen der treibende Rhythmus einer pulsierenden Stadt aufgenommen werden oder sollten eher Inseln der Ruhe und Kontemplation erschaffen werden? Erfordern ländliche Regionen eher dramatische Gegensätze zur Ruhe oder soll sich genau diese Ruhe auditiv in den Räumen widerspiegeln? Eine genaue Analyse der erwünschten Zielgruppe und der funktionalen Ausrichtung von Räumen ist für die Beantwortung dieser Fragen elementar wichtig. Regionale und kulturelle Eigenheiten spielen dabei neben individuellen Wünschen eine große Rolle. Der „Baustoff“ Akustik formt Räume und ermöglicht dem Menschen durch die auditive Zonierung eine bessere Orientierung im Raum. Gerade Arbeitsbereiche mit offenen Raumstrukturen erfordern Lösungen, die die unterschiedlichen Bereiche mit dem jeweils passenden Raumklang versehen, denn nur eine angemessene Akustik fördert Konzentration und Arbeitsqualität. Die akustikgerechte Gestaltung des Mobiliars ist wichtig, da so beispielsweise inmitten eines kommunikativen Raumes durch den Einsatz schallabsorbierender Materialien Ruheinseln errichtet werden können, die innerhalb eines großen Raumes Privatsphäre und Bereiche der Kontemplation und Ruhe ermöglichen. Der Raumklang definiert also unterschiedliche Nutzungsbereiche auditiv. Die offene Raumstruktur moderner Arbeitswelten erfordert dementsprechend flexibel veränderbare Akustikkonzepte. Schalldämmkabinen oder akustisch abgeteilte Telefonzellen und spezielle Möbel bieten differenzierte Nutzungen. Ein offener Arbeitsbereich mit kurzen Wegen der Kommunikation und Teamarbeit führt zu einer Geräuschkulisse, die den Arbeitsprozess oft verlangsamt, anstatt diesen zu beflügeln. Daher müssen einzelne Raumelemente visuell und haptisch so gestaltet werden, dass flexible akustische Räume innerhalb des Arbeitsbereiches entstehen, die Konzentration, Kommunikation, Entspannung, Arbeitsqualität und Kreativität ermöglichen. In solchen Räumen sollte die Nachhallzeit kurz sein und schallreflektierende Raum­ elemente sollten mit schallabsorbierenden Materialien verkleidet werden.


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