Die unbesetzte Stadt

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und Aufgaben der Polizei, so beginnt Foucault das Argument, sind „wesentlich Gegenstände […], die man städtisch nennen könnte“ (2006a, 481). Die ­Polizei stützt sich auf städtische Vorschriften und Gesetzessammlungen, die zum Teil bis ins frühe Mittelalter zurückreichen, die nun jedoch unter ihrem Dach übernommen, versammelt und dadurch gefestigt werden. Die Ausdehnung der städtischen Reglementierungen – die „Urbanisierung des Territo­ riums“ (2006a, 483) – ist das, was sich die Polizei des 17. und des 18. Jahrhunderts zur Aufgabe setzt und zugleich das Material, aus dem sie selbst gemacht ist. Entscheidend ist dabei, dass die Polizei in der Stadt stattfindet. Das, womit sich die Polizei beschäftigt, existiert nur „in der Stadt“ und „weil es eine Stadt gibt“ (2006a, 481). Die Probleme, für die die Polizei zuständig ist, sind allesamt „Probleme der Stadt“, es sind „Probleme des Zusammenlebens, und zwar des dichten Zusammenlebens“ (2006a, 481). Die Polizei hat zur Aufgabe, alle Formen der „Koexistenz der Menschen“ zu steuern (2006a, 487). Genau das soll ihr hauptsächlicher Gegenstand sein. Die Polizei entsteht, so lautet die These von Foucault, sowohl auf dem urbanistischen Feld als auch als Urbanismus. Dabei verkörpert die städtische Polizei die zeitgenössische Gouvernementalität, sie ist „nichts anderes als die ganze Regierungskunst“ (2006a, 459). Gouvernementalität findet, das ist ein erstes Ergebnis von Foucaults Analyse, als Stadtplanung in der Stadt statt. In diesem Zusammenhang bildet sich im 17. Jahrhundert ein „neues anthropologisches System“ heraus, bei dem es „nicht mehr [um] das unmittelbare Problem des Überlebens“ geht, sondern um „das Problem: leben und etwas mehr als nur leben“ (2006a, 470). Ein solcher Überschuss wird zu dem Objekt, mit dem sich die Polizei beschäftigt. Ihr „soll es gelingen, die Kraft des Staates auf der Annehmlichkeit der Menschen aufzubauen“ (2006a, 470). Der Zuständigkeitsbereich der Polizei, das destilliert Foucault aus seiner Lektüre der entsprechenden Abhandlungen, ist „alles, was von der bloßen Existenz zum Wohlbefinden führt, alles, was zur Herstellung dieses Wohlbefindens über die bloße Existenz hinaus dient“ (2006a, 471). Denn „das Wohl des Individuums“, so stellen es zumindest die Polizeiwissenschaften dar, ist „die Kraft des Staates“ (2006a, 471). In den Vordergrund gesellt sich damit ein ganz neues Ziel, nämlich das Glück des Menschen. Für die Herstellung eines solchen Glücks 250


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