Christus Pavilion | Broschur

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Auf dem Weg zur Mitte – Christus . 10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda

Auf dem Weg zur Mitte – Christus

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda


1.

3.

4.

Impressum

5.

Nordhausen

B4

Leinefelde Keula

A 38 Göttingen

2.

6.

Sondershausen

Menteroda

Hüpstedt Obermehler

Volkenroda Mühlhausen B 249

A4 Frankfurt  / M

Eisenach

Körner Andisleben

Bad Langensalza B 247

Mihla

A 71 Sömmerda

Ebeleben Schlotheim

B4

Eschwege

A 38 Halle

Gotha

A 71 Schweinfurt

Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda e. V. Amtshof 3 99998 Körner-Volkenroda Tel.: 036025 – 559 - 0 Fax: 036025 – 559 -10 info@kloster-volkenroda.de www.kloster-volkenroda.de

10 Stiftung Kloster Volkenroda e. V. Amtshof 3 99998 Körner-Volkenroda

1. Wasser

6. Trinität

8.

2. Tür

7. Brot

9.

Kinder, Jugend, Familie: bewegen – erfrischen – erneuern

Region: öffnen

3. Perle

Kultur überraschen – staunen

Ökumene zusammenkommen

Pilgern aufbrechen – suchen

Gastfreundschaft schenken – empfangen

9. Licht

5. Herrlichkeit

10. Christus-Raum

Architektur „Sakraler Raum“ glänzen – durchscheinen

Tel.: 036025 – 559 - 0 Fax: 036025 – 559 -10 info@kloster-volkenroda.de www.kloster-volkenroda.de

Stille hören – klären – antworten

Verkündigung feiern

Kammern und Kreuz im Christus-Pavillon © Andreas Felger Kulturstiftung, 13187 Berlin www.af-kulturstiftung.de Allgemeiner Bildnachweis Richard A. Weber, Franz-Josef Heise, Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Dorit Hofmeister, Dieter Ameling, Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda Gestaltung, Layout, Satz Amt für Gestaltung Marienburger Straße 26 10435 Berlin www.amt-fuer-gestaltung.de Druck Stahl-Zentrum Sohnstraße 65 40237 Düsseldorf

8. Weinstock

4. Wunde

Gemeinschaft sorgen – heilen – dienen

7.

Das Logo der Jesus-Bruderschaft Unser Logo zeigt in hebräischen Buchstaben den Namen „Jesus“, Jeschua, so wie er in einer Tonscherbe aus dem ersten Jahrhundert eingeritzt gefunden wurde.

Stahl-Zentrum Sohnstraße 65 40237 Düsseldorf Tel.: 0211 – 6707 - 0 Fax: 0211 – 6707 - 310 www.stahl-online.de info@stahl-online.de

Gispersleben Erfur t

Kreuz Erfur t

A4 Dresden


1.

3.

4.

Impressum

5.

Nordhausen

B4

Leinefelde Keula

A 38 Göttingen

2.

6.

Sondershausen

Menteroda

Hüpstedt Obermehler

Volkenroda Mühlhausen B 249

A4 Frankfurt  / M

Eisenach

Körner Andisleben

Bad Langensalza B 247

Mihla

A 71 Sömmerda

Ebeleben Schlotheim

B4

Eschwege

A 38 Halle

Gotha

A 71 Schweinfurt

Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda e. V. Amtshof 3 99998 Körner-Volkenroda Tel.: 036025 – 559 - 0 Fax: 036025 – 559 -10 info@kloster-volkenroda.de www.kloster-volkenroda.de

10 Stiftung Kloster Volkenroda e. V. Amtshof 3 99998 Körner-Volkenroda

1. Wasser

6. Trinität

8.

2. Tür

7. Brot

9.

Kinder, Jugend, Familie: bewegen – erfrischen – erneuern

Region: öffnen

3. Perle

Kultur überraschen – staunen

Ökumene zusammenkommen

Pilgern aufbrechen – suchen

Gastfreundschaft schenken – empfangen

9. Licht

5. Herrlichkeit

10. Christus-Raum

Architektur „Sakraler Raum“ glänzen – durchscheinen

Tel.: 036025 – 559 - 0 Fax: 036025 – 559 -10 info@kloster-volkenroda.de www.kloster-volkenroda.de

Stille hören – klären – antworten

Verkündigung feiern

Kammern und Kreuz im Christus-Pavillon © Andreas Felger Kulturstiftung, 13187 Berlin www.af-kulturstiftung.de Allgemeiner Bildnachweis Richard A. Weber, Franz-Josef Heise, Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Dorit Hofmeister, Dieter Ameling, Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda Gestaltung, Layout, Satz Amt für Gestaltung Marienburger Straße 26 10435 Berlin www.amt-fuer-gestaltung.de Druck Stahl-Zentrum Sohnstraße 65 40237 Düsseldorf

8. Weinstock

4. Wunde

Gemeinschaft sorgen – heilen – dienen

7.

Das Logo der Jesus-Bruderschaft Unser Logo zeigt in hebräischen Buchstaben den Namen „Jesus“, Jeschua, so wie er in einer Tonscherbe aus dem ersten Jahrhundert eingeritzt gefunden wurde.

Stahl-Zentrum Sohnstraße 65 40237 Düsseldorf Tel.: 0211 – 6707 - 0 Fax: 0211 – 6707 - 310 www.stahl-online.de info@stahl-online.de

Gispersleben Erfur t

Kreuz Erfur t

A4 Dresden


Auf dem Weg zur Mitte – Christus . 10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda

Auf dem Weg zur Mitte – Christus

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda


Ich konnte fühlen, wie sehr dies ein geistiger Ort ist. Sogar die Natur war auSSer­gewöhnlich still. Irgendwie schien Ein Zauber, dem ich mich nicht entziehen konnte, über diesen Tagen zu liegen. Gästebucheintrag, Kloster Volkenroda


Inhalt Grußwort der Ministerpräsidentin  3   Leitartikel  4 Es war ein ziemlich verrückter Gedanke: Horst Hirschler Der Christus-Pavillon im Spannungsbogen von Kirche und Technik: Dieter Ameling Ein kühnes Unterfangen: Bernhard Vogel

Liebe Geschwister, Freunde und Förderer,

Grußwort der Ministerpräsidentin 10 Jahre Christus Pavillon im Kloster Volkenroda

1 Wasser – Kinder · Jugend · Familie  15 Wie Begegnung zur Verbindung wird: Ortrun Iser …und plötzlich stand der Himmel offen: Ruth Lagemann

von Christine Lieberknecht,   Ministerpräsidentin   des Freistaates Thüringen

2 Tür – Region  23 Volkenroda – Frohe Botschaft für Dorf und Region: Ulrike Köhler   3 Perle – Kultur  29 Wenn Geist in Stahl und Marmor wohnt: Dieter Albrecht Die Kammern im Christus-Pavillon in der Gestaltung von Andreas Felger: Frank Günter Zehnder   4 Wunde – Gemeinschaft  37 Unsere Leitsätze – und wie wir damit umgehen: Jens Wolf Eigentlich muss ich auch mein Leben ausmisten: Luitgardis Parasie   5 Herrlichkeit – Architektur  45 Der Christus-Pavillon: Sinnstiftende Architektur als Ruheplatz für die Seele: Meinhard von Gerkan Laudatio für Meinhard von Gerkan: Manfred Schomers

am 18. August 2001 wurde der Christus-Pavillon in Volkenroda mit einem großen Festakt eingeweiht. Seitdem ist die ehemalige EXPO-Kirche zu einem inspirierenden Ort für die Region geworden. Wir blicken dankbar auf zehn reich gefüllte Jahre mit diesem einmaligen Gotteshaus. Staunend sehen wir auf die Segensspuren, die seitdem von Volkenroda ausgegangen sind. Davon erzählen die Beiträge in Wort und Bild. Einige blicken zurück auf die bewegenden Momente der Einweihung in Volkenroda. Viele der damaligen Wünsche sind inzwischen mit Leben erfüllt, sodass wir hoffnungsvoll in die Zukunft gehen.

6 Trinität – Ökumene  57 Versöhnung zieht Kreise: Karl-Heinz Michel Geistliche Oase im Westen Thüringens: Joachim Wanke

Auf dem Weg zur Mitte – Christus

7 Brot – Pilgern  63

Die Architektur des Christus-Pavillons berührt zehn Themen, für die Volkenroda in besonderer Weise steht: Der zentrale Christusraum in der Mitte ist von neun Kammern im Kreuzgang umgeben. Jeder der zehn Räume entfaltet einen anderen Zugang zu Christus. Sie ergänzen einander, können aber auch für sich stehen. Sie sollen neugierig machen auf mehr. Wir haben dies als Leitwort für das Jubiläumsjahr aufgegriffen: Auf dem Weg zur Mitte – Christus.

Hautnah erlebt – die Pilger: Johanna Panzer Mal sehen, Cara, ob wir sie nicht finden: Johanna Panzer   8 Weinstock – Gastfreundschaft  69 Gastfreundschaft der Seele: Jens Wolf   9 Licht – Stille  75 Ein Weg mit den Kammern im Christus-Pavillon: Christiane Wolf Erfahrungen mit der Stille: Johanna Panzer   10 Christus-Raum – Verkündigung  81 Sehnsucht nach heiligen Räumen: Karl-Heinz Michel Es bereichert mein Leben: Christiane Wolf Auf dem Weg zur Mitte – Christus: Albrecht Schödl

Dr. Albrecht Schödl   Pfarrer am Christus-Pavillon / Kloster Volkenroda

Impressum  im Umschlag

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  2

Das Zehnjahres-Jubiläum des Christus-Pavillons im Kloster Volkenroda mitten in der Reformationsdekade und im Jahr des Papstbesuchs in Thüringen feiern zu dürfen, dies hat für mich eine tiefe Symbolkraft. Denn schließlich war dieses futuristische Stahl-Glas-Konstrukt mit seinem schlichten Purismus als gemeinsame Kirche der evangelischen und katholischen Christen die »Seele der Weltausstellung« auf der EXPO 2000 in Hannover. Der Christus-Pavillon, er war auf der EXPO und ist seit 10 Jahren in Volkenroda ein weithin sichtbares Zeichen der Weltoffenheit der Kirche von heute, zugleich auch ein Zeichen der Hoffnung auf den wachsenden Geist der Ökumene. Gerne habe ich die Schirmherrschaft im Jubiläumsjahr übernommen. Bei zahlreichen Tagungen und Veranstaltungen im Kloster Volkenroda habe ich persönlich immer wieder die erbauende Wirkung erfahren dürfen, die von diesem spirituellen Kraftzentrum, von der Oase der Ruhe und inneren Einkehr der Klosteranlage Volkenroda ausgeht. Ein bauliches und erbauliches Ensemble, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verkörpert. Jeder Besucher spürt die gelebte Gastfreundschaft und Nächstenliebe der Frauen und Männer der Jesus-Bruderschaft, die hier leben, arbeiten, beten und meditieren. Äußeres und Inneres gehen hier eine Symbiose ein. Die architektonischen Kontraste zwischen altem Zisterziensergemäuer, ergänzt durch moderne Architektur aus Stahl, Glas und symbolische Gegenstände der Zeit, bizarre Effekte und Lichtspiele hervorrufend – all dies gibt den Menschen, die das Kloster Volkenroda besuchen, bleibende Impulse. Hier nimmt die Kirche die Welt der Technik auf. Aus Baukunst und Ingenieurkunst entsteht so eine einzigartige Spiritualität.

3  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Der Stiftung Kloster Volkenroda, der Eigentümerin der gesamten historischen Klosteranlage und allen Förderern, allen voran der deutschen Stahlindustrie, gilt unser aller Dank. Ihrem Einsatz haben wir es zu verdanken, dass die Europäische Union 1996 das Kloster Volkenroda als »schützenswertes Kulturerbe von europäischem Rang« ausgezeichnet hat. Wer Gott im Kontrast zwischen Tradition und Moderne erfahren will, der gehe nach Volkenroda, einem Ort der inneren Ruhe, der Gastlichkeit, der Menschlichkeit, einem Ort der Besinnung, der Begegnung und der Bildung. Mögen vom Christus-Pavillon in Volkenroda noch viele geistige und geist­ liche Impulse ausgehen!


Inhalt Grußwort der Ministerpräsidentin  3   Leitartikel  4 Es war ein ziemlich verrückter Gedanke: Horst Hirschler Der Christus-Pavillon im Spannungsbogen von Kirche und Technik: Dieter Ameling Ein kühnes Unterfangen: Bernhard Vogel

Liebe Geschwister, Freunde und Förderer,

Grußwort der Ministerpräsidentin 10 Jahre Christus Pavillon im Kloster Volkenroda

1 Wasser – Kinder · Jugend · Familie  15 Wie Begegnung zur Verbindung wird: Ortrun Iser …und plötzlich stand der Himmel offen: Ruth Lagemann

von Christine Lieberknecht,   Ministerpräsidentin   des Freistaates Thüringen

2 Tür – Region  23 Volkenroda – Frohe Botschaft für Dorf und Region: Ulrike Köhler   3 Perle – Kultur  29 Wenn Geist in Stahl und Marmor wohnt: Dieter Albrecht Die Kammern im Christus-Pavillon in der Gestaltung von Andreas Felger: Frank Günter Zehnder   4 Wunde – Gemeinschaft  37 Unsere Leitsätze – und wie wir damit umgehen: Jens Wolf Eigentlich muss ich auch mein Leben ausmisten: Luitgardis Parasie   5 Herrlichkeit – Architektur  45 Der Christus-Pavillon: Sinnstiftende Architektur als Ruheplatz für die Seele: Meinhard von Gerkan Laudatio für Meinhard von Gerkan: Manfred Schomers

am 18. August 2001 wurde der Christus-Pavillon in Volkenroda mit einem großen Festakt eingeweiht. Seitdem ist die ehemalige EXPO-Kirche zu einem inspirierenden Ort für die Region geworden. Wir blicken dankbar auf zehn reich gefüllte Jahre mit diesem einmaligen Gotteshaus. Staunend sehen wir auf die Segensspuren, die seitdem von Volkenroda ausgegangen sind. Davon erzählen die Beiträge in Wort und Bild. Einige blicken zurück auf die bewegenden Momente der Einweihung in Volkenroda. Viele der damaligen Wünsche sind inzwischen mit Leben erfüllt, sodass wir hoffnungsvoll in die Zukunft gehen.

6 Trinität – Ökumene  57 Versöhnung zieht Kreise: Karl-Heinz Michel Geistliche Oase im Westen Thüringens: Joachim Wanke

Auf dem Weg zur Mitte – Christus

7 Brot – Pilgern  63

Die Architektur des Christus-Pavillons berührt zehn Themen, für die Volkenroda in besonderer Weise steht: Der zentrale Christusraum in der Mitte ist von neun Kammern im Kreuzgang umgeben. Jeder der zehn Räume entfaltet einen anderen Zugang zu Christus. Sie ergänzen einander, können aber auch für sich stehen. Sie sollen neugierig machen auf mehr. Wir haben dies als Leitwort für das Jubiläumsjahr aufgegriffen: Auf dem Weg zur Mitte – Christus.

Hautnah erlebt – die Pilger: Johanna Panzer Mal sehen, Cara, ob wir sie nicht finden: Johanna Panzer   8 Weinstock – Gastfreundschaft  69 Gastfreundschaft der Seele: Jens Wolf   9 Licht – Stille  75 Ein Weg mit den Kammern im Christus-Pavillon: Christiane Wolf Erfahrungen mit der Stille: Johanna Panzer   10 Christus-Raum – Verkündigung  81 Sehnsucht nach heiligen Räumen: Karl-Heinz Michel Es bereichert mein Leben: Christiane Wolf Auf dem Weg zur Mitte – Christus: Albrecht Schödl

Dr. Albrecht Schödl   Pfarrer am Christus-Pavillon / Kloster Volkenroda

Impressum  im Umschlag

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  2

Das Zehnjahres-Jubiläum des Christus-Pavillons im Kloster Volkenroda mitten in der Reformationsdekade und im Jahr des Papstbesuchs in Thüringen feiern zu dürfen, dies hat für mich eine tiefe Symbolkraft. Denn schließlich war dieses futuristische Stahl-Glas-Konstrukt mit seinem schlichten Purismus als gemeinsame Kirche der evangelischen und katholischen Christen die »Seele der Weltausstellung« auf der EXPO 2000 in Hannover. Der Christus-Pavillon, er war auf der EXPO und ist seit 10 Jahren in Volkenroda ein weithin sichtbares Zeichen der Weltoffenheit der Kirche von heute, zugleich auch ein Zeichen der Hoffnung auf den wachsenden Geist der Ökumene. Gerne habe ich die Schirmherrschaft im Jubiläumsjahr übernommen. Bei zahlreichen Tagungen und Veranstaltungen im Kloster Volkenroda habe ich persönlich immer wieder die erbauende Wirkung erfahren dürfen, die von diesem spirituellen Kraftzentrum, von der Oase der Ruhe und inneren Einkehr der Klosteranlage Volkenroda ausgeht. Ein bauliches und erbauliches Ensemble, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verkörpert. Jeder Besucher spürt die gelebte Gastfreundschaft und Nächstenliebe der Frauen und Männer der Jesus-Bruderschaft, die hier leben, arbeiten, beten und meditieren. Äußeres und Inneres gehen hier eine Symbiose ein. Die architektonischen Kontraste zwischen altem Zisterziensergemäuer, ergänzt durch moderne Architektur aus Stahl, Glas und symbolische Gegenstände der Zeit, bizarre Effekte und Lichtspiele hervorrufend – all dies gibt den Menschen, die das Kloster Volkenroda besuchen, bleibende Impulse. Hier nimmt die Kirche die Welt der Technik auf. Aus Baukunst und Ingenieurkunst entsteht so eine einzigartige Spiritualität.

3  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Der Stiftung Kloster Volkenroda, der Eigentümerin der gesamten historischen Klosteranlage und allen Förderern, allen voran der deutschen Stahlindustrie, gilt unser aller Dank. Ihrem Einsatz haben wir es zu verdanken, dass die Europäische Union 1996 das Kloster Volkenroda als »schützenswertes Kulturerbe von europäischem Rang« ausgezeichnet hat. Wer Gott im Kontrast zwischen Tradition und Moderne erfahren will, der gehe nach Volkenroda, einem Ort der inneren Ruhe, der Gastlichkeit, der Menschlichkeit, einem Ort der Besinnung, der Begegnung und der Bildung. Mögen vom Christus-Pavillon in Volkenroda noch viele geistige und geist­ liche Impulse ausgehen!


Es war ein ziemlich verrückter Gedanke Wie die christlichen Kirchen und die Stahlindustrie zum Bau der EXPO 2000-Kirche zusammenfanden von Horst Hirschler

Ein Mittwochnachmittag im April 1996. Ich hatte Vertreter der evangelischen, ökumenisch gesonnenen Jesus-Bruderschaft Gnadenthal/Hessen zu mir in die Bischofskanzlei nach Hannover eingeladen. Sie suchten Sponsoren für Volkenroda in Thüringen. Etliche Zeit vorher hatten sie das verfallene ehemalige Zisterzienserkloster bei Mühlhausen übernommen. Von Volkenroda aus war im Jahre 1163 das Zisterzienserkloster Loccum gegründet worden. Also unser Mutterkloster. Die suchten also Sponsoren für den Wiederaufbau der von Thomas Müntzer und seinen Leuten 1525 zerstörten Klosterkirche. Modern wollten sie das machen, kompatibel mit dem Alten, aber aus Glas und Stahl.

danach aber nach Volkenroda transportierten? Allein für Volkenroda gibt niemand Geld. Für eine EXPO-Kirche, die danach in Volkenroda steht, aber wohl! Das wäre der Knüller! Das wird gesponsert!« Es war ein ziemlich verrückter Gedanke. Wir sind mit einer Mischung aus Abenteuer­ lust, vorsichtigem Gottvertrauen, solider Geldbeschaffungsarbeit und der erforder­ lichen Professionalität an dieses Unternehmen gegangen. Und unglaublich – es durfte gelingen. Gott sei Dank.

Eine verrückte Idee Partner Ich hatte Mitglieder des Loccumer Konvents, den Leiter des Evangelischen Büros für die EXPO 2000, Dr. Wegner, und andere Kundige dazu gebeten. Vormittags hatten wir eine schlechte Sitzung gehabt. Keine vernünftigen Ideen für die EXPO 2000. Nun also für Volkenroda Sponsoren. Wer sollte wohl sein gutes Geld in diese Gegend des Klosters Volkenroda geben? Während dieses Gesprächs geschah es. Günter Oertel, damals der Vorsitzende der Jesus-Bruderschaft sagt: »Wir könnten beim Bau der Kirche auf der EXPO 2000 durch Arbeitslose, die bei uns arbeiten, helfen!« Ich sage: »Wie wäre es, wenn wir die Kirche für Volkenroda in Glas und Stahl mit Ihren Leuten auf der EXPO 2000 bauten, sie

Eine Woche nach jener Mittwochsitzung – noch war das nur eine Schnapsidee – wurde die jährliche Industrie-Messe in Hannover im Kuppelsaal eröffnet. Ich stehe vor Beginn einsam in meinem Bischofsoutfit vorne vor den Gästen und schwitze, weil ich nicht ordentlich angemeldet bin, und warte auf die Platzanweiserin. Da kommt Dr. Harig, damals noch Preußen-Elektra, vorbei. Er ist einer von den vier Leuten, welche zu Beginn die Kirche auf der EXPO 2000 bedachten. Er bleibt stehen. Ich berichte: EXPO-Kirche verschoben nach Volkenroda.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  4

»Warten Sie«, sagt er. Drei Minuten später kommt er mit fünf leitenden Leuten der Stahlindustrie zurück. »Erzählen Sie denen das mal«, sagt er. Jeden Augenblick muss der Bundespräsident kommen. Ich erzähle unsere Schnapsidee: Kirche aus Glas und Stahl, erst auf der EXPO 2000, dann Volkenroda. Sie sehen mich groß an. Einer sagt, ich bin ja mit Ihrem Vorgänger in die gleiche Schule gegangen. Das hat zwar überhaupt nichts damit zu tun, ist aber ein positives Signal. Bundespräsident und Ministerpräsident werden angekündigt. »Das müssen Sie uns unbedingt ausführlicher erzählen«, sagen die fünf. Schnell auf die Plätze. Die Platzanweiserin zeigt mir meinen. Das war’s! Dies kurze Gespräch in dieser Situation war der Anfang. Dann folgten viele Gespräche. Der damalige Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Dr. Vondran, der Geschäftsführer der Studiengesellschaft Stahlanwendung, Dr. Weber, und viele andere wirkten im Hintergrund. Im Herbst durfte ich in Begleitung von Dr. von Vietinghoff, Präsident unseres Landeskirchenamtes das Projekt in der informellen Gesprächsrunde der Verantwortlichen der Stahlindustrie vorstellen: Es sollte auf der EXPO 2000 angesichts unserer von

5  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Wirtschaft, Wissenschaft und Technik faszinierten Gesellschaft einen starken christlichen Schwerpunkt geben. Eine Kirche auf der EXPO, das war mein Traum. Es sollte ein in hoher Qualität erstellter Kirchenbau aus Stahl und Glas sein, mit dem sich die Christenheit als modern, aber auch die Stahl­industrie als innovativ zeigen konnte. Langes Gespräch. »Wie viel Geld wollen Sie denn von uns«, ist die Frage. Ich sage: »Acht Millionen DM müssten es schon sein!!« Einer sagt entsetzt: »Nicht einmal 100.000 DM haben wir jemals für eine Kirche gespendet.« Dann werden wir freundlich nach draußen gebeten. Eine halbe Stunde später teilt Dr. Weber uns mit: »Fünf Millionen sind genehmigt!!!« Das ist der Durchbruch für den Christus-Pavillon, wie wir ihn später nannten. Die EKD-Synode beschließt daraufhin, zehn Millionen zu geben.

Ein fantastischer Bau, in dem man bis heute zu Ruhe und Besinnung kommen kann. Ich bin nach wie vor davon begeistert.

Es gibt eine begrenzte Ausschreibung. Der geniale Entwurf, der zur EXPO 2000 hinreißend passt, stammt von den Architekten Meinhard von Gerkan, Hamburg, in Zusammenarbeit mit Joachim Zais, Braunschweig. Ein moderner Kirchenraum, ans Gotische erinnernde hoch aufstrebende Stahlpfeiler, die Wände aus 10 mm starkem lichtdurchlässigem Marmor aus Naxos, auf Glas geklebt.

Die Organisation, Beschaffung der Gelder, die Umsetzung war Aufgabe der evangelischen Kirche. Die Planung der inhaltlichen Arbeit, des Betriebes während der EXPO geschahen ökumenisch gemeinsam mit Bischof Homeyer, Hildesheim, und seinen Mitarbeitern. Die EXPO 2000 wurde ein hinreißendes Fest. Gegen mancherlei Widerstände hatten wir beschlossen, dass neben

Es ist hier nicht möglich, die Menschen oder auch die freundlichen Umstände zu nennen, die mit zum Gelingen beitrugen. Ich nenne nur einige der Institutionen, deren leitende Verantwortliche sich für dieses Projekt gewinnen ließen: Die Evangelische Kirche in Deutschland, die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, die Wirtschaftsvereinigung Stahl, die Preußen-Elektra, die Glasindustrie, der Deutsche und der Niedersächsische Sparkassen- und Giroverband, die Nord-LB, die Versicherungsgruppe Hannover (VHG), die Klosterkammer Hannover, die Ev.-Luth. Landeskirche Thüringens, die dortige Landesregierung und viele Spender, die ihr Geld eingesetzt haben.


Es war ein ziemlich verrückter Gedanke Wie die christlichen Kirchen und die Stahlindustrie zum Bau der EXPO 2000-Kirche zusammenfanden von Horst Hirschler

Ein Mittwochnachmittag im April 1996. Ich hatte Vertreter der evangelischen, ökumenisch gesonnenen Jesus-Bruderschaft Gnadenthal/Hessen zu mir in die Bischofskanzlei nach Hannover eingeladen. Sie suchten Sponsoren für Volkenroda in Thüringen. Etliche Zeit vorher hatten sie das verfallene ehemalige Zisterzienserkloster bei Mühlhausen übernommen. Von Volkenroda aus war im Jahre 1163 das Zisterzienserkloster Loccum gegründet worden. Also unser Mutterkloster. Die suchten also Sponsoren für den Wiederaufbau der von Thomas Müntzer und seinen Leuten 1525 zerstörten Klosterkirche. Modern wollten sie das machen, kompatibel mit dem Alten, aber aus Glas und Stahl.

danach aber nach Volkenroda transportierten? Allein für Volkenroda gibt niemand Geld. Für eine EXPO-Kirche, die danach in Volkenroda steht, aber wohl! Das wäre der Knüller! Das wird gesponsert!« Es war ein ziemlich verrückter Gedanke. Wir sind mit einer Mischung aus Abenteuer­ lust, vorsichtigem Gottvertrauen, solider Geldbeschaffungsarbeit und der erforder­ lichen Professionalität an dieses Unternehmen gegangen. Und unglaublich – es durfte gelingen. Gott sei Dank.

Eine verrückte Idee Partner Ich hatte Mitglieder des Loccumer Konvents, den Leiter des Evangelischen Büros für die EXPO 2000, Dr. Wegner, und andere Kundige dazu gebeten. Vormittags hatten wir eine schlechte Sitzung gehabt. Keine vernünftigen Ideen für die EXPO 2000. Nun also für Volkenroda Sponsoren. Wer sollte wohl sein gutes Geld in diese Gegend des Klosters Volkenroda geben? Während dieses Gesprächs geschah es. Günter Oertel, damals der Vorsitzende der Jesus-Bruderschaft sagt: »Wir könnten beim Bau der Kirche auf der EXPO 2000 durch Arbeitslose, die bei uns arbeiten, helfen!« Ich sage: »Wie wäre es, wenn wir die Kirche für Volkenroda in Glas und Stahl mit Ihren Leuten auf der EXPO 2000 bauten, sie

Eine Woche nach jener Mittwochsitzung – noch war das nur eine Schnapsidee – wurde die jährliche Industrie-Messe in Hannover im Kuppelsaal eröffnet. Ich stehe vor Beginn einsam in meinem Bischofsoutfit vorne vor den Gästen und schwitze, weil ich nicht ordentlich angemeldet bin, und warte auf die Platzanweiserin. Da kommt Dr. Harig, damals noch Preußen-Elektra, vorbei. Er ist einer von den vier Leuten, welche zu Beginn die Kirche auf der EXPO 2000 bedachten. Er bleibt stehen. Ich berichte: EXPO-Kirche verschoben nach Volkenroda.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  4

»Warten Sie«, sagt er. Drei Minuten später kommt er mit fünf leitenden Leuten der Stahlindustrie zurück. »Erzählen Sie denen das mal«, sagt er. Jeden Augenblick muss der Bundespräsident kommen. Ich erzähle unsere Schnapsidee: Kirche aus Glas und Stahl, erst auf der EXPO 2000, dann Volkenroda. Sie sehen mich groß an. Einer sagt, ich bin ja mit Ihrem Vorgänger in die gleiche Schule gegangen. Das hat zwar überhaupt nichts damit zu tun, ist aber ein positives Signal. Bundespräsident und Ministerpräsident werden angekündigt. »Das müssen Sie uns unbedingt ausführlicher erzählen«, sagen die fünf. Schnell auf die Plätze. Die Platzanweiserin zeigt mir meinen. Das war’s! Dies kurze Gespräch in dieser Situation war der Anfang. Dann folgten viele Gespräche. Der damalige Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Dr. Vondran, der Geschäftsführer der Studiengesellschaft Stahlanwendung, Dr. Weber, und viele andere wirkten im Hintergrund. Im Herbst durfte ich in Begleitung von Dr. von Vietinghoff, Präsident unseres Landeskirchenamtes das Projekt in der informellen Gesprächsrunde der Verantwortlichen der Stahlindustrie vorstellen: Es sollte auf der EXPO 2000 angesichts unserer von

5  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Wirtschaft, Wissenschaft und Technik faszinierten Gesellschaft einen starken christlichen Schwerpunkt geben. Eine Kirche auf der EXPO, das war mein Traum. Es sollte ein in hoher Qualität erstellter Kirchenbau aus Stahl und Glas sein, mit dem sich die Christenheit als modern, aber auch die Stahl­industrie als innovativ zeigen konnte. Langes Gespräch. »Wie viel Geld wollen Sie denn von uns«, ist die Frage. Ich sage: »Acht Millionen DM müssten es schon sein!!« Einer sagt entsetzt: »Nicht einmal 100.000 DM haben wir jemals für eine Kirche gespendet.« Dann werden wir freundlich nach draußen gebeten. Eine halbe Stunde später teilt Dr. Weber uns mit: »Fünf Millionen sind genehmigt!!!« Das ist der Durchbruch für den Christus-Pavillon, wie wir ihn später nannten. Die EKD-Synode beschließt daraufhin, zehn Millionen zu geben.

Ein fantastischer Bau, in dem man bis heute zu Ruhe und Besinnung kommen kann. Ich bin nach wie vor davon begeistert.

Es gibt eine begrenzte Ausschreibung. Der geniale Entwurf, der zur EXPO 2000 hinreißend passt, stammt von den Architekten Meinhard von Gerkan, Hamburg, in Zusammenarbeit mit Joachim Zais, Braunschweig. Ein moderner Kirchenraum, ans Gotische erinnernde hoch aufstrebende Stahlpfeiler, die Wände aus 10 mm starkem lichtdurchlässigem Marmor aus Naxos, auf Glas geklebt.

Die Organisation, Beschaffung der Gelder, die Umsetzung war Aufgabe der evangelischen Kirche. Die Planung der inhaltlichen Arbeit, des Betriebes während der EXPO geschahen ökumenisch gemeinsam mit Bischof Homeyer, Hildesheim, und seinen Mitarbeitern. Die EXPO 2000 wurde ein hinreißendes Fest. Gegen mancherlei Widerstände hatten wir beschlossen, dass neben

Es ist hier nicht möglich, die Menschen oder auch die freundlichen Umstände zu nennen, die mit zum Gelingen beitrugen. Ich nenne nur einige der Institutionen, deren leitende Verantwortliche sich für dieses Projekt gewinnen ließen: Die Evangelische Kirche in Deutschland, die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, die Wirtschaftsvereinigung Stahl, die Preußen-Elektra, die Glasindustrie, der Deutsche und der Niedersächsische Sparkassen- und Giroverband, die Nord-LB, die Versicherungsgruppe Hannover (VHG), die Klosterkammer Hannover, die Ev.-Luth. Landeskirche Thüringens, die dortige Landesregierung und viele Spender, die ihr Geld eingesetzt haben.


Einladend sieht er aus, der Pavillon. Er ist ein sehr ungewöhnliches Gotteshaus. Immer wieder faszinieren mich seine mit Alltagsgegenständen gefüllten Glas­ wände. Sie öffnen den Raum für Begegnung und Gespräch, für Gebet und Stille. Wenn Menschen sich zum Kloster Volkenroda auf den Weg machen, dann kommen sie an einen Ort, der in besonderer Weise ein auf Glaube, Liebe und Hoff­nung gegründetes Leben vor Augen führt. Der Pavillon nimmt das mit seiner Architektur auf und ist so eine Einladung Gottes an Menschen heute – in seiner modernen Gestalt. Jesus Christus spricht: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. (Matthäus 7,7) Diese Einladung ergeht an uns alle. Ich freue mich, dass wir diesen Ort, an dem Gottes Einladung in vielfältiger Form gefolgt werden kann, in unserer Kirche haben. Ilse Junkermann Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland

den vielfältigen Veranstaltungen und Gottes­diensten die Grundstruktur des Christus-Pavillons das »Stundengebet« sein sollte. Zu jeder vollen Stunde gab es eine 15-minütige, liturgisch sorgfältig ausgestaltete ökumenische Andacht mit vier Minuten Ansprache. Neunmal am Tag. Das war der »Renner«. Wir waren nun, schrieb eine Zeitung, die »Seele der EXPO 2000«. Die Menschen kamen in großen Scharen.

Am Ziel Dann die Umsetzung nach Volkenroda. Das war ja die Grundidee. Aber es würde noch einmal viel Geld kosten. Viele wollten, dass der Christus-Pavillon in Hannover blieb, zumal die wunderbare Krypta in Volkenroda wegfallen würde. Es bedurfte großes Gottvertrauens und beachtlicher Zähigkeit, sowie der Geldgeber. Und es gelang. Die EKD, durch den von Anbeginn beteiligten Präsidenten des Kirchen­a mtes Valentin Schmidt, sowie die hannoversche Landeskirche, der Unternehmer Friedhelm Loh, die Deutsche (kath.) Bischofskonferenz, machten noch einmal die erforderlichen neun Millionen DM locker. Aber, wie würde der Christus-Pavillon in Volkenroda wirken? Wird der nicht zu gewaltig? Das war die große Überraschung: Von weitem sieht man nur ein schmales weißes Band über den Feldern. Vom Standort der alten Kirche aus aber wirkt Christus-­Pavillon, als müsste er dazu gehören. Es zeigt sich, dass Meinhard von Gerkans und Joachim Zais’ kühnes, einfaches und preisgekröntes Bauwerk in Volkenroda zu Recht den endgültigen Standort gefunden hat. Hier ist inzwischen viel Segensreiches durch die Arbeit

der Jesus-Bruderschaft, aber auch durch das Kuratorium der Stiftung geschehen, in der Dr. Ameling, ehem. Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, den Vorsitz hat. 2004 haben wir das Kreuz hinter dem Alter, das Andreas Felger geschaffen hat, eingeweiht. Es trägt die Symbole des gekreuzigten Christus, des Gott vertretenden Menschen in der Gottesferne. Hinter dem Kreuz aber leuchtet das Gold der österlichen Freude. Das Kreuz Christi im österlichen Licht, unter das wir uns mit unserem ganzen Leben stellen dürfen. Möge das auch weiterhin für die vielen Menschen, die sich hier versammeln, die Hauptsache in Volkenroda sein.

Landesbischof i. R. D. Horst Hirschler  Abt zu Loccum, Mitglied des Stiftungsrates

Der christus-Pavillon verbindet Vergangenheit und Gegenwart und ermutigt zu Träumen und Visionen. Das Jubiläum des Christus-Pavillons, vor zehn Jahren von der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und dem Bistum Hildesheim verantwortet, verbindet mich an einem besonderen Punkt mit der Arbeit meiner beiden Vorgänger im Bischofsamt. Horst Hirschler hat maß­ geblich an der Idee und dem Vorankommen dieses Projekts mitgearbeitet, meine Vorgängerin Dr. Margot Käßmann hat den Pavillon auf der EXPO 2000 in Hannover und dann in Volkenroda eingeweiht. Ich freue mich, nun den Rückblick auf die ersten zehn Jahre dieses visionären Bauwerks von Meinhard von Gerkan und Joachim Zais mitfeiern zu können, das Vergangenheit und Gegenwart verbindet und zu Träumen und Visionen ermutigt, damals auf der EXPO und heute in Volkenroda. Ralf Meister Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  6

7  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Einladend sieht er aus, der Pavillon. Er ist ein sehr ungewöhnliches Gotteshaus. Immer wieder faszinieren mich seine mit Alltagsgegenständen gefüllten Glas­ wände. Sie öffnen den Raum für Begegnung und Gespräch, für Gebet und Stille. Wenn Menschen sich zum Kloster Volkenroda auf den Weg machen, dann kommen sie an einen Ort, der in besonderer Weise ein auf Glaube, Liebe und Hoff­nung gegründetes Leben vor Augen führt. Der Pavillon nimmt das mit seiner Architektur auf und ist so eine Einladung Gottes an Menschen heute – in seiner modernen Gestalt. Jesus Christus spricht: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. (Matthäus 7,7) Diese Einladung ergeht an uns alle. Ich freue mich, dass wir diesen Ort, an dem Gottes Einladung in vielfältiger Form gefolgt werden kann, in unserer Kirche haben. Ilse Junkermann Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland

den vielfältigen Veranstaltungen und Gottes­diensten die Grundstruktur des Christus-Pavillons das »Stundengebet« sein sollte. Zu jeder vollen Stunde gab es eine 15-minütige, liturgisch sorgfältig ausgestaltete ökumenische Andacht mit vier Minuten Ansprache. Neunmal am Tag. Das war der »Renner«. Wir waren nun, schrieb eine Zeitung, die »Seele der EXPO 2000«. Die Menschen kamen in großen Scharen.

Am Ziel Dann die Umsetzung nach Volkenroda. Das war ja die Grundidee. Aber es würde noch einmal viel Geld kosten. Viele wollten, dass der Christus-Pavillon in Hannover blieb, zumal die wunderbare Krypta in Volkenroda wegfallen würde. Es bedurfte großes Gottvertrauens und beachtlicher Zähigkeit, sowie der Geldgeber. Und es gelang. Die EKD, durch den von Anbeginn beteiligten Präsidenten des Kirchen­a mtes Valentin Schmidt, sowie die hannoversche Landeskirche, der Unternehmer Friedhelm Loh, die Deutsche (kath.) Bischofskonferenz, machten noch einmal die erforderlichen neun Millionen DM locker. Aber, wie würde der Christus-Pavillon in Volkenroda wirken? Wird der nicht zu gewaltig? Das war die große Überraschung: Von weitem sieht man nur ein schmales weißes Band über den Feldern. Vom Standort der alten Kirche aus aber wirkt Christus-­Pavillon, als müsste er dazu gehören. Es zeigt sich, dass Meinhard von Gerkans und Joachim Zais’ kühnes, einfaches und preisgekröntes Bauwerk in Volkenroda zu Recht den endgültigen Standort gefunden hat. Hier ist inzwischen viel Segensreiches durch die Arbeit

der Jesus-Bruderschaft, aber auch durch das Kuratorium der Stiftung geschehen, in der Dr. Ameling, ehem. Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, den Vorsitz hat. 2004 haben wir das Kreuz hinter dem Alter, das Andreas Felger geschaffen hat, eingeweiht. Es trägt die Symbole des gekreuzigten Christus, des Gott vertretenden Menschen in der Gottesferne. Hinter dem Kreuz aber leuchtet das Gold der österlichen Freude. Das Kreuz Christi im österlichen Licht, unter das wir uns mit unserem ganzen Leben stellen dürfen. Möge das auch weiterhin für die vielen Menschen, die sich hier versammeln, die Hauptsache in Volkenroda sein.

Landesbischof i. R. D. Horst Hirschler  Abt zu Loccum, Mitglied des Stiftungsrates

Der christus-Pavillon verbindet Vergangenheit und Gegenwart und ermutigt zu Träumen und Visionen. Das Jubiläum des Christus-Pavillons, vor zehn Jahren von der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und dem Bistum Hildesheim verantwortet, verbindet mich an einem besonderen Punkt mit der Arbeit meiner beiden Vorgänger im Bischofsamt. Horst Hirschler hat maß­ geblich an der Idee und dem Vorankommen dieses Projekts mitgearbeitet, meine Vorgängerin Dr. Margot Käßmann hat den Pavillon auf der EXPO 2000 in Hannover und dann in Volkenroda eingeweiht. Ich freue mich, nun den Rückblick auf die ersten zehn Jahre dieses visionären Bauwerks von Meinhard von Gerkan und Joachim Zais mitfeiern zu können, das Vergangenheit und Gegenwart verbindet und zu Träumen und Visionen ermutigt, damals auf der EXPO und heute in Volkenroda. Ralf Meister Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers

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7  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Der Christus-Pavillon im Spannungsbogen von Kirche und Technik Der Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Kloster Volkenroda zum zehnjährigen Jubiläum der EXPO-2000-Kirche in Volkenroda von Dieter Ameling

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  8

Wir stehen im Leben stets unter Spannungen – die Gegenpole Kirche und Technik bilden einen der interessantesten Spannungsbögen, der mit dem besonderen Blick auf die EXPO-2000-Kirche viele Energien freigesetzt hat. Beide Seiten, wenn sie denn zueinander finden wollen, hören zunächst auf ihre Gefolgsleute und das Führungspersonal, um dann zu versuchen, einen gemeinsamen Weg unter dem Spannungsbogen zu finden. Die Geschichte des ChristusPavillons hierzu ist wirklich spannend. Bleiben wir im Folgenden bei den Erkenntnissen aus der Physik: Zwischen entgegen- gesetzten Polen fließt Strom – Energie, die zu Nützlichem eingesetzt werden kann – und von diesen Kräften soll hier die Rede sein.

Hannovers zur deutschen Stahlindustrie, der für alle Beteiligten neu war. Architekt Günther Hornschuh hatte damals die grundlegende Restaurierung der Volkenrodaer Klosteranlage mit der Fertigstellung der Klosterkirche und dem auf historischen Ruinen gegründeten Konventgebäude geschaffen. Hornschuh und eine Delegation von Vertretern der Hannoverschen Landeskirche und der Jesus-Bruderschaft stellten einen ersten Entwurf für das kühne Vorhaben im Stahl-Zentrum in Düsseldorf vor. Das Konzept hatte Bischof Hirschler formuliert:

Der Gedanke, den Pavillon der christlichen Kirchen auf der EXPO 2000 so zu planen, zu konstruieren und zu bauen, dass er nach der Weltausstellung von Hannover in Teilen zur weiteren Wiederherstellung der Klosteranlage Volkenroda gebraucht werden könnte, ist in Volkenroda geboren. Diesen Gedanken haben Hilfesuchende aus Volkenroda Landesbischof D. Horst Hirschler vorgetragen, der darauf antwortete: »Wie wäre das, wenn wir die Kirche für Volkenroda in Glas und Stahl erst einmal auf die EXPO 2000 bauten, sie dann nach Volkenroda transportierten? Allein für Volkenroda gibt niemand Geld. Für eine EXPO-Kirche, die danach in Volkenroda steht, aber wohl! Das wäre der Knüller! Das wird gesponsert!« Es war ein ziemlich verrückter Gedanke. So entstand im Vorfeld der Weltausstellung 2000, die unter dem Motto Mensch – Natur – Technik stand, ein Spannungsbogen von der Evangelischen Landeskirche

»Eine Kirche auf der EXPO, das wäre mein Traum. Es sollte ein in hoher Qualität erstellter Kirchenbau aus Stahl und Glas sein, mit dem sich die Christenheit als modern und die Stahlindustrie als innovativ zeigen könnten.«

9  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Mit derartig präzisen Vorgaben entsteht dann aus Gegenpolen eine Kraft, die überraschend Neues zuwege bringt. Die Ausschreibung zum Bau des Pavillons der christlichen Kirchen erregte große öffentliche Aufmerksamkeit und führte dazu, dass Prof. Meinhard von Gerkan und sein Partner Joachim Zais aus dem Wettbewerb als Sieger und spätere Auftragnehmer hervorgingen.


Der Christus-Pavillon im Spannungsbogen von Kirche und Technik Der Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Kloster Volkenroda zum zehnjährigen Jubiläum der EXPO-2000-Kirche in Volkenroda von Dieter Ameling

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  8

Wir stehen im Leben stets unter Spannungen – die Gegenpole Kirche und Technik bilden einen der interessantesten Spannungsbögen, der mit dem besonderen Blick auf die EXPO-2000-Kirche viele Energien freigesetzt hat. Beide Seiten, wenn sie denn zueinander finden wollen, hören zunächst auf ihre Gefolgsleute und das Führungspersonal, um dann zu versuchen, einen gemeinsamen Weg unter dem Spannungsbogen zu finden. Die Geschichte des ChristusPavillons hierzu ist wirklich spannend. Bleiben wir im Folgenden bei den Erkenntnissen aus der Physik: Zwischen entgegen- gesetzten Polen fließt Strom – Energie, die zu Nützlichem eingesetzt werden kann – und von diesen Kräften soll hier die Rede sein.

Hannovers zur deutschen Stahlindustrie, der für alle Beteiligten neu war. Architekt Günther Hornschuh hatte damals die grundlegende Restaurierung der Volkenrodaer Klosteranlage mit der Fertigstellung der Klosterkirche und dem auf historischen Ruinen gegründeten Konventgebäude geschaffen. Hornschuh und eine Delegation von Vertretern der Hannoverschen Landeskirche und der Jesus-Bruderschaft stellten einen ersten Entwurf für das kühne Vorhaben im Stahl-Zentrum in Düsseldorf vor. Das Konzept hatte Bischof Hirschler formuliert:

Der Gedanke, den Pavillon der christlichen Kirchen auf der EXPO 2000 so zu planen, zu konstruieren und zu bauen, dass er nach der Weltausstellung von Hannover in Teilen zur weiteren Wiederherstellung der Klosteranlage Volkenroda gebraucht werden könnte, ist in Volkenroda geboren. Diesen Gedanken haben Hilfesuchende aus Volkenroda Landesbischof D. Horst Hirschler vorgetragen, der darauf antwortete: »Wie wäre das, wenn wir die Kirche für Volkenroda in Glas und Stahl erst einmal auf die EXPO 2000 bauten, sie dann nach Volkenroda transportierten? Allein für Volkenroda gibt niemand Geld. Für eine EXPO-Kirche, die danach in Volkenroda steht, aber wohl! Das wäre der Knüller! Das wird gesponsert!« Es war ein ziemlich verrückter Gedanke. So entstand im Vorfeld der Weltausstellung 2000, die unter dem Motto Mensch – Natur – Technik stand, ein Spannungsbogen von der Evangelischen Landeskirche

»Eine Kirche auf der EXPO, das wäre mein Traum. Es sollte ein in hoher Qualität erstellter Kirchenbau aus Stahl und Glas sein, mit dem sich die Christenheit als modern und die Stahlindustrie als innovativ zeigen könnten.«

9  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Mit derartig präzisen Vorgaben entsteht dann aus Gegenpolen eine Kraft, die überraschend Neues zuwege bringt. Die Ausschreibung zum Bau des Pavillons der christlichen Kirchen erregte große öffentliche Aufmerksamkeit und führte dazu, dass Prof. Meinhard von Gerkan und sein Partner Joachim Zais aus dem Wettbewerb als Sieger und spätere Auftragnehmer hervorgingen.


In der Laudatio zur Ehrendoktorwürde für Meinhard von Gerkan an der Theologischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg hat Professor Horst Schwebel ausgeführt: »Ein weiteres Charakteristikum von Meinhard von Gerkan ist sein Umgang mit dem Material. Welches Material zur Bewältigung der jeweiligen Bauaufgabe Verwendung findet, ist für ihn von großer Wichtigkeit. Dabei soll mit dem Material gemäß seiner Eigenart und im Bewusstsein des gegenwärtigen Standes der Technik so umgegangen werden, dass das Material seiner Charakteristik gemäß zur Wirkung kommt. Die baulichgestalterische Realisierung zielt dabei auf größtmögliche Einfachheit«. Auch hier hatte die aus den Gegenpolen Architektur und Kirche strömende Energie die bestmögliche Wahl getroffen. Der Christus-­Pavillon in seiner architektonischen Gestaltung und seiner heute die Kloster­ anlage Volkenroda prägenden Position ist das Werk Professor von Gerkans. Allerdings bedurfte es der phantasievollen Arbeit des Landschaftsarchitekten Hinnerk Wehberg von WES&Partner, der das spannungsvolle Viereck der heutigen Klosteranlage schuf, dem Kloster Volkenroda endgültig die heutige Attraktivität zu geben. Als es an die Ausführung genialer Planungen für die EXPO-Kirche ging, waren das Beste der Stahlindustrie und die Besten des Stahlbaus gefordert. Die Studiengesellschaft Stahlanwendung im Stahlzentrum Düsseldorf übernahm ihren Teil der Verantwortung und besann sich einer historischen Maxime: »Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muss

das Handwerk vorausgehen, welches nur in der Beschränkung erworben wird. Eines recht wissen und ausüben gibt höhere Bildung als Halbheit im Hundertfältigen« (Johann Wolfgang von Goethe). Wie wahr! Die Dortmunder Stahlbaufirma Rüter übernahm die verantwortungsvolle Aufgabe, unter Einsatz ihres innovativen handwerklichen Könnens – und unter den kompromisslos kritischen Augen von Joachim Zais – diese Stahlbau-Kirche zu fertigen. In diesen Spannungsbogen zwischen der Vorgabe der Architekten und dem eigenen industriellen Können brachte Ewald Rüter seine geniale Erfindung, den »allseitig biegesteifen Rüter-Knoten«, als marktreifes Produkt innovativer Steckverbindungstechniken im Stahlbau ein, was erst die ungewöhnlich schnelle, kostengünstige und reibungslose Umsetzung von Hannover nach Volkenroda ermöglichte.

gerne getan. Nicht nur, weil mir der Christus-Pavillon sehr am Herzen liegt, sondern auch die Menschen in Volkenroda. Wir von der Stahlindustrie unterstützen von Anfang an die »Stahlkirche«, wie wir vom Stahl den Christus-­Pavillon intern nennen. Dem Kloster Volkenroda bin ich aber auch persönlich eng verbunden. Mein Sohn hat hier geheiratet, und zwei meiner Enkelkinder wurden hier getauft.

Und dann feierten wir – fasziniert auch von dem Spannungsfeld zwischen West und Ost, in das wir geraten waren –, die Wiedereinweihung der EXPO-2000-Kirche, des Christus-Pavillons im Kloster Volkenroda: »Liebe Gemeinde, von einer Kirche, die für den Zeitraum von fünf Monaten erbaut wurde, habe ich noch nie gehört! Insofern ist dieses Projekt einmalig. Aber es ist eben nachhaltig und nicht Teil einer Wegwerfmentalität. Unser Christus-Pavillon wurde geplant als Präsenz auf dem EXPO-Gelände. Die Stahlindustrie hat damals bei der Unter- Ein protestantisches Gebäude, in dem ökustützung der EXPO-2000-Kirche, dann menische Gemeinschaft gefeiert wurde, aber auch bei der Umsetzung des Christus-­ ökumenische Andachten und Angebote Pavillons nach Volkenroda dankbar ver- stattfanden. Viele Menschen haben den merkt, dass ihr Beitrag zur EXPO-Kirche Christus-Pavillon sehr lieb gewonnen in nicht nur Anerkennung gefunden hat, son- den fünf Monaten in Hannover. Ja, sie wolldern auch Fundament für eine nachhaltige ten ihn fast nicht gehen lassen. Er war ein Fortentwicklung des Dorfes und des Klosters wirklicher Erfolg bei diesem großen Fest der Völker und Kulturen. So, wie die Kirche mitVolkenroda war. ten im Dorf steht, so war selbstverständlich Persönlich stehe ich auch unter einem der Christus-Pavillon zentral an der Plaza Spannungsbogen, der mir Kraft gibt und gelegen. Es hat sich gezeigt: die Kirche kann große Freude bereitet. Im Juni 2006 habe sich auf dem Marktplatz der Welt nicht nur ich den Vorsitz des Stiftungsrates auf Bitten behaupten, sondern sie kann mit dem EvanSeiner Durchlaucht Albrecht Fürst zu gelium das Herz vieler Menschen erreichen, Castell-Castell übernommen, ich habe das viele Menschen anrühren. Voraussetzung ist

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  10

ein Einsatz mit Liebe und Sorgfalt und Qualität und ein Zugehen auf den Menschen. Das war ja das Besondere im Christus-Pavillon auf der EXPO: Kommunikation nicht als virtuelles Geschehen, sondern als Zuwendung zum Einzelnen. So wird Gottes Liebe sichtbar, wie Christus uns das gezeigt hat.« (Margot Käßmann). Die Jesus-Bruderschaft war von Gnadenthal nach Osten in die neuen Bundesländer aufgebrochen, um Beistand, Hilfe und christlichdemokratische Ordnung zu leisten. Gerade einmal ein knappes Jahrzehnt nach Deutschlands unblutiger Revolution bescherte der Spannungsbogen der deutschen Vereinigung dem Kloster Volkenroda eine fast unerschöpfliche Quelle geistiger und geistlicher Energie. Der Minister­präsident des alten Bundeslandes Niedersachsen, das Gast­geber der EXPO 2000 gewesen war, übergab dem Ministerpräsidenten des neuen Bundeslandes Thüringen den Christus-Pavillon in Erinnerung an die Jahrhunderte alte Tradition des Klosters, in die sich die Jesus-­ Bruderschaft gestellt hatte. »Gerne trete ich heute in die Fußstapfen meines großen Namenspatrons Bernhard von Clairvaux, um die Aufbruchstimmung der Zisterzienser, die hier erneut spürbar und sichtbar wird, noch weiter zu schüren. Machen Sie das Kloster Volkenroda mit seinem neuen Christus-Pavillon noch mehr als bisher zu einem Ort der Begegnung und der Besinnung! Lassen Sie von hier aus die geistigen Impulse ausgehen, die wir für die Gestaltung unserer Zukunft brauchen werden.« (Bernhard Vogel). Und er wünschte

11  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

sich »geistige Impulse«, die in der Tat überreichlich seit der Wiedereinweihung in den vergangenen zehn Jahren von hier ausgegangen sind: Der seinerzeitige Pfarrer am Christus-Pavillon, Dr. Karl-Heinz Michel, startete ein bemerkenswertes Projekt, deren Anfänge schon die Stahlindustrie begleitete. Am Tag der Deutschen Einheit 2003 formulierte er zur Veranstaltung »Einheit und Versöhnung« folgenden Impuls: »Stahl verbindet – auch die Partner der Stahlanwendungs­ forschung in Ost und West.« Hier hat die Stahlindustrie unmittelbar den Gedanken von Pfarrer Michel aufgenommen, im Christus-Pavillon ein christliches und gesellschaftspolitisches Zentrum einzurichten: »…Die fachliche Zusammenarbeit ist über ganz Deutschland verteilt. Insbesondere sind nach der Wiedervereinigung sehr schnell Beziehungen in die neuen Bundes­länder geknüpft worden und sind heute fester Bestandteil der Gemeinschafts­ forschung…« (Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Schulz, Vorsitzender des Vorstandes der damaligen Studiengesellschaft Stahlanwendung e. V., heute Forschungsvereinigung Stahlanwendung e. V. – FOSTA) Der Festgottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit, der jährlich genau zum natio­nalen Feiertag im Christus-Pavillon gefeiert wird, bestätigt eindrucksvoll mit diesem Projekt »Einheit und Versöhnung«, dass im ChristusPavillon die guten Wünsche und Hoffnungen der Eröffnung umgesetzt werden. Dem Beispiel aus dem Jahre 2003 soll ein weiteres aus dem Jahre 2005 folgen, mit dem

herausgestellt wird, dass auch die Politik den Christus-Pavillon zum Zentrum ihrer Öffentlichkeitsarbeit machen kann. Eine überraschende Feststellung, wenn man bedenkt, dass die Stahlindustrie ursprünglich fast ausschließlich die kirchlichen Bemühungen auf der Weltbühne EXPO 2000 unterstützen sollte und wollte; die Jesus-Bruderschaft hat die Bedeutung der EXPO-Kirche auf eine wesentlich breitere Basis gestellt: »Volkenroda ist ein dankbarer Ort, um über Patriotismus zu diskutieren. Was hier geschehen ist und geschieht, ist Patriotis­ mus. Ich war bei der Einweihung des Christus-­Pavillons dabei; für mich ein Wunder, dass dieser Pavillon von Hannover nach Volkenroda transferiert werden konnte. Ist es falsch zu formulieren, dass hier patrio­ tisches, bürgerschaftliches Engagement am Werke war, das in seiner Entschlossenheit andere – insbesondere auch die Geldgeber – mitgerissen hat?!« (Franz-Josef Schlichting, Leiter der Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen, Podiumsdiskussion des Deutschlandpolitischen Forums am 3. Oktober 2005 im Kloster Volkenroda »Deutschland – (m)ein Vaterland. Brauchen wir einen neuen Patriotismus?«) Gerne empfindet es die Stahlindustrie als Verpflichtung, auch nach nunmehr elf Jahren für den ordnungsgemäßen Zustand des Bauwerkes und für ein gepflegtes Erscheinungsbild des Christus-Pavillons zu sorgen. Der im Vorstand der Stiftung Kloster Volkenroda zuständige Fachmann hat Ende vergangenen Jahres eine umfangreiche Untersuchung abgeschlossen, die derzeitige


In der Laudatio zur Ehrendoktorwürde für Meinhard von Gerkan an der Theologischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg hat Professor Horst Schwebel ausgeführt: »Ein weiteres Charakteristikum von Meinhard von Gerkan ist sein Umgang mit dem Material. Welches Material zur Bewältigung der jeweiligen Bauaufgabe Verwendung findet, ist für ihn von großer Wichtigkeit. Dabei soll mit dem Material gemäß seiner Eigenart und im Bewusstsein des gegenwärtigen Standes der Technik so umgegangen werden, dass das Material seiner Charakteristik gemäß zur Wirkung kommt. Die baulichgestalterische Realisierung zielt dabei auf größtmögliche Einfachheit«. Auch hier hatte die aus den Gegenpolen Architektur und Kirche strömende Energie die bestmögliche Wahl getroffen. Der Christus-­Pavillon in seiner architektonischen Gestaltung und seiner heute die Kloster­ anlage Volkenroda prägenden Position ist das Werk Professor von Gerkans. Allerdings bedurfte es der phantasievollen Arbeit des Landschaftsarchitekten Hinnerk Wehberg von WES&Partner, der das spannungsvolle Viereck der heutigen Klosteranlage schuf, dem Kloster Volkenroda endgültig die heutige Attraktivität zu geben. Als es an die Ausführung genialer Planungen für die EXPO-Kirche ging, waren das Beste der Stahlindustrie und die Besten des Stahlbaus gefordert. Die Studiengesellschaft Stahlanwendung im Stahlzentrum Düsseldorf übernahm ihren Teil der Verantwortung und besann sich einer historischen Maxime: »Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muss

das Handwerk vorausgehen, welches nur in der Beschränkung erworben wird. Eines recht wissen und ausüben gibt höhere Bildung als Halbheit im Hundertfältigen« (Johann Wolfgang von Goethe). Wie wahr! Die Dortmunder Stahlbaufirma Rüter übernahm die verantwortungsvolle Aufgabe, unter Einsatz ihres innovativen handwerklichen Könnens – und unter den kompromisslos kritischen Augen von Joachim Zais – diese Stahlbau-Kirche zu fertigen. In diesen Spannungsbogen zwischen der Vorgabe der Architekten und dem eigenen industriellen Können brachte Ewald Rüter seine geniale Erfindung, den »allseitig biegesteifen Rüter-Knoten«, als marktreifes Produkt innovativer Steckverbindungstechniken im Stahlbau ein, was erst die ungewöhnlich schnelle, kostengünstige und reibungslose Umsetzung von Hannover nach Volkenroda ermöglichte.

gerne getan. Nicht nur, weil mir der Christus-Pavillon sehr am Herzen liegt, sondern auch die Menschen in Volkenroda. Wir von der Stahlindustrie unterstützen von Anfang an die »Stahlkirche«, wie wir vom Stahl den Christus-­Pavillon intern nennen. Dem Kloster Volkenroda bin ich aber auch persönlich eng verbunden. Mein Sohn hat hier geheiratet, und zwei meiner Enkelkinder wurden hier getauft.

Und dann feierten wir – fasziniert auch von dem Spannungsfeld zwischen West und Ost, in das wir geraten waren –, die Wiedereinweihung der EXPO-2000-Kirche, des Christus-Pavillons im Kloster Volkenroda: »Liebe Gemeinde, von einer Kirche, die für den Zeitraum von fünf Monaten erbaut wurde, habe ich noch nie gehört! Insofern ist dieses Projekt einmalig. Aber es ist eben nachhaltig und nicht Teil einer Wegwerfmentalität. Unser Christus-Pavillon wurde geplant als Präsenz auf dem EXPO-Gelände. Die Stahlindustrie hat damals bei der Unter- Ein protestantisches Gebäude, in dem ökustützung der EXPO-2000-Kirche, dann menische Gemeinschaft gefeiert wurde, aber auch bei der Umsetzung des Christus-­ ökumenische Andachten und Angebote Pavillons nach Volkenroda dankbar ver- stattfanden. Viele Menschen haben den merkt, dass ihr Beitrag zur EXPO-Kirche Christus-Pavillon sehr lieb gewonnen in nicht nur Anerkennung gefunden hat, son- den fünf Monaten in Hannover. Ja, sie wolldern auch Fundament für eine nachhaltige ten ihn fast nicht gehen lassen. Er war ein Fortentwicklung des Dorfes und des Klosters wirklicher Erfolg bei diesem großen Fest der Völker und Kulturen. So, wie die Kirche mitVolkenroda war. ten im Dorf steht, so war selbstverständlich Persönlich stehe ich auch unter einem der Christus-Pavillon zentral an der Plaza Spannungsbogen, der mir Kraft gibt und gelegen. Es hat sich gezeigt: die Kirche kann große Freude bereitet. Im Juni 2006 habe sich auf dem Marktplatz der Welt nicht nur ich den Vorsitz des Stiftungsrates auf Bitten behaupten, sondern sie kann mit dem EvanSeiner Durchlaucht Albrecht Fürst zu gelium das Herz vieler Menschen erreichen, Castell-Castell übernommen, ich habe das viele Menschen anrühren. Voraussetzung ist

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ein Einsatz mit Liebe und Sorgfalt und Qualität und ein Zugehen auf den Menschen. Das war ja das Besondere im Christus-Pavillon auf der EXPO: Kommunikation nicht als virtuelles Geschehen, sondern als Zuwendung zum Einzelnen. So wird Gottes Liebe sichtbar, wie Christus uns das gezeigt hat.« (Margot Käßmann). Die Jesus-Bruderschaft war von Gnadenthal nach Osten in die neuen Bundesländer aufgebrochen, um Beistand, Hilfe und christlichdemokratische Ordnung zu leisten. Gerade einmal ein knappes Jahrzehnt nach Deutschlands unblutiger Revolution bescherte der Spannungsbogen der deutschen Vereinigung dem Kloster Volkenroda eine fast unerschöpfliche Quelle geistiger und geistlicher Energie. Der Minister­präsident des alten Bundeslandes Niedersachsen, das Gast­geber der EXPO 2000 gewesen war, übergab dem Ministerpräsidenten des neuen Bundeslandes Thüringen den Christus-Pavillon in Erinnerung an die Jahrhunderte alte Tradition des Klosters, in die sich die Jesus-­ Bruderschaft gestellt hatte. »Gerne trete ich heute in die Fußstapfen meines großen Namenspatrons Bernhard von Clairvaux, um die Aufbruchstimmung der Zisterzienser, die hier erneut spürbar und sichtbar wird, noch weiter zu schüren. Machen Sie das Kloster Volkenroda mit seinem neuen Christus-Pavillon noch mehr als bisher zu einem Ort der Begegnung und der Besinnung! Lassen Sie von hier aus die geistigen Impulse ausgehen, die wir für die Gestaltung unserer Zukunft brauchen werden.« (Bernhard Vogel). Und er wünschte

11  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

sich »geistige Impulse«, die in der Tat überreichlich seit der Wiedereinweihung in den vergangenen zehn Jahren von hier ausgegangen sind: Der seinerzeitige Pfarrer am Christus-Pavillon, Dr. Karl-Heinz Michel, startete ein bemerkenswertes Projekt, deren Anfänge schon die Stahlindustrie begleitete. Am Tag der Deutschen Einheit 2003 formulierte er zur Veranstaltung »Einheit und Versöhnung« folgenden Impuls: »Stahl verbindet – auch die Partner der Stahlanwendungs­ forschung in Ost und West.« Hier hat die Stahlindustrie unmittelbar den Gedanken von Pfarrer Michel aufgenommen, im Christus-Pavillon ein christliches und gesellschaftspolitisches Zentrum einzurichten: »…Die fachliche Zusammenarbeit ist über ganz Deutschland verteilt. Insbesondere sind nach der Wiedervereinigung sehr schnell Beziehungen in die neuen Bundes­länder geknüpft worden und sind heute fester Bestandteil der Gemeinschafts­ forschung…« (Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Schulz, Vorsitzender des Vorstandes der damaligen Studiengesellschaft Stahlanwendung e. V., heute Forschungsvereinigung Stahlanwendung e. V. – FOSTA) Der Festgottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit, der jährlich genau zum natio­nalen Feiertag im Christus-Pavillon gefeiert wird, bestätigt eindrucksvoll mit diesem Projekt »Einheit und Versöhnung«, dass im ChristusPavillon die guten Wünsche und Hoffnungen der Eröffnung umgesetzt werden. Dem Beispiel aus dem Jahre 2003 soll ein weiteres aus dem Jahre 2005 folgen, mit dem

herausgestellt wird, dass auch die Politik den Christus-Pavillon zum Zentrum ihrer Öffentlichkeitsarbeit machen kann. Eine überraschende Feststellung, wenn man bedenkt, dass die Stahlindustrie ursprünglich fast ausschließlich die kirchlichen Bemühungen auf der Weltbühne EXPO 2000 unterstützen sollte und wollte; die Jesus-Bruderschaft hat die Bedeutung der EXPO-Kirche auf eine wesentlich breitere Basis gestellt: »Volkenroda ist ein dankbarer Ort, um über Patriotismus zu diskutieren. Was hier geschehen ist und geschieht, ist Patriotis­ mus. Ich war bei der Einweihung des Christus-­Pavillons dabei; für mich ein Wunder, dass dieser Pavillon von Hannover nach Volkenroda transferiert werden konnte. Ist es falsch zu formulieren, dass hier patrio­ tisches, bürgerschaftliches Engagement am Werke war, das in seiner Entschlossenheit andere – insbesondere auch die Geldgeber – mitgerissen hat?!« (Franz-Josef Schlichting, Leiter der Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen, Podiumsdiskussion des Deutschlandpolitischen Forums am 3. Oktober 2005 im Kloster Volkenroda »Deutschland – (m)ein Vaterland. Brauchen wir einen neuen Patriotismus?«) Gerne empfindet es die Stahlindustrie als Verpflichtung, auch nach nunmehr elf Jahren für den ordnungsgemäßen Zustand des Bauwerkes und für ein gepflegtes Erscheinungsbild des Christus-Pavillons zu sorgen. Der im Vorstand der Stiftung Kloster Volkenroda zuständige Fachmann hat Ende vergangenen Jahres eine umfangreiche Untersuchung abgeschlossen, die derzeitige


Ein kühnes Unterfangen Grußwort des damaligen Thüringer Ministerpräsidenten Vogel zur Eröffnung des Christus-Pavillons am 18. August 2001 von Bernhard Vogel

Schäden und langfristige Werterhaltung beurteilt und den notwendigen Aufwand abschätzt. Ich bemühe mich gerade in diesen Tagen, die für tatkräftige Hilfe notwendigen finanziellen Mittel in der Stahlindustrie einzuwerben.

Kommen Sie und spüren Sie die Kraft, die sich aus der Spannung zwischen Ihnen und dem Christus-Pavillon des Klosters Volkenroda entwickelt!

Jedoch: Den Spannungsbogen, der von Volkenroda ausgeht und der jetzt schon unzählige Freunde, Gönner und Sponsoren erfasst hat, möchte ich auf neue Freundeskreise ausdehnen.

Wir haben dies als Leitwort für das Jubiläumsjahr aufgegriffen: Auf dem Weg zur Mitte – Christus.

Unsere gemeinsamen Bemühungen zielen darauf ab, neue Quellen für finanzielle Unterstützung der Jesus-Bruderschaft und der Stiftung Kloster Volkenroda zu er­schließen, die Programme der vielen Veranstaltungen weiteren Kreisen bekannt zu machen und viele neue Freunde zu einem Besuch des Klosters zu veranlassen.

Prof. Dr.-Ing. Dieter Ameling  von 2000 bis 2008 Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und Vorsitzender des Stahlinstituts VDEh, Vorsitzender des Stiftungsrates

Im ersten Korintherbrief steht: »Der Glaube versetzt Berge«. Heute können wir hinzufügen: Er versetzt gelegentlich auch respektable Kirchenbauten. Den Christus-Pavillon von Hannover nach Volkenroda zu bringen, war ein kühnes Unterfangen. Auf dem Gebiet der Thüringer Landeskirche und auch darüber hinaus hat es Vergleichbares wohl noch nicht gegeben. Dass dies möglich wurde, ist ein gutes Zeichen – auch für die Kraft des Glaubens!

Das ist eine große Leistung und eine von vielen nicht mehr für möglich gehaltene Wendung, denn in DDR-Zeiten sollte Volkenroda »abgesiedelt« werden, wie es zynisch und technokratisch hieß. Als traditionelle Lebensform passte das Dorf nicht in die Vorstellung von einer sozialistischen Gesellschaft.

Kirchenbauten erzählen vom Glauben: Die Steine der alten Klosterkirche hier in Volkenroda tragen die Spuren der Zister­ziensermönche, tragen die Spuren einer Jahrhunderte alten Frömmigkeit. Auch der Christus-Pavillon trägt Spuren: 1,8 Millionen Menschen haben ihn auf der EXPO besucht. Sie sagen: Der Christus-Pavillon war die »Seele der Welt­ausstellung«, ein »Ruhepol«, ein »Ort der Sammlung und Orientierung« auf dem von Angeboten und neuen Ein­ drücken überbordenden »Marktplatz« der Welt.

Nun hat sich die Jesus-Bruderschaft ein weiteres anspruchsvolles Projekt vorgenommen: Hier in Volkenroda, abseits der großen Verkehrsadern, aber fast am geographischen Mittelpunkt Deutschlands, will sie den Christus-Pavillon erneut mit Leben füllen. Die Bruderschaft kann darauf setzen, dass die Inhalte, die den Christus-Pavillon in Hannover zum Erfolg gemacht haben, auch weiterhin wirksam bleiben. In einer Welt des dynamischen Wandels brauchen wir Orte der Besinnung, die uns Orientierung erst möglich machen. Es ist ein Zeichen der Hoffnung, das von Hannover ausging und jetzt von Volkenroda ausgeht: Der ChristusPavillon steht für eine Kirche, die sich zur Welt öffnet, die Anteil daran nimmt, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen, und die uns hilft, dafür geistige Grundlagen zu finden.

Hermann von Bezzel hat einmal von »durchbeteten Räumen« gesprochen. Ich denke, er meinte damit, dass Kirchenräume Bedeutungen speichern können, dass die Lebens­spuren, die sie tragen, gleichsam Glaubensspuren sind. Die Jesus-Bruderschaft hat die Glaubensspuren in den alten Klostermauern als eine Quelle der Inspiration genutzt und in Volkenroda den Geist der Zisterzienser auf´s Neue belebt. Dem schon sterbenden Dorf hat sie – materiell wie auch geistig – wieder eine Lebensgrundlage gegeben.

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Ein kühnes Unterfangen Grußwort des damaligen Thüringer Ministerpräsidenten Vogel zur Eröffnung des Christus-Pavillons am 18. August 2001 von Bernhard Vogel

Schäden und langfristige Werterhaltung beurteilt und den notwendigen Aufwand abschätzt. Ich bemühe mich gerade in diesen Tagen, die für tatkräftige Hilfe notwendigen finanziellen Mittel in der Stahlindustrie einzuwerben.

Kommen Sie und spüren Sie die Kraft, die sich aus der Spannung zwischen Ihnen und dem Christus-Pavillon des Klosters Volkenroda entwickelt!

Jedoch: Den Spannungsbogen, der von Volkenroda ausgeht und der jetzt schon unzählige Freunde, Gönner und Sponsoren erfasst hat, möchte ich auf neue Freundeskreise ausdehnen.

Wir haben dies als Leitwort für das Jubiläumsjahr aufgegriffen: Auf dem Weg zur Mitte – Christus.

Unsere gemeinsamen Bemühungen zielen darauf ab, neue Quellen für finanzielle Unterstützung der Jesus-Bruderschaft und der Stiftung Kloster Volkenroda zu er­schließen, die Programme der vielen Veranstaltungen weiteren Kreisen bekannt zu machen und viele neue Freunde zu einem Besuch des Klosters zu veranlassen.

Prof. Dr.-Ing. Dieter Ameling  von 2000 bis 2008 Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und Vorsitzender des Stahlinstituts VDEh, Vorsitzender des Stiftungsrates

Im ersten Korintherbrief steht: »Der Glaube versetzt Berge«. Heute können wir hinzufügen: Er versetzt gelegentlich auch respektable Kirchenbauten. Den Christus-Pavillon von Hannover nach Volkenroda zu bringen, war ein kühnes Unterfangen. Auf dem Gebiet der Thüringer Landeskirche und auch darüber hinaus hat es Vergleichbares wohl noch nicht gegeben. Dass dies möglich wurde, ist ein gutes Zeichen – auch für die Kraft des Glaubens!

Das ist eine große Leistung und eine von vielen nicht mehr für möglich gehaltene Wendung, denn in DDR-Zeiten sollte Volkenroda »abgesiedelt« werden, wie es zynisch und technokratisch hieß. Als traditionelle Lebensform passte das Dorf nicht in die Vorstellung von einer sozialistischen Gesellschaft.

Kirchenbauten erzählen vom Glauben: Die Steine der alten Klosterkirche hier in Volkenroda tragen die Spuren der Zister­ziensermönche, tragen die Spuren einer Jahrhunderte alten Frömmigkeit. Auch der Christus-Pavillon trägt Spuren: 1,8 Millionen Menschen haben ihn auf der EXPO besucht. Sie sagen: Der Christus-Pavillon war die »Seele der Welt­ausstellung«, ein »Ruhepol«, ein »Ort der Sammlung und Orientierung« auf dem von Angeboten und neuen Ein­ drücken überbordenden »Marktplatz« der Welt.

Nun hat sich die Jesus-Bruderschaft ein weiteres anspruchsvolles Projekt vorgenommen: Hier in Volkenroda, abseits der großen Verkehrsadern, aber fast am geographischen Mittelpunkt Deutschlands, will sie den Christus-Pavillon erneut mit Leben füllen. Die Bruderschaft kann darauf setzen, dass die Inhalte, die den Christus-Pavillon in Hannover zum Erfolg gemacht haben, auch weiterhin wirksam bleiben. In einer Welt des dynamischen Wandels brauchen wir Orte der Besinnung, die uns Orientierung erst möglich machen. Es ist ein Zeichen der Hoffnung, das von Hannover ausging und jetzt von Volkenroda ausgeht: Der ChristusPavillon steht für eine Kirche, die sich zur Welt öffnet, die Anteil daran nimmt, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen, und die uns hilft, dafür geistige Grundlagen zu finden.

Hermann von Bezzel hat einmal von »durchbeteten Räumen« gesprochen. Ich denke, er meinte damit, dass Kirchenräume Bedeutungen speichern können, dass die Lebens­spuren, die sie tragen, gleichsam Glaubensspuren sind. Die Jesus-Bruderschaft hat die Glaubensspuren in den alten Klostermauern als eine Quelle der Inspiration genutzt und in Volkenroda den Geist der Zisterzienser auf´s Neue belebt. Dem schon sterbenden Dorf hat sie – materiell wie auch geistig – wieder eine Lebensgrundlage gegeben.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  12

13  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Der Christus-Pavillon nimmt die Impulse der Weltaus­stellung auf und lässt diese Impulse noch lange für die Menschen fortwirken. Insbesondere Thüringen – mit seinen vielen, überaus erfolgreichen EXPO-Projekten – wird davon profitieren. Noch mehr aber gilt das für Volkenroda: Als weltweites EXPO-Projekt war es beispielgebend für neue Lebensformen im ländlichen Raum und war international ein Beispiel dafür, dass der Aufbau unseres Landes gelingt: durch die Initiative der Bürger in Volkenroda, die den Niedergang von Dorf und Kloster nicht mehr mit ansehen wollten, und durch Hilfe der Jesus-Bruderschaft aus Gnadenthal. Über 25.000 Besucher haben sich im EXPO-Jahr vor Ort informiert, eine Zahl, die besonders an Bedeutung gewinnt, wenn man weiß, dass Volken­roda nur 200 Einwohner hat. Wir können sicher sein: Der Christus-Pavillon wird das Interesse an Volkenroda, an der Region und an Thüringen noch weiter erhöhen. Es ist auch die Verbindung von Vergangenheit und Zukunft, die das Kloster Volkenroda zu einem Anziehungspunkt macht. Es hat architektonischen Reiz, doch vor allem – und hier geht Volkenroda noch über die Präsentation in Hannover hinaus – liegt darin ein Stück Wahrheit: Ohne die Rückbesinnung auf unsere Vergangenheit und Traditionen können wir keine Visionen entwickeln, die für unsere Zukunft tragfähig sind. Volkenroda ist ein Ort, an dem sich diese Visionen ent­ wickeln lassen, und das geschieht ja bereits: Die Arbeit, wie sie hier im Europäischen Jugendbildungszentrum geleistet wird, weist einen guten Weg, auf dem die Herausforderungen

der Zukunft anzugehen sind. Der ChristusPavillon ist Teil dieses Engagements, weil er insbesondere der Jugend gewidmet ist. Nicht wir, sondern Jugendliche hatten vor einigen Wochen als erste die Möglichkeit, hier im Christus-Pavillon zu feiern. Der Bau des Christus-Pavillons in Volkenroda ist zumindest für Thüringen das treffendste Symbol für das jetzige Jahr der Jugend. Gerne trete ich heute in die Fußstapfen meines großen Namenspatrons Bernhard von Clairvaux, um die Aufbruchstimmung der Zisterzienser, die hier erneut spürbar und sichtbar wird, noch weiter zu schüren. Machen Sie das Kloster Volkenroda mit seinem neuen Christus-Pavillon noch mehr als bisher zu einem Ort der Begegnung und der Besinnung! Lassen Sie von hier aus die geistigen Impulse ausgehen, die wir für die Gestaltung unserer Zukunft brauchen werden!

Ministerpräsident a.D.  Prof. Dr. Bernhard Vogel  Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, Schirmherr des 2010 eingeweihten Pilgerweges Volkenroda-Waldsassen

1 Wasser kinder jugend familie

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  14

15  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Der Christus-Pavillon nimmt die Impulse der Weltaus­stellung auf und lässt diese Impulse noch lange für die Menschen fortwirken. Insbesondere Thüringen – mit seinen vielen, überaus erfolgreichen EXPO-Projekten – wird davon profitieren. Noch mehr aber gilt das für Volkenroda: Als weltweites EXPO-Projekt war es beispielgebend für neue Lebensformen im ländlichen Raum und war international ein Beispiel dafür, dass der Aufbau unseres Landes gelingt: durch die Initiative der Bürger in Volkenroda, die den Niedergang von Dorf und Kloster nicht mehr mit ansehen wollten, und durch Hilfe der Jesus-Bruderschaft aus Gnadenthal. Über 25.000 Besucher haben sich im EXPO-Jahr vor Ort informiert, eine Zahl, die besonders an Bedeutung gewinnt, wenn man weiß, dass Volken­roda nur 200 Einwohner hat. Wir können sicher sein: Der Christus-Pavillon wird das Interesse an Volkenroda, an der Region und an Thüringen noch weiter erhöhen. Es ist auch die Verbindung von Vergangenheit und Zukunft, die das Kloster Volkenroda zu einem Anziehungspunkt macht. Es hat architektonischen Reiz, doch vor allem – und hier geht Volkenroda noch über die Präsentation in Hannover hinaus – liegt darin ein Stück Wahrheit: Ohne die Rückbesinnung auf unsere Vergangenheit und Traditionen können wir keine Visionen entwickeln, die für unsere Zukunft tragfähig sind. Volkenroda ist ein Ort, an dem sich diese Visionen ent­ wickeln lassen, und das geschieht ja bereits: Die Arbeit, wie sie hier im Europäischen Jugendbildungszentrum geleistet wird, weist einen guten Weg, auf dem die Herausforderungen

der Zukunft anzugehen sind. Der ChristusPavillon ist Teil dieses Engagements, weil er insbesondere der Jugend gewidmet ist. Nicht wir, sondern Jugendliche hatten vor einigen Wochen als erste die Möglichkeit, hier im Christus-Pavillon zu feiern. Der Bau des Christus-Pavillons in Volkenroda ist zumindest für Thüringen das treffendste Symbol für das jetzige Jahr der Jugend. Gerne trete ich heute in die Fußstapfen meines großen Namenspatrons Bernhard von Clairvaux, um die Aufbruchstimmung der Zisterzienser, die hier erneut spürbar und sichtbar wird, noch weiter zu schüren. Machen Sie das Kloster Volkenroda mit seinem neuen Christus-Pavillon noch mehr als bisher zu einem Ort der Begegnung und der Besinnung! Lassen Sie von hier aus die geistigen Impulse ausgehen, die wir für die Gestaltung unserer Zukunft brauchen werden!

Ministerpräsident a.D.  Prof. Dr. Bernhard Vogel  Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, Schirmherr des 2010 eingeweihten Pilgerweges Volkenroda-Waldsassen

1 Wasser kinder jugend familie

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  14

15  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Wie Begegnung zur Verbindung wird Frische Angebote für junge Leute im Kloster Volkenroda von Ortrun Iser

»Das ist ja richtig schön hier – und ich dachte, wir schlafen in alten dunklen Klosterzellen«, so ähnlich drücken Teenies oft ihren ersten Eindruck vom Kloster Volkenroda aus. Es ist Privileg und Aufgabe für mich, in Volkenroda Jugendarbeit zu machen. Immer ist die erfolgreiche Arbeit mit Jugendlichen an Menschen und den persönlichen Kontakt geknüpft. Vorbildwirkung, Empathie, Lebensweltbezug und die Wahrnehmung jedes Kindes und jedes Jugendlichen als geliebtes Geschöpf Gottes sind mir dabei wichtige Leitlinien. Ich möchte es jungen Menschen durch vielfältige Begegnungen ermöglichen, eine Brücke zwischen ihrem Leben und dem Bildungsort Kloster Volkenroda zu schlagen. Das Europäische Jugendbildungszentrum (EJBZ) schafft aus kurzfristigen Begegnungen tiefe, echte und ehrliche Verbindungen der jungen Menschen mit sich selbst, mit anderen Menschen, mit der Umwelt und mit Gott. »Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!«, steht bei den vielfältigen Angeboten im Mittelpunkt: Generationen leben hier am Ort eng zusammen – die jugendlichen Gäste aus ganz Deutschland begegnen jungen Menschen aus der Jahresmannschaft genauso wie älteren Geschwistern aus der Jesus-Bruderschaft. Ich lebe als Mitarbeiterin der Jugendbildung im Kloster, präge den Ort mit, präge die Jugendbildung und verbinde beides miteinander. So kann echte Verbindung entstehen.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  16

17  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Wie Begegnung zur Verbindung wird Frische Angebote für junge Leute im Kloster Volkenroda von Ortrun Iser

»Das ist ja richtig schön hier – und ich dachte, wir schlafen in alten dunklen Klosterzellen«, so ähnlich drücken Teenies oft ihren ersten Eindruck vom Kloster Volkenroda aus. Es ist Privileg und Aufgabe für mich, in Volkenroda Jugendarbeit zu machen. Immer ist die erfolgreiche Arbeit mit Jugendlichen an Menschen und den persönlichen Kontakt geknüpft. Vorbildwirkung, Empathie, Lebensweltbezug und die Wahrnehmung jedes Kindes und jedes Jugendlichen als geliebtes Geschöpf Gottes sind mir dabei wichtige Leitlinien. Ich möchte es jungen Menschen durch vielfältige Begegnungen ermöglichen, eine Brücke zwischen ihrem Leben und dem Bildungsort Kloster Volkenroda zu schlagen. Das Europäische Jugendbildungszentrum (EJBZ) schafft aus kurzfristigen Begegnungen tiefe, echte und ehrliche Verbindungen der jungen Menschen mit sich selbst, mit anderen Menschen, mit der Umwelt und mit Gott. »Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!«, steht bei den vielfältigen Angeboten im Mittelpunkt: Generationen leben hier am Ort eng zusammen – die jugendlichen Gäste aus ganz Deutschland begegnen jungen Menschen aus der Jahresmannschaft genauso wie älteren Geschwistern aus der Jesus-Bruderschaft. Ich lebe als Mitarbeiterin der Jugendbildung im Kloster, präge den Ort mit, präge die Jugendbildung und verbinde beides miteinander. So kann echte Verbindung entstehen.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  16

17  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Einzigartige Räume

Ferienfreizeiten

Ein weiteres wichtiges Element, das die Jugendarbeit hier einzigartig macht, kommt hinzu: die Räume. Die Klosterkirche – alt, anheimelnd, gemütlich; der Christus-Pavillon – modern, hell, frei. Ein wunderbares Ensemble, das einen »sprechenden« Rahmen für alle inhaltlichen Angebote der Jugendarbeit gibt.

Eine richtige Veranstaltungsreihe sind die naturwissenschaftlich orientierten Ferienfreizeiten für Kinder zwischen 10 und 14 Jahren. Die Themen Astronomie, Geologie, aber auch Physik und Biologie sind im außerschulischen Kontext ohne Leistungsdruck und mit großen gestalterischen Frei­ heiten sehr interessant – übrigens nicht nur für Jungs!

Unsere Themenbausteine Themenbausteine sind einzelne Bildungsangebote, die von Gruppen genutzt werden. Beispiele dafür sind der Klassiker »Gemeinsam sind wir stark – wir sind eine Klasse« (Kennenlerntage) und das Angebot »Vom Schaf zum Schal«. Eine 3. Klasse erlebt das Schafscheren auf dem Schulbauernhof mit dem Schäfer, das Wollewaschen und -trocknen, das Kämmen und Spinnen der Wolle und beginnt, mit der Wolle zu stricken. Unterbrochen werden die einzelnen Lerneinheiten der Umweltbildung mit Spielen aus der Erlebnispädagogik, dem Kochen am Lagerfeuer und dem Schlafen im »Heu­ hotel«. Bei der Entwicklung vieler Bausteine lerne auch ich immer wieder viel Praktisches – so konnte ich vorher weder spinnen noch stricken. Dies von Referenten zu lernen, ist für Kinder und Erwachsene spannend. Zugegeben, ein ganzer Schal ist nicht entstanden, wohl aber sind wir alle jetzt in der Lage, einen Schal zu stricken – dazu braucht es nur noch genügend Zeit und Geduld.

Vielfältiges Programm Unsere Veranstaltungen sprechen die unterschiedlichsten Zielgruppen an: Grundschulkinder, Teenies, Jugendliche und junge Erwachsene. Sie reichen thematisch von naturwissenschaftlichen Ansätzen über musisch-kulturelle Projekte bis hin zur Arbeit mit speziellen Gruppen (Familien, Alleinerziehende oder Singles). Die eigenen Veranstaltungen sind immer wieder Höhepunkte für alle Mitarbeiter im EJBZ. Von der Idee, der Programmgestaltung und methodischen Umsetzung, der Öffentlichkeitsarbeit, dem Fundraising, der tatsächlichen Durchführung bis hin zu Nach­besprechung und Auswertung ist ein Team von haupt- und ehren­ amtlichen Mitarbeitern gefordert.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  18

19  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Die Sternguckertage, die Steinklopfertage erfreuen sich großer Beliebtheit, Wasserhüpfer- und Wunderkerzentage sind geplant. Konzeptionell werden wissenschaftliche Inhalte in Vorträgen und Experimenten verknüpft mit spielerischen Elementen und erfahrungsorientierten Übungen. Ausflüge in Sternwarten, Planetarien oder Steinbrüche stehen genauso hoch im Kurs wie Vorträge über die ISS und das Leben der Astronauten oder das Steineklopfen und Herstellen eines eigenen Steinmosaiks. Viele Kinder waren jetzt schon bei einigen Freizeiten dabei, und es ist schön zu sehen, dass nun sogar schon einige als Nachwuchsmitarbeiter bei kommenden Veranstaltungen mitwirken wollen. Auch bei diesen Veranstaltungen freue ich mich, dass wir immer wieder interessierte Referenten finden, die ihr persönliches Wissen, das sie meist durch intensive Hobbies erworben haben, gern an Kinder weitergeben. Die Teilnehmer werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt, für wissenschaftliche Themen begeistert und nicht zuletzt durch das Zusammenleben in der Gruppe auch in ihren Sozialkompetenzen gefördert. Verbunden mit der abendlichen Andacht in der Kirche oder im Christus-Pavillon, die das Thema noch einmal anders einbettet, ergeben sich wunderbare Verknüpfungen von Kinder- und Jugendarbeit und Mission.

Jugend eine Chance Die abwechslungsreichen Inhalte der Jugendbildung werden von speziellen Projekten ergänzt. Seit ein paar Jahren engagiert sich das EJBZ mit dem Projekt »Jugend eine Chance« für sozial benachteiligte Jugendliche. Dieses Projekt liegt mir sehr am Herzen, ist es doch eine Chance echten sozialarbeiterischen Engagements in Volkenroda. Jedes Jahr nehmen ca. 7-10 Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren die fünf Doppel­tage im Kloster wahr.


Einzigartige Räume

Ferienfreizeiten

Ein weiteres wichtiges Element, das die Jugendarbeit hier einzigartig macht, kommt hinzu: die Räume. Die Klosterkirche – alt, anheimelnd, gemütlich; der Christus-Pavillon – modern, hell, frei. Ein wunderbares Ensemble, das einen »sprechenden« Rahmen für alle inhaltlichen Angebote der Jugendarbeit gibt.

Eine richtige Veranstaltungsreihe sind die naturwissenschaftlich orientierten Ferienfreizeiten für Kinder zwischen 10 und 14 Jahren. Die Themen Astronomie, Geologie, aber auch Physik und Biologie sind im außerschulischen Kontext ohne Leistungsdruck und mit großen gestalterischen Frei­ heiten sehr interessant – übrigens nicht nur für Jungs!

Unsere Themenbausteine Themenbausteine sind einzelne Bildungsangebote, die von Gruppen genutzt werden. Beispiele dafür sind der Klassiker »Gemeinsam sind wir stark – wir sind eine Klasse« (Kennenlerntage) und das Angebot »Vom Schaf zum Schal«. Eine 3. Klasse erlebt das Schafscheren auf dem Schulbauernhof mit dem Schäfer, das Wollewaschen und -trocknen, das Kämmen und Spinnen der Wolle und beginnt, mit der Wolle zu stricken. Unterbrochen werden die einzelnen Lerneinheiten der Umweltbildung mit Spielen aus der Erlebnispädagogik, dem Kochen am Lagerfeuer und dem Schlafen im »Heu­ hotel«. Bei der Entwicklung vieler Bausteine lerne auch ich immer wieder viel Praktisches – so konnte ich vorher weder spinnen noch stricken. Dies von Referenten zu lernen, ist für Kinder und Erwachsene spannend. Zugegeben, ein ganzer Schal ist nicht entstanden, wohl aber sind wir alle jetzt in der Lage, einen Schal zu stricken – dazu braucht es nur noch genügend Zeit und Geduld.

Vielfältiges Programm Unsere Veranstaltungen sprechen die unterschiedlichsten Zielgruppen an: Grundschulkinder, Teenies, Jugendliche und junge Erwachsene. Sie reichen thematisch von naturwissenschaftlichen Ansätzen über musisch-kulturelle Projekte bis hin zur Arbeit mit speziellen Gruppen (Familien, Alleinerziehende oder Singles). Die eigenen Veranstaltungen sind immer wieder Höhepunkte für alle Mitarbeiter im EJBZ. Von der Idee, der Programmgestaltung und methodischen Umsetzung, der Öffentlichkeitsarbeit, dem Fundraising, der tatsächlichen Durchführung bis hin zu Nach­besprechung und Auswertung ist ein Team von haupt- und ehren­ amtlichen Mitarbeitern gefordert.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  18

19  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Die Sternguckertage, die Steinklopfertage erfreuen sich großer Beliebtheit, Wasserhüpfer- und Wunderkerzentage sind geplant. Konzeptionell werden wissenschaftliche Inhalte in Vorträgen und Experimenten verknüpft mit spielerischen Elementen und erfahrungsorientierten Übungen. Ausflüge in Sternwarten, Planetarien oder Steinbrüche stehen genauso hoch im Kurs wie Vorträge über die ISS und das Leben der Astronauten oder das Steineklopfen und Herstellen eines eigenen Steinmosaiks. Viele Kinder waren jetzt schon bei einigen Freizeiten dabei, und es ist schön zu sehen, dass nun sogar schon einige als Nachwuchsmitarbeiter bei kommenden Veranstaltungen mitwirken wollen. Auch bei diesen Veranstaltungen freue ich mich, dass wir immer wieder interessierte Referenten finden, die ihr persönliches Wissen, das sie meist durch intensive Hobbies erworben haben, gern an Kinder weitergeben. Die Teilnehmer werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt, für wissenschaftliche Themen begeistert und nicht zuletzt durch das Zusammenleben in der Gruppe auch in ihren Sozialkompetenzen gefördert. Verbunden mit der abendlichen Andacht in der Kirche oder im Christus-Pavillon, die das Thema noch einmal anders einbettet, ergeben sich wunderbare Verknüpfungen von Kinder- und Jugendarbeit und Mission.

Jugend eine Chance Die abwechslungsreichen Inhalte der Jugendbildung werden von speziellen Projekten ergänzt. Seit ein paar Jahren engagiert sich das EJBZ mit dem Projekt »Jugend eine Chance« für sozial benachteiligte Jugendliche. Dieses Projekt liegt mir sehr am Herzen, ist es doch eine Chance echten sozialarbeiterischen Engagements in Volkenroda. Jedes Jahr nehmen ca. 7-10 Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren die fünf Doppel­tage im Kloster wahr.


Wichtig ist mir dabei, den Teilnehmern ein exklusives Projekt anzubieten, bei dem sie im Gegensatz zu ihren sonstigen Erfahrungen im Alltag Wertschätzung erfahren. Grundlegend dabei sind elementare Bildungserfahrungen wie der gemeinsame Beginn der Mahlzeiten, die Erweiterung der Konzentrationsfähigkeit und das Entwickeln von Konflikt­ fähigkeit. An den Projekttagen wird nach dem Morgensport und dem Frühstück in der Gruppe an einem Thema ge­a rbeitet. Gekoppelt werden diese Übungen mit Arbeits­ einsätzen an einem praktischen Projekt im Kloster. So wurde die Lagerfeuerstelle neu gebaut, und so soll ein Beachvolleyballplatz angelegt werden. Die Jugendlichen stellen das Werk fertig und können dann stolz darauf sein. Bei einer offiziellen Einweihung werden sie dafür gelobt und erhalten so echte Wertschätzung. Immer wieder ist es schön zu beobachten, wie unbefangen und neugierig diese Jugendlichen, die schon so viele schwierige Erfahrungen machen mussten, mit den Gebetszeiten im Kloster umgehen. Die Frage, warum die Glocke läutet, führt oft dazu, dass wir gemeinsam am Mittagsgebet teilnehmen. Die positive Atmosphäre dort spricht die Jugendlichen an. Auch bei besonders intensiven persönlichen Austauschrunden nutzen wir die Atmosphäre der Kirche, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Nicht selten zünden wir für alles Hässliche, was diesen Menschen zugestoßen ist, einfach eine Kerze an und bringen so in einfacher Form die Dinge vor Gott.

Brücken der Begegnung Durch all die beispielhaft beschriebenen Inhalte werden Brücken der Begegnung geschlagen. Echte Verbindungen können entstehen. Wie gut, dass es immer wieder Menschen gibt, die Jugendlichen gute Erfahrungen im Kloster Volkenroda ermöglichen. Es gibt so viele, die mitarbeiten, mitdenken und beraten, die finanziell unterstützen und für die Arbeit beten. Vielen Dank dafür! Das Kloster Volkenroda ist für mich ein Ort, der wie kein anderer junge Menschen einlädt, ganzheitliche Lebenserfahrungen zu machen. Körper, Geist und Seele werden angesprochen, und der Geist Gottes ist immer wieder zu spüren.

…und plötzlich stand der Himmel offen Ökumenische Erfahrung am Christus-Pavillon von Ruth Lagemann

Ortrun Iser  Studienleiterin am Europäischen Jugend­bildungszentrum Kloster Volkenroda

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  20

Im Sommer 2005 durfte ich im Rahmen unseres Jugendfestivals zur Vorbereitung des Weltjugendtages besondere Tage im Kloster Volkenroda erleben. Lange hatten wir auf die Tage hingearbeitet – eine Zeltstadt für 2000 junge Menschen aus wohl 20 verschiedenen Ländern braucht einiges an äußerer und innerer Planung: von Feuer­wehr und Gesundheitsamt bis Kontakte mit den Nachbarn und den kirchlichen und weltlichen Autoritäten. Unplanbar und überraschend war jedoch das Wetter: eine gesamte Woche im August mit Dauerregen und Tempera­turen meist unter 10 Grad ist schon eine kleine Zumutung für junge Leute aus Bra­silien und der Elfenbeinküste oder Priester aus den Philippinen, die noch nie unter einem Zelt geschlafen hatten… Einen echten Glaubensschritt brauchte der geplante ökumenische Pilgergottesdienst am 13. August, dem Gedenktag des Mauerbaus, zu dem Bischof Huber aus Berlin für einen Tag mit uns anreiste. Der Gottesdienst sollte zunächst mit allen gemeinsam im Christus-Pavillon beginnen und dann an zwei Orten mit einer Eucharistiefeier in der Kloster­k irche und einem Abendmahl im Vorhof des Pavillons weitergehen, bevor wir schließlich als wanderndes Gottesvolk im alten »unsichtbaren Kreuzgang« zu Fürbitte und Segen wieder zusammenkamen. Wie Regenschirme oder ein Dach für über 2000 Menschen improvisieren ?

21  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Der Gottesdienst begann mit dem Hören auf Gottes Wort und der Bitte um Vergebung für alle uns noch trennenden Mauern unter verschiedenen Konfessionen. Viele Christen aus der Umgebung waren mit dazu gekommen und dankbar, im Christus-Pavillon ein gemeinsames Dach und Schutz vor dem Regen draußen zu finden. Als wir uns teilten, um an die zwei Mahlfeiern zu gehen, staunten wir, dass der Regen (zum ersten Mal seit Beginn des Festivals) aufgehört hatte. Niemand wird jedoch den Moment vergessen, an dem wir (katholische und evangelische Christen) vorm Eingang des Pavillons wieder aufeinander trafen, Bischof Huber und Pater Laurent Fabre (Gründer und Leiter der Gemeinschaft ­Chemin Neuf) sich herzlich umarmten und sich der Himmel öffnete mit wärmenden Sonnenstrahlen, die uns am Licht des Himmels teilhaben ließen. Der Vater freut sich, wenn Er seine Kinder vereint sieht! In meiner Kommunität mögen wir den Begriff von Abbé Couturier vom »unsichtbaren Kloster«, dem Ort derer, die für die Einheit der Christen beten und arbeiten. Es war etwas spürbar von diesem unsichtbaren Kloster, dessen Mauern zum Himmel offen sind, zwischen Christus-Pavillon und Kloster­k irche an diesem 13. August 2005. Möge dies noch oft der Fall sein, das hoffe und erbete ich. Schwester Ruth Lagemann  Gemeinschaft Chemin Neuf


Wichtig ist mir dabei, den Teilnehmern ein exklusives Projekt anzubieten, bei dem sie im Gegensatz zu ihren sonstigen Erfahrungen im Alltag Wertschätzung erfahren. Grundlegend dabei sind elementare Bildungserfahrungen wie der gemeinsame Beginn der Mahlzeiten, die Erweiterung der Konzentrationsfähigkeit und das Entwickeln von Konflikt­ fähigkeit. An den Projekttagen wird nach dem Morgensport und dem Frühstück in der Gruppe an einem Thema ge­a rbeitet. Gekoppelt werden diese Übungen mit Arbeits­ einsätzen an einem praktischen Projekt im Kloster. So wurde die Lagerfeuerstelle neu gebaut, und so soll ein Beachvolleyballplatz angelegt werden. Die Jugendlichen stellen das Werk fertig und können dann stolz darauf sein. Bei einer offiziellen Einweihung werden sie dafür gelobt und erhalten so echte Wertschätzung. Immer wieder ist es schön zu beobachten, wie unbefangen und neugierig diese Jugendlichen, die schon so viele schwierige Erfahrungen machen mussten, mit den Gebetszeiten im Kloster umgehen. Die Frage, warum die Glocke läutet, führt oft dazu, dass wir gemeinsam am Mittagsgebet teilnehmen. Die positive Atmosphäre dort spricht die Jugendlichen an. Auch bei besonders intensiven persönlichen Austauschrunden nutzen wir die Atmosphäre der Kirche, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Nicht selten zünden wir für alles Hässliche, was diesen Menschen zugestoßen ist, einfach eine Kerze an und bringen so in einfacher Form die Dinge vor Gott.

Brücken der Begegnung Durch all die beispielhaft beschriebenen Inhalte werden Brücken der Begegnung geschlagen. Echte Verbindungen können entstehen. Wie gut, dass es immer wieder Menschen gibt, die Jugendlichen gute Erfahrungen im Kloster Volkenroda ermöglichen. Es gibt so viele, die mitarbeiten, mitdenken und beraten, die finanziell unterstützen und für die Arbeit beten. Vielen Dank dafür! Das Kloster Volkenroda ist für mich ein Ort, der wie kein anderer junge Menschen einlädt, ganzheitliche Lebenserfahrungen zu machen. Körper, Geist und Seele werden angesprochen, und der Geist Gottes ist immer wieder zu spüren.

…und plötzlich stand der Himmel offen Ökumenische Erfahrung am Christus-Pavillon von Ruth Lagemann

Ortrun Iser  Studienleiterin am Europäischen Jugend­bildungszentrum Kloster Volkenroda

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  20

Im Sommer 2005 durfte ich im Rahmen unseres Jugendfestivals zur Vorbereitung des Weltjugendtages besondere Tage im Kloster Volkenroda erleben. Lange hatten wir auf die Tage hingearbeitet – eine Zeltstadt für 2000 junge Menschen aus wohl 20 verschiedenen Ländern braucht einiges an äußerer und innerer Planung: von Feuer­wehr und Gesundheitsamt bis Kontakte mit den Nachbarn und den kirchlichen und weltlichen Autoritäten. Unplanbar und überraschend war jedoch das Wetter: eine gesamte Woche im August mit Dauerregen und Tempera­turen meist unter 10 Grad ist schon eine kleine Zumutung für junge Leute aus Bra­silien und der Elfenbeinküste oder Priester aus den Philippinen, die noch nie unter einem Zelt geschlafen hatten… Einen echten Glaubensschritt brauchte der geplante ökumenische Pilgergottesdienst am 13. August, dem Gedenktag des Mauerbaus, zu dem Bischof Huber aus Berlin für einen Tag mit uns anreiste. Der Gottesdienst sollte zunächst mit allen gemeinsam im Christus-Pavillon beginnen und dann an zwei Orten mit einer Eucharistiefeier in der Kloster­k irche und einem Abendmahl im Vorhof des Pavillons weitergehen, bevor wir schließlich als wanderndes Gottesvolk im alten »unsichtbaren Kreuzgang« zu Fürbitte und Segen wieder zusammenkamen. Wie Regenschirme oder ein Dach für über 2000 Menschen improvisieren ?

21  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Der Gottesdienst begann mit dem Hören auf Gottes Wort und der Bitte um Vergebung für alle uns noch trennenden Mauern unter verschiedenen Konfessionen. Viele Christen aus der Umgebung waren mit dazu gekommen und dankbar, im Christus-Pavillon ein gemeinsames Dach und Schutz vor dem Regen draußen zu finden. Als wir uns teilten, um an die zwei Mahlfeiern zu gehen, staunten wir, dass der Regen (zum ersten Mal seit Beginn des Festivals) aufgehört hatte. Niemand wird jedoch den Moment vergessen, an dem wir (katholische und evangelische Christen) vorm Eingang des Pavillons wieder aufeinander trafen, Bischof Huber und Pater Laurent Fabre (Gründer und Leiter der Gemeinschaft ­Chemin Neuf) sich herzlich umarmten und sich der Himmel öffnete mit wärmenden Sonnenstrahlen, die uns am Licht des Himmels teilhaben ließen. Der Vater freut sich, wenn Er seine Kinder vereint sieht! In meiner Kommunität mögen wir den Begriff von Abbé Couturier vom »unsichtbaren Kloster«, dem Ort derer, die für die Einheit der Christen beten und arbeiten. Es war etwas spürbar von diesem unsichtbaren Kloster, dessen Mauern zum Himmel offen sind, zwischen Christus-Pavillon und Kloster­k irche an diesem 13. August 2005. Möge dies noch oft der Fall sein, das hoffe und erbete ich. Schwester Ruth Lagemann  Gemeinschaft Chemin Neuf


Gebet zum ökumenischen Stationengottesdienst im Christus-Pavillon am 13. August 2005 Herr, unser Gott,

2 Tür Region

auf dem Weg der Ökumene erfahren wir es oft als Geschenk, wie sehr wir mit­ einander feiern und uns durch die Vielfalt unserer Konfessionen bereichern können. Gleich­zeitig spüren wir jedoch auch den Schmerz der Trennung, in dem uns unsere eigenen Grenzen, unser Mangel an Liebe und unsere Versöhnungs­ bedürftigkeit auf dem Weg zur vollkommenen Einheit deutlich werden. Du bist der Weg, auf dem wir zur Einheit finden, und die Quelle, die uns stärkt. Wir beten: Kyrie Eleison Herr, unser Gott. Du willst, dass wir echte Gemeinschaft erleben. Durch dich, mit dir und in dir wird dies möglich. Wir sind dankbar, wie weit sich unsere Kirchen einander genähert haben. Wir sind dankbar für die Gemeinschaft, über die wir uns immer wieder freuen. Wir vertrauen auf deine Kraft, mit der wir überwinden, was zwischen uns immer noch bruchstückhaft ist. Wir rechnen mit deinem Geist, der uns immer wieder neu den Aufbruch wagen lässt. Wir beten: Christe Eleison Herr, unser Gott. In unserem Land haben wir die Erfahrung machen dürfen, dass durch die Kraft deines Kreuzes Mauern unerwartet fallen können. Dies hoffen wir auch in der Gemeinschaft unserer Kirchen. Wir freuen uns darüber, … dass die alten Trennungen schon so weit überwunden sind, dass wir heute miteinander feiern können. Nie war es deine Absicht, dass sich die Christen voneinander abgrenzen. Du schenkst uns Kraft und Ideen, Grenzen zu überwinden und neue Wege der Gemeinschaft zu finden. Wir beten: Kyrie Eleison

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  22

23  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Gebet zum ökumenischen Stationengottesdienst im Christus-Pavillon am 13. August 2005 Herr, unser Gott,

2 Tür Region

auf dem Weg der Ökumene erfahren wir es oft als Geschenk, wie sehr wir mit­ einander feiern und uns durch die Vielfalt unserer Konfessionen bereichern können. Gleich­zeitig spüren wir jedoch auch den Schmerz der Trennung, in dem uns unsere eigenen Grenzen, unser Mangel an Liebe und unsere Versöhnungs­ bedürftigkeit auf dem Weg zur vollkommenen Einheit deutlich werden. Du bist der Weg, auf dem wir zur Einheit finden, und die Quelle, die uns stärkt. Wir beten: Kyrie Eleison Herr, unser Gott. Du willst, dass wir echte Gemeinschaft erleben. Durch dich, mit dir und in dir wird dies möglich. Wir sind dankbar, wie weit sich unsere Kirchen einander genähert haben. Wir sind dankbar für die Gemeinschaft, über die wir uns immer wieder freuen. Wir vertrauen auf deine Kraft, mit der wir überwinden, was zwischen uns immer noch bruchstückhaft ist. Wir rechnen mit deinem Geist, der uns immer wieder neu den Aufbruch wagen lässt. Wir beten: Christe Eleison Herr, unser Gott. In unserem Land haben wir die Erfahrung machen dürfen, dass durch die Kraft deines Kreuzes Mauern unerwartet fallen können. Dies hoffen wir auch in der Gemeinschaft unserer Kirchen. Wir freuen uns darüber, … dass die alten Trennungen schon so weit überwunden sind, dass wir heute miteinander feiern können. Nie war es deine Absicht, dass sich die Christen voneinander abgrenzen. Du schenkst uns Kraft und Ideen, Grenzen zu überwinden und neue Wege der Gemeinschaft zu finden. Wir beten: Kyrie Eleison

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  22

23  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Jesus ist mein Herr, deshalb sind für mich die Kammern mit den starken Farben und Bildern so bedeutsam.

Werte kann man nur durch Veränderung bewahren. Richard Löwenthal Der Christus-Pavillon in Volkenroda bleibt in meiner Erinnerung verbunden mit Günter Oertel. Sein Glaube, seine überzeugungsstark-gewinnende Persönlichkeit waren die wesentlichen Kräfte in der Beseitigung und Überwindung von Schwierigkeiten. Dankbar denke ich an alle, die mitgeholfen haben, damit dieses große Werk gelingen konnte. Mich berühren die Kammern, die Andreas Felger gestaltet hat. Sie weisen auf Jesus: das Wasser – die Tür – die Perle – die Wunde – die Herrlichkeit – die Trinität – das Brot – der Weinstock – das Licht! Jesus ist mein Herr, deshalb sind für mich die Räume mit den starken Farben und Bildern so bedeutsam.

Als der Christus-Pavillon vor zehn Jahren vom EXPO-Gelände nach Volkenroda umzog, war ich gleichermaßen überrascht und begeistert. In der Geschichte vom unvergleichlichen Wieder­­aufbau des Zisterzienserklosters schien ein neues Kapitel zu beginnen. Bis heute habe ich den Eindruck, dass alle Hoffnungen, Werte und Ziele durch den Christus-Pavillon noch verstärkt wurden, der sich inzwischen ganz selbstverständlich in die Klosterlandschaft einfügt. Kraft und Würde, die dieser Ort ausstrahlt, erkennen nicht nur gläubige Christen. Als Tagungsstätte, Herberge und Kulturzentrum hat Volkenroda eine enorme Anziehungskraft. Dank der Jesus-Bruderschaft trafen tausende Besucher hier nicht nur auf offene Türen, sondern auch auf offene Herzen.

Aber nicht jede Kammer und jedes Bild spricht jeden in gleicher Weise an. Was redet zu mir? Was trifft mein Herz und mein Lebensgefühl?

Harald Zanker  Landrat des Unstrut-Hainich-Kreises

Für mich ist der Weinstock, der jedes Jahr neue Triebe und Reben austreibt, ein starkes Bild für neues, junges Leben durch den kraftvollen Saftstrom im alten Stock. Aber auch das Licht prägt mein Leben und meine Existenz. Das Jesus-Licht hat mich schon aus vielen Dunkelheiten herausgeführt. Manchmal ist es nur klein – aber oft leuchtet der Licht-Jesus sehr hell. Wenn ich meinem Herrn in der Bitte um Vergebung ganz nahe bin, dann brennt der Lichtstrahl der Jesusliebe die dunklen Flecken meines Lebens weg und die Schatten von Scham und Schuld lösen sich auf. Das ist die Jesus-Gnade. Deshalb sage ich mit großer Freude: Jesus ist mein Leben. Diese Erfahrung wünsche ich vielen Besuchern im Christus-Pavillon. Albrecht Fürst zu Castell-Castell Gründer und Vorsitzender des Stiftungsrates von 1998 bis 2006

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  24

25  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Jesus ist mein Herr, deshalb sind für mich die Kammern mit den starken Farben und Bildern so bedeutsam.

Werte kann man nur durch Veränderung bewahren. Richard Löwenthal Der Christus-Pavillon in Volkenroda bleibt in meiner Erinnerung verbunden mit Günter Oertel. Sein Glaube, seine überzeugungsstark-gewinnende Persönlichkeit waren die wesentlichen Kräfte in der Beseitigung und Überwindung von Schwierigkeiten. Dankbar denke ich an alle, die mitgeholfen haben, damit dieses große Werk gelingen konnte. Mich berühren die Kammern, die Andreas Felger gestaltet hat. Sie weisen auf Jesus: das Wasser – die Tür – die Perle – die Wunde – die Herrlichkeit – die Trinität – das Brot – der Weinstock – das Licht! Jesus ist mein Herr, deshalb sind für mich die Räume mit den starken Farben und Bildern so bedeutsam.

Als der Christus-Pavillon vor zehn Jahren vom EXPO-Gelände nach Volkenroda umzog, war ich gleichermaßen überrascht und begeistert. In der Geschichte vom unvergleichlichen Wieder­­aufbau des Zisterzienserklosters schien ein neues Kapitel zu beginnen. Bis heute habe ich den Eindruck, dass alle Hoffnungen, Werte und Ziele durch den Christus-Pavillon noch verstärkt wurden, der sich inzwischen ganz selbstverständlich in die Klosterlandschaft einfügt. Kraft und Würde, die dieser Ort ausstrahlt, erkennen nicht nur gläubige Christen. Als Tagungsstätte, Herberge und Kulturzentrum hat Volkenroda eine enorme Anziehungskraft. Dank der Jesus-Bruderschaft trafen tausende Besucher hier nicht nur auf offene Türen, sondern auch auf offene Herzen.

Aber nicht jede Kammer und jedes Bild spricht jeden in gleicher Weise an. Was redet zu mir? Was trifft mein Herz und mein Lebensgefühl?

Harald Zanker  Landrat des Unstrut-Hainich-Kreises

Für mich ist der Weinstock, der jedes Jahr neue Triebe und Reben austreibt, ein starkes Bild für neues, junges Leben durch den kraftvollen Saftstrom im alten Stock. Aber auch das Licht prägt mein Leben und meine Existenz. Das Jesus-Licht hat mich schon aus vielen Dunkelheiten herausgeführt. Manchmal ist es nur klein – aber oft leuchtet der Licht-Jesus sehr hell. Wenn ich meinem Herrn in der Bitte um Vergebung ganz nahe bin, dann brennt der Lichtstrahl der Jesusliebe die dunklen Flecken meines Lebens weg und die Schatten von Scham und Schuld lösen sich auf. Das ist die Jesus-Gnade. Deshalb sage ich mit großer Freude: Jesus ist mein Leben. Diese Erfahrung wünsche ich vielen Besuchern im Christus-Pavillon. Albrecht Fürst zu Castell-Castell Gründer und Vorsitzender des Stiftungsrates von 1998 bis 2006

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  24

25  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Volkenroda – Frohe Botschaft für Dorf und Region von Ulrike Köhler

In den vergangenen Jahren haben wir ein wichtiges Ziel verfolgt: gemeinsam mit den Menschen der Region Glauben zu teilen und zu leben. Dafür setzen wir uns auf unterschiedliche Weise ein. Manches davon klingt zunächst einfach, erreicht aber sein Ziel. Wie beispielsweise unser Bauernmarkt. Jeden ersten Samstag im Monat ist Volkenroda ein Ort regen Treibens. Kleine Händler der Region kommen auf unseren Schulbauernhof und bieten eine bunte Vielfalt an: von selbstgemachten Marmeladen, gestrickten Socken, Pflanzen, Schuhen, bis hin zu unserem gefragtesten Produkt – dem Kleinvieh. Schon im Morgengrauen kommen die Händler, bauen nach einer gemeinsamen Tasse Kaffee ihre Stände auf und warten auf die Besucher. Jeder bekommt als Eintrittskarte ein Bibelwort auf einer hübschen Karte. Bei so manchem findet sich diese auf dem Nachttischchen wieder, bei anderen sicher auch im Mülleimer.

umliegenden Dörfern ist niedriger geworden, es ist teilweise schon ein richtig gutes Miteinander. Meine ganz große Freunde sind die Glaubenskurse. Zur Zeit läuft gerade der zweite Durchgang in diesem Jahr. An fünf Abenden treffen sich drei Handvoll Menschen unterschiedlichster Herkunft und Prägung, essen gemeinsam und versuchen anschließend, dem Glauben auf die Spur zu kommen. Dabei geht es um Gott und die Welt, aber auch um das persönliche Leben jedes Einzelnen. Oft dauert das eigentlich zweistündige Beisammensein bis Mitternacht. Und diese Kurse bringen jetzt schon Früchte. Drei regelmäßige Hauskreise mit »Ehemaligen« sind entstanden, die die Gemeinschaft der Glaubenskurse weiterführen und helfen, Glauben im Alltag zu leben. Wir freuen uns, dass Vertrauen gewachsen ist und Menschen aus der Region nach seelsorgerlichen Gesprächen fragen.

Ein gutes Beispiel: Trotz des Sturmes »Emma«, der Thüringen umstürzende Bäume und unwetterartigen Regen bescherte, kamen 600 Menschen auf den Bauernmarkt. Normalerweise haben wir circa 1.000 Bauernmarkt-Fans. Fans ist hier wirklich nicht zu viel gesagt, denn viele der Händler und Besucher kommen zu jedem Markt.

All diese Aktionen zeigen, dass Berührungsängste abgebaut werden und unser Kloster das sein kann, was es sein will – ein Ort des Lebens, Arbeitens, der Gemeinschaft und des Glaubens für alle, und vor allem für die Menschen aus Dorf und Region. Mein Herzensanliegen ist es, dass in unsere unheilvolle Welt das Heil Gottes kommt. Dafür lebe, bete und arbeite ich hier in Volkenroda.

Neben Handel und Verkauf gibt es immer nette Begegnungen und gute Gespräche bei einem kühlen Bier und einer würzigen Thüringer Rostbratwurst. Die Schwelle zu den

Ulrike Köhler  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  26

27  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Volkenroda – Frohe Botschaft für Dorf und Region von Ulrike Köhler

In den vergangenen Jahren haben wir ein wichtiges Ziel verfolgt: gemeinsam mit den Menschen der Region Glauben zu teilen und zu leben. Dafür setzen wir uns auf unterschiedliche Weise ein. Manches davon klingt zunächst einfach, erreicht aber sein Ziel. Wie beispielsweise unser Bauernmarkt. Jeden ersten Samstag im Monat ist Volkenroda ein Ort regen Treibens. Kleine Händler der Region kommen auf unseren Schulbauernhof und bieten eine bunte Vielfalt an: von selbstgemachten Marmeladen, gestrickten Socken, Pflanzen, Schuhen, bis hin zu unserem gefragtesten Produkt – dem Kleinvieh. Schon im Morgengrauen kommen die Händler, bauen nach einer gemeinsamen Tasse Kaffee ihre Stände auf und warten auf die Besucher. Jeder bekommt als Eintrittskarte ein Bibelwort auf einer hübschen Karte. Bei so manchem findet sich diese auf dem Nachttischchen wieder, bei anderen sicher auch im Mülleimer.

umliegenden Dörfern ist niedriger geworden, es ist teilweise schon ein richtig gutes Miteinander. Meine ganz große Freunde sind die Glaubenskurse. Zur Zeit läuft gerade der zweite Durchgang in diesem Jahr. An fünf Abenden treffen sich drei Handvoll Menschen unterschiedlichster Herkunft und Prägung, essen gemeinsam und versuchen anschließend, dem Glauben auf die Spur zu kommen. Dabei geht es um Gott und die Welt, aber auch um das persönliche Leben jedes Einzelnen. Oft dauert das eigentlich zweistündige Beisammensein bis Mitternacht. Und diese Kurse bringen jetzt schon Früchte. Drei regelmäßige Hauskreise mit »Ehemaligen« sind entstanden, die die Gemeinschaft der Glaubenskurse weiterführen und helfen, Glauben im Alltag zu leben. Wir freuen uns, dass Vertrauen gewachsen ist und Menschen aus der Region nach seelsorgerlichen Gesprächen fragen.

Ein gutes Beispiel: Trotz des Sturmes »Emma«, der Thüringen umstürzende Bäume und unwetterartigen Regen bescherte, kamen 600 Menschen auf den Bauernmarkt. Normalerweise haben wir circa 1.000 Bauernmarkt-Fans. Fans ist hier wirklich nicht zu viel gesagt, denn viele der Händler und Besucher kommen zu jedem Markt.

All diese Aktionen zeigen, dass Berührungsängste abgebaut werden und unser Kloster das sein kann, was es sein will – ein Ort des Lebens, Arbeitens, der Gemeinschaft und des Glaubens für alle, und vor allem für die Menschen aus Dorf und Region. Mein Herzensanliegen ist es, dass in unsere unheilvolle Welt das Heil Gottes kommt. Dafür lebe, bete und arbeite ich hier in Volkenroda.

Neben Handel und Verkauf gibt es immer nette Begegnungen und gute Gespräche bei einem kühlen Bier und einer würzigen Thüringer Rostbratwurst. Die Schwelle zu den

Ulrike Köhler  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  26

27  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


3 Perle kultur Durch die blühende Landschaft fuhren wir vom Norden in dieses schöne Tal und staunen über die beiden so verschiedenen schönen Kirchen! Herzlichen Dank für die Möglichkeit, hier Besinnung und Freude zu erleben. Hannelore Hedrich, 5.6.2008

»Junge Kunst« 2009, »no depression in heaven« mit Agnès Guipont. Foto: Dieter Albrecht

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  28

29  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


3 Perle kultur Durch die blühende Landschaft fuhren wir vom Norden in dieses schöne Tal und staunen über die beiden so verschiedenen schönen Kirchen! Herzlichen Dank für die Möglichkeit, hier Besinnung und Freude zu erleben. Hannelore Hedrich, 5.6.2008

»Junge Kunst« 2009, »no depression in heaven« mit Agnès Guipont. Foto: Dieter Albrecht

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  28

29  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Wenn Geist in Stahl und Marmor wohnt Der Christus-Pavillon erhebt Kunstwerke in eine höhere Dimension von Dieter Albrecht

Falls Wunder das sind, was man nicht für möglich gehalten hätte, dann trägt der Christus-Pavillon tatsächlich etwas Wunder­bares in sich. Wer hätte während der Weltausstellung »EXPO 2000« in Hannover damit gerechnet, dass dieses Gebäude aus dem Zentrum weltweiten Interesses umziehen würde ausgerechnet in einen verlassenen Winkel Nordthüringens, in das im Laufe von Jahrhunderten verfallene und nach der Wende von der Jesus-Bruderschaft zu neuem Leben erweckte Kloster Volkenroda? Wer hätte es für möglich gehalten, dass dieser supermoderne Quader aus Stahl und Marmor sich architektonisch-ästhetisch derart selbstverständlich einfügen würde in sein mittelalterliches Umfeld? Wer hätte damit gerechnet, dass die Dorfgemeinschaft ihre ablehnende Haltung aufgeben und sich mit Hand und Herz für das Kloster und seinen Christus-Pavillon einsetzen würde? Und welcher Musikfreund hätte sich vorher solch eine atemberaubende Akustik vorstellen können? Wenn das keine Wunder sind… »Ich will bei euch wohnen: Ihr sollt zu Hause sein.« So hieß es in einem Lied, das eigens zur Einweihung des Christus-­Pavillons geschrieben worden war. Ja, dieses »Haus Gottes bei den Menschen« lässt einen sofort Geborgen-

heit spüren. Hier provo­zieren Kontraste nicht – sie versöhnen. Rings um den Pavillon und seinen Vorhof ziehen sich Doppelglasfenster, gefüllt mit Gegenständen des Alltags: Glühlampen, Tonbandkassetten, Zahnbürsten, Teesiebe, diverse Natur­materialien. Sie grenzen den Kreuzgang gegen die Außenwelt ab und verbinden ihn doch zugleich eng mit ihr. Ein genialer Kunst-Griff! Schlichte, mit gleichsam go­t ischer Energie aufstrebende Stahlsäulen im Inneren erzeugen Ehrfurcht. Mild-­diffuses Licht dringt durch die Marmorwände, lässt unruhige Blicke zur Ruhe kommen. Hier fällt es leicht, sich auf Wort, Klang und Bild zu konzentrieren. Wer im Christus-Pavillon einmal ein Konzert erlebt hat, wird das so schnell nicht vergessen können. Der Raum hat einen auffällig langen Nachhall, aber die schlichte Architektur mit ihren ebenen Flächen lässt kein undurchdringliches Gemisch unzähliger Schallrücklaufzeiten entstehen, die dem Hörer in großen gotischen und barocken Kirchen den Genuss verderben können – hier kommen klare Klangkonturen an. Markus Stockhausen war nicht der Einzige, der das im Christus-Pavillon ohrenfällig demons­t riert hat. Man stelle sich vor: Seiner Trompete entwindet sich ein prägnantes musikalisches Motiv

und steigt gleichsam zum Licht auf. An der Decke wird es reflektiert und gesellt sich als polyphone zweite Stimme zum inzwischen weiterspielenden Instrument. Ein Duett für Trompete und Echo – wo kann man das sonst noch erleben? Wovon einst Claude Debussy träumte – im Vorhof des Christus-Pavillons kann es wahr werden: Naturstimmen und Musik verbinden sich zu einem Gesamtkunstwerk. So geschah es, als der Gitarrist Roger Zimmermann die Rezitation von Gedichten der Schlotheimer Künstlerin Petra Arndt auf seinem Instrument begleitete. Windgeräusche, Blätterrauschen und Vogelstimmen schufen eine zauberhafte Stimmung – auch im perfektesten Konzertsaal unerreichbar. Die Herzen vieler Freunde zeitgenössischer Musik und modernen Theaters schlagen höher beim Festival »Junge Kunst«. Trotz stets aktueller Finanzierungsprobleme gab es das bereits achtmal. Nach einer kreativen Pause soll es sich 2012 zum neunten Mal zu Wort melden. Auch Friedemann Felger, Spiritus rector des Festivals und seit einigen Jahren Theatermann in Berlin, wird voraussichtlich wieder mit dabei sein. Unvergessen ist seine theatrale Installation »no depression

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  30

in heaven« zum 8. Festival: Entlang einer über jeweils einen Stadtplan gezogenen Linie waren er und seine Schauspieler drei Wochen lang durch Wohnzimmer, Schlafzimmer und Hinterhöfe, durch eine Psychiatriepraxis und ein Landgericht gegangen und hatten Menschen per Video befragt. Daraus entwickelten sie berührende Spielszenen, die auf unterschiedliche Weise die Frage nach dem richtigen Leben im falschen stellen. Die Zusammenarbeit mit dem Bad Hersfelder Festspiel­ orchester und -chor ermöglicht große Chorsinfonik im Christus-Pavillon. Hier erklangen schon die Oratorien »Elias« von Felix Mendelssohn Bartholdy und »Der Messias« von Georg Friedrich Händel. Und die Arcis-Vocalisten, ein renommierter semiprofessioneller Chor aus München, werden im August des Jubiläumsjahrs 2011 Carl Orffs »Carmina Burana« am Teich vorm Christus-Pavillon aufführen. Schon mehrfach gehörte der Bau auch zu den Aufführungsorten künstlerisch anspruchsvoller Sommerkonzerte des zuhörerträchtigen MDR-Musiksommers. Die über die Grenzen ihrer Stadt hinaus geschätzte ambitionierte Mühlhäuser Theaterwerkstatt 3K hat ebenfalls schon im Christus-Pavillon ihre Kunst gezeigt. Im Kloster hat der mit dem großen griechischen Komponisten Mikis Theodorakis befreundete Gitarrist Rainer Rohloff dessen Musik gespielt. Und aus ihren Werken gelesen haben hier die Bürgerrechtlerin Freya Klier, der 1977 in den Westen über­gesiedelte erzgebirgische Schriftsteller Reiner Kunze und der suspendierte katholische Priester, sozialis­t ische

31  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Politiker und Dichter Ernesto Cardenal aus Nicaragua. Ein nicht minder geeigneter Ort ist der Christus-Pavillon für Kunstausstellungen. Die sachliche Architektur lässt Bildern und Plastiken allen Raum, den sie brauchen, um ihre Geschichten in Ruhe zu erzählen. Horst Sakulowski, der lange gezweifelt hatte, ob es sinnvoll sei, einige seiner Grafiken hier zu zeigen, war, als sie erst einmal hingen, schlichtweg begeistert davon, wie sehr dieser Raum den Ernst, die Würde und die Expressivität seiner »Christusbilder – Menschenbilder« wirken ließ. Schade nur, dass sich dieses »Haus Gottes bei den Menschen« nicht heizen lässt. Aber auch in diesem Fall hat die Medaille zwei Seiten: In der kalten Jahreszeit haben all seine Freunde Gelegenheit, ihre Ungeduld im Warten auf die nächste Saison zu kultivieren. Eine Art Kulturfasten, geprägt von der Vorfreude auf das, was da kommen mag.

Dieter Albrecht  Journalist aus Gotha


Wenn Geist in Stahl und Marmor wohnt Der Christus-Pavillon erhebt Kunstwerke in eine höhere Dimension von Dieter Albrecht

Falls Wunder das sind, was man nicht für möglich gehalten hätte, dann trägt der Christus-Pavillon tatsächlich etwas Wunder­bares in sich. Wer hätte während der Weltausstellung »EXPO 2000« in Hannover damit gerechnet, dass dieses Gebäude aus dem Zentrum weltweiten Interesses umziehen würde ausgerechnet in einen verlassenen Winkel Nordthüringens, in das im Laufe von Jahrhunderten verfallene und nach der Wende von der Jesus-Bruderschaft zu neuem Leben erweckte Kloster Volkenroda? Wer hätte es für möglich gehalten, dass dieser supermoderne Quader aus Stahl und Marmor sich architektonisch-ästhetisch derart selbstverständlich einfügen würde in sein mittelalterliches Umfeld? Wer hätte damit gerechnet, dass die Dorfgemeinschaft ihre ablehnende Haltung aufgeben und sich mit Hand und Herz für das Kloster und seinen Christus-Pavillon einsetzen würde? Und welcher Musikfreund hätte sich vorher solch eine atemberaubende Akustik vorstellen können? Wenn das keine Wunder sind… »Ich will bei euch wohnen: Ihr sollt zu Hause sein.« So hieß es in einem Lied, das eigens zur Einweihung des Christus-­Pavillons geschrieben worden war. Ja, dieses »Haus Gottes bei den Menschen« lässt einen sofort Geborgen-

heit spüren. Hier provo­zieren Kontraste nicht – sie versöhnen. Rings um den Pavillon und seinen Vorhof ziehen sich Doppelglasfenster, gefüllt mit Gegenständen des Alltags: Glühlampen, Tonbandkassetten, Zahnbürsten, Teesiebe, diverse Natur­materialien. Sie grenzen den Kreuzgang gegen die Außenwelt ab und verbinden ihn doch zugleich eng mit ihr. Ein genialer Kunst-Griff! Schlichte, mit gleichsam go­t ischer Energie aufstrebende Stahlsäulen im Inneren erzeugen Ehrfurcht. Mild-­diffuses Licht dringt durch die Marmorwände, lässt unruhige Blicke zur Ruhe kommen. Hier fällt es leicht, sich auf Wort, Klang und Bild zu konzentrieren. Wer im Christus-Pavillon einmal ein Konzert erlebt hat, wird das so schnell nicht vergessen können. Der Raum hat einen auffällig langen Nachhall, aber die schlichte Architektur mit ihren ebenen Flächen lässt kein undurchdringliches Gemisch unzähliger Schallrücklaufzeiten entstehen, die dem Hörer in großen gotischen und barocken Kirchen den Genuss verderben können – hier kommen klare Klangkonturen an. Markus Stockhausen war nicht der Einzige, der das im Christus-Pavillon ohrenfällig demons­t riert hat. Man stelle sich vor: Seiner Trompete entwindet sich ein prägnantes musikalisches Motiv

und steigt gleichsam zum Licht auf. An der Decke wird es reflektiert und gesellt sich als polyphone zweite Stimme zum inzwischen weiterspielenden Instrument. Ein Duett für Trompete und Echo – wo kann man das sonst noch erleben? Wovon einst Claude Debussy träumte – im Vorhof des Christus-Pavillons kann es wahr werden: Naturstimmen und Musik verbinden sich zu einem Gesamtkunstwerk. So geschah es, als der Gitarrist Roger Zimmermann die Rezitation von Gedichten der Schlotheimer Künstlerin Petra Arndt auf seinem Instrument begleitete. Windgeräusche, Blätterrauschen und Vogelstimmen schufen eine zauberhafte Stimmung – auch im perfektesten Konzertsaal unerreichbar. Die Herzen vieler Freunde zeitgenössischer Musik und modernen Theaters schlagen höher beim Festival »Junge Kunst«. Trotz stets aktueller Finanzierungsprobleme gab es das bereits achtmal. Nach einer kreativen Pause soll es sich 2012 zum neunten Mal zu Wort melden. Auch Friedemann Felger, Spiritus rector des Festivals und seit einigen Jahren Theatermann in Berlin, wird voraussichtlich wieder mit dabei sein. Unvergessen ist seine theatrale Installation »no depression

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  30

in heaven« zum 8. Festival: Entlang einer über jeweils einen Stadtplan gezogenen Linie waren er und seine Schauspieler drei Wochen lang durch Wohnzimmer, Schlafzimmer und Hinterhöfe, durch eine Psychiatriepraxis und ein Landgericht gegangen und hatten Menschen per Video befragt. Daraus entwickelten sie berührende Spielszenen, die auf unterschiedliche Weise die Frage nach dem richtigen Leben im falschen stellen. Die Zusammenarbeit mit dem Bad Hersfelder Festspiel­ orchester und -chor ermöglicht große Chorsinfonik im Christus-Pavillon. Hier erklangen schon die Oratorien »Elias« von Felix Mendelssohn Bartholdy und »Der Messias« von Georg Friedrich Händel. Und die Arcis-Vocalisten, ein renommierter semiprofessioneller Chor aus München, werden im August des Jubiläumsjahrs 2011 Carl Orffs »Carmina Burana« am Teich vorm Christus-Pavillon aufführen. Schon mehrfach gehörte der Bau auch zu den Aufführungsorten künstlerisch anspruchsvoller Sommerkonzerte des zuhörerträchtigen MDR-Musiksommers. Die über die Grenzen ihrer Stadt hinaus geschätzte ambitionierte Mühlhäuser Theaterwerkstatt 3K hat ebenfalls schon im Christus-Pavillon ihre Kunst gezeigt. Im Kloster hat der mit dem großen griechischen Komponisten Mikis Theodorakis befreundete Gitarrist Rainer Rohloff dessen Musik gespielt. Und aus ihren Werken gelesen haben hier die Bürgerrechtlerin Freya Klier, der 1977 in den Westen über­gesiedelte erzgebirgische Schriftsteller Reiner Kunze und der suspendierte katholische Priester, sozialis­t ische

31  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Politiker und Dichter Ernesto Cardenal aus Nicaragua. Ein nicht minder geeigneter Ort ist der Christus-Pavillon für Kunstausstellungen. Die sachliche Architektur lässt Bildern und Plastiken allen Raum, den sie brauchen, um ihre Geschichten in Ruhe zu erzählen. Horst Sakulowski, der lange gezweifelt hatte, ob es sinnvoll sei, einige seiner Grafiken hier zu zeigen, war, als sie erst einmal hingen, schlichtweg begeistert davon, wie sehr dieser Raum den Ernst, die Würde und die Expressivität seiner »Christusbilder – Menschenbilder« wirken ließ. Schade nur, dass sich dieses »Haus Gottes bei den Menschen« nicht heizen lässt. Aber auch in diesem Fall hat die Medaille zwei Seiten: In der kalten Jahreszeit haben all seine Freunde Gelegenheit, ihre Ungeduld im Warten auf die nächste Saison zu kultivieren. Eine Art Kulturfasten, geprägt von der Vorfreude auf das, was da kommen mag.

Dieter Albrecht  Journalist aus Gotha


Die Kammern im Christus-Pavillon in der Gestaltung von Andreas Felger von Frank Günter Zehnder Neun kleinere würfelartige Räume sind so um den großen zentralen Christus-Raum gelagert, dass sie sich jeweils zum umlaufenden Kreuzgang hin öffnen. Die klare Struktur der – vom Quadrat bestimmten – Architektur wird in der Anordnung der Kammern konsequent fortgeführt: Es sind drei auf jeder Seite, neben und hinter dem hohen GottesdienstRaum. Ihre Form und Funktion, ihre Maße und Anbindung, ihre Lichtführung und Intimität betonen die besondere Bedeutung dieser Zellen, sie lassen den Umgang als einen Andachtsweg erfahren. Mit ihrer Lage erinnern sie sowohl an die Tradition der Chor- und Seitenkapellen in den Kirchen als auch an Räume, die an Kreuzgänge angeschlossen sind. Anders als der große helle Raum in der Mitte sind sie nicht Orte liturgischer Handlungen oder für größere Versammlun­ gen gedacht, sondern sie sind der persönlichen Andacht gewidmet und als stille Orte dem Einzelnen, der Kontem­ plation vorbehalten. Die farbige Fassung aller Kammern und ihre zurückhaltende Ausstattung mit wenigen Objekten, der Verzicht auf figür­ liche Erzählung und der jeweils andere Charakter der Räume betonen nachdrücklich ihre Eigenart innerhalb des ChristusPavillons. So kommt vor allem die Malerei, kommen die unterschiedlichen Farben, kommen die Themen und kommt der wichtige Zusammenhang von Licht und Farbe zum Tragen.

linke Seite: Licht rechte Seite: Tür

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  32

33  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Die Kammern im Christus-Pavillon in der Gestaltung von Andreas Felger von Frank Günter Zehnder Neun kleinere würfelartige Räume sind so um den großen zentralen Christus-Raum gelagert, dass sie sich jeweils zum umlaufenden Kreuzgang hin öffnen. Die klare Struktur der – vom Quadrat bestimmten – Architektur wird in der Anordnung der Kammern konsequent fortgeführt: Es sind drei auf jeder Seite, neben und hinter dem hohen GottesdienstRaum. Ihre Form und Funktion, ihre Maße und Anbindung, ihre Lichtführung und Intimität betonen die besondere Bedeutung dieser Zellen, sie lassen den Umgang als einen Andachtsweg erfahren. Mit ihrer Lage erinnern sie sowohl an die Tradition der Chor- und Seitenkapellen in den Kirchen als auch an Räume, die an Kreuzgänge angeschlossen sind. Anders als der große helle Raum in der Mitte sind sie nicht Orte liturgischer Handlungen oder für größere Versammlun­ gen gedacht, sondern sie sind der persönlichen Andacht gewidmet und als stille Orte dem Einzelnen, der Kontem­ plation vorbehalten. Die farbige Fassung aller Kammern und ihre zurückhaltende Ausstattung mit wenigen Objekten, der Verzicht auf figür­ liche Erzählung und der jeweils andere Charakter der Räume betonen nachdrücklich ihre Eigenart innerhalb des ChristusPavillons. So kommt vor allem die Malerei, kommen die unterschiedlichen Farben, kommen die Themen und kommt der wichtige Zusammenhang von Licht und Farbe zum Tragen.

linke Seite: Licht rechte Seite: Tür

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  32

33  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Ein Vergleich der mit allerlei kleinen Gegenständen gefüllten Glasfenster des Kreuzgangs mit den großflächigen Malereien der Kammern macht die Korrespondenz von Alltagserfahrung und Atempause sichtbar.

Trinität

Der Maler, Grafiker und Bildhauer Andreas Felger (*1935 in Belsen/Schwäbische Alb) hat mit seiner Umsetzung der Themen und der eigenwilligen Farbgebung eine eindrucksvolle Raumfolge geschaffen. Er hat Christus-Worte oder Texte aus dem Johannes-Evangelium, dem Matthäus-Evangelium und dem Römerbrief zur Grundlage seiner malerisch-spirituellen Gestaltung gewählt, er hat auch aus seiner persönlichen Gläubigkeit und künstlerischen Authentizität heraus ein geradezu leidenschaftliches Bekenntnis gemalt. Eine im gleichen Farbton, aber meist in Valeurs, in Flächenmalerei oder mit Schraffuren aufgetragene Farbigkeit prägt jeweils die Gesamtstimmung einer Kammer, der thematische Bezug wird stets durch ein signifikantes Zeichen in den Mittelpunkt gestellt. So nimmt der Besucher der Kammern – bei einer von Raum zu Raum veränderten Farbgebung – in knappster abstrahierender Formensprache einen Wasserlauf, einen Lichtspalt, eine Perle, eine Verwundung, einen Kreis, drei gerissene Öffnungen, eine Licht-Mandorla, eine gebrochene Hostie und einen Weinstock wahr. Farben und Zeichen stehen in engem Zusammenhang. Auch wenn es eine theologisch überlegte Abfolge der Räume gibt, so ist doch keine Leserichtung festgeschrieben. Neben einem systematischen Besuch aller Kammern in

der gewohnten Laufrichtung von links nach rechts werden manche Gäste eine spontane persönliche Auswahl treffen, die von der Signalwirkung der Farben, der Zeichen, eines Objektes oder der Gesamtwirkung des Raumes beeinflusst wird. So üben etwa der goldene Raum oder die blaue Kammer mit der leuchtenden Mandorla auf den Vorbei­ kommenden eine starke, geradezu charismatische Anziehung aus. Kein Raum ist im klassischen Sinne erzählend oder gar didaktisch pastoral, jede Kammer sendet stattdessen auf den ersten Blick Lockrufe oder Angebote aus, die eine emotionale oder rationale Wahrnehmung auslösen. Da gibt es Betrachter, die sich von der Formensprache der Zeichen oder von der mystischen Farbwirkung angesprochen fühlen, andere werden von der Stimmigkeit eines Raumes besonders beeindruckt oder setzen sich mit treffenden, aber ungewohnten Brüchen näher auseinander. Es ist keine Frage, dass einige Kammern beispielsweise eine außerordentliche Tiefen­ wirkung signalisieren oder einige im wahrsten Sinne des Wortes mit einem farblichen Zauber gefangen nehmen. Diese Raummalerei – man könnte sie auch als Farbinstallation bezeichnen – ist eine Besonderheit in der zeitgenössischen Kirchenausstattung. Sie lebt aus Andreas Felgers autonomer Kunstsprache heraus, in der sich auf spannende Weise immer wieder persönliche Weltsicht, Humanität und Gottsuche treffen, – ebenso gut in spirituellen wie in profanen Zusammen­hängen. Der Künstler ist bei der Schöpfung dieser Farbräume völlig authentisch vorgegangen und der Konsequenz seiner Werkentwicklung gefolgt, vieles verbindet diese Malerei mit seinen gleichzeitig entstandenen freien Holzschnitten, Aquarellen und Gemälden. Und in seinem gesamten Schaffen gilt: Er malt nur das, wozu er auch persönlich steht, unabhängig von Inhalten, Motiven, Zeitströmungen, Vorbildern oder Auftraggebern. Andreas Felgers international geschätzte Arbeitsfelder (Holzschnitt, Aquarell und Bildhauerkunst) haben seit 1985 mit der Ölmalerei einen kräftigen Zuwachs bekommen. Dieses – bis vor wenigen Jahren vom

Künstler noch zurückgehaltene – GemäldeOeuvre wächst stetig weiter, da er sich dieser Maltechnik intensiv, ja geradezu leidenschaftlich widmet. Hier setzt er mit seiner unverwechselbaren Handschrift, mit der Verbindung von Reduktion und Lesbarkeit in der Kunstszene viel beachtete Akzente. Er hat in der Stille seines Ateliers über Jahre hinweg vielschichtige Ausdrucksformen entwickelt, die auf individuelle Weise aktuellen internationalen Tendenzen wie der Ornamentmalerei (pattern art), einer neuen Figuration und vor allem der Farbfeldmalerei (colour field painting) begegnen. In diesem Zusammenhang markieren die Kammern eine wichtige Entwicklungsstufe besonders für seine Farbfeldmalerei. Ihr begegnet man hier durchgehend, denn die Wand füllenden oder mitunter auch aufgeteilten Farbflächen sind mit Vorliebe monochrom gefasst. Seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts nahm die kontemplativ wirkende Farbfeldmalerei im Schaffen des Künstlers deutlich zu und erreichte um 2000 bis 2002 einen Höhepunkt. In dieser Phase wurden auch die Themen und das Farbkonzept für die Kammern ausgearbeitet und realisiert. Ein enger – nehmender und gebender – Zusammenhang zwischen den frei entstandenen Bildern und den Kammern ist offensichtlich. So sind diese ausgemalten Zellen zugleich auch Hauptwerke dieser wichtigen Stilphase im Gesamtschaffen Andreas Felgers. Es korrespondiert etwa das Zeichen für Wasser (in »Taufe«) mit ähnlichen Formen für Weg oder Figur in den Gemälden und das kräftige Blau, das hier an Wasser, Himmel, Kühle und die Brunnenstuben der Zister­ zienser denken lässt, verweist in Bildern auf Tiefe, Firmament und Unendlichkeit. Mit leuchtend weißen Formen als Spalt, Kreis oder Mandorla (in »Tür«, »Perle« und »Licht«) werden Motive und Akzente gesetzt, die sich in den Gemälden und Grafiken als Farbkontraste und Lichtziele manifestieren. Andere einfache und ausdruckstarke Formen wie die Verwundung (in »Wunde«), die Farbspalten (in »Trinität«), die gekreuzt gebrochene Goldscheibe (in »Brot«), das Tau-Kreuz (in »Weinstock«) und der Kreis als vollkommene

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  34

Perle, Herrlichkeit, Weinstock, Brot

35  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Ein Vergleich der mit allerlei kleinen Gegenständen gefüllten Glasfenster des Kreuzgangs mit den großflächigen Malereien der Kammern macht die Korrespondenz von Alltagserfahrung und Atempause sichtbar.

Trinität

Der Maler, Grafiker und Bildhauer Andreas Felger (*1935 in Belsen/Schwäbische Alb) hat mit seiner Umsetzung der Themen und der eigenwilligen Farbgebung eine eindrucksvolle Raumfolge geschaffen. Er hat Christus-Worte oder Texte aus dem Johannes-Evangelium, dem Matthäus-Evangelium und dem Römerbrief zur Grundlage seiner malerisch-spirituellen Gestaltung gewählt, er hat auch aus seiner persönlichen Gläubigkeit und künstlerischen Authentizität heraus ein geradezu leidenschaftliches Bekenntnis gemalt. Eine im gleichen Farbton, aber meist in Valeurs, in Flächenmalerei oder mit Schraffuren aufgetragene Farbigkeit prägt jeweils die Gesamtstimmung einer Kammer, der thematische Bezug wird stets durch ein signifikantes Zeichen in den Mittelpunkt gestellt. So nimmt der Besucher der Kammern – bei einer von Raum zu Raum veränderten Farbgebung – in knappster abstrahierender Formensprache einen Wasserlauf, einen Lichtspalt, eine Perle, eine Verwundung, einen Kreis, drei gerissene Öffnungen, eine Licht-Mandorla, eine gebrochene Hostie und einen Weinstock wahr. Farben und Zeichen stehen in engem Zusammenhang. Auch wenn es eine theologisch überlegte Abfolge der Räume gibt, so ist doch keine Leserichtung festgeschrieben. Neben einem systematischen Besuch aller Kammern in

der gewohnten Laufrichtung von links nach rechts werden manche Gäste eine spontane persönliche Auswahl treffen, die von der Signalwirkung der Farben, der Zeichen, eines Objektes oder der Gesamtwirkung des Raumes beeinflusst wird. So üben etwa der goldene Raum oder die blaue Kammer mit der leuchtenden Mandorla auf den Vorbei­ kommenden eine starke, geradezu charismatische Anziehung aus. Kein Raum ist im klassischen Sinne erzählend oder gar didaktisch pastoral, jede Kammer sendet stattdessen auf den ersten Blick Lockrufe oder Angebote aus, die eine emotionale oder rationale Wahrnehmung auslösen. Da gibt es Betrachter, die sich von der Formensprache der Zeichen oder von der mystischen Farbwirkung angesprochen fühlen, andere werden von der Stimmigkeit eines Raumes besonders beeindruckt oder setzen sich mit treffenden, aber ungewohnten Brüchen näher auseinander. Es ist keine Frage, dass einige Kammern beispielsweise eine außerordentliche Tiefen­ wirkung signalisieren oder einige im wahrsten Sinne des Wortes mit einem farblichen Zauber gefangen nehmen. Diese Raummalerei – man könnte sie auch als Farbinstallation bezeichnen – ist eine Besonderheit in der zeitgenössischen Kirchenausstattung. Sie lebt aus Andreas Felgers autonomer Kunstsprache heraus, in der sich auf spannende Weise immer wieder persönliche Weltsicht, Humanität und Gottsuche treffen, – ebenso gut in spirituellen wie in profanen Zusammen­hängen. Der Künstler ist bei der Schöpfung dieser Farbräume völlig authentisch vorgegangen und der Konsequenz seiner Werkentwicklung gefolgt, vieles verbindet diese Malerei mit seinen gleichzeitig entstandenen freien Holzschnitten, Aquarellen und Gemälden. Und in seinem gesamten Schaffen gilt: Er malt nur das, wozu er auch persönlich steht, unabhängig von Inhalten, Motiven, Zeitströmungen, Vorbildern oder Auftraggebern. Andreas Felgers international geschätzte Arbeitsfelder (Holzschnitt, Aquarell und Bildhauerkunst) haben seit 1985 mit der Ölmalerei einen kräftigen Zuwachs bekommen. Dieses – bis vor wenigen Jahren vom

Künstler noch zurückgehaltene – GemäldeOeuvre wächst stetig weiter, da er sich dieser Maltechnik intensiv, ja geradezu leidenschaftlich widmet. Hier setzt er mit seiner unverwechselbaren Handschrift, mit der Verbindung von Reduktion und Lesbarkeit in der Kunstszene viel beachtete Akzente. Er hat in der Stille seines Ateliers über Jahre hinweg vielschichtige Ausdrucksformen entwickelt, die auf individuelle Weise aktuellen internationalen Tendenzen wie der Ornamentmalerei (pattern art), einer neuen Figuration und vor allem der Farbfeldmalerei (colour field painting) begegnen. In diesem Zusammenhang markieren die Kammern eine wichtige Entwicklungsstufe besonders für seine Farbfeldmalerei. Ihr begegnet man hier durchgehend, denn die Wand füllenden oder mitunter auch aufgeteilten Farbflächen sind mit Vorliebe monochrom gefasst. Seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts nahm die kontemplativ wirkende Farbfeldmalerei im Schaffen des Künstlers deutlich zu und erreichte um 2000 bis 2002 einen Höhepunkt. In dieser Phase wurden auch die Themen und das Farbkonzept für die Kammern ausgearbeitet und realisiert. Ein enger – nehmender und gebender – Zusammenhang zwischen den frei entstandenen Bildern und den Kammern ist offensichtlich. So sind diese ausgemalten Zellen zugleich auch Hauptwerke dieser wichtigen Stilphase im Gesamtschaffen Andreas Felgers. Es korrespondiert etwa das Zeichen für Wasser (in »Taufe«) mit ähnlichen Formen für Weg oder Figur in den Gemälden und das kräftige Blau, das hier an Wasser, Himmel, Kühle und die Brunnenstuben der Zister­ zienser denken lässt, verweist in Bildern auf Tiefe, Firmament und Unendlichkeit. Mit leuchtend weißen Formen als Spalt, Kreis oder Mandorla (in »Tür«, »Perle« und »Licht«) werden Motive und Akzente gesetzt, die sich in den Gemälden und Grafiken als Farbkontraste und Lichtziele manifestieren. Andere einfache und ausdruckstarke Formen wie die Verwundung (in »Wunde«), die Farbspalten (in »Trinität«), die gekreuzt gebrochene Goldscheibe (in »Brot«), das Tau-Kreuz (in »Weinstock«) und der Kreis als vollkommene

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  34

Perle, Herrlichkeit, Weinstock, Brot

35  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Geschlossenheit über dem unendlichen Goldglanz (in »Herrlichkeit«) haben Parallelen in Grafik, Malerei oder Skulptur An­dreas Felgers, – vor, nach und gleichzeitig mit Volkenroda. Mit der Farbgebung und ihrer Lichtführung geht von Raum zu Raum auch eine gewisse Dramaturgie einher. Als ein tragendes Element hat sich neben der Farbe das Licht erwiesen, das einmal schimmernd, ein anderes Mal kräftig hereinbrechend, ein weiteres Mal wie ein Leuchtkörper oder oftmals in der Farbe selbst als lichtvoller oder – vor allem bei der Darstellung der himmlischen Herrlichkeit – als goldglänzender Reflex wirksam wird. Auch wenn diese Kammern keine direkten Erzählungen präsentieren, sprechen sie über die Kunstform doch eindringlich zum Betrachter. Diese reine Malerei Andreas Felgers wird in ihrer Wirkung durch die wandernde Helligkeit im Tages- und Jahreslauf deutlichen Wandlungen unterworfen. Es lohnt sich, sie in anderem Licht und Wetter, mit anderen Augen und in veränderter Stimmung zu sehen. Sie lebt nicht aus dem gemalten Wort, sondern aus einer künstlerischen Leidenschaft, die ohne illustrierenden Ansatz vor allem der Farbe und ihrem Malprozess verpflichtet ist. Dass er mit einem hohen Anteil von Sinnlichkeit in seiner Farb- und Malkultur zugleich auch die geistigen und geistlichen Ebenen von Ort und Glauben berührt, verdankt sich der besonderen Imaginationskraft, der Inno­vationslust und der Identifikation des Künstlers mit der Aufgabe. Die neun Kammern bereichern die sanft beleuchtete, eher nobel schwarz-weiß-grau erscheinende Architektur und die übrige Ausstattung des Christus-Pavillons um leuch­ tende Bilder, die sich zu Räumen weiten. Sie packen und sie beruhigen, sie inspirieren und lassen assoziieren, sie schaffen sozusagen im Nebenraum die Voraussetzung und die Einstimmung für den Hauptraum. Sie bleiben im Gedächtnis, man nimmt sie mit.

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Wunde Wasser

Prof. Dr. Frank Günter Zehnder  alle Abbildungen dieses Artikels mit freundlicher Genehmigung © Andreas Felger Kulturstiftung

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  36

37  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Geschlossenheit über dem unendlichen Goldglanz (in »Herrlichkeit«) haben Parallelen in Grafik, Malerei oder Skulptur An­dreas Felgers, – vor, nach und gleichzeitig mit Volkenroda. Mit der Farbgebung und ihrer Lichtführung geht von Raum zu Raum auch eine gewisse Dramaturgie einher. Als ein tragendes Element hat sich neben der Farbe das Licht erwiesen, das einmal schimmernd, ein anderes Mal kräftig hereinbrechend, ein weiteres Mal wie ein Leuchtkörper oder oftmals in der Farbe selbst als lichtvoller oder – vor allem bei der Darstellung der himmlischen Herrlichkeit – als goldglänzender Reflex wirksam wird. Auch wenn diese Kammern keine direkten Erzählungen präsentieren, sprechen sie über die Kunstform doch eindringlich zum Betrachter. Diese reine Malerei Andreas Felgers wird in ihrer Wirkung durch die wandernde Helligkeit im Tages- und Jahreslauf deutlichen Wandlungen unterworfen. Es lohnt sich, sie in anderem Licht und Wetter, mit anderen Augen und in veränderter Stimmung zu sehen. Sie lebt nicht aus dem gemalten Wort, sondern aus einer künstlerischen Leidenschaft, die ohne illustrierenden Ansatz vor allem der Farbe und ihrem Malprozess verpflichtet ist. Dass er mit einem hohen Anteil von Sinnlichkeit in seiner Farb- und Malkultur zugleich auch die geistigen und geistlichen Ebenen von Ort und Glauben berührt, verdankt sich der besonderen Imaginationskraft, der Inno­vationslust und der Identifikation des Künstlers mit der Aufgabe. Die neun Kammern bereichern die sanft beleuchtete, eher nobel schwarz-weiß-grau erscheinende Architektur und die übrige Ausstattung des Christus-Pavillons um leuch­ tende Bilder, die sich zu Räumen weiten. Sie packen und sie beruhigen, sie inspirieren und lassen assoziieren, sie schaffen sozusagen im Nebenraum die Voraussetzung und die Einstimmung für den Hauptraum. Sie bleiben im Gedächtnis, man nimmt sie mit.

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Wunde Wasser

Prof. Dr. Frank Günter Zehnder  alle Abbildungen dieses Artikels mit freundlicher Genehmigung © Andreas Felger Kulturstiftung

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Unsere Leitsätze – und wie wir damit umgehen

Im Jahr 2012 sind wir eine erkennbare Gemeinschaft. Wir lernen weiterhin, aus Liebe zu Jesus die Ehre Gottes zu suchen und nach seinem Willen zu fragen.

Bericht aus dem Trägerkreis des Klosters Volkenroda von Jens Wolf

Wir achten einander und ergänzen uns mit unseren Gaben, um Gott und den Menschen zu dienen.

In den vergangenen Jahren haben wir uns als Trägerkreis verstärkt die Frage nach unserem Selbstverständnis gestellt. Wenn zehn erwachsene Menschen mit unterschiedlichen Prägungen in verschiedenen Lebensformen an einem Ort gemeinsam leben, glauben und arbeiten wollen, dann bleibt die Frage nicht aus und wird einmal so drängend, dass gemeinsame Antworten gesucht werden müssen.

Wir laden ein, in Gottesdienst, Begegnung und Arbeit mit uns Leben aus Glauben zu lernen.

Durch die fachkundige und verständnisvolle Begleitung von Prof. Dr. Michael Herbst und Dr. Peter Böhlemann konnten wir uns einigen und auf einen Punkt bringen, warum wir uns hier miteinander engagieren. Dies war ein spannender Prozess, und er hat uns in einer tiefen Einheit zusammen gebracht und ist zu einer starken Grundlage in unserer täg­ lichen Arbeit geworden. Auf Grund dieser Basis konnte in der letzten Zeit die Struktur des Vereins so verändert werden, dass die Mitgliedschaft im Verein Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda neben kommunitären Mitgliedern auch weiteren aktiven Mitgliedern möglich sein wird. Eine Gruppe aus Berlin war für ein Wochenende hier im Kloster zur Einkehr. Als Dankesgruß haben sie uns geschrieben, auf einer Postkarte, die das Kloster vor der Renovierung zeigt: »Ist ein Kloster irgendwann einmal fertig? NEIN, es ist auf dem Weg mit Christus, offen für das, wohin es führt. Aber JA, es ist immer fertig, wenn es dazu dient, dass Menschen dort Christus begegnen können, Liebe finden, bei Ihm aufatmen, sich tiefer in Ihm gründen können. Sie haben uns geholfen, auf unseren gemeinsamen Herrn zu sehen, Frieden in Ihm zu finden, Ruhe und Freude und neues Vertrauen, Dankbarkeit.«

Jens Wolf  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  38

39  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Unsere Leitsätze – und wie wir damit umgehen

Im Jahr 2012 sind wir eine erkennbare Gemeinschaft. Wir lernen weiterhin, aus Liebe zu Jesus die Ehre Gottes zu suchen und nach seinem Willen zu fragen.

Bericht aus dem Trägerkreis des Klosters Volkenroda von Jens Wolf

Wir achten einander und ergänzen uns mit unseren Gaben, um Gott und den Menschen zu dienen.

In den vergangenen Jahren haben wir uns als Trägerkreis verstärkt die Frage nach unserem Selbstverständnis gestellt. Wenn zehn erwachsene Menschen mit unterschiedlichen Prägungen in verschiedenen Lebensformen an einem Ort gemeinsam leben, glauben und arbeiten wollen, dann bleibt die Frage nicht aus und wird einmal so drängend, dass gemeinsame Antworten gesucht werden müssen.

Wir laden ein, in Gottesdienst, Begegnung und Arbeit mit uns Leben aus Glauben zu lernen.

Durch die fachkundige und verständnisvolle Begleitung von Prof. Dr. Michael Herbst und Dr. Peter Böhlemann konnten wir uns einigen und auf einen Punkt bringen, warum wir uns hier miteinander engagieren. Dies war ein spannender Prozess, und er hat uns in einer tiefen Einheit zusammen gebracht und ist zu einer starken Grundlage in unserer täg­ lichen Arbeit geworden. Auf Grund dieser Basis konnte in der letzten Zeit die Struktur des Vereins so verändert werden, dass die Mitgliedschaft im Verein Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda neben kommunitären Mitgliedern auch weiteren aktiven Mitgliedern möglich sein wird. Eine Gruppe aus Berlin war für ein Wochenende hier im Kloster zur Einkehr. Als Dankesgruß haben sie uns geschrieben, auf einer Postkarte, die das Kloster vor der Renovierung zeigt: »Ist ein Kloster irgendwann einmal fertig? NEIN, es ist auf dem Weg mit Christus, offen für das, wohin es führt. Aber JA, es ist immer fertig, wenn es dazu dient, dass Menschen dort Christus begegnen können, Liebe finden, bei Ihm aufatmen, sich tiefer in Ihm gründen können. Sie haben uns geholfen, auf unseren gemeinsamen Herrn zu sehen, Frieden in Ihm zu finden, Ruhe und Freude und neues Vertrauen, Dankbarkeit.«

Jens Wolf  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

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39  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Eigentlich muss ich auch mein Leben ausmisten Seelsorge im Kloster Volkenroda von Luitgardis Parasie

Dieser Christus schockiert. Ihm fehlen beide Arme und der obere Teil des Kopfes – wie skalpiert. »Er ist sehr alt, stammt aus dem 14. Jahrhundert. Durch Kriege wurde der Korpus schwer beschädigt, wie auch die ganze Klosteranlage. Aber wir haben ihn bewusst nicht repariert, so rehistori­ sierend. Wir müssen aus der Spannung der Geschichte lernen. Was die Zeit ihm angetan hat, das soll sichtbar bleiben, in neuem Kontext«, sagt Ulrike Köhler. Die 54-Jährige ist Landwirtin und Seelsorgerin im Kloster Volkenroda. Rehistorisierend, das Wort wird sie noch häufiger benutzen an diesem Herbsttag, an dem die Sonne sich erst nachmittags aus dem Nebel schält. Es steht für das, was Ulrike Köhler nicht will: Alles so wiederher­stellen, wie es früher war. Das gilt auch für die romanische, 1131 von Zisterziensern erbaute Klosterkirche, die den Christus beherbergt. Die alten noch erhaltenen Mauern sind geblieben, aber innen ist die Kirche ganz modern, mit einer großen Fensterfront nach Westen, Fußbodenheizung, Tont­echnik. Die Einrichtung schlicht, klar gegliedert: Reduktion des Äußerlichen, ganz im Sinne der Gründer. »Die Kirche ist kein Museum; wir wollen sie ja nutzen, und deshalb muss sie zu modernen Bedürfnissen passen«, betont Köhler. Und genutzt wird die Kirche. Morgens um halb acht geht es los mit einem »Gottesdienst mit Mahlfeier«. Um zwölf Uhr ist Mittagsgebet, abends um sechs Abendgebet. »Die Gottesdienste strukturieren den Tag, das tut uns gut und den Menschen, die hier mit uns leben«, sagt die Seelsorgerin.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  40

41  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Schweine, Ziegen, Waschbären Neun Leute gehören zur verbindlichen Klostergemeinschaft, dazu kommen etwa zwanzig junge Männer und Frauen, die als FSJler oder mit einem Zweijahresvertrag mitarbeiten. »Manche von ihnen wollen ausprobieren, ob sie dauerhaft im Kloster leben können.« Sie kümmern sich um den Gästebetrieb mit hundert Betten, Jugend­ bildungszentrum, Küche, Kirche, Verwaltung, Landwirtschaft. Und um den Christus-­ Pavillon, der 2001 vom EXPO-Gelände in Hannover nach Volkenroda umgesetzt wurde und der neben dem Andachtsraum Platz bietet für Konzerte und Ausstellungen, Kunst und Kommunikation, z.B. im »Cafe im Kubus«. Auch ein Schulbauernhof gehört zum Kloster, mit Groß- und Kleingetier: zehn Schweine, vier Ziegen, drei Esel, zwei Ponys, zwei Waschbären, Tauben, Hühner, Katzen. »Tiere sind gute Mittler«, sagt Ulrike Köhler, »gerade sind 15 Heimkinder für zwei Tage bei uns, mit schlimmen Familienschicksalen und schwierigen Verhaltensmustern. Wenn die so ein Tier streicheln und versorgen, das gibt ihnen ganz viel. Da können sie Nähe zulassen, wo Menschen manchmal gar nicht rankommen.«

Schlichte Zimmer Marcus Jurij Vogt ist gestern in Volkenroda angekommen. Er will für zwei Monate »Kloster auf Zeit« in Anspruch nehmen. Das Angebot wurde vor zwei Jahren neu ins Programm aufgenommen: Wer in einer Krise ist oder eine Auszeit braucht, kann ein paar Wochen im Kloster leben. Der 43-jährige

promovierte Jurist aus Freiburg im Breisgau hat der Bundeswehr geholfen, transkulturelle Konflikte zu lösen. Viele Monate war er mit dem Heer in Afghanistan, hat die Entwicklungen am Hindukusch hautnah mit­ erlebt und mitgestaltet. Das Erlebte steckt ihm noch in den Knochen. Die »Kloster auf Zeit«-Gäste bekommen ein einfaches Zimmer mit Vollpension ab zehn Euro pro Tag. »Wir wollen, dass jeder sich das leisten kann. Manchen, die zu uns kommen, geht es ja auch finanziell nicht gut«, sagt Köhler. Sie ist Seelsorgerin für die »Kloster auf Zeit«-Leute und bestens qualifiziert: Die studierte Landwirtin hat eine Kurzbibelschule in Chrischona bei Basel besucht, eine Lektorenausbildung gemacht und in der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands eine klinische Seelsorgeausbildung (KSA) absolviert, außerdem ist sie Mitglied in einem Arbeitskreis für geistliche Begleitung.

Ehekrise und Burnout Jeder der »Kloster auf Zeit«-Leute arbeitet täglich vier Stunden in der Landwirtschaft. »Die körperliche Arbeit tut den meisten gut«, erzählt Ulrike Köhler. »Sie drehen sich nicht ständig um sich, bleiben nicht allein mit ihren Problemen. Ganz organisch ergeben sich Gespräche. Da sagt einer beim Schweinestall-Ausmisten: ›Eigentlich muss ich auch mein Leben ausmisten‹. Oder beim Schraubensortieren: ›Ich muss auch einiges neu sortieren.‹ Schnell ist man bei zentralen Lebensfragen.«


Eigentlich muss ich auch mein Leben ausmisten Seelsorge im Kloster Volkenroda von Luitgardis Parasie

Dieser Christus schockiert. Ihm fehlen beide Arme und der obere Teil des Kopfes – wie skalpiert. »Er ist sehr alt, stammt aus dem 14. Jahrhundert. Durch Kriege wurde der Korpus schwer beschädigt, wie auch die ganze Klosteranlage. Aber wir haben ihn bewusst nicht repariert, so rehistori­ sierend. Wir müssen aus der Spannung der Geschichte lernen. Was die Zeit ihm angetan hat, das soll sichtbar bleiben, in neuem Kontext«, sagt Ulrike Köhler. Die 54-Jährige ist Landwirtin und Seelsorgerin im Kloster Volkenroda. Rehistorisierend, das Wort wird sie noch häufiger benutzen an diesem Herbsttag, an dem die Sonne sich erst nachmittags aus dem Nebel schält. Es steht für das, was Ulrike Köhler nicht will: Alles so wiederher­stellen, wie es früher war. Das gilt auch für die romanische, 1131 von Zisterziensern erbaute Klosterkirche, die den Christus beherbergt. Die alten noch erhaltenen Mauern sind geblieben, aber innen ist die Kirche ganz modern, mit einer großen Fensterfront nach Westen, Fußbodenheizung, Tont­echnik. Die Einrichtung schlicht, klar gegliedert: Reduktion des Äußerlichen, ganz im Sinne der Gründer. »Die Kirche ist kein Museum; wir wollen sie ja nutzen, und deshalb muss sie zu modernen Bedürfnissen passen«, betont Köhler. Und genutzt wird die Kirche. Morgens um halb acht geht es los mit einem »Gottesdienst mit Mahlfeier«. Um zwölf Uhr ist Mittagsgebet, abends um sechs Abendgebet. »Die Gottesdienste strukturieren den Tag, das tut uns gut und den Menschen, die hier mit uns leben«, sagt die Seelsorgerin.

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Schweine, Ziegen, Waschbären Neun Leute gehören zur verbindlichen Klostergemeinschaft, dazu kommen etwa zwanzig junge Männer und Frauen, die als FSJler oder mit einem Zweijahresvertrag mitarbeiten. »Manche von ihnen wollen ausprobieren, ob sie dauerhaft im Kloster leben können.« Sie kümmern sich um den Gästebetrieb mit hundert Betten, Jugend­ bildungszentrum, Küche, Kirche, Verwaltung, Landwirtschaft. Und um den Christus-­ Pavillon, der 2001 vom EXPO-Gelände in Hannover nach Volkenroda umgesetzt wurde und der neben dem Andachtsraum Platz bietet für Konzerte und Ausstellungen, Kunst und Kommunikation, z.B. im »Cafe im Kubus«. Auch ein Schulbauernhof gehört zum Kloster, mit Groß- und Kleingetier: zehn Schweine, vier Ziegen, drei Esel, zwei Ponys, zwei Waschbären, Tauben, Hühner, Katzen. »Tiere sind gute Mittler«, sagt Ulrike Köhler, »gerade sind 15 Heimkinder für zwei Tage bei uns, mit schlimmen Familienschicksalen und schwierigen Verhaltensmustern. Wenn die so ein Tier streicheln und versorgen, das gibt ihnen ganz viel. Da können sie Nähe zulassen, wo Menschen manchmal gar nicht rankommen.«

Schlichte Zimmer Marcus Jurij Vogt ist gestern in Volkenroda angekommen. Er will für zwei Monate »Kloster auf Zeit« in Anspruch nehmen. Das Angebot wurde vor zwei Jahren neu ins Programm aufgenommen: Wer in einer Krise ist oder eine Auszeit braucht, kann ein paar Wochen im Kloster leben. Der 43-jährige

promovierte Jurist aus Freiburg im Breisgau hat der Bundeswehr geholfen, transkulturelle Konflikte zu lösen. Viele Monate war er mit dem Heer in Afghanistan, hat die Entwicklungen am Hindukusch hautnah mit­ erlebt und mitgestaltet. Das Erlebte steckt ihm noch in den Knochen. Die »Kloster auf Zeit«-Gäste bekommen ein einfaches Zimmer mit Vollpension ab zehn Euro pro Tag. »Wir wollen, dass jeder sich das leisten kann. Manchen, die zu uns kommen, geht es ja auch finanziell nicht gut«, sagt Köhler. Sie ist Seelsorgerin für die »Kloster auf Zeit«-Leute und bestens qualifiziert: Die studierte Landwirtin hat eine Kurzbibelschule in Chrischona bei Basel besucht, eine Lektorenausbildung gemacht und in der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands eine klinische Seelsorgeausbildung (KSA) absolviert, außerdem ist sie Mitglied in einem Arbeitskreis für geistliche Begleitung.

Ehekrise und Burnout Jeder der »Kloster auf Zeit«-Leute arbeitet täglich vier Stunden in der Landwirtschaft. »Die körperliche Arbeit tut den meisten gut«, erzählt Ulrike Köhler. »Sie drehen sich nicht ständig um sich, bleiben nicht allein mit ihren Problemen. Ganz organisch ergeben sich Gespräche. Da sagt einer beim Schweinestall-Ausmisten: ›Eigentlich muss ich auch mein Leben ausmisten‹. Oder beim Schraubensortieren: ›Ich muss auch einiges neu sortieren.‹ Schnell ist man bei zentralen Lebensfragen.«


Die Gründe sind vielfältig, aus denen »Kloster auf Zeit« in Anspruch genommen wird: Ehekrise, Burnout, Verlust der Arbeit, Sinnsuche. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda spricht sich das Angebot herum, manche stoßen auch durchs Internet darauf. Die Plätze sind rar: Maximal drei Personen parallel kann das Kloster aufnehmen. Ein katholischer Freund hatte Marcus Vogt den Tipp mit Volkenroda gegeben. Das Kloster ist von seiner Ausrichtung her ökumenisch, auch wenn derzeit nur evangelische Mitarbeiter dort tätig sind. Marcus Vogt stammt von Sorben ab, einem slawischen Volksstamm; 60.000 von ihnen wohnen in Sachsen und Brandenburg. Wie kann man die Schätze dieser Minderheit bergen, ihre Geschichte und Frömmigkeit, und daraus Zukunftsperspektiven entwickeln, auch für aktuelle Konflikte? Auch für das, was er gerade erlebt hat, mit Bundeswehr und Afghanistan? Diese Fragen treiben den Rechtsanwalt um. 2009 hatte er eine Tagung an der Uni Leipzig organisiert, mit dem Titel: »Divinität und internationale Beziehungen«. »Die Besinnung auf Gott«, meint er, »erfordert eine Synthese zwischen evangelisch und katholisch – und eine dienende Haltung in sozialen und politischen Problemfeldern.« Was will er in den zwei Monaten Klosterleben erreichen? »Ich suche Konzentration und schreibe mich frei, in dieser mönchischen Atmosphäre.

Ich entwickle eine neue staatswissenschaftliche These.« Manches möchte er auch für sich persönlich abschließen, schmerzliche und belohnende Erfahrungen, und neue Weichenstellungen für die Zukunft finden. »Es ist so bewegend zu erleben, wie sich durch die Zeit hier manches löst und neu wird«, sagt Köhler. Da war zum Beispiel der Unternehmer in einer akuten Ehekrise, der anrief und sagte: »Ich muss sofort kommen.« Er blieb fünf Wochen, ging durch schmerzliche Phasen der Selbsterkenntnis, in denen ihm klar wurde, wo seine eigenen Schwierig­keiten lagen und woher sie kamen. Am Ende schrieb er ins Gästebuch: »Vergebung ist das Größte, was ein Mensch bekommen kann.« Seine Frau holte ihn ab, sie fanden zu einem neuen Miteinander in ihrer Ehe. Rehistorisierend, das ist nicht Ulrike Köhlers Ding, auch in der Seelsorge nicht. Nicht einfach Altes zusammenschustern und schön bemalen. Neues entsteht auf den Ruinen des Bisherigen, durch aufwühlende Prozesse. Durch Begegnung mit sich selbst, und mit Gott. »Ich stelle im Prinzip nur Fragen«, sagt Köhler, »die körperliche Arbeit, die Gottesdienste und Gebete tun ein Übriges, und die Leute helfen sich auch gegenseitig.« Regelmäßige Gesprächstermine bietet sie auch außerhalb der landwirtschaftlichen Arbeit an.

Ein Kind des Sozialismus Ulrike Köhlers Biografie ist eng mit dem Kloster verbunden. Ihr Mann Gerhard stammt aus Volkenroda, im Studium in Leipzig lernte sie ihn kennen und zog dann nach dem Examen mit ihm dorthin. Die Kirche war damals einsturzgefährdet und nur unter Lebensgefahr zu betreten. Nach der Wende, 1991, wurde Ulrike Köhler arbeitslos. Das stürzte sie in eine Lebenskrise. Zwar hatte sie drei Kinder, »aber ich bin eine Ostfrau, für uns war es selbstverständlich mit Kindern berufstätig zu sein. Ich fühlte mich wertlos: Was bin ich ohne Arbeit?« Ihr Leben erschien ihr sinnlos. Zum Glauben hatte sie »als Kind des Sozialismus« damals keine Beziehung. Allerdings gab es da eine betende Oma, und die hatte ihr prophezeit: »Warte mal ab, die Not lehrt dich auch noch beten!« Und so kam es auch: Die Enkelin ging in die verwahrloste Klosterkirche und sprach zum ersten Mal seit langem ein Gebet: »Gott, wenn du mir vergibst und mir hilfst, will ich nicht aufhören zu arbeiten, bis in dieser Kirche wieder gebetet wird.« Tiefer Friede erfüllte sie daraufhin, und die Gewissheit: Ich bin angekommen. Gott ist da. Und: Die Erhörung lag schon im Gebet selbst, denn der Aufbau der Kirche wurde von nun an ihr Job und ihre Passion.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  42

Ulrike Köhler wurde in den kommunalen Gemeinderat gewählt, dann stellvertretende Ortsvorsteherin von Volkenroda, man gründete einen Verein, organisierte Bau­ freizeiten, Geld floss: »Wir haben jedes Jahr eine Million bekommen, aus verschiedenen Fördertöpfen: Denkmalpflege, EU-Mittel, Landeskirche.« Und alles begleitet von Gebeten, von Wachstum im Glauben. »Erst zwei Jahre nach meinem ersten Gebet in der Kloster­k irche fing ich an, nach Jesus Christus zu fragen, das war noch mal ein Quantensprung im Glauben. Ich kapierte: Gott ist vergebende Liebe. Von da fing ich erst richtig an, mit Jesus zu leben.«

Drei Bedingungen 1994 entschied sich die Jesus-Bruderschaft aus Gnadenthal den Schritt in den Osten zu tun und in Volkenroda eine Art Zweigstelle aufzumachen. Die Gemeinschaft hatte vorher drei Anfragen an Gott gestellt, die ihr zeigen sollten, ob das ihr Weg sei: a) Es sollte eine zweite Gemeinschaft mitkommen, die sie unterstützt, b) das Kloster und die dazugehörigen Gebäude sollten ihnen zu einem symbolischen Preis von etwa 6000 Mark übereignet werden, c) der Gemeinderat von Körner-Volkenroda sollte den Verkauf einstimmig beschließen. – Alle drei Bedingungen wurden erfüllt. Die Gnadenthaler übernahmen die Anlage, und gemeinsam

43  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

mit Köhlers und der Christusbruderschaft Selbitz, die sie die ersten drei Jahre unterstützte, ging der Aufbau weiter. Das Kloster ist auch vor Ort bekannt und geachtet. Einmal im Monat findet ein Bauernmarkt statt, bei dem eigene Produkte angeboten werden. Mehr als tausend Leute kommen da jedes Mal, gucken, kaufen, trinken Kaffee – und helfen dadurch, die Finanzierung des Klosters auf solide Beine zu stellen. Jeder Besucher des Markts bekommt als Eintrittskarte ein Bibelwort. Ihr erstes Gebet vor zwanzig Jahren hat Gott inzwischen überreich erfüllt, denn über Arbeitsmangel kann Ulrike Köhler nicht mehr klagen. Sie wird zwar nur für eine halbe Stelle bezahlt, aber 40 bis 50 Stunden Wochenpensum sind locker drin. Neben der regulären Arbeit geht sie jeden Tag zweimal über den Hof, um nach dem Rechten zu sehen. Und Freitagmittag beginnt nicht der Feierabend, denn gerade samstags und sonntags herrscht oft Hochbetrieb. So wie neulich: Samstagmorgen Frühstück und Abschlussgespräche mit zwei Teilnehmern des »Klosters auf Zeit«. Um elf Uhr seelsorgliches Gespräch mit einem Ehepaar. Nachmittags von vier bis halb sieben Generalprobe für einen Radiogottesdienst mit MDR-Figaro, in dem sie die Liturgie leitete. Am Sonntagmorgen um sieben rief die Küche an, dass Eier fehlten.

Sie lieferte 150 Eier von den Klosterhühnern. Um neun begannen Vorbereitungen für den MDR-Gottesdienst, bis zwölf wurde danach aufgeräumt. Nachmittags von drei bis halb fünf führte sie eine Gruppe über das Gelände. Und am Montag wieder normales Arbeitsleben. Die Nachmittagssonne taucht die Klosteranlage in warmes Licht. Ein Ort, der die Seele aufrichtet. Morgens im kaltgrauen Nebel hatte Ulrike Köhler gesagt: »Wenn die Sonne scheint, ist es hier traumhaft schön.« Ihre Augen leuchten. Sie hat ihre Erfüllung gefunden. Was für ein Symbol, dass dem Christus in der Kirche die zerstörten Arme nicht wieder angeflickt wurden: Seine Arme, das sind die von Ulrike Köhler und dem Kloster-Team.

Mit freundlicher Genehmigung: P&S Magazin für Psychotherapie und Seelsorge 1/2011 Luitgardis Parasie  arbeitet als Pastorin und Systemische Familientherapeutin in Northeim. Zusammen mit ihrem Mann Jost WetterParasie hat sie mehrere Bücher zu Lebenshilfethemen veröffentlicht. Zuletzt erschien: Zum Glück fehlt nur die Krise. Vom Scheitern und von neuen Chancen, Gießen 2009.


Die Gründe sind vielfältig, aus denen »Kloster auf Zeit« in Anspruch genommen wird: Ehekrise, Burnout, Verlust der Arbeit, Sinnsuche. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda spricht sich das Angebot herum, manche stoßen auch durchs Internet darauf. Die Plätze sind rar: Maximal drei Personen parallel kann das Kloster aufnehmen. Ein katholischer Freund hatte Marcus Vogt den Tipp mit Volkenroda gegeben. Das Kloster ist von seiner Ausrichtung her ökumenisch, auch wenn derzeit nur evangelische Mitarbeiter dort tätig sind. Marcus Vogt stammt von Sorben ab, einem slawischen Volksstamm; 60.000 von ihnen wohnen in Sachsen und Brandenburg. Wie kann man die Schätze dieser Minderheit bergen, ihre Geschichte und Frömmigkeit, und daraus Zukunftsperspektiven entwickeln, auch für aktuelle Konflikte? Auch für das, was er gerade erlebt hat, mit Bundeswehr und Afghanistan? Diese Fragen treiben den Rechtsanwalt um. 2009 hatte er eine Tagung an der Uni Leipzig organisiert, mit dem Titel: »Divinität und internationale Beziehungen«. »Die Besinnung auf Gott«, meint er, »erfordert eine Synthese zwischen evangelisch und katholisch – und eine dienende Haltung in sozialen und politischen Problemfeldern.« Was will er in den zwei Monaten Klosterleben erreichen? »Ich suche Konzentration und schreibe mich frei, in dieser mönchischen Atmosphäre.

Ich entwickle eine neue staatswissenschaftliche These.« Manches möchte er auch für sich persönlich abschließen, schmerzliche und belohnende Erfahrungen, und neue Weichenstellungen für die Zukunft finden. »Es ist so bewegend zu erleben, wie sich durch die Zeit hier manches löst und neu wird«, sagt Köhler. Da war zum Beispiel der Unternehmer in einer akuten Ehekrise, der anrief und sagte: »Ich muss sofort kommen.« Er blieb fünf Wochen, ging durch schmerzliche Phasen der Selbsterkenntnis, in denen ihm klar wurde, wo seine eigenen Schwierig­keiten lagen und woher sie kamen. Am Ende schrieb er ins Gästebuch: »Vergebung ist das Größte, was ein Mensch bekommen kann.« Seine Frau holte ihn ab, sie fanden zu einem neuen Miteinander in ihrer Ehe. Rehistorisierend, das ist nicht Ulrike Köhlers Ding, auch in der Seelsorge nicht. Nicht einfach Altes zusammenschustern und schön bemalen. Neues entsteht auf den Ruinen des Bisherigen, durch aufwühlende Prozesse. Durch Begegnung mit sich selbst, und mit Gott. »Ich stelle im Prinzip nur Fragen«, sagt Köhler, »die körperliche Arbeit, die Gottesdienste und Gebete tun ein Übriges, und die Leute helfen sich auch gegenseitig.« Regelmäßige Gesprächstermine bietet sie auch außerhalb der landwirtschaftlichen Arbeit an.

Ein Kind des Sozialismus Ulrike Köhlers Biografie ist eng mit dem Kloster verbunden. Ihr Mann Gerhard stammt aus Volkenroda, im Studium in Leipzig lernte sie ihn kennen und zog dann nach dem Examen mit ihm dorthin. Die Kirche war damals einsturzgefährdet und nur unter Lebensgefahr zu betreten. Nach der Wende, 1991, wurde Ulrike Köhler arbeitslos. Das stürzte sie in eine Lebenskrise. Zwar hatte sie drei Kinder, »aber ich bin eine Ostfrau, für uns war es selbstverständlich mit Kindern berufstätig zu sein. Ich fühlte mich wertlos: Was bin ich ohne Arbeit?« Ihr Leben erschien ihr sinnlos. Zum Glauben hatte sie »als Kind des Sozialismus« damals keine Beziehung. Allerdings gab es da eine betende Oma, und die hatte ihr prophezeit: »Warte mal ab, die Not lehrt dich auch noch beten!« Und so kam es auch: Die Enkelin ging in die verwahrloste Klosterkirche und sprach zum ersten Mal seit langem ein Gebet: »Gott, wenn du mir vergibst und mir hilfst, will ich nicht aufhören zu arbeiten, bis in dieser Kirche wieder gebetet wird.« Tiefer Friede erfüllte sie daraufhin, und die Gewissheit: Ich bin angekommen. Gott ist da. Und: Die Erhörung lag schon im Gebet selbst, denn der Aufbau der Kirche wurde von nun an ihr Job und ihre Passion.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  42

Ulrike Köhler wurde in den kommunalen Gemeinderat gewählt, dann stellvertretende Ortsvorsteherin von Volkenroda, man gründete einen Verein, organisierte Bau­ freizeiten, Geld floss: »Wir haben jedes Jahr eine Million bekommen, aus verschiedenen Fördertöpfen: Denkmalpflege, EU-Mittel, Landeskirche.« Und alles begleitet von Gebeten, von Wachstum im Glauben. »Erst zwei Jahre nach meinem ersten Gebet in der Kloster­k irche fing ich an, nach Jesus Christus zu fragen, das war noch mal ein Quantensprung im Glauben. Ich kapierte: Gott ist vergebende Liebe. Von da fing ich erst richtig an, mit Jesus zu leben.«

Drei Bedingungen 1994 entschied sich die Jesus-Bruderschaft aus Gnadenthal den Schritt in den Osten zu tun und in Volkenroda eine Art Zweigstelle aufzumachen. Die Gemeinschaft hatte vorher drei Anfragen an Gott gestellt, die ihr zeigen sollten, ob das ihr Weg sei: a) Es sollte eine zweite Gemeinschaft mitkommen, die sie unterstützt, b) das Kloster und die dazugehörigen Gebäude sollten ihnen zu einem symbolischen Preis von etwa 6000 Mark übereignet werden, c) der Gemeinderat von Körner-Volkenroda sollte den Verkauf einstimmig beschließen. – Alle drei Bedingungen wurden erfüllt. Die Gnadenthaler übernahmen die Anlage, und gemeinsam

43  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

mit Köhlers und der Christusbruderschaft Selbitz, die sie die ersten drei Jahre unterstützte, ging der Aufbau weiter. Das Kloster ist auch vor Ort bekannt und geachtet. Einmal im Monat findet ein Bauernmarkt statt, bei dem eigene Produkte angeboten werden. Mehr als tausend Leute kommen da jedes Mal, gucken, kaufen, trinken Kaffee – und helfen dadurch, die Finanzierung des Klosters auf solide Beine zu stellen. Jeder Besucher des Markts bekommt als Eintrittskarte ein Bibelwort. Ihr erstes Gebet vor zwanzig Jahren hat Gott inzwischen überreich erfüllt, denn über Arbeitsmangel kann Ulrike Köhler nicht mehr klagen. Sie wird zwar nur für eine halbe Stelle bezahlt, aber 40 bis 50 Stunden Wochenpensum sind locker drin. Neben der regulären Arbeit geht sie jeden Tag zweimal über den Hof, um nach dem Rechten zu sehen. Und Freitagmittag beginnt nicht der Feierabend, denn gerade samstags und sonntags herrscht oft Hochbetrieb. So wie neulich: Samstagmorgen Frühstück und Abschlussgespräche mit zwei Teilnehmern des »Klosters auf Zeit«. Um elf Uhr seelsorgliches Gespräch mit einem Ehepaar. Nachmittags von vier bis halb sieben Generalprobe für einen Radiogottesdienst mit MDR-Figaro, in dem sie die Liturgie leitete. Am Sonntagmorgen um sieben rief die Küche an, dass Eier fehlten.

Sie lieferte 150 Eier von den Klosterhühnern. Um neun begannen Vorbereitungen für den MDR-Gottesdienst, bis zwölf wurde danach aufgeräumt. Nachmittags von drei bis halb fünf führte sie eine Gruppe über das Gelände. Und am Montag wieder normales Arbeitsleben. Die Nachmittagssonne taucht die Klosteranlage in warmes Licht. Ein Ort, der die Seele aufrichtet. Morgens im kaltgrauen Nebel hatte Ulrike Köhler gesagt: »Wenn die Sonne scheint, ist es hier traumhaft schön.« Ihre Augen leuchten. Sie hat ihre Erfüllung gefunden. Was für ein Symbol, dass dem Christus in der Kirche die zerstörten Arme nicht wieder angeflickt wurden: Seine Arme, das sind die von Ulrike Köhler und dem Kloster-Team.

Mit freundlicher Genehmigung: P&S Magazin für Psychotherapie und Seelsorge 1/2011 Luitgardis Parasie  arbeitet als Pastorin und Systemische Familientherapeutin in Northeim. Zusammen mit ihrem Mann Jost WetterParasie hat sie mehrere Bücher zu Lebenshilfethemen veröffentlicht. Zuletzt erschien: Zum Glück fehlt nur die Krise. Vom Scheitern und von neuen Chancen, Gießen 2009.


Die Einweihung der imposanten Christus-Kirche im August 2001 war eine meiner letzten Amtshandlungen vor meiner Pensio­ nierung. Ich freue mich heute noch, dass ich dieses ökumenische Großereignis am Ende meiner Amtszeit noch erreichen konnte. Es war der Abschluss von jahrelangem Hoffen und Zagen und auch intensiven Betens und vieler Gespräche. Wir hatten in Thüringen nie eine Erweckung, d.h. es gab keine Bewegung, bei der Menschen einzeln oder in Gruppen einfach Bibel lesen und mit dem Ernst machen, was sie beim Lesen und Beten verstehen. Ich gucke heute noch »neidisch« auf die Erweckungsgebiete in Deutschland. Wir in Thüringen waren immer Kirche von oben gewollt, auch geschützt und gefördert. Ja, stabile Gemeinden haben sich auch so entwickelt, aber wir haben bis zum heutigen Tage z.B. keinen Pfarrerjahrgang nur aus Thüringern, und auch das Diakonissenhaus in Eisenach ist bei seiner Gründung durch Henrietten-Schwestern aus Hannover beschickt worden, weil es bei uns zu wenige Berufungen gab.

5 it Herrlichker architektu

So haben unsere Kommuni­täten eine wichtige geistliche Funktion für das Glaubensleben in unserem Land. Ich wollte, wir hätten noch mehr ansiedeln können. Zum Glück hatte mein Vorgänger schon die Bresche für »evangelische Klöster« geschlagen. Drum habe ich die Pläne mit der Umsetzung des Christus-Pavillons von Anfang an begeistert unterstützt, konnte nur zu wenig finanziell beitragen. Ich hätte auch gern für jede Kommunität eine Pfarrstelle gehabt, aber da war der irrige Grundsatz »Einsparung durch Stellenabbau« dagegen. Und jetzt können wir alle auf ein Jahrzehnt gesegneten Wirkens der in Volkenroda arbeitenden Schwestern und Brüder zurücksehen, auch wenn die Entwicklung manchmal atemberaubend war. Mit ihren vollen Programmen haben sie viel zu tun und eine prägende Zukunft vor sich. Halleluja! Roland Hoffmann  Altbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, Mitglied des Stiftungsrates

Die Einweihung der imposanten Christus-Kirche im August 2001 war der Abschluss von jahre­ langem Hoffen und Zagen und auch intensiven Betens und vieler Gespräche.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  44

45  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Die Einweihung der imposanten Christus-Kirche im August 2001 war eine meiner letzten Amtshandlungen vor meiner Pensio­ nierung. Ich freue mich heute noch, dass ich dieses ökumenische Großereignis am Ende meiner Amtszeit noch erreichen konnte. Es war der Abschluss von jahrelangem Hoffen und Zagen und auch intensiven Betens und vieler Gespräche. Wir hatten in Thüringen nie eine Erweckung, d.h. es gab keine Bewegung, bei der Menschen einzeln oder in Gruppen einfach Bibel lesen und mit dem Ernst machen, was sie beim Lesen und Beten verstehen. Ich gucke heute noch »neidisch« auf die Erweckungsgebiete in Deutschland. Wir in Thüringen waren immer Kirche von oben gewollt, auch geschützt und gefördert. Ja, stabile Gemeinden haben sich auch so entwickelt, aber wir haben bis zum heutigen Tage z.B. keinen Pfarrerjahrgang nur aus Thüringern, und auch das Diakonissenhaus in Eisenach ist bei seiner Gründung durch Henrietten-Schwestern aus Hannover beschickt worden, weil es bei uns zu wenige Berufungen gab.

5 it Herrlichker architektu

So haben unsere Kommuni­täten eine wichtige geistliche Funktion für das Glaubensleben in unserem Land. Ich wollte, wir hätten noch mehr ansiedeln können. Zum Glück hatte mein Vorgänger schon die Bresche für »evangelische Klöster« geschlagen. Drum habe ich die Pläne mit der Umsetzung des Christus-Pavillons von Anfang an begeistert unterstützt, konnte nur zu wenig finanziell beitragen. Ich hätte auch gern für jede Kommunität eine Pfarrstelle gehabt, aber da war der irrige Grundsatz »Einsparung durch Stellenabbau« dagegen. Und jetzt können wir alle auf ein Jahrzehnt gesegneten Wirkens der in Volkenroda arbeitenden Schwestern und Brüder zurücksehen, auch wenn die Entwicklung manchmal atemberaubend war. Mit ihren vollen Programmen haben sie viel zu tun und eine prägende Zukunft vor sich. Halleluja! Roland Hoffmann  Altbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, Mitglied des Stiftungsrates

Die Einweihung der imposanten Christus-Kirche im August 2001 war der Abschluss von jahre­ langem Hoffen und Zagen und auch intensiven Betens und vieler Gespräche.

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45  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Der Christus-Pavillon: Sinnstiftende Architektur als Ruheplatz für die Seele Grußwort des Architekten zur Wiedereröffnung des Christus-Pavillons in Volkenroda am 18. August 2001 von Meinhard von Gerkan Der Bau einer Kirche ist zu einer seltenen Bauaufgabe geworden – eine Kirche auf einer Weltausstellung allemal. Wenn diese Kirche sodann auch noch von dem Rummelplatz der Weltereignisse in die stille Abgeschiedenheit des Klosters Volkenroda wandert, handelt es sich um eine einmalige Begebenheit. Als die Kirchen fünf Architekten Ende 1997 zu einem Wettbe­werb einluden, stand die Frage der gestalterischen Manifestation der Weltausstellung in Hannover im Mittelpunkt. Das Geld, das den Kirchen für die Realisierung zur Verfügung stand, reichte nicht annähernd, weswegen man auf das Sponsoring vornehmlich der Stahl- und Glasindustrie rechnete. Damit wurde es fast automatisch zur Pflicht für die Architekten, vorwiegend diese Baustoffe, nämlich Stahl und Glas einzusetzen. Klar war auch, dass der Bau keine Wegwerfarchitektur sein durfte. Vielmehr sollte die Konzeption so beschaffen sein, dass sie demontiert und zu diesem Ort, Volkenroda, transportiert werden kann, und in modifizierter Form wieder errichtet wird. Daraus leitete sich für uns die Konsequenz ab, ein modular gefügtes System zu entwickeln, das, einem Stabilbaukasten ähnlich, zerlegt und in veränderter Form wieder zusammengebaut werden sollte. Für uns stand außer Frage, dass sich die christliche Religion und ihre beiden Kirchen nur durch diejenige Semantik auf einer Weltausstellung präsentieren durften, die über Jahrhunderte symbolische Zeichenfunktion wahrgenommen hatte. Allein die Tatsache, dass der Begriff »Kirche« gleichermaßen für Bauten wie religiöse Institutionen selbst verwandt wird, belegt die zwingende Verpflichtung, dies im Fokus baulicher Gestaltungsabsicht zu sehen. Nur die Eigenschaften eines Kirchenbaus vermochten der Absicht zu dienen, einen Ort der Besinnung und damit ein kontemplatives Gegenstück zum Jahrmarkt der Eitelkeiten zu realisieren. Wir waren der festen Überzeugung, dass es der einzig richtige Weg sei, wenn sich die Kirchen nicht der gleichen Mittel von Unterhaltung, Sinntäuschung, Reizüberflutung und technizistischer Betäubung bedienten wie nahezu alle anderen

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Veranstalter und Repräsentanten auf der Welt­ausstellung. In jeder Hinsicht eigentlich das Gegenteil schien uns angemessen. Im übrigen hatte ich mir schon immer gewünscht, eine Kirche bauen zu dürfen, gerade deswegen, weil diese Bauaufgabe so unzeitgemäß erscheint, sich selbst neu definieren muss, und weil sie fast grundlegend anderen Bedingungen unterworfen ist als die meisten anderen Aufgaben. Hier geht es nicht darum, aus einer baulichen Investition ökonomischen Nutzen im Sinne einer Rendite zu erzielen. Vielmehr geht es darum, einen seelischen Gewinn zu erzeugen und gebaute Sinnhaftigkeit zu manifestieren als eine Gegen­ position zu der nahezu vollends auf den Markt bezogene Formel unserer Gesellschaft: »Es muss sich rechnen«. Uns war klar, dass wir keine Kirche im traditionellen Sinn entwerfen konnten, und hierin lag die besondere Herausforderung. Seinen Sakralcharakter sollte der Bau nicht leugnen, im Gegenteil diesen anstelle durch mystische Düsternis oder steinerne Wuchtigkeit durch lichte Helligkeit sowie strukturelle Filigranität offenbaren. Bei Sakralbauten steht die semantische Dimension im Mittelpunkt der architek­ tonischen Konzeption. Auch wenn ein Sakralbau Funktionen zu erfüllen hat, muss er vor allem selbst die Mission leisten, gebautes Zeichen für das inhaltliche Anliegen zu sein.Aus diesen Bedingungen entstand eine Architektur, die sich zunächst darauf beschränkt, das konstruktive Gefüge eines modularen, demontier- und wieder zusammensetzbaren Systems mit seinen präzisen Details zu zeigen. Strukturell einfach und sinnfällig, reduziert auf wenige Materialien, unverwechselbar in der Anmutung und Raumstimmung. Die sehr zurückhaltenden und einfachen Materialien sind: Stahl, Sichtbeton, Glas und Marmor. Der Christusraum – also die Kirche – ist mit Licht inszeniert, in der Mitte fällt an den Säulenköpfen Licht ein, das als Streiflicht die schlanken Säulen vertikal betont. Die umhüllende Fläche ist einschalig ausgebildet – Glastafeln im Verbund mit dünn geschnittenem, kristallinen Marmor von der griechischen Insel Naxos –, deren lebendige Transluzenz die Raumstimmung beeinflusst. Auf diese Weise ist der Raum trotz intensiver Lichtstimmung kontemplativ introvertiert.


Der Christus-Pavillon: Sinnstiftende Architektur als Ruheplatz für die Seele Grußwort des Architekten zur Wiedereröffnung des Christus-Pavillons in Volkenroda am 18. August 2001 von Meinhard von Gerkan Der Bau einer Kirche ist zu einer seltenen Bauaufgabe geworden – eine Kirche auf einer Weltausstellung allemal. Wenn diese Kirche sodann auch noch von dem Rummelplatz der Weltereignisse in die stille Abgeschiedenheit des Klosters Volkenroda wandert, handelt es sich um eine einmalige Begebenheit. Als die Kirchen fünf Architekten Ende 1997 zu einem Wettbe­werb einluden, stand die Frage der gestalterischen Manifestation der Weltausstellung in Hannover im Mittelpunkt. Das Geld, das den Kirchen für die Realisierung zur Verfügung stand, reichte nicht annähernd, weswegen man auf das Sponsoring vornehmlich der Stahl- und Glasindustrie rechnete. Damit wurde es fast automatisch zur Pflicht für die Architekten, vorwiegend diese Baustoffe, nämlich Stahl und Glas einzusetzen. Klar war auch, dass der Bau keine Wegwerfarchitektur sein durfte. Vielmehr sollte die Konzeption so beschaffen sein, dass sie demontiert und zu diesem Ort, Volkenroda, transportiert werden kann, und in modifizierter Form wieder errichtet wird. Daraus leitete sich für uns die Konsequenz ab, ein modular gefügtes System zu entwickeln, das, einem Stabilbaukasten ähnlich, zerlegt und in veränderter Form wieder zusammengebaut werden sollte. Für uns stand außer Frage, dass sich die christliche Religion und ihre beiden Kirchen nur durch diejenige Semantik auf einer Weltausstellung präsentieren durften, die über Jahrhunderte symbolische Zeichenfunktion wahrgenommen hatte. Allein die Tatsache, dass der Begriff »Kirche« gleichermaßen für Bauten wie religiöse Institutionen selbst verwandt wird, belegt die zwingende Verpflichtung, dies im Fokus baulicher Gestaltungsabsicht zu sehen. Nur die Eigenschaften eines Kirchenbaus vermochten der Absicht zu dienen, einen Ort der Besinnung und damit ein kontemplatives Gegenstück zum Jahrmarkt der Eitelkeiten zu realisieren. Wir waren der festen Überzeugung, dass es der einzig richtige Weg sei, wenn sich die Kirchen nicht der gleichen Mittel von Unterhaltung, Sinntäuschung, Reizüberflutung und technizistischer Betäubung bedienten wie nahezu alle anderen

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Veranstalter und Repräsentanten auf der Welt­ausstellung. In jeder Hinsicht eigentlich das Gegenteil schien uns angemessen. Im übrigen hatte ich mir schon immer gewünscht, eine Kirche bauen zu dürfen, gerade deswegen, weil diese Bauaufgabe so unzeitgemäß erscheint, sich selbst neu definieren muss, und weil sie fast grundlegend anderen Bedingungen unterworfen ist als die meisten anderen Aufgaben. Hier geht es nicht darum, aus einer baulichen Investition ökonomischen Nutzen im Sinne einer Rendite zu erzielen. Vielmehr geht es darum, einen seelischen Gewinn zu erzeugen und gebaute Sinnhaftigkeit zu manifestieren als eine Gegen­ position zu der nahezu vollends auf den Markt bezogene Formel unserer Gesellschaft: »Es muss sich rechnen«. Uns war klar, dass wir keine Kirche im traditionellen Sinn entwerfen konnten, und hierin lag die besondere Herausforderung. Seinen Sakralcharakter sollte der Bau nicht leugnen, im Gegenteil diesen anstelle durch mystische Düsternis oder steinerne Wuchtigkeit durch lichte Helligkeit sowie strukturelle Filigranität offenbaren. Bei Sakralbauten steht die semantische Dimension im Mittelpunkt der architek­ tonischen Konzeption. Auch wenn ein Sakralbau Funktionen zu erfüllen hat, muss er vor allem selbst die Mission leisten, gebautes Zeichen für das inhaltliche Anliegen zu sein.Aus diesen Bedingungen entstand eine Architektur, die sich zunächst darauf beschränkt, das konstruktive Gefüge eines modularen, demontier- und wieder zusammensetzbaren Systems mit seinen präzisen Details zu zeigen. Strukturell einfach und sinnfällig, reduziert auf wenige Materialien, unverwechselbar in der Anmutung und Raumstimmung. Die sehr zurückhaltenden und einfachen Materialien sind: Stahl, Sichtbeton, Glas und Marmor. Der Christusraum – also die Kirche – ist mit Licht inszeniert, in der Mitte fällt an den Säulenköpfen Licht ein, das als Streiflicht die schlanken Säulen vertikal betont. Die umhüllende Fläche ist einschalig ausgebildet – Glastafeln im Verbund mit dünn geschnittenem, kristallinen Marmor von der griechischen Insel Naxos –, deren lebendige Transluzenz die Raumstimmung beeinflusst. Auf diese Weise ist der Raum trotz intensiver Lichtstimmung kontemplativ introvertiert.


Die Idee, einen Kreuzgang als umfassende Bauhülle zu schaffen, erwuchs aus der Absicht, das Bauwerk später zur Klosteranlage in Volkenroda umzusetzen. Dieser umlaufende Kreuzgang hat eine geschlossene Decke und ist nach außen ebenfalls mit einer zweischaligen Glasfassade versehen, die als Zwischenräume großformatige Glasvitrinen bildet. Sie sind mit Materialien verschiedenster Herkunft gefüllt: aus der Natur mit Kohle, Binsen, Bambus, Holzscheiben, Mohnkapseln, Federn usw. Aus der Technik mit Zahnrädern, Seesieben, Schläuchen, Feuerzeugen, Einwegspritzen. In Abhängigkeit von der jeweiligen Füllung sind die Wände mehr oder weniger transparent; so ist die Lichtstimmung entlang des Kreuzgangs modifiziert und unterschiedlich dramatisiert. Der Werkstoff Stahl hat uns zu vielen neuen Ideen inspiriert; der Werkstoff sollte in seiner natürlichsten Mentalität gezeigt werden: Walzprofile, Walzbleche und gekantete Stahlbleche, deren Oberflächen aus Korro­sionsgründen mit Eisenglimmerfarben beschichtet. Ein umlaufender, den Vorplatz umfassenden »Kreuzgang« von 3,40 m Breite und 6,80 m Höhe umgrenzt den Gesamtkomplex und dient zugleich als Wandelhalle. Große Drehtore markieren den Zugang von außen. Den durch das Licht und durch das Betonen der Vertikalen feierlich und würdevoll akzentuierten Christusraum mit einer Fläche von 24 x 24 m und einer Raumhöhe von 18 m betritt der Besucher unmittelbar vom Freiraum, er hat aber zugleich mehrfache Verbindung zum umlaufenden »Kreuzgang«. Im Übergang zwischen dem großen Christusraum und dem Kreuzgang sind auf je 3,40 x 3,40 m Grundfläche und 3,40 m Höhe räumliche Kabinette angeordnet. Den elementierten Systemen des Kreuzgangs und der Kirchenraumfassade liegt ein räumliches Rastermaß zugrunde, welches einem Großwürfel mit einer Kantenlänge von 3,40 m entspricht.

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Die Idee, einen Kreuzgang als umfassende Bauhülle zu schaffen, erwuchs aus der Absicht, das Bauwerk später zur Klosteranlage in Volkenroda umzusetzen. Dieser umlaufende Kreuzgang hat eine geschlossene Decke und ist nach außen ebenfalls mit einer zweischaligen Glasfassade versehen, die als Zwischenräume großformatige Glasvitrinen bildet. Sie sind mit Materialien verschiedenster Herkunft gefüllt: aus der Natur mit Kohle, Binsen, Bambus, Holzscheiben, Mohnkapseln, Federn usw. Aus der Technik mit Zahnrädern, Seesieben, Schläuchen, Feuerzeugen, Einwegspritzen. In Abhängigkeit von der jeweiligen Füllung sind die Wände mehr oder weniger transparent; so ist die Lichtstimmung entlang des Kreuzgangs modifiziert und unterschiedlich dramatisiert. Der Werkstoff Stahl hat uns zu vielen neuen Ideen inspiriert; der Werkstoff sollte in seiner natürlichsten Mentalität gezeigt werden: Walzprofile, Walzbleche und gekantete Stahlbleche, deren Oberflächen aus Korro­sionsgründen mit Eisenglimmerfarben beschichtet. Ein umlaufender, den Vorplatz umfassenden »Kreuzgang« von 3,40 m Breite und 6,80 m Höhe umgrenzt den Gesamtkomplex und dient zugleich als Wandelhalle. Große Drehtore markieren den Zugang von außen. Den durch das Licht und durch das Betonen der Vertikalen feierlich und würdevoll akzentuierten Christusraum mit einer Fläche von 24 x 24 m und einer Raumhöhe von 18 m betritt der Besucher unmittelbar vom Freiraum, er hat aber zugleich mehrfache Verbindung zum umlaufenden »Kreuzgang«. Im Übergang zwischen dem großen Christusraum und dem Kreuzgang sind auf je 3,40 x 3,40 m Grundfläche und 3,40 m Höhe räumliche Kabinette angeordnet. Den elementierten Systemen des Kreuzgangs und der Kirchenraumfassade liegt ein räumliches Rastermaß zugrunde, welches einem Großwürfel mit einer Kantenlänge von 3,40 m entspricht.

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Bei der Kirchenraumfassade handelt es sich um ein Pfostenriegelsystem. Es ist nur gesteckt und verschraubt und somit einfach montierbar und demontierbar. Der gesamte Baukomplex mit Ausnahme der Krypta, der Kolonnade und des Wasser­ grabens wurde nach der EXPO zerlegt und in gleicher Führung in der Klosteranlage Volkenroda neu zusammengebaut. Hier betreibt die Jesus-Bruderschaft den Wieder­ aufbau der ältesten in Deutschland erhaltenen Zisterzienserklosteranlage. Die Idee, den Kirchenraum mit einer fast fugen­losen Marmorschale zu umhüllen, stieß auf heftige Bedenken. Die Besucher und die Öffentlichkeit würden es nicht verstehen, warum sich Kirche so protzig gäbe. Dabei ist mit Marmor beschichtetes Glas nicht teurer als die heute übliche Methode, Glas mit Mustern zu bedrucken. Es hat jedoch eine

ungleich wirksamere Ausdruckskraft durch seine natürliche Zeichnung, seine vielfältige Licht­modulation und die dadurch hervorgerufenen Raumstimmungen. Gerade die Kombination eines natürlichen und verhaltenen variationsreichen Materials mit einer innovativ-fortschrittlichen Konstruktion, bei der die Scheiben nur punktförmig gehalten und mit elastischen Fugen versehen werden, repräsentiert die beabsichtigte Synthese aus der Tradition historischer Kirchenfenster und technisch fortschrittlicher Baumethode der Gegenwart. Die Idee, die Scheibenfenster des Kreuzgangs mit Materialien aus Natur und Technik zu bestücken, stieß zunächst auf Bedenken. »Zu profan, zu vordergründig, zu frech oder zu belehrend, zu aufdringlich und zu effekt­heischend«, waren die Einwände.

Aber gerade mit dieser konzeptionellen Idee wollte der Entwurf in seinem ganzheitlichen Anspruch den Kirchenbau von heute neu interpretieren. Die Idee der Scheibenfüllung besteht vielmehr darin, eine neue Wahrnehmung des Alltags zu befördern. Diese Wahrnehmung bezieht sich zum einen auf die Bewusstmachung, von wie vielen verschiedenen Materialien und Werkstoffen unser heutiges Leben abhängig ist und in welcher Massenhaftigkeit sie von uns verbraucht werden. Diese Wahrnehmung soll kritische Reflexion zu unserem Umgang mit Natur und Technik auslösen. Sie soll aber zudem etwas anderes, sogar sehr Über­ raschendes bewirken: die ästhetische Qualität registrieren, die selbst den einfachsten Produkten und Stoffen innewohnt, sei es Salz, Kohle, seien es Schottersteine oder Holzspäne. Die Präsentation erfolgt auf eine

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  50

völlig unspektakuläre Weise ohne Belehrung oder Provokation. Sie ist ebenso wenig geschmäcklerisch gefällig, eher befremdlich. Kurzum, sie löst Fragen aus nach dem Warum und Wieso, nach dem Sinn. Damit ist diese Idee konzeptioneller Teil des Ganzen der Christuskirche. Die Christuskirche ist in leichter Modi­ fikation mit den Originalteilen erneut auferstanden. Die Kolonnade von Hannover sowie der gläserne Kreuzturm sind nicht mitgewandert. Das Wasser in Hannover als Trennung zwischen Plaza und Vorhof ist zu einem spiegelnd ruhenden Pool im Fokus des Bauensembles mutiert. Sehr bedauere ich die Tatsache, dass die Krypta vom Standort Hannover nicht mitwandern konnte. Sie lag im Untergeschoss, polygonal in Beton geformt, als Ort der Stille, den Charakter des

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Oberbaus stark kontrastierend. Die Kabinette haben gegenüber Hannover, wo ihrer Ausgestaltung eine didaktische Rolle zukam, durch den ortsverbundenen Künstler Andreas Felger eine interessante Neuinterpretation erfahren. Auch dieser Akt ist eine Adaption an den neuen Ort. Im Namen meiner Mitstreiter, aber vor allem im Namen von Joachim Zais, möchte ich meiner tiefen Dankbarkeit Ausdruck verleihen, dass wir dieses große Bauwerk mitgestalten und erleben durften.

Prof. Dr. h.c. mult. Dipl.-Ing.  Meinhard von Gerkan


Bei der Kirchenraumfassade handelt es sich um ein Pfostenriegelsystem. Es ist nur gesteckt und verschraubt und somit einfach montierbar und demontierbar. Der gesamte Baukomplex mit Ausnahme der Krypta, der Kolonnade und des Wasser­ grabens wurde nach der EXPO zerlegt und in gleicher Führung in der Klosteranlage Volkenroda neu zusammengebaut. Hier betreibt die Jesus-Bruderschaft den Wieder­ aufbau der ältesten in Deutschland erhaltenen Zisterzienserklosteranlage. Die Idee, den Kirchenraum mit einer fast fugen­losen Marmorschale zu umhüllen, stieß auf heftige Bedenken. Die Besucher und die Öffentlichkeit würden es nicht verstehen, warum sich Kirche so protzig gäbe. Dabei ist mit Marmor beschichtetes Glas nicht teurer als die heute übliche Methode, Glas mit Mustern zu bedrucken. Es hat jedoch eine

ungleich wirksamere Ausdruckskraft durch seine natürliche Zeichnung, seine vielfältige Licht­modulation und die dadurch hervorgerufenen Raumstimmungen. Gerade die Kombination eines natürlichen und verhaltenen variationsreichen Materials mit einer innovativ-fortschrittlichen Konstruktion, bei der die Scheiben nur punktförmig gehalten und mit elastischen Fugen versehen werden, repräsentiert die beabsichtigte Synthese aus der Tradition historischer Kirchenfenster und technisch fortschrittlicher Baumethode der Gegenwart. Die Idee, die Scheibenfenster des Kreuzgangs mit Materialien aus Natur und Technik zu bestücken, stieß zunächst auf Bedenken. »Zu profan, zu vordergründig, zu frech oder zu belehrend, zu aufdringlich und zu effekt­heischend«, waren die Einwände.

Aber gerade mit dieser konzeptionellen Idee wollte der Entwurf in seinem ganzheitlichen Anspruch den Kirchenbau von heute neu interpretieren. Die Idee der Scheibenfüllung besteht vielmehr darin, eine neue Wahrnehmung des Alltags zu befördern. Diese Wahrnehmung bezieht sich zum einen auf die Bewusstmachung, von wie vielen verschiedenen Materialien und Werkstoffen unser heutiges Leben abhängig ist und in welcher Massenhaftigkeit sie von uns verbraucht werden. Diese Wahrnehmung soll kritische Reflexion zu unserem Umgang mit Natur und Technik auslösen. Sie soll aber zudem etwas anderes, sogar sehr Über­ raschendes bewirken: die ästhetische Qualität registrieren, die selbst den einfachsten Produkten und Stoffen innewohnt, sei es Salz, Kohle, seien es Schottersteine oder Holzspäne. Die Präsentation erfolgt auf eine

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völlig unspektakuläre Weise ohne Belehrung oder Provokation. Sie ist ebenso wenig geschmäcklerisch gefällig, eher befremdlich. Kurzum, sie löst Fragen aus nach dem Warum und Wieso, nach dem Sinn. Damit ist diese Idee konzeptioneller Teil des Ganzen der Christuskirche. Die Christuskirche ist in leichter Modi­ fikation mit den Originalteilen erneut auferstanden. Die Kolonnade von Hannover sowie der gläserne Kreuzturm sind nicht mitgewandert. Das Wasser in Hannover als Trennung zwischen Plaza und Vorhof ist zu einem spiegelnd ruhenden Pool im Fokus des Bauensembles mutiert. Sehr bedauere ich die Tatsache, dass die Krypta vom Standort Hannover nicht mitwandern konnte. Sie lag im Untergeschoss, polygonal in Beton geformt, als Ort der Stille, den Charakter des

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Oberbaus stark kontrastierend. Die Kabinette haben gegenüber Hannover, wo ihrer Ausgestaltung eine didaktische Rolle zukam, durch den ortsverbundenen Künstler Andreas Felger eine interessante Neuinterpretation erfahren. Auch dieser Akt ist eine Adaption an den neuen Ort. Im Namen meiner Mitstreiter, aber vor allem im Namen von Joachim Zais, möchte ich meiner tiefen Dankbarkeit Ausdruck verleihen, dass wir dieses große Bauwerk mitgestalten und erleben durften.

Prof. Dr. h.c. mult. Dipl.-Ing.  Meinhard von Gerkan


Laudatio für Meinhard von Gerkan Zur Verleihung des Fritz-Schumacher-Preises für Architektur für das Jahr 2000 von Manfred Schomers

Die Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. Hamburg hat die Fritz-Schumacher-Preise geschaffen, um hervorragende Leistungen auf den Gebieten Städtebau und Landesplanung, Baukunst, konstruktiver Ingenieurbau, Baugeschichte, Landschaftsplanung und Gartenkunst sowie Stadtökologie und Stadtsoziologie auszuzeichnen. Die Ehrung gilt dem Architekten, der mit dem Bau des Christus-Pavillons auf der EXPO 2000 eine außergewöhnliche Architektur geschaffen hat, die dem Thema der Weltausstellung in besonders eindrucksvoller Weise gerecht wird. Die Ehrung gilt gleichzeitig dem Architekten, der über Jahrzehnte die Architekturentwicklung immer wieder durch Aufsehen erregende Entwürfe und Bauten nachhaltig geprägt hat. Nicht zuletzt gilt die Ehrung dem Hochschullehrer für die Weitergabe seiner Qualitätsansprüche an die Studierenden.

Sehr geehrte Frau Toepfer, sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit Meinhard von Gerkan ehren wir eine Architektenpersönlichkeit, der wir in den zurückliegenden Jahrzehnten schon oft den Fritz-Schumacher-Preis hätten verlei-

hen können, so umfangreich ist sein Werk Aufsehen erregender, herausragender Bauten. Man könnte zu Recht fragen, warum wir uns nicht schon früher haben entschließen können. Meist nehmen wir ein Gebäude zum Anlass und ehren, wenn möglich, auch den einzelnen Architekten. So haben wir 1996 den Partner Meinhard von Gerkans, Volkwin Marg, für den Bau der Leipziger Messe ausgezeichnet. Schon damals hatte der Kollege Ebert, der die Laudatio gehalten hat, darauf hingewiesen, dass das Lebenswerk des Preisträgers nicht von dem seines Partners zu trennen ist. Beide haben in Braunschweig 1964 diplomiert und 1965 das gemeinsame Architekturbüro – heute mit dem Nameskürzel gmp bekannt – gegründet und seither sich in ihren Arbeiten gegenseitig befruchtet, bei denen jeder der beiden immer wieder mit eigenen Schwerpunkten hervorgetreten ist. Dennoch ist es mir lange nicht gelungen – auf Anhieb und mit Treffsicherheit –, die Arbeit des einen von der des anderen zu unterscheiden. Erst in letzter Zeit ist mir das möglich: Seit Meinhard von Gerkan in seinen wirklich bewundernswerten Publikationen über die Architekten gmp den Entwurfsverfasser und die Partner benennt, fällt

Neviges: wegen der Atmosphäre, wegen der Räume und Raumfolge, wegen des Lichts und der Lichtstimmung.

Deshalb beeindruckt mich an den Architekten gmp am stärksten, dass sie meist nur wie mit einer Handschrift arbeiten und so eine einheitliche Architektursprache entsteht. Und das bei 200 Mitarbeitern und 9 Partnern, Büros in Hamburg (als Stammsitz), Braunschweig und Aachen (Ort der Lehre) und Berlin (traditionell seit ihrem ersten Wettbewerbsgewinn, Flughafen Tegel), und das bei einer Projektpalette, mit der gesamten Nutzungstypologie und Größenordnung. In den Mittelpunkt stellen möchte ich heute ein – für die Architekten gmp – eher kleines Gebäude, aber ein umso bemerkenswerteres Schmuckstück: den Christus-Pavillon der EXPO 2000 in Hannover, für die gemeinsame EXPO-Präsentation der evangelischen und katholischen Kirche entworfen, 1997 als 1. Preis nach einem Wettbewerb prämiert.

für den Christus-Pavillon der EXPO Hanno­ ver statt. Ich hatte damals den Vorsitz im Preisgericht. Als Preisrichter betrachtet man sehr kritisch das seinerzeit ausgewählte und inzwischen verwirklichte Projekt. Man fragt sich, ob die Entscheidung richtig war und das gegebene Versprechen des Architekten den Bauherren gegenüber eingelöst wurde. Erst vor wenigen Tagen hatte ich Gelegenheit, das Ergebnis – und ich muss es neidlos sagen – zu bewundern. Auf der Plaza standen wir unerwartet einem Bau gegenüber, der durch seine noble Zurückhaltung einen Ort erhöht und daher besondere Erwähnung verdient. Hier gilt das Wort Adornos, dass wir das ›Einfache suchen, nicht das Banale, dass wir das Gewöhnliche lieben, nicht das Übliche. Wir wählen das Besondere, nicht das Originelle. Wir freuen uns am Aktuellen, nicht am Modischen. Wir schätzen das Erdachte‹. Nur wenige Pavillons der EXPO können das für sich in Anspruch nehmen.« Dem kann ich mich nur anschließen.

Prof. Karljosef Schattner – fast ein Leben lang Diözesanbaumeister in Eichstädt – hält im Baumeister dem Chefredakteur Wolfgang Bachmann nach dessen »alberner Glosse« (so Schattner) entgegen: »Vor drei Jahren fand ein Plangutachten unter fünf Architekten

Nur wenige moderne Kirchen haben mich berührt, ergriffen. Seit dem Studium von Le Corbusiers Ronchamps und dem Kloster in La Tourette, und natürlich mit einer besonderen Beziehung, da ich in Aachen studiert habe, Gottfrieds Böhms Wallfahrtskirche in

Von Gerkan ist eine überraschende Sym­ biose gelungen, Sakralräume, Klosteranlage und Pavillonerfordernisse auf eine bestechend moderne Weise mit Stahl und Glas mit künstlerischer Sinnlichkeit zu verbinden. Es ist eine wirklich erstaunliche und unge-

es mir leichter; ehrlicherweise meist erst im Nachhinein, nachdem ich den Namen gelesen habe.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  52

53  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Natürlich gibt es noch eine moderne Kirche, in die ich fast jedesmal, wenn ich in Berlin bin, hineingehe und nach dem Lärm und Menschentrubel des Kurfüstendamms eintauche in einen Ort der Ruhe, der Besinnlich­keit, einen Ort mit fast kontem­ plativer Atmosphäre: Egon Eiermanns Kaiser-Wilhelm-­Gedächtniskirche von 1959 in Berlin. In Hannover ist – leider nur für einen sehr beschränkten Zeitraum – eine moderne Kirche dazugekommen: Meinhard von Gerkans »Christus-Pavillon«, der ein besonderes Ziel der EXPO, die Nachnutz­ barkeit bzw. die Wiederverwendbarkeit, auf die sinnfälligste Weise trifft. Der Pavillon ist so angelegt und konstruiert, dass er mit nur geringen Modifikationen im thüringischen Volkenroda als Klosterergänzung für die Zisterzienser wieder aufgebaut werden kann.

wöhnliche Idee, ein kirchliches Gebäude mit einem Kreuzgang ganz in Stahl und Glas zu konzipieren. Im Nachhinein: wie gut, dass die Stahl- und Glasindustrie als Sponsor schon bei der Wettbewerbs­ausschreibung feststand. Trotz der eher labilen Materialien Stahl und Glas taucht man aus dem »Meer der Eitelkeiten« der umgebenden Ausstellungspavillons in ein Haus der Ruhe ein. Wege und Raumfolgen, Material und Licht werden inszenatorisch eingesetzt. Das »kontemplative Gegenstück«, wie es von Gerkan schon vor der Fertigstellung nannte, ist ein offener Ort für alle geworden, die Besinnung suchen. Das Licht fällt über den Säulenköpfen direkt und indirekt durch die Alabasterwände und wird im Kreuzgang durch eingelegte Naturund Technikgegenstände gefiltert. Besonders bei Sonnenschein wird trotz der Intensität des Lichtes Besinnlichkeit erzeugt – aber auch Anmut und Feierlichkeit; Feierlichkeit insbesondere dann, wenn Menschen in dem Raum Gottesdienst feiern. Häufig habe ich beobachtet, wie fasziniert Menschen im Kreuzgang das raffinierte Lichtspiel zwischen den »Ausstellungsobjekten« der Vitrinen verfolgten, hervorgerufen von den


Laudatio für Meinhard von Gerkan Zur Verleihung des Fritz-Schumacher-Preises für Architektur für das Jahr 2000 von Manfred Schomers

Die Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. Hamburg hat die Fritz-Schumacher-Preise geschaffen, um hervorragende Leistungen auf den Gebieten Städtebau und Landesplanung, Baukunst, konstruktiver Ingenieurbau, Baugeschichte, Landschaftsplanung und Gartenkunst sowie Stadtökologie und Stadtsoziologie auszuzeichnen. Die Ehrung gilt dem Architekten, der mit dem Bau des Christus-Pavillons auf der EXPO 2000 eine außergewöhnliche Architektur geschaffen hat, die dem Thema der Weltausstellung in besonders eindrucksvoller Weise gerecht wird. Die Ehrung gilt gleichzeitig dem Architekten, der über Jahrzehnte die Architekturentwicklung immer wieder durch Aufsehen erregende Entwürfe und Bauten nachhaltig geprägt hat. Nicht zuletzt gilt die Ehrung dem Hochschullehrer für die Weitergabe seiner Qualitätsansprüche an die Studierenden.

Sehr geehrte Frau Toepfer, sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit Meinhard von Gerkan ehren wir eine Architektenpersönlichkeit, der wir in den zurückliegenden Jahrzehnten schon oft den Fritz-Schumacher-Preis hätten verlei-

hen können, so umfangreich ist sein Werk Aufsehen erregender, herausragender Bauten. Man könnte zu Recht fragen, warum wir uns nicht schon früher haben entschließen können. Meist nehmen wir ein Gebäude zum Anlass und ehren, wenn möglich, auch den einzelnen Architekten. So haben wir 1996 den Partner Meinhard von Gerkans, Volkwin Marg, für den Bau der Leipziger Messe ausgezeichnet. Schon damals hatte der Kollege Ebert, der die Laudatio gehalten hat, darauf hingewiesen, dass das Lebenswerk des Preisträgers nicht von dem seines Partners zu trennen ist. Beide haben in Braunschweig 1964 diplomiert und 1965 das gemeinsame Architekturbüro – heute mit dem Nameskürzel gmp bekannt – gegründet und seither sich in ihren Arbeiten gegenseitig befruchtet, bei denen jeder der beiden immer wieder mit eigenen Schwerpunkten hervorgetreten ist. Dennoch ist es mir lange nicht gelungen – auf Anhieb und mit Treffsicherheit –, die Arbeit des einen von der des anderen zu unterscheiden. Erst in letzter Zeit ist mir das möglich: Seit Meinhard von Gerkan in seinen wirklich bewundernswerten Publikationen über die Architekten gmp den Entwurfsverfasser und die Partner benennt, fällt

Neviges: wegen der Atmosphäre, wegen der Räume und Raumfolge, wegen des Lichts und der Lichtstimmung.

Deshalb beeindruckt mich an den Architekten gmp am stärksten, dass sie meist nur wie mit einer Handschrift arbeiten und so eine einheitliche Architektursprache entsteht. Und das bei 200 Mitarbeitern und 9 Partnern, Büros in Hamburg (als Stammsitz), Braunschweig und Aachen (Ort der Lehre) und Berlin (traditionell seit ihrem ersten Wettbewerbsgewinn, Flughafen Tegel), und das bei einer Projektpalette, mit der gesamten Nutzungstypologie und Größenordnung. In den Mittelpunkt stellen möchte ich heute ein – für die Architekten gmp – eher kleines Gebäude, aber ein umso bemerkenswerteres Schmuckstück: den Christus-Pavillon der EXPO 2000 in Hannover, für die gemeinsame EXPO-Präsentation der evangelischen und katholischen Kirche entworfen, 1997 als 1. Preis nach einem Wettbewerb prämiert.

für den Christus-Pavillon der EXPO Hanno­ ver statt. Ich hatte damals den Vorsitz im Preisgericht. Als Preisrichter betrachtet man sehr kritisch das seinerzeit ausgewählte und inzwischen verwirklichte Projekt. Man fragt sich, ob die Entscheidung richtig war und das gegebene Versprechen des Architekten den Bauherren gegenüber eingelöst wurde. Erst vor wenigen Tagen hatte ich Gelegenheit, das Ergebnis – und ich muss es neidlos sagen – zu bewundern. Auf der Plaza standen wir unerwartet einem Bau gegenüber, der durch seine noble Zurückhaltung einen Ort erhöht und daher besondere Erwähnung verdient. Hier gilt das Wort Adornos, dass wir das ›Einfache suchen, nicht das Banale, dass wir das Gewöhnliche lieben, nicht das Übliche. Wir wählen das Besondere, nicht das Originelle. Wir freuen uns am Aktuellen, nicht am Modischen. Wir schätzen das Erdachte‹. Nur wenige Pavillons der EXPO können das für sich in Anspruch nehmen.« Dem kann ich mich nur anschließen.

Prof. Karljosef Schattner – fast ein Leben lang Diözesanbaumeister in Eichstädt – hält im Baumeister dem Chefredakteur Wolfgang Bachmann nach dessen »alberner Glosse« (so Schattner) entgegen: »Vor drei Jahren fand ein Plangutachten unter fünf Architekten

Nur wenige moderne Kirchen haben mich berührt, ergriffen. Seit dem Studium von Le Corbusiers Ronchamps und dem Kloster in La Tourette, und natürlich mit einer besonderen Beziehung, da ich in Aachen studiert habe, Gottfrieds Böhms Wallfahrtskirche in

Von Gerkan ist eine überraschende Sym­ biose gelungen, Sakralräume, Klosteranlage und Pavillonerfordernisse auf eine bestechend moderne Weise mit Stahl und Glas mit künstlerischer Sinnlichkeit zu verbinden. Es ist eine wirklich erstaunliche und unge-

es mir leichter; ehrlicherweise meist erst im Nachhinein, nachdem ich den Namen gelesen habe.

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Natürlich gibt es noch eine moderne Kirche, in die ich fast jedesmal, wenn ich in Berlin bin, hineingehe und nach dem Lärm und Menschentrubel des Kurfüstendamms eintauche in einen Ort der Ruhe, der Besinnlich­keit, einen Ort mit fast kontem­ plativer Atmosphäre: Egon Eiermanns Kaiser-Wilhelm-­Gedächtniskirche von 1959 in Berlin. In Hannover ist – leider nur für einen sehr beschränkten Zeitraum – eine moderne Kirche dazugekommen: Meinhard von Gerkans »Christus-Pavillon«, der ein besonderes Ziel der EXPO, die Nachnutz­ barkeit bzw. die Wiederverwendbarkeit, auf die sinnfälligste Weise trifft. Der Pavillon ist so angelegt und konstruiert, dass er mit nur geringen Modifikationen im thüringischen Volkenroda als Klosterergänzung für die Zisterzienser wieder aufgebaut werden kann.

wöhnliche Idee, ein kirchliches Gebäude mit einem Kreuzgang ganz in Stahl und Glas zu konzipieren. Im Nachhinein: wie gut, dass die Stahl- und Glasindustrie als Sponsor schon bei der Wettbewerbs­ausschreibung feststand. Trotz der eher labilen Materialien Stahl und Glas taucht man aus dem »Meer der Eitelkeiten« der umgebenden Ausstellungspavillons in ein Haus der Ruhe ein. Wege und Raumfolgen, Material und Licht werden inszenatorisch eingesetzt. Das »kontemplative Gegenstück«, wie es von Gerkan schon vor der Fertigstellung nannte, ist ein offener Ort für alle geworden, die Besinnung suchen. Das Licht fällt über den Säulenköpfen direkt und indirekt durch die Alabasterwände und wird im Kreuzgang durch eingelegte Naturund Technikgegenstände gefiltert. Besonders bei Sonnenschein wird trotz der Intensität des Lichtes Besinnlichkeit erzeugt – aber auch Anmut und Feierlichkeit; Feierlichkeit insbesondere dann, wenn Menschen in dem Raum Gottesdienst feiern. Häufig habe ich beobachtet, wie fasziniert Menschen im Kreuzgang das raffinierte Lichtspiel zwischen den »Ausstellungsobjekten« der Vitrinen verfolgten, hervorgerufen von den


Materialien zum Thema der EXPO MenschNatur-Technik: Sand, Torf, Kohle, Federn, Holzscheiben, Feuerzeuge, Einwegspritzen (sinnigerweise mit Mohn kombiniert), Plastikschläuche usw. Die Krypta im Untergeschoss als frei kons­ truierter Raum mit den schmalen Lichtschlitzen an der Decke, dem Halbdunkel, der mineralischen Oberfläche der Betonwände und dem Sandboden gibt dem Raum tatsächlich die »mystische Dramatik«, die von Gerkan schon vor der Fertigstellung versprochen hatte. Lieber Herr von Gerkan, ich bedanke mich bei Ihnen dafür, dass ich – wenn auch nur einen Sommer lang während der EXPO – ab und zu Gelegenheit hatte, an diesem wunderbaren architektonischen Ort innezuhalten. Dieser Ort hat mich etwas dafür entschädigt, dass Sie Ihren wirklich überzeugenden Entwurf für die Plaza nicht selbst realisieren durften. Und ich bedauere sehr, dass der Christus-Pavillon – als einziges Gebäude an der Plaza – verschwindet. Ich hätte lieber auf den deutschen Pavillon verzichtet. Aber wie zum Trost: Hannover ist gut bestückt mit Bauten von Ihnen und Ihrem Partner: Die Messehalle 4 und 8/9, vier

Messe­brücken, die Calenberger Esplanade und die Metallberufsgenossenschaft, und demnächst die Ummantelung des Kröpke Centers. Dazu kann man der Stadt Hannover nur gratulieren, zumal sich Hannover früher als spröde und teilweise resistent gegenüber guter Architektur gezeigt hatte. Natürlich gibt es noch andere Orte, die Sie, lieber Herr von Gerkan, mit Ihren Mitarbeitern geschaffen haben: das Van in Berlin beispielsweise, ein sehr einfacher, auf das Selbstverständliche reduzierter Raum, mit wenigen Materialien und fast schlicht mö­bliert. Für die, die das Van noch nicht kennen: ein empfehlenswertes Restaurant in Nachbarschaft zum Gendarmenmarkt. Oder: der Metropolitan: der Zug wird die Deutsche Bahn AG sicher nicht vom Defizit befreien, ist aber ein geradezu exem­pla­r isches Beispiel, mit welchem gestalte­r ischen Anspruch öffentliche Verkehrsmittel designt sein könnten, aber auch ein weiteres exemplarisches Beispiel für die Vollständigkeit der Entwurfspalette des Architekten von Gerkan, der, inzwischen nicht mehr überraschend, auch wunderschöne Möbel entworfen hat.

Von den kleinen Projekten am Rande komme ich nun zu den größeren der Architekten von Gerkan, Marg und Partner: Die Projektpalette reicht von Einfamilienhäusern über Hotels, Museen, Theater, Konzerthallen, Bürohäuser, Handelszentren und Krankenhäuser bis zu Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie Verkehrsbauten. International bekannt wurden die Architekten schon früh: 1975 mit der Eröffnung des Drive-In-Airports in Berlin-Tegel. Den Wettbewerb hatten sie schon 1965 gewonnen. Darauf sind noch 16 weitere Konzepte, Wettbewerbsgewinne und realisierte Gebäude für Flughäfen entstanden, u.a. in Stuttgart, Hamburg, Brandenburg, in Moskau, Algier und München und, wie gesagt, in Berlin. Die Architekten gmp haben in den zurückliegenden Jahrzenten stets innovativ eine aktuelle Typologie erfolgreich besetzt, neben den Flughäfen Bürohäuser und (nicht) zuletzt Bahnhöfe: Meinhard von Gerkan plant für die Hauptstadt Berlin den neuen Hauptbahnhof, den Lehrter-Bahnhof, ein Kreuzungsbauwerk für die Ost-West- und die Nord-Süd-ICE-Verbindungen, hinzu kommen noch die U- und S-Bahnlinien. Eine 430 m lange Bahnsteighalle wird in voller Länge

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  54

mit einer großen, filigranen, flach gekrümmten Glashalle überspannt, die zwei Gebäudescheiben durchschneidet. Ein innovativer Entwurf auf einem neuen Terrain, zu dem, wie der Wiener Architekturkritiker Dietmar Steiner sagt, gmp wie bei seinen besten Bauten zu prägnanten Großformen findet. Noch einmal Dietmar Steiner: »Was an den Bauten von gmp fasziniert, ist ihre einfache und klare Sprache des ›Gebauten‹. Die Funktionen sind erfüllt, der Zweck ist erreicht, der Bauherr bekommt sein Recht, der Benutzer fühlt sich verstanden. Es dürfte bei gmp dafür eine moralische Grenze geben: Wir folgen einer rationalen Tektonik des Bauens. Und das ist schwer genug bei einer Bauproduktion, die auf schnelle Verwertung und schönen Schein fokussiert ist. Hier übt sich gmp in einem anhaltenden Widerstand. Die ›Geistgestalt‹ eines Bauwerks von gmp ist immer durchdacht, durchdetailliert, mit eindeutigen Materialien getrennt und gefügt, haltbar und dauerhaft. Sauberes Bauen, selbst unter schwersten Bedingungen, aber niemals diese Linie und Haltung aus den Augen verlierend. Diese Qualität bei dieser Menge an Bauten und an Kubatur durchzuhalten, ist schlichtweg bewundernswert für eine Architekturfirma der Größenordnung

55  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

von gmp. Damit bekommt der Bauprozess insgesamt eine neue Qualität. ›Baumeisterlich‹ nannte diese Strategie Werner Oechslin in einer Analyse des Werks von gmp. Das Baumeisterliche ist am besten damit zu illustrieren, dass eine vordringliche Qualität der Bauten von gmp deren Durabilität ist. Hier flattert und quietscht nichts, hier wackelt nichts, und nichts ist schief. Ohne Details kunstgewerblich obsessiv zu überdrehen, werden sie mit höchster Sorgfalt einfach richtig gelöst. Ganz im Sinne jener handwerklichen oder auch bauindustriellen Sauberkeit, deren Thematisierung Vittorio Magnago-Lampugnani in einem ›Spiegel-Artikel‹ zur ›Neuen Einfachheit‹ eingefordert hat und die schließlich in Deutschland zu Unrecht in der sogenannten ›Berliner Debatte‹ verendete.« Man kann diesem großen Architekturbüro und dem Architekten Meinhard von Gerkan in so kurzer Zeit nicht vollständig gerecht werden. Zum Abschluss möchte ich noch drei Aspek­ te kurz anreißen, die mir wichtig und für den Architekten von Gerkan typisch erscheinen:

1. gmp ist das Wettbewerbsbüro Von Gerkan hat zusammen mit Volkwin Marg über 340 nationale und internationale Wettbewerbspreise erhalten, davon 140 1. Preise mit hoher internationaler Anerkennung wie u.a.: Die Nationalbibliothek in Teheran 1978 (weltoffen), der Hauptstadtwettbewerb Bukarest, oder jüngst die Deutsche Schule Peking.

2. Veröffentlichungen Meinhard von Gerkan veröffentlicht die eigenen Arbeiten kontinuierlich, was nicht nur wichtig für das eigene Haus und die Mit­a rbeiter ist, es ist auch anregend und Ansporn für Kollegen; und er publiziert seine eigene Entwurfsphilosophie und macht sie so über die Bauten nachvollziehbar und überprüfbar. Er ist kämpferisch für die Sache der Architektur und die Sache der Architekten, Stichwort: »Generalist«, ein Erklärungs­ modell für die komplexe Aufgabenrolle des Architekten heute, oder Stichwort: »Die Verantwortung der Architekten«, sein schon vor fast 20 Jahren erschienenes und immer lesenswertes Buch.


Materialien zum Thema der EXPO MenschNatur-Technik: Sand, Torf, Kohle, Federn, Holzscheiben, Feuerzeuge, Einwegspritzen (sinnigerweise mit Mohn kombiniert), Plastikschläuche usw. Die Krypta im Untergeschoss als frei kons­ truierter Raum mit den schmalen Lichtschlitzen an der Decke, dem Halbdunkel, der mineralischen Oberfläche der Betonwände und dem Sandboden gibt dem Raum tatsächlich die »mystische Dramatik«, die von Gerkan schon vor der Fertigstellung versprochen hatte. Lieber Herr von Gerkan, ich bedanke mich bei Ihnen dafür, dass ich – wenn auch nur einen Sommer lang während der EXPO – ab und zu Gelegenheit hatte, an diesem wunderbaren architektonischen Ort innezuhalten. Dieser Ort hat mich etwas dafür entschädigt, dass Sie Ihren wirklich überzeugenden Entwurf für die Plaza nicht selbst realisieren durften. Und ich bedauere sehr, dass der Christus-Pavillon – als einziges Gebäude an der Plaza – verschwindet. Ich hätte lieber auf den deutschen Pavillon verzichtet. Aber wie zum Trost: Hannover ist gut bestückt mit Bauten von Ihnen und Ihrem Partner: Die Messehalle 4 und 8/9, vier

Messe­brücken, die Calenberger Esplanade und die Metallberufsgenossenschaft, und demnächst die Ummantelung des Kröpke Centers. Dazu kann man der Stadt Hannover nur gratulieren, zumal sich Hannover früher als spröde und teilweise resistent gegenüber guter Architektur gezeigt hatte. Natürlich gibt es noch andere Orte, die Sie, lieber Herr von Gerkan, mit Ihren Mitarbeitern geschaffen haben: das Van in Berlin beispielsweise, ein sehr einfacher, auf das Selbstverständliche reduzierter Raum, mit wenigen Materialien und fast schlicht mö­bliert. Für die, die das Van noch nicht kennen: ein empfehlenswertes Restaurant in Nachbarschaft zum Gendarmenmarkt. Oder: der Metropolitan: der Zug wird die Deutsche Bahn AG sicher nicht vom Defizit befreien, ist aber ein geradezu exem­pla­r isches Beispiel, mit welchem gestalte­r ischen Anspruch öffentliche Verkehrsmittel designt sein könnten, aber auch ein weiteres exemplarisches Beispiel für die Vollständigkeit der Entwurfspalette des Architekten von Gerkan, der, inzwischen nicht mehr überraschend, auch wunderschöne Möbel entworfen hat.

Von den kleinen Projekten am Rande komme ich nun zu den größeren der Architekten von Gerkan, Marg und Partner: Die Projektpalette reicht von Einfamilienhäusern über Hotels, Museen, Theater, Konzerthallen, Bürohäuser, Handelszentren und Krankenhäuser bis zu Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie Verkehrsbauten. International bekannt wurden die Architekten schon früh: 1975 mit der Eröffnung des Drive-In-Airports in Berlin-Tegel. Den Wettbewerb hatten sie schon 1965 gewonnen. Darauf sind noch 16 weitere Konzepte, Wettbewerbsgewinne und realisierte Gebäude für Flughäfen entstanden, u.a. in Stuttgart, Hamburg, Brandenburg, in Moskau, Algier und München und, wie gesagt, in Berlin. Die Architekten gmp haben in den zurückliegenden Jahrzenten stets innovativ eine aktuelle Typologie erfolgreich besetzt, neben den Flughäfen Bürohäuser und (nicht) zuletzt Bahnhöfe: Meinhard von Gerkan plant für die Hauptstadt Berlin den neuen Hauptbahnhof, den Lehrter-Bahnhof, ein Kreuzungsbauwerk für die Ost-West- und die Nord-Süd-ICE-Verbindungen, hinzu kommen noch die U- und S-Bahnlinien. Eine 430 m lange Bahnsteighalle wird in voller Länge

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mit einer großen, filigranen, flach gekrümmten Glashalle überspannt, die zwei Gebäudescheiben durchschneidet. Ein innovativer Entwurf auf einem neuen Terrain, zu dem, wie der Wiener Architekturkritiker Dietmar Steiner sagt, gmp wie bei seinen besten Bauten zu prägnanten Großformen findet. Noch einmal Dietmar Steiner: »Was an den Bauten von gmp fasziniert, ist ihre einfache und klare Sprache des ›Gebauten‹. Die Funktionen sind erfüllt, der Zweck ist erreicht, der Bauherr bekommt sein Recht, der Benutzer fühlt sich verstanden. Es dürfte bei gmp dafür eine moralische Grenze geben: Wir folgen einer rationalen Tektonik des Bauens. Und das ist schwer genug bei einer Bauproduktion, die auf schnelle Verwertung und schönen Schein fokussiert ist. Hier übt sich gmp in einem anhaltenden Widerstand. Die ›Geistgestalt‹ eines Bauwerks von gmp ist immer durchdacht, durchdetailliert, mit eindeutigen Materialien getrennt und gefügt, haltbar und dauerhaft. Sauberes Bauen, selbst unter schwersten Bedingungen, aber niemals diese Linie und Haltung aus den Augen verlierend. Diese Qualität bei dieser Menge an Bauten und an Kubatur durchzuhalten, ist schlichtweg bewundernswert für eine Architekturfirma der Größenordnung

55  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

von gmp. Damit bekommt der Bauprozess insgesamt eine neue Qualität. ›Baumeisterlich‹ nannte diese Strategie Werner Oechslin in einer Analyse des Werks von gmp. Das Baumeisterliche ist am besten damit zu illustrieren, dass eine vordringliche Qualität der Bauten von gmp deren Durabilität ist. Hier flattert und quietscht nichts, hier wackelt nichts, und nichts ist schief. Ohne Details kunstgewerblich obsessiv zu überdrehen, werden sie mit höchster Sorgfalt einfach richtig gelöst. Ganz im Sinne jener handwerklichen oder auch bauindustriellen Sauberkeit, deren Thematisierung Vittorio Magnago-Lampugnani in einem ›Spiegel-Artikel‹ zur ›Neuen Einfachheit‹ eingefordert hat und die schließlich in Deutschland zu Unrecht in der sogenannten ›Berliner Debatte‹ verendete.« Man kann diesem großen Architekturbüro und dem Architekten Meinhard von Gerkan in so kurzer Zeit nicht vollständig gerecht werden. Zum Abschluss möchte ich noch drei Aspek­ te kurz anreißen, die mir wichtig und für den Architekten von Gerkan typisch erscheinen:

1. gmp ist das Wettbewerbsbüro Von Gerkan hat zusammen mit Volkwin Marg über 340 nationale und internationale Wettbewerbspreise erhalten, davon 140 1. Preise mit hoher internationaler Anerkennung wie u.a.: Die Nationalbibliothek in Teheran 1978 (weltoffen), der Hauptstadtwettbewerb Bukarest, oder jüngst die Deutsche Schule Peking.

2. Veröffentlichungen Meinhard von Gerkan veröffentlicht die eigenen Arbeiten kontinuierlich, was nicht nur wichtig für das eigene Haus und die Mit­a rbeiter ist, es ist auch anregend und Ansporn für Kollegen; und er publiziert seine eigene Entwurfsphilosophie und macht sie so über die Bauten nachvollziehbar und überprüfbar. Er ist kämpferisch für die Sache der Architektur und die Sache der Architekten, Stichwort: »Generalist«, ein Erklärungs­ modell für die komplexe Aufgabenrolle des Architekten heute, oder Stichwort: »Die Verantwortung der Architekten«, sein schon vor fast 20 Jahren erschienenes und immer lesenswertes Buch.


Von Gerkan zeigt seine Entwurfsprozesse in anschaulichen Ausstellungen. Eine der schönsten, sinnlichsten Ausstellungen über aktuelle Architektur habe ich in diesem Sommer in Hamburg in der Speicherstadt gesehen. Schon 1994 hatte das Architektur­büro mit »30 Jahre Architekturmodelle gmp« begonnen. Sie zeigt die aktuellen Projekte, Skizzen, Modelle und Werkpläne von gmp. Beide Ausstellungen zeigten, wie wichtig Modelle für den Entwurfsprozeß sind.

3. Meinhard von Gerkan als Lehrer Von Gerkan wurde 1974 Professor in Braunschweig, er hat stetig – wie schon sein Vorgänger Krämer – die sogenannte »Braunschweiger Schule« proklamiert und eingefordert, wie immer man dazu stehen mag. Auf jeden Fall hat er unzäh­ lige Absolventen hervorgebracht, die regelmäßig LavesPreise gewonnen haben – eine Auszeichnung für die besten Absolventen aus den Niedersächsischen Hochschulen Braunschweig und Hannover.

Durch sein Vorbild, seine Haltung zur Architektur, seine Grundsätze hat er Generationen von Studenten in 26 Jahren nachhaltig geprägt. Zum Abschluss hat er den nach­ folgenden Generationen in Braunschweig einen Ausstellungspavillon geschenkt. Lieber Herr von Gerkan, ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen zur heutigen Auszeichnung und wünsche Ihnen und der Stadt Hannover noch das eine oder andere hervorragende Gebäude… …als Entschädigung für den verlorenen Christus-Pavillon.

6 Trinität Ökumene

Prof. Dipl.-Ing. Manfred Schomers  Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  56

57  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Von Gerkan zeigt seine Entwurfsprozesse in anschaulichen Ausstellungen. Eine der schönsten, sinnlichsten Ausstellungen über aktuelle Architektur habe ich in diesem Sommer in Hamburg in der Speicherstadt gesehen. Schon 1994 hatte das Architektur­büro mit »30 Jahre Architekturmodelle gmp« begonnen. Sie zeigt die aktuellen Projekte, Skizzen, Modelle und Werkpläne von gmp. Beide Ausstellungen zeigten, wie wichtig Modelle für den Entwurfsprozeß sind.

3. Meinhard von Gerkan als Lehrer Von Gerkan wurde 1974 Professor in Braunschweig, er hat stetig – wie schon sein Vorgänger Krämer – die sogenannte »Braunschweiger Schule« proklamiert und eingefordert, wie immer man dazu stehen mag. Auf jeden Fall hat er unzäh­ lige Absolventen hervorgebracht, die regelmäßig LavesPreise gewonnen haben – eine Auszeichnung für die besten Absolventen aus den Niedersächsischen Hochschulen Braunschweig und Hannover.

Durch sein Vorbild, seine Haltung zur Architektur, seine Grundsätze hat er Generationen von Studenten in 26 Jahren nachhaltig geprägt. Zum Abschluss hat er den nach­ folgenden Generationen in Braunschweig einen Ausstellungspavillon geschenkt. Lieber Herr von Gerkan, ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen zur heutigen Auszeichnung und wünsche Ihnen und der Stadt Hannover noch das eine oder andere hervorragende Gebäude… …als Entschädigung für den verlorenen Christus-Pavillon.

6 Trinität Ökumene

Prof. Dipl.-Ing. Manfred Schomers  Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  56

57  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Versöhnung zieht Kreise Kirchen sind besondere Orte, wo Gott verehrt wird. Wo man singt und betet.

von Karl-Heinz Michel

Der Christus-Pavillon ist ein moderner Kirchbau. Dabei lege ich Wert auf das Wort Kirche. Kirchbauten gibt es in vielfältiger Architektur. Diese Kirche hier in Volkenroda wird wegen ihrer Form als Pavillon bezeichnet. Kirchen sind aber besondere Orte, wo Gott verehrt wird. Wo man singt und betet. Deshalb haben sich die Christen immer viel Mühe gegeben, diese Bauten zum Lobe Gottes besonders schön zu gestalten. Das letzte Foto von Karl-Heinz Michel bei einem Konzert mit dem israelischen Künstler Gavriel Lipkind (August 2006).

Unter dem Motto: »Versöhnt leben in der Vielfalt« kommt in der Jesus-Bruderschaft in Volkenroda zusammen, was normalerweise auseinanderdriftet – Ost und West, evangelisch und katholisch, klassische und neue Wege der verbindlichen Jesus-Nachfolge: Brüder, Schwestern und Familien. Dieses grundlegende Ringen um Versöhnung korrespondiert mit der spannungsvollen Architektur im wiedererstandenen Kloster Volkenroda. Der moderne Christus-Pavillon, der von West nach Ost in die historische Klosteranlage versetzt wurde, ist ein starkes Zeichen der Deutschen Einheit. Jedes Jahr am 3. Oktober wird im Kloster Gottesdienst gefeiert, um Gott zu danken und für die äußere und innere Einheit in unserem Land zu bitten. Echte Einheit und Versöhnung werden uns geschenkt, sie sind uns aber zugleich als Dienst aufgetragen. Dazu einige wegweisende Gedanken von Karl-Heinz Michel, bis 2006 Pfarrer am ChristusPavillon: Der Kirche Jesu Christi ist in dieser Welt ein Dienst der Versöhnung, der Einheit aufgetragen, der im kleinsten Kreis beginnt und dann um sich greift. […] Hinter uns liegt eine jahrhundertelange Geschichte von Uneinigkeit, Misstrauen, Rechthaberei, gegenseitiger Verdächtigung und Verdammung der Christen untereinander, die es aufzuarbeiten gilt, indem wir die überheblichen Vorbehalte und raschen Vor­ urteile unter uns als Schuld erkennen und bekennen und davon lassen. Wir haben uns gegenseitig noch gar nicht verstanden, oft noch nicht einmal wirklich angehört. Der Weg zur Einheit der Christen kann daher nur ein Weg der Buße sein, der Umkehr zur Kreuzesliebe unseres gemeinsamen Herrn Jesus Christus. Verlorengehen soll die Sünde, der entzweiende menschliche Umgang mit unserer Verschiedenheit, doch nicht der Reichtum der Vielfalt in der einen

Kirche, so gegensätzlich er uns manchmal auch vorkommen mag. Das kann doch unser Herz weiten, und die Kirche braucht weite Herzen, wenn sie in dieser Welt das Evangelium von der grenzenlosen Liebe Gottes bezeugen soll. Jede Konfession und Gruppe darf und soll wirklich den ihr gewiesenen Weg gehen, entsprechend den ihr anvertrauten Gaben und dem geschichtlichen Weg, den sie hinter sich hat. Niemand braucht seine Eigenart und Tradition zu verleugnen. Je deutlicher solches Profil gelebt wird, desto mehr wird es anderen zur Klärung des eigenen Wegs, der eigenen Gaben und Geschichte, verhelfen. Wer klares Profil zeigt, fordert auch andere dazu heraus, deutlicher zu klären, wer man ist und was man will. Wir brauchen immer wieder diese Herausforderung. Doch dazu ist es eben nötig, dass man sich besser kennenlernt, sich tiefer begegnet und voneinander lernt. Auf diesem Weg wird der Reichtum der anderen Kirche auch meine Kirche reich machen, wie auch umgekehrt unser Pfund anderen dienen wird; da wird dann auch gegenseitige Hilfe, Korrektur und Ergänzung nötig, die jede einzelne Kirche notwendig braucht. Und so beginnt die Zerrissenheit des Leibes Christi überwunden zu werden, so fängt der große Organismus der einen heiligen christlichen Kirche an zu leben und zu wirken.

Ich war jetzt zu einem Besuch in Kappadokien. Dort haben die ersten Christen ihre Kirchen unter die Erde gegraben und mit so viel Schönheit und Liebe ausgestaltet, sodass viele Besucher erstaunt fragen ›warum‹. Schon auf der EXPO 2000 in Hannover und nun auch in Volkenroda hört man auch immer unterschwellig dieses ›warum‹. Kirchen sind keine Museen, auch wenn dort nicht mehr Gottesdienst gefeiert wird, aber sie sind ansehenswert und mögen den Betrachter, ob Christ oder Nichtchrist, anregen, auf Gott zu schauen und zu hinterfragen. Ich wünsche Ihnen einen zu Herzen gehenden Besuch im Christus-Pavillon in Volkenroda. Peter Meisner Mitglied der katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius in Schlotheim, war in den wichtigen Jahren des Wiederaufbaus im Kloster Ortsbürgermeister von Körner (1990-1994).

Der Christus-Pavillon ist ein Geschenk Gottes an seine Kirche. Der Christus-Pavillon ist ein Geschenk Gottes an seine Kirche, an uns! Gott hat den Christus-Pavillon geschaffen, um die Denominationen zurückzurufen zu ihren Wurzeln der sichtbar unzerteilten Kirche, die gebaut ist auf dem Fundament der Apostel und Propheten mit Christus als dem Eckstein. Christus stellt uns, seinen Nachfolgern, den Christus-Pavillon vor Augen und lädt uns ein: Kommt zusammen als ein Volk Gottes und baut meine – nach den Worten des Glaubensbekenntnisses – ungeteilte Kirche, die eine, heilige, katholische (das heißt: welt-umspannende) und apostolische Kirche ist. Gott hat die Jesus-Bruderschaft in Volkenroda berufen, die sichtbare Einheit der Kirche, so wie Gott sie im Sinn hat, täglich zu suchen und zu leben.

Aus: Texte* 1; Karl-Heinz Michel, Angefochtene Einheit – Versöhnte Vielfalt, Gnadenthal 1990, S. 14. 21 f. Reiner Braun und Heinzpeter Hempelmann planen in Verbindung mit Eva-Maria Michel die Veröffentlichung wichtiger Beiträge von Karl-Heinz Michel in einem Sammelband, der 2011 oder 2012 erscheinen soll.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  58

Maternus Kapinga  anglikanischer Bischof in Ruvuma / Tansania

59  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Versöhnung zieht Kreise Kirchen sind besondere Orte, wo Gott verehrt wird. Wo man singt und betet.

von Karl-Heinz Michel

Der Christus-Pavillon ist ein moderner Kirchbau. Dabei lege ich Wert auf das Wort Kirche. Kirchbauten gibt es in vielfältiger Architektur. Diese Kirche hier in Volkenroda wird wegen ihrer Form als Pavillon bezeichnet. Kirchen sind aber besondere Orte, wo Gott verehrt wird. Wo man singt und betet. Deshalb haben sich die Christen immer viel Mühe gegeben, diese Bauten zum Lobe Gottes besonders schön zu gestalten. Das letzte Foto von Karl-Heinz Michel bei einem Konzert mit dem israelischen Künstler Gavriel Lipkind (August 2006).

Unter dem Motto: »Versöhnt leben in der Vielfalt« kommt in der Jesus-Bruderschaft in Volkenroda zusammen, was normalerweise auseinanderdriftet – Ost und West, evangelisch und katholisch, klassische und neue Wege der verbindlichen Jesus-Nachfolge: Brüder, Schwestern und Familien. Dieses grundlegende Ringen um Versöhnung korrespondiert mit der spannungsvollen Architektur im wiedererstandenen Kloster Volkenroda. Der moderne Christus-Pavillon, der von West nach Ost in die historische Klosteranlage versetzt wurde, ist ein starkes Zeichen der Deutschen Einheit. Jedes Jahr am 3. Oktober wird im Kloster Gottesdienst gefeiert, um Gott zu danken und für die äußere und innere Einheit in unserem Land zu bitten. Echte Einheit und Versöhnung werden uns geschenkt, sie sind uns aber zugleich als Dienst aufgetragen. Dazu einige wegweisende Gedanken von Karl-Heinz Michel, bis 2006 Pfarrer am ChristusPavillon: Der Kirche Jesu Christi ist in dieser Welt ein Dienst der Versöhnung, der Einheit aufgetragen, der im kleinsten Kreis beginnt und dann um sich greift. […] Hinter uns liegt eine jahrhundertelange Geschichte von Uneinigkeit, Misstrauen, Rechthaberei, gegenseitiger Verdächtigung und Verdammung der Christen untereinander, die es aufzuarbeiten gilt, indem wir die überheblichen Vorbehalte und raschen Vor­ urteile unter uns als Schuld erkennen und bekennen und davon lassen. Wir haben uns gegenseitig noch gar nicht verstanden, oft noch nicht einmal wirklich angehört. Der Weg zur Einheit der Christen kann daher nur ein Weg der Buße sein, der Umkehr zur Kreuzesliebe unseres gemeinsamen Herrn Jesus Christus. Verlorengehen soll die Sünde, der entzweiende menschliche Umgang mit unserer Verschiedenheit, doch nicht der Reichtum der Vielfalt in der einen

Kirche, so gegensätzlich er uns manchmal auch vorkommen mag. Das kann doch unser Herz weiten, und die Kirche braucht weite Herzen, wenn sie in dieser Welt das Evangelium von der grenzenlosen Liebe Gottes bezeugen soll. Jede Konfession und Gruppe darf und soll wirklich den ihr gewiesenen Weg gehen, entsprechend den ihr anvertrauten Gaben und dem geschichtlichen Weg, den sie hinter sich hat. Niemand braucht seine Eigenart und Tradition zu verleugnen. Je deutlicher solches Profil gelebt wird, desto mehr wird es anderen zur Klärung des eigenen Wegs, der eigenen Gaben und Geschichte, verhelfen. Wer klares Profil zeigt, fordert auch andere dazu heraus, deutlicher zu klären, wer man ist und was man will. Wir brauchen immer wieder diese Herausforderung. Doch dazu ist es eben nötig, dass man sich besser kennenlernt, sich tiefer begegnet und voneinander lernt. Auf diesem Weg wird der Reichtum der anderen Kirche auch meine Kirche reich machen, wie auch umgekehrt unser Pfund anderen dienen wird; da wird dann auch gegenseitige Hilfe, Korrektur und Ergänzung nötig, die jede einzelne Kirche notwendig braucht. Und so beginnt die Zerrissenheit des Leibes Christi überwunden zu werden, so fängt der große Organismus der einen heiligen christlichen Kirche an zu leben und zu wirken.

Ich war jetzt zu einem Besuch in Kappadokien. Dort haben die ersten Christen ihre Kirchen unter die Erde gegraben und mit so viel Schönheit und Liebe ausgestaltet, sodass viele Besucher erstaunt fragen ›warum‹. Schon auf der EXPO 2000 in Hannover und nun auch in Volkenroda hört man auch immer unterschwellig dieses ›warum‹. Kirchen sind keine Museen, auch wenn dort nicht mehr Gottesdienst gefeiert wird, aber sie sind ansehenswert und mögen den Betrachter, ob Christ oder Nichtchrist, anregen, auf Gott zu schauen und zu hinterfragen. Ich wünsche Ihnen einen zu Herzen gehenden Besuch im Christus-Pavillon in Volkenroda. Peter Meisner Mitglied der katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius in Schlotheim, war in den wichtigen Jahren des Wiederaufbaus im Kloster Ortsbürgermeister von Körner (1990-1994).

Der Christus-Pavillon ist ein Geschenk Gottes an seine Kirche. Der Christus-Pavillon ist ein Geschenk Gottes an seine Kirche, an uns! Gott hat den Christus-Pavillon geschaffen, um die Denominationen zurückzurufen zu ihren Wurzeln der sichtbar unzerteilten Kirche, die gebaut ist auf dem Fundament der Apostel und Propheten mit Christus als dem Eckstein. Christus stellt uns, seinen Nachfolgern, den Christus-Pavillon vor Augen und lädt uns ein: Kommt zusammen als ein Volk Gottes und baut meine – nach den Worten des Glaubensbekenntnisses – ungeteilte Kirche, die eine, heilige, katholische (das heißt: welt-umspannende) und apostolische Kirche ist. Gott hat die Jesus-Bruderschaft in Volkenroda berufen, die sichtbare Einheit der Kirche, so wie Gott sie im Sinn hat, täglich zu suchen und zu leben.

Aus: Texte* 1; Karl-Heinz Michel, Angefochtene Einheit – Versöhnte Vielfalt, Gnadenthal 1990, S. 14. 21 f. Reiner Braun und Heinzpeter Hempelmann planen in Verbindung mit Eva-Maria Michel die Veröffentlichung wichtiger Beiträge von Karl-Heinz Michel in einem Sammelband, der 2011 oder 2012 erscheinen soll.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  58

Maternus Kapinga  anglikanischer Bischof in Ruvuma / Tansania

59  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Geistliche Oase im Westen Thüringens Leben aus dem Vorgriff auf Gottes größere Möglichkeiten von Joachim Wanke

Weil es Menschen gibt, die ihre eigene Biographie um des Evangeliums willen mit diesem Ort auf Dauer verbinden! Das ist wohl die kürzeste Antwort auf die Frage, warum dieser kleine Ort, den vor der politischen Wende 1989/90 selbst Thüringer kaum kannten, jetzt eine solche geistliche Ausstrahlung hat. Orte haben ihre je eigene Aura. Manche Orte leben von Geschichte, die sich mit ihrem Namen verbindet. Andere sind interessant als Baudenkmal oder wegen ihrer landschaftlich schönen Lage. Man muss den alten, wirklich aufs Schlimm­ ste vernachlässigten Ort Volkenroda von 1990 einmal gesehen haben. Die kleine Siedlung rings um die alte Klosterruine war von den damaligen Behörden bewusst abgeschrieben. Sie sollte langsam verfallen. Ich war bei meinem ersten Besuch erschrocken, was Menschen, die damals dort ihre Heimat hatten, an Verwahrlosung und Unwirtlichkeit zugemutet wurde. Im Gelände des Klosters Volkenroda steht seit 2001 in reizvollem Kontrast zur alten Klosterkirche der Christus-Pavillon, der seinerzeit bei der EXPO 2000 in Hannover

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  60

61  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Mittelpunkt des ökumenischen Kirchenzentrums war. Ohne Zweifel lohnt es sich, diesen interessanten Bau zu sehen und sich von ihm in seiner neuen Umgebung an­sprechen zu lassen. Aber das allein würde das Phänomen Kloster Volkenroda noch nicht erklären. Auch die geschichtliche Erinnerung an das ehemalige Zister­ zienser-Kloster, das sich mit dem Namen Volkenroda verknüpft, ist nur eine schwache Erklärung für den Zuspruch, den dieser Ort jetzt Jahr für Jahr durch viele Besucher erfährt. Es gibt so manche alte, aufgelassene Klöster, die heute wohl als Geschichtsdenkmale geschätzt und besucht werden, aber bei weitem nicht die Ausstrahlung entfalten, die das Kloster Volkenroda in den letzten Jahren erlangt hat. So bleibt es dabei: Es sind Personen, die diesen Ort zu einer Einladung machen. Es sind Christen, die ihre eigene Lebensmitte am Evangelium fest gemacht haben. Sie geben so dem Klosterbereich eine Physiognomie, die kein Architekt mit noch so schönen Bauplänen verwirklichen könnte. Dieser Ort bezeugt eine Wirklichkeit, deren Wahrheit und Verlässlichkeit sich nicht in Steinen und Mauern erweist, sondern in Biographien, die alles auf eine Karte setzen. »Was, Sie wollen in dieses gottverlassene Nest ziehen?« Diese erstaunte Frage hat wohl mancher aus der Jesus-Bruderschaft gehört, der sich für das »Abenteuer Volkenroda« bereit erklärt hatte. Und ich denke auch an jene, die vor Ort den so wundersamen Wandel des kleinen Ortes mit seinen anfangs misstrauischen und skeptischen Bewohnern begleitet haben – bis heute bleibt das ein spannender Weg, bei dem noch


Geistliche Oase im Westen Thüringens Leben aus dem Vorgriff auf Gottes größere Möglichkeiten von Joachim Wanke

Weil es Menschen gibt, die ihre eigene Biographie um des Evangeliums willen mit diesem Ort auf Dauer verbinden! Das ist wohl die kürzeste Antwort auf die Frage, warum dieser kleine Ort, den vor der politischen Wende 1989/90 selbst Thüringer kaum kannten, jetzt eine solche geistliche Ausstrahlung hat. Orte haben ihre je eigene Aura. Manche Orte leben von Geschichte, die sich mit ihrem Namen verbindet. Andere sind interessant als Baudenkmal oder wegen ihrer landschaftlich schönen Lage. Man muss den alten, wirklich aufs Schlimm­ ste vernachlässigten Ort Volkenroda von 1990 einmal gesehen haben. Die kleine Siedlung rings um die alte Klosterruine war von den damaligen Behörden bewusst abgeschrieben. Sie sollte langsam verfallen. Ich war bei meinem ersten Besuch erschrocken, was Menschen, die damals dort ihre Heimat hatten, an Verwahrlosung und Unwirtlichkeit zugemutet wurde. Im Gelände des Klosters Volkenroda steht seit 2001 in reizvollem Kontrast zur alten Klosterkirche der Christus-Pavillon, der seinerzeit bei der EXPO 2000 in Hannover

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  60

61  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Mittelpunkt des ökumenischen Kirchenzentrums war. Ohne Zweifel lohnt es sich, diesen interessanten Bau zu sehen und sich von ihm in seiner neuen Umgebung an­sprechen zu lassen. Aber das allein würde das Phänomen Kloster Volkenroda noch nicht erklären. Auch die geschichtliche Erinnerung an das ehemalige Zister­ zienser-Kloster, das sich mit dem Namen Volkenroda verknüpft, ist nur eine schwache Erklärung für den Zuspruch, den dieser Ort jetzt Jahr für Jahr durch viele Besucher erfährt. Es gibt so manche alte, aufgelassene Klöster, die heute wohl als Geschichtsdenkmale geschätzt und besucht werden, aber bei weitem nicht die Ausstrahlung entfalten, die das Kloster Volkenroda in den letzten Jahren erlangt hat. So bleibt es dabei: Es sind Personen, die diesen Ort zu einer Einladung machen. Es sind Christen, die ihre eigene Lebensmitte am Evangelium fest gemacht haben. Sie geben so dem Klosterbereich eine Physiognomie, die kein Architekt mit noch so schönen Bauplänen verwirklichen könnte. Dieser Ort bezeugt eine Wirklichkeit, deren Wahrheit und Verlässlichkeit sich nicht in Steinen und Mauern erweist, sondern in Biographien, die alles auf eine Karte setzen. »Was, Sie wollen in dieses gottverlassene Nest ziehen?« Diese erstaunte Frage hat wohl mancher aus der Jesus-Bruderschaft gehört, der sich für das »Abenteuer Volkenroda« bereit erklärt hatte. Und ich denke auch an jene, die vor Ort den so wundersamen Wandel des kleinen Ortes mit seinen anfangs misstrauischen und skeptischen Bewohnern begleitet haben – bis heute bleibt das ein spannender Weg, bei dem noch


längst nicht alle Hürden genommen sind. Hier ist etwas entstanden, was man ein »Leben aus dem Vorgriff« auf Gottes größere Möglichkeiten nennen könnte. Die Schwierigkeiten des Anfangs waren enorm. Sie sind es auch heute. Das Experiment Volkenroda ist noch längst nicht so gefestigt, dass es ohne Hilfe und Unterstützung vieler auskommen könnte. Aber eine Gemeinschaft, deren wichtigster gemeinsamer Termin das tägliche Mittagsgebet ist, schaut auf eine größere Wahrheit als jene, die sich in Bilanzen und wachsenden Besucherzahlen niederschlägt.

7 Brot Pilgern

Volkenroda ist der Versuch, die alte Klosteridee mit den Möglichkeiten unserer säkular gewordenen Zeit neu zu leben. Und diese Idee lautet: Das eigene Leben zum Zeugnis für Gottes Dasein, für Gottes Erbarmen, für Gottes Sorge um uns Menschen zu machen. Volkenroda hat keine MarketingIdee als jene des Gottesreiches, auf das uns Jesus zu warten gelehrt hat, das aber schon dort anfanghaft Wirklichkeit wird, wo Menschen sich ganz Gott anheim geben. Ich bin dankbar, dass es diese geistliche Oase im Westen Thüringens gibt. Alles, was wir Menschen anfangen und mit eigenen Kräften zu verwirklichen suchen, steht unter dem Vorbehalt des Vorläufigen. Doch wenn das Vorläufige auf Größeres verweist, wird es zum Wegzeichen. Das erklärt wohl ein wenig, warum in unserem christentumsfern gewordenen Thüringen Menschen gern der Einladung folgen, an diesem Ort den größeren Horizont ihres eigenen Lebens wahrzunehmen, in dem die Dinge des Alltäglichen sich relativieren und wieder ihre angemessene Bedeutung erhalten. Es fängt an sich herumzusprechen: Thüringen ist durch das Kloster Volkenroda reicher geworden.

Dr. theol. Joachim Wanke,  Bischof in Erfurt, ehem. Mitglied des Stiftrungsrates

Abt Hirschler, Bischof Wanke und Pfarrer Schödl bei der Christus-Wallfahrt. Bild: Thüringer Allgemeine

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  62

63  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


längst nicht alle Hürden genommen sind. Hier ist etwas entstanden, was man ein »Leben aus dem Vorgriff« auf Gottes größere Möglichkeiten nennen könnte. Die Schwierigkeiten des Anfangs waren enorm. Sie sind es auch heute. Das Experiment Volkenroda ist noch längst nicht so gefestigt, dass es ohne Hilfe und Unterstützung vieler auskommen könnte. Aber eine Gemeinschaft, deren wichtigster gemeinsamer Termin das tägliche Mittagsgebet ist, schaut auf eine größere Wahrheit als jene, die sich in Bilanzen und wachsenden Besucherzahlen niederschlägt.

7 Brot Pilgern

Volkenroda ist der Versuch, die alte Klosteridee mit den Möglichkeiten unserer säkular gewordenen Zeit neu zu leben. Und diese Idee lautet: Das eigene Leben zum Zeugnis für Gottes Dasein, für Gottes Erbarmen, für Gottes Sorge um uns Menschen zu machen. Volkenroda hat keine MarketingIdee als jene des Gottesreiches, auf das uns Jesus zu warten gelehrt hat, das aber schon dort anfanghaft Wirklichkeit wird, wo Menschen sich ganz Gott anheim geben. Ich bin dankbar, dass es diese geistliche Oase im Westen Thüringens gibt. Alles, was wir Menschen anfangen und mit eigenen Kräften zu verwirklichen suchen, steht unter dem Vorbehalt des Vorläufigen. Doch wenn das Vorläufige auf Größeres verweist, wird es zum Wegzeichen. Das erklärt wohl ein wenig, warum in unserem christentumsfern gewordenen Thüringen Menschen gern der Einladung folgen, an diesem Ort den größeren Horizont ihres eigenen Lebens wahrzunehmen, in dem die Dinge des Alltäglichen sich relativieren und wieder ihre angemessene Bedeutung erhalten. Es fängt an sich herumzusprechen: Thüringen ist durch das Kloster Volkenroda reicher geworden.

Dr. theol. Joachim Wanke,  Bischof in Erfurt, ehem. Mitglied des Stiftrungsrates

Abt Hirschler, Bischof Wanke und Pfarrer Schödl bei der Christus-Wallfahrt. Bild: Thüringer Allgemeine

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  62

63  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


»Bei den Glühbirnen geht einem ein Licht auf!!!« 8.6.2008 Foto: Thüring

Ein Ort der Stille, der einlädt innerlich nach Hause zu kommen, Heil zu werden, einfach da zu sein. Sogar die Natur war auSSergewöhnlich still. Irgendwie schien ein Zauber über diesen Tagen zu liegen, oder vielmehr GOTTES SEGEN.

er Allgemeine

Erfurt ist schön, Weimar ist wunderbar, aber der eindrücklichste Ort ist Volkenroda! aus dem Gästebuch, 2.9.2010

»Ich war angerührt von eurer sehr erdnahen persön­lichen Geschichte, die für mich mit dem Ort korrespondiert.« Foto: Thüring

er Allgemeine

»Das Kloster ist für mich zu einer schönen Herberge geworden: ankommen – rasten und in Freude wieder in den Alltag zurückkehren.« Michael Hofmann, August 2010

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  64

65  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


»Bei den Glühbirnen geht einem ein Licht auf!!!« 8.6.2008 Foto: Thüring

Ein Ort der Stille, der einlädt innerlich nach Hause zu kommen, Heil zu werden, einfach da zu sein. Sogar die Natur war auSSergewöhnlich still. Irgendwie schien ein Zauber über diesen Tagen zu liegen, oder vielmehr GOTTES SEGEN.

er Allgemeine

Erfurt ist schön, Weimar ist wunderbar, aber der eindrücklichste Ort ist Volkenroda! aus dem Gästebuch, 2.9.2010

»Ich war angerührt von eurer sehr erdnahen persön­lichen Geschichte, die für mich mit dem Ort korrespondiert.« Foto: Thüring

er Allgemeine

»Das Kloster ist für mich zu einer schönen Herberge geworden: ankommen – rasten und in Freude wieder in den Alltag zurückkehren.« Michael Hofmann, August 2010

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  64

65  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Hautnah erlebt – die Pilger von Johanna Panzer

Ich blättere im Pilgerbuch. Rund 400 Menschen sind im vergangenen Jahr auf dem Pilgerweg nach Volkenroda gekommen, davon 90 im weitgehend sonnigen Oktober. Einige sind in etwa 14 Tagen die 300 km von Loccum aus gelaufen, andere nur einen Teilabschnitt. Immer mehr versuchen sich auf dem neu eingeweihten Weg Volkenroda – Waldsassen. Viele kommen auch mit dem Fahrrad. Das Alter der Pilger lag zwischen 8 und 80 Jahren. Der Jüngste war 14 Tage mit seinem Opa unterwegs. »22 Füße und 52 Pfoten sind heute am Ziel des Weges von Loccum nach Volkenroda angekommen.« So lautet der Eintrag im Pilgerbuch vom 10. Oktober. Ein paar Tage später kann man es auch in der Thüringer Allgemeinen lesen: Elf Menschen im Alter zwischen 21 und 67 Jahren hatten sich aus Niedersachsen mit ihren Hunden auf den Weg gemacht. Sie legten die 300 km in Etappen, verteilt aufs Jahr, zurück und kamen bei strahlendem Wetter hier an. Wenn die Pilger hier ankommen, spürt man ihnen ab, dass sie viel und Tiefes erlebt haben. Sie waren ja in der Stille mit leichtem Gepäck unterwegs, im wörtlichen und im übertragenen Sinne. Sie haben eine zeitlich begrenzte Armut auf sich genommen, die sie frei gemacht hat für neue Erfahrungen. Manche waren so hilfsbedürftig wie sonst nie, z.B. wenn das einzige Paar Schuhe in einem kleinen Ort eine Sohle verliert. Und der 84-jährige Schuster kann über Nacht helfen! Zwei total verirrte Pilgerinnen treffen einen Jogger, der ihnen die Richtung zeigt. Ein Pilger kann einem Lamm, das sich im Zaun ver-

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  66

67  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

strickt hat, das Leben retten. Sind das nun Zufälle oder doch Fügungen? Und wenn sich solche Situationen häufen? Das Laufen in der Natur öffnet vielen das Herz. Menschen finden mehr zu sich, manche Verletzung fängt an zu heilen. Sie sehen ihre Mitmenschen mit anderen Augen. Für manche führt solch eine intensive Zeit zu neuen Weichenstellungen in ihrem persönlichen und beruflichen Leben, fast alle spüren eine Kraft, die es gut mit ihnen meint. All das kommt auch im Pilgerbuch zum Ausdruck: »Es war richtig, trotz aller Mühen, nie aufzugeben. Jeder muss den Weg in seinem eigenen Tempo gehen.« »Ich bin zwar noch nicht bei mir angekommen, aber das Pilgern und dieser Ort haben mich mir sehr viel näher gebracht.« Auch diese Worte fand ich im Pilgerbuch, ich verbinde sie mit einer herzlichen Einladung: Wo kämen wir hin wenn alle sagen wo kämen wir hin und keiner ginge um zu schauen wohin man käme wenn man ginge. Kurt Marti

Sr. Johanna Panzer  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda


Hautnah erlebt – die Pilger von Johanna Panzer

Ich blättere im Pilgerbuch. Rund 400 Menschen sind im vergangenen Jahr auf dem Pilgerweg nach Volkenroda gekommen, davon 90 im weitgehend sonnigen Oktober. Einige sind in etwa 14 Tagen die 300 km von Loccum aus gelaufen, andere nur einen Teilabschnitt. Immer mehr versuchen sich auf dem neu eingeweihten Weg Volkenroda – Waldsassen. Viele kommen auch mit dem Fahrrad. Das Alter der Pilger lag zwischen 8 und 80 Jahren. Der Jüngste war 14 Tage mit seinem Opa unterwegs. »22 Füße und 52 Pfoten sind heute am Ziel des Weges von Loccum nach Volkenroda angekommen.« So lautet der Eintrag im Pilgerbuch vom 10. Oktober. Ein paar Tage später kann man es auch in der Thüringer Allgemeinen lesen: Elf Menschen im Alter zwischen 21 und 67 Jahren hatten sich aus Niedersachsen mit ihren Hunden auf den Weg gemacht. Sie legten die 300 km in Etappen, verteilt aufs Jahr, zurück und kamen bei strahlendem Wetter hier an. Wenn die Pilger hier ankommen, spürt man ihnen ab, dass sie viel und Tiefes erlebt haben. Sie waren ja in der Stille mit leichtem Gepäck unterwegs, im wörtlichen und im übertragenen Sinne. Sie haben eine zeitlich begrenzte Armut auf sich genommen, die sie frei gemacht hat für neue Erfahrungen. Manche waren so hilfsbedürftig wie sonst nie, z.B. wenn das einzige Paar Schuhe in einem kleinen Ort eine Sohle verliert. Und der 84-jährige Schuster kann über Nacht helfen! Zwei total verirrte Pilgerinnen treffen einen Jogger, der ihnen die Richtung zeigt. Ein Pilger kann einem Lamm, das sich im Zaun ver-

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strickt hat, das Leben retten. Sind das nun Zufälle oder doch Fügungen? Und wenn sich solche Situationen häufen? Das Laufen in der Natur öffnet vielen das Herz. Menschen finden mehr zu sich, manche Verletzung fängt an zu heilen. Sie sehen ihre Mitmenschen mit anderen Augen. Für manche führt solch eine intensive Zeit zu neuen Weichenstellungen in ihrem persönlichen und beruflichen Leben, fast alle spüren eine Kraft, die es gut mit ihnen meint. All das kommt auch im Pilgerbuch zum Ausdruck: »Es war richtig, trotz aller Mühen, nie aufzugeben. Jeder muss den Weg in seinem eigenen Tempo gehen.« »Ich bin zwar noch nicht bei mir angekommen, aber das Pilgern und dieser Ort haben mich mir sehr viel näher gebracht.« Auch diese Worte fand ich im Pilgerbuch, ich verbinde sie mit einer herzlichen Einladung: Wo kämen wir hin wenn alle sagen wo kämen wir hin und keiner ginge um zu schauen wohin man käme wenn man ginge. Kurt Marti

Sr. Johanna Panzer  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda


Mal sehen, Cara, ob wir sie nicht finden! 8 Weinstock Gastfreund schaft

von Johanna Panzer Ein herrlicher Spätsommertag in Volkenroda. Ich bin heute Hundesitter und führe Cara aus. »Cara, hast du schon gehört, dass vier Pilger angekommen sind? Die sollen es eilig haben.« Im Büro hat es geheißen, sie wollten den Bus um 13.30 Uhr nehmen und seien noch schnell zur Pilgerskulptur. »Mal sehen, Cara, ob wir sie da oben finden!« Als wir uns der Pilgerskulptur nähern, sehen wir sie auch schon. »Guten Tag, herzlich willkommen!« Ich stelle mich vor, wir wechseln ein paar Worte.

Offensichtlich sind sie ohne Unfall an ihr Pilgerziel gekommen. Ob sie mit neuem Elan in ihren Alltag zurückkehren können? Ich nehme alles ins Gebet und spreche es in meinen Worten aus. Am Ende ein Segenswort und »Amen!« Den Mann höre ich sagen: »Das war gut!«

In Gedanken beginne ich zu rechnen. Bis zur Bushaltestelle brauchen sie sieben Minuten, wenn es nicht überstürzt zugehen soll; wäre doch schade, am Ende eines Pilgerwegs! Bleiben sechs Minuten hier oben – für einen Pilgersegen. »Wollen Sie?«, frage ich das Quartett. Der Mann, der mir am nächsten steht, verneint entschieden. Fast gleichzeitig antwortet eine der beiden Frauen: »Ja, gerne!« Ich schaue hin und her. »Kann ja nicht schaden«, bedeute ich dem Mann. Er schmunzelt.

Sr. Johanna Panzer  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda Mit freundlicher Genehmigung: Stern überm Pilgerweg. Weggeschichten zwischen Loccum und Volkenroda, Herausgeber: Haus kirchlicher Dienste der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, 2010.

So spüre ich in mich hinein und empfinde großes Glück: Was für ein herrliches Wetter! Wird den Pilgern gewiss ähnlich gehen. Ich vermute mal: Sie haben etwas ganz Einmaliges erlebt.

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69  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Mal sehen, Cara, ob wir sie nicht finden! 8 Weinstock Gastfreund schaft

von Johanna Panzer Ein herrlicher Spätsommertag in Volkenroda. Ich bin heute Hundesitter und führe Cara aus. »Cara, hast du schon gehört, dass vier Pilger angekommen sind? Die sollen es eilig haben.« Im Büro hat es geheißen, sie wollten den Bus um 13.30 Uhr nehmen und seien noch schnell zur Pilgerskulptur. »Mal sehen, Cara, ob wir sie da oben finden!« Als wir uns der Pilgerskulptur nähern, sehen wir sie auch schon. »Guten Tag, herzlich willkommen!« Ich stelle mich vor, wir wechseln ein paar Worte.

Offensichtlich sind sie ohne Unfall an ihr Pilgerziel gekommen. Ob sie mit neuem Elan in ihren Alltag zurückkehren können? Ich nehme alles ins Gebet und spreche es in meinen Worten aus. Am Ende ein Segenswort und »Amen!« Den Mann höre ich sagen: »Das war gut!«

In Gedanken beginne ich zu rechnen. Bis zur Bushaltestelle brauchen sie sieben Minuten, wenn es nicht überstürzt zugehen soll; wäre doch schade, am Ende eines Pilgerwegs! Bleiben sechs Minuten hier oben – für einen Pilgersegen. »Wollen Sie?«, frage ich das Quartett. Der Mann, der mir am nächsten steht, verneint entschieden. Fast gleichzeitig antwortet eine der beiden Frauen: »Ja, gerne!« Ich schaue hin und her. »Kann ja nicht schaden«, bedeute ich dem Mann. Er schmunzelt.

Sr. Johanna Panzer  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda Mit freundlicher Genehmigung: Stern überm Pilgerweg. Weggeschichten zwischen Loccum und Volkenroda, Herausgeber: Haus kirchlicher Dienste der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, 2010.

So spüre ich in mich hinein und empfinde großes Glück: Was für ein herrliches Wetter! Wird den Pilgern gewiss ähnlich gehen. Ich vermute mal: Sie haben etwas ganz Einmaliges erlebt.

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Gastfreundschaft der Seele von Jens Wolf

»Dies ist aller Gastfreundschaft tiefster Sinn: Dass ein Mensch dem anderen Rast gebe auf der großen Wanderschaft zum ewigen Zuhause. Dass er für eine Weile ihm Bleibe gebe für die Seele, Ruhe, Kraft und das Vertrauen: Wir sind Weggenossen und haben gleiche Fahrt. Jede Gastfreundschaft ist gut, in der von solcher Gastfreundschaft der Seele etwas lebt.« (Romano Guardini) Sehr lebendig erinnere ich mich an eine Begegnung vor 15 Jahren mit dem damals schon über neunzigjährigen Heinrich Spaemann. Er war ein einziges Mal in Volkenroda und er staunte sehr, was hier geschaffen wurde. »Eure Räume sind so offen, dass man sich gerne in ihnen niederlässt.« So beschrieb er seinen Eindruck mit knappen Worten und fuhr fort: »Und doch sind sie so frei, dass man auch gerne wieder aus ihnen aufbricht.« Diese Worte haben für mich Gastfreundschaft und Gastfreiheit ganz neu erschlossen.

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  70

71  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Gastfreundschaft der Seele von Jens Wolf

»Dies ist aller Gastfreundschaft tiefster Sinn: Dass ein Mensch dem anderen Rast gebe auf der großen Wanderschaft zum ewigen Zuhause. Dass er für eine Weile ihm Bleibe gebe für die Seele, Ruhe, Kraft und das Vertrauen: Wir sind Weggenossen und haben gleiche Fahrt. Jede Gastfreundschaft ist gut, in der von solcher Gastfreundschaft der Seele etwas lebt.« (Romano Guardini) Sehr lebendig erinnere ich mich an eine Begegnung vor 15 Jahren mit dem damals schon über neunzigjährigen Heinrich Spaemann. Er war ein einziges Mal in Volkenroda und er staunte sehr, was hier geschaffen wurde. »Eure Räume sind so offen, dass man sich gerne in ihnen niederlässt.« So beschrieb er seinen Eindruck mit knappen Worten und fuhr fort: »Und doch sind sie so frei, dass man auch gerne wieder aus ihnen aufbricht.« Diese Worte haben für mich Gastfreundschaft und Gastfreiheit ganz neu erschlossen.

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71  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Ich habe noch an keinem anderen Ort einen solch reichen Dienst der Gastfreundschaft erfahren und werde ihn nie wieder vergessen – das Willkommen – die Freundlich­ keit der Menschen – die Offenheit und Einladung des Morgengottes­ diensts – die Bereitschaft zum Teilen der Gaben.

Foto: Thüring

er Allgemeine

It meant for me as being HOME, being in a setting that supports, feeds and encourages us.

»Ich war berührt von der Schönheit und Einheit des Orts, bei der die Spuren der Vergangenheit genauso integriert sind, wie bei dem auferstandenen Christus seine Wundmale.«

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  72

Offene Herzen

Offene Türen

Gastfreundschaft gehört zu den ältesten Werten der Menschheit. Noch heute findet man sie besonders ausgeprägt bei den Nomaden des Orients. Klöster bewahrten Gastfreundschaft als hohes Gut, der Heilige Benedikt widmet ihr ein ganzes Kapitel in seiner Klosterregel. Und die Zisterzienser, die auch das Kloster Volkenroda gründeten, hatten den Wahlspruch »porta patet – cor magis«. Zur wahren Gastfreundschaft gehören nicht nur die »offene Tür«, sondern mehr noch »die offenen Herzen«. Denn Gastfreund­schaft ist eine sinnliche Erfahrung. Es braucht Orte und Räume mit offenen Türen, doch die Atmosphäre wird durch die Herzen der dort lebenden Menschen geprägt. In einer solchen Gastfreundschaft der Seele, wie sie Guardini bezeichnet, findet der Fremde Herberge.

Gerade Fremdheit und Anonymität ist in unserem modernen Leben für viele ein vertrautes Gefühl. Wir haben wieder etwas Nomadenhaftes. Unser Alltag ist von Mobilität gekennzeichnet – viele Menschen verstehen ihr Leben als Reise; Pilgern hat wieder Konjunktur.

»Gestern besuchte ich das Kloster Volkenroda und war bis kurz vor Ende unseres Besuches schon sehr beeindruckt. In den letzten 15 Minuten steigerte sich dieses Gefühl in nachhaltige Bewunderung. Gegen Ende unseres Rundgangs kamen wir an den Klosterladen, der offensichtlich schon geschlossen war. Wir wollten schon gehen, als eine Dame auf mich zu kam, die ich auf den geschlossenen Laden ansprach. Obwohl sie wohl nicht verantwortlich war, kehrte sie um, besorgte den Schlüssel und gestattete uns den Eintritt. Es kam zu einem Gespräch mit dieser nicht nur freundlichen, sondern auch sehr aufgeschlossenen Dame, das sehr nachhaltig auf mich wirkte. Ich würde gerne im Sommer wieder Ihr Kloster besuchen, verbunden mit dem Wunsch, dieses wunderbare Gespräch von gestern fortzusetzen.«

73  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Die Türen im Kloster Volkenroda und die Tore des ChristusPavillon stehen offen. Sie stehen offen für unterschiedliche Menschen – Arme und Reiche, Gebildete und Bildungsbenachteiligte, Getaufte und Ungetaufte. Jährlich treten etwa 40.000 Besucher durch diese Türen. Und wenn es uns gelingt, uns mit ganzer Person auf die Fremdheit und Andersartigkeit dieser Menschen einzulassen, dann kann Gastfreundschaft zu einem Ausdruck der Lebensfreude werden. Dies drückt sich besonders im gemeinsamen Essen aus. Von Platon heißt es, dass er seine Philosophie bei Gastmahlen entwickelte. Die Bibel berichtet immer wieder von gemeinsamen Mahlzeiten – und Jesus hatte keine Mühe, sich immer wieder einladen zu lassen. Ob das Gespräch bei der Bratwurst auf dem Bauernmarkt, das Pizzabacken der Schulklasse in unserem Lehmbackofen oder der festlich gedeckte Tisch am Sonnabend im Gästehaus – beim gemeinsamen Essen kommen Menschen zusammen, und es entsteht Vertrautheit.


Ich habe noch an keinem anderen Ort einen solch reichen Dienst der Gastfreundschaft erfahren und werde ihn nie wieder vergessen – das Willkommen – die Freundlich­ keit der Menschen – die Offenheit und Einladung des Morgengottes­ diensts – die Bereitschaft zum Teilen der Gaben.

Foto: Thüring

er Allgemeine

It meant for me as being HOME, being in a setting that supports, feeds and encourages us.

»Ich war berührt von der Schönheit und Einheit des Orts, bei der die Spuren der Vergangenheit genauso integriert sind, wie bei dem auferstandenen Christus seine Wundmale.«

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  72

Offene Herzen

Offene Türen

Gastfreundschaft gehört zu den ältesten Werten der Menschheit. Noch heute findet man sie besonders ausgeprägt bei den Nomaden des Orients. Klöster bewahrten Gastfreundschaft als hohes Gut, der Heilige Benedikt widmet ihr ein ganzes Kapitel in seiner Klosterregel. Und die Zisterzienser, die auch das Kloster Volkenroda gründeten, hatten den Wahlspruch »porta patet – cor magis«. Zur wahren Gastfreundschaft gehören nicht nur die »offene Tür«, sondern mehr noch »die offenen Herzen«. Denn Gastfreund­schaft ist eine sinnliche Erfahrung. Es braucht Orte und Räume mit offenen Türen, doch die Atmosphäre wird durch die Herzen der dort lebenden Menschen geprägt. In einer solchen Gastfreundschaft der Seele, wie sie Guardini bezeichnet, findet der Fremde Herberge.

Gerade Fremdheit und Anonymität ist in unserem modernen Leben für viele ein vertrautes Gefühl. Wir haben wieder etwas Nomadenhaftes. Unser Alltag ist von Mobilität gekennzeichnet – viele Menschen verstehen ihr Leben als Reise; Pilgern hat wieder Konjunktur.

»Gestern besuchte ich das Kloster Volkenroda und war bis kurz vor Ende unseres Besuches schon sehr beeindruckt. In den letzten 15 Minuten steigerte sich dieses Gefühl in nachhaltige Bewunderung. Gegen Ende unseres Rundgangs kamen wir an den Klosterladen, der offensichtlich schon geschlossen war. Wir wollten schon gehen, als eine Dame auf mich zu kam, die ich auf den geschlossenen Laden ansprach. Obwohl sie wohl nicht verantwortlich war, kehrte sie um, besorgte den Schlüssel und gestattete uns den Eintritt. Es kam zu einem Gespräch mit dieser nicht nur freundlichen, sondern auch sehr aufgeschlossenen Dame, das sehr nachhaltig auf mich wirkte. Ich würde gerne im Sommer wieder Ihr Kloster besuchen, verbunden mit dem Wunsch, dieses wunderbare Gespräch von gestern fortzusetzen.«

73  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

Die Türen im Kloster Volkenroda und die Tore des ChristusPavillon stehen offen. Sie stehen offen für unterschiedliche Menschen – Arme und Reiche, Gebildete und Bildungsbenachteiligte, Getaufte und Ungetaufte. Jährlich treten etwa 40.000 Besucher durch diese Türen. Und wenn es uns gelingt, uns mit ganzer Person auf die Fremdheit und Andersartigkeit dieser Menschen einzulassen, dann kann Gastfreundschaft zu einem Ausdruck der Lebensfreude werden. Dies drückt sich besonders im gemeinsamen Essen aus. Von Platon heißt es, dass er seine Philosophie bei Gastmahlen entwickelte. Die Bibel berichtet immer wieder von gemeinsamen Mahlzeiten – und Jesus hatte keine Mühe, sich immer wieder einladen zu lassen. Ob das Gespräch bei der Bratwurst auf dem Bauernmarkt, das Pizzabacken der Schulklasse in unserem Lehmbackofen oder der festlich gedeckte Tisch am Sonnabend im Gästehaus – beim gemeinsamen Essen kommen Menschen zusammen, und es entsteht Vertrautheit.


Gott als Gastgeber Der Höhepunkt der Gastfreundschaft ist der gemeinsame Gottesdienst – in der alten Klosterkirche oder im modernen Christus-Pavillon. Hier schlägt Gastfreundschaft eine Brücke zum ewigen Zuhause, in dem uns der gedeckte Tisch mit dem großen Gastmahl erwartet. »Ich habe noch an keinem anderen Ort einen solch reichen Dienst der Gastfreundschaft erfahren und werde ihn nie wieder vergessen – das Willkommen – die Freundlichkeit der Menschen – die Offenheit und Einladung des Morgengottesdiensts – die Bereitschaft zum Teilen der Gaben.« Mit offenen Türen und offenen Herzen versuchen wir, den Menschen zu begegnen. Und dabei wissen wir, dass Gott selber der Gastgeber ist. Und wenn es dann geschieht, dass ein Gast diese Erfahrung machen darf, dann ist es Gnade. »Irgendetwas in mir ist geschehen. Es ist ein Spüren, ganz neu zu mir selbst gefunden zu haben, etwas abschließen zu können und gefunden zu haben, was ich lange gesucht habe. Oder, noch einfacher: gefunden zu sein. Gott ist einfach da.«

Von Rabbi Schmuel von Brysow wird berichtet, dass er sehr reich und angesehen war. Eines Abends kam eine Gruppe von Kaufleuten nach Brysow. Und weil es kurz vor Schabbat­ anbruch war, beschlossen sie, den Festtag in der Stadt zu bleiben. So kamen sie an seine Tür und erkundigten sich, ob

sie in seinem Haus Herberge finden und das Schabbatmahl mit ihm teilen dürften. Rabbi Schmuel erwiderte, er könne ihnen beides anbieten – allerdings nur gegen Bezahlung. Und dann nannte er noch einen sehr hohen Preis. Befremdet nahmen die Reisenden das Angebot an. Und so aßen sie und tranken sie über den Schabbat zu Genüge, verlangten noch erlesene Weine und ausgesuchte Speisen und hatten alle möglichen Sonderwünsche – für den hohen Preis, den sie zu entrichten hatten. Als der Schabbat vorüber war, wollten sie Rabbi Schmuel die vereinbarte Summe bezahlen. Der aber brach in ein Lachen aus und fragte sie, ob sie den Verstand verloren hätten – wie könne er für das Privileg der Gastfreundschaft Geld annehmen. Verständnislos fragten ihn die Kaufleute nach dem Grund seiner ursprünglichen Bedingung einer hohen Bezahlung. Da erklärte Rabbi Schmuel: »Ich fürchtete, es könnte euch peinlich sein, genug zu essen und reichlich zu trinken, wenn ihr euch nur als meine Gäste fühlt. Und – seid ehrlich – hatte ich nicht recht?«

9 Licht stille

Jens Wolf  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

Ich fahre nur kurz nach Hause und zieh‘ dann hier ein... B.K., 4.6.2009

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  74

75  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Gott als Gastgeber Der Höhepunkt der Gastfreundschaft ist der gemeinsame Gottesdienst – in der alten Klosterkirche oder im modernen Christus-Pavillon. Hier schlägt Gastfreundschaft eine Brücke zum ewigen Zuhause, in dem uns der gedeckte Tisch mit dem großen Gastmahl erwartet. »Ich habe noch an keinem anderen Ort einen solch reichen Dienst der Gastfreundschaft erfahren und werde ihn nie wieder vergessen – das Willkommen – die Freundlichkeit der Menschen – die Offenheit und Einladung des Morgengottesdiensts – die Bereitschaft zum Teilen der Gaben.« Mit offenen Türen und offenen Herzen versuchen wir, den Menschen zu begegnen. Und dabei wissen wir, dass Gott selber der Gastgeber ist. Und wenn es dann geschieht, dass ein Gast diese Erfahrung machen darf, dann ist es Gnade. »Irgendetwas in mir ist geschehen. Es ist ein Spüren, ganz neu zu mir selbst gefunden zu haben, etwas abschließen zu können und gefunden zu haben, was ich lange gesucht habe. Oder, noch einfacher: gefunden zu sein. Gott ist einfach da.«

Von Rabbi Schmuel von Brysow wird berichtet, dass er sehr reich und angesehen war. Eines Abends kam eine Gruppe von Kaufleuten nach Brysow. Und weil es kurz vor Schabbat­ anbruch war, beschlossen sie, den Festtag in der Stadt zu bleiben. So kamen sie an seine Tür und erkundigten sich, ob

sie in seinem Haus Herberge finden und das Schabbatmahl mit ihm teilen dürften. Rabbi Schmuel erwiderte, er könne ihnen beides anbieten – allerdings nur gegen Bezahlung. Und dann nannte er noch einen sehr hohen Preis. Befremdet nahmen die Reisenden das Angebot an. Und so aßen sie und tranken sie über den Schabbat zu Genüge, verlangten noch erlesene Weine und ausgesuchte Speisen und hatten alle möglichen Sonderwünsche – für den hohen Preis, den sie zu entrichten hatten. Als der Schabbat vorüber war, wollten sie Rabbi Schmuel die vereinbarte Summe bezahlen. Der aber brach in ein Lachen aus und fragte sie, ob sie den Verstand verloren hätten – wie könne er für das Privileg der Gastfreundschaft Geld annehmen. Verständnislos fragten ihn die Kaufleute nach dem Grund seiner ursprünglichen Bedingung einer hohen Bezahlung. Da erklärte Rabbi Schmuel: »Ich fürchtete, es könnte euch peinlich sein, genug zu essen und reichlich zu trinken, wenn ihr euch nur als meine Gäste fühlt. Und – seid ehrlich – hatte ich nicht recht?«

9 Licht stille

Jens Wolf  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

Ich fahre nur kurz nach Hause und zieh‘ dann hier ein... B.K., 4.6.2009

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75  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Ein Weg mit den Kammern im Christus-Pavillon von Christiane Wolf

Jesus Christus spricht:   Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der   wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird   das Licht des Lebens haben. (Johannes 8,12)

Im Übergang zwischen Christus-Raum und Kreuzgang sind neben den einzelnen Durchgängen neun Kammern angeordnet. Kleine Räume der Stille, die den Betrachter zu persön­licher Andacht einladen. Der Künstler Andreas Felger nimmt in ihrer Gestaltung Bezug auf elementare Bibelworte. Christiane Wolf begleitet Besucher durch den Christus-Pavillon. Ihre Erfahrung: Ein Gang entlang dieser Kammern kann zu einer Begegnung mit Jesus Christus führen, der uns Menschen in seiner Person die Freundschaft mit Gott anbietet. Nebenstehend eine Meditation von ihr zur Kammer Licht.

Freundschaft kann ein ganzes Leben hell, freundlich, warm und lebenswert machen. In Dunkelheit, wenn ich Orientierung suche, ist Freundschaft mit Gott der Lichtschein für meinen Weg. Jesus, der Freund, ist mir leuchtendes Vorbild durch sein Leben. Die Kraft einer kleinen Kerze durchbricht die Dunkelheit eines groSSen Saales. So wird von meiner Freundschaft mit Gott etwas Helles, Freundliches und Warmes ausgehen und ein Stück der Kälte und Dunkelheit unserer Welt wegschmelzen.

Christiane Wolf  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda, ausgebildet in Geistlicher Begleitung

Gelebte Freundschaft mit Gott wird zum Licht für die Welt.

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77  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Ein Weg mit den Kammern im Christus-Pavillon von Christiane Wolf

Jesus Christus spricht:   Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der   wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird   das Licht des Lebens haben. (Johannes 8,12)

Im Übergang zwischen Christus-Raum und Kreuzgang sind neben den einzelnen Durchgängen neun Kammern angeordnet. Kleine Räume der Stille, die den Betrachter zu persön­licher Andacht einladen. Der Künstler Andreas Felger nimmt in ihrer Gestaltung Bezug auf elementare Bibelworte. Christiane Wolf begleitet Besucher durch den Christus-Pavillon. Ihre Erfahrung: Ein Gang entlang dieser Kammern kann zu einer Begegnung mit Jesus Christus führen, der uns Menschen in seiner Person die Freundschaft mit Gott anbietet. Nebenstehend eine Meditation von ihr zur Kammer Licht.

Freundschaft kann ein ganzes Leben hell, freundlich, warm und lebenswert machen. In Dunkelheit, wenn ich Orientierung suche, ist Freundschaft mit Gott der Lichtschein für meinen Weg. Jesus, der Freund, ist mir leuchtendes Vorbild durch sein Leben. Die Kraft einer kleinen Kerze durchbricht die Dunkelheit eines groSSen Saales. So wird von meiner Freundschaft mit Gott etwas Helles, Freundliches und Warmes ausgehen und ein Stück der Kälte und Dunkelheit unserer Welt wegschmelzen.

Christiane Wolf  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda, ausgebildet in Geistlicher Begleitung

Gelebte Freundschaft mit Gott wird zum Licht für die Welt.

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77  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Erfahrungen mit der Stille von Johanna Panzer

Gewässer haben auf mich eine große Anziehungskraft: Bäche, Flüsse, Teiche, Seen. Wasser als Symbol für Leben! Vor meinem inneren Auge sehe ich einen Teich. Ein starker Wind trifft auf das Wasser: Ein aufgewühlter Ozean in Miniatur! Der Blick ist gefesselt von den verschieden­a rtigen Bewegungen an der Wasseroberfläche. Am nächsten Tag hat sich der Wind gelegt. Die Wasserfläche ist glatt und gibt den Blick frei auf den Boden des Teiches. Da ist manches, was ich gestern nicht wahrnehmen konnte: Goldfische ziehen ihre Runden. Und hier blitzt etwas silbrig auf. Da hat doch jemand etwas Wertvolles verloren! Und dort! Ein alter Schuh, den man auch richtig entsorgen könnte. Unser Leben gleicht oft einem aufgewühlten Gewässer. In der Stille ist es mir möglich, tiefer zu schauen und zu hören. Dazu laden wir ein: Tage der Stille, meditatives Wandern, Pilgern.

Sr. Johanna Panzer Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

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Erfahrungen mit der Stille von Johanna Panzer

Gewässer haben auf mich eine große Anziehungskraft: Bäche, Flüsse, Teiche, Seen. Wasser als Symbol für Leben! Vor meinem inneren Auge sehe ich einen Teich. Ein starker Wind trifft auf das Wasser: Ein aufgewühlter Ozean in Miniatur! Der Blick ist gefesselt von den verschieden­a rtigen Bewegungen an der Wasseroberfläche. Am nächsten Tag hat sich der Wind gelegt. Die Wasserfläche ist glatt und gibt den Blick frei auf den Boden des Teiches. Da ist manches, was ich gestern nicht wahrnehmen konnte: Goldfische ziehen ihre Runden. Und hier blitzt etwas silbrig auf. Da hat doch jemand etwas Wertvolles verloren! Und dort! Ein alter Schuh, den man auch richtig entsorgen könnte. Unser Leben gleicht oft einem aufgewühlten Gewässer. In der Stille ist es mir möglich, tiefer zu schauen und zu hören. Dazu laden wir ein: Tage der Stille, meditatives Wandern, Pilgern.

Sr. Johanna Panzer Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

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79  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Volkenroda ist ein Licht in einer Region Deutschlands, die es schwer hat. Man mag Informationen, Berichten und Beschreibungen über Sachverhalte oder Orte vertrauen, ein persönlich erlebter Eindruck jedoch vermittelt erst das „richtige«, umfassende Bild. Man lernt die am Ort lebenden und handelnden Menschen persönlich kennen. Man weiß die spirituelle und gesellschaftliche Bedeutung der Ortsgemeinschaft besser einzuschätzen. Man lernt, Hilfsbedürftigkeit und Entwicklungsmöglichkeiten durch direkten Augenschein besser einzuordnen. Das gilt in besonderer Weise für Dorf und Kloster Volkenroda. Ich besuche mehrere Male im Jahr die Volkenrodaer Klostergemeinschaft und stehe darüber hinaus als Stiftungsratsmitglied ständig in Kontakt mit ihr. Volkenroda ist ein Leuchtturm gelebten Glaubens an Jesus Christus für christliche Nächstenliebe, ein Ort der Orientierung und Begegnung, Licht in einer Region Deutschlands, die es schwer hat. Das ist der Grund, warum ich mit Freude und Dankbarkeit dabei bin.

10 christus raum ng u ig d n ü k r e V

Friedhelm Loh Unternehmer, Mitglied des Stiftungsrates

Durch Weisheit wird ein Haus gebaut und durch Verstand erhalten, und durch ordentliches Haushalten werden die Kammern voll kostbarer, lieblicher Habe. Sprüche Salomos 24, 3-4 Diese biblische Einsicht finde ich in Volkenroda bestätigt, nicht in erster Linie baulich und finanziell, sondern vor allem geistlich. Beten und arbeiten gehören hier zusammen. Beides geht nicht ohne Verstand, aber bei beidem darf sich Weisheit einstellen, beides darf Früchte bringen, auf beidem liegt Segen und macht Volkenroda zu einem guten Ort. Oberkirchenrat Stefan Große  Finanzdezernent der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland Mitglied des Stiftungsrates

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  80

81  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Volkenroda ist ein Licht in einer Region Deutschlands, die es schwer hat. Man mag Informationen, Berichten und Beschreibungen über Sachverhalte oder Orte vertrauen, ein persönlich erlebter Eindruck jedoch vermittelt erst das „richtige«, umfassende Bild. Man lernt die am Ort lebenden und handelnden Menschen persönlich kennen. Man weiß die spirituelle und gesellschaftliche Bedeutung der Ortsgemeinschaft besser einzuschätzen. Man lernt, Hilfsbedürftigkeit und Entwicklungsmöglichkeiten durch direkten Augenschein besser einzuordnen. Das gilt in besonderer Weise für Dorf und Kloster Volkenroda. Ich besuche mehrere Male im Jahr die Volkenrodaer Klostergemeinschaft und stehe darüber hinaus als Stiftungsratsmitglied ständig in Kontakt mit ihr. Volkenroda ist ein Leuchtturm gelebten Glaubens an Jesus Christus für christliche Nächstenliebe, ein Ort der Orientierung und Begegnung, Licht in einer Region Deutschlands, die es schwer hat. Das ist der Grund, warum ich mit Freude und Dankbarkeit dabei bin.

10 christus raum ng u ig d n ü k r e V

Friedhelm Loh Unternehmer, Mitglied des Stiftungsrates

Durch Weisheit wird ein Haus gebaut und durch Verstand erhalten, und durch ordentliches Haushalten werden die Kammern voll kostbarer, lieblicher Habe. Sprüche Salomos 24, 3-4 Diese biblische Einsicht finde ich in Volkenroda bestätigt, nicht in erster Linie baulich und finanziell, sondern vor allem geistlich. Beten und arbeiten gehören hier zusammen. Beides geht nicht ohne Verstand, aber bei beidem darf sich Weisheit einstellen, beides darf Früchte bringen, auf beidem liegt Segen und macht Volkenroda zu einem guten Ort. Oberkirchenrat Stefan Große  Finanzdezernent der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland Mitglied des Stiftungsrates

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81  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Sehnsucht nach heiligen Räumen Der Christus-Pavillon als Gleichnis für die Herrlichkeit Gottes von Karl-Heinz Michel

Im Sommer habe ich zweimal das gleiche beobachtet und erlebt: junge Menschen gingen durch den Innenraum des ChristusPavillon, blieben immer wieder stehen, schauten hoch, schüttelten verwundert den Kopf, gingen weiter… Ich sprach sie an. »Unglaublich, dieser Raum«, sagte einer, »er fasziniert mich total!« Es war ein Azubi von einer süddeutschen Firmengruppe, die im Jugendbildungszentrum zu Gast war. Der andere war ein Chorsänger aus Erfurt, von Beruf Lokomotivführer, der nach dem Konzert­gottesdienst noch einmal zurückkehrte in den Pavillon, nur um zu schauen. Christus-Pavillon Volkenroda – nicht jeder denkt dabei sofort an eine Kirche. Von den ca. 25.000 Besuchern im Jahr kommen viele, um ein interessantes Bauwerk zu sehen, das einmal auf der Weltausstellung stand, oder weil sie etwas von Volkenroda in den Medien gehört haben. Die Schwelle ist niedrig. Die offene Architektur lädt ein. Manche Besucher spazieren mit dem Hund in den Kreuzgang. Doch wenn sie durch einen der Durchgänge den Innenraum betreten, bleiben sie erst einmal wie angewurzelt stehen – völlig überrascht von seiner Größe und Höhe, von der Lichtfülle und Ruhe, der Klarheit der Formen. Der Blick geht unwei-

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  82

83  Auf dem Weg zur Mitte – Christus

gerlich nach oben, an den schlanken Säulen entlang bis zur Decke, die sich um die Säulen­köpfe herum direkt zum Himmel öffnet. »Surrexit domus«, so hat Ernaut, ein Biograph des heiligen Bernhard von Clairvaux, vor 850 Jahren über die Zistezienserkirche geschrieben: »das Haus erhebt sich, steht auf.« Das könnte man genauso vom Christus-­ Pavillon sagen: Ein hoher Raum »erhebt« sich, erhebt zugleich die Seele, vermittelt ein Gefühl von Erhabenheit und Hoheit. Wenn die Sonne scheint, vielleicht noch unterbrochen vom Vorüberziehen der Wolken, lebt der Stein auf. Es übt eine unwiderstehliche Faszination aus, wenn das Sonnenlicht mit den weißen Marmorplatten spielt, von denen jede ihr eigenes Gesicht hat. Man kann nicht hindurchsehen, und doch strahlt das Licht der Sonne wunderbar hinein – wie aus einer anderen Welt – und bringt den Stein zum Leuchten. Er wird gleichsam zum Hinweis auf eine der Moderne verloren­gegangene Transzendenz. Durch den leuchtenden Stein hindurch gehen die Gedanken hinüber in eine jenseitige, lichtvolle Welt. Der Innenraum hat ohne Zweifel eine mystisch sakrale Wirkung, aber hier wirkt kein mystisches Dunkel, sondern mystisches Licht. Er wird zum »Gleichnis für

die Herrlichkeit Gottes«, für die Herrlichkeit der kommenden neuen Welt Gottes. »Ein Kirchenraum war immer auch ›domus Dei‹ und als solcher in seiner Form und Ausstattung Gleichnis für die Herrlichkeit Gottes« (Stephanie Lehr-Rosenberg). Das trifft in eindrücklicher Weise für den Innenraum des Christus-Pavillon zu, seiner sakralen Wirkung kann man sich kaum entziehen. So trägt die Architektur des Christus-­ Pavillon, der Kreuzgang, die von Andreas Felger gestalteten Kammern mit ihrer Botschaft und vor allem der Innenraum kräftig dazu bei, dass der Pavillon zu einem geistlich-spirituellen Ort geworden ist, der kirchenferne Besucher anzieht. Er kommt einer heute wieder erstarkenden »Sehnsucht nach heiligen Räumen« entgegen, in denen die Seele zur Ruhe kommt und aufatmen kann. Auch die angebotenen Veranstaltungen, Meditationen und Impulse tragen dazu bei. Konzerte und Filmabende nehmen alle Befangenheit vor einem »kirchlichen Raum«. Mehrfach in der Sommersaison sind die meisten Stühle im Christus-Pavillon besetzt. Zum Beispiel beim Sommerkino im Pavillon, das als Freilichtkino zwar im Innenhof stattfinden sollte, aber wegen Regen nach innen


Sehnsucht nach heiligen Räumen Der Christus-Pavillon als Gleichnis für die Herrlichkeit Gottes von Karl-Heinz Michel

Im Sommer habe ich zweimal das gleiche beobachtet und erlebt: junge Menschen gingen durch den Innenraum des ChristusPavillon, blieben immer wieder stehen, schauten hoch, schüttelten verwundert den Kopf, gingen weiter… Ich sprach sie an. »Unglaublich, dieser Raum«, sagte einer, »er fasziniert mich total!« Es war ein Azubi von einer süddeutschen Firmengruppe, die im Jugendbildungszentrum zu Gast war. Der andere war ein Chorsänger aus Erfurt, von Beruf Lokomotivführer, der nach dem Konzert­gottesdienst noch einmal zurückkehrte in den Pavillon, nur um zu schauen. Christus-Pavillon Volkenroda – nicht jeder denkt dabei sofort an eine Kirche. Von den ca. 25.000 Besuchern im Jahr kommen viele, um ein interessantes Bauwerk zu sehen, das einmal auf der Weltausstellung stand, oder weil sie etwas von Volkenroda in den Medien gehört haben. Die Schwelle ist niedrig. Die offene Architektur lädt ein. Manche Besucher spazieren mit dem Hund in den Kreuzgang. Doch wenn sie durch einen der Durchgänge den Innenraum betreten, bleiben sie erst einmal wie angewurzelt stehen – völlig überrascht von seiner Größe und Höhe, von der Lichtfülle und Ruhe, der Klarheit der Formen. Der Blick geht unwei-

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gerlich nach oben, an den schlanken Säulen entlang bis zur Decke, die sich um die Säulen­köpfe herum direkt zum Himmel öffnet. »Surrexit domus«, so hat Ernaut, ein Biograph des heiligen Bernhard von Clairvaux, vor 850 Jahren über die Zistezienserkirche geschrieben: »das Haus erhebt sich, steht auf.« Das könnte man genauso vom Christus-­ Pavillon sagen: Ein hoher Raum »erhebt« sich, erhebt zugleich die Seele, vermittelt ein Gefühl von Erhabenheit und Hoheit. Wenn die Sonne scheint, vielleicht noch unterbrochen vom Vorüberziehen der Wolken, lebt der Stein auf. Es übt eine unwiderstehliche Faszination aus, wenn das Sonnenlicht mit den weißen Marmorplatten spielt, von denen jede ihr eigenes Gesicht hat. Man kann nicht hindurchsehen, und doch strahlt das Licht der Sonne wunderbar hinein – wie aus einer anderen Welt – und bringt den Stein zum Leuchten. Er wird gleichsam zum Hinweis auf eine der Moderne verloren­gegangene Transzendenz. Durch den leuchtenden Stein hindurch gehen die Gedanken hinüber in eine jenseitige, lichtvolle Welt. Der Innenraum hat ohne Zweifel eine mystisch sakrale Wirkung, aber hier wirkt kein mystisches Dunkel, sondern mystisches Licht. Er wird zum »Gleichnis für

die Herrlichkeit Gottes«, für die Herrlichkeit der kommenden neuen Welt Gottes. »Ein Kirchenraum war immer auch ›domus Dei‹ und als solcher in seiner Form und Ausstattung Gleichnis für die Herrlichkeit Gottes« (Stephanie Lehr-Rosenberg). Das trifft in eindrücklicher Weise für den Innenraum des Christus-Pavillon zu, seiner sakralen Wirkung kann man sich kaum entziehen. So trägt die Architektur des Christus-­ Pavillon, der Kreuzgang, die von Andreas Felger gestalteten Kammern mit ihrer Botschaft und vor allem der Innenraum kräftig dazu bei, dass der Pavillon zu einem geistlich-spirituellen Ort geworden ist, der kirchenferne Besucher anzieht. Er kommt einer heute wieder erstarkenden »Sehnsucht nach heiligen Räumen« entgegen, in denen die Seele zur Ruhe kommt und aufatmen kann. Auch die angebotenen Veranstaltungen, Meditationen und Impulse tragen dazu bei. Konzerte und Filmabende nehmen alle Befangenheit vor einem »kirchlichen Raum«. Mehrfach in der Sommersaison sind die meisten Stühle im Christus-Pavillon besetzt. Zum Beispiel beim Sommerkino im Pavillon, das als Freilichtkino zwar im Innenhof stattfinden sollte, aber wegen Regen nach innen


verlegt wurde. Viele junge Leute waren unter den Besuchern, die fragten, warum wir nicht an noch mehr Abenden Sommerkino anbieten. Nach den Veranstaltungen, bei einem Glas Wein oder Bier am »Café im Kubus« oder im äußeren Kreuzgang, kommt man leicht miteinander ins Gespräch. Und oft höre ich dann verwundert: »Ich wusste gar nicht, dass…« es hier Sommerkino gibt, und eine Kunstaustellung, und einen Feier­ abend-Gottesdienst, und überhaupt die Atmosphäre, der faszinierende Innenraum, die Akustik, das Ambiente… Vor kurzem hat eine Besucherin aus der Region, die schon mehrfach ihren Gästen die Klosteranlage gezeigt hat, unser Meditationsangebot entdeckt, weil sie zufällig um diese Zeit in den Christus-Pavillon kam: nachdenklich schöne Musik von Giora Feidmann, die dann immer fröhlicher wird, passend zur Meditation über die großartige Vision vom himmlischen Jerusalem: »Gott wird abwischen alle Tränen«. Und die Marmor­wände leuchteten dazu. »Das tat gut«, sagte sie hinterher. Offene Türen, niedrige Schwelle: Wir haben uns erst daran gewöhnen müssen, dass während des Sonntagsgottesdienstes im Christus-­Pavillon schon Besucher im Kreuzgang herumschlendern. Manche schauen durch einen der neun Durchgänge in den Innenraum herein. Und es kann passieren, das sich einer auf einen Hocker am Rande hinsetzt und sitzen bleibt, neugierig das Geschehen des Gottesdienstes beobachtend. Wir bemühen uns um eine verständliche Sprache, um lebendige Lieder, um eine

gepflegte Liturgie. Und wenn nach dem Gottesdienst ein Besucher sagt: »Das war aber ein schöner Gottesdienst!«, dann ist das wohl eher ein seltenes Lob, worauf schon das kleine »aber« hinweist. Es sind immer nur spirituelle Impulse, die wir im Christus-Pavillon vermitteln können, in der Hoffnung, dass sie haften bleiben und weiter wirken. Viele der ehrenamtlichen Mitarbeiter, die für ein, zwei Wochen mithelfen, erklären Besuchern, die dies wollen, die eindrücklichen Kammern von Andreas Felger. »Ich mache das gerne«, sagt der freundliche Ruhestandspfarrer, »die Besucher sollen doch etwas vom Evangelium mitbekommen!« Manche bleiben nach dem Mittagsgebet noch etwas sitzen: Gebet für Frieden und Versöhnung, angefangen im eigenen Haus bis hin in die Nöte der Welt. Die erste Kerze wird meist für die eigene Familie angezündet: ein Gebet für das Miteinander der Eheleute, der Eltern und Kinder – wer könnte da nicht mit einstimmen? Frieden wünschen wir uns alle. Dass die offenen Türen des Christus-Pavillon Menschen hinleiten zum Herzen Gottes, ist unser großes Anliegen. »Christus, Sonne, erleuchte uns alle!«, stand dieser Tage im Gästebuch. Dieser Bitte können wir uns nur anschließen.

Dr. Karl-Heinz Michel (1946-2006) ehem. Pfarrer im Kloster Volkenroda, ehem. Mitglied des Stiftungsrates

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verlegt wurde. Viele junge Leute waren unter den Besuchern, die fragten, warum wir nicht an noch mehr Abenden Sommerkino anbieten. Nach den Veranstaltungen, bei einem Glas Wein oder Bier am »Café im Kubus« oder im äußeren Kreuzgang, kommt man leicht miteinander ins Gespräch. Und oft höre ich dann verwundert: »Ich wusste gar nicht, dass…« es hier Sommerkino gibt, und eine Kunstaustellung, und einen Feier­ abend-Gottesdienst, und überhaupt die Atmosphäre, der faszinierende Innenraum, die Akustik, das Ambiente… Vor kurzem hat eine Besucherin aus der Region, die schon mehrfach ihren Gästen die Klosteranlage gezeigt hat, unser Meditationsangebot entdeckt, weil sie zufällig um diese Zeit in den Christus-Pavillon kam: nachdenklich schöne Musik von Giora Feidmann, die dann immer fröhlicher wird, passend zur Meditation über die großartige Vision vom himmlischen Jerusalem: »Gott wird abwischen alle Tränen«. Und die Marmor­wände leuchteten dazu. »Das tat gut«, sagte sie hinterher. Offene Türen, niedrige Schwelle: Wir haben uns erst daran gewöhnen müssen, dass während des Sonntagsgottesdienstes im Christus-­Pavillon schon Besucher im Kreuzgang herumschlendern. Manche schauen durch einen der neun Durchgänge in den Innenraum herein. Und es kann passieren, das sich einer auf einen Hocker am Rande hinsetzt und sitzen bleibt, neugierig das Geschehen des Gottesdienstes beobachtend. Wir bemühen uns um eine verständliche Sprache, um lebendige Lieder, um eine

gepflegte Liturgie. Und wenn nach dem Gottesdienst ein Besucher sagt: »Das war aber ein schöner Gottesdienst!«, dann ist das wohl eher ein seltenes Lob, worauf schon das kleine »aber« hinweist. Es sind immer nur spirituelle Impulse, die wir im Christus-Pavillon vermitteln können, in der Hoffnung, dass sie haften bleiben und weiter wirken. Viele der ehrenamtlichen Mitarbeiter, die für ein, zwei Wochen mithelfen, erklären Besuchern, die dies wollen, die eindrücklichen Kammern von Andreas Felger. »Ich mache das gerne«, sagt der freundliche Ruhestandspfarrer, »die Besucher sollen doch etwas vom Evangelium mitbekommen!« Manche bleiben nach dem Mittagsgebet noch etwas sitzen: Gebet für Frieden und Versöhnung, angefangen im eigenen Haus bis hin in die Nöte der Welt. Die erste Kerze wird meist für die eigene Familie angezündet: ein Gebet für das Miteinander der Eheleute, der Eltern und Kinder – wer könnte da nicht mit einstimmen? Frieden wünschen wir uns alle. Dass die offenen Türen des Christus-Pavillon Menschen hinleiten zum Herzen Gottes, ist unser großes Anliegen. »Christus, Sonne, erleuchte uns alle!«, stand dieser Tage im Gästebuch. Dieser Bitte können wir uns nur anschließen.

Dr. Karl-Heinz Michel (1946-2006) ehem. Pfarrer im Kloster Volkenroda, ehem. Mitglied des Stiftungsrates

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Es bereichert mein Leben Interview mit Fritz Reich, Helfer am Christus-Pavillon von Christiane Wolf

C.W. Fritz, seit vielen Jahren gehst du jetzt schon einmal im Jahr ins Kloster, um zu helfen und auch, um etwas mitzunehmen. Worum genau geht es dir da? F.R. Genau das fragen meine Bekannten auch, sie werden neugierig und haben Fragen. Das ist schon mein erster Erfolg! Es ist ganz viel, worum es mir geht: um mich selbst und um die vielen Menschen, denen ich dort begegne! Es tut mir gut, wahrgenommen und anerkannt zu werden, das Alleinsein tut mir gut, wenn ich vor der Öffnung morgens meinen Rundgang durch den Christus-Pavillon mache und fege und Dreck wegschrubbe oder die Kerzen auffülle und anzünde. Dabei bewegen mich gute Gedanken, ich habe Muße zum Nachdenken und Meditieren. Wenn die Gäste dann kommen, ist es an mir zuzuhören, unaufdringlich da zu sein, Gesprächsbereitschaft zu zeigen, zu erklären und zu zeigen.

F.R. Das ist das Schöne: Ganz unterschiedliche Besucher, Touristen und Pilger, ein Architektur-Professor mit Studenten und Stammgäste aus der Region, fromme Kirchenleute und Skeptiker, Schulkinder und Senioren, Großeltern mit Enkeln und verliebte Pärchen. Genauso vielfältig sind die Zugänge zu den Unterhaltungen, die entstehen. Der Mut zur Vielseitigkeit und die damit verbundene Offenheit gefällt mir bei den Menschen am Ort und ihren Gästen, auch an den Gebäuden in ihrer unterschiedlichen Architektur. C.W. Ist das nicht anstrengend, sich immer wieder neu auf unterschiedliche Menschen und ihre Bedürfnisse einzustellen? F. R. Ja, aber es macht mich auch glücklich, wenn die Besucher vom Platz berührt sind und sich öffnen und wir ins Gespräch übers Leben kommen. Und es bereichert mein Leben, wenn ich hier im Rhythmus von ora et labora, Gebet

C.W. Ich danke dir herzlich für dieses Gespräch und wünsche dir noch viele Male diese bunte Erfahrung im Kloster. F.R. Danke, das wünsche ich mir auch, möchte aber noch eine kleine Begebenheit erzählen! Ich führte eine ältere, gehbehinderte Dame durch den Pavillon und wir hörten das Gezwitscher der Schwalben, die im Kreuzgang nisten. Da kam ihre Frage: ›Ist das echt oder spielen sie das ab vom Band?‹ Leider konnte ich ihr die eindeutigen Beweise der Vogelsch … nicht mehr zeigen – ich hatte sie kurz vorher mit mühevoller Schrubbarbeit selbst entfernt.

Christiane Wolf  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

C.W. Wer kommt denn so?

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda  86

und Arbeit, am Alltag der Klosterleute teilhabe und für diese Zeit dazugehöre.

87  Auf dem Weg zur Mitte – Christus


Es bereichert mein Leben Interview mit Fritz Reich, Helfer am Christus-Pavillon von Christiane Wolf

C.W. Fritz, seit vielen Jahren gehst du jetzt schon einmal im Jahr ins Kloster, um zu helfen und auch, um etwas mitzunehmen. Worum genau geht es dir da? F.R. Genau das fragen meine Bekannten auch, sie werden neugierig und haben Fragen. Das ist schon mein erster Erfolg! Es ist ganz viel, worum es mir geht: um mich selbst und um die vielen Menschen, denen ich dort begegne! Es tut mir gut, wahrgenommen und anerkannt zu werden, das Alleinsein tut mir gut, wenn ich vor der Öffnung morgens meinen Rundgang durch den Christus-Pavillon mache und fege und Dreck wegschrubbe oder die Kerzen auffülle und anzünde. Dabei bewegen mich gute Gedanken, ich habe Muße zum Nachdenken und Meditieren. Wenn die Gäste dann kommen, ist es an mir zuzuhören, unaufdringlich da zu sein, Gesprächsbereitschaft zu zeigen, zu erklären und zu zeigen.

F.R. Das ist das Schöne: Ganz unterschiedliche Besucher, Touristen und Pilger, ein Architektur-Professor mit Studenten und Stammgäste aus der Region, fromme Kirchenleute und Skeptiker, Schulkinder und Senioren, Großeltern mit Enkeln und verliebte Pärchen. Genauso vielfältig sind die Zugänge zu den Unterhaltungen, die entstehen. Der Mut zur Vielseitigkeit und die damit verbundene Offenheit gefällt mir bei den Menschen am Ort und ihren Gästen, auch an den Gebäuden in ihrer unterschiedlichen Architektur. C.W. Ist das nicht anstrengend, sich immer wieder neu auf unterschiedliche Menschen und ihre Bedürfnisse einzustellen? F. R. Ja, aber es macht mich auch glücklich, wenn die Besucher vom Platz berührt sind und sich öffnen und wir ins Gespräch übers Leben kommen. Und es bereichert mein Leben, wenn ich hier im Rhythmus von ora et labora, Gebet

C.W. Ich danke dir herzlich für dieses Gespräch und wünsche dir noch viele Male diese bunte Erfahrung im Kloster. F.R. Danke, das wünsche ich mir auch, möchte aber noch eine kleine Begebenheit erzählen! Ich führte eine ältere, gehbehinderte Dame durch den Pavillon und wir hörten das Gezwitscher der Schwalben, die im Kreuzgang nisten. Da kam ihre Frage: ›Ist das echt oder spielen sie das ab vom Band?‹ Leider konnte ich ihr die eindeutigen Beweise der Vogelsch … nicht mehr zeigen – ich hatte sie kurz vorher mit mühevoller Schrubbarbeit selbst entfernt.

Christiane Wolf  Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda

C.W. Wer kommt denn so?

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und Arbeit, am Alltag der Klosterleute teilhabe und für diese Zeit dazugehöre.

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Auf dem Weg zur Mitte – Christus von Albrecht Schödl

Auf den ersten Seiten der Bibel wird erzählt, wie Himmel und Erde entstanden sind. Alles hatte der Schöpfer paradiesisch schön gemacht. Den Menschen setzte er in einen wunderbaren Garten, den er zuvor angelegt hatte. Planvoll hatte der große Gärtner alles um eine Mitte angelegt: Hier stand der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis. Das Leben, das von Gott kommt, ist in der Mitte. In diesen Gottesgarten wird der Mensch gesetzt. Seine Bestimmung ist es, auf die Mitte ausgerichtet zu sein – ohne selbst die Mitte zu sein. An allen Früchten des Gartens darf er sich erfreuen: „Esst nach Herzenslust und so viel ihr wollt. Aber«, sagt Gott zu seinen Menschen, „achtet die Mitte. Dort ist der Baum der Erkenntnis und des Lebens. Davon dürft ihr nicht essen.« Erstaunlich: Bereits im Paradies setzt Gott Grenzen. Mensch sein bedeutet Grenzen haben, und das ist gut so! Auf die gleiche Spur führt übrigens die ursprüngliche Bedeutung für „Paradies«. Das Wort kommt aus dem Persischen und heißt wörtlich „das Umgrenzte«. Im Garten Eden leben Menschen in Grenzen, und sie leben damit paradiesisch gut. Der Baum des Lebens stellt ihnen die guten Ordnungen ihres Schöpfers vor Augen, in denen sie sich entfalten können: Gott ist des Menschen Grenze und Mitte (Dietrich Bonhoeffer). So weit – so gut. Nur bleibt es leider nicht dabei. Immer wieder geschieht es, dass wir die von Gott gesetzte Mitte betreten und unsere Grenzen überschreiten. Der Mensch macht sich selbst zum Mittelpunkt der Welt

und kreist fortan um sich selbst. Er setzt sich an die Stelle des Schöpfers. Damit gehen die Beziehungen kaputt, in denen er steht. Das alte Wort ›Sünde‹ umschreibt die tiefe Beziehungsstörung des Menschen, der seine ursprüngliche Mitte verloren hat. So wird der Mensch schließlich aus dem Paradies vertrieben. Was bleibt, ist die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Gott sei Dank ist das nicht das letzte Wort des Schöpfers. Auch er hat Sehnsucht nach uns und ist auf der Suche nach seinen ver­ lorenen Kindern. Deshalb wird er selbst zum Grenzgänger und kommt in seinem Sohn zu uns. In Jesus Christus schließt er die Tür zum Paradies wieder auf. Christus ist nun die neue Mitte der Schöpfung, mit ihm ist ein Neuanfang zwischen Gott und Mensch möglich. Und das Beste daran: Mit Christus können wir wieder zu unserer verlorenen Mitte zurückfinden. Diese Erfahrung greift ein bekannter Choral auf: »Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge.« Der Christus-Pavillon in Volkenroda ist in den vergangenen zehn Jahren zu einem besonderen Ort der Begegnung mit Christus geworden. Machen Sie sich mit uns auf den Weg zur Mitte – Christus!

Dr. Albrecht Schödl  Pfarrer am Christus-Pavillon / Kloster Volkenroda

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Auf dem Weg zur Mitte – Christus von Albrecht Schödl

Auf den ersten Seiten der Bibel wird erzählt, wie Himmel und Erde entstanden sind. Alles hatte der Schöpfer paradiesisch schön gemacht. Den Menschen setzte er in einen wunderbaren Garten, den er zuvor angelegt hatte. Planvoll hatte der große Gärtner alles um eine Mitte angelegt: Hier stand der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis. Das Leben, das von Gott kommt, ist in der Mitte. In diesen Gottesgarten wird der Mensch gesetzt. Seine Bestimmung ist es, auf die Mitte ausgerichtet zu sein – ohne selbst die Mitte zu sein. An allen Früchten des Gartens darf er sich erfreuen: „Esst nach Herzenslust und so viel ihr wollt. Aber«, sagt Gott zu seinen Menschen, „achtet die Mitte. Dort ist der Baum der Erkenntnis und des Lebens. Davon dürft ihr nicht essen.« Erstaunlich: Bereits im Paradies setzt Gott Grenzen. Mensch sein bedeutet Grenzen haben, und das ist gut so! Auf die gleiche Spur führt übrigens die ursprüngliche Bedeutung für „Paradies«. Das Wort kommt aus dem Persischen und heißt wörtlich „das Umgrenzte«. Im Garten Eden leben Menschen in Grenzen, und sie leben damit paradiesisch gut. Der Baum des Lebens stellt ihnen die guten Ordnungen ihres Schöpfers vor Augen, in denen sie sich entfalten können: Gott ist des Menschen Grenze und Mitte (Dietrich Bonhoeffer). So weit – so gut. Nur bleibt es leider nicht dabei. Immer wieder geschieht es, dass wir die von Gott gesetzte Mitte betreten und unsere Grenzen überschreiten. Der Mensch macht sich selbst zum Mittelpunkt der Welt

und kreist fortan um sich selbst. Er setzt sich an die Stelle des Schöpfers. Damit gehen die Beziehungen kaputt, in denen er steht. Das alte Wort ›Sünde‹ umschreibt die tiefe Beziehungsstörung des Menschen, der seine ursprüngliche Mitte verloren hat. So wird der Mensch schließlich aus dem Paradies vertrieben. Was bleibt, ist die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Gott sei Dank ist das nicht das letzte Wort des Schöpfers. Auch er hat Sehnsucht nach uns und ist auf der Suche nach seinen ver­ lorenen Kindern. Deshalb wird er selbst zum Grenzgänger und kommt in seinem Sohn zu uns. In Jesus Christus schließt er die Tür zum Paradies wieder auf. Christus ist nun die neue Mitte der Schöpfung, mit ihm ist ein Neuanfang zwischen Gott und Mensch möglich. Und das Beste daran: Mit Christus können wir wieder zu unserer verlorenen Mitte zurückfinden. Diese Erfahrung greift ein bekannter Choral auf: »Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge.« Der Christus-Pavillon in Volkenroda ist in den vergangenen zehn Jahren zu einem besonderen Ort der Begegnung mit Christus geworden. Machen Sie sich mit uns auf den Weg zur Mitte – Christus!

Dr. Albrecht Schödl  Pfarrer am Christus-Pavillon / Kloster Volkenroda

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Auf dem Weg zur Mitte – Christus . 10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda

Auf dem Weg zur Mitte – Christus

10 Jahre Christus-Pavillon in Volkenroda


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