Behörden Spiegel August 2022

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VIII / 38. Jg / 32. Woche

Berlin und Bonn / August 2022

www.behoerdenspiegel.de

Eine lernende Union

Verbrechen gegen das Menschenrecht

“Immer noch ein vollwertiger Schutzmann”

EU-Kommissar Johannes Hahn zu den Meilensteinen in der Cyber- und Informationssicherheit......Seite 5

Prof. Dr. Vasilka Sancin über die Kriegsverbrechen in der Ukraine ��������� Seite 40

Oskar Neda über seinen ungewöhnlichen Karriereweg bei der Polizei ..........................Seite 44

Verstärkte Krisen und Katastrophen

Neuer Höchststand (BS/lkm) Ende 2021 war der Staat mit 2,3 Billionen Euro verschuldet. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) stiegen die Staatschulden damit auf den höchsten jemals in der Schuldenstatistik gemessenen Schuldenstand. Der Anstieg ist Destatis zufolge insbesondere beim Bund, aber auch bei einigen Ländern weiterhin auf Maßnahmen zur Bewältigung der CoronaPandemie zurückzuführen.Beim Bund legte die Verschuldung im Vorjahresvergleich um mehr als zehn Prozent zu. Die Länder und Kommunen hatten mit 0,4 beziehungsweise 0,6 Prozent einen vergleichsweise geringen Schuldenanstieg zu verzeichnen. Die höchste Pro-Kopf-Verschuldung bei den Flächenländern wies das Saarland mit 14.811 Euro je Einwohner auf, gefolgt von Schleswig-Holstein mit 11.391 Euro. Am niedrigsten war die Länderverschuldung in Bayern mit 1.512 Euro und in Sachsen mit 1.554 Euro.

IT-Sicherheitsproblem Flakpanzer Gepard (BS/df/rup) Die Lieferung von schweren Waffensystemen an die Ukraine war eine lange bestehende Forderung aus Öffentlichkeit und Politik. Nun gingen unter anderem fünf Flakpanzer Gepard an die Ukraine, gewartet und zum Einsatz bereit. Experten aus dem deutschen IT-Security-Umfeld raufen sich die Haare, weil in diesen Systemen auch deutsche Kryptografie bei der FreundFeind-Kennung eine bedeutende Rolle einnimmt. Ein Problem sind die Schlüssel, die normalerweise – bei der Bundeswehr im Einsatz – täglich ausgetauscht werden. Diese Stecksysteme in genügender Anzahl sicher in die Ukraine zu bringen, ist eine Herausforderung, für die es nach Informationen des Behörden Spiegel noch keine Lösung gibt. Der gesamte Bericht befindet sich auf Seite 40 in dieser Ausgabe.

Adressfeld

G 1805

Resilienz und Resistenz fehlen (BS/Uwe Proll) Ob nun die aktuelle Hitzewelle, die andauernde Corona-Pandemie oder die eingetretene Gasmangellage – alle Lagen haben einen unterschiedlichen Ursprung, doch immer wieder fallen die mangelnde Resilienz und Resistenz auf. Die Herausforderung im Katastrophen- und Zivilschutz ist, dass der Zivilschutz seit 30 Jahren von Strukturen geprägt ist, die eigentlich nur leere Hüllen sind. In diesen Hüllen fehlt es an Struktur, Kompetenzen, an finanziellen Mitteln und, was für den Zivilschutz besonders wichtig ist, Übungspraxis. Wenn man diese Analyse teilt, wird die Schaffung von neuen Gremien keines der Probleme lösen. Neben dem Sondervermögen für die Streitkräfte brauchen wir eins für den Zivilschutz. Daneben muss die Frage gestellt werden: Wie widerstandsfähig ist die Gesellschaft? Gibt es einen Willen zur Widerstandsfähigkeit? Es gilt, die Gesellschaft mit einem positiven Diskurs in Resilienz und Resistenz zu üben. Resilienz ist dabei die Struktur und die Fähigkeit, Belastungen auszuhalten. Kommt es dennoch zu einer Katastrophe, muss die Gesellschaft auch Resistenz beweisen. Dabei stellen Gremien nur eine bürokratische Oberfläche dar. Das ist nicht nur eine strukturelle, sondern auch eine Mentalitätsfrage. Deswegen ist die Schaffung einer resilienten Gesellschaft eine der schwierigsten politischen Aufgaben, die es momentan zu bewältigen gilt. Dies ist aber nur ein Baustein. Die Trennung zwischen Ka­tas­trophen- und Zivilschutz

Standhaft gegen Krisen und Katastrophen? Es gibt noch viel beim Thema Widerstandfähigkeit in Deutschland zu tun. Foto: BS/lassedesignen, stock.adobe.com

ist desolat, wie die Parallelität zahlreicher Krisen aktuell bestätigt. Vor 20 Jahren ist das erste Grünbuch vom Zukunftsforum öffentliche Sicherheit Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit (ZOES) zum Thema Blackout erschienen. Doch bisher ist nichts passiert. Der Bundesnachrichtendienst (BND) sagte

2015/16 die Flüchtlingsbewegung exakt vorher. Wieder gab es keine Vorbereitung. Trotz der Erfahrungen mit Hitzewellen gibt es dennoch heute keine Hitzepläne. Die Liste ließe sich beliebig fortführen: Cyber-Angriffe auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS), demografischer Wandel, Fachkräftemangel. Diese sind per se keine Katastrophen, je-

doch die Folgen daraus. In allen Szenarien ist auf die eine oder die andere Weise der Katastrophenschutz gefordert. Die Krisen werden zwar vorher gedacht, aber erst, wenn sie eintreten, wird gehandelt. Aus dem nicht vorsorglichen Handeln entsteht immer die Katastrophe. Schuld ist die Katastrophen-Demenz. Ist die Katastrophe vorbei, ist

sie auch vergessen. Aus diesen Wahrnehmungen stellen sich folgende Fragen: Wie können wir uns vorbreiten und mehr aktiv als reaktiv handeln? Wie bekommen wir die Gesellschaft resilient? Schlussendlich stellt sich auch die Frage: Ist der gesellschaftliche Wandel weg von der Prävention, weg von Resilienz gewollt oder nur geduldet? Der Parameter Wohlstand und eine Mittelverteilung, die die Eigenverantwortung de facto aussetzt, haben eine nichtresiliente Gesellschaft geschaffen, die sich über 18 Grad Celsius im Wohnzimmer sorgt. Es wird kommen, wie es gekommen wird. Der Öffentliche Dienst wird das nach der Krise, in der Wirtschaft dann auch, wieder zu spüren bekommen. Null-Runden, Einstellungsstopps und dann wieder Personalabbau. Was war, wird bald wiederkommen. Statt einer konsequenten Digitalisierung der Aufgabenerledigung schwappt eine Einstellungswelle durch Staat und Kommunen. Das löst nicht die fehlende Effizienz, an der es neben Resilienz ebenfalls mangelt. Vorratsbeschlüsse bei der Personaleinstellung werden sich bei dem bevorstehenden Sparkurs rächen. Zumal sie wegen der Wellen-Einstellung bzw. dem Abbau zu einseitigen Personalstrukturen führen.

Kommentar

Zweifelhafter Zuwachs? (BS) Im DBB Beamtenbund und Tarifunion rumort es. Grund ist die Aufnahme der Vereinigung Cockpit (VC) als 41. Mitglied. Neben der Frage, was Piloten und Cockpitpersonal mit dem Öffentlichen Dienst gemein haben, geht es um die internen Strukturen und die strategische Ausrichtung des DBB. Die Luftfahrt mit all ihren Facetten von der Flugsicherung bis zur staatlichen Unterstützung einzelner Airlines ist zwar fest im Visier des Staates, doch Piloten und Cockpitpersonal gehören nicht zum Öffentlichen Dienst. Wozu also “Cockpit” in den DBB aufnehmen? Für die Vereinigung kann es nur darum gehen, im politischen Geschehen Vorteile zu generieren. Etwa bei gewerkschaftlich übergeordneten Themen wie dem Tarifeinheitsgesetz. Oder um im Ballsaal der Politik auf dem Parkett mehr wahrgenommen zu werden. Sich starke Partner zu suchen, ist legitim. Doch was hat der DBB davon? Es ist eine strategische Entscheidung. Mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bei der Bahn und der Kommunikationsgewerkschaft DPVKOM bei den Postnachfolgeunternehmen gibt es bereits

zwei Mitglieder in den Reihen des DBB, die im Verkehrs- und Logistiksektor aktiv sind. Mit der Vereinigung Cockpit kommt nun eine dritte Gewerkschaft hinzu, die nicht weniger umtriebig ist als die streikfreudige GDL. Der DBB will sich im Verkehrssektor breiter aufstellen. Das ist eine richtige Entscheidung, wenn man sich an dem Rudolf von Bennigsen-­F oerder zugeschriebenen Motto “Stillstand ist Rückschritt” orientiert. Aber die Entscheidung missfällt in den Reihen derer, die nicht streiken dürfen: den Beamtengewerkschaften. Deren Sorge ist unter anderem, dass Cockpit die Streikkasse des DBB beansprucht. Zumindest im ersten Jahr der Mitgliedschaft wird dies nicht geschehen. So lautet eine Bedingung für den Beitritt. Eine andere ist, dass Cockpit beim Gewerkschaftstag im November

noch keine stimmberechtigten Delegierten wird entsenden können. Doch wie werden die unterschiedlichen Interessen von Beamten und Tarifbeschäftigten im DBB künftig wahrgenommen? Die Entscheidung, beide Gruppen zu vertreten, fiel in den 90er-Jahren. Auf dem letzten Gewerkschaftstag 2017 wurde deshalb auch der Name offiziell in DBB Beamtenbund und Tarifunion geändert. Doch schon vor fünf Jahren sollte nach dem Willen einiger auf den Angestellten Klaus Dauderstädt als Bundesvorsitzenden ein Beamter folgen. Mit Ulrich Silberbach kam es dazu nicht. Doch der amtierende Vorsitzende ist ebenfalls nicht unumstritten. Bleibt abzuwarten, ob vor dem Gewerkschaftstag noch ein Gegenkandidat nominiert wird. Jörn Fieseler

Zuständigkeitsparade


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / August 2022

Egal ob im alltäglichen Umgang mit Menschen, bei Energieversorgung und Klimaschutz und natürlich bei den Themen der Inneren und Äußeren Sicherheit und im Katastrophenschutz: Es gilt, den Anforderungen zu trotzen und Stürmen zu widerstehen. Je besser dies gelingt, desto resilienter sind wir aufgestellt. Foto: BS/lassedesignen, stock.adobe.com

Resilient statt resistent Führungskräfte sind Resilienz-Anker Über individuelle Fokussierung, Standort und Status in einer sich schneller drehenden Welt .................................................Seite 3

Die Zeitenwende

Um nicht den Hahn zuzudrehen

Bedrohung wird zunehmen

Kommunen und Stadtwerke bereiten sich auf Energieknappheit vor ............Seite 13

Verfassungsschutzbehörden sind wichtiger denn je .......................... Seite 36

Potenziale heben

BMI-Bemühungen im Kampf gegen Cyber Crime

Klimaschutz als Zielbild für Smart Cities ..............................................Seite 26

Cyber-Sicherheitsagenda gibt Richtung vor ........................................ Seite 38

Rüsten gegen den Krieg ......................................................................Seite 35

Risikoarm mittels KI operieren

Sorgenkind Warnung

Technische Ausfälle unwahrscheinlich ...............................................Seite 34

Diesmal Cell Broadcast .......................................................................Seite 39

Innen Spiegel

Kürzlich erschienen

Schlüsselfaktor eines erfolgreichen Öffentlichen Dienstes

Foto: Jakub Jirsk, Fotolia.com

Leitbild fürs Beteiligungsmanagement

Zukunft Personalentwicklung 13.-14. September 2022, GOP Varieté-Theater Bonn

REFERENTEN/-INNEN, u. a.: Matthias Meyer, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Gesundheit Institut für Public Health

ZUKUNFTSWEISENDE THEMEN, u. a.: ► Homeoffice im öffentlichen Sektor

► Flexibles Arbeiten und Homeoffice – Analyse einer Langzeitumfrage ► Orts- und zeitflexibles Arbeiten – Theorie und Praxis ► Personalauswahlverfahren in der Praxis

Prof. Dr. Sabine Remdisch, Leiterin des Instituts für Performance Management, Leuphana Universität Lüneburg

Reinhard Renter, Polizeipräsident a.D., Hofstetten

► Führen auf Distanz – Evidenz und Erfahrungen ► Die smarte Verwaltung aktiv gestalten ► Führen von virtuellen Teams ► Die rechtssichere Gestaltung von Personalauswahlverfahren Eine Veranstaltungsreihe des

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ► Suchwort „Zukunft Personalentwicklung“

Fotos (v.l.n.r.): zhaw; die Fotomanufaktur

Die strategische Personalentwicklung spielt im Öffentlichen Dienst eine immer wichtigere Rolle. Wie kann die Personalseite diese Entwicklung nicht nur begleiten, sondern aktiv mitgestalten? Die Antwort: Durch den Übergang von einer verwaltenden Personalwirtschaft zu einem strategischen und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigenden Personalmanagement. Der Behörden Spiegel widmet dieser Entwicklung die Konferenz „Zukunft Personalentwicklung“, die aktuelle Trends und Herausforderungen vorstellt und zu Diskussionen mit namhaften Referentinnen und Referenten aus dem Personalbereich einlädt.

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

(BS/jf) Der Behörden Spiegel hat unter dem Titel “Das Beteiligungsmanagement als Intermediär” eine Publikation von Prof. Dr. Martin Richter veröffentlicht, in der das Leitbild eines modernen kommunalen Beteiligungsmanagements erläutert wird. Die Aufgaben der Daseinsvorsorge umfassen die Strom-, Gas- und Wasserversorgung, die Abfall- und Abwasserentsorgung, den Öffentlichen Personennahverkehr, Wohnungsbau und -verwaltung, Krankenhausleistungen und Altenpflege sowie die Vorhaltung kultureller Angebote. In den meisten Fällen wird ein Großteil dieser Aufgaben durch kommunale Unternehmen wahrgenommen. Deren Komplexität übertrifft mitunter einen privaten Mischkonzern. Dennoch ist es Aufgabe der Verwaltung, die politischen Entscheiderinnen und Entscheider bei allen wesentlichen Aspekten der Steuerung der öffentlichen Unternehmen zu unterstützen. Das gelingt nur mit effizienten Beteiligungsmanagement. Jedoch: So heterogen die kommunale Landschaft, so different sind die konkreten Ausprägungen des Beteiligungsmanagements. Während gerade größere Städte diesen Bereich optimiert, qualifiziertes Personal eingestellt und neue Steuerungsinstrumente eingeführt haben, gibt es viele Städte, Gemeinden und Landkreise, die hier deutlichen Nachholbedarf haben. Denn Beteiligungsmanagement ist mehr als das Einhalten gesetzlicher Normen und die Führung von Akten. Doch wie ein solches Beteiligungsmanagement aufbauen? Dazu gibt das Buch von Prof. Dr. Martin Richter umfangreiche Antworten auf zahlreiche Fragestellungen. Nach einer kurzen Einführung wird die

Bedeutung des Beteiligungsmanagements unterstrichen und es werden dessen verschiedene Funktionen herausgearbeitet und erläutert. Dabei wird insbesondere auf die Steuerung mit Zielen eingegangen. Im weiteren Verlauf werden die unterschiedlichen Werkzeuge des Beteiligungsmanagements dargestellt. Außerdem widmet sich das Buch erstmalig den Anforderungen an die Gewinnung qualifizierten Personals und beinhaltet neben dem Muster einer Stellenbeschreibung auch ein Anforderungsprofil für die Beschäftigten sowie eine Stellenbewertung auf der Basis anerkannter Bewertungsgrundlagen. Das Buch steht unter www. behoerden-spiegel.de unter dem Menüpunkt “Sonderpublikationen” zum Download bereit. Fotoquellen Seite 1: Foto 1: BS/European Union Foto 2: BS/privat Foto 3: BS/privat

Herausgeber und Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Marco Feldmann (Innere Sicherheit), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Dorothee Frank (Verteidigung, Wehrtechnik), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Ann Kathrin Herweg (Online-Redaktion), Benjamin Hilbricht (Online-Redaktion), Malin Jacobson (Kommunen, Online-Redaktion), Bennet Klawon (Katastrophenschutz), Tanja Klement (OnlineRedaktion), Matthias Lorenz (Digitalisierung), Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Dr. Gerd Portugall (Sicherheitspolitik), Tim Rotthaus (Online-Redaktion), Sven Rudolf (OnlineRedaktion), Paul Schubert (IT, IT-Sicherheit), Dr. Barbara Held (Innenpolitik), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Karin Vierheller Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige AnzeigenPreisliste Nr. 34/2022, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG BAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung (CDO) Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz. B.igadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

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Berlin und Bonn / August 2022

KNAPP

Echte Helden

Zuschlag in Reichweite

Gute Führung ist keine Superkraft

(BS/bah) Der Zuschlag für das

(BS/Ann Kathrin Herweg) Die Erwartungen an Führungskräfte sind groß. Was Mitarbeitende von ihren Vorgesetzten hoffen und fordern, geht oft weit über das hinaus, was ein Mensch P20-Programm rückt näher – leisten kann. Müssen gute Führungskräfte also Superhelden sein? trotz Nachprüfungsverfahren. “Ich kenne Führungskräfte, die immer noch ein sehr negatives Menschenbild haben”, erklärt Corinna Kriesemer, Trainerin und Coachin sowie Inhaberin von CPW Consluting. Fehlendes Vertrauen in die Mitarbeitenden und ein Kontrollbedürfnis könnten genau wie der eigene Perfektionismus oder zu hohe Erwartungen der Mitarbeitenden dazu führen, dass Vorgesetzte in Führungsfallen tappen. Wer sich dessen bewusst sei und die Fallen rechtzeitig erkenne, könne Fehler vermeiden.

Fallen erkennen, Fehler vermeiden Ein häufiger Fehler: Fachkompetenz vor Führungskompetenz stellen. Oftmals würden die besten Sachbearbeiter/-innen befördert, erklärt Kriesemer. Doch gute Fachkompetenzen machten aus Mitarbeitenden nicht automatisch gute Führungskräfte. Für diese Aufgabe seien andere Kompetenzen, veränderte Perspektiven und neue Sichtweisen gefragt, betont die Trainerin. Außerdem fehle es oft an Vorbereitung auf die neue Rolle, Zeit für Führung und Unterstützung durch die Organisation. Hier müsse investiert werden, um Fehlern vorzubeugen. Auch Entscheidungskompetenz zu entwickeln, erfolgreiches Delegieren und klare Kommunikation sind für Kriesemer entscheidende

Müssen Führungskräfte Superhelden sein, um all die Erwartungen erfüllen zu können, die an sie gestellt werden? Foto: BS/Konstantin Yuganov, stock.adobe.com

Faktoren, um Führungsfallen zu entkommen. “Ich muss in der Kommunikation damit rechnen, dass die Aufnahmefähigkeit begrenzt ist und Dinge mehrfach sagen”, führt Jochen Ludwig, Personal- und Organisationsentwickler bei der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) in Baden-Württemberg, weiter aus. Nur ein Bruchteil der ausgesendeten Informationen komme beim Empfänger an, vieles werde vorher schon unbewusst ausselektiert, erklärt

Ludwig. Man könne daher nicht davon ausgehen, dass die Mitarbeitenden alles aufnähmen, was der oder die Vorgesetzte ihnen sage. Ludwig rät dazu, sich bewusst zu machen, dass die eigene kogni tive Fähigkeit begrenzt sei – genau wie die der Kolleginnen und Kollegen. Bei wichtigen Entscheidungen könne man “Fremdhirne nutzen”, also das Wissen der Mitarbeitenden kombinieren. Das bedeute jedoch nicht, zu demokratisieren. Die

Entscheidung müsse letztendlich weiterhin bei der Führungskraft liegen.

Konflikten begegnen Trotz aller Bemühungen besteht immer die Gefahr, dass Konflikte entstehen. Häufig wollten sich Führungskräfte damit nicht auseinandersetzten, weiß Edmund Schaaf, langjähriger büroleitender Beamter, Mediator ehemaliger Bürgermeister von Montabaur. Mögliche Gründe dafür: Führungskräfte dächten,

sie hätten Wichtigeres zu tun und wollten sich nicht um “solche Kinkerlitzchen” kümmern oder sie verschwiegen Konflikte, weil diese den Anschein erwecken könnten, sie hätten die Situation nicht im Griff. Nicht der Konflikt sei das Problem, sondern wie damit umgegangen werde, erläutert der Bürgermeister a. D. Konflikte kosteten Zeit, Nerven und mitunter auch Geld. Schaaf folgert daraus: Führungskräfte müssen sich um Konflikte kümmern – indem sie steuern und vorbeugen. Als Schiedsrichter aufzutreten, kann er Vorgesetzten nicht empfehlen. Für eine Seite Partei zu ergreifen, sei riskant. Stattdessen könne ein externer Mediator oder eine Mediatorin helfen, den Konflikt zu lösen. Eine Mediation könne jedoch nur dann gelingen, wenn die Parteien sich freiwillig darauf einließen und mitmachten, gibt der Mediator zu bedenken. Wenn dies der Fall sei, könnten so nicht nur Konflikte effektiv gelöst, sondern auch ein Umfeld erzeugt werden, in dem Menschen gerne arbeiten. Kurzum: Eine Führungskraft muss kein Superheld sein. Mit den richtigen Gespür für gute Führung, klare Kommunikation und den richtigen Umgang mit Konflikten kann jedoch aus jeder Führungskraft ein Alltagsheld bzw. eine Alltagsheldin werden.

Führungskräfte sind Resilienz-Anker

Ausgezeichnet

Über individuelle Fokussierung, Standort und Status in einer sich schneller drehenden Welt (BS/Jörn Fieseler) Wie müssen sich Organisationsstrukturen auf künftige Mitarbeitende und deren Persönlichkeiten einstellen? Um diese Frage zu beantworten ist es notwendig, die aktuellen Trends zu analysieren, anhand derer junge Menschen ihre Persönlichkeit entwickeln. Besonders Führungskräfte sind gefragt, vorausschauend zu denken und entsprechend zu handeln. Zukunftsforscher wie der Mediator und Foresight-Consultant Christian Schoon oder der Berater Dr. Joey-David Ovey sind sich einig: Unsere Welt ist immer mehr von Volatilität, Unsicher-

heit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit) geprägt. Schoon sieht deshalb vier zentrale Themen, derer sich jede Führungskraft bewusst sein muss, um das eigene Handeln danach

auszurichten. Zum Ersten nehmen die Individualisierung und damit verbunden die Vielfalt an Lebensweisen und die Selbstorganisation seit Jahren zu. Das reicht von Single-Haushalten bis

DIGITALISIERUNG KONKRET

Changemanagement braucht einen Change… Man kann es machen wie Beethoven; viele Jahre das System studieren und dann die bestehende Musikwelt auf den Kopf stellen. Heute würde man sagen, Beethoven wählte einen disruptiven Ansatz! Doch in seiner Umsetzung lag ein fast unwiderstehlicher Zauber. Dieser wird im dienstlichen Umfeld kaum zu finden sein – aber ein rein mechanisches Abarbeiten von Changemanagement-Methoden wird oft als ein solches entlarvt – und dann ist das Veränderungsvorhaben sogleich zum Scheitern verurteilt. Menschen streben nach Stabilität und Sicherheit; das hat mir schon mein Opa in einem Opa-Enkel-Gespräch Anfang der 1970er-Jahre vermittelt. Und gleichzeitig gehört stetiger Wandel zum evolutionären Antrieb – wie ein Naturgesetz. Wie passt das zusammen? Wir nähern uns dem Kern – hier liegt etwas, dass nicht rein methodisch verpackt werden sollte: Veränderung be-

Beate van Kempen ist IT-Referentin und -Architektin im Digitalisierungsdezernat des Landschaftsverbands Rheinland. Foto: BS/privat

dient nur die eine Seite dieses Spannungsfeldes. Die andere Seite nur als Hindernis, oder Bremsfaktor zu sehen, ist einfach zu kurz gesprungen! Das Streben nach Stabilität und Sicherheit wirkt wie ein physikalisches Gesetz, mit dem jedoch Ingenieure einen passenden Umgang gefunden

haben. Nämlich möglichst nicht an zu vielen Stellen gleichzeitig Änderungen vorzunehmen, sondern eher Schritt für Schritt vorzugehen und die Wirkung der Anpassung zu analysieren wie einzuordnen. Denn nur wer seine Materie wirklich gut kennt, kann sie auch erfolgreich verändern. Dies führt erneut zurück zu Beethoven. Es braucht wiederkehrende Analysen und ein Interesse, das System und seine Strukturen zu verstehen wie dessen Statik bewahren zu wollen. Es folgen sodann die Fragen: Was wollen wir behalten? Was braucht ein Redesign? Was kann weg? Um mit Beethoven zu sprechen: Auch im disruptiven Wandel gilt es, den Ton zu treffen! Oft haben wir beim „Ob“ einer Veränderung keine Wahl – aber beim “Wie” sollten wir den Gestaltungsraum voll ausfüllen. Gemeinsam den Wandel zu managen, kann dabei viel Stabilität und Sicherheit geben.

zu Parallelwelten von Reichsbürgern oder Verschwörungstheoretikern. Damit verbunden sind Fragen, wie Hierarchieebenen betrachtet werden oder staatliche Organisationen wie die Polizei. Hier bedeute Führung, eine klare Haltung an den Tag zu legen und sich auf jeden Mitarbeitenden individuell zu fokussieren. Dies gehe, zweitens, mit einer zunehmenden Zukunftsangst einher. “Damit ist ein kollektives Erleben von Ohnmacht verbunden, gegen die Pandemie, den Ukraine-Krieg und den Klimawandel nichts ausrichten zu können”, so der Zukunftsforscher. “Die Führungskraft ist hier ein Resilienz-Anker. Sie sorgt für die nötige Kontinuität und Routine”, betont Schoon. Auf die Arbeitswelt bezogen erstreckten sich Zukunftssorgen, drittens, auf die zunehmende Verankerung von Künstlicher Intelligenz (KI). KI könne ebenso bei Entscheidungen unterstützen wie bei Routinetätigkeiten. Bei Letzteren hätten Beschäftigte die Sorge, dass ihre Arbeit dadurch entfallen und sie ihren Job verlieren könnten. Für Führungskräfte bedeute die Unterstützung zwar mehr Zeit für Menschlichkeit und Führung, zugleich müssten sie die Möglichkeiten und Veränderungen kommunizieren. Damit sei KI ein Segen und ein Fluch zugleich. Doch ein viertes Thema werde die künftigen Beschäftigten

Die Vergabekammer des Bundes hat den beteiligten Parteien das Ergebnis ihrer Prüfung für den langfristigen, zentralen Dienstleister einer gemeinsamen, modernen und einheitlichen Informationsarchitektur für die Polizeien von Bund und Ländern mitgeteilt. Insidern zufolge wird in dem Beschluss die Entscheidung des P20-Programms für das erstplatzierte Konsortium um die in Irland beheimatete Firma Accenture bestätigt. Dem Vernehmen nach hatte sich diese Tendenz bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer am 13. Juli 2022 abgezeichnet. Den Prüfantrag gestellt hatte das zweiplatzierte Konsortium um Materna und die T-Systems. Hier fühlte man sich sowohl unter konzeptionellen Aspekten als auch im Hinblick auf die Bewertung der angebotenen Mitarbeiterprofile nicht angemessen bewertet. Aufgrund des geringen Punkteabstands zum erstplatzierten Accenture-Konsortium erschien ein Prüfantrag nicht ohne Erfolgschancen. Bis zum Ablauf einer erneuten Widerspruchsfrist ist der jetzige Beschluss der Vergabekammer noch nicht wirksam. Für die Unterlegenen bliebe noch der Weg um OLG Düsseldorf. In P20Projektkreisen zeigt man sich allerdings optimistisch, dass nach Ablauf der Frist der Zuschlag erteilt werden kann.

noch gravierender beeinflussen: mobiles Arbeiten und Homeoffice. Umfragen zufolge sind 70 Prozent derjenigen, die überwiegend von zu Hause arbeiten, überzeugt, dass sich daran nichts mehr ändere. “Führungskräfte müssen klare Absprachen und Regeln organisieren”, sagt Schoon. Doch nicht nur das. Durch die Nutzung digitaler Mittel nimmt die Bedeutung des Standortes ab. Zwar mag manche Führungskraft hart für ein größeres Büro “mit drei Fenstern” gekämpft haben, doch für die Karriere ist Präsenz nicht länger entscheidend. “Zusätzliche Standorte sind gleichwertig mit dem Büro zu sehen”, sagt Ovey. “Wenn nicht, ist das ein Verzicht auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit ein Verzicht auf die Leistung der Mitarbeitenden.” Zugleich gilt es, den Menschen die Arbeit im Büro zu ermöglichen, wenn diese zu Hause kein eigenes Refugium haben oder einfach nur ins Büro kommen wollen. Wichtig sei, dass die Führungskraft dies strukturell unterstütze und positiv bewerte, wenn Beschäftigte von zu Hause arbeiteten. Entscheidend sei der Führungsstil: “Es gilt, die eigenen Annahmen zu hinterfragen und bestehende Regelungen individuell an die Mitarbeitenden anzupassen. Das ist förderlicher als ein Führungsstil, der auf Präsenz angelegt ist”, so Ovey.

(BS/jf) Die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat bei einer Fremdbewertung nach dem “European Foundation for Quality Management” (EFQM)-Modell hervorragend abgeschnitten. Drei Sterne erhielt die Familienkasse durch die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) als Partnerorganisation des internationalen Qualitätsmanagements. Mit dieser Bewertung gilt die Behörde als “Organisation mit überdurchschnittlichem Reifegrad”. “Eines unserer Ziele ist es, eine Qualitätsorganisation zu werden, die den Familien wirksam hilft und Bürokratie reduziert”, unterstreicht Karsten Bunk, Leiter der Familienkasse der BA. Dies erfordere eine noch stärkere Sicht auf die Erwartungen der Familien und bedürfe einer ganzheitlichen und qualitätsorientierten Sicht auf die Steuerung, Führung und externe wie interne Zusammenarbeit in der Organisation. Deshalb habe sich die BA dem EFQM-Qualitätsmodell 2020 verschrieben. Dieses ist ein weltweit anerkannter Handlungsrahmen, der Organisation unterstützt, einerseits Veränderungen zu steuern und ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern. Andererseits sollen eigene Stärken und Verbesserungspotenziale herausgestellt werden, um darauf die Behördenstrategie auszurichten. “Die BA hat sich vorgenommen, diesen Handlungsrahmen Schritt für Schritt in ihrer Organisation zu etablieren”, sagt Bunk. So sollen über das Qualitätsmanagement auch Transformationsprozesse angestoßen werden.


Zahlen & Daten

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Behörden Spiegel / August 2022

Beschäftigte in Europa (BS/sr) Der Öffentliche Dienst in Europa ist genauso heterogen wie die Staaten selbst. Sowohl in seinen Definitionen und Strukturen als auch in seiner Größe. So ist der französische Staatsdienst mit mehr als 5,5 Millionen Beschäftigten selbstverständlich nicht wirklich mit dem von Lettland zu vergleichen. Allein die Größe macht es schwierig, einen Vergleich herzustellen. Faktoren wie Alter oder Geschlecht sind dennoch vergleichbar, wobei die Datenlage nicht immer vollständig ist.

Anteil der Bevölkerung, der im Öffentlichen Dienst arbeitet (in %), nach ausgewählten Ländern 13,57 12,41

9,09 7,68 5,05

4,04

12,88

12,11

8,42

8,10 6,75

5,97

5,33 5,44

5,03

4,81

0,73 AT

BG

CZ

DE

DK

EL

ES

FI

FR

HR

IT

LT

LV

NL

SE

SI

SK

Frauen und Männer im Öffentlichen Dienst nach ausgewählten Ländern

Beschäftigte in Altersgruppen nach ausgewählten Ländern

100%

100%

90%

90%

80%

80%

70%

70% 60%

60%

50%

50%

40%

40%

30%

30%

20%

20%

10%

10%

0%

0% AT

BE

Frauen

BG

DE

FR

GB

IT

LV

PT

SE

Belgien

Männer

unter 25

Deutschland 25 – 35

Frankreich

Lettland

35 – 50

50+

Verteilung der Beschäftigten auf den unterschiedlichen Ebenen 120 %

100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0%

AT

BE

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Zentralverwaltung

CZ

DE

Regionalverwaltung*

DK

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Lokalverwaltung

ES

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FR

HR

IE

IT

LT

LU

LV

Quellen: BS/Public administration in the EU Member States, 2020 overview; eigene Berechnungen auf den Daten der statistischen Ämter, unter anderem: Labour Force Survey, Statbel (Statistics Belgium) Grafiken: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, Good Studio

NL

PT

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*Die Regionalverwaltung ist in den Ländern nicht einheitlich definiert, weshalb hier Unterschiede existieren.

©

SK


Aktuelles Öffentlicher Dienst

Behörden Spiegel / August 2022

Eine lernende Union

B

ehörden Spiegel: Die Kommission möchte moderne, schnellere und flexiblere Auswahl- und Einstellungsverfahren einführen. Wie werden diese aussehen? Johannes Hahn: Die Kommission wird in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Amt für Personalauswahl (EPSO) moderne, schnellere und flexiblere Auswahl- und Einstellungsverfahren für interne und externe Bewerber/-innen einführen. Wir arbeiten daran, das derzeitige Auswahl- und Einstellungsmodell so weiterzuentwickeln, dass es dem Bedarf der Kommission nach einer flexibleren und ausgewogeneren Zusammensetzung der Belegschaft gerecht wird. So erarbeiten wir beispielsweise gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten, die derzeit unterrepräsentiert sind, Lösungsvorschläge für eine bessere geografische Ausgewogenheit. Gleichzeitig stellen wir auch unsere Auswahlverfahren um: Zum einen sollen diese künftig auf 24 Sprachen umgestellt werden, um eine Gleichbehandlung zu ermöglichen und eine noch größere Reichweite in allen Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Zum anderen reduzieren wir die Bedeutung standardisierter Tests zum verbalen, numerischen und abstrakten Denken und legen stattdessen mehr Wert auf Kompetenzen, die für den Arbeitsalltag mehr relevant sind, wie etwa Lernkompetenz, Teamfähigkeit und Kenntnisse der EU-Politik. Wir erwarten, dass schnellere und effizientere Verfahren die Kommission für ein größeres Spektrum von Bewerbern attraktiver machen.

Behörden Spiegel: Darüber hinaus sollen Bedienstete bessere Aufstiegschancen bekommen. Welche Maßnahmen sind hierzu geplant? Hahn: Die Kommission will ihre Mitarbeiter/-innen künftig besser bei der beruflichen Entwicklung unterstützen und sie unter anderem mit Karriereberatung, Coachings und Talentsuchprojekten fördern. Allen Mitarbeitenden steht das Angebot einer Lauf-

EU-Pläne für Personal, Digitales und den Haushalt (BS) “Die neue Digitalstrategie der Europäischen Kommission ist weit mehr als eine reine IT- Strategie”, erklärt EU-Kommissar Johannes Hahn im Interview mit dem Behörden Spiegel. Des Weiteren spricht er über erfolgreiche Karriereförderung für EU-Bedienstete, einen Meilenstein im Bereich Cyber- und Informationssicherheit sowie aktuelle Haushaltsthemen. Die Fragen stellten Dr. Eva-Charlotte Proll und Ann Kathrin Herweg. Interesse an einem Wechsel ins Management bekundet haben. Da wir dynamische Karriereaussichten schaffen und gleichzeitig die vorhandenen Fähigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeiter/innen bestmöglich nutzen wollen, veranstalten wir regelmäßige interne Auswahlverfahren. Einige davon stehen auch nicht fest angestellten Mitarbeitern offen, um Talente an uns zu binden. Behörden Spiegel: Mit der neuen Digitalstrategie soll ein Wandel von digitalen Kompetenzen hin zu einer digitalen Kultur erreicht werden. Was ist damit konkret gemeint und welche Rolle spielt IT bei der neuen Personalstrategie? Hahn: Die neue Digitalstrategie der Europäischen Kommission ist weit mehr als eine reine IT- Strategie. Ihr Ziel ist es, den digitalen Wandel in unserem Sinne zu gestalten und das heißt auch, eine digitale Kultur zu fördern. So wichtig die Technik für den digitalen Wandel ist, so steht doch der Mensch im Mittelpunkt. Digitale Kompetenzen sind der Schlüssel, um neue Arbeitsweisen anzunehmen und erfolgreich umzusetzen. Die Kommission hat daher bereits umfassende digitale Weiterbildungsmaßnahmen angeboten, kollaborative Arbeitsweisen für die digitale Zusammenarbeit eingeführt sowie Programme aufgelegt, um die Wachsamkeit für Cyber-Angriffe zu schärfen. Eine digitale Arbeitskultur bedeutet darüber hinaus auch, dass wir die Mitarbeiter/-innen dabei unterstützen, dass das Digitale ihnen mehr Autonomie, Produktivität und Innovationen ermöglicht. Das ist natürlich ein langfristiger Prozess, bei dem unsere IT-Abteilung eng mit der ganzen Kommission zusammenarbeitet und das Management mit gutem Beispiel und einer “Digitalfirst”-Denkweise vorangeht. Wir werden die Möglichkeiten von

Veränderte Auswahl- und Einstellungsverfahren sollen die EU-Kommission für Bewerber/innen attraktiver machen. Foto: BS/Savvapanf Photo ©, stock.adobe.com

bahnberatung zur Verfügung, vor allem in Form von Einzelgesprächen und einer Vielzahl von berufsbezogenen Workshops. Gleichzeitig bieten wir Unterstützung durch Coachings für Führungskräfte, einzelne Mitarbeiter/-innen, Teams und Gruppen an. Außerdem entwickeln wir Formate zur Talentsuche weiter, wie etwa internes Headhunting, Mentoring und Job Shadowing. Ein Beispiel für eine sehr erfolgreiche KarriereförderungsMaßnahme ist unser Programm zur Förderung weiblicher Talente. Dieses ermöglicht es Kolleginnen mit Teamleitungsverantwortung, ihre weitere ManagementLaufbahn besser vorzubereiten. Das Programm schafft einen Talentpool von Frauen, auf den die Dienststellen zurückgreifen können: Frauen, deren Potenzial erkannt wurde und die ihr klares

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Künstlicher Intelligenz verstärkt nutzen, um die Mitarbeiter/innen von automatisierbaren Aufgaben zu entlasten, sodass sie ihre Kompetenzen effektiver einsetzen können – im Dienste eines besseren Services für die Allgemeinheit. Die kluge Nutzung von digitalen Arbeitsweisen spielt übrigens auch eine Rolle für unsere Personal-Strategie. Denn sie hilft uns, unsere Attraktivität als Arbeitgeber zu stärken, schnelle und agile Auswahl- und Einstellungsverfahren einzuführen und die Karriere-Entwicklung zu verbessern. Behörden Spiegel: Sie beschreiben die Vorschläge zu einer Verordnung für Cyber-Sicherheit und einer Verordnung für Informationssicherheit als einen Meilenstein. Wo liegen die zentralen Veränderungen?

“So wichtig die Technik für den digitalen ­Wandel ist, so steht doch der Mensch im ­Mittelpunkt.”

Johannes Hahn ist EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung. Foto: BS/European Union

Hahn: Die vorgeschlagenen Verordnungen legen gemeinsame Maßnahmen fest, um die Cyberund Informationssicherheit in allen Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU zu garantieren. Angesichts zunehmender krimineller CyberAktivitäten weltweit ist das ein Meilenstein. Denn diese Verordnungen ermöglichen es, unsere Abwehrbereitschaft und Reaktionsfähigkeit zu stärken und damit eine sichere öffentliche Verwaltung zu gewährleisten. Ein solch starkes Schutzschild ist umso wichtiger, weil in einem vernetzten Umfeld ein einzelner Vorfall reicht, um die ganze Organisation zu treffen und damit unsere Handlungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Die Vorschriften, die wir im März vorgelegt haben, umfassen zwei Dimensionen: Erstens, die vorgeschlagene Cyber-Sicherheitsverordnung sieht einen Rahmen für Governance, Risikomanagement und Kontrolle im Bereich der Cyber-Sicherheit vor. Ein neuer interinstitutioneller CyberSicherheitsbeirat soll eingesetzt, die Cyber-Sicherheitskapazitäten sollen gestärkt sowie regelmäßige Bewertungen des Reifegrads und eine bessere Cyber-Hygiene gefördert werden. Außerdem wird das Mandat des Reaktionsteams für IT-Sicherheitsvorfälle für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU (CERT-EU) erweitert. So kann es künftig als zentrale Stelle für den Austausch von Informationen über Cyber-Bedrohungen und die Koordinierung der Reaktion auf Sicherheitsvorfälle sowie als zentrales Beratungsgremium und als Dienstanbieter fungieren. Zweitens: Mit der vorgeschlagenen Informationssicherheitsverordnung wird ein Mindestkatalog an Informationssicherheitsvorschriften und -standards für alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU geschaffen. Diese neuen Vorschriften werden eine stabile Grundlage für einen sicheren Informationsaustausch zwischen den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU und mit den Mitgliedsstaaten bilden. Behörden Spiegel: Neben der Gewährleistung von angemessenen personellen Ressourcen sind Sie auch für die Finanzen der Kommission zuständig. Inwiefern beeinflusst Ihre Aufgabe, die Budgets zu verteilen, die Gestaltung der Kommissionsarbeit? Hahn: Meine Arbeit als Haushalts-Kommissar ist ganz klar an den Prioritäten der Europäischen Kommission ausgerichtet. Das spiegelt sich vor allem im mehr-

jährigen Haushalt wider, den wir zu Beginn dieses Mandats für die Jahre 2021–2027 ausgehandelt haben. Da während der Verhandlungen die Corona-Krise begann, haben wir ein noch nie da gewesenes Konjunkturpaket aufgelegt, um die Auswirkungen der Pandemie für Bürger/-innen, Unternehmen und die Regionen abzufedern. Gleichzeitig soll es Europa grüner, digitaler und krisenfester machen. Der langfristige EU-Haushalt für 2021–2027 umfasst zusammen mit dem Aufbauinstrument NextGenerationEU 2,018 Billionen Euro und zeichnet sich dadurch aus, dass er – anders als Vorgänger-Haushalte – einen klaren Schwerpunkt auf Modernisierung setzt: So sind mehr als 50 Prozent des Gesamtumfangs für zukunftsorientierte Ausgaben vorgesehen, wie etwa Forschung und Entwicklung, den grünen und digitalen Wandel sowie den Aufbau europäischer Resilienz. Behörden Spiegel: Die Kommission und einige Mitgliedsländer möchten eine direkte Geld- bzw. Kreditaufnahme am Finanzmarkt, Deutschland und andere Mitgliedsstaaten sind strikt dagegen unter dem Stichwort Vergemeinschaftung der Schulden. Jetzt gibt es eine Ausnahme im Zusammenhang mit den Corona-Hilfspaketen. In Deutschland befürchtet man, dies sei der Einstieg in das oben beschriebene Szenario. Wie sehen Sie diese Problematik? Hahn: Das Aufbauinstrument NextGenerationEU ist per definitionem ein einmaliges und zeitlich begrenztes Instrument. Während der Corona-Pandemie ging es ganz konkret darum, die Existenzen abertausender Menschen und Unternehmen zu retten. So beherzt wir gehandelt haben, so klar war der Ausnahme-Charakter: Die Rückzahlung der Gelder bis 2058 war eine Voraussetzung, sonst hätte es keine Zustimmung der Mitgliedsstaaten gegeben. Von einer Schuldenunion kann deshalb keine Rede sein. Wichtig sind auch zwei weitere Aspekte: 1. Das Aufbauprogramm profitiert von der zeitlich befristeten, aber geballten Kraft der 27 Mitgliedsstaaten: Zur Finanzierung von NextGenerationEU nimmt die Europäische Kommission im Namen der EU auf den Finanzmärkten Geld auf, da wir über eine höhere Bonität als viele Mitgliedsstaaten verfügen. Bislang konnten wir die Anleihen außerordentlich erfolgreich platzieren, mehr als 1.000 Investoren aus 70 verschiedenen Ländern haben

sich für unsere überaus sicheren Anleihen interessiert. Vor allem bei den Green Bonds, mit denen wir bis zu 30 Prozent von NGEU finanzieren werden, übertrifft die Nachfrage das Angebot bei Weitem. 2. Die Gelder des Aufbau­ instrumentes sind zweckgebunden und fließen erst, wenn gemeinsam gesteckte Ziele erfüllt sind. Um Gelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität erhalten zu können, haben all 27 EU-Länder nationale Aufbau- und Resilienzpläne vorgelegt. Darin müssen mindestens 37 Prozent der Ausgaben für den Klimaschutz und 20 Prozent für digitale Investitionen und Reformen vorgesehen sein. Die Pläne sind bis 2026 umzusetzen. Behörden Spiegel: Immer wieder gibt es Diskussionen über zweckentfremdete EU-Fördermittel oder gar Fälle von Korruption. OLAF ist da intensiv unterwegs. Ist eine Stärkung des Amtes geplant und sind eventuell weitere Kontrollmechanismen vorgesehen?

ständige Überwachung der Risiken (insbesondere im Zusammenhang mit der Corona-VirusKrise) und etablierte mehrjährige Kontrollstrategien, die dazu beitragen, Fehler zu verhindern, aufzudecken und zu korrigieren. Gleichzeitig analysieren wir kontinuierlich, in welchen Bereichen Verbesserungen erforderlich sind. Die Mitgliedsstaaten spielen eine besonders wichtige Rolle, da sie – im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung – etwa drei Viertel des EU-Budgets an die Empfänger auszahlen. Sie tragen daher besondere Verantwortung, dass das Budget ordnungsgemäß verwendet wird, auch indem sie entsprechende Management- und Kontrollsysteme einrichten. Jedes Jahr führen die Kommission und die Mitgliedsstaaten Hunderttausende von Kontrollen durch. Darüber hinaus überwacht der Europäische Rechnungshof die Rechtmäßigkeit aller Einnahmen und Ausgaben. Zusätzlich zu internen Kontrollmechanismen ist das EUBudget durch OLAF, das Amt für Betrugsbekämpfung, sowie die europäische Staatsanwaltschaft gesichert. Sie gehen Betrugsfällen zulasten des Haushalts, Korruption und Fällen schweren Fehlverhaltens nach sowie Straftaten zum finanziellen Nachteil der EU. Damit ist der EU-Haushalt eines der am besten überwachten und geschützten Budgets überhaupt. Behörden Spiegel: Die Taxonomie erreicht auch die Städte, Gemeinden und Landkreise in Deutschland. Dort herrscht Verunsicherung darüber, welche zukünftigen kommunalen Investitionen bei der Kreditaufnahme noch förderwürdig sein werden. Wird es Hilfe, Beratung oder Handreichungen für die Beamtinnen und Beamten geben? Hahn: Selbstverständlich stehen wir den Städten, Gemeinden und Landkreisen zur Seite, sei es mit einer Vielzahl von Dokumenten, über unsere Repräsentationen und Büros vor Ort in Deutschland sowie mit einem digitalen Kompass auf unseren Internetseiten zur Taxonomie. Behörden Spiegel: UkraineKrieg, Lieferketten-Probleme, Corona-Pandemie, Inflation und in Folge möglicherweise sinkende Steuereinnahmen. Steht die EU bzw. stehen ihre Mitgliedsstaaten vor einer neuen Finanz- und Schuldenkrise?

Hahn: Auch wenn solche Fälle immer wieder Schlagzeilen machen, sind sie doch die absolute Ausnahme: Dank der bestehenden Kontrollen wird beispielswiese das Fehlerrisiko für das Haushaltsjahr 2021 bei der Auszahlung von Mitteln an Hahn: Die Europäische Union Partner und Empfänger auf 1,9 zeichnet sich dadurch aus, dass Prozent des Gesamtvolumens sie eine lernende Union ist. Seit geschätzt. Dies liegt unter der der vergangenen Finanz- und vom Europäischen Rechnungshof Schuldenkrise haben wir nicht angewandten Schwelle von zwei nur unsere Bankenunion besser Prozent. Viele dieser Fehler wer- abgesichert, sondern auch daran gearbeitet, die den noch vor öffentlichen Abschluss Selbstverständlich stehen Haushalte zu der Programme korrigiert. wir den Städten, Gemeinden konsolidieren. Somit beträgt Zu den Lerund Landkreisen zur Seite. das Risiko für nerfolgen tatsächliche gehört auch, Fehler am Ende des Programm- dass sich beherztes Handeln zyklus 0,8 Prozent der Gesamt- auszahlt, wie etwa unsere Maßausgaben. 75 Prozent der Fehler nahmen während der Pandemie. sind übrigens auf eine falsche Während es acht Jahre gedauert Beurteilung, was förderfähig ist, hatte, die vorherige Finanzkrise zurückzuführen. zu überwinden, waren die EUSelbstverständlich ist es die Pri- Länder schon im vergangenen orität der Europäischen Kommis- Jahr wieder auf Vorkrisen-Niveau sion, dass jeder Euro des Bud- und die Aufbaupläne haben mit gets bestmöglich im Sinne der dazu beigetragen, der Wirtschaft Steuerzahler eingesetzt wird. Die einen Booster für die Zukunft Organisation für wirtschaftliche zu geben. So herausfordernd die SituatiZusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OSZE) hat uns im on jetzt auch sein mag: Vereint vergangenen Mandat bescheinigt, haben wir die Kraft von 27 Mitdass unser leistungs- und er- gliedsstaaten, das ist unsere besgebnisbezogenes Budget-Prinzip te Versicherung für die Zukunft. bessere Ergebnisse erzielt als jedwedes OECD-Land. Für weiterführende InformatioWir setzen dafür – ex ante wie ex nen zur Taxonomie: Vertretung post – auf umfassende Maßnah- der EU-Kommission in Deutschmen zum Schutze des Haushalts: land. E-Mail: eu-de-kommission@ Diese umfassen einen soliden ec.europa.eu; Telefonnummer: internen Kontrollrahmen, eine +49-30-2280 2000


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Aktuelles Öffentlicher Dienst

Behörden Spiegel / August 2022

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as interdisziplinäre Forschungsprojekt “Verwaltungssprache in BehördenBürger-Interaktionen” an der Universität Konstanz hat sich zum Ziel gesetzt, diese Frage zu beantworten. Dabei untersucht ein Team aus Forscherinnen und Forschern der Politikwissenschaft und Computerlinguistik unter gemeinsamer Leitung von Autor Prof. Dr. Steffen Eckhard und Prof. Dr. Annette Hautli-Janisz gemeinsam, welche Formen verbaler Verwaltungskommunikation zur Bürgerfreundlichkeit öffentlicher Leistungen beitragen. Im Folgenden stellen wir einige Ergebnisse aus der ersten Phase des Projektes vor, in der sowohl Interviews mit kommunalen Verwaltungsmitarbeitern als auch eine Befragung der Bürger/-innen zur Zufriedenheit mit der Verwaltungskommunikation durchgeführt wurden.

Taxonomie der ­Verwaltungssprache Generell unterscheidet sich die verbale Verwaltungssprache nicht von der allgemeinen zwischenmenschlichen Kommunikation. Grundsätzlich ist zwischen einer Informationsebene (welche Information wird vermittelt) und einer Beziehungsebene (wie ist das soziale Verhältnis zwischen Personen) zu unterscheiden (siehe Abbildung). Im Verwaltungskontext bezieht sich die Informationsebene insbesondere auf die Frage, ob Aussagen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Informationsbedarf des Gegenübers decken. Die besondere Herausforderung ist, dass Bürgerinnen und Bürger als Verwaltungslaien nur selten mit behördlichen Verfahrensweisen, Strukturen und Fachbegriffen vertraut sind. Grundsätzlich lässt sich die Informationsebene

Kommunikation ist alles (BS/Steffen Eckhard*/Laurin Friedrich) Die Verständlichkeit schriftlicher Verwaltungssprache steht schon lange im Fokus der Sprachforschung, insbesondere im Kontext von schriftlichen Bescheiden und Formularen. Der verbalen Kommunikation zwischen Verwaltung und Bevölkerung hat die Wissenschaft bislang allerdings wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Doch gerade die persönliche Interaktion zwischen Bürger(inne)n und Behörden ist bei der fortschreitenden Digitalisierung für die Bürgerfreundlichkeit staatlicher Leistungen von zentraler Bedeutung: Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, welche spezifische Rolle gesprochene Verwaltungssprache bei der Bürgerfreundlichkeit von Verwaltungsleistungen spielt. in zwei Dimensionen unterteilen: Grundlegend ist zunächst, dass die Verwaltungssprache für die Bürger/-innen verständlich ist. Vor allem sollten fachsprachliche und rechtliche Ausdrücke vermieden und es sollte auf einen alltäglichen Sprachstil zurückgegriffen werden. Zudem ermöglichen veranschaulichende Erklärungen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre persönliche Situation in den bürokratischen Leistungskontext einordnen können. Über die Verständlichkeit der Redeweise hinaus kann die Verwaltung den Informationsbedürfnissen der Bürger außerdem durch einen versachlichenden Sprachstil begegnen. In der alltäglichen Kommunikation mit Bürger(inne) n scheint es wichtig zu sein, die Verwaltungsentscheidung zu depersonalisieren, also darzustellen, dass diese einen rechtlichen Hintergrund hat und nicht von der Willkür des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin abhängt. Dies bedeutet auch, die Randbedingungen von Entscheidungsprozessen in transparenter und nachvollziehbarer Weise darzustellen. Oft wurde in den Interviews davon berichtet, dass Bürgerinnen und Bürger eher bereit sind, eine Verwaltungsentscheidung zu akzeptieren, wenn sie verstehen, welchen spezifischen Zweck eine Regelung verfolgt. Die Beziehungsebene reflektiert, dass die Interaktion zwischen öffentlich Bedienstetem und Bürgern in der Regel hierarchisch struktu-

Eine TAXONOMIE von VERWALTUNGSSPRACHE

Versachlichung Bürgerfreundliche ­Verwaltungssprache Emotionalität Beziehungsebene Unterstützung

Quelle: Eckhard, S., Friedrich, L., Hautli-Janisz, A., Mueden, V., Espinoza, I. (2022: A taxonomy of administrative language in public service encounters. ­International Public Management Journal

riert ist. Während Ersterem als Repräsentant der staatlichen Autorität die Festsetzung der öffentlichen Leistungen obliegt, nimmt Letzterer die Rolle des Leistungsempfängers bzw. der Leistungsempfängerin ein. Verwaltungsmitarbeiter/-innen können auf spezifische Kommunikationsformen zurückgreifen, um zu verhindern, dass sich Bürger/ -innen aufgrund dieses Machtgefälles unterlegen oder hilflos fühlen. Unter der Beziehungsebene werden ebensolche Kommunikationspraktiken subsumiert, wobei auch hier eine Unterteilung in zwei Dimensionen sinnvoll ist: Zunächst scheint der Einsatz von emotionaler Sprache eine positive Wirkung auf die Wahrnehmung der Bürger/-innen zu haben. Durch einen informellen

(BS/Jennifer Otto) Die Aus- und Fortbildung wandelt sich. Auch in diesem Bereich der Polizeiarbeit muss immer mit der Zeit gegangen werden. Die Verantwortlichen müssen die Zukunft im Blick haben. Das gilt für qualitative Anforderungen an die polizeiliche Ausbildung , die Berufserwartungen kommender Polizeigenerationen sowie effektive Instrumente zur Minderung von psychischen Belastungen.

Die Gesellschaft wird immer vielfältiger. Daran muss sich auch die Polizei anpassen. Zudem muss klar sein, welche Anforderungen (auch vor dem Hintergrund des digitalen Wandels) von künftigen Polizeigenerationen erfüllt werden müssen. Durch die Corona-Pandemie

Verständlichkeit Informationsebene

Qualitative Anforderungen an die polizeiliche Aus- und Fortbildung

An gesellschaftlichen Wandel anpassen

die Corona-Soforthilfe erhielten oder der Antrag abgelehnt wurde.

Wie gesprochene Verwaltungssprache die Bürgerzufriedenheit erhöhen kann

Die Zukunft im Blick!?

Wichtig sind zudem Entwicklungsmöglichkeiten von Auszubildenden und Tarifbeschäftigten sowie die Attraktivität des Polizeiberufes generell. Christine Gerlach, Leiterin der Beratungsstelle Konfliktmanagement der Polizei Berlin, unterstreicht in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Supversion. Diese Möglichkeit müsse als festes Angebot an Polizeibeamtinnen und -beamte in der Organisation Polizei institutionalisiert und als Instrument zur professionellen Selbstreflexion etabliert werden. Vor allem, da künftige Generationen hier bereits andere Erwartungen an ihren Beruf haben und diese auch in die Lage versetzt werden können, mit alten Verhaltensmustern und Einstellungen zu brechen. Für die Polizei gilt es, diese Erwartungen aufzunehmen und entsprechend umzusetzen, um Menschen mit ihren Emotionen nicht alleine zu lassen. Das Augenmerk muss auf Prävention gelegt werden, um langfristigen Erkrankungen entgegenzuwirken. Der Umgang mit Extremsituationen darf nicht im stillen Kämmerlein erfolgen und das Modell Supervision bietet hierfür eine hervorragende Plattform.

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der Jugend- und Auszubildendenstufenvertretung (JASV) der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg. Jennifer Otto ist Bundesju­ Auch im Tarifbegendvorsitzende der Gewerk­ schaft der Polizei (GdP). reich bleibt vieles zu tun. Viele LänFoto: BS/GdP, Kay Herschelmann der verschenkten hier enorme Potenziale im Besei es gelungen, die technische reich der Ausbildung, findet der Ausstattung und das virtuelle stellvertretende BundesjugendAngebot zu erhöhen, berichtet vorsitzende der Gewerkschaft der der Direktor der Polizeiakademie Polizei (GdP), Christian EhringNiedersachsen, Carsten Rose. feld. Denn hierüber sei es mögKlar ist jedoch auch, dass die lich, Menschen einzustellen, die digitalen Lehr- und Lerninhalte zum Beispiel kein Abitur hätten nur unterstützend eingebracht oder die Polizeidiensttauglichkeit werden können. So spielt bei der nicht erhielten. Die Polizei wird persönlichen Entwicklung auch oftmals auch nicht als “moderdas Team-Gefühl eine entschei- ner” Arbeitgeber angesehen und dende Rolle. Fachliche Bildung bietet nur selten ein attraktives ist ein Teil des Konstruktes. Entgelt. Mit der Polizei verbindet Menschliche Bildung ist bei der man vieles, aber sicherlich keine Polizei jedoch ebenfalls essenziell. flachen Hierarchien. Dabei weise Spannend zu betrachten ist, die “klassische” Berufsausbildass der “Schutz der Demokratie” dung enorme Potenziale auf. Die für viele junge Menschen Antrieb Polizei könnte speziell ausgebilist, sich für den Polizeiberuf zu dete Menschen erhalten, die eine entscheiden. Einen demokrati- Ergänzung und Entlastung für schen und bürgernahen Wer- die Vollzugsbeamtinnen und -betekompass gilt es im Verlauf zu amten darstellten. Ein Bereich, in schärfen und zu festigen. Die den es sich zu investieren lohne, Umstellung auf den digitalen meint Ehringfeld. Die Zukunft sollten wir nicht Lehr- und Lernbetrieb während der Corona-Pandemie erfolgte nur vor dem Generationenumauch in Brandenburg. Pandemie- bruch innerhalb der Polizeien im bedingt seien die Anwärterinnen Blick behalten. Die Polizei muss und Anwärter sehr dankbar über ein vielfältiger und attraktiver digitale Lernmethoden gewesen Arbeitgeber sein und sich den – wollen jedoch den Präsenzun- neuen Generationen öffnen, um terricht nicht missen. Also, auch sich auch zukünftig die besten hier ein klares Sowohl-als-auch, Köpfe für den Schutz unserer meint Anna Stahl, Vorsitzende Demokratie zu sichern.

und betont empathischen Kommunikationsstil kann eine vertraute Atmosphäre geschaffen werden, mit welcher Verwaltungsbedienstete signalisieren, dass ihnen die Anliegen der Klienten und Klientinnen wichtig sind. Die zweite Dimension umfasst Kommunikationsformen, die zur Veranschaulichung von Unterstützung genutzt werden. In der direkten Kommunikation besteht die Möglichkeit, den Bürger(inne)n zu zeigen, dass sich die Mitarbeitenden der Verwaltung für die individuellen Anliegen und Probleme der Bürgerinnen und Bürger einsetzen und für weitere Rücksprachen erreichbar sind.

Positive Wirkung auf die Bürgerzufriedenheit Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde weiter untersucht, ob Unterschiede in der Verwaltungssprache tatsächlich einen Einfluss auf die Zufriedenheit von Klientinnen und Klienten haben. Dazu nahmen 1.200 Proband(inn)en an einem fiktiven Behördenbesuch zur Beantragung einer CoronaSoforthilfe teil, in dessen Kontext ein simuliertes Gespräch stattfand. Bei diesem Gespräch variierte der Kommunikationsstil der Verwaltungsmitarbeitenden systematisch entlang der Sprach-Taxonomie. Außerdem erhielt ein Teil der Proband(inn)en im Anschluss die

Soforthilfe, der andere bekam sie nicht. Anschließend wurden die Teilnehmenden hinsichtlich ihrer Wahrnehmung der Kommunikation und ihrer Zufriedenheit befragt. Je mehr die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter auf informativer oder mit Rücksicht auf die Beziehungsebene kommunizieren, desto höher ist die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. Dabei fällt auf, dass insbesondere die relationale Sprache (Beziehungsebene) eine stärkere Steigerung bei den Zufriedenheitswerten verursacht, während bei der Verwendung aller Elemente zusammen die höchsten Werte gemessen wurden. Im Gegenzug ist bei den Befragten, bei denen die Verwaltungssprache weder sehr informativ noch sehr empathisch und emotional war (allerdings auch nicht unfreundlich, eher betont neutral und sachlich) deutlich geringer.

Unabhängig vom ­Gesprächsergebnis Besonders interessant: Der Effekt der gesprochenen Verwaltungssprache besteht völlig unabhängig vom materiellen Kontext der Verwaltungsleistung: Die Verwendung der TaxonomieElemente hat einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit der Befragten, egal ob Proband(inn)en

Praxistest Um die Rolle von gesprochener Verwaltungssprache auch über einen experimentellen Kontext hinaus erforschen zu können, hat das Projektteam nun in einem weiteren Schritt damit begonnen, tatsächliche Kundengespräche zu untersuchen. Hierfür wurden auf Basis eines umfassenden Datenschutzkonzeptes Praxiskooperationen mit mehreren Kommunalbehörden geschlossen, im Rahmen derer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Gespräche mit Bürger(inne)n aufnehmen. Sobald das Forschungsteam die Gesprächsaufnahmen transkribiert und vollständig anonymisiert hat, erfolgt eine Analyse anhand von computerlinguistischen Methoden. Die Ergebnisse verbleiben natürlich nicht ausschließlich bei den Wissenschaftler(inne)n, sondern werden für die Kooperationspartner speziell aufbereitet und im Rahmen gemeinsamer Workshops diskutiert. In den kommenden Monaten sind weitere Erhebungsphasen in Kommunalbehörden geplant, wobei das Team noch auf der Suche nach weiteren Praxispartnern ist. *Steffen Eckhard ist Professor für Public Administration und Public Policy an der Zeppelin Universität Friedrichshafen und Projektleiter am Exzellenzcluster “The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz. Laurin Friedrich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft an der Universität Duisburg-Essen sowie am Exzellenzcluster “The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz

Aufruf zur Teilnahme Für das Forschungsprojekt werden weiterhin neue Kooperationspartner aus der Verwaltungspraxis gesucht. Interessierte können sich an dem Autor unter laurin.friedrich@uni-konstanz.de wenden. Weitere Informationen unter: https://tlp.de/Verwaltungs sprache-uni-konstanz

Neue Spitze Andrea Nahles übernimmt Vorstandsvorsitz der BA (BS/jf) Die frühere Bundesministerin für Arbeit und Soziales und ehemalige SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles hat zum 1. August 2022 den Vorstandsvorsitz der Bundesagentur für Arbeit (BA) übernommen. Sie folgt damit Detlef Scheele, der nach sieben Jahren im Vorstand der BA aus Altersgründen aus dem Amt scheidet. Die ausgewiesene Arbeitsmarktexpertin sieht einen Schwerpunkt ihrer künftigen Arbeit in der Sicherung von Arbeits- und Fachkräftebedarfen. “Es geht immer um eins: die Arbeitslosen und Beschäftigten in Arbeit bringen beziehungsweise halten”, sagt Nahles.

Routineaufgaben zu entlasten”, führt die frühere Arbeitsministerin weiter aus.

Schon drei Monate aktiv

Bekannte Themen Insgesamt wird sie sich mit Themen auseinandersetzen, die sie aus ihrer Zeit als Bundesarbeitsministerin bestens kennt. Dazu gehört einerseits, die Arbeitskräfte im Inland zu mobilisieren. Dies sei ein Weg, er werde jedoch nicht ausreichen, um den Fachkräftebedarf zu decken. “Zusätzliche Erwerbsmigration ist notwendig. Wir brauchen nicht nur eine gelingende berufliche Integration. Wenn wir die Menschen hier halten möchten, dürfen wir die gesellschaftliche Integration nicht aus dem Blick verlieren”, so die neue BA-Chefin. Andererseits sei die Digitalisierung und Auto-

Hat die Nachfolge von Detlef Scheele angetreten: Andrea Nahles, neue Chefin der BA. Foto: BS/SPD-Fraktion, Susi Knoll

Seit Mai ist die frühere SPDFrontfrau in der Bundesagentur. Im Rahmen ihrer Einarbeitungsphase hat sie verschiedene Regionaldirektionen, Arbeitsagenturen und Jobcenter besucht, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen. In ihren Zuständigkeitsbereich als Vorstandsvorsitzende fallen sowohl der Haushalt als auch die IT sowie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Außerdem ist sie für alle strategischen Belange verantwortlich.

Von der Bundesanstalt zur Bundesagentur matisierung der Bundesagentur ein weiterer Schwerpunkt. “Die BA ist als öffentliche Verwaltung hier schon sehr weit, aber es ist noch mehr möglich. Es geht darum, den Menschen einfache und moderne Zugänge z. B. ­zu Behörden zu ermöglichen und die eigenen Mitarbeitenden in der BA durch Automatisierung von

Vor ihrem Eintritt in die Bundesagentur war die 52-Jährige Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation. Mit Beginn dieses Monats ist Abteilungsleiter Klaus Victor mit der Aufgabe betraut, die Geschäfte der Bundesanstalt wahrzunehmen.


Finanzen

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Streit um Haushaltskürzungen

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er Landeshaushalt sah Ausgaben in Höhe von 11,9 Milliarden Euro vor. Extrem strittig war dabei die sogenannte globale Minderausgabe (GMA). Bereits vor Beginn der Haushaltsverhandlungen forderten sowohl CDU (500 Mio. Euro) als auch FDP (800 Mio. Euro) eine solche globale Minderausgabe. Durchsetzen konnte sich letztlich die CDU mit einer GMA in Höhe von 330 Mio. Euro.

Gegenteil von Haushaltswahrheit “Anstatt Kürzungen bei einzelnen Projekten vorzunehmen, wird mit einer GMA die Summe aller Ausgaben einer pauschalen Kürzung durch die Regierung unterzogen. Dabei entscheidet einzig die Landesregierung, allen voran die Finanzministerin Heike Taubert, wo gekürzt wird und welche Gelder für welche Projekte gesperrt werden. Damit hat das Parlament quasi sein Hoheitsrecht – die Gestaltung des Haushaltes – abgegeben und überlässt die Kürzungen der Landesregierung”, kritisiert Olaf Müller, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag.

Behörden Spiegel / August 2022

Gutachter sieht verfassungsrechtliche Bedenken (BS/lkm) Nach schwierigen Verhandlungen hatte Thüringen für das Jahr 2022 einen Haushalt. Dieser wurde mit den Stimmen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung und der CDU Anfang des Jahres beschlossen. Die CDU machte ihre Zustimmung von der Schaffung einer globalen Minderausgabe abhängig. Man einigte sich darauf, diese mit einem Volumen von 330 Millionen Euro in den Haushaltsentwurf aufzunehmen. Die Kritik und der Streit um das Instrument schwelen aber noch weiter – insbesondere jetzt, wo ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Instruments vorliegt. Die Grünen bezweifeln, dass eine GMA ab einer gewissen Höhe verfassungskonform ist, weil sie in das parlamentarische Budgetrecht eingreife. “Hinzu kommt: Eine GMA ist das Gegenteil von Haushaltswahrheit und -klarheit, denn wir wissen nicht, wo gekürzt wird und welche Projekte zunächst gesperrt werden”, so Müller. Man sei jedoch im Interesse aller gezwungen gewesen, die globale Minderausgabe zu akzeptieren. Den Schaden für das Land ohne einen Haushalt habe man als gravierender eingeschätzt und der GMA deshalb zwangsläufig zugestimmt.

Rechtfertigung kaum möglich Über die GMA wurde in den letzten Jahren immer wieder diskutiert. Deshalb haben die Grünen

Grüne wollen vorerst nicht klagen

Thüringen muss in diesem Jahr 330 Mio. Euro einsparen. Ein Gutachten sät Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Kürzungen. Klagen wollen die Grünen aber vorerst nicht. Foto: BS/AlexanderStein,pixabay.com

das Instrument mit einem juristischen Gutachten prüfen lassen. In diesem hält der Staatsrechtler Prof. Helmut Siekmann die Kürzungsvorgabe von 330 Millionen

Euro zumindest in Teilen für verfassungswidrig. “Jedenfalls sind das haushaltsrechtliche Wahrheits- und Klarheitsgebot und – je nach Ausgestaltung –

ONLINE-CRASHKURS: Allgemeines Verwaltungsrecht für Nicht-Juristen Kompakter Überblick für Neu- und Quereinsteiger

Dieser Online-Crashkurs soll kompakt Grundkenntnisse im Öffentlichen Recht mit Bezugnahme zur alltäglichen Arbeit in der Verwaltung vermitteln. Die Teilnehmenden erwerben anhand von Fallbeispielen und Übersichten Wissen über die grundsätzlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und deren Einbettung in das Rechtssystem. Sie erwerben Kenntnisse zu zentralen Fragen im Verwaltungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht unter Bezugnahme zur praktischen Arbeit in einer Behörde. Sie erhalten einen Überblick über die wesentlichen Grundzüge eines Verwaltungsverfahrens unter Berücksichtigung der Rechte aller Beteiligten. Die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer werden den Verwaltungsakt als wichtiges öffentlich-rechtliches Handlungsinstrument und dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen kennenlernen. Und sie werden den Handlungsspielraum einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung verstehen lernen.

der Spezialitätsgrund-satz beeinträchtigt”, schreibt Siekmann im Gutachten. Eine Rechtfertigung durch die Abschöpfung eines “Bodensatzes” von Mitteln, die erfahrungsgemäß am Ende der Haushaltsperiode nicht verausgabt werden, sei bei genauer Prüfung kaum möglich. Jedenfalls wäre eine empirische Absicherung erforderlich, die aber angesichts der verfügbaren Zahlen kaum möglich erscheine, meint der Staatsrechtler. Die Kritik an der globalen Minderausgabe kann der haushaltsund finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Maik Kowalleck, nicht nachvollziehen. Die Einschätzung, dieses Vorgehen könne gegen die Verfassung verstoßen, teile die CDU ausdrücklich nicht. “Mit der globalen Minderausgabe spart Thüringen 330 Millionen für die kommenden Generationen ein. Diese müssen aber erst

In Italien erprobt

• Aufbau der Bundesverwaltung – Träger öffentlicher Gewalt • Abgrenzung Öffentliches Recht – Privatrecht • Standort VwVfG im Öffentlichen Recht – allgemeines/besonderes Verwaltungsrecht • Verwaltungsverfahren/Rolle der Beteiligten am Verwaltungsverfahren • Handlungsform der öffentlichen Verwaltung – der Verwaltungsakt • Wirksamkeit von Verwaltungsakten • Nebenbestimmungen

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchworte „Crashkurs“

In den vergangenen Monaten hatten die Kürzungen im Landeshaushalt aufgrund der Vorgaben der GMA zu zahlreichen Konflikten in der Landespolitik geführt. Für das kommende Jahr reichte Thüringens Finanzministerin Heike Taubert nun einen Entwurf an den Landtag weiter. Er sieht ein Volumen von 12,8 Mrd. Euro vor. Der Haushalt wächst damit im Vergleich zum Vorjahr um fast 900 Mio. Euro an. Heftige Diskussionen sind damit vorprogrammiert. Taubert hofft indes auf "konstruktive und finanzpolitisch verantwortungsvolle" Beratungen zum Haushalt im Landtag.

(BS/sr) Die durch den Ukraine-Krieg verschärfte Energiekrise veranlasste Deutschland und andere Staaten dazu, die Verbraucher mit unterschiedlichen Maßnahmen zu unterstützen. Eines haben sie dabei gemeinsam: Sie kosten die Staaten große Mengen Geld.

• Ermessen/pflichtgemäße Ermessensentscheidung

• Aufgaben der öffentlichen Verwaltung

Neuer Haushalt mit deutlichem Ausgabenzuwachs

Übergewinnsteuer als Mittel der Wahl?

• Widerruf/Rücknahme von Verwaltungsakten

THEMENÜBERBLICK, 28. August 2022, 09:00-16:00 Uhr:

Gutachter Siekmann hingegen empfiehlt, die Verfassungsmäßigkeit der Minderausgabe vor dem Landesverfassungsgerichtshof zu prüfen. Die Grünen-Landtagsfraktion will dennoch vorerst nicht gegen die globale Minderausgabe klagen. Vielmehr werde man für den Haushalt 2023 nicht noch mal eine globale Minderausgabe akzeptieren. Sollte die CDU bei den Beratungen für den Landeshaushalt 2023 jedoch erneut auf eine GMA bestehen, wolle man möglicherweise doch den Verfassungsgerichtshof in Weimar anrufen.

Kostentreiber Energiekrise

Für die Politik gilt das 9-EuroTicket als Erfolg. Auch die Kraftstoffsteuersenkung kommt mittlerweile fast vollständig bei den Verbrauchern an. Beide Maßnahmen waren und sind immer wieder Thema in den Medien. Debatiert wurde über sie bereits vor ihrer Einführung, sowohl über ihre Form als auch die Kosten, die dadurch entstehen. Auch nach der Umsetzung der Maßnahmen gab es Fragen bezüglich ihrer Effizienz und wem diese Maßnahmen Tatsächlich eine finanzielle Erleichterung bieten. Gleichzeitig treiben die Bemühungen des Staates ein zusätzliches Problem weiter voran. Die Inflation in Europa ist in diesem Jahr auf ein neues Rekordhoch geklettert. Zu diesem Phänomen tragen die vielen Milliarden, die die Staaten europaweit ausgeben, einen Anteil bei. Die Ausgaben sind aber nicht der einzige Punkt, der die Inflation antreibt. Der Krieg in der Ukraine, die Energieunsicherheit selbst und einige weitere Punkte sind ebenfalls als Faktoren zu sehen.

Foto: ©Milan, stock.adobe.com

am Jahresende erbracht werden. Schon jetzt haben die Ministerien dafür mehr als ausreichende Summen nicht verausgabt”, so Kowalleck. Die CDU kritisiert, dass die rot-rot-grüne Landesregierung immer mehr Geld ausgegeben und immer neue Stellen geschaffen habe und jetzt nicht willens sei, von sich aus Geld einzusparen und dabei die richtigen Schwerpunkte zu setzen. “Die globale Minderausgabe als solche wird durch dieses rot-rotgrüne Unvermögen nicht infrage gestellt”, so Kowalleck.

Dass der Staat Schulden machen muss, um beim Voranschreiten durch diese Krise den Bürgern zu helfen, ist unumgänglich. Nur stellt sich die Frage, ob es nicht auch Möglichkeiten gibt, die Kosten geringer zu halten, indem zum Beispiel die Maßnahmen gezielter eingesetzt oder Einnahmen generiert werden. Ein

immer wieder diskutierter Ansatz ist dabei die Übergewinnsteuer für die Energiebranche oder andere Gewinner der Krise. In Italien kam die Steuer bereits kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine zum Einsatz und funktioniert dort auch. Dort sind Gewinne von Energieunternehmen mit 25 Prozent besteuert, wenn sie im Vergleich zehn Prozent höher als die Gewinne des Vorjahres liegen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass tatsächlich nur die Gewinner der Krise zahlen. In Deutschland wurden ebenfalls Forderungen nach einer Übergewinnsteuer laut. Insbesondere als die Steuersenkung für Kraftstoff scheinbar nur bei den Ölkonzernen ankam. Damals wie heute stellte sich Finanzminister Christian Lindner jedoch gegen die Einführung einer Übergewinnsteuer und sagte: “Wir wissen nicht, ob es Übergewinne gibt.” Einen Fall gibt es jedoch, wo garantiert von Übergewinnen durch die Krise gesprochen werden könnte. Sollte die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert werden, werden laut Nachfrage der ZEIT bei Karen Pittel, Professorin und Leiterin des Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen am Ifo-Institut, etwa 1,85 Milliarden an Einnahmen in die Hände der Betreiber fallen. Solange die Verlängerung der Laufzeit jedoch noch nicht beschlossen ist, seien dies nur Spekulationen.


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / August 2022

Viel zu tun in Brandenburg Zentraldienst der Polizei ist ein großer Beschaffer (BS) Der Zentraldienst der Polizei des Landes Brandenburg beschafft Material und Fahrzeuge für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in der Mark. Auch für andere Behörden und Bundesländer ist er tätig. Vor welchen Herausforderungen seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei stehen, erläutert der Direktor des Zentraldienstes, Matthias Pawlitzky, im Gespräch mit dem Behörden Spiegel. Das Interview führte Marco Feldmann. Behörden Spiegel: Welche Beschaffungen für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) stehen im Land Brandenburg derzeit an? Matthias Pawlitzky: Die Liste der anstehenden beziehungsweise laufenden Beschaffungen im Land Brandenburg ist lang. Dazu gehört für die Verdichtung der Funkversorgung der Bau weiterer TETRA-Basisstationen für

und Justiz der Länder Berlin und Brandenburg sowie für die Ordnungsämter in Brandenburg und Berlin in laufenden Beschaffungen. Darüber hinaus wird derzeit die Versorgung mit Bekleidung für die Feuerwehren des Landes Brandenburg vorbereitet. Und außerdem kümmern wir uns um die reguläre Ersatzbeschaffung von Dienstfahrzeugen für die Brandenburger Polizei.

Behörden Spiegel: Vor welchen anderen Herausforderungen beziehungsweise Problemen steht der Zentraldienst der Polizei Brandenburg im Bereich von Beschaffung und Vergabe? Pawlitzky: Je nach Produktbereich stehen wir vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen. Im Bereich der Fahrzeugbeschaffungen besteht aufgrund des Umbruchs

“Allgemein haben Lieferanten zusehends Probleme, Preise auf längere Zeit zu kalkulieren, was den Abschluss mehrjähriger Lieferverträge schwierig macht.” Matthias Pawlitzky steht seit Ende letzten Jahres an der Spitze des Zentraldienstes der Polizei Brandenburg. Er folgte auf Anja Germer, die inzwischen Leiterin der Abteilung für Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Polizeiund Ordnungsrecht und Kriminalprävention im Potsdamer Innenministerium ist. In diesem Hause war zuvor auch Pawlitzky tätig, unter anderem als Leiter des Haushaltsreferates. Foto: BS/MIK Brandenburg

den Digitalfunk. Diese Neubaustandorte werden mit Wasserstoffnetzersatzanlagen ausgestattet. Darüber hinaus werden Bestandsstandorte, die noch nicht über eine Netzersatzanlage verfügen, nachgerüstet. Außerdem führen wir einen Technologiewechsel bei den SAP-Anwendungen durch. Des Weiteren beschaffen wir gegenwärtig fünf zusätzliche Trailer zur Verkehrsüberwachung und Geschwindigkeitsmessung sowie weitere Verkehrsüberwachungstechnik. Behörden Spiegel: Und was tun Sie noch? Pawlitzky: Wir beschaffen Schutzhelme für die Polizei in Form einer Helm-Masken-Kombination und sind im Dienstbekleidungsgeschäft für Polizei

Behörden Spiegel: Spüren Sie Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine auf Beschaffungs- und Vergabeverfahren im BOS-Bereich? Pawlitzky: Die gravierendsten Auswirkungen spüren wir gegenwärtig bei laufenden Verträgen, insbesondere hinsichtlich Preiserhöhungsbegehren der Auftragnehmer sowie Lieferverzögerungen. Dies gilt sowohl bei Dienstkleidung als auch bei Büromöbeln oder Ersatzteilen für Führungs- und Einsatzmittel. Eine Unterscheidung zwischen coronabedingten oder kriegsbedingten Ursachen ist schwierig. In jedem Fall können energiebedingte Preissteigerungen für Transporte und Produktion den kriegsbedingten Ursachen zugeordnet werden.

bei den Fahrzeugantrieben die Herausforderung in der Marktverfügbarkeit geeigneter Einsatzfahrzeuge. Darüber hinaus steigt die Diskrepanz zwischen den Forderungen des Kunden Polizei und den technischen Gegebenheiten in bestimmten Fahrzeugsegmenten. Das betrifft zum Beispiel die Verlastung von Einsatzmitteln und die maximal zulässige Gesamtmasse. Die hohe Auslastung bei den Fahrzeugausbauern sowie der Fachkräftemangel auf beiden Seiten werden zunehmend spürbar. Behörden Spiegel: Was merken Sie noch? Pawlitzky: Zudem sind die allgemeinen Lieferengpässe von Halbleiterelektronik und Rohmaterial teilweise in den

Beschaffungszeiträumen zu berücksichtigen. Im Bereich der Dienstkleidung stellt es zunehmend eine Herausforderung dar, die verschiedenen Belange der Kooperationspartner bei der Sortimentsgestaltung zu berücksichtigen, ohne die Vorteile und Synergien eines gemeinsamen Produktportfolios zu verlieren. Allgemein haben Lieferanten zusehends Probleme, Preise auf längere Zeit zu kalkulieren, was den Abschluss mehrjähriger Lieferverträge schwierig macht. Behörden Spiegel: Wie viele Beschaffungen mit welchem Volumen führt Ihre Behörde jährlich etwa durch? Pawlitzky: Im Zentraldienst der Polizei Brandenburg werden jährlich im Durchschnitt 850 Ausschreibungen durchgeführt. Hierbei bewirtschaften wir Ausgabemittel in Höhe von rund 84 Millionen Euro.

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Aufgabe der zentralen Beschaffung für die Landesverwaltung. Hierbei wird insbesondere die Palette der sogenannten Querschnittsprodukte bedient. Dazu gehören etwa Bürobedarf, -möbel, Standardkraftfahrzeuge und IT. Behörden Spiegel: Und wie sieht es bei Spezialprodukten aus? Pawlitzky: Auch im Bereich der Spezialprodukte nutzt die Landesverwaltung die vergaberechtliche Kompetenz des Zentraldienstes der Polizei als zentrale Vergabestelle, sodass Liefer- und Dienstleistungen der Bedarfsstellen von uns ausgeschrieben werden. Das galt unter anderem für die Beschaffung von Antigen-Schnelltests gegen das Corona-Virus. Insgesamt hat sich die zentrale Beschaffung bewährt, wobei grundsätzlich immer Optimierungspotenzial erkannt wird. Derzeit stehen wir am Anfang der Evaluation der zentralen Beschaffung, um in Zukunft noch besser zu werden. Testfragebögen an andere Stellen der Landesverwaltung wurden bereits verschickt.

MELDUNG

Wechsel vom BeschA ins BMI

(BS/gg) Felix Zimmermann, bislang Leiter der Zentralstelle für IT-Beschaffung im Beschaffungsamt des BMI (BeschA), ist zum 1. August als Referatsleiter DGI5 in die Abteilung “Digitale Gesellschaft” im BMI gewechselt. Der Volljurist verantwortet hier nun die Themen “Öffentlicher Einkauf” und “Digitalisierung des öffentlichen Einkaufs”. Zudem führt er die Fachaufsicht über das BeschA. Hier kann Zimmermann seine Erfahrungen aus fünf Jahren BeschA in seine künftige Arbeit einfließen lassen. Davor war er bereits, u. a. als Bereichsleiter Public Sector beim Bitkom, vielfältig mit Fragen des öffentlichen Auftragswesens betraut.

Behörden Spiegel: Erhalten Sie noch genügend Angebote auf Ihre Ausschreibungen? Pawlitzky: Die Anzahl der Angebote im Bereich der Fahrzeugbeschaffungen ist tendenziell rückläufig. Dies betrifft insbesondere Vergabeverfahren mit geringen Stückzahlen beziehungsweise für Einzelfahrzeuge und wenn zudem umfängliche Spezialanfertigungen oder -ausbauten gefordert werden. Um diesem Trend entgegenzuwirken, müssen Anforderungen teilweise an den Markt angepasst werden. Eine intensive Markterkundung im Vorfeld der Ausschreibung ist hierbei das Mittel der Wahl. Noch können wir unsere Bedarfe decken.

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Behörden Spiegel: Der Zentraldienst der Polizei ist als zentraler Beschaffer für die gesamte Landesregierung tätig. Hat sich das bewährt, wie sind die Erfahrungen? Pawlitzky: Dem Zentraldienst der Polizei Brandenburg obliegt bereits seit dem Jahr 2007 die

Beschaffertage 2022 8. – 9. November 2022 | Bonn

Eine Veranstaltung des

Fachliche Leitung

Themen u.a.:  Innovative Beschaffungen im BOS-Umfeld

 Anforderungserhebung bei BOS-Beschaffungen

 Das öffentliche Preisrecht

 Bedarfsermittlung: Wechselladerfahrzeuge vs. Sonderfahrzeuge

 Rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Beschaffung

 Aktuelle Rechtsprechung

und Nutzung von Drohnen  Notwendige Fähigkeiten von Einsatzfahrzeugen im Geländebetrieb

Foto: BS/privat

 Beschaffung von Bodycams  Vergaberecht und Zuwendungen

 Unfallursachen bei Feuerwehrfahrzeugen

Weitere Informationen sowie Online-Anmeldemöglichkeit unter: www.bos-beschaffertage.de


Beschaffung / Vergaberecht

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Behörden Spiegel / August 2022

Auch in Krisenzeiten

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Öffentliche Beschaffung für die Polizei ► ARBEITSSCHUTZ

Gefahr auf der Baustelle Ignoranz führt zum Ausschluss Auf einen Auftrag zur Dachsanierung bewirbt sich ein Unternehmen, mit dem der Auftraggeber bereits im Rechtsstreit liegt. Hintergrund dieses Rechtsstreits sind die Kündigung eines Vorauftrages wegen diverser Mängel und Nachtragsforderungen des Unternehmens. Der Auftraggeber hatte damals nicht erkannt, dass auf der Baustelle Asbest-Reste anfallen würden. Er sah nur die gefährliche Chemikalie PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) in und unter den Dachbahnen. Das Unternehmen verlangt erhebliche Nachträge wegen des Mehraufwandes für die Asbestbeseitigung. Der Auftraggeber bemängelt hingegen, dass die Entfernung der PAK-Gefahrstoffe nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden sei. Aus dem Vergabeverfahren für den neuen Dachsanierungsauftrag schließt er dieses Unternehmen aus, einerseits mit dem Hinweis auf die zwischen den Beteiligten strittige Vertragskündigung, zum anderen wegen eines Verstoßes gegen das Arbeitsschutzgesetz. Das Unternehmen habe es im Vorauftrag pflichtwidrig unterlassen, vor Beginn der Arbeiten eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen und zu dokumentieren. Das Unternehmen bestreitet diese Notwendigkeit vehement, weil aufgrund der Kündigung gar keine PAK-belasteten Arbeitsschritte mehr zur Ausführung gekommen seien. Im Laufe des Verfahrens stellt sich heraus, dass die erste Öffnung der Dachbahnen mit möglicher PAK-Freisetzung bereits zu Beginn der Arbeiten bei der Probennahme stattgefunden hatte. Vor diesem Zeitpunkt hätte die Gefährdungsbeurteilung vorliegen müssen. Dass die Gefahr dabei klein war, hätte ja in der Beurteilung stehen können. So aber liegt ein eindeutiger Verstoß gegen sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen vor, der allein bereits den Ausschluss rechtfertigt – zumal seitens des Unternehmens keinerlei Einsicht zu erkennen war, dass eine solche Gefährdungsbeurteilung erforderlich gewesen wäre. VK Baden-Württemberg (Beschl. v. 30.07.2021, Az.: 1 VK 31/21)

► NEWCOMER

Nachweis fehlt noch Langsames Handelsregister Eine schwierige Situation für das neu gegründete Unternehmen: Der Auftraggeber verlangt einen Handelsregisterauszug, doch das Amtsgericht hat die beantragte Eintragung noch gar nicht vollzogen. Die Akten stauen sich durch coronabedingte Personalausfälle. Was also tun? Das Unternehmen legt stattdessen seine notarielle Gründungsurkunde vor. Dem Auftraggeber genügt dies. Ein Konkurrent, der den Newcomer nicht im Handelsregister findet, wehrt sich dagegen, dass ein vermeintliches Phantom-Unternehmen bezuschlagt werden soll. Ohne Erfolg. Die Vergabekammer des Bundes sieht keinen Fehler im Vorgehen des Auftraggebers. Es war richtig, alternative Nachweise zuzulassen, um eine Benachteiligung des Newcomers zu vermeiden. Damit hatte die Gründungsurkunde bereits genügt, die ja die Existenz der

Gesell-schaft bewiesen hatte, ohne dass der Konkurrent es sehen konnte. Dass der Registerauszug erst viel später vorgelegt wurde, war daher unschädlich. Es ist nämlich so, dass auch die in Gründung befindliche GmbH bereits rechtsfähig ist. VK Bund (Beschl. v. 27.01.2022, Az.: VK 2-137/21)

► VERGABESPERRE

Bundesrecht geht vor Vorsicht im ­Unterschwellenbereich Auf einer Baustelle wurden bei einer Kontrolle im September 2019 Arbeiter angetroffen, die nicht nach den landesrechtlichen Tariftreuevorschriften entlohnt wurden. Daraufhin verlangte der öffentliche Auftraggeber die Vorlage der Tariftreu­erklärung des Subunternehmers, die sich der Auftragnehmer bei Erteilung des Unterauftrages hätte aushändigen lassen müssen. Der Auftragnehmer kam dieser Aufforderung auch binnen eines Jahres nicht nach. Darauf teilt der Auftraggeber mit, er habe aufgrund von Verstößen gegen das Landesvergabegesetz, das auf diesen unterschwelligen Auftrag Anwendung finde, eine fünfjährige Vergabesperre verhängt und diese im damaligen Landesregister eingetragen. Hiergegen wehrt sich der Auftragnehmer mit Erfolg durch einstweilige Verfügung. Das für alle Auseinandersetzungen außerhalb eines konkreten Vergabeverfahrens damals zuständige Landgericht sieht ein Problem in der Konkurrenz des seit 2013 geltenden Landesgesetzes mit dem erst später geänderten 4. Teil des GWB, der nunmehr eigene Vorschriften hinsichtlich Vergabesperren enthält. Nach Bundesrecht darf ein Unternehmen aufgrund dieses Verstoßes maximal für drei Jahre gesperrt werden, und das auch nur nach Prüfung auf Selbstreinigung. Daher dürfe – im Gegensatz zum Registereintrag – diese auf Landesrecht gestützte Sperre grundsätzlich nicht auf Aufträge wirken, die nach dem GWB zu vergeben sind. Für nationale Aufträge hingegen ist die verhängte Sperre unzulässig, weil sie nicht verhältnismäßig ist. Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Dauer orientiert sich das Gericht wiederum an der gestuften Sperredauer nach dem GWB. Mithin ist die Sperre für alle Aufträge zurückzunehmen. LG Saarbrücken (Beschl. v. 07.01.2021, Az.: 4 O 408/20)

► BODENAUSHUB

Erlaubte Hoffnung Spekulation auf eigene Gefahr Der Auftraggeber will eine Baugrube ausheben lassen. Die Voruntersuchung hat ergeben, dass dort Böden vorgefunden würden, die nach der LAGA-Klasse 1.2 entsorgt werden müssten. Das entsprechende Gutachten legt der Auftraggeber seinen Vergabeunterlagen bei. Ins Leistungsverzeichnis schreibt er, dass 18.000 m³ Boden auszuheben sind. Als Bodenklasse wird LAGA=1.2 angegeben. Die meisten Bieter folgen der Angabe im LV kritiklos und kalkulieren für den gesamten Aushub mit dieser Klasse. Nicht so der preislich Führende. Er liest das Gutachten aufmerksam und bemerkt, dass von sieben Proben nur ein Aushub den Befund der Klasse 2 zutage brachte. Diese Probe wurde aber von

einer Bodenschicht gezogen, die unterhalb der Sohle der Grube liegt. So kalkuliert er mit einer niedrigeren Bodenbelastung. Der daraus resultierende deutliche Preisunterschied fällt dem Auftraggeber auf. Nach Erläuterung der Kalkulation schließt er den Bieter aus: Er habe mit einer falschen Klasse kalkuliert, was eine Änderung der Vergabeunterlagen darstelle. Die Vergabekammer rettet das günstigste Angebot: Der Ausschluss ist rechtswidrig. Die Angabe der LAGA-Klasse stellt keine zwingende Kalkulationsvorgabe dar. Aus der Kalkulation mit der niedrigeren Klasse darf auch nicht geschlossen werden, der Bieter würde die Entsorgung höherer Klassen verweigern. Schließlich wollte der Auftraggeber ja gerade nicht den Angebotsinhalt aufklären, sondern nur das Zustandekommen des Preises. Insofern liegt auch keine Abweichung vom LV vor. Vielmehr ist es das unternehmerische Risiko des Bieters, falls doch diese wesentlich teurere Entsorgung erforderlich würde. VK Westfalen (Beschl. v. 09.02.2022, Az.: VK 2-59/21)

► VERZÖGERUNG

Sechs Monate später Preisexplosion rechtfertigt Aufhebung Die Rohbauarbeiten am Schulneubau verzögern sich. Der Bauunternehmer teilt zunächst telefonisch mit, er werde die vereinbarten Termine nicht einhalten können. Es sei damit zu rechnen, dass er ein halbes Jahr länger brauche, bis die Außenwände stehen. Für den Auftraggeber ist das besonders ärgerlich, denn dieser Anruf kommt wenige Tage vor dem Angebotsschluss für die anschließend aufzubringende Wärmedämmung. Er bittet um schriftliche Bestätigung dieser Verzögerungsmeldung. Schließlich hebt er die Ausschreibung für die Dämmung 31 Minuten vor der geplanten Eröffnung der Angebote auf. Er sieht in der massiven Verschiebung der Bauzeit eine grundlegende Änderung der Vergabeunterlagen. Das missfällt dem preislich führenden Bieter (der bereits fast 50 Prozent teurer als die Kostenschätzung war). Mit seinem Begehren nach Aufhebung der Aufhebung bleibt er jedoch erfolglos. Das Oberlandesgericht befindet zwar, dass eine Bauzeitverschiebung grundsätzlich keinen Aufhebungsgrund darstellt, denn deren Folgen seien durch die Bestimmungen der VOB/B handhabbar. Hier aber kämen vier Faktoren hinzu: Erstens sei durch die Pandemie die Materialversorgung ein halbes Jahr später nicht mehr gesichert. Zweitens bestehe durch die Preisexplosion für die Rohstoffe für beide Seiten ein erhebliches Risiko hinsichtlich der Kostentragung. Drittens wäre der Auftragnehmer bei einer derart langen Verschiebung zur Kündigung berechtigt. Und viertens würden die verzögerungsbedingten Mehrkosten nicht vom Fördermittelgeber getragen. Durch diese gravierenden Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sei es für beide Parteien unzumutbar, am Ausschreibungsergebnis festzuhalten. OLG Naumburg (Beschl. v. 17.12.2021, Az.: 7 Verg 3/21)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

(BS/Barbara Zywietz*) Die Polizeiinspektion Zentrale Dienste Sachsen-Anhalt (PI ZD) in Magdeburg ging aus der Polizeistrukturreform 2020 hervor und ist die Zentrale Beschaffungsstelle für die gesamte Polizei des Landes Sachsen-Anhalt. Die Behörde bündelt die zentralisierbaren, administrativen Aufgaben für die übrigen Polizeibehörden und die Fachhochschule Polizei. Sie schließt unter anderem Rahmenverträge als zentrale Beschaffungsstelle ab, aus denen die gesamte Landesverwaltung abrufberechtigt ist.

Ob nun Corona-Pandemie, Halbleitermangel oder Marktverwerfungen aufgrund des Ukraine-Krieges – die Krisen der vergangenen Jahre setzen die Polizeiinspektion Zentrale Dienste Sachsen-Anhalt (PI ZD) unter Druck. Dennoch bietet die Krisenzeit auch Chancen. Foto: BS/fotogestoeber, stock.adobe.com

Dies betrifft zum Beispiel die Lieferungen des Papiers für alle Behörden der unmittelbaren Landesverwaltung. Im Bekleidungsservice-Center wird die Dienstkleidung für alle Beamten des Polizei- und Justizvollzuges nicht nur bestellt, sondern auch an die einzelnen Beamten – anhand ihrer Bestellungen aus dem Bekleidungskonto – verschickt. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stellte die PI ZD zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 vor eine erste Herausforderung. Diese Aufgabe konnte nicht aus dem Homeoffice heraus gewährleistet werden. Das Land wurde einerseits als Dienstherr zu Schutz und Fürsorge gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten verpflichtet, anderseits sollte die schnellstmögliche Beschaffung von Schutzausrüstungen (Masken, Kittel, Desinfektionsmittel) ausgelöst werden, um vor der Ansteckung mit dem Virus bestmöglich geschützt zu werden.

Sehr schnelle Entscheidung erforderlich Im März 2020 traf die Beschaffung auf einen Markt, auf dem ein vergleichsweise kleines Angebot auf eine sehr starke Nachfrage stieß. Es mussten teilweise innerhalb von wenigen Stunden Beschaffungsentscheidungen über 100.000 Euro und mehr getroffen werden, weil bei dem sonst üblichen längeren Entscheidungslauf die begehrte Schutzausrüstung an einen anderen Interessenten verkauft worden wäre. Durch das engagierte Handeln des Bereiches Beschaffung in der PI ZD konnten die Vollzugsbeamten mit hinreichender Schutzausrüstung ausgestattet werden. Im späteren Verlauf der Pandemie und bis zum heutigen Zeitpunkt zeigen sich andere Probleme. Durch die Halbleiterproblematik bei den Automobil-Zulieferern werden die Dienst-Kfz-Beschaffungen ver-

kompliziert. Die Lieferanten können die sonst üblichen Lieferfristen nicht einhalten, sodass im letzten Jahr nur ein Bruchteil der sonst üblichen Kfz beschafft werden konnte. Das führt dazu, dass die ohnehin stark beanspruchten Altfahrzeuge noch länger im Dienst verbleiben müssen.

Vieles teurer geworden Der Ukraine-Krieg hat zudem zu einer deutlichen Verteuerung vieler Dinge, vor allem aber der Kraftstoffe geführt. Das Jonglieren mit teils stündlich geänderten Preisen stellt den Haushaltbereich vor einen enormen Mehraufwand speziell in puncto Haushaltsvorsorge. Bei der Versorgung mit Papier sehen sich viele Lieferanten gezwungen, zum Teil monatlich ihre rahmenvertraglich vereinbarten Preise erhöhen zu müssen. Dies führt zu zeitaufwendigen Nachverhandlungen mit den rahmenvertraglich gebundenen Auftragnehmern. Durch den Abschluss der Rahmenvereinbarungen wollte man gerade die Aufwände verringern, die die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens mit sich bringen. Die Vereinfachung der Verfahren, etwa die Ausschreibung verschiedener Büropapiere nur etwa alle vier Jahre, sollte Raum für die Durchführung von anderen Verfahren schaffen.

Kündigung oftmals keine Alternative Nunmehr passiert häufig Folgendes: Ein rahmenvertraglich gebundener Auftragnehmer für Büropapiere zeigt an, dass er zu den bisherigen Konditionen nicht mehr liefern könne, weil sich die Preise auf dem Rohstoffmarkt wegen gesunkener Papiermengen auf dem Markt erheblich erhöht hätten. Dies sei nicht vorhersehbar gewesen und habe daher nicht in die Urkalkulation einfließen können. Jetzt muss diese Behauptung anhand von

beigefügten oder nachzureichenden Unterlagen geprüft werden. Sodann stehen häufig noch weitergehende Verhandlungen mit dem Auftragnehmer wegen der Höhe der Preiserhöhung an. Eine Kündigung des bestehenden Rahmenvertrags stellt wegen der angespannten Marktsituation meist keine Alternative dar. Schließlich ist zu beobachten, dass aufgrund der weltweiten Probleme in der Logistik die vereinbarten Lieferfristen zu einem Großteil nicht eingehalten werden können. Sowohl bei der Pandemie als auch beim Ukraine-Krieg handelt es sich als auslösender Faktor um höhere Gewalt. Somit läuft die für diese Fälle vorgesehene Verzögerungsstrafe ins Leere.

Temporäre Vereinfachung Der Bericht wäre unvollständig, würde man nicht auch die positiven Auswirkungen der Krisen auf die Beschaffung erwähnen. Das Wirtschaftsministerium des Landes Sachsen-Anhalt erlaubt seit Mitte 2020, unterhalb von europaweiten Ausschreibungen Aufträge bis zu einem Schwellenwert von gegenwärtig 215.000 Euro im Wege der freihändigen Vergabe zu erteilen. Damit brauchen lediglich drei Anbieter um Erstellung eines Angebots gebeten werden. Dies bedeutet eine Vereinfachung des ansonsten sehr formalisierten Verfahrens der öffentlichen Ausschreibung. Die Verordnung gilt vorerst bis zum 31. Dezember dieses Jahres. Es bleibt abzuwarten, ob sie aufgrund fortbestehender Krisen nochmals verlängert werden muss. Trotz aller Widrigkeiten ist oberstes Ziel der PI ZD, die Beschaffungen auch in Krisenzeiten stets bedarfsgerecht sicherzustellen. *Barbara Zywietz ist Justiziarin für Vergaberecht bei der Polizeiinspektion Zentrale Dienste (PI ZD) des Landes Sachsen-Anhalt.

MELDUNG

Speyerer Vergaberechtstage 2022 (BS) Wie in jedem Jahr werden auch die Speyerer Vergaberechtstage 2022 am 22. und 23. September 2022 in zahlreichen Beiträgen aktuelle Fragen des Vergaberechts analysieren und diskutieren. Die Veranstaltung richtet sich in erster Linie an alle mit der praktischen Anwendung des Vergaberechts Befassten. Als Referierende stehen erfahrene Praktikerinnen und Praktiker zur Verfügung. Als Themen sind u. a. mit folgenden Titeln geplant: • Das International Procurement Instrument – Inhalt und Bedeutung für die Vergabepraxis

• Das Bundeswehr-Beschaffungsbeschleunigungsgesetz – Impulse für das Beschaffungswesen • Vergaben in der Krise – Umgang mit Preissteigerungen und weitere Herausforderungen für Vergabestellen • Public Procurement in the Context of the War in Ukraine • Vertragsänderungen unter Krisenbedingungen • § 124 I Nr. 3 GWB – Bad boys, bad boys, whatcha gonna do • Qualitative Zuschlagskriterien in der Praxis – Anwendung und Auswirkung

• Vergabe von Objektüberwachungsleistungen im Rahmen komplexer Funktionsbauten – wenn der Markt nicht mitspielt… Detailliertes Programm, Auskünfte und Anmeldung bei Univ.Prof. Dr. Jan Ziekow, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 1409, 67324 Speyer, E-mail: ziekow@uni-speyer.de sowie im Internet unter: www.unispeyer.de/weiterbildung/wei terbildungsprogramm-/-onlineanmeldung


Personelles

Behörden Spiegel /August 2022

Seite 11

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Sachsen-Anhalt Landesbehinderten­ beauftragter (BBM) Dr. Christian Walbrach 4564

ANSCHRIFT Turmschanzenstraße 25 39114 Magdeburg

Landesbeauftragte für Frauen und ­Gleichstellungspolitik (LBFG) N.N

Ministerin Petra Grimm-Benne

Postfach 391155 39135 Magdeburg Tel.: 0391/56701 Fax.: 0391/5674521 E-Post: Poststelle@ms.sachsen-anhalt.de

Geschäftsstelle der LBFG

M1 Büro der Ministerin RL: Dr. Britta Krause 4665

Foto: BS/MS

M2 Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Internet RL: Romy Richter 4689

Chief Digital Officer (CDO) Sabine Krause-Heisterkamp 4616

M3 Kabinetts-, Landtags- und Bundesratsangelegenheiten RL: Marcel Ikert 4624

Staatssekretär Amtschef Wolfgang Beck

Staatssekretärin Integrationsbeauftragte

Geschäftsstelle der CDO

Susi Möbbeck

Datenschutzbeauftragte Bettina Gärtner 6980

4601

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Sachsen-Anhalt Stand: August 2022

Kinder- und Jugendbeauftragter, Ansprechpartner des Landes für Fragen des sexuellen ­Kindesmissbrauchs Holger Paech 4041

4682

HGB Ute Netzker

4662

Interne Revision Informationssicherheitsbeauftragte Silke Stengel 6989

Abteilung 1

Abteilung 2

Service

AL: N.N.

Gesundheit und Pflege AL: Karen Müller 6947

4000

Referat 11 Innerer Dienst und IT RL: Bert Steffens

4567

Referat 12 Personal RL: Bettina Gärtner

6980

4664

Referat 14 Justiziariat und Landesprüfungsamt RL: Birgit Herrmann

Referat 21 Prävention, umweltbezogener Gesundheitsschutz, Pharmazie, Bestattungsrecht, sozialer und medizinischer Arbeitsschutz RL: Maurice Tost

Referat 13 Haushalt und Finanzcontrolling RL: Thomas Gericke

Geschäftsstelle der GMK Leiter: Cordt Wenke 4547

4562

Referat 15 Organisation, Verwaltungsmodernisierung RL: Doreen Gabor 4586

4505

Referat 22 Pflege und Heimrecht RL: Ankristin Wegener

6922

Referat 23 Medizinische Angelegenheiten und Öffentlicher Gesundheitsdienst RL: Dr. Angelika Henze (tw) 4036 Koordinierungsstelle “Impfen” 4015 Referat 24 Ambulante medizinische ­Versorgung, Kranken- und ­Pflegeversicherung, Gesundheitsberufe RL: Olivia Lange

6940

Referat 25 Stationäre medizinische ­ ersorgung – Krankenhaus V RL: Michael Kunstmann

6927

Abteilung 3

Soziales und Arbeitsschutz

AL: Robert Richard (tw)

4530

Referat 30 Grundsatzfragen, Europa, Innovation RL: Sabine Krause-Heisterkamp 4616 Referat 31a Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, ­gesellschaftliche Teilhabe, Armuts- und ­Reichtumsfragen

Abteilung 4

AL: Isolde Hofmann

6984

Referat 31b Eingliederungshilferecht und Sozialhilfe RL: Achim Bürig

6953

Referat 32 Technischer und stoffbezogener Arbeitsschutz RL: Dr. Claus-Peter Maschmeier 4510 Geschäftsstelle des Arbeitsausschusses Marktüberwachung (AAMÜ) (befristet eingerichtet ) Referat 33 Maßregelvollzug, Psychiatrie und Sucht RL: Claudia Reich-Becker

4670

Referat 34 Gesetzliche Renten- und ­Unfallversicherung, Soziales Entschädigungsrecht, ­Schwerbehindertenrecht und medizinische Rehabilitation RL: Harald Trieschmann 6954 Schiedsstellengeschäftsstelle 6906 Anlauf- und Beratungsstelle der Stiftung “Anerkennung und Hilfe” 6935

Arbeit und Integration AL: Dr. Kristin Körner (tw) 4024

4003

Referat 41 Familienpolitik und -förderung, Kinderschutz, Zentrum ­Frühe Hilfen

Ressortkoordinierung ESF 4557 Referat 51 Arbeitsmarkt, Arbeits- und Tarifrecht, Ressortkoordinierung “Strukturwandel Braunkohle”

Leitstelle für Frauen- und Gleichstellungspolitik Leiterin: Dr. Kristin Körner (m.d.W.d.G.b.) (tw)

4094

Referat 42 Grundsatzfragen SGB VIII, Hilfen zur Erziehung und übergreifende Angelegenheiten, Seniorenpolitik 4018

Referat 43 Kindertagesbetreuung und ­frühkindliche Bildung RL: Ilona Oesterhaus

4553

Referat 45 Demokratie- und E­ ngagementförderung RL: Gundel Berger

4508

Referat 52 Berufliche Integration und Teilhabe, Regionalisierte ­Arbeitsmarktpolitik, SGB II RL: Marco Püsche

4511

Referat 53 Berufliche Orientierung, Übergang Schule-Beruf, ­Ausbildung

4019

Referat 44 Jugendpolitik, Jugendarbeit, Jugendschutz RL: Birgit Buschke

RL: Hermann Doering

RL: Martin Schubert

4568

Referat 54 Fachkräfte, Berufliche ­Weiterbildung, Grundsatz ­Zuwendung und Beihilfe RL: Jörg Pelloth

4551

Referat 55 Integration

4024

Referat L1 Gleichstellung der Geschlechter, LSBTIQ*, ESF-Förderung RL: Rainer Messerschmidt

RL: Siegfried Hutsch

RL: Claudia Großberndt RL: N.N.

Abteilung 5

Familie und Jugend

4050

Referat L2 Frauen und Gleichstellung, Frauenfördergesetz, ­Prostituiertenschutzgesetz, Schutz von Frauen vor Gewalt RL: N.N.

4089

Einsatzstab Pandemie 4534 Leitung: Robert Richard (tw) Dr. Angelika Henze (tw) AGG Beschwerdestelle Matthias Schiener Ankristin Wegener Ralf Stekla

4059 6922 4524

Ansprechpartner für das Informationsfreiheitsrecht

4653 RL: Björn Malycha

4626

Maik Lampe

4635


Diplomaten Spiegel

Seite 12

Behörden Spiegel / August 2022

Die deutsche Wiedervereinigung ist uns ein Vorbild Ein Gespräch mit der Botschafterin von Zypern, Maria Papakyriakou, in Berlin

Seit einem Jahr wieder die Botschafterin der Republik Zypern: Maria Papakyriakou. Hier in einem Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

(BS/ps) Als der Himmel noch auf Erden, residieren die hellenischen Götter auf dem Olymp. Dort ist es angenehm kühl, überall fließen Milch, Honig und Retsina. Die Herrschaften genießen die unverbaute Aussicht und widmen sich eher Liebeshändel, Meuchel-, Gift- und Lustmorden denn der schnöden Welt, woselbst es dorten bald drunter und drüber geht. Im östlichen Mittelmeer etwa gefällt die “Insel der Aphrodite”, vulgo Zypern, schon seit der Bronzezeit den üblichen Eroberern “zum Besetzen gut”. Sie wird römisch, byzantinisch, fränkisch, im 19. Jahrhundert britisch, 1960 unabhängig und, nach der türkischen Invasion 1974, faktisch zweigeteilt. Und die Götter...? Wahrscheinlich betrunken – aber das ist eine andere Geschichte.

D

er türkisch besetzte Nordteil umfasst rund 36 Prozent der Insel. Die Republik Zypern vertritt bei uns seit September 2021 Botschafterin Μaria Papakyriakou. Die 49-Jährige ist mit der völkerrechtswidrigen Teilung von klein auf vertraut. Auch in ihrer Heimatstadt Limassol, wo sie das Abitur ablegt, nach Frankreich geht, Politik studiert, den Postgraduiertenabschluss macht und 1997 in den diplomatischen Dienst eintritt. Zunächst im Außenministerium der Hauptstadt Nikosia, schickt das Amt die fließend Deutsch sprechende Frau an die zypriotische Botschaft nach Berlin. Es folgen Stagen zu Hause, in London, als Botschafterin in Kopenhagen und, seit letztem Jahr, nun wieder in Deutschland, ihrer “fast” zweiten Heimat.

Nach über 20 Jahren wieder in Deutschland “Ich war schon als ErasmusStudentin hier und dann Ende der 90er-Jahre die erste zypriotische Diplomatin in Berlin, um den Umzug unserer Botschaft von Bonn nach Berlin vorzubereiten”, berichtet Papakyriakou. “Ich habe die Veränderung Berlins nach der Wiedervereinigung staunend erlebt und gesehen, mit wie viel Geschick, Kreativität, Fleiß und Disziplin alles neu gestaltet wurde.” Schon damals habe sie die Solidarität, die die Deutschen bei der Wiedervereinigung gezeigt hätten, bewundert und jetzt in diesen Zeiten, wo wir einen Krieg mitten in Europa erlebten, erlebe sie sie wieder gegenüber allen, die aus der Ukraine fliehen mussten. “Die Menschen hier haben sofort in den ersten Tagen nach Ausbruch des Krieges ihre Herzen und Türen für diese Flüchtlinge geöffnet. Die Bilder, die wir in diesen Tagen gesehen haben, haben sich tief eingeprägt. Sie zeigen, wie herzlich und mit wie viel Empathie die Leute reagieren. Das genau ist für mich typisch deutsch, geeint mit der Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Offenheit, Toleranz und Debattierfreude. Es macht einfach Spaß, in dieser offenen, vielfältigen und multikulturellen Gesellschaft zu leben und sich mit ihr auszutauschen”, so die Botschafterin.

Teilung überwinden “Schwerpunktmäßig geht es bei unserer Arbeit vor allem darum, auch mithilfe unseres EU-Part-

ners Deutschland, zu versuchen, die Teilung unseres Landes zu überwinden. Deutschland ist ein starkes und einflussreiches Land, war auch Jahrzehnte geteilt und weiß, was das bedeutet. Zum anderen informieren wir die Heimat über die aktuelle Situation hier, um so zur Vertiefung der deutsch-zyprischen Zusammenarbeit und Freundschaft im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich beizutragen. Langweilig kann es einer Botschafterin hier wahrhaftig nicht werden – ich fühle mich damit ganz in meinem Element”, sagt Papakyriakou. Derweil kommen die Verhandlungen um die Wiedervereinigung Zyperns kaum voran. Die türkische Seite zeigt sich dabei in letzter Zeit offenbar noch unnachgiebiger. Die Lösung könnte eine unabhängige, bikommunale und bizonale Föderation sein, wie schon vor Jahren von den beiden Gemeinschaften auf Zypern unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen verbindlich vereinbart. “Plötzlich ist die türkische Seite davon abgerückt und favorisiert eine Zwei-StaatenLösung. Das ist nicht nur für uns vollkommen inakzeptabel, sondern auch gegen die Position der internationalen Staatengemeinschaft und der EU, der wir seit 2004 angehören”, schildert Papakyriakou die Entwicklung. “Wir hoffen, die Türkei und die Führung der türkisch-zyprischen Gemeinschaft davon überzeugen zu können, wieder an den Ver-

handlungstisch zurückzukehren. Es gibt keine andere, realistische Lösung für ein wiedervereinigtes Land, in dem alle Bewohner Zyperns in Frieden miteinander leben können. Und dabei ist natürlich Deutschland ein ganz großes Vorbild für uns”, so die Chefdiplomatin.

Schlag für die zypriotische Wirtschaft Die Insel im östlichen Mittelmeer ist es wiederum, die die Sanktionen gegen Russland mitträgt und den Luftraum sperrt. Da 25 Prozent der Touristen Russen sind, könnten schwere Zeiten auf die Branche zukommen. “Die Verletzung der territorialen Souveränität unabhängiger Staaten ist inakzeptabel. Wir leiden noch immer selbst unter diesen Folgen. Unsere Position zu diesem Punkt ist nicht verhandelbar. Zweitens ist es von größter Bedeutung, dass die Einheit der EU gewährleistet ist. Sie ist schließlich das wichtigste Instrument, das uns zur Verfügung steht. Deshalb waren wir aktiv an der Ausarbeitung der EU-Sanktionspakete beteiligt, wohl wissend, dass drei sehr wichtige Sektoren unserer Wirtschaft, nämlich die Dienstleistungen, die Schifffahrt und der Tourismus, stark davon betroffen werden”, berichtet die 49-Jährige. “Dabei muss beachtet werden, und darüber sind sich auch alle EU-Länder einig, dass die Sanktionen letztendlich nicht die Mitgliedsländer selbst stärker treffen

dürfen als Russland. Was nun den Tourismussektor angeht und um die Auswirkungen auf diesen für Zypern wichtigen Wirtschaftszweig zu lindern, arbeiten wir systematisch daran, Touristen aus anderen Ländern anzuziehen – etwa aus Deutschland. Die neue Strategie setzt auf unsere Stärken in den Bereichen Kultur, hochwertige Gastronomie, Wanderungen und Agrotourismus, um nur einige zu nennen. Unsere Insel mit 320 Sonnentagen im Jahr ist ein ideales Ferienziel für das ganze Jahr. Unsere Besucher können nicht nur an einem unserer schönen Strände im Meer baden, das übrigens schon seit vielen Jahren in Folge zu den saubersten Badegewässern Europas gehört, sondern auch in den Wäldern des bis zu 2.000 Meter hohen Troodos-Gebirges wandern oder dort im Winter Ski fahren”, wirbt Papakyriakou für ihr Land.

Klarstellung “Eines möchte ich klarstellen”, so Botschafterin Μaria Papakyriakou: “Zypern setzt die Sanktionen vollständig um. Insgesamt wurden Vermögenswerte im Wert von über 100 Millionen Euro eingefroren, die natürlichen und juristischen Personen gehören, die auf der Liste der restriktiven Maßnahmen der EU stehen. Darüber hinaus haben wir auch dem Verbot zugestimmt, dass unter russischer Flagge fahrende Schiffe nicht in EU-Häfen anlegen dürfen. Dies geht über die frühere Entscheidung hinaus, den Luftraum für Flugzeuge aus Russland zu schließen. Berichte über Zögerlichkeit oder Einwände Zyperns, wie zum Beispiel beim Ausschluss Russlands vom Swift-Zahlungssystem, entsprechen nicht der Wahrheit”, betont

Rezept der Botschafterin AGRELIA – Wilder Spargel (Grüner Spargel) Zutaten (für 4 Personen): 2 Bund (à 300 g) geschnittener und gewaschener Grüner Spargel, 4 Eier, ½ Tasse Olivenöl, Saft einer Zitrone, Salz, frisch gemahlener Pfeffer, Kräuter nach Wahl (z. B. Oregano, Minze, Petersilie usw.) Zubereitung: Schneiden Sie die zarten Spargelspitzen ab und waschen Sie sie. Erhitzen Sie das Olivenöl in einer beschichteten Pfanne und geben Sie die Spargelspitzen zu. Sautieren Sie die Spargelspitzen eine Weile unter ständigem Umrühren bei niedriger Temperatur. Danach salzen und pfeffern. Verrühren sie die Eier leicht und geben Sie sie hinzu. Lassen Sie die Eier stocken (wie beim Rührei) und geben Sie dann den Zitronensaft zu. Bestreuen sie das Gericht zuletzt mit frischen aromatischen Kräutern wie Oregano, Minze und Petersilie. Zu diesem Gericht passt hervorragend ein Xynisteri, eine leichte Weißweinsorte aus Zypern mit vorwiegenden Aromen von Zitrusfrüchten. Auch hier in Deutschland im Weinhandel erhältlich.

Tipp: Damit der Spargel nicht bitter schmeckt, können Sie ihn kurz (nur 1 Minute) in heißes Wasser legen, bevor Sie ihn in der Pfanne sautieren. Der wilde Spargel kann auch gekocht und in Essig eingelegt (xydato) werden. In Zypern wächst der wilde Spargel nach den ersten Regenfällen im Herbst und gedeiht dann bis in den Frühling.

Fotos: BS/Botschaft Republik Zypern

Papakyriakou. “Unsere beiden Länder haben seit über 60 Jahren ausgezeichnete und sehr enge Beziehungen.” Vor Kurzem wurde etwa die Gültigkeit des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verlängert und es wurden wichtige Schritte zur Zusammenarbeit zwischen deutschen und zypriotischen Ministerien unternommen, etwa in Sachen Migration. “Ich möchte hier meine besondere Wertschätzung für das Verständnis und die umfangreiche Zusammenarbeit mit den zuständigen deutschen Behörden zum Ausdruck bringen”, betont Papakyriakou. “Zypern ist aufgrund seiner geografischen Nähe zu den turbulenten Regionen des Nahen Ostens sehr stark von den Migrantenströmen betroffen. Hinzu kommt, dass diese Menschen systematisch von der Türkei instrumentalisiert werden und hauptsächlich aus dem von türkischen Truppen besetzten Nordteil der Insel in die freien Gebiete der Republik Zypern im südlichen Teil gelangen. Im vergangenen Jahr wurden rund 13.000 Asylanträge in Zypern gestellt. Gemessen an der Gesamtbevölkerung von rund einer Million Menschen sind das die meisten Asylanträge in der EU”, erläutert Papakyriakou.

Geteilte Insel, geteilte Hauptstadt: Hier der Blick auf den nördlichen Teil von Nikosia mit den Türmen der Selimiye-Moschee, die ursprünglich mit ihren zwei Türmen im 13. Jahrhundert als Kathedrale Hagia Sofia erbaut wurde. Foto: BS/Kirikk_marakov, stock.adobe.com

erbaren Energiequellen Europa erreichen. Ein ähnliches Projekt, der “Euro-Africa-Interconnector”, ist zwischen Ägypten, Zypern und Griechenland geplant. Wir glauben, dass in diesem Bereich die Zusammenarbeit mit Deutschland ein wichtiger Pfeiler dieser Bemühungen ist”, erzählt die Botschafterin.

Bildung, Kultur und Energie

Heimat

“Bei Handel und Tourismus ist Deutschland einer unserer wichtigsten Partner. Im Bereich der Bildung wollen wir die Beziehungen zwischen deutschen und zypriotischen Universitäten weiter fördern. Sie wissen auch um das große Problem der illegalen Ausfuhr von Kulturgütern als Folge der türkischen Invasion. Wir sind dankbar für die gute Kooperation mit den zuständigen deutschen Behörden in dieser sehr sensiblen Frage. Darüber hinaus glauben wir, dass Zypern eine wichtige Rolle bei den kollektiven Bemühungen um Diversifizierung im Energiesektor und bei der verstärkten Nutzung erneuerbarer Energiequellen spielen kann. Da gibt es schon einige vielversprechende Projekte zwischen Griechenland, Israel und Zypern, wie die geplante Unterwasserpipeline Eastmed, mit der Erdgas aus den israelischen und zyprischen Vorkommen im östlichen Mittelmeer nach Südeuropa geleitet werden kann. Der “EuroAsia-Interconnector” wiederum ist ein europäisches Projekt von gemeinsamem Interesse (PCI), das als “EU-Stromautobahn” die nationalen Stromnetze Israels, Zyperns und Griechenlands über ein Unterwasserkabel verbinden soll. Dann kann auch auf diesem Wege Strom aus erneu-

Ein Vierteljahrhundert ist Μaria Papakyriakou diplomatisch unterwegs, bei uns schon fast wie zu Hause und weiß von daher, “was Sache ist”, wenn sie über das Image der Insel bei uns, ihren “Wahl-Landsleuten”, spricht. “Die meisten Menschen hier haben ein positives Bild, das sie vor allem mit Sonne, Meer und dem kulturellen Reichtum mit Steinzeitsiedlungen, antiken, hellenistischen und römischen Stätten, byzantinischen Kirchen und Klöstern, gotischen Kathedralen, Synagogen und Moscheen auf Zypern verbinden. Die deutschen Unternehmer wiederum, die bei uns tätig sind, wissen, dass die Insel ein sehr attraktiver Unternehmensstandort ist. Dieses Bild Zyperns aus Kultur und Kommerz möchten wir verstärken. Ich freue mich immer wieder, dies den Menschen hier vorzustellen, über mein Land zu informieren und über die letzten Entwicklungen zu berichten. Ich erinnere dann auch daran, dass Zypern seit 48 Jahren ein geteiltes Land ist. Wenn ich das erzähle, dann versteht man das sehr gut, weil ja Deutschland selbst ein geteiltes Land gewesen ist. Für mich als Zypriotin ist die Wiedervereinigung Deutschlands Inspiration und Vorbild für meine eigene Heimat.


Kommunalpolitik

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Behörden Spiegel / August 2022

Vier Fragen – vier Antworten Interview mit Axel Kunkel, Bürgermeister der Stadt Wacken Foto: BS/privat

Glasfaser dank Heavy Metal

B

ehörden Spiegel: Herr Kunkel, Sie sind seit 22 Jahren Bürgermeister von Wacken. Sie haben das Wacken Open Air (W.O.A.) groß werden sehen. Wie war das damals?

Axel Kunkel: Als ich 1998 angefangen habe, waren die Böhsen Onkelz hier. Da schnellte die Besucherzahl auf 10.000 hoch. Die Infrastruktur kam überhaupt nicht hinterher. Damals sagten die älteren Gemeindevertreter in der Gemeindevertretung, wir müssten das Wacken Open Air absagen – der Dreck und der Lärm! Aber wir Jüngeren widersprachen: Das könne nicht angehen, wir haben hier doch ein Festival. Über Lärm und Dreck müssen wir mit dem Veranstalter reden. Wir sprachen miteinander und wir haben Lösungen gefunden. So ist aus dem Festival das geworden, was es heute ist. Ich habe sogar einmal einen Rundbrief geschrieben, dass wir das W.O.A. nicht verteufeln sollten. Klar, es gibt Nachteile. Aber “wasch mich, aber mach mich nicht nass” – das funktioniert nicht. Behörden Spiegel: Das Wacken Open Air findet dieses Jahr vom 4. bis 6. August statt und wird vermutlich rund 85.000 Besucher haben. Zum Vergleich: Wacken selbst hat etwa 2.000 Einwohner. Welche Herausforderungen gibt es, wenn eine kleine Gemeinde so ein großes Festival beherbergt, und wie gehen Sie damit um? Kunkel: Das Hauptproblem ist die Verkehrsführung. In fast allen Straßen ist absolutes Haltever-

Über das Wacken Open Air, Dreck, Lärm und Vertrauen (BS) “Kommt der Wind aus Westen, stehen wir bis nachts um drei senkrecht in den Betten”, erzählt Axel Kunkel (CDU). Der Bürgermeister der “Welthauptstadt des Heavy Metal” berichtet im Interview, wie das Wacken Open Air sein Dorf geprägt hat. Die Fragen stellte Benjamin Hilbricht.

aller Anwohner. Allen, die auf der Anwohnerliste stehen und persönlich erscheinen, geben die Gemeindevertretungen ein sogenanntes “Dorfband”. Damit schaffen die Veranstalter viel Akzeptanz. Immerhin kommen sie selbst aus Wacken und Besdorf und sponsern auch unheimlich viel. Wenn irgendwo etwas fehlt oder gebraucht wird, waren sie immer da und haben gespendet. Sie kommen eben von hier. Das ist nicht irgendeine Firma, die kurz kommt und dann schnell wieder verschwindet. Behörden Spiegel: Wie wirkt sich das Festival positiv auf die Gemeinde aus? Was trägt es zur Entwicklung des Ortes bei?

“Wacken ist das größte Heavy-Metal-Festival der Welt”, lächelt Bürgermeister Axel Kunkel. Zehntausende Fans harter Musik werden die kleine schleswig-holsteinische Gemeinde dieses Jahr wieder besuchen. Sie bringen Lärm, Müll und Schlamm – aber auch 100 Mbit Downloadgeschwindigkeit. Foto: BS/ICS Festival GmbH

bot. Bestimmte Straßen sind ab Freitagnachmittag und Samstag für den gesamten öffentlichen Verkehr gesperrt. Und während des Festivals haben nicht alle frei in Wacken. Viele gehen noch zur Arbeit und müssen auch zurück zu ihren Wohnhäusern. Da gibt es schon mal Probleme. In den letzten beiden Jahren ist das Festival leider ausgefallen, aber davor hat es nicht ganz so gut geklappt.

Wir haben jetzt eine neue Polizeiführung, mit der wir über das Problem gesprochen haben. Wir versuchen, die Verkehrsführung dieses Jahr zu verbessern. An die anderen Probleme – Halteverbot und Krach – haben wir uns gewöhnt. Wir wollen das Festival ja auch. Es gibt inzwischen eine sehr gute Verbindung zwischen dem Veranstalter und uns als Gemeinde. Wenn es ein Problem

gibt, reden Holger Hübner – der Veranstalter des W.O.A. – und ich darüber, und dann funktioniert das. Da geht es um Vertrauen auf beiden Seiten. Die Veranstalter kriegen von uns Planungssicherheit, dafür kommen sie uns bei Problemen entgegen. Müll war früher ein Riesenproblem. Als das noch nicht so gut organisiert war, lag ein Ein-Meter-Müllberg vorm Supermarkt. Das haben wir alles verbessert. Jeden Tag wird Müll gesammelt, jede Zigarettenkippe wird aufgelesen. Sonntagabend nach dem Festival ist Wacken der sauberste Ort Deutschlands. Behörden Spiegel: Wie reagieren die Nachbargemeinden auf das Festival?

Laut, wild und ekstatisch. Dennoch betont Kunkel die Freundlichkeit der Metal-Fans. Foto: BS/ICS Festival GmbH

Dreck und Schlamm gehören ebenso zum Festival wie das gemeinsame Campen. Foto: BS/Lukas Ruge/flickr.com, CC BY 2.0

Kunkel: Durchweg positiv. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es für alle eine Belastung ist. Wenn die ersten Mobiltoiletten oder die Zäune

und anderes Equipment geliefert werden, kommen hunderte Lkws. In der Woche vor dem Festival wird rund um die Uhr gearbeitet. Nachts piepen dann die Lkws, wenn sie rückwärtsfahren. Je nachdem, woher der Wind weht, ist mal die eine und mal die andere Gemeinde betroffen. Weht der Wind aus Südosten, denken wir, wir seien allein auf der Welt und hören nichts. Kommt er aber aus Westen, stehen wir bis nachts um drei senkrecht in den Betten. Aber es ist so wie überall. Es gibt immer fünf Prozent der Menschen, die dagegen sind. Die gibt es auch in Wacken und den Nachbargemeinden. Aber sie haben sich arrangiert und einige wenige fahren weg. Andererseits gibt es das Angebot, dass die Anwohner gratis das Festival besuchen können. Das wird super angenommen. Wir Gemeindevertretungen haben Listen

Kunkel: Wir sind ein netter, freundlicher, toller Ort – wie ganz viele andere in Deutschland auch. Aber durch das Festival sind wir viel bekannter. Deswegen haben wir seit 13 Jahren ein Glasfasernetz. Es gibt viele Gemeinden in Deutschland, wo das noch in Planung ist. Wenn wir eine der vielen, vielen Tausend-SeelenGemeinden wären, die auch schön sind – aber kein Festival veranstalten, hätten wir wahrscheinlich keine Glasfaser. Das W.O.A. hat enorm dazu beigetragen, dass Investoren und Betreiber sich entschieden haben, das zu bauen. Sie haben sich gesagt, dass sie damit werben können. Aber durch das Festival haben auch ganz viele Wackener eine zusätzliche Einkommensquelle. Sie vermieten ihre Räume oder helfen auf dem Gelände. Dieses Einkommen bleibt in der Regel in der Region. Der Veranstalter hat auch Ideen, wie er seinen Betrieb – der in Wacken sitzt – vorantreiben will. Er will neue Flächen und Gebäude entwickeln und den Landgasthof ausbauen, der ihm gehört. Vielleicht kommen wir auch zu mehr Übernachtungsmöglichkeiten durch Tiny-Häuser oder ein kleines Feriendorf. In diese Richtung überlegen wir gerade. Ohne das Festival wäre das alles nicht möglich.

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Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / August 2022

ehörden Spiegel: Wieso wechselt man vom Anwaltsbüro in die Kommunalpolitik? Brandl: Ich habe mich immer für Kommunalpolitik interessiert und durfte die Stadt Abensberg drei Jahre anwaltlich betreuen. Mich hat es immer gereizt, Dinge aktiv zu gestalten und zu verbessern. Als mir parteiübergreifend angeboten wurde, mich um das Bürgermeisteramt zu bewerben, habe ich die Chance ergriffen. Dieses Amt bietet sehr viele Möglichkeiten, kreative Vorschläge zu entwickeln, auch wenn die Spielräume leider kleiner werden. Es ist mir einfach ein Herzensanliegen, für und mit den Menschen die Zukunft einer Kleinstadt nachhaltig zu gestalten. Behörden Spiegel: Seit 20 Jahren sind Sie Präsident des Bayerischen Gemeindetages und gleichzeitig Präsident beziehungsweise Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Sind die Erwartungen beider Organisationen immer deckungsgleich?

“Wir wollen gerne kreativ gestalten”

erfahren. Voraussetzung ist aber gleiche Augenhöhe und Furchtlosigkeit vor kommunaler Kompetenz.

Warum die Kommunen einen Modernisierungsschub brauchen

Behörden Spiegel: Wie lange

(BS) Der aktuell erste Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) und erster Bürgermeister der Stadt Abensberg, Dr. Uwe planen Sie, sich noch in der VerBrandl, übernimmt zum 01.01.2023 die Präsidentschaft des kommunalen Spitzenverbands. Ein Amt, das er bereits von Juni 2017 bis Januar 2020 bandsarbeit zu engagieren? innehatte, bevor ihn der jetzige Präsident, Ralph Spiegler, ablöste. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel berichtet der gebürtige Abensberger und Präsident des Bayerischen Gemeindetages, was ihn antreibt, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren, und was er sich für die Zukunft Brandl: Solange mir der Herrgott die erforderliche Gesundheit wünscht. Die Fragen stellte Malin Jacobson.

“Kommunalverbände sind keine Lobby, sondern Sprachrohr und Anwalt der dritten staatlichen Ebene!” Dr. Uwe Brandl ist erster Bürgermeister der Stadt Abensberg im niederbayerischen Landkreis Kelheim. Foto: BS/Dr. Brandl, Bayerischer Gemeindetag

Aktuell die disruptiven, nicht ausschließlich durch Corona, Ökologie und Ukraine bedingten Gesellschaftsentwicklungen. Ich bin überzeugt: Wir stehen vor einer Zeitenwende, die neuerlich maßgeblich von der kommunalen Ebene zu begleiten sein wird.

Brandl: Nein, nicht immer zu 100 Prozent. Aber die großen Linien sind identisch. Es geht immer darum, die Interessen der Städte und Gemeinden in ihrer Vielfalt gegenüber Bund Behörden Spiegel: Welche Verund Land zu vertreten. Die Kommunen stehen immer wieder vor änderungen wünschen Sie sich der Herausforderung, Dinge um- für die Zeit ihrer kommenden setzen zu müssen, die im Bund DStGB-Präsidentschaft in der oder in den Ländern ohne ausrei- Kommunalpolitik? chende Rückkoppelung beschlosBrandl: Wir brauchen in erster sen wurden. In den allermeisten Fällen scheinen gerade die Her- Linie wieder mehr “Wir” und weausforderungen der Umsetzungs- niger “Ich” in Gesellschaft und ebene nicht durchdacht zu sein. Politik. Die anstehenden neuen In vielen Fällen fehlt die eigentlich Gestaltungsprozesse werden nur geschuldete auskömmliche Ge- mit einem echten demokratigenfinanzierung. Bei der Ganz- schen Verständnis zu meistern sein. Dazu getagesbetreuung hört auch die etwa, die 2026 Akzeptanz der mit einem ge“In den allerMinderheiten. gen die Kommumeisten Fällen Wir können es nen gerichteten scheinen gerade uns nicht mehr Rechtsanspruch leisten, über kommen soll, die Herausfordegrüne Energie gibt es ebenso rungen der Umsetzu schwadrowie bei der Frazungsebene nicht nieren, gleichge der sozialen zeitig aber Leistungsrechte durchdacht zu Windräder, PVabsolute Übersein.” Anlagen oder einstimmung Pumpspeicherder Positionen, bei der Altschuldenthematik kraftwerke juristisch mit allen differenzierte Bewertungen. Mitteln zu verhindern. Wir brauchen in den Kommunen weniger Behörden Spiegel: Herr Spieg- Standards, weniger Vorgaben, ler und Sie wechseln sich mit aber mehr Gestaltungsspielräudem DStGB-Vorsitz regelmäßig me. Das müssen auch Gerichab. Kann man bei Ihnen beiden te anerkennen. Nur so werden noch unterscheiden, wer gerade wir mehr Aufgaben mit weniger welches Amt innehat oder ver- Personal und mangelhafter Fischwimmen da die Verantwor- nanzausstattung einigermaßen erfüllen können. tungsbereiche? Wir wollen gerne kreativ geBrandl: Der Präsident steht für stalten. Bund und Land sollten zweieinhalb Jahre in der ersten uns dabei mit Mut und VertrauReihe und repräsentiert den Ver- en bestmöglich unterstützen. band auf Bundesebene in Berlin. Kommunalverbände sind keine Wir sind aber zusammen mit Lobby, sondern Sprachrohr und Gerd Landsberg und den Bei- Anwalt der dritten staatlichen geordneten ein tolles Team und Ebene! verstehen uns persönlich super. Behörden Spiegel: Worauf Das liegt auch daran, dass wir trotz unterschiedlicher Parteibü- freuen Sie sich in Bezug auf den cher als kommunale Überzeu- Vorsitz am meisten? gungstäter sozialisiert sind und Brandl: Freuen würde ich uns nicht von einer Parteiräson vereinnahmen lassen. Als Ers- nicht sagen. In Krisen und ter Vizepräsident hat man eine Umbruchszeiten sehe ich den Reihe von Aufgaben und vertritt kommenden Aufgaben und den Präsidenten bei vielen Ter- Chancen mit Spannung entminen und Veranstaltungen. gegen und hoffe sehr, dass wir mit unseren Vorschlägen gehört Behörden Spiegel: 30 Jah- und ernst genommen werden. re Kommunalpolitik, 20 Jahre Ich setze mich gern und volVerbandsarbeit – was war das ler Überzeugung weiter dafür eindrücklichste Erlebnis in diesen ein, dass wir in den Städten und Gemeinden den notwenZeitspannen? digen Beitrag leisten, unser Brandl: Auf bayerischer Lan- Land für die Bürgerinnen und desebene die Einführung des Bürger weiterzuentwickeln und Konnexitätsprinzips, bei dessen gut und nachhaltig durch die gesetzgeberischer Ausgestal- kommenden Jahre zu bringen. tung ich unmittelbar mitwirken Behörden Spiegel: Welche durfte. Auf Bundesebene die Flüchtlingskrise 2015 f. die wir Impulse möchten Sie in Ihrer ungefragt zu bewältigen hatten. kommenden Legislatur setzen?

Brandl: Kommunen und unser Land insgesamt brauchen einen Modernisierungsschub, auch in der Denke. Wir brauchen neue

Wertschöpfung, um unseren Wohlstand zu sichern. Wir müssen mit Blick auf die Demografie erkennen, dass wir mit weniger

Personal mehr leisten müssen. Wir brauchen mehr Resilienz in allen ökonomischen und ökologischen Bereichen. Eine Teillösung liegt in einer Digitalisierung, die dem Wort auch gerecht wird. Davon sind wir weit entfernt. Wir brauchen effizientere und modernere Strukturen in Staat und Verwaltung. Die jetzige Krise ist sicher die Chance, Bewährtes infrage zu stellen und Neues zu wagen. Behörden Spiegel: Wie stehen Sie zur Idee, einen Kommunalrat auf Bundesebene, ähnlich dem Bundesrat, einzurichten? Brandl: Wenn das richtig konzipiert ist, kann unsere Gesetzgebung und Krisensteuerung einen ungeahnten Schub an Effizienz

schenkt und solange man mich und meine direkte Art erträgt und meine Mitarbeit – an welcher Stelle auch immer – möchte. Behörden Spiegel: Welche Fragen stellen Ihnen ihre Amtskolleginnen und -kollegen am häufigsten und was antworten Sie darauf? Brandl: “Wie schaffst du das alles zeitlich und nervlich?” Nervlich in Teilen schwer, wenn man sieht, wie wenig die Gesetzgebung das bittere Ende bedenkt. Zeitlich mit einem Top-Team in meiner Stadt Abensberg und den Verbänden und mit der Überzeugung, dass es sich lohnt, sich für die Dinge einzusetzen, für die man brennt – das ist die Kommunalpolitik. Und mit einer tollen, klugen Frau an meiner Seite.

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Beigeordnete * Beigeordneter für Soziales, Bildung und Familie (w/m/d)

Übernehmen Sie als

Leitung (w/m/d) des Personal- und Hauptamtes

die Entwicklung der Stadt an wesentlicher Stelle mitgestaltet.

Die Besoldung erfolgt auf der Grundlage der Eingruppierungsverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen nach BesGr. A 15 BesG. Daneben wird eine Aufwandsentschädigung gezahlt.

in zentraler Funktion Verantwortung für die Weiterentwicklung unserer Verwaltung. Die Vergütung für diese attraktive Position erfolgt bis Besoldungsgruppe A15 LBesG BW bzw. EG 15 TVöD. Eine Neubewertung der Stelle ist vorgesehen.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Waishna Kaleth, Birger Abromeit und Barbara Morschhaeuser zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Désirée Verhaert, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Yanna Schneider, Birger Abromeit und Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Die Wahl erfolgt für die Dauer von acht Jahren als Beamtin/Beamter auf Zeit. Die Besoldung und Aufwandsentschädigung richten sich nach der Eingruppierungsverordnung NRW (Besoldungsgruppe A 16 BbesG).

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Personelles

Behörden Spiegel / August 2022

Gehen Sie kreativ voran für die naturnahe und lebenswerte Entwicklung unserer Stadt!

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Sie gestalten ein digitales, smartes und vernetztes Pforzheim.

Die Lage im Grünen in unmittelbarer Nähe zu den Großstädten Essen, Düsseldorf und Wuppertal im Wirtschaftszentrum Rhein, Ruhr und Wupper zeichnet unsere selbstbewusste, im Kreis Mettmann gelegene Mittelstadt, mit rund 85.000 Einwohner*innen aus. Das Kompetenz-Zentrum Europas für Sicherheits- und Schließsysteme befindet sich in Velbert und der Region. Die Modernisierung des Bürgerforums Niederberg Richtung Freizeitnutzung für die Bürger*innen steht sinnbildlich für die positive Innenstadtentwicklung der Stadt Velbert. Für die kommenden Jahre sind weitere vielfältige Projekte der Stadtentwicklung vorgesehen, mit dem Ziel, Velbert weiterhin zu einer lebenswerten Stadt zu machen. Machen Sie mit und unterstützen Sie uns mit Ihrer gestaltungsorientierten Führungspersönlichkeit als

Fachbereichsleitung Stadtentwicklung (w/m/d) Die Besoldung dieser attraktiven Stelle erfolgt je nach Qualifikation bis zur Besoldungsgruppe A 15 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD.

Die Goldstadt Pforzheim, mit ihren 125.000 Einwohner*innen, gilt als einer der attraktivsten Standorte des Landes Baden-Württemberg. Mit ihren rund 3.000 Beschäftigten ist die Stadt Pforzheim eine der größten Arbeitgeberinnen der Region. Das neugeschaffene Amt für Digitalisierung und Organisation bündelt im Dezernat des Oberbürgermeisters wesentliche Aufgaben, um die Stadtverwaltung Pforzheim als digitale, innovative und moderne Dienstleisterin für die Bürger*innen zu positionieren. Die vier Abteilungen Informations- und Kommunikationstechnik, Organisation, Digitalisierung/Smart-City und Kommunale Statistikstelle befassen sich mit der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen, der Etablierung digitaler Lösungen für Bürger*innen, Kunden und Beschäftigte, dem Betrieb eines Rechenzentrums, einer modernen und zeitgemäßen Organisation und innovativen Projekten für die Stadt im Rahmen des bundesweiten Förderprogramms Smart-City. Unterstützen Sie unsere Entwicklung zum nächstmöglichen Zeitpunkt als

Als souveräne Führungskraft mit juristischer Expertise haben Sie bei uns eine Schlüsselfunktion inne! Der Kreis Minden-Lübbecke ist eine attraktive Wirtschaftsregion mit vorrangig mittelständischen Unternehmen. Zusammen mit den vielfältigen Freizeit- und Erholungsangeboten bietet die Region eine hohe Lebens- und Arbeitsqualität. Mit unseren rund 1.700 Mitarbeitenden verstehen wir uns als moderne Dienstleistungsverwaltung für unsere Menschen in den elf lebens- und liebenswerten Städten und Gemeinden. Zum 01. April 2023 suchen wir im Zuge einer Altersnachfolge eine gestaltungsorientierte und loyale Führungspersönlichkeit für die Position

Kreisdirektorin * Kreisdirektor (w/m/d) als allgemeine*r Vertreter*in der Landrätin.

Amtsleitung Digitalisierung und Organisation (w/m/d)

Die Kreisdirektorin * der Kreisdirektor wird vom Kreistag gewählt und für die Dauer von acht Jahren in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen.

Gehen Sie davon aus, dass die vertraglichen Rahmenbedingungen Sie überzeugen werden.

Die Besoldung erfolgt in der ersten Amtszeit nach Besoldungsgruppe B 4 LBesG NRW.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Yanna Schneider, Birger Abromeit und Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Désirée Verhaert, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Julia Schwick, Waishna Kaleth und Barbara Morschhaeuser zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Als umsetzungsstarke Führungspersönlichkeit setzen Sie Akzente für eine nachhaltige Stadtentwicklung vor Ort!

Die Stadt Brühl sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine verantwortungsvolle und dynamische Führungspersönlichkeit als

Technische Beigeordnete / Technischer Beigeordneter (w/m/d)

Die Stadt Schmallenberg – Mittelzentrum im Hochsauerlandkreis – ist mit rund 303 km² die flächengrößte kreisangehörige Gemeinde Nordrhein-Westfalens und bietet mit rund 26.000 Einwohner*innen in 83 Ortschaften eine große Vielfalt. Als Ferienregion und Wintersportgebiet ist Schmallenberg attraktiver Tourismusstandort und bietet eine gute Infrastruktur. Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine motivierte Führungspersönlichkeit, die als

Beigeordnete * Beigeordneter (w/m/d) die erfolgreiche Arbeit im Dezernat II zielorientiert weiterführt.

für das Dezernat I. Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für eine Wahlzeit von acht Jahren. Wir bieten Ihnen eine Besoldung nach Besoldungsgruppe A16/ B2 Landesbesoldungsgesetz NRW sowie eine Aufwandsentschädigung nach den Vorschriften der Eingruppierungsverordnung NRW. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Raza Hoxhaj, Désirée Verhaert oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Tradition hat bei uns Zukunft – Gemeinsam gestalten wir Lebensqualität mitten im Sauerland!

Die Schlossstadt Brühl mit rund 46.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt im Süden des Rhein-Erft-Kreises verkehrsgünstig zwischen den beiden Städten Köln und Bonn. Hinzu kommen die beiden Schlösser Augustusburg und Falkenlust als Weltkulturerbe sowie der Freizeit- und Vergnügungspark Phantasialand, die die hohe Erholungs- und Lebensqualität der Stadt Brühl unterstreichen.

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Mit Ihrer Persönlichkeit und Führungserfahrung gestalten wir gemeinsam Zukunft! Das Erzbistum Köln ist mit rund 1,8 Millionen Katholikinnen und Katholiken unter den deutschen Diözesen das mitgliederstärkste Bistum. Rund 1.800 Mitarbeitende sind in erzbischöflichen Einrichtungen und in der Verwaltung tätig. Das Generalvikariat ist die zentrale Verwaltung des Erzbistums Köln. Für das Erzbischöfliche Generalvikariat (EGV) suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Führungspersönlichkeit in der verantwortungsvollen Funktion als

Amtsleitung (w/m/d) Die Anstellung ist unbefristet. Die Ernennung als Amtsleitung erfolgt auf fünf Jahre mit der Möglichkeit der Wiederbestellung.

Die Besoldung richtet sich nach der Eingruppierungsverordnung und erfolgt nach A 15 LBesG NRW. Daneben wird eine Aufwandsentschädigung nach den Vorschriften der Eingruppierungsverordnung NRW gewährt. Die Berufung erfolgt als kommunaler Wahlbeamter (w/m/d) für die Dauer von acht Jahren.

Sie setzen mit uns die richtigen Impulse für unsere Zukunft und entwickeln unsere Verwaltung konsequent weiter für die zukünftigen Herausforderungen. Sie managen und steuern gemeinsam mit dem Generalvikar und dem Ökonomen die Geschicke unserer Verwaltung. Wenn Sie mit uns gemeinsam etwas bewegen wollen, über eine positive Grundhaltung und innere Stärke verfügen, bieten wir Ihnen eine außergewöhnliche Aufgabenstellung mit attraktiven vertraglichen Rahmenbedingungen. Die Vergütung und die vertraglichen Bedingungen orientieren sich an der Bedeutung der Position.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Désirée Verhaert, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Dem Dezernat zugeordnet sind derzeit das Jugendamt, das Amt für Bildung, Kultur und Sport, das Sozialamt inkl. Jobcenter sowie das Ordnungsamt.

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Kommunaler Haushalt

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Behörden Spiegel / August 2022

Hartes Umfeld für Einlagen und Kredite

KLARSTELLUNG

Einsichten aus dem Trendbarometer Kommunalfinanzierung 2022 (BS/Dirk Schiereck/Thomas Eitenmüller) In diesem Sommer wird es 500 Tage her sein seit der Insolvenz der in Bremen ansässigen Greensill Bank am 21. März 2021. Etwa 50 deutsche Kommunen verloren bei dieser Insolvenz Einlagen in einem Gesamtvolumen von über 300 Mio. Euro. Während viele Stimmen im Nachgang ihr Unverständnis über das Anlageverhalten von kommunalen Finanzverantwortlichen äußerten, hat sich kaum jemand die Mühe gemacht, das schwierige Umfeld für kommunale Einlagen näher zu betrachten. Auch vor diesem Hintergrund wurden für das “Trendbarometer Kommunalfinanzierung 2022” von der TU Darmstadt in Kooperation mit komuno, der digitalen Plattform für Kommunalkredite, etwa 300 Finanzentscheider aus Kommunen, kommunalen Unternehmen und Finanzinstituten befragt. Dabei ergab sich mit Blick auf die kommunalen Hausbanken ein ernüchterndes Bild. Auf die Frage, ab welcher Laufzeit großvolumige kommunale Einlagen für die Finanzinstitute interessant wären, antworteten z. B.ginn des Jahres 76 Prozent mit “gar nicht”, für die Übrigen begann das Interesse erst bei Laufzeiten von 36 Monaten. Umgekehrt betragen die tatsächlichen Laufzeiten von Festgeldanlagen bei drei von vier Kommunen nicht mehr als 12 Monate. Die gesuchten Fristigkeiten für Einlagen lagen bei Banken und Kämmereien also wortwörtlich Jahre auseinander. Die Kommunen sind deshalb gezwungen, nach alternativen Formen der sicheren Geldanlage zu suchen und zeigen sich dabei sehr aufgeschlossen. So

wäre es bspw. für 67 Prozent der befragten Kommunen interessant, Liquidität als Interkommunalkredite (ausfallsicher) bei anderen kommunalen Institutionen anzulegen und von anderen kommunalen Institutionen anzunehmen, bei rechtlich einwandfreier Gestaltung. Dies trifft auch für die Kreditseite zu. Fast 90 Prozent der befragten Finanzinstitute bewerten ihren Zugang zu Kommunen und kommunalen Unternehmen als gut oder sehr gut. Es gibt weiterhin einen engen Austausch der beteiligten Parteien, nur bedeutet die Möglichkeit zum Austausch eben nicht unbedingt den Willen zum Abschluss von Finanzgeschäften.

Nicht einmal jede fünfte Bank und Sparkasse stuft den Bereich der Kommunalfinanzierung gegenwärtig als attraktiv ein. Auch wenn weitere 34 Prozent dieses Geschäft als eher attraktiv bewerten, erweist sich die naheliegende Begründung dieser recht positiven Einstufung als sehr situationsbedingt und durch die jüngsten Ereignisse überholt. Denn für fast zwei von drei der befragten Kreditinstitute waren kommunale Kassenkredite vor allem interessant als Alternative zu negativ verzinsten Zentralbankeinlagen. Im gegenwärtigen Zinsumfeld und bei hoher Inflation ist davon auszugehen, dass die Attraktivität des Kommunalkre-

“Personalmanagement”

Pauschalprämien vs. Leistungsorientierung Im Öffentlichen Dienst herrschen hinsichtlich des Gehalts bzw. der Besoldung strikte Vorgaben. Diese sind für Beamte gesetzlich in Besoldungstabellen und für Tarifbeschäftigte in Tarifverträgen mit Entgeltgruppen geregelt. Bei Letzteren erfolgt die Eingruppierung nach Art (Tätigkeitsmerkmale) und Zeitspanne (Erfahrung) der übertragenen Tätigkeit. Gleichwohl erlaubt es der Grundgedanke von § 18 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst (TVöD), besondere Leistungen besonders zu belohnen. Dessen Ziel ist es, eine Anreizfunktion zu schaffen, um: • Motivation, • Eigenverantwortung und • Führungskompetenz zu stärken und damit die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern. Das Tabellenentgelt deckt grundsätzlich die “Normalleistung” ab. Aus diesem Grund ist das Leistungsentgelt als variable, leistungsorientierte Bezahlung zusätzlich zum Tabellenentgelt zu verstehen. Die unten stehende Abbildung stellt für die hessischen kreisfreien Städte die verschiedenen Vergütungssystematiken der leistungsbezogenen Entgelte für Tarifbeschäftigte dar. Im Vergleich variierten die Kriterien der leistungsorientierten

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

Entgelte für Tarifbeschäftigte stark. So schüttete Offenbach am Main unter der Voraussetzung des Haushaltsausgleichs ihren Beschäftigten einen Pauschalbetrag nach dem “Gießkannenprinzip” in Höhe von bis zu zwei Prozent des Bruttoentgelts der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aus. Darmstadt, Frankfurt am Main sowie Kassel gewährten ihren Beschäftigten neben einem auf individuellen Kriterien basierenden Leistungsentgelt auch Pauschalprämien, die zwischen 20 und 80 Prozent des zusätzlichen Entgelts ausmachen konnten. Hohe Pauschalprämien – wie in Kassel – stellen keinen leistungsorientierten Anreiz dar und sollten kritisch überdacht werden. Dass es doch geht, zeigte die Landeshauptstadt Wiesbaden: Über die jeweilige Zielvereinbarung wurde den Anforderungen des Tarifrechts Rechnung getragen. Mit ihrem System der

leistungsorientierten Vergütung lässt die Stadt den Ansatz der Pauschalprämien außen vor und beschränkt sich ausschließlich auf die Bewertung der individuellen Leistung der Beschäftigten. Die Stadt honorierte damit die Erfüllung der vorab individuell vereinbarten Ziele. Das ist gut so, denn eine Ausschüttung allein nach dem “Gießkannenprinzip” ist nicht zielführend. Vielmehr sollte die Ausgestaltung der Dienstvereinbarung zum Leistungsentgelt dem originären Leistungsgedanken nach § 18 TVöD entsprechen.

ditgeschäfts aus Kreditgebersicht eher nicht zugelegt hat. Die Kämmereien haben sich daher nicht nur auf der Einlagenseite nach attraktiven Alternativen umzusehen, sondern auch bei der Kommunalfinanzierung. Und auch hier zeigt sich eine große und wachsende Aufgeschlossenheit, neue Wege zu beschreiten. So nutzen bereits 43 Prozent der Befragten digitale Plattformen bei ihrer Finanzbeschaffung. Neben der guten Transparenz und der Vergleichbarkeit der Kreditangebote, die 83 Prozent als Vorteile betonen, spielen vor allem auch die attraktiven Kreditkonditionen eine wichtige Rolle. Zudem gewinnen die Faktoren der einfachen Bedienbarkeit (75 Prozent) und Zeitersparnis (71 Prozent) zunehmend an Bedeutung und mit Blick auf eine zunehmend kritischere Öffentlichkeit betonen 59 Prozent die gute Dokumentation aller Vorgänge. Umgekehrt ist das dominierende Argument aus den Kämmereien, warum sie aktuell keine Kommunalkredit-Plattformen nutzen, der fehlende Kreditbedarf. Hier spiegelt sich der Finanzierungsüberschuss von 2021 wider, der gegenüber dem Vorjahr über alle Kommunen in Deutschland von zwei auf 4,6 Mrd. Euro angestiegen war. Mit Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten wie Inflation, Zinsentwicklung und gestiegene Energiekosten sowie die Belastungen in der Folge des Ukraine-Krieges liegt die Vermu-

Dirk Schiereck ist Professor am Lehrstuhl für Unternehmensfinanzierung der Technischen Universität Darmstadt. Foto: BS/TU Darmstadt

Thomas Eitenmüller ist als Geschäftsführer für die Bereiche Sales und Business Development der komuno GmbH verantwortlich. Foto: BS/komuno

tung nahe, dass die Optimierung der Kreditkonditionen in einem transparenten Prozess mit Dokumentation zukünftig noch mehr Bedeutung gewinnen wird. Daraus resultiert die Erwartung, dass die Betreiber digitaler Plattformen für Kommunalkredite mit weiterhin starkem Wachstum in ihrem Geschäftsbereich rechnen können. Und die einfache Bedienbarkeit, die von drei der vier befragten Kommunen betont wird, sowie niedrige Zugangshürden zu den Plattformen ermöglichen den Finanzverwaltungen eine weitere Optimierung und Professionalisierung der Finanzierung zum Erhalt ihrer Handlungsfähigkeit.

Lesen Sie mehr zum Thema “Leistungsentgelte” in der August-2019-Ausgabe des Behörden Spiegel (S. 19) und im Großstädtebericht, Hessischer Landtag, Drucksache 20/6483 vom 19. November 2021, S. 135 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof. hessen.de abrufbar.

Vergütungssystematiken für Tarifbeschäftigte

Darmstadt

Konzept der Vergütungssystematik

Kriterien des individuellen Leistungsentgelts

30 Prozent Pauschalprämie/70 Prozent Leistungsentgelt

· Arbeitsqualität · Selbstständiges Arbeiten · Zusammenarbeit/Kommunikation · Kundenorientierung · Kostenbewusstsein/Neuerungen

Frankfurt am Main2)

20 Prozent Pauschalprämie/80 Prozent Leistungsentgelt

Individuelle Zielvereinbarung

Kassel

80 Prozent Pauschalprämie/20 Prozent Leistungsentgelt

Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts

Offenbach am Main

“Gießkannenprinzip”: Auszahlung von bis zu 2 Prozent des jeweiligen Jahresbruttoentgelts

Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts

Wiesbaden

100 Prozent Leistungsentgelt

Individuelle Zielvereinbarung

Bewertung1)

Weitere Informationen auf der Website!

= sachgerecht; = teilweise sachgerecht; • = nicht sachgerecht Unter dem Gesichtspunkt einer leistungsorientierten Vergütung. 2) “Drei-Punkte-System” · Punktewert 0 = Ziel nicht erreicht – Erhalt eines Pauschalbetrags i.H.v. 20 % des persönlichen Basiswertes, allerdings mind. 100 Euro · Punktewert 1 = Ziel im Wesentlichen erreicht – Erhalt von 50 % des um den nach Punktewert 0 verminderten persönlichen Basiswertes · Punktewert 2 = Ziel erreicht – Erhalt des gesamten Restbetrags des für den Beschäftigten ermittelten Basiswertes 1)

Abbildung: Vergütungssystematiken für Tarifbeschäftigte

Quelle: BS/eigene Erhebungen; Dienstvereinbarungen Leistungsentgelt; Stand: April 2021

• • • •

Einsatzgebiete Erfahrungen Produkt-Datenbank Alternativen

(BS/lkm) In der Juni-Ausgabe des Behörden Spiegel wurde auf dieser Seite in dem Beitrag “Kommunalfinanzen in der Krise” unter anderem über die Position des Landkreistages NRW zur Altschuldenfrage berichtet. Darin wurde Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Nordrhein-Westfalen, zitiert. Später wurde in dem Beitrag nur noch vom Landkreistag anstelle vom Landkreistag NRW gesprochen. Da dies zu der falschen Annahme führen kann, dass damit die Position des Deutschen Landkreistages gemeint ist, folgt hier die Klarstellung: “Das Präsidium des Deutschen Landkreistages steht einer Altschuldenübernahme des Bundes für die Städte und Gemeinden weniger Bundesländer ablehnend gegenüber. Diese Problematik muss von den betreffenden Ländern allein gelöst werden. Hessen, Niedersachsen und SchleswigHolstein haben vorgemacht, wie das gelingen kann. Der Bund sollte stattdessen in Zukunftsthemen im Zusammenhang mit gleichwertigen Lebensverhältnissen investieren, statt die Einzelprobleme weniger Länder zu lösen. Deshalb spricht sich der Deutsche Landkreistag nachdrücklich für eine verbesserte Steuerausstattung der kommunalen Ebene, insbesondere der Landkreise und kreisfreien Städte aus, und zwar über eine nach Einwohnern verteilte erhöhte Umsatzsteuerbeteiligung. Fragen der Soziallasten haben hingegen bei der horizontalen Steuerverteilung auf die einzelnen Kreise und kreisfreien Städte nichts zu suchen, sondern sind im kommunalen Finanzausgleich der einzelnen Länder zu berücksichtigen”, so der Präsident des Deutschen Landkreistags, Landrat Reinhard Sager, und der Hauptgeschäftsführer, Prof. Dr. Hans-Günter Henneke.


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / August 2022

B

islang wurde vor allem versucht, die Ausfälle mit Energieimporten aus anderen Lieferquellen auszugleichen. Offensichtlich gelingt das bisher recht gut, wenn auch zu dauerhaft deutlich höheren Preisen. Einsparungen erfolgen bislang rein freiwillig und ausschließlich in der Verantwortung des Einzelnen, meist mit dem Ziel der Kostenreduktion. Die eine Hälfte der Gesellschaft, die mehr oder weniger ausgeprägt von der Hand in den Mund lebt, schränkt sich bereits in vielen Bereichen ein. Die andere Hälfte, bei der die gestiegenen Kosten lediglich die Sparquote senken, lebt in der Masse noch so wie vor dem Krieg, ohne sonderlich auf den Energieverbrauch zu achten.

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Runter mit der Mobilitäts-Energie Statt Tankrabatt Angebote schaffen (BS/Michael Schramek) Der Ukraine-Krieg mit den daraus resultieren disruptiven Veränderungen unserer Energieversorgung erfordert ­konsequentes Handeln auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Das gilt ganz besonders im Bereich Erdgas, aber auch die anderen Energieträger wie Strom, Heizöl, Benzin, Diesel und selbst Brennholz wurden wegen drohender Verknappung bereits deutlich teurer. Beim Kraftstoff wird der Anstieg gerade durch den bis Ende August befristeten Tankrabatt überdeckt, danach werden auch hier die Preise an den Tankstellen wieder steigen.

kosten benötigen. Weil diese im ländlichen Raum noch sehr dünn gesät sind, sollten Kommunen die Mittel zur Initi­ ierung bzw. zum Ausbau eines Car- und Bikesharing-Angebots erhalten. Die gerade in überarbeiteter Form veröffentlichte Förderrichtlinie in NordrheinWestfalen kann dabei beispielgebend sein. Um schnell entsprechende Angebote zu schaffen, sollten im Sharing alle verfügbaren Neu- und Gebrauchtfahrzeuge zum Einsatz kommen können, unabhängig von der Antriebsart. Die schnellste Angebotssteigerung kann mit Bestandsfahrzeugen von Verwaltungen, Unternehmen und sogar Privatpersonen geschehen.

Aus der Pandemie­ bewältigung lernen

Radverkehr fördern, Infrastruktur ausbauen

An Appellen zum Energiesparen mangelt es nicht, doch tragen diese bislang wenig Früchte. Zum Teil liegt es daran, dass zumindest im Moment das Bewusstsein für die Notwendigkeit noch nicht ausgeprägt genug ist. Oftmals aber auch daran, dass es unter den aktuellen Rahmenbedingungen zumindest im Bereich der Mobilität mit hohen Aufwänden, Einschränkungen und Unbequemlichkeiten verbunden wäre, etwas so zu verändern, dass sich der individuelle Energieverbrauch reduziert. In anderen Bereichen mangelt es an Handwerkern, um technische Lösungen schnell genug zu installieren. In den ersten zwei Jahren der Pandemie ist der Staat anders vorgegangen, um die Krise im Griff zu behalten. Man beließ es nicht bei Appellen, wohlwissend, dass man damit nur einen Teil der Bevölkerung erreicht. Aber genauso wie bei Corona ist es auch jetzt notwendig, dass sich die allermeisten energieeffizienter verhalten. Auf der einen Seite bot man kostenfreie Tests an, auf der anderen Seite beschränkte man Freiheiten, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus zu reduzieren.

Last, but not least seien Maßnahmen zur Förderung der Fahrradnutzung erwähnt: Pop-up-Bike-Lanes, verbesserte Fahrradabstellmöglichkeiten an allen POI sowie an Mehrparteienwohnanlagen, Zuschüsse zu (E-)Falträdern für die erste/ letzte Meile des Arbeitswegs sowie Ausbau der BikesharingAngebote. Und für diejenigen, die trotzdem noch aufs Auto angewiesen sind, Zuschüsse zu Spritspartrainings, um den Verbrauch zu drosseln. Damit diese Maßnahmen eine schnelle und relevante Wirkung entfalten, sollten Bund und Länder kurzfristig die notwendigen Mittel bereitstellen. Damit Kreise, Städte und Gemeinden schnell und unkompliziert damit arbeiten können, sollte außerdem der Rahmen für die Mittelverwendung einfach gestaltet sein. Alles so schnell und unkompliziert, wie wir es in der Pandemie auch erlebt haben. Das wird allemal billiger als der Schaden, den ein Mangel an Energie verursacht.

Wer die Mobilitätswende erreichen will, muss Verhaltensweisen ändern. Entweder durch Zwang und Verbote, wozu beispielsweise Tempolimits gehören, oder durch neue Angebote. Für Letztere gibt es zahlreiche Varianten, von der Förderung des Fuß- und Radverkehrs über Carsharing bis zum Ausbau des ÖPNV. Foto: BS/j_mel, stock.adobe.com

Ebenfalls würde die Einführung autofreier Sonntage oder die Anhebung der Dienstwagenbesteuerung in diese Kategorie fallen.

Angebote schaffen

Welche Angebote können nun kurzfristig durch den Bund, die Länder oder Kommunen geschaffen oder in ihrem Entstehen gefördert werden, damit Menschen ebenso kurzfristig den Energieverbrauch ihrer Mobilität reduzieren? Und wie wären sie Dreiklang notwendig an die Bürgerinnen und Bürger Dieser Dreiklang sollte auch zu transportieren, damit sie auch in der aktuellen Situation an- wahr- und angenommen werden? gewandt werden. Als Mobilitäts- Zunächst ist das bereits eingeberater beschränke ich mich führte 9-Euro-Ticket zu nennen, womit zumindest die Kosten der ÖPNV-Nutzung reduziert wurden, wenngleich sich das Angebot dadurch qualitativ nicht verbessert, Michael Schramek ist Ge­ schäftsführender Gesell­schaf­ sondern wegen ter der Eco Libro GmbH. der teils hohen Auslastung verFoto: BS/privat schlechtert hat. Nach aktuellem Stand läuft es zuim Folgenden auf Beispiele aus nächst Ende August aus, verdem Bereich der Mobilität, ver- schiedene Nachfolgemodelle, welgleichbare Vorgehensweisen las- che bei höherem Preis zumindest sen sich wahrscheinlich auch die Einfachheit der bundesweiten in anderen Sektoren finden. Nutzbarkeit gewährleisten, werNeben Appellen ist die Schaf- den aktuell intensiv diskutiert. fung von Angeboten erforderDas bundesweit gültige Nahlich, die eine Reduzierung des verkehrsticket allein reduziert Energieverbrauchs einfacher jedoch noch nicht in ausreigestaltet. Und es braucht Re- chendem Maße den Energiegelungen, die unter Wahrung der bedarf unserer Mobilität. Das grundgesetzlich abgesicherten gilt insbesondere im ländlichen Freiheitsrechte dennoch Verhal- Raum, wo die Angebotsqualität tensweisen verbieten, die einen des ÖPNV nicht ausreicht, um unnötigen Energieverbrauch zur mit der Flexibilität des individuFolge haben. In die letzte Ka- ellen Pkws mithalten zu können. Um die Nutzung des ÖPNV für tegorie fällt insbesondere die Beschränkung der Höchstge- den Arbeitsweg im ländlichen schwindigkeit auf Autobahnen Raum attraktiver zu gestalten, auf 130 km/h, innerorts auf 30 eignen sich Shuttleangebote km/h sowie auf allen anderen als Bahnhofszu-/abbringer in Straßen auf 80-90 km/h. Damit den Pendler-relevanten Zeiten. wird nicht nur unmittelbar der Diese könnten punktuell schnell Kraftstoffverbrauch für die zu- geschaffen und in Kooperation rückgelegten Strecken reduziert, mit den größeren Arbeitgebern sondern gleichzeitig auch den kommuniziert werden. alternativen, energieeffizienteren Mobilitätsformen wie ÖPNV Fahrgemeinschaften im Fokus und Fahrrad ein zusätzlicher Besonders hohes Potenzial Zeitvorteil verschafft, wodurch ­können im Rahmen einer konderen Nutzung attraktiver wird. zertierten Aktion die Förde-

rung von Fahrgemeinschaften entfalten oder die Einrichtung einer allgemein zugänglichen Pendlerplattform mindestens für die gesamte Metropol- bzw. Regiopolregion, Einrichtung von Mitfahrerparkplätzen an bedarfsorientierten Orten sowie ggf. der Einsatz von Shuttle- oder Fahrgemeinschaftskleinbussen. Eine zusätzliche Wirkung könnte die App-basierte Auszahlung von Parkprämien entfalten, in Anlehnung an ähnliche Projekte aus den Niederlanden: Für jeden Tag, an dem man sein Fahrzeug mindestens neun Stunden auf einen Pendlerparkplatz stellt, erhält man beispielsweise fünf Euro. Die Einrichtung von Popup-Fast-Lanes für mehrfach besetzte Pkws, wie sie in den USA vielerorts praktiziert werden, würde den Fahrgemeinschaften außerdem einen Zeitvorteil im Berufsverkehr der Großstädte verschaffen. Im Rahmen eines mit den größeren Arbeitgebern abgestimmten Vorgehens könnten weitere Vorteile für die Fahrgemeinschaften geschaffen werden, beispielsweise Nutzung der bestgelegenen Parkplätze am Arbeitsort oder weitere finanzielle Anreize. Außerdem sollten die Beschäftigten individuelle Wegeanalysen erhalten, mit denen alle Mitfahrangebote/-gesuche, aber auch alle anderen Verkehrsmittel und -kombinationen für den Arbeitsweg aufgezeigt werden, mit den Kosten, den Fahrzeiten, der körperlichen Bewegung sowie Infos zum Energieverbrauch und/ oder den Emissionen.

Wenn über die zuvor beschriebenen Maßnahmen die Nutzungshäufigkeit des eigenen (Zweit-)Wagens reduziert wird, dann besteht die grundsätzliche Möglichkeit, diesen abzuschaffen. Und wenn man im Bedarfsfall stattdessen Sha-

ring-Angebote nutzen kann, ist dies ohne größere Bequemlichkeitseinbußen umsetzbar. Dann verschafft das veränderte Mobilitätsverhalten die finanziellen Einspareffekte, die viele Pendler/-innen jetzt wegen der steigenden Lebenshaltungs-

Der schnellste Weg in die mobile Zukun�. Jetzt auf Knopfdruck.

Mobilität und Arbeit ­zusammendenken Ebenfalls in Kooperation mit den größeren Arbeitgebern ließen sich Coworking Spaces rund um die Metropolen bzw. Regiopolen schaffen, die ein wohnortnahes, aber eben nicht einsames Arbeiten ohne Notwendigkeit der Autonutzung ermöglichen. Zwar haben sowohl Betriebe als auch Beschäftigte in der Pandemie gelernt, wie man remote arbeiten kann, ohne jeden Tag ins Büro zu fahren. Aber viele haben keine Lust mehr darauf, ohne soziale Kontakte Tag für Tag zu Hause zu arbeiten.

Z U R YO U T U B E PL AY L I S T

D R. M A N U EL FEL L ER, REC H T S A N WA LT


Kommunale Infrastruktur

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Behörden Spiegel / August 2022

ZU|kunftssalon im September

Lenne geht über GöTel ans Netz

Außergewöhnliches Austauschformat in inspirierender Atmosphäre

Landkreis Holzminden erhöht Zahl der Gigabitgemeinden

(BS/jf) Der Lehrstuhl für Public Management & Public Policy von Prof. Dr. Ulf Papenfuß veranstaltet am­ (BS/Gret Beccard*) Der Landkreis Holzminden macht vor, wie engagierte Kommunen sich Glasfaserinfra8./9. September 2022 an der Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen den ZU|kunftssalon Public Corpo- struktur sichern. So ist nach einer Baurekordzeit von wenigen Monaten die Gemeinde Lenne im Landkreis rate Governance. Holzminden nach Wangelnstedt die nächste Gigabitgemeinde im Landkreis. “Good Governance” und verantwortungsvolle Organisationsführung bei öffentlichen Verwaltungen und öffentlichen Unternehmen sind für den Staat und die Gesellschaft von besonderer Bedeutung. In der Debatte über nachhaltige Daseinsvorsorge, digitale Transformation, demografischen Wandel, Klimaschutzziele, die Zukunft des demokratischen Gemeinwesens sowie Staats- und Verwaltungsmodernisierung kann eine anforderungsgerechte Ausgestaltung der Public Corporate Governance (PCG) zahlreiche Anstöße geben und Weiterentwicklungsbestrebungen vielfach unterstützen. Public Corporate Governance befasst sich mit dem Ordnungsrahmen und der praktizierten Steuerung von Organisationen der öffentlichen Hand mit selbstständiger Wirtschaftsführung wie z. B. öffentliche Unternehmen. Public Corporate Governance schließt die Themen Beteiligungssteuerung und Beteiligungsmanagement ein. Public Corporate Governance kann auch und gerade in Ausnahmesituation relevante Beiträge leisten, bspw. für eine stärker integrierte Steuerung und Koordination von Verwaltung und öffentlichen Unternehmen, bei Steuerungsherausforderungen bei Überlegungen zur Kompensierung von Haushaltsengpässen oder bei diskutierten Rekommunalisierungen/Verstaatlichungen.

D

ie Verwendung von torfhaltigen Erden setzt in erheblichem Maße CO2 frei, denn in Moorböden ist im Vergleich zu Wäldern ein Vielfaches an Kohlenstoff gespeichert. Doch anders als Holz zählt Torf aufgrund seiner sehr langen Entstehungszeit nicht zu den nachwachsenden Rohstoffen. Der Gebrauch jeglicher Produkte, die Torf enthalten, trägt deshalb zur Erderwärmung bei. Darüber hinaus führt Torf­ abbau in anderen Ländern, aus denen Deutschland Torf importiert, zur Zerstörung einmaliger Naturlandschaften und der dortigen Artenvielfalt. Ein Ausstieg aus der Torfnutzung ist somit auch ein Beitrag zum globalen Moorbodenschutz.

Corporate Governance ist ein wesentlicher Baustein für das Beteiligungsmanagement von kommunalen Unternehmen. Foto: BS/photon_photo, stock.adobe.com

Der ZU|kunftssalon bietet u. a. • ein exklusives Forum für BestPractice-Dialoge mit hochkarätigen Expert(inn)en zu Public Corporate Governance als zukunftskritischem Thema für Staat und Gesellschaft, • Workshops mit handfesten Gestaltungsoptionen für die Beteiligungssteuerung und im Beteiligungsmanagement in allen Gebietskörperschaften (mit und ohne “Public Corporate Governance”-Kodizes) sowie • Austausch über Erfahrungen und Überlegungen in inspirierender Atmosphäre mit Seeund Alpenblick. Die Veranstaltung behandelt in Vorträgen, Diskussionsrunden und parallelen Workshops verschiedene Themen aus dem Bereich der Public Corporate Governance, der Beteiligungssteuerung und des Beteiligungs-

managements. In besonderer Atmosphäre besteht ein exklusiver Raum, um neue Kontakte zur Entwicklung von Zukunftsperspektiven zu knüpfen. Zudem wird eine besondere Austauschmöglichkeit mit einem besonders einschlägigen und gestaltungsmotivierten Kreis aus Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der “Public Corporate Governance”-Community über alle föderalen Ebenen hinweg ermöglicht werden. Außerdem wird es möglich sein, mit einzelnen Mitgliedern der Expertenkommission “Public Corporate Governance”-Musterkodex in den Austausch zu treten. Die aktuellen Programm- und Veranstaltungshinweise sowie eine Anmeldemöglichkeit finden Sie unter zu.de/zukunftssalon .

Im Dezember wurde dort die Quote von über 86 Prozent erreicht und Mitte März konnten die Bauarbeiten der GöTel GmbH für das moderne Glasfasernetz in Lenne beginnen. Der letzte Hausanschluss wurde Anfang Juli gesetzt. Aktiviert wurde das fertiggestellte Netz für Lenne Mitte Juli. Nun hat Lenne die notwendige Infrastruktur, um als Gigabitgemeinde in die digitale Zukunft zu starten. Über die Glasfaserleitungen, die bis in die Häuser der Kunden verlegt wurden, kann man Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit/s beim Datentransfer erreichen.

mit FTTH-Infrastruktur spezialisiert und beweist dies durch zahlreiche neue Ausbauprojekte und Gemeinden, die wöchentlich ans Giganetz gehen. Das Unternehmen zählt zu den führenden mitteldeutschen Telekommunikationsdienstleistern mit Standorten in Göttingen, Kassel und Reiskirchen und macht sich in zahlreichen Initiativen (u. a. Digitalpakt Hessen u. w.) und dem eigenwirtschaftlichen Ausbau für die Bundesländer Niedersachsen und Hessen stark. *Gret Beccard ist freie Journalistin und spezialisiert auf den Bereich Wirtschaft DACH-Region.

Der letzte Hausanschluss wurde gesetzt! Von links: Projektleiter Bau Cihan Özer von GöTel, Lulli Dacaj, Bauunternehmen L. Dacaj, Ralf Schaper, Gemeindeverwaltung Lenne, Bürgermeister Stefan Wiegand, Projektleiterin Kommunalvertrieb Lilith Burghardt, GöTel, Beli Dacaj vom Bauunternehmen L. Dacaj, Wolfgang Jacob, Gemeinderat Lenne. Foto: BS/Alexander Obisjuk, www.GöTel.de

Torffrei gärtnern ist Klimaschutz Nachhaltigkeit im kommunalen GaLaBau (BS/Ute Papenfuß) Nachhaltiges Grünflächen- und Liegenschaftsmanagement schließt die Auswahl von Erden und Substraten mit ein. Bei der Beschaffung von Produkten und der Auftragsvergabe an Dienstleister können hier entscheidende Weichen in Richtung Klimaneutralität gestellt werden. Dabei gilt es, den Einsatz von torfhaltigen Erzeugnissen nach Möglichkeit ganz zu vermeiden. Düngung vorausgesetzt – ebenso gut wie in torfhaltigen. Derzeit sind die Potenziale der Torfersatzstoffe bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Rein mengenmäßig würden sie ausreichen, um die Torfnutzung in Deutschland komplett zu ersetzen.

Die Torfminderungsstrategie in Deutschland

Handlungsfelder für den Einsatz torffreier Erden Im Zuständigkeitsbereich der öffentlichen Hand und ihrer Liegenschaften werden torfhaltige Erden in folgenden Bereichen eingesetzt: • Wechselbepflanzungen, • Park- und Flächengestaltung, • Bodenverbesserung, • Sportrasen, • Straßenbegrünung (Kübel, Ampeln, Fensterkästen), • Zimmerpflanzen in Gebäuden, z. B. für Innenraumgestaltung oder Veranstaltungsdekoration.

Diese Geschwindigkeiten gelten auch für die anderen Ausbaugebiete in Niedersachsen. Die GöTel Gruppe versorgt aktuell nicht nur den Landkreis Holzminden, sondern auch den Landkreis Northeim und den Landkreis Göttingen. Dort wurden und werden zahlreiche Kommunen bis hin zu kleinsten Gemeinden mit Glasfasernetzen und dem Ausbau bis ins Haus für die Zukunft des ländlichen Raumes gerüstet. Bereits 2012 startete GöTel mit der Errichtung des ersten eigenen Glasfasernetzes in Göttingen. GöTel hat sich seitdem auf die Erschließung des ländlichen Raumes

Bestandteil des kommunalen Klimaschutzes: torffreie Erden und Substrate in Grünanlagen Foto: BS/stock.adobe.com – Smuki

Torffreie Produktalternativen Auf dem Markt sind bereits zahlreiche verschiedene torffreie Substrate verfügbar. Als Torfalternativen im Garten- und Landschaftsbau eignen sich vor allem: • Grüngutkompost, • Holzfasern,

• Kokosprodukte, • Reis- & Dinkelspelzen, • Rindenhumus. Diese Torfersatzstoffe sind derzeit am gebräuchlichsten und im Handel erhältlich. Grundsätzlich eignen sich aber auch andere Rohstoffe wie z. B. Flachsschäben oder Miscanthusstroh. In

Kompost als heimischer, erneuerbarer Rohstoff, der durch Erden mit Holzfasern aus Hackschnitzeln von Nadelhöldie Verrottung organischer Abfälle entsteht und wertvolle zern, verwendet werden anfallende Resthölzer aus SägeNährstoffe und Humus enthält. F oto: BS/stock.adobe.com – Partyssia werken. Foto: BS/Fotolia – fablok

Zukunft könnten weitere Materialien aus Landwirtschaft und Paludikultur (Landwirtschaft auf nassen Flächen) eine Rolle spielen, so z. B. Torfmoose. In den meisten Fällen wachsen Pflanzen in torffreien Substraten – die richtige Mischung und eine abgestimmte Bewässerung und

Die Bedeutung torffreier Erden für den Klima- und Umweltschutz ist in der Gesellschaft oftmals noch nicht bekannt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat deshalb im Zuge des Klimaschutzprogramms 2030 eine spezielle Torfminderungsstrategie für Deutschland gestartet. Sie zielt darauf ab, den Einsatz von Torf als Kultursubstrat und Bodenverbesserer so weit wie möglich zu verringern und, wo immer dies machbar ist, ganz auf dessen Einsatz zu verzichten. Die ganzheitliche Strategie richtet sich gleichermaßen an Verbraucher, den Erwerbsgartenbau sowie die öffentliche Hand.

Kokosfasern und Kokosmark, auch bekannt als Cocopeat oder Kokostorf, aus der Verarbeitung von Kokosnüssen Foto: BS/stock.adobe.com – hook37

Gütezeichen geplant Parallel zu den Informationsund Forschungsprogrammen wird an einem internationalen Zertifizierungssystem für Torfersatzstoffe gearbeitet, welches die gesamte Wertschöpfungskette umfassen soll – von der Gewinnung bis zur Inverkehrbringung des Substrates.

Markterkundung Im Auftrag des BMEL hat die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) auf torfersatz.fnr.de eine Datenbank für torffreie Substrate erstellt, welche aktuell über 250 am Markt verfügbare Produkte listet. Weitere Infos und ProduktDatenbank unter: torfersatz.fnr.de

Neue Alternativen in der Forschung: Torfmoose auf wiedervernässten Hochmoorflächen als Torfersatzstoff Foto: BS/stock.adobe.com – hhelene


Kommunale Sicherheit

Behörden Spiegel / August 2022

Seite 21

Forderungen nach der Einstufung des IARC

Ausreichende Belege

Komplette Anerkennung von Krebs als Ziel

Feuerwehrarbeit als krebserregend eingestuft

(BS) Für die komplette Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit setzt sich Marcus Bätge, Feuerwehrmann und Geschäftsführer von FeuerKrebs, schon seit längerem ein. Mit der neuen Einstufung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist er einen Schritt weiter. Die Fragen stellte Bennet Klawon.

(BS/bk) Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hat Feuerwehrarbeit als krebserregend eingestuft. Dies gab die Agentur in einer neuen Monografie an. Bisher wurde die Arbeit von Feuerwehrfrauen und -männern von der Organisation als “möglicherweise krebserregend” eingestuft.

Behörden Spiegel: Wie ist die Situation der Anerkennung von Krebserkrankungen ?

Es gebe ausreichende Belege für Krebs beim Menschen infolge der Brandbekämpfung. Für die Krebsarten Hodenkrebs oder Melanome der Haut habe es genügend Hinweise gegeben. Feuerwehrleute seien durch ihre Arbeit einer Vielzahl von Stoffen ausgesetzt, die bei der Verbrennung von Material entstehen. Zu diesen Stoffen zählen u. a. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, flüchtige organische Verbindungen, Metalle und Feinstaub. Diese Stoffe könnten über eine Absorption durch die Haut in den Körper gelangen. Dadurch dass die Stoffe im Brandrauch enthalten seien, seien auch Kräfte im rückwärtigen Raum betroffen. Zudem gebe es weitere Gefahrenquellen wie Hitzestress, Schichtarbeit und andere Strahlungen, die krebserregend sein könnten. Welche Konsequenzen für eine Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit aus der neuen Einstufung resultieren, ist noch nicht absehbar.

Marcus Bätge: Es hat sich generell etwas beim Thema Krebsprävention im Feuerwehrdienst getan. D. h., wir haben eine große Aufmerksamkeit, was das Thema Einsatzhygiene betrifft. Die Feuerwehren denken darüber nach, was sie tun können, und ändern ihre Arbeitsweisen. Darunter fällt beispielsweise die Umsetzung einer nachhaltigen Schwarz/Weiß-Trennung. Dabei entkleiden sich die Einsatzkräfte nach dem Brandereignis entspre- Marcus Bätge ist Feuerwehrmann chend, packen das Equipment bei der Feuerwehr Hamburg und Gein Plastikbeutel und ziehen sau- schäftsführer von FeuerKrebs gUG. bere, extra vorgehaltene WechFoto: BS/Klawon selwäsche an. Es wird mit dem Thema anders umgegangen. Im Tätigkeiten von FeuerwehreinBereich der Anerkennung haben satzkräften als “ausreichend wir leider noch keine Fortschritte nachgewiesen“ bestätigt. Hier verzeichnen können. hat der Arbeitgeber künftig eine besondere Verantwortung gegenBehörden Spiegel: Wo ist die über seinen Mitarbeitern. Er hat Politik am dringendsten gefordert? ein geeignetes, risikobezogenes Maßnahmenkonzept anzuwenBätge: In der Kommunalpolitik den, um das Minimierungsgeist es immer noch ein Manko, bot umzusetzen. Hierbei sind dass die Gelder eher für Frei- die bekannt gegebenen Regeln, zeitangebote wie Schwimmbäder Erkenntnisse und Beurteilungsoder Spielplätze in der Gemeinde maßstäbe zu berücksichtigen. Ein Arbeitsplatzgrenzwert, wie eingesetzt werden. Nachsehen haben dabei meistens die örtli- er in der Gefahrstoffverordnung chen Feuerwehren. Diese Gelder durch den Ausschuss für Gefließen dann nicht in neue Aus- fahrstoffe festzulegen ist, kann rüstung, Gerätehäuser, Fahr- gerade für das Milieu, in dem zeuge und eben auch nicht in sich unsere Einsatzkräfte aufhalHygienemobile oder -anhänger. ten, nicht oder nur sehr schwer Das ist immer noch ein Problem. festgelegt werden. Zudem ist es Dabei wird immer gesagt: “Für nicht nur das Brandfolgeprodukt, diese zwei, drei Feuer im Jahr welches das Gremium der IARC braucht ihr ja keine Schutzklei- dazu bewegt hat, die Tätigkeit dung für Tausende von Euros.” der Feuerwehrleute entsprechend Die komplette Anerkennung von einzustufen. Hinzu kommen Krebs als Berufskrankheit ist Nachtschichtarbeit (unterbrounser größtes Ziel. Dafür müssen chener Schlaf), im Feuerwehrsich jedoch einige Dinge ändern. dienst eingesetzte Betriebsstoffe (PFAS- Imprägnierungsmittel zur Behörden Spiegel: Was muss Abweisung von Wasser oder auch aus der neuen Einstufung der PTFE bei Beschichtungen), DieIARC folgen? selpartikel, die physiologische und psychische Belastung durch Bätge: Mit Veröffentlichung der den Job oder auch die Gefahr von Einstufung durch die IARC in die ansteckenden Krankheiten, die Kategorie 1A (Stoffe, die auf den krebserregend/-fördernd sind. Menschen bekanntermaßen kar- All das muss selbstverständlich zinogen wirken), wird der Kau- erst noch von hiesigen wissensalzusammenhang zwischen der schaftlichen Mitarbeitern beExposition gegenüber Stoffen und wertet und anhand der 1.250 der Entstehung von Krebs, bei Seiten der Monografie Vol. 132

durchgearbeitet werden. Dies kann durchaus hilfreich sein, wenn es um die Neubewertung von Berufskrankheiten und die Aufnahme in den BK-Katalog geht. Behörden Spiegel: Welche Bemühungen gibt es seitens der Unfallversicherungen? Bätge: Vor zwei Jahren wurde von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine Biomonitoring-Studie (eine Studie zur Expositionserfassung Anm. d. Red.) durchgeführt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass, ich zitiere “die Tätigkeit als Feuerwehreinsatzkraft unter den gegenwärtigen Schutzmöglichkeiten, vor allem einer korrekt getragenen Persönlichen Schutzausrüstung, insgesamt als sicher angesehen werden kann”. Dennoch wird “grundsätzlich die Möglichkeit eines individuell erhöhten Krebsrisikos durch die Brandbekämpfung jedoch nicht ausgeschlossen”. Das beißt sich meiner Meinung nach. Das Ergebnis der Studie spiegelt nur einen begrenzten Zeitraum wider. Hier wurde lediglich bilanziert. Also nur nach dem Input und dem, was vermeintlich wieder herauskommt, geschaut. Es wurde nur der aktuelle Moment abgebildet. Dazu ein Beispiel: Wenn Sie am Abend Wein konsumieren, haben Sie am nächsten Morgen einen geringeren Alkoholgehalt im Blut als an dem vorherigen Abend. Der Alkohol wurde über Nacht abgebaut. Das Gleiche gilt möglicherweise jedoch nicht für die Exposition von Gefahrstoffen über die Haut. Wenn Sie am Abend ein Feuer bekämpft haben, findet sich am nächsten Morgen eine andere Konzentration von Gefahrstoffen im Blut/Urin als am vorherigen Abend. Die Gefahr besteht also, dass sich Stoffe, wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die bei jedem Brand vorkommen, zwischenzeitig im Körper verstoffwechselt und in Zellen festgesetzt haben. Dies ist nur noch schwer über den Urin nachweisbar. Langzeitfolgen, wie bspw. das Risiko einer Krebserkrankung wurden da gar nicht betrachtet.

nim Beirat nach einer Sprecherin des BMAS nicht statt. Die Beratungen erstreckten sich vielmehr auf einzelne Krankheiten und die jeweiligen potenziellen Ursachen. Da der vollständige Bericht des IARC erst 2023 erscheine, könne der Beirat diesen noch nicht prüfen. Derzeit umfasst die BK-Liste 82 Berufskrankheiten, darunter zum Beispiel das Mesotheliom oder den Blasenkrebs. “Sie gilt ebenso für Feuerwehren”, heißt es von der Deutschen Gesetz-

Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit zu stellen, erklärt die DGUV.

Nachweis wichtig für ­Leistungen Betroffene Einsatzkräfte müssen nachweisen können, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Feuerwehrdienst und der Krankheit besteht. Kritiker bemängeln, dass eine Kausalität schwer nachzuweisen sei, da zwischen den Einsätzen und der Erkrankung oftmals mehre-

Anerkennung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen Damit eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird, muss diese Erkrankung infolge der Tätigkeit erlitten werden und in der BerufskrankheitenListe (BK-Liste), der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung Viele Stoffe, die bei einer Verbrennung entstehen können, werden von der In(BKV), aufgeführt sein. Laut dem ternationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als krebserregend eingestuft. Bundesministerium für Arbeit Foto: BS/Benedict Rottmann, pixabay.com und Soziales (BMAS) seien die Berufskrankheiten im deutschen lichen Unfallversicherung e. V. re Jahre vergehen könnten und Recht regelmäßig nach Krank- (DGUV). Der Spitzenverband eine personenbezogene Einsatzheitsart und schädigender Ein- habe zudem auf die potenziel- dokumentation über einen entwirkung definiert, nicht nach len Gefährdungen der Feuer- sprechenden Zeitraum bislang einzelnen Berufszweigen. Die bei- wehrleute durch krebserregende flächendeckend nicht umgesetzt den Ausnahmen seien entweder Gefahrstoffe mit verstärkten Prä- werde. Eine Nicht-Anerkennung historisch bedingt (Augenzittern ventionsanstrengungen reagiert. könne zur Folge haben, dass bei bei Bergleuten) oder die spezifi- Für in der gesetzlichen Unfall- einer vorzeitigen Pensionierung sche Erkrankung komme nur in versicherung versicherte Feuer- die Versorgungsbezüge niedriger einer Berufsgruppe vor (Fokale wehrleute bestünden gesetzlich ausfielen. Zudem könnten BeDystonie bei Berufsmusikern). verankerte Meldepflichten für rufsgenossenschaften oder die Beides sei bei Feuerwehrleuten Ärztinnen und Ärzte, für Ar- Feuerwehrunfallkassen nur bei nicht der Fall. Ob eine Krankheit beitgeberinnen und Arbeitgeber Vorliegen einer Berufskrankheit in diese Liste aufgenommen wird, sowie für die gesetzlichen Kran- konkrete Leistungen und Mittel entscheidet die Bundesregierung kenkassen, wenn ein Verdacht freigeben. Bisher sei nur in Einauf Empfehlung des Ärztlichen auf eine durch die Tätigkeit bei zelfällen eine Krebserkrankung Sachverständigenbeirats Be- der Feuerwehr verursachte Er- anerkannt worden. Als Gegenbeirufskrankheiten, der das BMAS krankung bestehe. Komme es spiel wird dabei häufig Kanada berät. Speziell berufsbezogene trotz Präventionsmaßnahmen zu angeführt. Dort sind seit 2003 17 Beratungen zu Krebserkrankun- einer Erkrankung, hätten Feuer- Krebsarten als Berufskrankheit gen von Feuerwehrleuten finden wehrleute die Möglichkeit, einen anerkannt.

Bundeskongress

Bundeskongress

Kommunale Verkehrssicherheit

Kommunale Ordnung

27. & 28. September 2022

Informationen und Anmeldung unter

Signal Iduna Park (Westfalenstadion), Dortmund

www.kommunale-verkehrssicherheit.de | www.kommunale-ordnung.de

Veranstaltungen des


Kommunale Sicherheit

Seite 22

Verbot von Werbung für Glücksspiel

S

chätzungen gehen davon aus, dass pro glücksspielsüchtiger Person bis zu 15 Angehörige betroffen sind und von den Folgen der Spielsucht in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn wir nichts unternehmen, wird die Zahl an spielsüchtigen Menschen schon bald rasant steigen. Für Glücksspiel wird geworben wie noch nie. Diese massive Werbung ist eine große Gefahr, denn sie schafft in perfider Weise Begehrlichkeiten. Je mehr Menschen Glücksspielwerbung wahrnehmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie überhaupt erst damit anfangen – und desto größer wird die Zahl derer sein, die eine Sucht entwickeln. Diese Werbung wirkt. Andernfalls würden die Sportwettanbieter nicht Monat für Monat viele Millionen Euro dafür ausgeben. Das Ganze ist für die Glücksspielunternehmen ein Milliardengeschäft. Geld, das die Spieler zuvor verloren haben. Dabei beobachte ich mit Sorge die starke Verquickung von Sport und Sportwetten. Die subtile Botschaft der Wettanbieter lautet: Wer sich für Sport interessiert, kann auch erfolgreich wetten. Mehr noch: Beides gehöre

Warum wir diese Diskussion gewinnen müssen (BS/Ulrich Mäurer) 1,3 Millionen Menschen in Deutschland zeigen ein problematisches und krankhaftes Glücksspielverhalten, weitere 3,25 Millionen stehen auf der Kippe. Die Folgen sind dramatisch: hohe Schulden, psychische Belastungen, familiäre Konflikte und der Verlust sozialer Kontakte. Zudem ist das Suizid-Risiko bei Spielsüchtigen besonders hoch. sogar zusammen. Nahezu alle Vereine der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga haben mit Sportwettanbietern Sponsoringverträge geschlossen und eine ganze Generation junger Fans nimmt die Namen der Sportwettanbieter auf den Banden und Trikots ihrer Idole wahr. Sie verbinden Glücksspielanbieter mit “ihrem” Verein und nehmen Glücksspiel als etwas Normales, Alltägliches wahr. Tipico präsentiert jetzt sogar die Sportschau und erhielt damit Einzug in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk! Ich sehe dies äußerst kritisch. Auch im Internet kann man den Anbietern kaum entkommen. Vorneweg die Bild-Zeitung. Sie kooperiert mit dem britischen Unternehmen “Betvictor”, das sein Wettprogramm unter der Marke BildBet anbietet. Bild par-

Basketball auch “Sportwetten” aufgeführt, als handele es sich dabei um eine eigene Sportart. In den redaktioUlrich Mäurer (SPD) ist nellen Beiträgen Innensenator Bremens. werden dann den Foto: BS/Innenbehörde Bremen Leserinnen und Lesern absurde “Verdienstchancen” suggeriert, unterstützt von Teil 1 selbsternannten Sportwett"Experten" wie tizipiert an den Umsätzen, hat al- dem “Wett-Opa”, dem “Quoso ein wirtschaftliches Interesse tenwilly” und der “Wett-Diva”, am Erfolg des Wettveranstalters. die Tipps geben fürs angeblich Das spiegelt sich deutlich in der erlernbare und erfolgreiche Wetganzen Aufmachung des Online- ten. Das ist abstoßend, aber denAuftritts der Bild-Zeitung: Dort wird im Sportbereich neben Fuß- noch erst der Anfang. Es steht zu ball, Handball, Formel 1 und erwarten, dass weitere Medien-

7. Bundeskongress zum

Glücksspielwesen Hotel Palace Berlin | Budapester Str. 45 | 10787 Berlin

Dienstag, 20. September 2022: Vorabendempfang 17:30

Einlass, Registrierung, Begrüßungsgetränk

18:00

Begrüßung Uwe Proll, Herausgeber und Chefredakteur, Behörden Spiegel Initialvortrag Georg Stecker, Sprecher des Vorstandes, Deutsche Automatenwirtschaft Diskussion und Networking Ende des Vorabendempfangs

Mittwoch, 21. September 2022: Bundeskongress 08:30 09:00

Einlass, Registrierung, Begrüßungskaffee Begrüßung

Uwe Proll, Herausgeber und Chefredakteur, Behörden Spiegel Die Eckpfeiler einer an Qualität orientierten Glücksspielregulierung in Deutschland

Michael Stübgen, Minister des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg, Ronald Benter und Benjamin Schwanke, Vorstände, Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder Prof. Dr. Gerhard Meyer, Suchtforscher, Universität Bremen Stephan Heilmann, Managing Director Digital Europe, Entain Group Andreas Engler, Automaten-Kaufmann, Vorsitzender des Vorstands, Forum der Automatenunternehmer 10:30

Kaffee- und Kommunikationspause

11:00

Forum 1: Konfliktfeld Glücksspielwerbung: Werberegulierung im Spannungsfeld von Verbraucherschutz, wirtschaftlichen Interessen und Compliance Susanne Heimerl, Oberregierungsrätin, Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration

Andreas Schumacher, Referat Polizei- und Ordnungsrecht, Organisation, Glücksspielaufsicht, Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz Edgar Quasdorff, ehem. Glücksspielreferent NRW

Forum 2: Spielerschutzaspekte und Prävention – Grenzen der Regulierung

Prof. Dr. Tilman Becker, ehem. Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel, Universität Hohenheim Alexandra Nöthen, Projektleiterin der Spielstätten-Zertifizierung, TÜV Rheinland Cert Dr. Henning Brand, Diplom-Psychologe, Geschäftsführender Gesellschafter, origo Akademie Christoph Höh, Fachexperte Glücksspielsuchtprävention

Dr. Wulf Hambach, Rechtsanwalt, Kanzlei Hambach & Hambach Dr. Andreas Blaue, Vorsitzender der Geschäftsleitung, lead link Michelle Chelsea Hembury, Rechtsanwältin, Kanzlei Melchers 12:30

Gemeinsames Mittagessen

13:30

Forum 3a: Regulierung und die Vermessung des Glücksspielmarktes

Prof. Dr. Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig Forum 3b: Online-Glücksspiel – Aktuelle Entwicklungen und Veränderungen durch neue staatliche Restriktionen u.a. mit:

Prof. Dr. Bert Rürup, Präsident, Handelsblatt Research Institute

Forum 4a: Illegale Angebote – Kampf gegen den ˶3. Marktʺ

Manfred Stoffers, Vorstand, Gauselmann Gruppe

Christian Benzrath, Referatsleiter Recht und Ordnung, Stadt Langenfeld Arndt Borgmann, Ordnungsamt, Stadt Hamm Forum 4b: 40 Pfennig Höchsteinsatz – Die Automatenwirtschaft zwischen Regulierung und ökonomischen Trends seit 1993 N.N., DIW Econ

Prof. Michael Rotert, Ehrenpräsident, eco – Verband der Internet wirtschaft e.V. 15:00

Kaffee- und Kommunikationspause

15:30

Quo vadis, Glücksspielregulierung? Nicole Steingass, Staatssekretärin im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz

15:45

Evaluation Staatsvertrag und Spielverordnung: Erwartungen an eine zukünftige Glücksspielregulierung

Ronald Benter und Benjamin Schwanke, Vorstände, Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder Georg Stecker, Sprecher des Vorstandes, Deutsche Automatenwirtschaft Mathias Dahms, Präsident, Deutscher Sportwettenverband Georg Gubo, Vizepräsident, Deutscher Online Casinoverband Petra Guttenberger, MdL 17:00

Zusammenfassung und Verabschiedung Networking und Einzelgespräche

www.gluecksspielwesen.de Eine Veranstaltung des

Medienpartner

unternehmen auf den Zug aufspringen werden. Eine voraussichtlich noch größere Werbeflut erwartet uns aus den anderen Online-Glücksspiel-Bereichen, wie etwa für virtuelle Automatenspiele. Daher müssen wir Aufklärung betreiben und den Menschen klarmachen: Sportwetten und andere Online-Glücksspiele bergen eine hohe Suchtgefahr. “Keine Macht den Drogen” – was ist aus dieser Kampagne der Neunzigerjahre für Suchtprävention geworden? Initiator war damals der Fußballer Karl-Heinz Rummenigge, andere Botschafter waren unter anderem seine Kollegen Franz Beckenbauer, Rudi Völler und Jürgen Klinsmann. Und dann werben Fußballidole umso sichtbarer für das Suchtmittel Glücksspiel. Kahn, Kuranyi und Co. hatten keine Hemmung, dies zu tun. Solche Sportler und vor allem der Profifußball handeln skrupellos und gierig, weil sie Spielsucht als Freizeitspaß für Fußballfans verharmlosen. Wohl wissend, dass es sich genau wie bei Tabak und Alkohol beim Glücksspiel um etwas potenziell Gefährliches handelt, also um ein sozialschädliches Gut. Die Kosten

der schädlichen Auswirkungen trägt im Übrigen die Allgemeinheit, während die prominenten Werbeträger üppige Gagen einstreichen und Anbieter Milliarden umsetzen. Ich bin überzeugt davon, dass wir ein radikales Umdenken brauchen. Daher fordere ich ein Werbeverbot für alle suchtgefährdenden Glücksspiele, also für Sportwetten, virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele. Andere Länder sind da schon weiter. In Italien gilt schon ein Werbeverbot und in England und zahlreichen Staaten der EU werden Forderungen nach Werbeverboten schon heiß diskutiert. Wir hingegen sind erst am Anfang. Deswegen brauchen wir Verbündete. Und zwar nicht nur auf der politischen Seite – parteiübergreifend, Innenministerinnen und Innenminister, Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister, Sozialministerinnen und Sozialminister, Drogenbeauftragte – sondern auch in einer öffentlichen Debatte. Inzwischen fordert auch das Fußball-Fanbündnis “Die Kurve” ein sofortiges Ende der Sponsoring-Verträge und anderer Kooperationen mit Sportwettanbietern. Viel Zuspruch bekommen wir zudem vonseiten der Suchtberatung und der Suchtforschung. Und am wichtigsten: aus dem Kreise der Betroffenen selbst. Das bestätigt und motiviert mich, bei der Auseinandersetzung mit der mächtigen Lobby der Sportwettanbieter nicht locker zu lassen.

MELDUNGEN

Neues ASSKomm-Mitglied

20. – 21. September 2022

21:00

Behörden Spiegel / August 2022

(BS/mfe) Die “Allianz Sichere Sächsische Kommunen” (ASSKomm) hat ein weiteres Mitglied. Künftig beteiligt sich auch die ostsächsische Stadt Niesky an dem Verbund und intensiviert ihre Präventionsarbeit. “Prävention ist in Niesky Chefinnensache! Es freut uns sehr, dass Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann das Heft des Handelns in die Hand genommen hat und dem ASSKomm-Netzwerk beitritt”, so Innenminister Armin Schuster (CDU). Niesky ist die elfte Kommune in Ostsachsen, die eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. hat. “Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, wie wichtig es ist, präventive Aufgaben an die Verwaltungsspitze

anzubinden. Die geplante Sicherheitsanalyse ist da nur der erste Schritt, um die Lausitz nachhaltig sicherer zu machen, also ein echter Sicherheitsgewinn für die Bürgerinnen und Bürger”, so der Dresdner Ressortchef. In Niesky soll nun rasch ein kommunaler Präventionsrat gegründet werden, um die zentralen Akteure besser zu vernetzen. Eine Aufgabe des Gremiums ist es, Probleme innerhalb der Kommune rechtzeitig zu erkennen und Ziele sowie Strategien zur Vorbeugung und Bekämpfung zu entwickeln. Gefühlte und faktische Sicherheitsrisiken sollen durch den Rat strategisch in den Blick genommen werden.

Verordnungen zur Anhörung freigegeben (BS/mfe) Der baden-württembergische Ministerrat hat die Verordnungen, mit denen die Einrichtung von Waffenverbotszonen im Ländle ermöglicht werden soll, zur Anhörung freigegeben. Das Innenministerium wird nun das Anhörungsverfahren durchführen. Die kommunalen Landesverbände können sich ab sofort zu den Verordnungsentwürfen äußern. Künftig werden Waffenverbotszonen an besonders kriminalitätsbelasteten Orten möglich sein, an denen mit der Begehung bestimmter Straftaten wie etwa Raub, Körperverletzungsdelikte, Bedrohungen, Nötigungen, Sexualdelikte, Freiheitsberaubungen oder Straftaten gegen das Leben zu rechnen ist. Darüber hinaus kommt die Einrichtung einer Waffenverbotszone an anderen, im Waffengesetz näher bezeichneten Örtlichkeiten, zum Beispiel auf bestimmten öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf denen Menschenansammlungen auftreten können, in Betracht. Voraussetzung ist, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Verbot oder die Beschränkung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. Hier unterstützen die jeweiligen Po-

lizeipräsidien die Kommunen. Ausnahmeregelungen sind unter anderem für das Mitführen eines Messers durch Handwerker oder Angler vorgesehen. Auch für Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse gelten von Gesetzes wegen Ausnahmen, da diese bereits behördlich hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit überprüft sind. Wer eine Waffenverbotszone mit einer Waffe betritt, begeht künftig eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann. Die Verordnungen sind zunächst auf zwei Jahre angelegt. Zuvor soll aber eine Evaluierung stattfinden. In Baden-Württemberg stand im vergangenen Jahr jeder zehnte Fall von Gewaltkriminalität (rund 14.900 Fälle) im Zusammenhang mit einem Messer. Hierbei wurden 24 Menschen getötet. Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte: “Waffenverbotszonen sind ein wichtiger Baustein für mehr Sicherheit. Wir geben den Kommunen damit ein weiteres Werkzeug für sichere öffentliche Räume an die Hand.” Flankierend brauche es aber auch Präsenz- und Kontrollkonzepte der Polizei sowie Videoüberwachung, so der Stuttgarter Ressortchef.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / August 2022

KNAPP

Der größtmögliche Mehrwert

Bayern beschließt Digitalgesetz

Nutzungszahlen von OZG-Leistungen im Fokus (BS/Matthias Lorenz) Eigentlich geht es so einfach: Die AusweisApp2 auf dem Handy öffnen, den Ausweis an die NFC-Schnittstelle des Smartphones halten und sich für eine Verwaltungsleistung identifizieren. Das Problem: Der neue Personalausweis mit seiner eID-Funktion wird kaum genutzt. Dies belegen zum Beispiel Zahlen der Studie eGovernment MONITOR 2021 der Initiative D21 eindrücklich, wonach nur neun Prozent der Deutschen die eID-Funktion schon mal genutzt hätten. Klar ist: Die beste digitale Verwaltungsleistung bringt nichts, sofern sie nicht genutzt wird. Was bedeutet dies für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG)? Um dies herauszufinden, hat der Behörden Spiegel in allen 16 Bundesländern und auch beim Bund nachgehakt. Die Antworten auf Fragen zu Nutzungszahlen und zur Zufriedenheit mit diesen werden höchst unterschiedlich beantwortet. Nicht alle Länder verfügen über einen Überblick. So können viele Länder zu konkreten OZG-Leistungen nicht sagen, wie häufig sie genutzt werden. Viele verweisen lediglich auf die sukzessiv ansteigende Anzahl der Konten in ihren jeweiligen Serviceportalen. Das im Bund für das OZG zuständige Bundesinnenministerium (BMI) erhält laut eigenen Angaben Nutzungszahlen zu “einigen besonders wichtigen OZG-Leistungen”. Aus Brandenburg heißt es, Nutzerstatistiken würden nicht geführt. Das Nachbarland MecklenburgVorpommern verfügt hingegen zu vielen Leistungen über Zahlen und kann detailliert darlegen, dass Geburtsurkunden bereits 13.608 Mal online beantragt wurden, eine Versammlung hingegen erst einmal digital angemeldet wurde.

Überblick fehlt Ein ähnlicher Flickenteppich findet sich bezüglich der Zufriedenheit mit den Nutzungszahlen. Die meisten Länder äußern sich hier grundsätzlich positiv. So heißt es aus dem Saarland wie aus Thüringen, die Zahlen seien insgesamt zufriedenstellend. Die Staatskanzlei Schleswig-Holstein schreibt, die Zufriedenheit sei schwierig zu bewerten, zum Beispiel weil Verwaltungsleistungen generell unterschiedlich häufig genutzt würden. Man wolle zukünftig für eine Zufriedenheitsanalyse ein Controlling aufsetzen. Darin soll bewertet werden, wie hoch der Anteil an online gestell-

ten Anträgen pro Leistung ist und welcher Grad an Komplexität beim Antrag vorliege. Bremen äußert sich zur Zufriedenheit differenziert. Manche OnlineLeistungen würden sehr gut angenommen, andere wie das Elterngeld mit 13 Prozent hätten niedrige Quoten oder würden wie die Leistung “Mutterschutz melden” noch gar nicht genutzt. Das Land geht davon aus, dass die Leistungen noch nicht ausreichend bekannt seien. Mecklenburg-Vorpommern teilt mit: “Die aktuellen Nutzerzahlen entsprechen insgesamt noch nicht den Zielvorstellungen.” Bisher fehlt also ein vollständiger Überblick. Diesen versucht die Initiative D21 in ihrem kommenden eGovernment MONITOR 2022 zu liefern. Es werde im Oktober konkrete Zahlen zu einzelnen Leistungen geben, kündigt Sandy Jahn aus der Projektleitung der Studie an. Eins kann sie schon zu diesem Zeitpunkt verraten: “Selbst Leistungen, die wirklich gut digitalisiert sind, kommen bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht an.” Es gebe nur zwei Leistungen, bei denen die Anträge mehrheitlich online gestellt würden. Auch Marc Danneberg, Bereichsleiter Public Sector beim Digitalverband Bitkom, sagt: “Der Anteil an online gestellten Anträgen ist noch nicht so hoch, wie ich es mir wünschen würde.” Die Zielmarke müsse mindestens bei 80 bis 90 Prozent liegen, der digitale Zugang immer der erste Weg sein.

Vertrauen und Mehrwert Für Danneberg müssen zwei zentrale Themen betrachtet werden, um die Akzeptanz von digitalen Leistungen zu steigern. Einmal gehe es um Vertrauen, also ein sehr großes Maß an

benötigten, käme es vor allem auf Schnelligkeit an. Bei anderen Leistungen, die beispielsweise oft verwendet würden, stehe dagegen mehr die Einfachheit im Vordergrund. Auch die meisten Bundesländer gehen grundsätzlich davon aus, das digitale Verwaltungsleistungen für hohe Nutzerzahlen vor allem nutzerfreundlich und unkompliziert umgesetzt werden müssten. Daneben planen einige Länder wie Hamburg, das Saarland oder Schleswig-Holstein Marketing-Kampagnen. Auch das BMI teilt mit, eine größere Kommunikationskampagne sei derzeit in Planung. Andere Länder wie Thüringen oder MecklenburgVorpommern warnen jedoch davor, durch zu frühe Kampagnen Erwartungen zu schüren, die momentan noch nicht erfüllbar seien. Es stünden einfach noch nicht genug Leistungen flächendeckend zur Verfügung. Den Überblick verloren? Einige Bundesländer wissen bei den Nutzungszahlen von OZG-Leistungen nicht, wo sie stehen. Foto: BS/jmarti20, pixabay.com

IT-Sicherheit und Transparenz. “Man muss jederzeit wie bei der Paketnachverfolgung sehen können, wie der aktuelle Stand der Bearbeitung des Antrags ist”, erklärt der Public-Sector-Experte. Transparenz bedeute aber auch, dass immer nachvollziehbar sei, was mit den eigenen Daten passiere. Als Zweites müssten die Leistungen einen echten Mehrwert bieten. Hierfür müsse alles zentral zur Verfügung stehen und möglichst einfach gestaltet sein. “Wenn man über ein digitales Zugangstor direkt Zugriff auf alle Dienste erhält, sinken die Transaktionskosten, um digitale Verwaltungsleistungen zu nutzen. Davon sind wir in Deutschland leider noch ein ganzes Stück entfernt.”

Sandy Jahn fordert, sich jetzt wirklich auf jene Leistungen zu konzentrieren, zu denen eine hohe Nachfrage besteht. Ob dies der OZG-Booster leisten werde, könne man zum jetzigen Zeitpunkt schwer beurteilen. In der Vergangenheit habe man sich eher auf die Quantität und daher auf solche Leistungen fokussiert, bei denen die Digitalisierung einfacher gewesen sei. Auch sie betont, dass Dienste so gestaltet werden müssten, dass sie den Nutzern den größtmöglichen Mehrwehrt böten. “Hier sind den Bürgern je nach Art der Leistung unterschiedliche Schwerpunkte wichtig.” Bei Leistungen, bei denen die Bürger etwas bekommen sollen oder welche sie für das weitere Voranschreiten eines Vorgangs

Opt-out als Lösung? Wohl aus diesem Grund ist ein Opt-out-Modell zur Nutzungssteigerung nach dänischem Vorbild in Deutschland momentan kein Thema. Hierbei müssten sich Bürgerinnen und Bürger aktiv gegen eine Nutzung des OnlineAntrags entscheiden. Im BMI geht man davon aus, dass ein Optout-Modell auch nicht notwendig sein werde, um die Akzeptanz von Online-Diensten zu erhöhen. Für den Bitkom-Bereichsleiter Danneberg hingegen könnte ein solches Modell mittelfristig durchaus eine Option sein, “um die letzten Prozentpunkte bei den Nutzungszahlen herauszuholen”. An diesem Punkt sei man in Deutschland aber noch nicht. Insgesamt gelte für hohe Nutzungszahlen: “Es steht und fällt mit der Online-Leistung an sich.”

(BS/lma) Das Bayerische Digitalgesetz hat den bayerischen Landtag passiert. Laut dem Bayerischen Staatsministerium für Digitales schaffe das Gesetz erstmals rechtliche Rahmenbedingungen, damit Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen sowie Organisationen über digitale Angebote verfügen und diese sicher nutzen könnten. Das Gesetz verfüge über drei wesentliche Kernpunkte, heißt es seitens des Ministeriums. Zunächst würden die allgemeinen Ziele und Grundsätze für die Digitalisierung festgelegt. Zweitens verankere es die Digitalrechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen. Dazu gehöre beispielsweise der Anspruch auf die Nutzung von digitalen Diensten im Austausch mit Behörden. Drittens werde ein neues Kompetenzzentrum geschaffen, welches den Kommunen dabei helfen soll, digitale Serviceleistungen anzubieten. Neben einem Digitalgesetz gibt es in Bayern nun auch einen DigitalStore. Mehr dazu im Interview auf Seite 24.

Eine Million für CyberSicherheitsanalyse

(BS/bhi) Das niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport (MI) hat ein einmaliges Budget von einer Million Euro aufgestellt. Davon sollen Kommunen im Land eine Cyber-Sicherheitsanalyse ihrer Systeme finanzieren können. Das Angebot erfolge in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden Niedersachsen, heißt es. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) erklärt, die Analyse könne “den teilnehmenden Kommunen Aufschlüsse darüber geben, in welchen Bereichen bereits ein guter Schutz der eigenen IT-Systeme besteht und wo – durch ergänzende Maßnahmen – die bestehenden Schutzmechanismen noch optimiert werden können”. Auch könnten Risiken für das Land reduziert werden.

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Informationstechnologie

Seite 24

Mehr Tempo aufnehmen

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ehörden Spiegel: Was sind die Motivation und die Zielsetzung des DigitalStores?

Gerlach: Wir müssen digitale Verwaltungsleistungen zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen in die Fläche bringen. Wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn wir den Service für die Menschen verbessern. Mit dem DigitalStore nehmen wir jetzt noch mehr Tempo auf. Unser Fokus liegt hierbei insbesondere auf der Förderung des ländlichen Raums. Behörden Spiegel: Wie ist die Aufgabenverteilung zwischen Digitalministerium und Innovationsring im Projekt? Gerlach: Wir stellen die finanziellen Mittel und Expertise für den DigitalStore bereit, der Landkreis sorgt für die praktische Umsetzung. Was mich besonders freut: Diese Zusammenarbeit wurde preisgekrönt. Die Jury beim renommierten “eGovernment-Wettbewerb” 2021 unter Schirmherrschaft von Bundesinnenministerin Faeser zeichnete es zum “Besten Kooperationsprojekt” des Jahres aus. Behörden Spiegel: Wie lange dauerte die Entwicklung, wer war daran beteiligt und wie wird nun der weitere Betrieb organisiert? Niedermaier: Wir haben das aktuelle Projekt “Digitaler Werkzeugkasten 2.0” im März 2021 gestartet. Gemeinsam mit den 25 Projektlandkreisen wurden bis zum Start des DigitalStores im Juli 2022 bereits 77 Online-Anträge umgesetzt. Die Online-Anträge

Mit dem DigitalStore Online-Services in die Fläche bringen (BS) Die bayerische Digitalministerin Judith Gerlach und der Bayerische Landkreistag stellten Mitte Juli den DigitalStore vor. Um schneller zusätzliche digitale Verwaltungsleistungen in die Fläche zu bringen, können die bayerischen Landratsämter nun über diese neue Plattform digitale Verwaltungsangebote herunterladen und ihren Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stellen. Über den DigitalStore sprach der Behörden Spiegel mit Digitalisierungsministerin Gerlach und dem Leiter des Innovationsrings des Landkreistags, Josef Niedermaier, Landrat des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen. werden allen bayerischen Landkreisen zur Verfügung gestellt. Mit dem DigitalStore wollen wir die Nachnutzung dieser Online-Anträge vereinfachen und damit auch beschleunigen. Den DigitalStores selbst konnten wir mit dem technischen Dienstleister, der XIMA MEDIA GmbH, innerhalb weniger Monate umsetzen. Der weitere Betrieb des DigitalStore wird vom Innovationsring des Bayerischen Landkreistags koordiniert. Behörden Spiegel: Der DigitalStore wurde im Rahmen des Gesamtprojektes “Digitaler Werkzeugkasten” erarbeitet. Was kennzeichnet dieses Vorhaben und welche weiteren Angebote wurden dort bereits erstellt bzw. sind in Planung? Niedermaier: Die Digitalisierung fordert die Landratsämter mit ihren zahlreichen Bürger- und Unternehmenskontakten in ganz besonderer Weise. Dieser Kraftakt kann nur gemeinsam gelingen. Mit dem Projekt “Digitaler Werkzeugkasten 2.0” setzen die 25 Projektlandkreise die notwendigen Online-Anträge daher arbeitsteilig und nach nutzerorientierten Standards um. Der Innovationsring des Bayerischen Landkreistags koordiniert das

mentäres Angebot, da es dabei ausschließlich um die innerbayerische Nutzung geht. Behörden Spiegel: Bislang sind am DigitalStore ausschließlich Landkreise beteiligt. Ist geplant, dieses Angebot auch auf andere Kommunen auszuweiten?

Digitalministerin Judith Gerlach und der Leiter des Innovationsrings des Landkreistags, Josef Niedermaier, Landrat des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen (rechts), präsentierten gemeinsam mit Thomas Karmasin (links), Landrat des Kreises Fürstenfeldbruck und Präsident des Bayerischen Landkreistages, den DigitalStore der Öffentlichkeit. Foto: BS/Bayerisches Staatsministerium für Digitales

Projekt und stellt die Ergebnisse allen Landkreisen zur weiteren Nachnutzung zur Verfügung. Bei den bereits umgesetzten 77 Online-Anträgen lag der Fokus auf Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Behörden Spiegel: In welchem Verhältnis steht der DigitalStore zum FitStore der Fitko bzw. zum Marktplatz von govdigital? Ist er als

Konkurrenz oder komplementäres Angebot zu verstehen? Gerlach: Der DigitalStore soll die Digitalisierung der kommunalen Verwaltung in Bayern erleichtern. Der FitStore und der Marktplatz von govdigital dagegen dienen dem Austausch von digitalen Leistungen zwischen den verschiedenen Bundesländern. Dementsprechend ist der DigitalStore ein komple-

Niedermaier: Mit dem Gesamtprojekt “Digitaler Werkzeugkasten” setzen wir Online-Leistungen aus dem Aufgabenbereich der Landratsämter um. Diese können auch für die bayerischen Städte interessant sein. Wir haben den DigitalStore daher von Beginn an so eingerichtet, dass die Leistungen auch von interessierten bayerischen Städten nachgenutzt werden können. Behörden Spiegel: Zum Start des DigitalStores Mitte Juli waren dort 77 digitale Verwaltungsservices verfügbar. Gibt es Meilensteine für den weiteren Ausbau des Angebots? Wo würden Sie persönlich gerne am Jahresende 2022 mit dem DigitalStore stehen? Niedermaier: Wir werden das Angebot bis Ende 2022 um weitere rund 30 Online-Anträge mit Schwerpunkt auf Unternehmensleistungen ausbauen. Ab 2023

Umsetzung im Rahmen des OZG

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un haben der Innenminister des Saarlandes, Reinhold Jost (SPD), und der sächsische Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung, Thomas Popp, eine entsprechende Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Dadurch könnte der Weg zu einer Online-Wache der Polizei für alle Bundesländer geebnet werden. Es wird keine Neuentwicklung geben. Vielmehr wird sich Sachsen auf die vorhandene OnlineWache aus dem Saarland sowie Rheinland-Pfalz stützen. Zehn weitere Länder haben bereits Interesse an der Nutzung der Lösung bekundet. Rheinland-Pfalz wird künftig für alle Länder, die dies wünschen, den Betrieb der “Online-Wache” übernehmen.

Behörden Spiegel / August 2022

Kooperationsvereinbarung zur Online-Wache unterzeichnet (BS/mfe) Die polizeiliche Online-Wache aus dem Saarland sowie aus Rheinland-Pfalz soll als bundesweite Einer-für-alle-Lösung “Online-Anzeige” bereitgestellt werden. Die Umsetzung obliegt dabei dem Freistaat Sachsen. Denn dieser ist entsprechender Themenfeldverantwortlicher im ­Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Der Betrieb erfolgt dabei über den ­Landesbetrieb Daten und Information. Interesse bekundet haben bislang Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, MecklenburgVorpommern, Sachsen, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein. Auch die Bundespolizei zeigt sich interessiert. Hier finden aber derzeit noch interne Prüfungs- und Abstimmungsprozesse statt. In der Prüfung befindet sich auch

Thüringen noch. Aus Berlin, das sich vorerst nicht beteiligen will, hieß es, dass man sich gegen eine Übernahme der Lösung entschieden habe. Denn das Land verfüge bereits über eine moderne und gut funktionierende polizeiliche Online-Wache, die eng mit dem polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem POLIKS verknüpft sei und damit zum Beispiel OnlineAnzeigen durchgängig digital weiterbearbeiten könne.

Und aus Bayern ist zu vernehmen, dass die Landespolizei die Online-Anzeigenerstattung schon im Februar 2018 und damit vor den aktuellen Umsetzungsaktivitäten zu Leistungen im Rahmen des OZG in Betrieb genommen habe. Dieser erfolgt laut Münchner Innenministerium kosteneffizient über das IT-Dienstleistungszen­ trum der Bayerischen Staatsverwaltung. Man wolle die weitere Entwicklung abwarten und sich

nur beteiligen, wenn damit entsprechende fachliche Mehrwerte einhergingen. Ähnliches ist aus Brandenburg zu hören. Dort ist man der Auffassung, dass die Übernahme keinen Vorteil erbringen würde, da dies mit einer Minderung des Leistungsumfanges im Vergleich zur bereits vorhandenen Online-Wache der Landespolizei einhergehe. Niedersachsen will die weitere Entwicklung zunächst beobachten und

stehen der weitere Ausbau des Angebots, die breite Nachnutzung der Online-Anträge sowie die inhaltliche Erweiterung auf interne Prozessbausteine “vom Antrag zum Bescheid”, etwa Rückfragen, digitale Bescheide etc., und rein interne Anträge – Urlaub, Dienstreisen, etc. – im Fokus. Gerlach: Grundsätzlich gilt: Jede digitalisierte Leistung ist ein Mehr an Service für den Bürger. Wir werden bis Ende des Jahres rund 30 weitere digitale Serviceleistungen anbieten, vorwiegend für Unternehmen. Ab 2023 sollen dann auch weitere Landkreise mit eingebunden werden, damit das Projekt auch in seiner Breite immer größer wird. Wie gesagt: Wir wollen in die Fläche. Da sind wir auf einem guten Weg. Behörden Spiegel: Der Bayerische Landtag hat am 20. Juli ein Digitalgesetz beschlossen, welches u.a. ein neues Kompetenzzentrum zur Unterstützung der Kommunen vorsieht. Wie soll diese Institution und deren Hilfestellung konkret aussehen? Gerlach: Das neue Kompetenzzentrum soll als Vermittler auftreten. Die Einheit soll vor allem EfALeistungen anderer Länder an die bayerischen Kommunen bringen, digitale Verwaltungsleistungen durch bayerische IT-Dienstleister für Kommunen vermitteln sowie die bayerischen Kommunen bei der Umsetzung dieser Aufgaben beraten. Mit unserem neuen Digitalgesetz schaffen wir den rechtlichen Rahmen, damit alle Menschen von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren.

die Situation dann gegebenenfalls neu bewerten. Laut Mainzer Innenministerium laufen derzeit die Arbeiten für den Aufbau und die Inbetriebnahme der zentralen Plattform, die im Jahresverlauf in Betrieb gehen soll. Die Anbindung der teilnehmenden Länder erfolgt sukzessive im Rahmen der dort vorhandenen technischen und organisatorischen Möglichkeiten. Die interessierten Teilnehmerländer werden über das eingerichtete Gremienwesen in die Weiterentwicklung der zentralen Plattform und der Anwendungsfälle eingebunden. Hierzu wurden bereits ein Lenkungskreis und ein Fachbeirat etabliert. Ein Gremium Technik und Infrastruktur wird derzeit eingerichtet.

Digitale Verwaltung

Wandeljahre gestalten Beschäftigte und Behörden auf dem Weg ins 4.0-Zeitalter

10. Oktober 2022 | Mainz www.dv-rlp.de #dvrlp22

Grafik: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, Panithan

Rheinland-Pfalz 2022


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / August 2022

KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

Seite 25

August 2022

Kompetenzzentrum Öffentliche IT

Verwaltung auf der grünen Wiese Die kürzlich veröffentlichte Szenariostudie des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) fordert den Status quo der öffentlichen Verwaltung fundamental heraus. Mithilfe von vier alternativen Verwaltungswelten lässt sie einen uneingeschränkten Blick auf gegenwärtige technische und organisatorische Möglichkeiten für moderne und digitale Verwaltungen zu. Was wäre, wenn wir entstandene Pfadabhängigkeiten der öffentlichen Verwaltung hinter uns ließen und ohne Weiteres neue Wege beschreiten könnten? Antworten auf diese Frage liefern vier alternative Szenarien, die auf Grundlage der heutigen Gesellschaft und der bestehenden technischen und organisationstheoretischen Möglichkeiten neue Verwaltungswelten entstehen lassen. Damit leisten sie einen Beitrag zur Erweiterung des Horizontes der Debatte um die Verwaltungsmodernisierung. Zusammen mit rund 20 Expert(inn)en entwickelte ÖFIT in einer dreiteiligen Workshopreihe die Szenarien, die nun neue Impulse für

B

ehörden Spiegel: Herr Staatssekretär, im April haben Sie bei uns im Behörden Spiegel angekündigt, Mitte 2022 kurz innezuhalten und einzuschätzen, welche OZG-Digitalisierungsvorhaben bis Ende des Jahres realistisch umzusetzen sind. Welche Ergebnisse hat dieses Innehalten gebracht?

laufende und kommende Modernisierungsprozesse bieten sollen. Die Workshops brachten vier Verwaltungsszenarien hervor, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Losgelöst von historischen Pfadabhängigkeiten gelang es, die Verwaltung in neuen Extremen zu denken. Dafür nutzten die Workshops ein an die Szenariotechnik angelehntes Vorgehen, das systematisch mögliche Ausprägungen der neuen Verwaltungswelten erarbeitete und diese in kreativen Phasen mit Leben füllte. So sollten stimmige und plausible Bilder neuer Verwaltungswelten entstehen. Eine Herausforderung bei der Erstellung der Szenarien war es, sich nicht von den eigenen Wünschen und dem Wissen um Hemmnisse leiten zu lassen, sondern eine Welt zu erschaffen, die in den betrachteten Parametern jeweils unterschiedliche Ausprägungen zu anderen Welten besitzt und gleichzeitig in sich stimmig ist. So entstanden vier Welten, die von den Expert/innen auf die Namen Shareholder-Staat, Wohlfahrtsstaat 4.0, Verwaltungsautomat und kooperativer Staat getauft wurden. Im Shareholder-Staat verstehen sich Bürger/innen als Miteigentümer/ innen und Kund(inn)en, weshalb das Verwaltungshandeln durch einen ausgeprägten Effizienzgedanken bestimmt ist. Der Wohlfahrtsstaat 4.0 setzt neben sozialstaatlichen Aspekten vollständig auf Innovation, um seinen Bürger(inne)n komplett digitale

Schubert: Nun bestimmte Leistungen zu priorisieren, war auf jeden Fall richtig. Ich halte es aber nach wie vor für schwierig, auch diese 36 Leistungsbündel bis Jahresende umzusetzen. Von denen stehen heute erst zehn oder zwölf zur Verfügung, die anderen werden von den einzelnen IT-Dienstleistern noch gebaut. Wenn diese Leistungen dann erst im Oktober oder November zur Verfügung stehen, wird es nicht mehr schaffbar sein, sie in den Gemeinden auszurollen.

Prozesse zu bieten und diese durch kontinuierliche Datenanalyse zu verbessern. Der Verwaltungsautomat versteht sich als Initiator öffentlicher Leistungen auf Basis umfangreicher Big-Data-Auswertungen von öffentlichen und Bürger/innen-daten. Die Ausführung staatlicher Leistungen soll dabei vor allem von Privatunternehmen übernommen werden.

Der kooperative Staat vertraut auf freiwilliges Engagement von Bürger/ innen und Unternehmen, das über eine zentrale digitale Plattform koordiniert und mit Sozialpunkten belohnt wird. Jede dieser Welten setzt bei der Bewältigung staatlicher Aufgaben auf andere Prinzipien. Wie sich dies in der Realität bemerkbar machen würde, sollte mithilfe zweier exem-

plarischer öffentlicher Leistungen durchgespielt werden. Dafür erarbeiteten die Expert/innen-Teams innerhalb der Szenarien den Prozess der Müllentsorgung und der Prüfung eines Sozialleistungsanspruchs. In diesem Arbeitsschritt zeigten sich wohl die größten Unterschiede zwischen den Verwaltungswelten. Die alternativen Welten sind kritisch zu evaluieren. Aus den Erkennt-

Von der Frist wegkommen Flächendeckende Umsetzung der OZG-Booster-Leistungen bis Jahresende fraglich (BS) Der Freistaat Thüringen sorgt bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) immer wieder für kontroverse Diskussionen. Wie der Thüringer Finanzstaatssekretär und Chief Information Officer (CIO) Dr. Hartmut Schubert zum OZG-Booster, zum EfA-Prinzip und zu einem möglichen OZG 2.0 steht, erklärt er im Interview mit Dr. Eva-Charlotte Proll, Herausgeberin des Behörden Spiegel.

Dr. Hartmut Schubert: Zunächst hat es zu großen Diskrepanzen mit den Bundesländern geführt, die hier eine andere Ansicht hatten. Oft wurde uns unter der Hand aber auch gesagt: “Endlich hat mal jemand die Diskussion angestoßen!” Schließlich ist es bis Jahresende nicht mehr weit und bis dahin werden wir die OZG-Umsetzung mit ihren über 500 Leistungsbündeln sowieso nicht schaffen. Unser Beitrag war ein ganz wichtiger Anstoß, um ein realistisches Bild vom aktuellen Umsetzungsstand zu zeichnen. Das zeigt sich auch in der Diskussion um den OZG-Booster. Behörden Spiegel: Sind wir denn mit dem OZG-Booster nun auf dem richtigen Weg?

Was wäre, wenn wir entstandene Pfadabhängigkeiten der öffentlichen Verwaltung hinter uns ließen?

“Wichtig ist, dass wir eine medienbruchfreie Digitalisierung hinbekommen.”

Finanzstaatssekretär Dr. Hartmut Schubert ist seit Juli 2015 Beauftragter des Freistaats Thüringen für E-Government und IT (CIO). Foto: BS/Finanzministerium Thüringen, Delf Zeh

andere Nachnutzungsmodelle. Warum?

Schubert: Auch vor EfA haben wir schon Leistungen entwickelt, die nun bereits vorhanden sind. Das ist das grundsätzliche Pro­ blem. Beispielsweise stellen wir den Thüringer Gemeinden rund 300 Antrags-Apps zur Verfügung, mit denen sie Leistungen nur an das jeweilige Gemeinderecht anpassen müssen und dann selbst online stellen können. Für viele einfache Verfahren wie “Hund anmelden” oder “Traditionsfeuer” braucht man also nicht unbedingt das EfA-Prinzip. Dieses halte ich eher bei großen Leistungen wie Behörden Spiegel: Sie plädie- Wohngeld oder Kfz-Zulassung für ren neben dem Einer-für-alle-­ geeignet, an denen sehr kompliPrinzip (EfA-Prinzip) auch für zierte Fachverfahren dranhängen

und andere Behörden beteiligt sind. Für einfache Verfahren reicht unser Antragsmanagementsystem jedoch vollkommen aus. Es wäre also wichtig, zu sagen: Die komplexesten Verfahren, Verfahren mit hohen Nutzerzahlen oder solche, bei denen eine bundesweite Einheitlichkeit die Nutzerfreundlichkeit befördert, werden nach EfA entwickelt und zentral zur Verfügung gestellt. Den Rest kann jeder selbst umsetzen. Behörden Spiegel: Sie setzen also auch auf Eigenentwicklungen, die abgekoppelt vom EfAModell sind. Schubert: Genau. Nehmen Sie als Beispiel das Baugenehmigungsverfahren. Hier hat Meck-

lenburg-Vorpommern einen guten Dienst entwickelt, aber wir hatten vor EfA schon selbst etwas mit dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt gebaut, ein sehr komplexes Vorhaben. Deswegen ist es jetzt für uns schwierig, zu sagen, wir stampfen unseren Dienst ein und nutzen die Entwicklung aus Mecklenburg-Vorpommern. Zunächst werden wir also unsere Eigenentwicklung ausrollen und weiternutzen. Behörden Spiegel: Ein weiterer Punkt beim OZG ist die Frage der Finanzierung. Ist Ihrer Meinung nach in dieser Hinsicht alles Wichtige geklärt? Schubert: So kann man das nicht sagen. Gut ist zunächst einmal, dass die Erstellung der Online-Dienste weiter vom Bund finanziert werden kann. Die schwierige Frage ist aber die Verteilung der Folgekosten. Hier gibt es gewisse Lösungsansätze. Wir in Thüringen haben es uns einfach gemacht und gesagt, wir finanzieren die Leistungen auch für die Gemeinde- und Landkreisebene selbst und stellen sie kostenfrei zur Verfügung. In anderen Ländern wird wohl jedoch ein kompliziertes Abrechnungsverfahren mit der Gemeindeebene stattfinden müssen. Außerdem wird sich die Digitalisierung immer weiterentwickeln. Dieser ständig stattfindende Change-Prozess muss aber auch finanziert wer-

den. Das wird vom Bund nicht mehr passieren, hier sehe ich die größten Hürden. Behörden Spiegel: Welche Regelungen sollte ein OZG 2.0 Ihrer Meinung nach enthalten? Schubert: Einfach nur eine neue Frist hineinzuschreiben, wäre auf jeden Fall zu wenig. Vielleicht sollte man sich vom Termingedanken eh ein Stück weit lösen, wenn er eventuell wieder nicht erreicht wird. Wichtig ist, dass wir eine medienbruchfreie Digitalisierung hinbekommen. Das heißt, Fachverfahrensanbindungen müssen vorgeschrieben werden. Darüber hinaus müssen gewisse Schnittstellen definiert werden, die dann auch von allen einzuhalten sind. Viele Fachverfahrenshersteller haben momentan entweder keine Schnittstellen oder sie geben diese nicht preis. Dann verfügt man über ein Online-Tool, welches aber nicht angewendet werden kann. Darüber hinaus könnte man auch mehr auf Open Source setzen. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass Open-SourceLösungen einfach von anderen Bundesländern übernommen werden könnten, welche die Lösungen dann in eigenen Rechenzentren laufen lassen. Nun trägt der Bund die Verantwortung, einen ersten Gesetzesentwurf vorzulegen. Hier gibt es eine Zusage vom Bundes-CIO, die

Foto: BS/Unsplash, Anisur Rahman

nissen ergeben sich aktuelle Herausforderungen in Bezug auf den Status quo der öffentlichen Verwaltung. Die Studie stellt dazu etliche Fragen und liefert abschließend potenzielle Antworten in Anbetracht der Erkenntnisse aus den verschiedenen Welten. Lesen Sie jetzt die gesamte ­Studie unter www.oeffentliche-it.de/publika tionen?doc=246027.

Bundesländer stark einzubinden. Wir werden die genannten Dinge einbringen. Behörden Spiegel: Stichwort Open Source: Welchen Vorteil bringt Open Source und wie nutzen Sie Open Source im Freistaat? Schubert: Der Vorteil ist, dass man die Abhängigkeit reduziert. Wenn man die Entwicklung beim Thema Cloud Computing betrachtet, sieht man, dass bestimmte Anwendungen so gestaltet sind, dass sie gar nicht mehr auf eigenen Rechnern abgespeichert werden können. Deswegen besteht momentan die Gefahr, dass sich Abhängigkeiten noch erhöhen: Man ist nicht mehr nur von der lizenzbasierten Software abhängig, sondern auch von der Hardware, also von den Rechenzentren der Anbieter, wo die Programme und Daten gespeichert werden. In unserem E-Government-Gesetz steht drin, dass Open Source immer Vorrang hat. Natürlich gibt es viele Fachanwendungen ohne Open Source. Dann besteht nur noch die Möglichkeit, Lizenzen zu kaufen oder selbst Lösungen zu entwickeln. Ein Beispiel ist das von uns auf Open-Source-Basis gebaute Videokonferenzsystem Opentalk. Auch wurde vom Thüringer Digitalisierungskabinett ein Prüfauftrag erteilt, wie die digitale Souveränität bei den PC-Arbeitsplätzen der Landesverwaltung durch Open-Source-Software gestärkt werden kann. Hier zeigt sich: Auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Rechenzentren ist die Arbeit mit innovativen Lösungen auf Open-Source-Basis deutlich spannender, weil Entscheidungsgrundlagen bei ihnen liegen und sie Software mit weiterentwickeln und betreuen können. Es ist eine viel spannendere Aufgabe, als Lizenzen zu verwalten.


Informationstechnologie

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Vertikale Integration

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och wie können alle föderalen Ebenen in den digitalen Transformationsprozess eingebunden werden, sodass keine digitalen Disparitäten zwischen Kommunen, Ländern und Bund entstehen? An welchen Punkten kann die Verwaltungstransformation im föderalen Kontext effizienter gestaltet werden? Und welche neuen Denkanstöße braucht es in der deutschen Verwaltung, um föderale Digitalisierungsvorhaben akkurat umzusetzen, dabei jedoch keine innovativen Lösungsansätze einzubüßen? Das Papier zur vertikalen Integration geht diesen Fragestellungen nach, es zeigt Hindernisse der föderalen Verwaltungsdigitalisierung auf und diskutiert mögliche Lösungsansätze. Basierend auf Experteninterviews und Beobachtungen ließen sich größere Muster erkennen, auf denen die Thesen und Ansätze des Papiers beruhen.

Fünf Kernpunkte Es werden fünf Kernpunkte hervorgehoben, die eine zentrale Rolle für eine effiziente Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung spielen und im Folgenden kurz dargestellt sind. Zunächst wird die Bedeutung von agilen Vorgehensmodellen herausgearbeitet, die in föderalen Digitalisierungsprojekten mehrere föderale Organisationsebenen integrieren. Dabei handelt es sich um eine Adaption klassischer agiler Methoden auf den födera-

NExT-Geschäftsstelle stellt sich neu auf

Mögliche Ansätze zur Verbesserung der föderalen Verwaltungsdigitalisierung

Nach dem Weggang des langjährigen Geschäftsführers Vincent Patermann zum 30. Juni 2022, stellt sich die NExT-e.V.Geschäftsstelle breiter auf und wird durch die Digitalakademie des Bundes übergangsweise koordiniert. Die BAköV/ Digitalakademie Bund, das Bundesverwaltungsamt, der DigitalService und weitere institutionelle Mitglieder des Vereins haben sich ressort- und behördenübergreifend bereit erklärt, bis zum Ende des Jahres die Geschäfte der NExT-Geschäftsstelle gemeinsam weiterzuführen.

(BS/Dr. Hauke Traulsen*) Die Digitalisierung der deutschen Verwaltung ist ein Thema, das nicht nur den Öffentlichen Dienst fortwährend beschäftigt, sondern auch politisch immer bedeutsamer wird. Während auf Landes- und Bundesebene wichtige Voraussetzungen geschaffen wurden und werden, gestaltet sich die föderale (in anderen Worten “vertikale”) Digitalisierung der Verwaltung insgesamt herausfordernd. Dabei hat der Grad der Digitalisierung der ganzen deutschen Verwaltung, von den Kommunen bis zum Bund, einen starken Einfluss auf den Alltag der Bürgerinnen und Bürger. len Kontext, um den Ursachen des Scheiterns klassischer Projektansätze wie bspw. der konservativen Fehlerkultur in der Verwaltung entgegenzuwirken. Der agile Austausch über die föderalen Ebenen hinweg fördert den regen Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen allen föderalen Ebenen, was den digitalen Transformationsprozess der Verwaltung positiv beeinflusst.

Allianz der Willigen Außerdem kann eine Institutionalisierung von Strukturen, die die Kommunen zusammenbringen, die gewillt sind, die Verwaltungsdigitalisierung maßgeblich mit voranzutreiben, ein wichtiger Schritt im Transformationsprozess der deutschen Verwaltung sein. Eine Allianz der Willigen wird entworfen, die die Heterogenität der deutschen Kommunenlandschaft widerspiegelt und gleichzeitig der darin enthaltenden Heterogenität von technischer Expertise, Mut und finanzieller Leistungsfähigkeit Rechnung tragen soll.

Als weiterer Ansatz wird die Notwendigkeit von Kompromissen im föderalen Kontext herausgestellt. Gewachsene digitale und organisatorische Strukturen müssen sich ebenfalls einem weiteren digitalen Wandel unterziehen. Die damit verbundenen Verluste von Einflüssen und Veränderungen der teils mühsam aufgebauten Strukturen sollte in einem föderalen Kontext einerseits mit einer zentralen neutralen Instanz des Vertrauens und ggf. einem näher zu definierenden Kompensationsmechanismus gekoppelt werden.

Föderale Kollaborationsplattform Um den Informationstransfer und -zugang in der deutschen Verwaltung zu erleichtern und den Wissensaustausch zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bzw. zwischen Behörden zu verbessern, sollte eine zentrale föderale Plattform ins Leben gerufen werden. Diese föderale Kollaborationsplattform kann dazu dienen, Informationen von Bund, Ländern und Kommunen projekt-

Über kurz oder Lang – Für ein digitales Deutschland –

Interdisziplinär den Digitalisierungsknoten lösen Eine Kolumne von Christina Lang

Im neuen Koalitionsvertrag steht prominent, was auch Verwaltungsbeschäftigte in Ländern und Kommunen täglich erleben: “Die Menschen erwarten vom Staat einfach handhabbare und zeitgemäße digitale Leistungen, nutzerorientiert, medienbruchfrei und flächendeckend.” Doch was als Ziel so klar und naheliegend klingt, birgt große Herausforderungen: Prozesse und Zuständigkeiten im Hintergrund sind häufig komplex und verteilt, Abstimmungswege lang und öffentliche Strukturen auf eine Leistungserbringung im Analogen ausgelegt. Um digitale Leistungen mit echtem Mehrwert zu entwickeln, ist es unausweichlich, Verwaltungsvorgänge konsequent Ende zu Ende zu betrachten. Nur wo und wie fängt man an? Meiner Erfahrung nach (und dies deckt sich mit den Ergebnissen unterschiedlicher Studien zur Effektivität von Arbeitsgruppen): Erfolgskritisch ist die Vielfalt und Interdisziplinarität des verantwortlichen Teams. Unterschiedliche Hintergründe, Erfahrungen und Perspektiven führen zu besseren Ergebnissen. Ebenso braucht es mehr Interdisziplinarität in Form zusätzlicher Kompetenzprofile. Konkret: Designerinnen und Designer, die Prozesse von Anfang bis Ende durchleuchten und neu gestalten. Damit meine ich nicht nur die offensichtliche Schnittstelle zu den Bürgerinnen und Bürger – oft eine App oder Webseite –, sondern auch all das, was dahinter in der Verwaltung passiert: Produktmanagerinnen und -manager, die nicht in Rechtstexten denken, sondern in der tatsächlichen Umsetzung. Die zwar nicht Gesetze und Verordnungen entwickeln können, aber Produkte und

Behörden Spiegel / August 2022

Christina Lang ist Chief Executive Officer (CEO) des DigitalService. Foto: BS/DigitalService

Leistungen, deren Erfolg sich am Erreichen der Zielgruppe und der tatsächlichen Nutzung misst. Und Software-Entwicklerinnen und -Entwickler, die all das zusammenbringen und sichere, souveräne digitale Anwendungen programmieren. Diese Fachprofile mit entsprechenden Management-, Kreativitäts- und Innovationskompetenzen müssen den für das Funktionieren unseres Staates existenziellen Juristen und Verwaltungsexpertinnen ebenbürtig an die Seite gestellt werden. Und sie müssen sich von Anfang an interdisziplinär um die Gestaltung oder Weiterentwicklung staatlicher Leistungen kümmern dürfen. Denn bereits beim Schaffen des gesetzlichen Rahmens gilt es zu berücksichtigen, welche Zielgruppe wie erreicht werden kann und wie die tatsächliche und technische Umsetzbarkeit des Vorhabens sichergestellt wird. Dass die Menschen in der Verwaltung offen sind für eine solche Zusammenarbeit mit neuen Kompetenzprofilen auf Augenhöhe, erleben wir bereits seit fünf Jahren bei unserem Tech4Germany-Fellowship. Seit 1. August dieses Jahres arbeiten wieder Talente und Expertinnen und Experten aus den Bereichen Product, Design und Engineering in-

terdisziplinär mit Fach- und IT-Verantwortlichen aus Bundesministerien und -behörden an deren Digitalvorhaben. Seit 2018 haben wir bereits mit 17 verschiedenen Bundesbehörden erfolgreich an insgesamt 24 Projekten gearbeitet, die Mehrzahl der im Rahmen des Fellowships entstandenen Prototypen wurden anschließend weiter umgesetzt. Und auch auf Landesebene gibt es mittlerweile vergleichbare Programme, zum Beispiel die Digitalschmiede in Bayern. Es macht den Teilnehmenden Spaß, in der eigenen Arbeit zu erleben, wie durch unterschiedliche Betrachtungen und Erfahrungshintergründe Lösungen entstehen, die besser sind als das, was man allein entwickelt hätte – auch wenn das Arbeiten in interdisziplinären Teams eigene Herausforderungen mit sich bringt. Doch wir sehen in unseren Projekten und den Fellowships, wie diese Erfahrung und die am Ende gemeinsam erreichten Resultate nachhaltig die Motivation und Selbstwirksamkeit der Beschäftigten stärken. So können wir den Digitalisierungsknoten lösen und gemeinsam nutzerorientiert, medienbruchfrei und flächendeckend für digitale Leistungen sorgen, die Menschen begeistern!

bezogen und projektübergreifend bereitzustellen, einzusehen und auf kurzem Wege den vertikalen Austausch zu ermöglichen.

Interne technische Kompetenz Abschließend wird die Notwendigkeit der internen technischen Kompetenz in den Behörden herausgehoben, die insbesondere im föderalen Kontext vonnöten ist, um der Bildung von meinungsprägenden “Bypässen” durch externe Organisationen entgegenwirken zu können. Davon abgeleitet lassen sich die konkreten Forderungen des Papiers wie folgt zusammenfassen: Um die föderale Zusammenarbeit weiter voranzutreiben und zu stärken, braucht die Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland ein Rahmenwerk auf organisatorischer und technischer Ebene. Dabei ist eine digitale Gestaltungs-

kompetenz, die von innen heraus gelebt wird, nötig. In ihrer Anwendung sollte die Heterogenität der föderalen Realitäten auf allen Ebenen im Blick behalten werden. Die Beteiligung aller föderalen Ebenen in relevanten Digitalisierungsvorhaben ist so naheliegend wie essenziell wichtig. Dazu sollten Strukturen und Prozesse genutzt werden, die es erlauben, diese Beteiligung operativ umsetzbar zu gestalten, ohne Geschwindigkeit in der Digitalisierung einzubüßen zu müssen. Mehr Vertrauen, mehr Kooperation, mehr Miteinander statt Gegeneinander, gepaart mit einem starken Mandat des Architektur- und Projektportfoliomanagements, würden zu deutlich schnelleren und effektiveren Umsetzungen führen. Vor allem aber braucht die föderale Verwaltungsdigitalisierung mehr Mut, zu scheitern und sich selbst zu verändern.

Mehr zum Verein unter: www.next-netz.de

*Dr. Hauke Traulsen ist Projektmanager FIT-Connect bei der FITKO und Co-Autor der NExTwerkstatt “Vertikale Integration”.

Potenziale heben Klimaschutz als Zielbild für Smart Cities (BS/Henrike Etzelmüller) Smart Cities und Regions wecken hohe Erwartungen. Fragt man Bürgerinnen und Bürger, was sie unter einer Smart City verstehen und in welchen Lebensbereichen sie sich mehr digitale Lösungen vorstellen, so sind sehr unterschiedliche Antworten sicher: Bildung, Gesundheit, Mobilität, Energie, Umwelt oder auch Verwaltung. All diese Bereiche einer Kommune können Teil einer Smart-City-Vision sein. Denn jede der 11.000 deutschen Kommunen hat ihre eigene DNA – und das ist auch gut so. Aber dennoch: Was deutschen Smart Cities fehlt, ist eine klare Orientierung und ein einheitlicher, konzeptioneller Rahmen, der die Digitalisierung von Städten und Gemeinden beschleunigt. Klimaschutz ist ein solches messbares Zielbild, das SmartCity-Projekten und -Projektteams als einheitliches Leitbild dienen kann. Sowohl das politische als auch das gesellschaftliche Streben nach einem generationengerechten Umgang mit Ressourcen wächst. Dabei werden Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammengedacht, wie die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten hat: “Wir wollen die Potenziale der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit nutzen.” Nachhaltigkeit setzt sich aus den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammen. Besonders die Dimension der Ökologie ist im Sinne des Klimaschutzes in Deutschland nicht nur emotional, sondern auch gesetzlich verankert. Mit dem Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 festgeschrieben. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Neben dem Klimaschutzgesetz sieht der Koalitionsvertrag insbesondere auch das Klimaanpassungsgesetz vor. Die Klimafolgenanpassung wird somit fortan zum festen Bestandteil für die öffentliche Verwaltung und soll auf kommunaler Ebene bei allen politischen Entscheidungen und Planungsvorhaben bedacht werden. Ein Handeln im Sinne des Klimaschutzes wird nicht nur gefordert, sondern auch durch Sofortprogramme gefördert.

Sektorenübergreifende Vernetzung und digitale Potenziale Wie wirken sich diese politischen Ziele nun konkret für die Städte und Gemeinden aus – und welche Möglichkeiten ergeben sich daraus? Die Koordination von Klimaschutzmaßnahmen hat eine hohe Komplexität, da eine Vielzahl von Sektoren – Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr und Industrie – einen Beitrag leisten müssen. Die Einhaltung der Klimaziele soll anhand einer sektorübergrei-

fenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung überprüft werden. Dieses Ziel definiert eine Maßnahme, die alle klimaneutralen Kommunen in Zukunft (digital) umsetzen müssen. Klimamonitoring soll Kommunen auf dem Weg zur klimaneutralen und digitalen Zukunft unterstützen. Mit der Bereitstellung werden sektorenübergreifende Daten zusammengeführt und die Treibhausgasbilanz sowie das CO2-Budget aktuell und zentral ausgewiesen. Weitere Maßnahmen gehen aus den Sofortprogrammen hervor, die durch entsprechende Bundesministerien im Juli 2022 vorgelegt wurden. So sieht das Sofortprogramm des Bundesbauministeriums und des Bundeswirtschaftsministeriums beispielsweise Maßnahmen wie energieeffiziente Gebäude, effiziente Wärmenetze oder kommunale Wärmeplanung vor. Das Bundesverkehrsministerium priorisiert den Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität und eine Ausbau- und Qualitätsoffensive Öffentlicher Personennahverkehr. Die Sofortmaßnahmen der Bundesregierung können somit als eine Roadmap mit zentral vorgegebenen Handlungsfeldern und dringlichen Maßnahmen gelesen werden. Die Planungs- und Umsetzungsverantwortung liegt dezentral bei den Kommunen, die Rolle des Transfers und der Koordination zentral beim Bund.

Nachhaltig durch Digital by Design Klimaschutz beinhaltet den intelligenten Umgang mit (knappen) Ressourcen in lebenswerten Städten für unsere und für zukünftige Generationen. Dabei gilt es besonders, die Potenziale von Digitalisierung in den Projekten herauszuarbeiten, damit nicht nur Nachhaltigkeit by Design, sondern auch Digital by Design, von Beginn an gedacht und gelebt wird. Transfer und Koordination gelingt durch Institutionen, aber auch Wettbewerb kann ein

motivierender Treiber sein. Die Entwicklung der Smart Cities in Deutschland beobachtet seit 2019 der Bitkom mit dem “Smart City Index”, der den Digitalisierungsgrad aller deutschen Städte ab 100.000 Einwohnerinnen und

Henrike Etzelmüller ist als, Industry Advisor Sustainable Cities & Regions bei , Microsoft Deutschland GmbH tätig und engagiert sich auch im Bitkom in diesem Themenfeld. Foto: BS/Microsoft

Einwohnern erhebt. Auch hier birgt ein stärkerer Fokus auf ökologische Dimensionen eine Chance, die kommunalen Erfolgsfaktoren der Digitalisierung zu schärfen sowie von anderen zu lernen und gemeinsam zu wachsen. Wir erfahren ein besonderes Momentum für den Klimaschutz – vielleicht auch, weil wir keine andere Wahl haben. Städte haben eine Chance, sich durch dieses Jahrhundertthema neu zu definieren: digital und nachhaltig für einen generationengerechten Umgang mit Ressourcen.

Mehr über die Potenziale der Digitalisierung für den kommunalen Klimaschutz erfahren Sie auf der diesjährigen Smart Country Convention vom 18.–20. Oktober in Berlin.


Mobile Government

Behörden Spiegel / August 2022

Seite 27

Mobil und auch sicher

Data Embassy

Der moderne Arbeitsplatz für die Verwaltung

Daten auch im Ausland

(BS/Dr. Barbara Held) Das Thema “mobiler und sicherer Arbeitsplatz” für die Verwaltung entwickelt sich zum Dauerbrenner. Mit ihren Geboten, ins Homeoffice zu gehen, hat die Corona-Pandemie der Mobilität der Verwaltungsarbeitsplätze den entscheidenden Schub verliehen: Das Pendeln zwischen Homeoffice und Büro entwickelt sich zum neuen “Normal”.

(BS/Uwe Proll) Nicht nur die aktuellen Erfahrungen aus der Ukraine – wo Teile des Regierungsnetzes und der Server-Infrastruktur bereits ausgeschaltet sind – haben im Auswärtigen Amt die Idee aufkommen ­lassen, die Kerndaten der Regierung auf einer im Ausland befindlichen Server-Infrastruktur zu lagern, um für den Fall der Fälle zumindest die geschäftskritischen Themen direkt wieder zur Verfügung zu­ haben. Denkbar ist zum Beispiel der Fall des Abschaltens von Regierungsservern, Netzen oder des Stroms Dabei ist die Definition des leiter KM, die BSI-Sicht auf die wusstsein dafür, dass in siche- überhaupt.

Homeoffice weit gefasst. Von den früheren Rahmenbedingungen eines “Telearbeitsplatzes” – u. a. eigenes Zimmer, Schreibtisch und dedizierte Festnetzleitung – ist nicht viel übrig geblieben. Sachlich zutreffender ist da eigentlich die Bezeichnung ­“Mobile Office”, denn von wo sich die Behördenmitarbeite­ rinnen und -mitarbeiter per Festleitung oder Funk in die Arbeitsprozesse einklinken, ist dem Arbeitgeber dabei weit­ gehend egal: Sei es die eigene Küche oder Terrasse zu Hause, der Flughafen oder das Zugabteil auf der Dienstreise. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie hat sich die Arbeitsplatzausstattung in Behörden und Ministerien weitgehend angepasst: Der Laptop wird zum Standard und das Smartphone ist nicht mehr nur Führungskräften vorbehalten.

BSI-Zulassung angesagt Mit dem neuen Normal des “mobilen Arbeitsplatzes” treten jetzt zunehmend die Fragen von IT-Sicherheit und Geheimschutz in den Vorder-

Komponenten mobiler und sicherer Kommunikation. Das sind zunächst die Kernfunktionalitäten der Office-Software wie E-Mail, Kalender etc. sowie die sichere Sprachkommunikation, dann das Themenfeld Messenger inklusive Videokonferenzen und schließlich die entsprechenden Infrastrukturen mit VPN-Zugang und dem zentralen Management. Für alle vier Aspekte bietet das BSI Handreichungen, welche die jeweiligen Anforderungen spezifizieren. Diese muss der Anbieter der Komponenten erfüllen, wenn er eine BSI-Zulassung erhalten will.

Sichere Endgeräte BSI-zugelassene Komponenten stehen den Behörden inzwischen zur Wahl. Da ist zum einen der VS-NfD-zugelassene “ultramobile” Arbeitsplatz der Firma Virtual Solution, die seit Anfang 2022 zur Materna Group gehört. Das “Secure PIM”-Ökosystem erlaubt es, auf ein und demselben Endgerät eine hochsichere Behördenkommunikation und gleichzeitig eine anwenderfreundliche

Mobiles Arbeiten von überall und unterwegs: Dieses Ziel haben die deutschen Behörden noch nicht vollständig erreicht. Foto: BS/Engin Akyurt, pixabay.com

grund. Erste Anlaufstelle für die Bundesverwaltung ist bei diesen Themen das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das sich als zuständiger “Regulator” hier durchaus kundenorientiert einbringt. Auf dem Europäischen Polizeikongress 2022 erläuterte Dr. Günther Welsch, Abteilungs-

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m Grunde war es Zufall, dass sich Andrea Münz von der Stadt Unterschleißheim schon mit ortsunabhängiger Telefonie beschäftigte, bevor diese durch die Pandemie unerlässlich wurde. 2019 sollte das Stadtmuseum umgebaut werden und die Mitarbeiter zogen vorübergehend ins Museumsstüberl. IP-Anschluss zur Telefonanlage? Fehlanzeige. IT-Administratorin Andrea Münz brauchte eine Lösung, um die Telefone der Mitarbeiter im Stüberl zum Laufen zu bringen. “Da habe ich mich zum ersten Mal mit Softphone beschäftigt”, erinnert sie sich. Denn vor drei Jahren war es in Behörden noch nicht alltäglich, sich an einem beliebigen Ort am Rechner anzumelden und über diesen per Telefon-Software zu telefonieren.

Sicher telefonieren von überall Die gesammelte Erfahrung bei der Umstellung von physischen Tischtelefonen auf Softphones kam gerade rechtzeitig. Als einige Monate später die Pandemie ausbrach, stattete Münz 274 Kollegen quasi auf einen Streich mit Softphones aus und ebnete so den Weg ins Homeoffice. “Da kam uns entge-

Instanz, welche die allgemeine Internet-Nutzung ermöglicht, zu betreiben. Ebenfalls VS-NfDzugelassen sind die Lösungen von Secusmart, deren Endgeräte u. a. von Bundeswehr, Polizeien und Zoll genutzt werden. CEO Dr. Christoph Erdmann attestiert der aktuellen Bundesregierung ein wachsendes Problembe-

re Kommunikation investiert werden muss. Noch ist nicht alles möglich. So sind sichere Konferenzen schwierig, weil Ende-zu-Ende-Verschlüsselung hier nicht funktioniert. Secu­ smart bietet da aber schon eine Lösung an.

Top-Thema Messenger Im Zentrum des Interesses stehen derzeit Messenger-Services, sozusagen die WhatsAppDienste für den sicheren Behör­ denalltag. Im Polizeibereich ist das zum Beispiel Teamwire, das u. a. anderem dem polizeilichen Bedarf an Gruppen-Funktionalitäten bzw. Chats auf Smartphones, Tablets und Desktops gerecht wird. Dazu gehören im Zweifelsfall lebenswichtige Dienste wie Notruf und Alarm inklusive Ortungsfunktion sowie die Möglichkeit, über Push-toTalk zu kommunizieren. Der Messenger wird vor allem von der Bayerischen Polizei genutzt, die in Sachen Mobilität derzeit eine Vorreiterrolle einnimmt. In Bayern werden die MessengerFun­ktionalitäten derzeit – komplementär zu den Kommunikationsmöglichkeiten des Digitalfunks BOS – rund 36.000 polizeilichen Nutzern über eine zentrale Teilnehmerverwaltung zur Verfügung gestellt, berichtet Georg Ringmayr, der verantwortliche Leiter der Informations- und Kommunikationstechnik der Bayerischen Polizei. Die Grundidee ist einleuchtend: “Heute in Bayern, morgen in ganz Deutschland.” Mitbewerber wie der unter anderem in Niedersachsen eta­blierte Messenger-Anbieter Stash­Cat, der seit 2021 zu Secunet gehört, sehen das naturgemäß etwas anders. “Matrix-ready” und als Standard interoperabel mit allen möglichen MessengerProdukten beschreibt StashCat-CEO Christopher Bick das Prinzip, das “zukunftsweisend” sei. Damit befindet er sich auf einer Linie mit dem Teilprojekt Mobilität des Bund-LänderProgramms P20, das ebenfalls auf die Weiterentwicklung der Open-Source-Software “Matrix” zum gemeinsamen MessengerStandard der deutschen Polizeien setzt.

Die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) befürwortet die Idee, denn ihr Haus soll bis Ende des Jahres eine “Nationale Sicherheitsstrategie” erarbeiten, mit den anderen Ressorts abstimmen und dann veröffentlichen. Das Projekt Data Embassy wird damit Teil dieser Nationalen Sicherheitsstrategie werden. Vorab gilt es, die wirklich geschäftskritischen Themen zu identifizieren, was in den letzten Jahren durch die einzelnen Ressorts längst hätte passieren sollen, aber nun eiligst nachgeholt werden muss.

Gesamte Zuständigkeit für Auslands-IT beim AA Im Auswärtigen Amt (AA) möchte man zuerst eine Liste von zehn ausgesuchten Ländern unter außenpolitischen Gesichtspunkten prüfen. Hier könnten andere als rein geografische Faktoren in die politische Bewertung des Staates einfließen, mit dem dann ein Vertrag über den Betrieb eines deutschen Regierungsservers vereinbart werden soll. Dem AA kommt dabei eine Änderung im Gesetz über den Auswärtigen Dienst zugute. Dadurch hat das AA die unmittelbare Zuständigkeit für die gesamte Regierungs-IT im Ausland zugeschrieben bekommen. Das Projekt ist nicht ganz neu, es hieß vor drei Jahren in der letzten Großen Koalition “Dienstausweichsitz”. Der Begriff jedoch scheint den deutschen Diplomaten zu eskapistisch zu sein und nach Fluchtbewegung auszusehen, daher klingt Data Embassy smarter. Bei den alten Planungen waren drei Server­standorte für die geschäftskritischen Themen der Regierung in drei Kontinenten vorgesehen. Angedacht waren damals die Standorte Pretoria, Singapur und ein Ort an der Westküste der USA. Nun will man die Sache aber nicht nur technisch angehen, sondern eben auch politisch, zudem das Projekt auf seine Realisierungsfähigkeit hin betrachten. Daher ist erst einmal ein Staatsvertrag mit einem Staat vorgesehen, optional dann ein zweiter. Auch will man nicht, wie in der Vergangenheit geplant, dies selbst organisieren.

Klare Aussagen in zwei Tweets, die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Mitte Juli über Twitter postete. Grafik: BS/Twitter

Stattdessen sollen, sobald die Liste der zehn Länder bereinigt ist, die deutschen Botschaften in den Staaten beauftragt werden, dort Gespräche über das Vorhaben Data Embassy mit den dortigen Regierungen aufzunehmen. Das Ganze muss zügig vorangetrieben werden, soll es noch Teil der Nationalen Sicherheitsstrategie werden. Neben der Kostenfrage sind die anderen Ressorts zu beteiligen und die Frage zu klären, wer eine staatsvertragliche Vereinbarung zwischen dem Hosting-Staat und der Bundesrepublik Deutschland denn unterschreibt. Auch der Bundestag muss mitgenommen werden. Erforderlich ist zudem eine weitere Abstimmung der deutschen Aktivitäten mit den Partnern in der Europäischen Union und der NATO. Mit Blick auf die europäische Ebene sind beim AA dabei insbesondere die Umsetzung der EU-Cybersicherheitsstrategie und die Weiterentwicklung der EU Cyber Diplomacy Toolbox sowie der EU Cyber Posture im Fokus. Zudem soll die Zusammenarbeit insbesondere mit Frankreich und osteuropäischen Partnern wie Polen und den baltischen Staaten weiter gestärkt werden.

Softphone fürs Homeoffice Die Stadt Unterschleißheim setzt auf moderne Kommunikation (BS/Arno Lücht*) Mitarbeiter ins Homeoffice bringen, Datenschutz gewährleisten und dabei immer die Erreichbarkeit für den Bürger sicherstellen: Behörden standen in den vergangenen Jahren vor immensen Herausforderungen. Die Stadt Unterschleißheim war dafür bestens gerüstet – nicht zuletzt dank einer glücklichen Fügung. gen, dass XPhone zum einen stabil läuft – und zum anderen nicht erklärungsbedürftig ist. Die Leute wollen sich heute nicht durch ein Handbuch quälen. Die Dinge müssen intuitiv sein, und das ist beim XPhone-Client der Fall.” Aufgrund der Reduzierung persönlicher Kontakte mit den Bürgern stand die telefonische Erreichbarkeit der Stadtverwaltung nun im Vordergrund. Deshalb bekam das Contact-TracingTeam ebenso wie das Bürgerbüro neben dem Softphone auch direkt die Hotline-Management-Funktion TeamDesk. Auf diese Weise konnte das Call-Routing optimal abgewickelt werden. Die HotlineMitarbeiter meldeten sich vom Homeoffice aus in der Hotline an und ab. Und die Zentrale sah die Erreichbarkeit der Kollegen im Homeoffice, um Anrufe gezielt

weiterzuleiten. Es war elementar, dass zwar das offene Ohr für die Bürger trotz des enorm gestiegenen Anrufaufkommens erhalten blieb. Gleichermaßen musste jedoch der Schutz der Mitarbeiterdaten gewährleistet werden. Beispielsweise indem bei Telefonaten die Büro-Durchwahl statt der privaten Nummer angezeigt wurde und nicht zu erkennen war, wo ein Sachbearbeiter saß.

Hotlines für alle Sachgebiete Ganz anders gestaltet sich die Sachlage bei den Hausmeistern der Stadtverwaltung. Diese arbeiten verteilt auf das Rathaus, Ballhausforum und die Schulen. Das Problem: Die Hausmeister haben Rufbereitschaft. Ihre Erreichbarkeit muss 24/7 sichergestellt werden, auch wenn sie ohne Notebook zu Hause oder auf

Andrea Münz hat alle Bürger-Hotlines fit fürs Homeoffice gemacht.

dem Gelände unterwegs sind. Die Lösung: Eine TeamDesk-Hotline, in die sie sich per Handy einund ausklinken können. “Es ist wichtig, dass immer mindestens ein Hausmeister über die Rufbe-

Foto: BS/c4b

reitschaft erreichbar ist”, erklärt Münz. “Wenn derjenige, der Rufbereitschaft hat, beispielsweise stürzt und sich verletzt, musste er in der Vergangenheit den Vorgesetzten informieren. Dann

Auf NATO-Ebene will das AA durch Mitarbeit am Tallinn Manual 3.0 mitarbeiten. Dessen Erstellung ist derzeit Aufgabe des NATO CCDCOE (Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence) in der estnischen Hauptstadt und soll Grundlagen für ein gemeinsames Verständnis der Anwendbarkeit des Völkerrechts im Cyberraum schaffen. Darüber hinaus soll es auch eine weitere Vertiefung der Kooperation mit privaten Unternehmen und den Netzbetreibern im Bereich der Kritischen Infrastruktur geben.

Vorhaben Teil des Aktionsplans Cybersicherheit Bereits heute betreibt das AA an 230 Standorten weltweit Rechner und verbindet sie. Es sollen GEHEIM-fähige Rechenzentren aufgebaut werden, welche die Botschaften und Ministerien per Audio, Video und Daten für Verschlusssachen bis GEHEIM nutzen können. Der Plan ist Teil des “Aktionsplanes Cybersicherheit” des AA und fließt in die Nationale Sicherheitsstrategie ein, für die das AA die Federführung hat. Somit wird das Amt neben BKAAmt, BMI, BMVg eine Sicherheitsbehörde.

musste der wiederum ins Büro, um das Telefon umzuleiten.” Heute kann sich ein Teilnehmer jederzeit über sein Handy aus TeamDesk ausklinken und einen Kollegen informieren, der sich stattdessen anmeldet, um die Rufbereitschaft auf der HotlineNummer aufrechtzuerhalten. Somit wurde TeamDesk zum unverzichtbaren Tool. Mittlerweile wurde auch die TK-Anlage hochgerüstet, virtualisiert und über einen sogenannten Session Border Controller ans IP-Netz angeschlossen. Die Telefonanlage ist nurmehr für die Konfiguration der Tischtelefone in den Schulen zuständig, während XPhone sich um sämtliche Telefonie-Funktionen, Warteschlangen, Anrufbeantworter und Hotlines kümmert. Doch damit nicht genug: Andrea Münz tüftelt bereits an weiteren Schritten, um die Erreichbarkeit weiter zu optimieren. “Deshalb überlegen wir, TeamDesk flächendeckend für alle Sachgebiete einzuführen.” Denn inzwischen steht fest, dass das Homeoffice – in welcher Ausprägung auch immer – bleiben wird. *Arno Lücht ist freier IT-Journalist.


Informationstechnologie

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ehörden Spiegel: Herr Brake, welche Leuchtturmprojekte beinhaltet die Digitalstrategie aus Ihrer Sicht? Brake: Die Digitalstrategie ist für uns die zentrale Richtschnur für die Digitalisierungsprojekte, die wir in dieser Legislaturperiode vorantreiben wollen. In der Strategie finden sich auch bekannte Projekte wieder, die in der Vergangenheit nicht so gut vorangekommen sind. Wir haben eine Priorisierung vorgenommen und drei Hebelprojekte definiert. Darunter verstehen wir Vorhaben, deren Strahlkraft über das eigentliche Projekt hinausgeht. Das erste Hebelprojekt umfasst die Themen Gigabit-Ausbau und Daten. Unser Anspruch ist es, den Gigabit-Ausbau bis 2025 entscheidend voranzubringen sowie mehr und bessere Daten für digitale und datengetriebene Geschäftsmodelle zur Verfügung zu stellen. Schnelle Netze und eine bessere Datennutzung sind die Grundlage dafür, dass Digitalisierung ihre volle Wirkung entfalten kann. Behörden Spiegel: Worum geht es im zweiten Hebelprojekt? Brake: Das zweite Hebelprojekt fokussiert sich auf das Thema digitale Identitäten. Wir brauchen auf nationaler Ebene eine digitale Identität, mit der man sich gegenüber Behörden ausweisen kann, um Online-Dienstleistungen in

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Grafik: Aurielaki, adobe.stock.com

ine der häufigsten Fragen, die uns im Rahmen der agilen Transformation begegnete, war: “Und was bedeutet das jetzt konkret für mich?” Um es allen Beteiligten des DVNProgramms es zu ermöglichen, zu verstehen, was sich verändert und wie neue Aufgaben aussehen, wurde das knapp 65-seitige Dokument interaktiv und filterbar gestaltet. Was bedeutet das? Anstatt sich durch das gesamte Dokument zu lesen, ermöglichen es wenige Klicks im PDF dem Lesenden, die relevanten Inhalte entweder für eine Rolle, für einen Termin oder ein Artefakt zu selektieren. Nutzende landen automatisch auf den relevanten Inhalten inklusive Erörterungen und relevanten Folge-Links zu verbundenen Rollen/ Terminen/ Artefakten. Quasi die Detailebene zu den in unserer Artikelserie berichteten Inhalten.

Behörden Spiegel / August 2022

Die volle Wirkung entfalten

Projekte das Leben der Menschen konkret erleichtern.

Drei Hebelprojekte für die Digitalisierung (BS) Mit ihrer Digitalstrategie will die Bundesregierung den Herausforderungen des digitalen Wandels begegnen. Welches die zentralen Projekte der kommenden Legislaturperiode sind, verrät Benjamin Brake, Leiter der Abteilung “Digital- und Datenpolitik” im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), im Interview mit Dr. Eva-Charlotte Proll, Herausgeberin des Behörden Spiegel. Anspruch zu nehmen. Hier setzt dann die Hebelwirkung an: Wir wollen um diese Behördensysteme ein Ökosystem von Unternehmen im digitalen Raum aufbauen, bei denen man sich dann auch mit dieser digitalen Identität ausweisen kann. Das ist in meinen Augen ein echter Gamechanger. Dadurch schaffen wir die Möglichkeit, dass man sich nicht nur mit dem GoogleKonto oder Amazon Pay anmelden kann, sondern als Alternative eine staatliche digitale Identität nutzen kann. Behörden Spiegel: Bliebe noch das dritte Hebelprojekt? Brake: Dieses umfasst schließlich offene Standards und mehr Interoperabilität. Dies ist zum einen im Kontext Daten wichtig – Stichwort Datenräume und Datentreuhänder. Bei der technischen Gestaltung ist entscheidend, dass wir keine Silos aufbauen. Vielleicht will man heute aufgrund der unterschiedlichen Sensitivität der Daten nicht, dass ein Gesundheits- mit einem Mobilitätsdatenraum verknüpft wird.

Aber es kann sein, dass dies zu einem späteren Zeitpunkt sowohl gesellschaftlich als auch politisch opportun ist. Dann dürfen technische Hürden nicht im Wege stehen. Zum Zweiten müssen wir bei der Standardisierungsfrage auch darauf achten, dass wir die Art und Weise, wie wir hier in Europa Geschäftsmodelle im Bereich Digitalisierung denken, auch technisch in Standardisierungsgremien verankern. Wer den Standard definiert, definiert letztendlich auch den Markt. Au-

neu aufgesetzt. Bei diesen bestehenden Projekten können Quick Wins gehoben werden, zum Beispiel bei den Funktionalitä“Die Digitalstrategie bzw. ten. Entscheidend ist ihre Maßnahmen müssen zu demonstrieren, wain der breiten Bevölkerung rum wir das machen. Die Digitalstrategie spürbar werden.” wird daher kleinere Geschichten enthalten, in denen wir die Vorteile Benjamin Brake ist Leiter der Abteilung “Digital- und Datenpolitik” im Bundeserläutern. Beispiel: Was ministerium für Digitales und Verkehr bedeutet eine elektroniFoto: BS/Eva-Charlotte Proll (BMDV). sche Patientenakte für Hanna, 24, chronisch krank? Sie muss keine ßerdem müssen wir sicherstellen, CDs mit Bildern von Doktor A zu dass wir mit unseren europäi- Doktor B tragen. Sie muss die schen Geschäftsmodellen auch ganze Dokumentation nicht mehr in andere Märkte vordringen zu Hause in Aktenordnern aufkönnen. Die Standards müssen bewahren, um beim Arztwechsel alles vorzuhalten. Im Idealfall hat daher möglichst offen sein. sie alles in einer Patientenakte, Behörden Spiegel: Das klingt gut geschützt und verschlüsselt, alles sehr komplex. Lassen sich und gibt dem Arzt ihres Vertrauhier auch Quick Wins realisieren? ens den Zugriff frei. Die Digitalstrategie bzw. ihre Brake: Einige der zentralen Pro- Maßnahmen müssen in der breijekte – etwa die digitale Identität ten Bevölkerung spürbar werden. oder die elektronische Patienten- Deshalb enthält sie Geschichten, akte – werden ja nicht komplett die erklären, wie die einzelnen

Die DVN-Uhr Zentrales Dokument zur Übersetzung des Frameworks für die Verwaltung (BS/André Henke*) In den vergangenen sechs Teilen der Artikelserie haben wir von diversen Terminen, Rollen und Artefakten berichtet, die im Rahmen unserer agilen Transformation eingeführt wurden. Aufgrund der hohen Komplexität und der zahlreichen Veränderungen war – wie bereits in den vorigen Artikeln beschrieben – einer der Erfolgsfaktoren die Adaption des Frameworks auf Verwaltungsspezifika. Die adaptierte und am Ende passgenaue Implementierung haben wir in einem zentralen Change-Dokument festgehalten: Für Beteiligte unseres Digitalisierungsprogramms, aber auch für Interessierte außerhalb des Programms, die erwägen, SAFe zu implementieren. Dieses interaktive Dokument wurde “DVN-Uhr” getauft. Grundlage der Uhr ist die Darstellung der zwölf Wochen, die ein Inkrement (also ein Planungszyklus) in unserem Digitalisierungsprogramm dauert. Danach wiederholen sich die Abläufe und Termine erneut von vorne – analog einer Uhr. Diese Visualisierung hat es uns ermöglicht, die Abläufe und Logik unseres iterativen Vorgehens verständlich und vereinfacht darzustellen. Hierzu gehören neben den Terminen auch die beteiligten Rollen und die genutzten agilen Artefakte (wie bspw. Epics, Features und Stories).

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Das Dokument ist im Rahmen der agilen Transformation unerlässlich geworden, da es das zentrale Übersetzungsdokument des Frameworks in die Verwaltung

darstellt. Auch hier ist wichtig: Das englischsprachige SAFeFramework passt – auch wenn es das international führende für skalierte Agilität im öffentlichen und privaten Sektor ist– nur mit Adaption wertstiftend auf die deutsche Verwaltung. Hierfür ist die SAFe-Kompetenz mit Verwaltungsverständnis ein essenzieller Erfolgsfaktor für agile Transformationen im öffentlichen Sektor. Zusätzlich zu den Artefakten, Rollen und Terminen wurden zudem unser Programmkalender sowie ein paar grundlegende Seiten zur Einführung in das

Framework aufgenommen, um ebenfalls den Einstieg für SAFeNeulinge zu ermöglichen. Die Resonanz zu dem Dokument war durchweg positiv!

Muss es ein interaktives PDF sein? Vorteil dieser Unterlage ist, dass sie schnell zu teilen ist: Mit allen Programmteilnehmenden und Außenstehenden, welche Interesse haben, SAFe zu implementieren. Nichtsdestotrotz ist die Aktualisierung in einem sich so schnell methodisch weiterentwickelnden Programm

Behörden Spiegel: Wie soll ein potenzielles Digitalbudget eingesetzt werden und welche Bedingungen muss ein Projekt erfüllen, um Gelder aus dem Budget zu erhalten? Brake: Die Projekte, die wir in der Digitalstrategie umsetzen wollen, sind von den Ressorts finanziell unterfüttert. Darüber hinaus sieht der Koalitionsvertrag ein eigenes Digitalbudget vor. Damit können Projekte gezielt mit mehr Mitteln gefördert werden. Die Beratungen, welche Projekte dies sein können, werden demnächst beginnen. Behörden Spiegel: Noch mal zum Thema digitale Identitäten. Wie möchte die Bundesregierung sicherstellen, dass die Smart eID mehr genutzt wird? Brake: Die Usability und die Nutzerfreundlichkeit müssen steigen und das muss vor allem auch mit einer Kommunikationskampagne begleitet und in die Breite getragen werden. Viel zu häufig verfügen innovative datengetriebene Lösungen über zu wenig Bekanntheit. Zudem müssen wir den Umgang mit datengetriebenen Geschäftsmodellen attraktiver machen. Dafür brauchen wir an dieser Stelle auch eine andere Fehlerkultur hier in Deutschland.

nicht einfach. Alternativ kann das interaktive Handbuch auch über Web-kollaborationstools wie bspw. Confluence abgebildet werden. Wichtig ist lediglich, dass die Nutzenden Informationen schnell finden und die Zusammenhänge in diesem komplexen Framework verstehen.

Die DVN-Uhr ausprobieren Wenn Sie Interesse haben, ebenfalls dieses interaktive Dokument zu sichten und unsere agile Transformation im Detail nachzuvollziehen, können Sie mir gerne eine Nachricht an die folgende E-Mail-Adresse senden: andre.henke@mi.niedersachsen. de bzw. alternativ gerne auf LinkedIn Kontakt mit mir aufnehmen. *André Henke, Programmleitung Digitale Verwaltung Niedersachsen, Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport

INNOVATIONSSYMPOSIUM

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 11. OKTOBER 2022

T

N E V E E N I L N O Weitere Informationen:

www.innovationssymposium-ki.de

Eine Veranstaltung des


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / August 2022

Das OZG (2.0)

D

as Onlinezugangsgesetz sieht zwei Ziele vor: Erstens sollen Bürger/-innen sowie Unternehmen jeden Antrag auf staatliche Leistungen auch online stellen können. Zweitens soll ein Verbund der Verwaltungsportale von Bund und Ländern geschaffen sein. Mitte 2022 ist klar, dass beide Ziele leider verfehlt werden. Der Appell richtet sich daher an politisch Verantwortliche, die Zukunft des OZG aus drei Blickwinkeln zu betrachten und voranzutreiben: Strategie, Ökosystem und Umsetzungsmaßnahmen.

Umsichtige Gesamtstrategie statt vereinzelter Vorstöße Das OZG ist Kern einer gesellschaftsorientierten Verwaltungsdigitalisierung: Die Verwaltungsarbeit soll sich im Sinne des Gemeinwesens auf die Bürger/innen, Unternehmen und gesellschaftlichen Institutionen ausrichten. Um diesen Anspruch einzulösen, muss das OZG systematisch mit anderen Initiativen wie der Registermodernisierung und der Multi-Cloud-Strategie verschränkt werden. Es gilt, die Interoperabilität von OZG-

den “Servicestandard für die OZGUmsetzung” mit aufzunehmen.

Neue Impulse bei den Umsetzungsmaßnahmen

Der weite(re) Weg zur gesellschaftsorientierten Verwaltung

Die laufenden Maßnahmen der

(BS/Dr. Markus König) Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) 2.0 ist ein gesellschaftspolitisches Projekt, sein Umsetzungsstand aber OZG-Umsetzung müssen konseernüchternd. Auf Grundlage einer Analyse der bestehenden Probleme liefert Infora Empfehlungen für die Konzeption des OZG 2.0: Die Gesetzes- quent fortgesetzt werden. Zudem umsetzung muss strategisch justiert, mit einem Ökosystem gestützt und mit neuen Maßnahmenimpulsen unterfüttert werden. müssen neue Impulse gesetzt vier. Notwendig ist dafür eine Nutzbarmachung entsprechender Daten aus RegisDr. Markus König ist Partner tern im Antragsbei der Infora GmbH und hat prozess und damit den Arbeitsschwerpunkt Eim Frontend. Die Government. RegistermoderniFoto: BS/Infora GmbH sierung wird aktuell aber viel zu stark aus Sicht Diensten (Frontend) mit Regis- des Backends gedacht, inkl. tern (eine wichtige Komponente der technischen Schnittstellen. im Backend) auf einer dazu ge- Beide Programme müssen enger eigneten Architektur (evtl. Cloud) verzahnt werden. Ergänzend gilt es, die Nutzung enger zu planen und umzusetzen. OZG-Leistungen werden erheb- von FIM (Föderales Informatilich nutzerfreundlicher, wenn onsmanagement) strategisch Antragstellende bereits in der zu erweitern. Derzeit wird FIM Verwaltung verfügbare Informati- zur Leistungskatalogisierung onen nicht erneut eingeben müs- und -dokumentation genutzt. sen. Dies fordert das Once-Only- Breiteren Nutzen entfaltet die Prinzip aus dem OZG-Reifegrad FIM-Systematik, wenn die Re-

D

ass die Aufsichtsbehörden in Deutschland Behörden gegenüber generell keine Bußgelder auferlegen können, wurde schon ausreichend thematisiert. Davon zu trennen sind bekanntermaßen Schadensersatzansprüche geschädigter Betroffener gegen Behörden gem. Art. 82 DSGVO. Behörden sind somit von Schadensersatzansprüchen bei Datenschutzverstößen gleichermaßen betroffen wie Unternehmen. Auf diesen Umstand wies bereits Manuel J. Heinemann in seinem Beitrag “Schadensersatz bei Datenschutzverletzungen” im Behörden Spiegel März 2021, S. 34, hin. In der Folge wurde dieses Thema, soweit ersichtlich, nicht sonderlich thematisiert. Bis nun dem OLG Dresden (Urteil v. 30.11.2021 – 4 U 1158/21) in zweiter Instanz (LG Dresden, Urt. v. 26.05.2021 – 8 O 1286/19) folgender Sachverhalt zur Entscheidung vorlag. Es spielen mit: Der Kläger, der Beklagte in persona, ein außereheliches Liebesverhältnis der Ex-Frau des Beklagten in persona mit dem Kläger, Oldtimer-Ausfahrten und ein Antrag auf Mitgliedschaft in einem Verein (Beklagte als juristische Person), dem der Beklagte in persona vorstand. Und genau die-

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positories auch zu Steuerungszwecken genutzt werden. Aus ihnen heraus müssen bei Leistungsänderungen möglichst automatisiert Steuerungsimpulse in die Formulare und die BackendProzesse erfolgen.

Ein Ökosystem für die Verwaltungsdigitalisierung Um Fortschritte in der Gesetzesumsetzung zu machen, empfiehlt Infora, konsequent im Sinne eines Ökosystems zu planen und zu agieren. Neben den föderalen Akteuren müssen auch halbstaatliche Akteure wie Krankenkassen und Kammern sowie die nicht staatlichen Akteure wie Fachverfahrensanbieter systematischer eingebunden werden. Die Perspektive des Ökosystems eröffnet zudem den Blick für die Steuerungs- und Abstimmungs-

probleme, die nicht nur zwischen den staatlichen Ebenen bestehen, sondern auch innerhalb dieser: Im Bund und auch innerhalb einzelner Länder muss erheblich mehr Koordination geleistet werden zwischen den OZG-Umsetzungsverantwortlichen, den Fachressorts, den öffentlichen IT-Dienstleistern und den weiteren Beteiligten. Die Umsetzung des OZG wird erfolgreicher, wenn eine breite Kombination an Koordinationsmechanismen genutzt wird. Hierzu zählen PeerLearning, Wissenstransfer, Beratung, Qualitätssicherung, agile Entwicklungs- und Experimentiermethoden, finanzielle Anreize sowie eine Standardisierung, die Wettbewerb erst ermöglicht. Infora empfiehlt, entsprechende Koordinations- und Organisationstandards für das Ökosystem in

Warum nicht haften?! Behördenleiter als persönlich haftender, verantwortlicher Klagegegner? (BS/Dirk Weingarten) Es wird immer vom “Sommerloch” gesprochen. Aber nicht beim Datenschutz. Hier wird es in der August-Ausgabe jetzt mal so richtig spannend. Insbesondere Behördenleiterinnen und -leiter sollten sich eingeladen fühlen, jetzt einmal sehr aufmerksam zu sein. Wie bereits in der letzten Ausgabe (Juli 2022, S. 3) angekündigt, ist in dieser Ausgabe ein Urteil des OLG Dresden, welchem die Überschrift “Geschäftsführer/ Behördenleiter haften auch persönlich für Datenschutzverstöße” gut stehen würde, ggf. richtungsweisend. ser beklagte Geschäftsführer des Vereins/der GmbH gab die Daten des “Neuen” seiner Ex-Frau an eine Detektei weiter, um Recherchen über den Kläger (den “Neuen”) durchführen zu lassen, insbesondere Erkenntnisse ob möglicher strafrechtlicher Sachverhalte über ihn (Recherche über Vorstrafen und den Leumund des Klägers). Dies begründete er damit, dass der Bundesverband ihm vorgegeben habe, keine extremistischen Personen oder Personengruppen,

Datenschutz in der Polizei Teil 8: Verantwortlichkeit

vorbestrafte und anderweitig vorbelastete Personen in den Verband aufzunehmen. Dies “steckte”, na klar, die “Ex” dem “Neuen” und schon waren die Gerichte gefragt. Im Ergebnis verlangte dann der “Neue” von den Beklagte und zwar der GmbH und dem Geschäftsführer der GmbH als Gesamtschuldner, wegen Verletzung der Regelungen der DSGVO zu seinen Lasten – durch Weitergabe seiner Daten an ein Detektivbüro, verbunden mit der Auftragserteilung zu Recherchen über Vorstrafen und dem Leumund seiner Person – immateriellen Schadensersatz in Höhe von 20.000 Euro. Immerhin sprach ihm das Gericht 5.000 Euro zu. Dabei

Dirk Weingarten, Erster Polizeihauptkommissar, Ass. jur. und zertifizierte Fachkraft für Datenschutz, ist seit über zwölf Jahren behördlicher Datenschutzbeauftragter (bDSB) bei der Polizei Hessen und koordiniert seit über zehn Jahren die bDSBn der Polizei Hessen. Foto BS/HöMS

ging die Gesamtschuldnerschaft geschmeidig durch. Die entscheidende Passage formulierte das Gericht erster Instanz wie folgt: ““Verantwortlicher” im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist die natürliche oder juristische Person, Behörde, Dienst, Einrichtung oder jede andere Stelle, die bzw. der allein oder gemeinsam mit anderen Entscheidungsbefugnis im Hinblick auf die Datenverarbeitung und -weitergabe hat. Vorliegend ist die Beklagte zu 1)

als Auftraggeber, unter Weiterleitung der Daten des Klägers, gegenüber dem Detektivbüro aufgetreten. Sie ist als eingetragener Verein eine juristische Person des Privatrechts und damit Verantwortlicher nach Art. 4 Nr. 7 DS-GVO. Letztendlich handelt bei einer Behörde als verantwortliche Stelle der Behördenleiter, bei einer juristischen Person, wie der GmbH, der oder die Geschäftsführer und bei einer AG der Vorstand. Damit gibt es auch immer natürliche Personen, die letztendlich auch die persönliche Verantwortung für ein Tun oder Nichttun zu tragen haben. Diese Verantwortung ist nur beschränkt delegierbar und wird auch nicht durch die Bestellung eines behördlichen oder betrieblichen Datenschutzbeauftragten abbedungen.” Und hier die Zusammenfassung: In zweiter Instanz wurden

werden. Die Verwaltungsabläufe Ende-zu-Ende zu digitalisieren, betrifft neben den Formularen und Registern viele weitere Komponenten wie die E-Akte und Fachanwendungen. Wir werden hier verschiedene Formen des Prozessmanagements nebeneinander sehen (Code, Low Code, manuelles Arbeiten), die technologisch höchst unterschiedlich unterlegt sein werden. Komplexes Prozessmanagement wird ein Kernthema für die digitale Verwaltung. Hierin müssen Automatisierungskomponenten fest integriert werden. Online-Formulare müssen automatisierter aufgesetzt und angepasst werden. Schließlich muss der Betrieb von Leistungen in den Umsetzungsfokus rücken. Möglichst gemeinsam müssen EfA-fähige Standards für Betrieb, Pflege und Support bei den OZGLeistungen etabliert werden.

eine GmbH UND ihr Geschäftsführer als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.000 Euro Schadensersatz an einen Betroffenen nach Art. 82 DSGVO wegen eines Datenschutzverstoßes verurteilt. Bei seiner Entscheidung ging das Gericht davon aus, dass neben der Gesellschaft (resp. Behörde) auch der Geschäftsführer (resp. Behördenleiterin/ -leiter) als datenschutzrechtlich Verantwortliche/r einzustufen sind und für den Datenschutzverstoß persönlich haften. Diese gesamtschuldnerische Haftung bedeutet im Ergebnis, dass sich der Kläger aussuchen kann, ob er den zugesprochenen Schadensersatz von der Gesellschaft (resp. Behörde) oder dem Geschäftsführer (resp. Behördenleiter/-in in persona) fordert. So Kläger, im Gegensatz zum Herzblatt kannst du hier beide wählen und musst dich nicht entschieden. Und das alles nur, weil man sich bei einer gemeinsamen Oldtimer-Ausfahrt kennengelernt hatte, die auch noch der Beklagte selbst veranstaltete. Wer weiß, wofür es gut war? Müssen deswegen Behördenleiter jetzt zittern? Ist dies der Flügelschlag eines Schmetterlings, der die Welt verändert?

Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen

Krisen – Hemmschuh oder Katalysator für die Digitalisierung in NRW? 3. November 2022, Stadthalle Neuss Referenten und Referentinnen u. a.:

Prof. Dr. Andreas Meyer-Falcke, Beauftragter des Landes Nordrhein-Westfalen für Informationstechnik (CIO)

Foto: © MWIDE NRW/M. Hermenau

Lena Sargalski, Chief Digital Officer, Stadt Bad Salzuflen

Foto: © Stadt Bad Salzuflen

Ausführliche Informationen zum Programm und Anmeldung unter: www.e-nrw.info

Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer, Landkreistag Nordrhein-Westfalen

Foto: © Landkreistag NRW

Eine Veranstaltung des


Informationstechnologie

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Hier kein Austritt

G

enau dies haben sich Bund und Länder mit der nun beschlossenen Priorisierung bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) eigentlich auch vorgenommen. Nun werden zunächst genau solche Leistungen digitalisiert, die eine möglichst große Breitenwirkung haben. Doch ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen zeigt, dass auch andere Interessen bei der Entscheidung, welche Leistungen digitalisiert werden und welche nicht, eine Rolle spielen. Das Land NRW hat bei der OZGUmsetzung die Themenfeldführung beim Themenfeld “Engagement und Hobby” inne. Dazu gehört auch der Service “Kirchenaustritt”. Hierbei handelt es sich um eine Verwaltungsleistung, die nun schon seit mehreren Jahren immer stärker nachgefragt wird – getrieben unter anderem auch von zahlreichen innerkirchlichen Missbrauchsskandalen. Auf der Interseite “onlinezugangsgesetz. de”, betrieben vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), wird der Kirchenaustritt auch als Umsetzungsprojekt aufgeführt. Doch offensichtlich hat man die Rechnung ohne NRW gemacht. Vergangenen Monat stellte sich heraus, dass das Bundesland nicht vorhat, sich der Umsetzung zu widmen. Andere Bundesländer, welche auf die digitale Leistung im Sinne des Einer-für-alle-Prinzips warten, tun dies vergeblich. Dabei scheint eine Digitalisierung der Leistung schon auf den ersten Blick sehr sinnvoll. Zurzeit, so erklärt es das Justizministerium Nordrhein-Westfalen, muss der Austrittswillige den Austritt mündlich beim Amts-

Behörden Spiegel / August 2022

Nordrhein-Westfalen, OZG und die Kirche (BS/Matthias Lorenz) Verwaltungsleistungen von überall bequem beantragen und erledigen – ein Versprechen, für welches der Begriff des Mobile Governments steht. Damit die Bürgerinnen und Bürger von einem Mobile Government profitieren, kommt es darauf an, dass ihnen jene Leistungen digital zur Verfügung stehen, die besonders nachgefragt werden (siehe hierzu auch den Artikel auf S.23 dieser Ausgabe). Im Fokus sollten also zunächst solche Leistungen stehen, die besonders hohe Nutzungszahlen generieren könnten.

Die Kirche thront über allem. In NRW gilt das zumindest für die Digitalisierung.

gericht oder schriftlich in öffentlich beglaubigter Form erklären. Wozu dies in der Praxis führt, konnte man in den vergangenen Monaten landauf, landab beobachten: Überlastete Amtsgerichte und frustrierte Bürger, die monatelang auf einen Austrittstermin warten müssen, während sie gezwungenermaßen weiter Kirchensteuer zahlen. Ein Austritt über einen digitalen Antrag, zum Beispiel auf Smartphone

oder Tablet, könnte also für echte Effizienzgewinne sorgen und den Menschen zeigen, welche Vorteile Mobile Government auch in ihrem Alltag haben kann.

“Rechtlich unmöglich” Die Landesregierung begründet ihre Entscheidung auch gegenüber dem Behörden Spiegel damit, dass die Digitalisierung des Kirchenaustritts “rechtlich unmöglich” sei, weil es eine Vor-

Foto: BS/Wilhelm Bormann, pixabay.com

schrift zum persönlichen Erscheinen des Bürgers gebe. Das OZG verpflichte die Landesregierung nicht, dementsprechende Vorschriften zu ändern. Heißt aber im Umkehrschluss: Wäre bei der Landesregierung ein entsprechender Wille vorhanden, könnte sie die Gesetzeslage durchaus anpassen. Dass dies offensichtlich nicht der Fall ist, verwundert beim Betrachten des neuen Koaliti-

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onsvertrages mit dem ambitionierten Titel “Zukunftsvertrag”, den CDU und Grüne erst Ende Juni unterzeichnet haben, außerordentlich. Dort heißt es: “Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern Verwaltungsleistungen niedrigschwellig, digital, zu jeder Zeit und sicher zur Verfügung stellen.” Dafür wolle man auch die “rechtlichen Rahmenbedingungen” schaffen. Dementsprechend schmallippig reagiert der grüne Koalitionspartner auf die Entscheidung der christdemokratisch geführten Staatskanzlei, die offensichtlich den Inhalten des “Zukunftsvertrags” widerspricht. Als Grüne unterstütze man das Anliegen, “mit dem Kirchenaustritt einhergehende bürokratische Hürden zu verringern”, erklärt eine Sprecherin der Landtagsfraktion. Grundsätzlich könne die Bereitstellung digitaler und niedrigschwelliger Verwaltungsleistungen den Alltag der Bürger deutlich erleichtern.

Deutliche Kritik aus der Opposition Deutlicher bekundet die Partei ihren Unmut (noch) nicht, wohl auch um den Koalitionsfrieden der frisch geschmiedeten Allianz zu wahren. Für die Opposition hingegen ist die Entscheidung eine Steilvorlage. “Es ist ein fatales Signal für die Verwaltungsdigitalisierung, wenn sich die Landesregierung vom Leitgedanken des OZG, nämlich dass alle Verwaltungsleistungen auch in digitaler Form beantragt werden können müssen, verabschiedet und der bundesgesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommen will”, sagt Angela Freimuth, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Digitalisierung der FDP-Landtagsfraktion.

Auch fachlich sei nicht nachvollziehbar, warum der Kirchenaustritt von der OZG-Umsetzung ausgenommen werden solle, denn auch bei elektronischer Antragsstellung sei die Identität zuverlässig feststellbar. An Spekulationen über die Beweggründe der Landesregierung wolle man sich aber nicht beteiligen. Trotzdem muss die Frage gestellt werden, warum sich die Staatskanzlei dafür entschieden hat, die Umsetzung der OZGLeistung Kirchenaustritt nicht weiterzuverfolgen. Schließlich war die Gefahr, den neuen Koalitionspartner zu vergraulen und der Opposition ein gefundenes Fressen zu liefern, offensichtlich. Hatten die Kirchen also selbst einen Einfluss auf die Entscheidung? Diese Vermutung liegt zumindest nahe. Für die Vertretung der kirchlichen Interessen sind in Nordrhein-Westfalen das Evangelische sowie das Katholische Büro zuständig. Auf Nachfrage bestätigt die Landesregierung auch, dass das Thema OZG und Kirchenaustritt “im Zuge der kontinuierlichen Gespräche zwischen der Staatskanzlei und den beiden kirchlichen Büros” erörtert worden sei. Beide hätten die Haltung der Landesregierung unterstützt.

Persönliche Erklärung erforderlich Der Direktor des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen, Dr. Antonius Hamers, beschreibt den Vorgang allerdings etwas anders: Man habe bei der Landesregierung “dafür geworben, dass die persönliche Erklärung, wie sie das Kirchenaustrittsgesetz NRW vorsieht, beibehalten wird”. Ein Kirchenaustritt habe andere Rechtsfolgen als der Austritt aus einem Verein, beispielsweise die Steuerpflicht. “Insofern halten wir es für erforderlich, dass die Erklärung persönlich erfolgt, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich vom jeweiligen Kirchenmitglied abgegeben wird und auch dessen Willen entspricht”, ergänzt Hamers. Somit ist klar, dass zumindest die Meinung des Katholischen Büros bei der Landesregierung stärker ins Gewicht fällt als das Interesse an einer vollständigen OZG-Umsetzung. Dies mag auch an persönlichen Verbindungen liegen, welche zwischen der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei und den Kirchen bestehen. So gilt beispielsweise Nathanael Liminski, neuer NRW-Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien, als wertkonservativ und bestens vernetzt innerhalb der katholischen Kirche. Er gründete unter anderem das innerkirchliche Netzwerk “Initiative Pontifex” mit. Der CDU-Politiker war unter der Vorgängerregierung Chef der Staatskanzlei. Im Gegensatz zum Zielpunkt der vollständigen Verwaltungsdigitalisierung ist der Weg zwischen Regierung und Kirche in NRW kurz.

MELDUNG

Glasfaser bis ins Haus (BS/lma) Die Bundesregierung hat die vom Bundesminister für Digitales und Verkehr, Dr. Volker Wissing, vorgelegte Gigabitstrategie verabschiedet. Bis 2030 sollen Glasfaser bis ins Haus und der neueste Mobilfunkstandard überall dort, wo Menschen leben, arbeiten oder unterwegs sind, Standard werden. “Homeoffice, Streaming im ICE und Empfang auf der Berghütte müssen endlich problemlos möglich sein. Dafür brauchen wir überall leistungsfähige digitale Infrastrukturen, das heißt Glasfaser bis ins Haus und den neusten Mobilfunkstandard”, erklärt Wissing.

In einem ersten Schritt soll erreicht werden, dass bis 2025 mindestens jeder zweite Haushalt schon Glasfaser nutzen kann. Durch die Gigabitstrategie wird es der Telekommunikationsbranche ermöglicht, ca. 50 Milliarden Euro in den privatwirtschaftlichen Glasfaserausbau zu investieren. Um diese ambitionierten Ziele erreichen zu können, baut das Ministerium auf die Hilfe und Unterstützung der Landesregierungen. So erhofft sich Wissing, dass die Bundesländer ihre Genehmigungsverfahren bis Ende 2022 erleichtern und vereinheitlichen.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / August 2022

E

s herrscht Krieg in Europa. So weit, so schlecht. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukra­ine findet auch im CyberRaum statt und wirkt sich mehr oder weniger auch auf unser unmittelbares Leben aus. Anders als angenommen gibt es dennoch bis heute “keine konkreten Angriffe in Deutschland”, konstatiert die Innenministerin. Der Cyber-Angriff auf den Satellitennetz-Provider Viasat stellt eine der wenigen Ausnahmen dar und sorgte in Deutschland dafür, dass Windräder lahmgelegt wurden. Aus diesen und weiteren Gründen nimmt das BMI die Gefahrensituation zum Anlass, die Cyber-Sicherheitsarchitektur neu zu organisieren.

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Cyber-Sicherheitsagenda verwirrt Aktive Gefahrenabwehr oder aggressiver Gegenschlag?

(BS/sp/bhi) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat seine Cyber-Sicherheitsagenda vorgestellt. Anders als die Cyber-Si- Opposition entsetzt cherheitsstrategie des Bundes soll die Agenda den Arbeitsbereich des Innenministeriums im Cyber-Raum skizzieren. Die Frage der aktiven Cyber- Die digitalpolitische Sprecherin Abwehr wird abermals thematisiert, garniert mit interessanten Erklärungen der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). der Fraktion Die Linke, Anke

Grundgesetzänderung Wie bereits im Koalitionsvertrag geschildert, soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) dabei besonders stark eingebunden werden. Ministerin Faeser betonte auf der Pressekonferenz des BMI, dass das BSI zur Zentralstelle umgebaut werden solle – nach dem Vorbild des Bundeskriminalamts (BKA) sowie des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Sie bekräftigte den Wunsch, dafür eine Grundgesetzänderung einzuleiten. Aus den Ländern hätte sie dafür “positive Signale bekommen”. Auf die Nachfrage einer Journalistin, wie die Meinung der Opposition dazu sei, entgegnete sie, dass sie bisher kein negatives oder positives Feedback erhalten habe. Dr. Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, ergänzte, dass das BSI “weltweit hochgeschätzt” sei, dort viele Infos zusammenliefen und das Teilen der Informationen vonnöten sei. In diesem Zuge werde auch ei-

O

b in der Ökologie, Ökonomie oder Bildung: Nachhaltig zu handeln bedeutet, nicht über Gebühr Schulden auf Kosten zukünftiger Generationen aufzubauen. Stattdessen gilt es, durch langfristiges Denken und Handeln die Weichen so zu stellen, dass gegenwärtige und zukünftige Generationen gleichermaßen auf eine lebenswerte Zukunft hoffen können. Voraussetzung ist, dass materielle, immaterielle, ökonomische und ökologische Güter und Ressourcen geschützt werden und deren Fortbestand sichergestellt ist. In der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte erfahren Digitalisierung und Cyber-Sicherheit vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Dies ist gleichermaßen überraschend wie besorgniserregend, wenn man bedenkt, welche Rolle ihnen bei wichtigen Zukunftsfragen zuteil wird. Die Digitalisierung wird unseren Alltag zweifelsohne immer weiter durchdringen. Sie ist die Grundlage für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Auch bei der Bewältigung der Klimakrise gilt Digitalisierung als technologischer “Enabler”. Sie ist damit ein wesentlicher Faktor für ökologische Nachhaltigkeit. Die Digitalisierung schafft jedoch nicht nur Chancen. Fakt ist: IT-Infrastrukturen sind trotz ihrer hohen Bedeutung gefährdeter denn je. Unsere digitalen Kommunikationsinfrastrukturen sind fragil und unsere Informationsräume verletzlich. Gleichzeitig steigt die technologische Abhängigkeit. Damit Digitalisierung nicht zum gesellschaftspolitischen und ökonomischen Risikofaktor wird, sondern langfristig Nutzen stiften kann, müssen Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft gemeinsam überzeugende Antworten auf die neue gesellschaftliche Vulnerabilität geben. Indem wir den Nachhaltigkeitsgedanken

klärt Johannes Rundfeldt. ITSicherheitslücken sollten aber nicht gemanaged, sondern unverzüglich geschlossen werden, fordert der Aktivist der AG KRITIS .

Angriff ist die beste Verteidigung – doch was zählt zum Angriff? Ist das Abschalten fremder Server schon ein “Hackback”?

ne rechtliche Struktur für das BSI geschaffen werden, ergänzte Richter.

Server gezielt herunterfahren Die größte Überraschung ergab sich allerdings bei einem anderem Thema, nämlich der Gefahrenabwehr im Cyber-Raum. Faeser betonte, dass das BMI mehr Befugnisse bei der Abwehr von Cyber-Angriffen benötige: “Wenn wir direkt im Fokus sind, dann brauchen wir eine gewisse Fähigkeit, um im Worst Case die

Angriffe ableiten zu können”, so die Innenministerin. Hackbacks – “aggressive Gegenschläge” – lehnte sie ab. Aber sie betonte, dass “ein Angriff so stark sein kann, dass wir auf den Server (Anm. der Redaktion: von dem aus der Angriff stattfindet) zugreifen und ihn abstellen müssen”. Der CIO-Bund ergänzte, dass dies unter aktiver Gefahrenabwehr verstanden werden könne: “Hier handelt es sich um ein Spektrum von Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen sollten, nicht

nur Botsysteme, sondern auch Server gezielt herunterzufahren.” Richter betonte, die Bundesbehörden sollten in die Lage gebracht werden, sich resilienter aufzustellen.

Schwachstellen managen Dass die Sicherheitsbehörden in Zukunft aktiv in die IT-Systeme von Angreifern eindringen sollen, steht zwischen den Zeilen auch an anderen Stellen der Cyber-Sicherheitsagenda. So plant das Ministerium, ein

Foto: BS/alan9187, pixabay.com

“wirksames Schwachstellenmanagement” zu etablieren. Für die Vorbereitung von Hackbacks halten zum Beispiel amerikanische Behörden bestimmte ITSchwachstellen zurück. Damit können sie später Akteure, die durch diese Schwachstellen eindringen, leichter zurückverfolgen. “Wir sind uns relativ sicher, dass das BMI mit einem Schwachstellenmanagement einen Managementprozess, angelehnt an den amerikanischen Vulnerabilities Equities Process, anstrebt”, er-

Digital nachhaltig agieren Wie wir die digitale Zukunft künftiger Generationen schützen müssen (BS/Steffen Ullrich) In der Debatte um mehr Nachhaltigkeit bekommen die Themen Digitalisierung und Cyber-Sicherheit erstaunlich wenig Raum. Dabei bestimmen sie unsere Zukunft fundamental. Es ist höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel hin zu digitaler Nachhaltigkeit. Sie lässt sich in fünf Dimensionen beschreiben. als Paradigma für die Digitalisierung zugrunde legen, können wir Abhängigkeiten und Risiken frühzeitig adressieren und unsere soziale, politische und ökologische Zukunft sicher gestalten. Eine nachhaltige Digitalisierung lässt sich nur als gemeinsamer Kraftakt stemmen. Dem Staat kommt dabei die besondere Rolle zu, Rahmenbedingungen zu schaffen und eine zukunftsfähige Cyber-Sicherheitsstrategie vorzugeben.

Souveränität als Fundament digitaler Nachhaltigkeit Digitale Nachhaltigkeit adressiert fünf zentrale Dimensionen: Beherrschbarkeit, Robustheit, Sicherheit, Zukunftsfähigkeit und technologische Souveränität. Technologisch souverän agieren zu können, bedeutet, dass keine Abhängigkeiten existieren, die die eigene Handlungsfähigkeit qualitativ oder quantitativ signifikant einschränken. Niemand darf in der Lage sein, den Zugang zu essenziellen Technologien einzuschränken, zu unterbinden oder inakzeptabel kostspielig zu gestalten, sei es durch Patente, Sanktionen oder Verknappung. Da technologische Autarkie heute nicht mehr möglich ist, ist es das Ziel, Abhängigkeiten so weit wie möglich zu reduzieren und ansonsten beherrschbar zu gestalten. Dazu gehört, vertrauenswürdige Hersteller auszuwählen, die nicht nur technologisch kompetent sind, sondern auch die für eine langfristige Zusammenarbeit passenden Wertevorstellungen haben. Um den Zugriff auf Schlüsseltechnologien selbst

IT-Infrastrukturen sind so wichtig, aber auch so gefährdet wie nie. Um diese Anfälligkeit zu beseitigen, müssen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenarbeiten, um robust in die Zukunft zu starten. Foto: BS/Wilfried Pohnke, pixabay.com

einzelnen Herstellern und erlauben eine unabhängige Weiterentwicklung. Darüber hinaus gestattet Steffen Ullrich ist IT-Sicherheitsforscher bei der genua Open Source eiGmbH. ne unabhängige Prüfung des QuellFoto: BS/genua GmbH codes und ermöglicht so, fundiertes Vertrauen in die in Zeiten geopolitischer Fragili- Funktionalität und Sicherheit tät zu garantieren, sollten diese einer Lösung aufzubauen. Das einer nationalen oder europäi- bedeutet nicht, dass Open Source schen Kontrolle und Förderung immer eine höhere Qualität hat, unterliegen, bei der gezielt die jedoch dass sich diese solider notwendigen Kompetenzen auf- beurteilen lässt. gebaut und die Verfügbarkeit in ausreichendem Umfang sicherge- Die steigende Komplexität beherrschen stellt werden. Mehrere unabhängige Lieferanten für die gleichen Mit zunehmender DigitalisieTechnologien einzubeziehen, hilft rung steigen die Anforderungen zusätzlich, Abhängigkeiten zu an Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit beherrschen. und Vertraulichkeit – und daOpen Source und herstellerun- mit an die Beherrschbarkeit der abhängige Standards sind ein eingesetzten Technologien und weiterer wichtiger Baustein tech- Lösungen. Wachsende Vielfalt nologischer Souveränität. Sie ver- und Komplexität bei einem Manringern die Abhängigkeiten von gel an Fachkräften stehen dem

jedoch entgegen. Bewusst auf nicht essenzielle Funktionalität zu verzichten sowie die Vereinheitlichung von Infrastrukturen ermöglichen es, die Komplexität zu reduzieren und so eine bessere Beherrschbarkeit zu erzielen. Minimale, klar definierte und stabile Schnittstellen, sowohl bei der Kombination von Komponenten verschiedener Hersteller als auch als Designparadigma in der Softwareentwicklung, helfen ebenfalls, Komplexität zu verringern und die Nutzung herstellerübergreifender Standards kann einer unnötigen Vielfalt entgegenwirken. Auch Methoden der Künstlichen Intelligenz können hilfreich sein, zum Beispiel, um Informationen für ein besseres Verständnis zu konsolidieren.

Robust und sicher in die Zukunft Die zunehmende Abhängigkeit von digitalisierten Prozessen erfordert eine hohe Zuverlässigkeit mit Robustheit gegenüber erwarteten und unerwarteten Störungen, wie zum Beispiel Fehlbedienungen oder partiellen internen Fehlfunktionen. Die Berücksichtigung von Robustheit im Design erlaubt es, auch im Störungsfall ausreichend funktional weiterzuarbeiten. Eine niedrige Komplexität vereinfacht robustes Design und erleichtert die zuverlässige Überwachung der Funktion. Robustheit ist aber nicht nur für die Ausführung digitalisierter Prozesse relevant, sondern auch bei ihrer Umsetzung. Komplexe Abhängigkeiten von Hard- und Softwarekomponenten mit oftmals nicht ausreichend sicher-

Domscheit-Berg, zeigte sich auf Twitter nach der Vorstellung der Cyber-Sicherheitsagenda entsetzt. Vor allem zeigte sie Unverständnis dafür, dass für die Ministerin die Forderung nach Befugnissen, angreifende Server abzuschalten, kein “aggressiver Gegenschlag” sei. In der Tat sehen Digitalexpertinnen und -experten schon seit dem Aufkommen der Hackback-Debatte die Forderungen nach dem Abschalten von Angriffsservern kritisch. Es könne nie ganz geklärt werden, von wem der Angriff komme und ob durch die Abschaltung nicht noch weitere Kollateralschäden verursacht werden könnten. Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, begrüßte die Bereitschaft der Bundesregierung, IT-Sicherheit mit der notwendigen Ernsthaftigkeit als “zentrales Politikfeld” zu verorten. Er sieht die Cybersicherheitsagenda des BMI jedoch nur als “ersten Aufschlag” und betonte, dass “defensiven Kapazitäten der klare Vorrang vor offensiven eingeräumt werden muss”. Inwiefern aktive Gefahrenabwehr zu offensiven Kapazitäten zu zählen ist, bleibt offen. Fest steht, das das Bundesinnenministerium sich in Zukunft gut überlegen sollte, ob nicht ein wenig Trennschärfe zwischen die Begriffe “CyberGefahrenabwehr”, “Hackback”, “aktive Gefahrenabwehr” und “aggressive Gegenschläge” zu bringen ist.

gestellter Qualität erhöhen die Fragilität. Entsprechend gilt auch hier, dass weniger durchaus mehr sein kann – Das heißt, weniger externe Abhängigkeiten reduzieren die Komplexität und den Aufwand für das Auditieren von Fremdkomponenten und erhöhen die Beherrschbarkeit und Robustheit. Neben einer zuverlässigen Funktion ist es essenziell, dass die Technologien selbst keine zusätzlichen Sicherheitsrisiken verursachen. Leider wurden in der Vergangenheit oftmals Sicherheitslücken in einzelnen Anwendungen ausgenutzt, um komplette Netze zu kompromittieren. Um solche Risiken zu minimieren, hilft eine proaktive Einschränkung möglicher Kommunikation durch Segmentierung und Mikrosegmentierung auf Netzebene sowie Zero Trust auf Anwendungsebene, ergänzt um reaktive Methoden wie Netzwerkmonitoring sowie Anomalie- und Angriffserkennung. Die eingesetzten Sicherheitskomponenten dürfen dabei nicht selbst zu einem Sicherheitsproblem werden, da sie kritische Netzkomponenten darstellen. Es empfiehlt sich, bei der Auswahl solcher Lösungen auf herstellerunabhängige Audits zu setzen, an deren Ende als Ergebnis oft Zertifizierungen beziehungsweise Zulassungen stehen. Digitale Nachhaltigkeit bedeutet, auch die Zukunftsfähigkeit von Systemen, Infrastrukturen und Technologien zu betrachten. Offene Technologien, das bedeutet Open Source beziehungsweise herstellerübergreifende Standards, bilden prinzipiell eine bessere Ausgangsbasis als proprietäre Technologien, um Wartbarkeit und Evolution langfristig souverän zu gestalten. Mehr zum Thema: www.genua. de/digitaler-staat


IT-Sicherheit

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Behörden Spiegel / August 2022

Der wohlmeinende Überwachungsstaat

DNSSEC/DANE/CAA für mehr IT-Sicherheit

Chatkontrolle rechtlich sehr problematisch

Sichere Internetkommunikation durch Fälschungssicherheit

(BS/Sabine Leutheusser-Schnarrenberger) Eine Überwachungsmaßnahme kommt selten allein. So könnte man den von der EU-Kommission vorgelegten Verordnungsvorschlag zusammenfassen. Es geht um die Prävention und Bekämpfung der Verbreitung von Kindesmissbrauchsdarstellungen im Internet. Sogenanntes “Child Sexual Abuse Material” (CSAM oder CSA-Material) und sogenanntes “Grooming” sollen von Anbietern im Internet aufgespürt und gemeldet werden.

(BS/Oliver Wege) Mit einem Triple aus DNS-basierten Sicherheitsmechanismen, bestehend aus DNSSEC und darauf aufbauend für den Mail-Dienst DANE und für den Web-Dienst CAA, kann man die Internetkommunikation besonders sicher gestalten. Die Rolle der Vertrauensstelle nimmt dabei der DNS-Dienst ein, dem ohnehin bei der Internetkommunikation zur Umsetzung der IP-Adresse vertraut werden muss und hier bereits eine hierarchische Vertrauenskette über die DNS-Registrare besteht.

Wer einen genauen Blick in den Vorschlag wirft, muss erschrocken feststellen, dass sich hinter der wohlmeinenden Intention so viele Überwachungsmaßnahmen auf einmal verstecken, wie man sie selten gesehen hat. Der Entwurf einer CSA-Verordnung stellt für Anbieter von Kommunikationsdiensten, Hosting-Anbieter, App StoreBetreiber und Internetzugangsanbieter unterschiedliche neue Pflichten auf. Zunächst müssen Diensteanbieter abschätzen, ob für ihre Dienste ein besonderes Risiko besteht, dass sie für die Verbreitung von CSAM oder Grooming missbräuchlich verwendet werden. Wenn dem so ist, schließen sich weitere Pflichten an.

Entwurf mit deutlichen Überwachungsrechten Im Wesentlichen geht es darum, Strukturen aufzubauen, die das Überwachen und Durchleuchten jeglicher Kommunikation ermöglichen sollen. Kommunikationsanbieter (zum Beispiel Messenger wie WhatsApp, E-Mail-Anbieter, aber auch Chatmöglichkeiten in Videokonferenzen und Games) müssen auf Anordnung (sogenannte “detection order”) in ihren Angeboten nach Missbrauchsdarstellungen suchen oder Textnachrichten auswerten, um Grooming zu erkennen. Dieser Teil des Vorschlags ist als Chatkontrolle bekannt. Der Entwurf enthält aber noch deutlich mehr Überwachungspflichten. Hosting-Anbieter, also insbesondere Anbieter von CloudSpeichern, können dazu verpflichtet werden, nach Bildern mit Missbrauchsdarstellungen zu suchen. Dazu müssten massenhaft Uploadfilter zum Einsatz kommen; eine andere Umsetzungsmöglichkeit ist schwer vorstellbar. Zusätzlich wird die Möglichkeit von Netzsperren (sogenannten “blocking orders”) eingeführt. Internetzugangsanbieter können damit die Anordnung erhalten, Websites für bis zu fünf Jahre zu sperren. Zuletzt soll eine Verpflichtung zur Altersverifikation für App-

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Bundesjustizministerin a. D. Foto: BS/Thomas Imo, photothek.de

Stores und Messenger-Anbieter eingeführt werden. Die Altersfeststellung bei Nutzerinnen und Nutzern dient dem Zweck, dass nur bestimmte Apps für Kinder unzugänglich gemacht werden sollen. Aber auch für die Chatkontrolle ist das Alter relevant. Denn nur Kommunikation, an der mindestens ein Kind beteiligt ist, soll gescannt werden dürfen.

Das Ende des digitalen Briefgeheimnisses Allein die Chatkontrolle würde bedeuten, dass die Vertraulichkeit der Kommunikation, das digitale Briefgeheimnis, nicht mehr gewährleistet werden kann. Und selbst wenn vonseiten der Kommission beteuert wird, dass die Verschlüsselung von Nachrichten nicht verboten oder geschwächt werden soll, hilft das nicht. Denn potenziell sollen alle Kommunikationsinhalte durchleuchtet werden können. Dieser beispiellose Angriff auf die Vertraulichkeit von Kommunikation hat für Entsetzen in der Zivilgesellschaft gesorgt und beunruhigt besonders bestimmte Berufsgruppen. Ärztinnen, Anwälte, Journalistinnen und Beratungsstellen sind darauf

angewiesen, mit Patientinnen, Mandanten, Informantinnen und Betroffenen einen geschützten Kommunikationsraum zu haben, dem alle Seiten vertrauen können. Eine Ausnahme für solche Gruppen ist im Entwurf der CSA-Verordnung nicht vorgesehen. Dass hierbei bei manchen kein Störgefühl entsteht, ist eigentlich schon ein riesiger Skandal. Aber auch auf der technischen Seite gibt es große Fragezeichen. Es soll nicht nur bereits bekanntes Bildmaterial aufgefunden werden, sondern auch neue Darstellungen. Hier müssen intelligente Filtersysteme zum Einsatz kommen. Die Europäische Kommission rechnet dabei im besten Fall mit einer Fehlerrate von zehn Prozent. Das ist bei der Menge an Bildmaterial und Textnachrichten, die täglich hochgeladen und verschickt werden, eine unvorstellbar große Zahl von falsch-positiven (“false positive”) Meldungen. Wenn so viele Inhalte falsch verdächtigt werden, dann sind bald sehr viele Menschen fälschlicherweise verdächtig.

Keine Bürgerrechte zweiter Klasse Die Diskussion um den Kommissionsentwurf ist bereits in vollem Gange. Und es ist zu erkennen, dass sich die Fronten bereits in diesem frühen Stadium verhärten. Es wird denjenigen, die für Bürgerrechte im Netz eintreten, vorgeworfen, sie würden die Verbreitung von CSAM im Netz in Kauf nehmen, nur um das Internet als rechtsfreien Raum nach Lust und Laune nutzen zu können. Das ist eine Kampagne, gegen die sich alle Demokratinnen und Demokraten mit größter Vehemenz wehren müssen! In Deutschland hat sich die Bundesregierung glücklicherweise klar gegen die Chatkontrolle positioniert. “Digitale Bürgerrechte sind keine Bürgerrechte zweiter Klasse”, sagte etwa Bundes justizminister Marco Buschmann (FDP). Dem kann ich mich uneingeschränkt anschließen.

DNSSEC (Domain Name System Security Extensions) ist eine Erweiterung des im Internet verwendeten Basis-Dienstes DNS. DNS (Domain Name System) sorgt dafür, dass die im Internet verwendeten kryptischen IP-Adressen (z.B. 216.58.214.67) in eingängige Bezeichner (im Beispiel als ein Weblink zu google.de) umgewandelt werden können und umgekehrt.

DNSSEC signiert digital Der DNS-Dienst stammt aus den Anfangszeiten des Internets und ist deshalb nicht verschlüsselt oder signiert. So können WebNutzer beispielsweise auf vorgetäuschte Internetseiten (z. B. auf Bankportale) gelenkt werden. DNSSEC nun signiert die Nameserver-Einträge digital, eine Fälschung dieser Daten kann damit verhindert werden (beispielsweise über Cache Poisoning, vergleichbar mit dem ARP Cache Poisoning im LAN). Zudem steigert DNSSEC das Vertrauen ins Internet, indem es Benutzer vor der Umleitung zu betrügerischen Websites oder unerwünschten Adressen schützt. So können Man-in-the-MiddleAngriffe minimiert werden, aber auch DNS-basierende DDoS-Attacken oder der Adress-Diebstahl bei Internet-Systemen. In Deutschland wurde DNSSEC bereits am 31. Mai 2011 für die .de-Zone eingeführt. Mittlerweile unterstützen es auch immer mehr Provider. In der Verwaltung wurde die Domain der Bundesverwaltung entsprechend bereits umgestellt, zwischenzeitlich ziehen auch die Länder immer mehr nach. Allerdings wird das immer notwendiger, da das BSI in seiner Technischen Richtlinie “Sicherer E-Mail-Transport” dies bzw. das darauf aufbauende DANE (s. u.) fordert. Geprüft werden kann die Anwendung von DNSSEC durch im Internet verfügbare Analyzer (z. B. https://dnssec-analyzer. verisignlabs.com).

Überwachungsexperten warnen Während DNSSEC nur die Integrität von übertragenen DNSDaten sicherstellen kann, verschlüsseln DNS over TLS (DoT)

bzw. DNS over HTTPS (DoH) den Datenstrom und sollten so die Vertraulichkeit der DNS-Daten sicherstellen. Damit ergänzen diese Neuentwicklungen DNSSEC. Sie sind allerdings in der Sicherheitswelt nicht unumstritten, da der Traffic über einen ExtraInternetanbieter geleitet werden muss, was Überwachungsängste insbesondere in Europa schürt. Zudem kann beim Einsatz im Unternehmen das Firmennetzwerk gestört werden.

DANE baut auf DNSSEC auf DANE (DNS-based Authentication of Named Entities) ist ein auf DNSSEC aufbauender Dienst. Mit ihm kann die Authentizität von Servern mit SSL-Kommunikation oder auch öffentlichen Schlüsseln bei Public-Key-Verfahren ohne extra Zertifizierungsstelle gewährleistet werden. Dafür trägt der DNS-Administrator einen zusätzlichen Datensatz (TLSA-Record) ein, durch den die Authentizität der Mail- und auch WebserverZertifikate validiert wird. Durch die DNS-Verankerung können auch selbstsignierte Zertifikate eingesetzt werden, die man

fung per DANE/TLSA durch die Web-Nutzer eine Zusatzsoftware (DNS-Resolver) voraussetzt. Ein praktikabler Zwischenschritt der Webserver-Absicherung mit DNSVerankerung ist aber über das CAA-Konzept erreichbar.

Missbräuchliche Zertifikate werden erkannt Per CAA (Certification Authority Authorization) gelingt dann auch die Absicherung des zweiten großen Internet-Dienstes. Seit dem 08.09.2017 müssen in diesem Zusammenhang eigentlich alle Zertifizierungsstellen vor dem Ausstellen eines Zertifikats via DNS prüfen, ob eine CAA vorliegt. Die eigenen DNSAdmins können hier mit einem CAA-Datensatz im DNS festlegen, wer Zertifikate für ihre Domain unterschreiben darf. Somit kann per Certificate Transparency ein missbräuchlich ausgestelltes Zertifikat im Browser sofort erkannt werden. Erforderlich ist hierfür das Bekanntsein der verwendeten Zertifikate auf den eigenen Webservern. Für die Umsetzung von CAA sind im Internet mehrere Konfigurationsbeispiele zu finden, auch kann man per Editor bei

Um die Internetkommunikation sicherer zu gestalten, bieten DNSSEC, DANE und CAA DNS-basierte Sicherheitsmechanismen an, die mit dem Betrieb eines eigenen DNS-Servers implementiert werden können. Foto: BS/skylarvision, pixabay.com

mit wenig Kenntnissen erzeugen kann. Geprüft werden kann die DANE-Verwendung ebenfalls durch im Internet verfügbare Analyzer (z. B. https://dane.sys4.de). Während immer mehr Betreiber die Mailserverkommunikation mit diesem Dienst absichern, ist bei Webservern diese Methode per DNS-Absicherung noch relativ ungebräuchlich. Das liegt daran, dass durch offizielle Zertifizierungsstellen signierte Webserver-Zertifikate weit verbreitet sind und die Prü-

Eingabe seiner Ausgangsdaten die notwendigen DNS-Einträge automatisiert erstellen (https:// sslmate.com/caa). Voraussetzung für das hier beschriebene Triple aus DNS-basierten Sicherheitsmechanismen ist natürlich der Betrieb eines eigenen DNS-Servers zur Realisierung der erforderlichen Einträge. Sofern man noch einen gut qualifizierten DNS-Administrator in den eigenen Reihen hat, sollte die Umsetzung auf keine großen Schwierigkeiten mehr stoßen.

Informationssicherheit in den Kommunen fördern: vorausschauend – verlässlich – vernetzt Hannover Congress Centrum, Niedersachsenhalle

Referenten, u. a.:

Boris Pistorius, Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport

Mehr Informationen unter www.sicherheitstag-niedersachsen.de

Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat und Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik Foto: Henning Schacht

Programmpartner

Dr. Marco Trips, Präsident des Städteund Gemeindebundes in Niedersachsen Foto: NSGB

Eine Veranstaltung des


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / August 2022

A

ls Snapchat 2016 eine neue Funktion namens “Face Swap” vorstellte, war die Begeisterung groß. Die Funktion des Social-Media-Kanals bot die Möglichkeit, die Gesichter von zwei Personen – welche sich vor der Kamera positionieren – zu tauschen. Das Feature war kurzweilig, aber nicht technisch perfekt. So war klar erkennbar, dass es sich bei den gemachten Bildern um Fakes handelt. Mittlerweile hat sich die Technologie weiterentwickelt und das Phänomen ist immer noch da, nur auf einer technisch weitaus verfeinerten Ebene. Inzwischen können sich Anwender/-innen mittels FakeApp die Gesichter beliebiger Personen – vorrangig Celebrities – auf das eigene Gesicht “transportieren” lassen. Da wird es für den einfachen Nutzenden bereits schwerer, einen Fake zu erkennen – können die neuen Technologien doch bereits Augenzwinkern und Mundbewegungen flüssig darstellen. Die App zählt zu den Anwendungen, die die Deepfake-Technologie nutzen. Ein Deepfake sei z. B. die Imitation von Menschen in digitalen Medien, die durch tiefe neuronale Netze ermöglicht werde, erklärt Matthias Neu, Deepfake-Experte beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Deepfake sei im Allgemeinen “die umgangssprachliche Bezeichnung für Verfahren zur Manipulation von digitalen Medieninhalten, die auf der Technologie der Künstlichen Intelligenz (KI) aufbauen”, so Neu. Die Technologie könne für verschiedene Anwendungsbereiche genutzt werden. Zwei der Anwendungsfelder seien das Text-to-SpeechVerfahren und die Voice Conversion. Mithilfe von Ersterem werde Text in Sprache umgewandelt. Beim zweiten Verfahren werde

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Sind sie es wirklich, Herr Klitschko? Potenzial und Gefahrenquellen von Deepfake

die Gesprächpartner darum zu bitten, sich kurz an Nase oder Wange zu tippen, falls Misstrauen bestehen sollte: “Die KI ist bis dato selbst in ihrer besten Form nicht in der Lage, diese Animation darzustellen”, heißt es vom BfV.

(BS/Paul Schubert) Deepfakes sind auf dem Vormarsch. Obwohl der Skandal der Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) um das Gespräch mit dem angeblichen Vitali Klitschko die Thematik erst so richtig bekannt gemacht hat, sind Vorfälle dieser Art nichts neues. Bereits zuvor gab es Fälle von CEO-Frauds: Anrufe mit gefälschter Stimme, um Geldtransaktionen durchzuführen. Das Verfahren nennt sich Voice Conversion und basiert auch auf der Deepfake-Technologie. Im Allgemeinen bietet das Verfahren jedoch ungeschätztes Potenzial und wird auf Social Media schon Deepfake kann auch Vorteile bieten seit einiger Zeit eifrig genutzt. erklärt Neu. Stattdessen könne es sich dabei bspw. um alte Videoaufnahmen handeln, über die eine neue Tonspur gelegt werde, so der Experte. Auch die Geschwindigkeitserhöhung oder -drosselung der Videospur könnten zu einem Shallowfake gezählt werden.

das eingehende Audiosignal manipuliert, um es mit der gewünschte Stimme nachzustellen.

Gesichtsmanipulation am verbreiteststen Am bekanntesten ist trotzdem die Gesichtsmanipulation. Dort wird mithilfe von Videomaterial, das der KI bereitgestellt wird, die Technik trainiert. Das heißt, je mehr Videomaterial von der zu fälschenden Person zur Verfügung steht, desto besser kann der Deepfake zustande kommen. Das gleiche gilt auch für die Fälschung mittels Text to Speech oder Voice-Conversion-Verfahren, die häufig bei Täuschungen bzgl. Führungspersönlichkeiten bestimmter Unternehmen angewandt werden. Dabei werden Sprachnachrichten mittels Deepfake versendet, die zu Geldtransaktionen oder ähnlichen Aktionen auffordern. Bei der Gesichtsmanipulation kommt neben der Stimme auch das Gesicht der zu fälschenden Person zum Einsatz. Einer der bekanntesten Fälle ist das Deepfake-Video vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus dem März dieses Jahres. In dem Video erklärt der angebliche Selenskyj, dass er sich verabschiede und den ukrainischen Soldaten rate, die Waffen niederzulegen. Das Video wurde kurzerhand vom echten Selenskyj als Fake enttarnt. Allerdings erscheint die Qualität dieses Deepfake schlecht produ-

Deepfake kann erkannt werden – noch

Ein Bild eines ganz normalen Menschen? Falsch. Dieses Porträtfoto wurde von einem KI-Gesichtsgesichtsgenerator geschaffen und die dazugehörige Person existiert nicht. Diese täuschend echten Fälschungen werden mittlerweile für gute, aber auch bösartige Zwecke genutzt. Foto: BS/this-person-does-not-exist.com, 2022

ziert, weswegen auch ukrainische Bürger nicht auf das Imitat des Präsidenten hereingefallen sind.

Shallow- oder Deepfake? Nach Digitalexpert hat es sich dagegen beim Gespräch der Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey mit dem angeblichen Vitali Klitschko nicht um einen Deepfake, sondern um einen “Shallowfake” gehandelt. Die Senatsverwaltung teilte auf Anfrage mit, dass man sich an Mutmaßungen, um welche Art Manipulation mittels

Videotechnik es sich genau gehandelt habe, nicht beteiligen werde. Stattdessen wurde die Angelegenheit an den Staatsschutz übergeben. Interessant ist, dass über das Gespräch nach Angaben der Senatsverwaltung die ukrainische Botschaft und das Internationale Büro in Kiew informiert waren. Warum diese nicht die Authentizität der Anfrage des angeblichen Vitali Klitschko verifiziert hatten, bleibt unklar. Shallowfakes seien nicht über den Einsatz von KI generiert,

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Sowohl Deepfakes als auch Shallowfakes können mit dem geschulten Auge in den meisten Fällen erkannt werden. Während beim Klitschko-Telefonat Giffey bereits stutzig geworden ist, als der Fälscher fragte, ob das Gespräch auf Russisch durchgeführt werden könne, stimmten beim Selenskyj-Fake die Kleidungsauswahl und die Schattendarstellung im Video nicht mit der Realität überein. “Hochprofessionalisierte, adaptive Angreifer können die Videos täuschend echt bearbeiten, aber mit einigen Situationen könnte eine KI Probleme bekommen, z. B. wenn Gegenstände vor das Gesicht gehalten werden”, urteilt Neu. Das diese Sicherheit noch lange besteht, bezweifelt Neu. “Schon jetzt werden immer weniger Daten der Opfer gebraucht, um echt aussehende Deepfakes zu erstellen”, so der Experte des BSI. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) rät in der Broschüre “Social Engineering – Einblicke in moderne Wirtschaftsspionage” sogar dazu,

Allerdings sollten Deepfakes nicht allein negativ verortet werden. Bereits jetzt nutzen Filmstudios die Technik, um verstorbene oder gealterte Schauspieler/-innen nachzustellen. Auch deutsche Synchronisierungen könnten in Zukunft “echter” aussehen: so können mithilfe von Deepfake, die Lippenbewegungen an die deutsche Übersetzung gekoppelt werden. Anwendungsmöglichkeiten jenseits des Medienkosmos gibt es natürlich auch: “Personen könnten sich in Videokonferenzen oder Ähnlichem anonymisieren, also einen Face Swap durchführen, um die eigene Identität zu schützen”, so Neu. Des Weiteren könne im Bereich der Biometrie Deepfake genutzt werden, um realistische, automatisch generierte Gesichtsbilder zur Evaluation biometrischer Systeme zu nutzen: “Da es sich ja nicht um echte Personen handelt, wäre das eine datenschutzfreundliche Lösung”, urteilt Neu. Das prominenteste Beispiel für automatisch generierte Gesichtsbilder ist die Website “this-person-does-not-exist.com”. Dort werden täuschend echte Bilder über einen KI-Gesichtsgenerator produziert. Auch hier wurde die Technik aber schon zu bösartigen Zwecken verwendet: russische Trollfabriken nutzten im Rahmen des Ukraine-Krieges mutmaßlich die Bilder der Website, um ihre Desinformationskampagnen von Accounts mithilfe von “realen ukrainischen Personen” im Netz zu verbreiten.


IT-Sicherheit

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ehörden Spiegel: Herr Prof. Jünemann, was ist der “OP der Zukunft?” Klaus-Peter Jünemann: Der Begriff ist frei gewählt und ist in Zusammenarbeit mit meiner Arbeitsgruppe im Rahmen der Antragsstellung für das Forschungsprojekt in Kiel entstanden. Im Grunde genommen ist der Tenor: Wie stellt man sich den OP der Zukunft vor? Wir können davon ausgehen, dass in fünf Jahren alles, was sie aus einem Operationssaal kennen – vor allem in großen Kliniken, anders aussehen wird als heute. Man muss sich dort sehr rasch den neuen Standards anpassen, da 60 bis 65 Prozent der Einnahmen über operative Eingriffe generiert werden. Behörden Spiegel: Welche Veränderungen wird man denn in fünf Jahren sehen können?

Jünemann: Bereits in den letzten zehn, zwölf Jahren haben wir feststellen können, wie die Chirurgie sich komplett verändert hat. Zum Beispiel durch die minimalinvasive Chirurgie, bei der man mit dem Da-Vinci-Operationssystem durch ein Roboterassistiertes Chirurgiesystem extrem risikoarm operieren kann. Dieses System erlaubt es, dass der Bauch nicht mehr großflächig aufgeschnitten werden muss und man quasi “aus dem Handgelenk” arbeiten kann. Alle Bewegungen, die sonst der Operateur tätigt, werden dann von einem Roboter durch vier Arme durchgeführt. Diese Roboter-assistierte Chirurgie hat in den letzten Jahren einen enormen Zuspruch erfahren, und das nicht nur in der Urologie, sondern auch bei der Allgemein- und Thorax-Chirurgie. Behörden Spiegel: Welche Vorteile hat diese Roboter-assistierte Chirurgie noch?

Behörden Spiegel / August 2022

Risikoarm mittels KI operieren Technische Ausfälle unwahrscheinlich (BS) Modelle zeigen, dass 2050 mehr Menschen an Infektionskrankheiten als an Krebs sterben werden. Minimalinvasive Eingriffe durch Roboterassistierte Chirugie können das Risiko von Wundinfektionen verhindern. Um den Einsatz dieser Systeme weiterzuentwickeln, wurde in Kiel im letzten Jahr das Leuchtturmprojekt “OP der Zukunft” vorgestellt. Im Interview mit Prof. Dr. Klaus-Peter Jünemann, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am UKSH, redeten wir über die weiteren Features der Technik und über mögliche Cyber-Risiken im Krankenhausbetrieb. Jünemann: Durch die Pandemie sind wir Ärztinnen und Ärzte mehr als sonst der Infektionsgefahr ausgesetzt, weil es sein kann, dass wir einen Patienten behandeln, der Covid-19-positiv ist. Aktuell ist es so, dass der Chirurg drei, vier Meter entfernt vom Patienten an der Konsole arbeiten kann. Das Ziel ist es auch, die Assistenz – die aktuell noch direkt am OP-Tisch operiert – örtlich vom Patienten abzugrenzen. Im Rahmen des Forschungsprojektes entwickeln wir dafür einen “Assistenten-Roboter”. Behörden Spiegel: Entwickeln sich dadurch Herausforderungen? Jünemann: Wir müssen jetzt zusätzlich auf die Maschine-Maschine-Interaktion achten. Der “große” Roboter muss mit dem Assistenten-Roboter kommunizieren, ohne dass sie sich gegenseitig beeinträchtigen. Bis das Ganze vollständig implementiert ist, wird es vielleicht noch fünf oder zehn Jahre dauern, aber dann wird niemand mehr im OP-Saal stehen. Dann wird es dort nur noch den Patienten geben. Inklusive der Anästhesie werden dann alle Prozesse von außen gesteuert, was die Infektionsgefahr fast auf null reduzieren kann. Das ist besonders wichtig, weil Modelle zeigen, dass 2050 mehr Menschen an Infektionskrankheiten als an Krebs sterben werden. Da möchten wir wenigstens die Infektionsgefahr während des Eingriffs so weit wie möglich ausschließen.

“Wir müssen anfangen, die Digitalisierung im klinischen Betrieb anzunehmen und nicht nur darüber zu reden.” Prof. Dr. Klaus-Peter Jünemann ist Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am UKSH in Kiel. Foto: BS/UKSH

Behörden Spiegel: Welche “Features” bietet die Technologie noch? Jünemann: Mithilfe eines Programms, das wir ebenfalls gerade entwickeln, können wir Bilder nutzen, die wir vor der OP aufgenommen haben und diese während der OP “über das eigentlich sichtbare Bild legen”, also im Grunde genommen Virtual Reality nutzen. Wir vergrößern und sehen Dinge, die Sie eigentlich im Verlauf der OP gar nicht wahrnehmen könnten: “See the unseen”. Dadurch wird die Chirurgie schonender und präziser und kann eine Komplettdarstellung des operierenden Bereichs zeigen und darstellen, was aus dem Körper des Patienten entfernt gehört. Behörden Spiegel: Welche Daten können noch in die KI-gestützten Systeme implementiert werden? Jünemann: Nun werden nicht alle Operationen von erfahrenen Oberärzten durchgeführt. Wenn

ein junger Arzt jetzt an einer bestimmten Stelle nicht weiß, wie er verfahren soll, kann er durch Modelle lernen. Durch sogenannte Expert-Systeme können die Videoaufnahmen von verschiedenen Chirurgen in Modelle transferiert werden. So werden vom System beispielsweise 100 Videoaufnahmen von Chirurg A verarbeitet, die sich mit dem Problem auseinandersetzen, vor dem der junge Arzt in seinem Eingriff gerade steht. Das gleiche kann dann auch für Chirurg B oder C angefertigt werden. Somit kann sich der Operateur verschiedene Modelle anschauen, um ein Problem zu lösen. Ein zweites Feature ist die Arbeit mit einer zweiten Konsole. Das funktioniert im Prinzip wie in der Fahrschule. Der junge, noch unerfahrene Operator führt die OP auf der ersten Konsole durch. Der erfahrene Chirurg sitzt währenddessen an einer “Lehrkonsole” und kann spontan eingreifen und – wie der Fahrlehrer – die Instrumente

IT-Sicherheit Datenschutz Business Continuity Digitalisierung

Zentrum für digitale Souveränität

steuern. Dadurch ist der Lerneffekt für den Novizen viel höher. Diese OP-Technik wird m. E. die ganze offene Chirurgie auf kurz oder lang verdrängen. Behörden Spiegel: Welche Risiken ergeben sich durch diese digitale Hilfsmittel? Jünemann: Das klassische Beispiel ist der Stromausfall. Unter normalen Umständen springt dann ein Hilfsgenerator an und es kann erst mal weitergehen. In Konfliktgebieten ist das Risiko natürlich ein anderes, nehmen wir das Beispiel Ukraine. Wenn dort während einer Operation die Stromzufuhr durch Beschuss oder Ähnliches außer Gefecht gesetzt wird, muss die Situation manuell gelöst werden. Das sind aber Extremsituationen. Ich hatte in all den Jahren, in der wir diese Technik nutzen, erst ein Mal den Fall gehabt, dass ein Roboterarm ausgefallen ist. Dann musste die OP abgebrochen werden. Heute sind wir vor der Situation geschützt, weil wir in der Klinik in Kiel vier einsatzbereite Robotersysteme haben. Große Zentren, wie wir es sind, sind also in der Lage, Ersatz zu schaffen, sollte technisch etwas ausfallen – was extrem unwahrscheinlich ist. Von der Technik ist im Grundsatz also ein Ausfall nicht zu erwarten. Es kann etwas im Schnitt schiefgehen, aber das ist dann der individuelle Fehler des Chirurgen. Behörden Spiegel: Wie sieht es bei der Cyber-Angriffsgefahr aus?

Jüneman: Einer der Entwicklungsschritte, die wir auch beim OP der Zukunft weiterentwickeln wollen, ist die Tele-Medizin. Schon heute ist es möglich, dass ich hier in Kiel das Bild einer Operation aus München einsehen und dem Operateur behilflich sein kann. Schon bald wird es möglich sein, dass ich die komplette Operation aus Kiel durchführen kann. Daraus kann sich natürlich ein Problem bei der Cyber-Sicherheit ergeben. In der Theorie könnte dann jemand von außen auf die Steuerung zugreifen oder die Daten abgreifen. Aber das ist ja quasi ausgeschlossen, handelt es sich doch mehr oder weniger um einen closed job. Behörden Spiegel: Kann man garantieren, dass niemand eingreift? Jünemann: Garantieren kann man nichts, nur sich möglichst gut vorbereiten. Wir brauchen eine gesicherte Firewall und eine IT, die für diese Fälle geschult ist. Ich sehe da allerdings nur ein geringe Gefahr dafür, dass jemand eine OP gezielt stören könnte. Natürlich gibt es Kriminelle, die daraus einen ökonomischen Nutzen ziehen könnten, aber ich glaube, das Krankenhaus kommt an letzter Stelle. Ich halte das Risiko für extrem gering und wenn man sich den Nutzen dieser Systeme anschaut, muss man diese minimalen Risiken in Kauf nehmen. Bei Prostatakrebsoperationen hatten wir vor den KI-Systemen eine Wundinfektionsrate von 9,2 Prozent, heute sind es gerade mal 0,7 Prozent. Ich bin der Meinung, dass man die Potenziale der Digitalisierung und Neuentwickelungen nutzen sollte. Wir müssen anfangen, die Digitalisierung im klinischen Betrieb anzunehmen und nicht nur darüber zu reden. Dann haben wir bald nicht mehr das Problem, dass wir zu wenig Ärzte haben, sondern klären die Frage, wie wir noch schneller digitalisieren können.

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Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / August 2022

KNAPP

Die Zeitenwende

VerfassungstreueCheck in Abstimmung

Rüsten gegen den Krieg

(BS/mfe) Nach mehr als 18 Mo-

(BS/Dorothee Frank) Die Zeit des Friedens in Europa ist vorbei. Das Machtgefüge verschiebt sich, eine neue Ordnung bricht an. Ob diese mit friedlichen, wirtschaftlichen Mitteln zu naten Vorarbeit befindet sich der erreichen ist oder nur mit militärischen, ist nicht absehbar. Sicher ist hingegen: Ein neuer eiserner Vorhang senkt sich herab zwischen Russland und Europa, unabhängig vom Ausgang Gesetzentwurf zum sogenannten des Ukraine-Kriegs. Verfassungstreue-Check für das Doch wie und wo wird dieser Vorhang fallen? Staaten, die sich bisher noch sicher glaubten sehen sich plötzlich in der Rolle des möglichen NATO-Frontstaates.

Polen hilft gegen Russland Polen ist das größte unter ihnen. Und Polen – in Erinnerung an die Schrecken der Sowjetzeit – handelt. Es nimmt unbürokratisch ukrainische Flüchtlinge auf, unterstützt Waffenlieferungen in die Ukraine, dient als Transitland, gibt Geld, Know-how und schickt Panzer. Über 200 T-72-Kampfpanzer aus ehemals sowjetischer Produktion gingen in das umkämpfe Land, um den im Wunsch nach Freiheit geeinten Menschen zu helfen. Dabei kann Polen kaum auf diese Panzer verzichten, die immer noch ein Standbein des polnischen Heeres sind. Sollte die russische Armee schließlich nahe genug an die polnische Grenze rücken, dann werden im eigenen Land jeder Panzer und jedes System zur Verteidigung gebraucht. Dennoch schickte Polen nach aktuellem Stand 232 Kampfpanzer, vielleicht auch im Vertrauen auf den von Deutschland angekündigten Ringtausch. Der Ringtausch war bereits im Frühjahr vereinbart worden. Polen hatte frühzeitig kommuniziert, dass über 200 T-72 in die Ukraine gehen sollen. Deutschland hielt sich bedeckt, sagte nur, es werde den Verpflichtungen im Rahmen dieses Ringtauschs auf jeden Fall nachkommen. Erst im Juli, nachdem die Lieferungen polnischer Panzer bereits begonnen hatten, nannte die deutsche Regierung konkrete Zahlen: 20 Kampfpanzer Leopard 2 wird Deutschland den Polen geben, bis zur Lieferung gut gewartet und modern ausgerüstet. Lieferbar leider erst in über einem Jahr. Weder der Zeitrahmen noch die Menge passen allerdings zum polnischen Sicherheitsbedürf-

nis. Schließlich kann auch ein modernisierter Leopard 2 nicht kampfkräftig genug sein, dass 20 Leos über 200 T-72 ersetzen. Polen wollte mindestens genug Leos zur Ausrüstung eines Panzerbataillons, also über doppelt so viele wie angeboten. Deutschland winkte ab. Polen spricht seitdem in Bezug auf das deutsche Angebot zum Ringtausch von einem “Täuschungsmanöver”. Da Beschwerden allerdings weder neue Panzer bringen noch die russische Armee aufhalten, mussten andere Panzer als Ersatz für die Lieferungen an die Ukraine gefunden werden. Am besten bezahlbar und mit angemessenem Workshare bzw. Entwicklungspotential im eigenen Land. Polen suchte und wurde in Südkorea fündig.

Südkoreanische Panzer und Flugzeuge Ende Juli verkündete Polens Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak, dass Polen 48 FA50-Kampfflugzeuge und mindestens 180 K2-Panzer aus südkoreanischer Produktion kaufen werde. “Mit diesem Vertrag werden wir die Sicherheit Polens und die Stärke der polnischen Armee erheblich erhöhen. Schnelle Lieferung und industrielle Entwicklung sind der Schlüssel! Wir haben die oft gegensätzlichen Interessen der Soldaten und der Rüstungsindustrie unter einen Hut gebracht. Es ist eine Winwin-Situation für beide Gruppen”, schrieb Błaszczak auf Twitter. In einem Interview mit der polnischen Wochenzeitung “Sieci” führte Błaszczak weiter aus: “Noch in diesem Jahr werden die ersten Exemplare dieser modernen Panzer an uns geliefert.” Der K2 Black Panther ist ein Kampfpanzer der südkoreanischen Streitkräfte, der von der südkoreanischen Agency for Defense Development (ADD) in Zusammenarbeit mit verschie-

Der polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak macht sich in der Ukraine ein Bild von der Zerstörungskraft des Krieges. Ebenso wie die Ukrainer erinnern sich auch die meisten Polen noch an die Schreckensherrschaft der Sowjetunion. Foto: BS/kpr. Wojciech Król CO/MON

denen Unternehmen, darunter auch deutschen, entwickelt wurde. Neben der schnellen Lieferung – die ersten Panzer sollen noch in diesem Jahr, die ersten Kampfflugzeuge im nächsten Jahr in Polen eintreffen – hat vor allem die Interoperabilität mit US-Systemen den Ausschlag gegeben. “Es [die Waffensysteme] ist kompatibel oder sogar identisch mit der amerikanischen Ausrüstung, da sie unter Beteiligung von US-Unternehmen konstruiert wurde”, sagte Błaszczak im Interview. Eine polnische Weiterentwicklung des T-72 werde es hingegen nicht geben. Błaszczak: “Das ist eine Sackgasse ohne Perspektive. Schließlich werden wir 366 Abrams haben, plus koreanische K2-Panzer. Bereits in diesem Jahr werden die ersten Fahrzeuge an uns geliefert, insgesamt 180 Panzer in der ersten Charge. Am Ende werden diese Panzer in Polen hergestellt.” Bei diesen über 500 Kampfpanzern handelt es sich allerdings nur um die jüngsten Bestellungen seit dem Beginn des UkraineKrieges. Bereits seit Jahren be-

finden sich rund 250 Leopard 2-Kampfpanzer im polnischen Bestand, diese wurden von Deutschland verkauft, als nach dem Ende des Kalten Krieges nur noch eine Rumpfbundeswehr bezahlbar schien. Hinzu kommen mehrere hundert Kampfpanzer aus ehemaligen Sowjetbeständen.

Aufbau einer Landmacht Vor der Abgabe der T-72 an die Ukraine verfügte Polen über vier Panzerbataillone mit T-72, vier Panzerbataillone mit Leopard 2 und fünf Panzerbataillone mit PT-91 Twardy (eine polnische Weiterentwicklung des T-72). Mit den zusätzlichen 366 Abrams-Panzern aus den USA – der Vertrag wurde Anfang April 2022 unterzeichnet, die ersten Kampfpanzer trafen am 22. Juli in Polen ein – sollen vier zusätzliche Panzerbataillone aufgestellt werden, während die 180 K2 vorerst als Ersatz für die abgegebenen T-72 dienen sollen. Dies ist allerdings erst der Anfang. Der Pressesprecher der polnischen Rüstungsagentur, Oberstleutnant Krzysztof Płatek, sagte Ende Juli, dass eine große Beschaffung

der polnischen – dann auch zu signifikanten Teilen in Polen produzierten – K2PL (der polnischen Variante des K2) geplant sei. Die Rede ist von 820 Systemen, mit denen 14 Panzerbataillone ausgerüstet werden sollen. Damit käme Polen dann auf die stolze Zahl von mindestens 1.500 modernen Kampfpanzern, aufgeteilt in über 25 Panzerbataillone. Zum Vergleich: Deutschland hat laut dem letzten “Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr” vom 15. Dezember 2021 insgesamt 289 Kampfpanzer Leopard 2 in “sechs unterschiedlichen Typen, die es auf vier Varianten zu reduzieren gilt”. Von diesen 289 Panzern waren allerdings nur 183 einsatzbereit. “Im Berichtszeitraum war zunächst ein Einbruch des Verfügungsbestandes festzustellen, der sich aber inzwischen wieder fast auf dem Niveau des Berichtes I/2021 befindet. Insgesamt werden diese Auswirkungen (Verfügbarkeitsdelle) der unterschiedlichen Maßnahmen bis 2025 spürbar bleiben.” Die Ukraine verfügt also aktuell – auch dank polnischer Lieferung – über weitaus mehr Panzer als Deutschland. Ein Zustand, der für Deutschland nicht befriedigend sein kann, vor allem da sich das deutsch-französische Zukunftsprojekt Main Ground Combat System (MGCS) nicht wirklich bewegt. Die Defizite von fast zwei Jahrzehnten lassen sich nicht so einfach vom Tisch wischen, doch für eine Zeitenwende müsste auch in Deutschland ein Ruck durch die Beschaffung gehen. Polen macht es vor und wird kaum vor einem europäischen Gerichtshof landen, nur weil es für eine sicherheitskritische militärische Beschaffung keine EU-weite Ausschreibung initiierte, sondern bilateral beschaffte, was der Markt liefern konnte.

Land Brandenburg in der Ressortabstimmung. Im Herbst soll er laut Innenminister Michael Stübgen (CDU) in den Landtag eingebracht werden. Ziel des Vorhabens ist es, Anwärter vor der Verbeamtung regelhaft durch den Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Dabei würde kontrolliert, ob sie auf den Grundfesten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. In Brandenburg beträfe dieses Verfahren in Zukunft alle Anwärter im Landesdienst. Das wäre, wie Stübgen im Chefgespräch auf www. digitaler-staat.online ausführt, in dieser Breite bislang deutschlandweit einmalig. Das vollständige Interview sehen Sie hier:

Pilotprojekt: Feuerwehr als Schulfach

(BS/bk) Das thüringenweite erste Pilotprojekt “Feuerwehr AG” der Freiwilligen Feuerwehren Gebesee und Elxleben am Oskar-GründlerGymnasium in Gebesee wurde abgeschlossen. Zehn Jugendliche der achten bis zehnten Klasse des Gymnasiums besuchten für ein Schuljahr diese AG. Währenddessen durchliefen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die theoretische und praktische Feuerwehrgrundausbildung. Am Ende des Schuljahres wurde eine schriftliche und praktische Prüfung abgelegt. Neun von ihnen erhielten im Anschluss eine Lehrgangsbescheinigung über die Grundausbildung. Mit dieser sind die Jugendlichen beim Eintritt in die Einsatzabteilung sofort einsatzfähig.

Berlin Security Conference 2022 30. November – 1. Dezember 2022, Vienna House Andel’s Berlin Europe and NATO – Directions for Actions • Erste große Sicherheitskonferenz in Präsenz nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine • Partnerland 2022: Norwegen • Ausgehend von den sicherheits- und verteidigungspolitischen Handlungslinien der EU, NATO und OSZE, wird die Entwicklung europäischer und transatlantischer militärischer Fähigkeiten analysiert. • Internationales Forum für Abgeordnete, Politiker und Angehörige der Streitkräfte, der Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und der Industrie • Nationale und internationale Aussteller • Veranstaltet vom – Deutschlands führender unabhängiger Zeitung für den Öffentlichen Dienst

Top-Referenten/-Referentinnen, u. a.

Melden S Veranstaltu ie sich zu Europas führender ng für Sic herheit un auf www d Verteidig .euro-def ung ence.eu an.

Jonas Gahr Støre, Ministerpräsident von Norwegen

Christine Lambrecht, Bundesministerin der Verteidigung, Deutschland

Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO

Bjørn Arild Gram, Verteidigungsminister von Norwegen

Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin der Verteidigung, Deutschland

Dr. Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigem Amt, Deutschland

Nana Brink, Stellvertretende Vorsitzende von WIIS.de

Admiral Joachim Rühle, Chief of Staff, SHAPE

Weitere Informationen: www.euro-defence.eu


Innere Sicherheit

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Bedrohung wird zunehmen

A

ngriffe aus dem digitalen Raum eigneten sich für Spionage, Sabotage und Desinformation. Dadurch seien sie ein wichtiges Instrument ausländischer Nachrichtendienste. Und ihre Dimension werde künftig sowohl quantitativ als auch qualitativ zunehmen, warnt Torsten Voß. Der Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes sieht hier große Herausforderungen auf die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zukommen. Die Abwehr von Cyber-Spionage werde eine immer wichtiger werdende Aufgabe, sagt der Vorsitzende des Arbeitskreises vier in der Innenministerkonferenz (IMK) voraus. Aus seiner Sicht brauchen die Verfassungsschutzbehörden in Zukunft noch mehr Cyber- und Internetkompetenz (sowohl personell als auch technisch), einen verstärkten wissenschaftlichen Sachverstand, eine moderne und zeitgemäße Ausrüstung und Ausstattung sowie einen zukunftsfähigen Rechtsrahmen und ein politisch-gesellschaftliches Vertrauen in ihr Agieren. Nur so könne der Verfassungsschutz, der keine “Gedankenpolizei” darstelle, seiner Funktion als Frühwarnsystem weit im Vorfeld von Straftaten effektiv gerecht werden, meint Voß. Die Bedrohungslage in und aus dem digitalen Raum sei hoch, betonen auch Peter Morwinski von der Bechtle AG sowie Ulrik Sauerzapfe von Fortinet. Dr. Christian Kloß, Abteilungsleiter für öffentliche Sicherheit im Bundesinnenministerium (BMI), unterstreicht angesichts der aktuellen Lage dann auch: “Nie waren die Dienste wichtiger und wertvoller als heute.” Seines Erachtens verdienen sie wieder mehr Anerkennung durch die Bürgerinnen und Bürger. Es werde jedoch zu Veränderungen, zum Beispiel bezüglich des Einsatzes von V-Leuten, kommen, prognostizierte er. Grund hierfür sei eine jüngst ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz. Das Urteil werde wohl auch Auswirkungen auf die Bundesebene haben, so Kloß.

Forderungen an ­Mitgliedsstaaten Unterdessen stellt der EUKoordinator für die Terrorismusbekämpfung, Ilkka Salmi, mehrere Forderungen an die Mitgliedsstaaten. Dazu zählt unter anderem die nach einer

S

o müssten sich Polizeipräsidentinnen in ihrer Amtsführung und mit Blick auf ihren Führungsstil deutlich mehr beweisen als ihre männlichen Kollegen, kritisiert die Düsseldorfer Beigeordnete und ehemalige Gelsenkirchener Polizeipräsidentin Britta Zur. Zudem würden sie teilweise oberflächlich und herablassend behandelt. Auch die Präsidentin der Hochschule der Polizei Brandenburg, Prof. Dr. Heike Wagner, kon­ statiert, dass Frauen in der Polizei zum Teil immer noch mit Vorbehalten zu kämpfen hätten. Aus diesem Grunde ließen sich einige Mechanismen und Abläufe innerhalb der Polizei nur durch die Einführung von Quoten verändern, meint Sabine Schumann, stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Aus ihrer Sicht sollte der Polizeiberuf zudem noch weiblicher werden. Derzeit liege der Frauenanteil hier bei unter 30 Prozent. Diese Schwelle müsse unbedingt überschritten werden, findet sie. Dafür müsse die Frauenförderung aber auch “in den Köpfen ankommen”.

Keine feministische Polizei schaffen Eher gegen eine Quote, aber klar für eine bessere Frauenförderung ist Zur. Sie ist der

Behörden Spiegel / August 2022

Verfassungsschutzbehörden sind wichtiger denn je (BS/Marco Feldmann) Im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine werden derzeit vermehrt Cyber-Attacken durch die Behörden verzeichnet – auch durch die Verfassungsschutzbehörden. Die Gefahr dürfte in Zukunft noch größer werden. noch stärkeren multilateralen Kooperation – auch im nachrichtendienstlichen Bereich. Denn nur so könne man den aktuellen Sicherheitsherausforderungen gerecht werden. Darüber hinaus sollten die nationalen Regierung dem europäischen Zentrum EU INTCEN, das selbst keinen europäischen Nachrichtendienst darstelle und auch über keine eigenen operativen Befugnisse verfüge, noch mehr Informationen zur Verfügung stellen. Nur so könne die dortige Analysearbeit verbessert werden, meint Salmi. Außerdem komme es darauf an, dass die nationalen Nachrichtendienste insgesamt noch stärker mit der EU-Ebene kooperierten und die bilaterale sowie die multilaterale Zusammenarbeit verstärkten. Auch sollten sich die Nachrichtendienste noch intensiver der Instrumente der Europäischen Union bedienen. Dazu gehöre etwa das Schengener Informationssystem, forderte Salmi im Rahmen der Nachrichtendienstkonferenz des Behörden Spiegel in Berlin.

Parlament in Österreich gestärkt Dort erläuterten der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im österreichischen Bundesministerium für Inneres, Dr. Franz Ruf, sowie der Direktor der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner (MA), auch den Reformprozess des ehemaligen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hin zur DSN. Ziel der Neuaufstellung sei eine klare strukturelle Trennung in eine nachrichtendienstliche und eine Staatsschutzkomponente gewesen, unterstrich HaijawiPirchner. Im Rahmen der Reform sei auch die parlamentarische Kontrolle gestärkt worden. Es gebe in der Alpenrepublik nun erstmals eine parlamentarische Kontrollkommission für Nachrichtendienste, berichtete Ruf. Außerdem sei die DSN, bei der es sich um einen reinen Inlandsnachrichtendienst

suchen der jeweiligen Behörde statthaft gewesen, berichtete Dr. Tilmann Peters, stellvertretender Leiter der Einheit. Auch die Landesämter für Verfassungsschutz profitieren dann davon. Denn sie erhalten die Informationen – falls notwendig – vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).

Befähigungsgesamtrechnung notwendig

Debattierten über die Befugnisse sowie eine notwendige Ertüchtigung der Nachrichtendienste (v.l.n.r.): Dr. Gerhard Conrad, Prof. Dr. Patrick Sensburg und Gerhard Schindler. Fotos: BS/Feldmann

handele, deutlich offener gegenüber Wirtschaft und Zivilgesellschaft, als es das BVT gewesen sei. Haijawi-Pirchner meint: “Die DSN ist eine unverzichtbare Frühwarnorganisation.” Zusätzlich verfüge man über eine präventive Aufgabe der Gefahrenerforschung. Im Bereich des Staatsschutzes nehme die DSN derweil Aufgaben zum Zwecke des vorbeugenden Schutzes vor verfassungsgefährdenden Angriffen sowie sicherheits- und kriminalpolizeiliche Aufgaben im Zusammenhang mit verfassungsgefährdenden Angriffen wahr.

Kontrolle noch ­verbesserungsfähig Auch in Deutschland sind die Nachrichtendienste als Frühwarnsysteme von zentraler Bedeutung. Bei ihrer Kontrolle und Aufsicht gibt es aber noch Verbesserungspotenzial, findet Dr. Thorsten Wetzling, Leiter “Digitale Grundrechte, Überwachung und Demokratie” bei der Stiftung Neue Verantwortung. So führe seit Anfang dieses Jahres der Unabhängige Kontrollrat (UKR) als eine oberste Bundesbehörde zwar die Rechtskontrolle der AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) durch. Allerdings seien

Warnt vor zunehmenden Cyber-Angriffen: Torsten Voß, Leiter des Verfassungsschutzes Hamburg.

Ilkka Salmi, EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung, verlangt den EU-Mitgliedsstaaten einiges ab.

noch nicht alle Stellen beim UKR besetzt, so Wetzling. Darüber hinaus sei eine Ausgestaltung des Mandats sowie der Praxis der administrativen Rechtskontrolle beim UKR erforderlich. Des Weiteren müsse die Idee einer vernetzten Nachrichtendienstkontrolle auf Bundesebene besser angegangen werden. Wetzling plädierte außerdem dafür, bei der Wohnraumüberwachung durch Verfassungsschutzbehörden mehr Mechanismen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung einzuführen. Des Weiteren braucht es aus seiner Sicht mehr unabhängige

Vorabkontrolle und ein einheitliches Nachrichtendienstrecht mit mehr Übersichtlichkeit und weniger Querverweisen. Der erstgenannte Punkt birgt allerdings die Gefahr, dass die operative Arbeit der Dienste verlangsamt oder sogar ganz verhindert wird. Hilfreich könnte hingegen sein, dass nun auch die bei der Generalzolldirektion angesiedelte “Financial Intelligence Unit” (FIU) von Amts wegen Erkenntnisse und Analysen an die Nachrichtendienste des Bundes weitergeben kann, sofern es für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Dies sei früher nur auf Er-

Mit Quote oder mit Selbstvertrauen Frauenförderung bei der Polizei noch verbesserungswürdig

Wichtig sei eine weitere Ertüchtigung der Nachrichtendienste. Denn deren Arbeit, die sehr wichtig für ein gutes Lagebild und folglich auch für richtige politische Entscheidungen sei, habe sich im Zeitverlauf massiv verändert. Das gelte insbesondere für die Informationsbeschaffung, so Dr. Gerhard Conrad, Direktor beim BND a. D. und ehemaliger Direktor von EU INTCEN. Heute herrsche kein Mangel an Informationen, sondern eher ein Informationsüberfluss. Zudem hätten es die Dienste inzwischen vermehrt mit indirekteren und hybriden Bedrohungen zu tun, so Conrad. Er findet: “Statt einer Überwachungsgesamtrechnung brauchen wir für die Nachrichtendienste eine Befähigungsgesamtrechnung.” Es müsse einmal festgehalten werden, was Deutschland können solle. Ähnliches war vom ehemaligen Bundestagsabgeordneten und heutigen Präsidenten des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr sowie heutigen Mitglied der G10-Kommission, Prof. Dr. Patrick Sensburg, sowie dem früheren BNDPräsidenten Gerhard Schindler zu hören. Laut Schindler muss die Politik die Anforderungen, die sie an die Nachrichtendienste habe, klar benennen und “Farbe bekennen”. Zudem sei eine Generalrevision der rechtlichen Befugnisse der Nachrichtendienste unbedingt erforderlich, war er sich mit Conrad einig. In diesem Zusammenhang müsse auch eine Diskussion über die Arbeitsreichweite sowie stärkere operative Befugnisse der Dienste geführt werden. Schindler fordert bereits jetzt eine längere Höchstspeicherfrist von Daten sowie das Recht zum Hackback und andere “Gegenaktionen” durch die Dienste. Zudem müsse in der Bundesrepublik dringend eine Sicherheitskultur geschaffen werden. Dem stimmt Conrad zu. Außerdem bräuchten die Nachrichtendienste mehr finanzielle Mittel.

von Familie und Beruf bei der Polizei noch einiges zu tun, findet die DPolG-Vertreterin.

Kinderbetreuung verbessern

(BS/mfe) Braucht es eine Quote für Frauen in polizeilichen Führungspositionen? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Aber egal Da will Zur nicht widersprechen. welcher Position man anhängt, eines eint die unterschiedlichen Lager dann doch: Bei der generellen Förderung von Polizistinnen ist deutlich So brauche es etwa noch viel Luft nach oben. häufiger flexible und kreative Mo-

Diskutierten über Frauen in der Polizei (v.l.n.r.): Prof. Dr. Heike Wagner, Sabine Schumann, Dr. Eva-Charlotte Proll (Moderatorin) und Britta Zur. Foto: BS/Boris Trenkel

Auffassung, dass es keine feministische Polizei brauche. Eine solche könnte vielmehr eher abschreckend wirken. Polizei müsse für alle da sein, ist sie sich mit Wagner einig. Die Hochschulpräsidentin plädiert dafür, Frauen in allen Lebensphasen

mitzunehmen. Das werde angesichts von Dienstzeiten von bis zu 50 Jahren in der Polizei immer wichtiger. Gleiches gelte für kontinuierliche Chancen zur Fortbildung und Weiterentwicklung. Zudem komme es darauf an, dass Frauen in

der Polizei – und vor allem in dortigen Führungspositionen – noch sichtbarer würden. In der Brandenburger Polizei gebe es hierfür ein spezielles Mentorenprogramm, das sich ausschließlich an Frauen rich-

te. Denn Frauen hätten einen ­anderen Führungsstil als Männer. Ein solches Mentorenprogramm sei ein begrüßenswertes Instrument, meint DPolG-Vertreterin Schumann. Allerdings brauche es zugleich noch andere Maßnahmen. Dazu gehörten unter anderem Veränderungen im Beurteilungswesen. Denn nach der Geburt von Kindern würden Polizistinnen oftmals schlechter bewertet, bemängelt Schumann. Zu oft herrsche bei den Beurteilenden noch das Denken vor: “Die Beamtin war ja nicht da, die kann ja nichts geleistet haben.” Des Weiteren müssten weibliche Führungskräfte noch stärker herausgehoben werden. Denn sie könnten für Polizistinnen – insbesondere für junge Beamtinnen – gut als Vorbilder dienen. Auch die Frauen in der Polizei seien gefordert. Sie sollten andere Frauen bei Karriereverläufen mitnehmen und sie gezielt fördern. Generell sei in Bezug auf die Vereinbarkeit

delle der Kinderbetreuung. Auch müssten ein stärkeres dienstgruppenübergreifendes Arbeiten, mehr Home Office oder Angebote wie Eltern-Kind-Frühstücke für Kolleginnen und Kollegen, die sich aktuell in Elternzeit befänden, häufiger implementiert werden. Gleiches gelte für das Aufteilen einer Vollzeitstelle auf mehrere Teilzeitkräfte. Problematisch sei zugleich aber auch, dass Frauen teilweise noch zu Führungsfunktionen “getragen” werden müssten. Sie hätten zum Teil massive Bedenken, ob sie der Aufgabe auch tatsächlich gewachsen seien. Hier brauche es noch mehr Selbstbewusstsein. Eine Frauenquote bei der Polizei ist aus Zurs Sicht nicht nötig. Sie wäre künstlich erzwungen. Auch Wagner hält einen solchen Schritt nur für die Ultima Ratio. Gleichwohl müsse die Polizei noch flexibler werden, etwa Arbeitszeitmodelle betreffend. Brandenburg sei hier schon auf einem guten Weg, lobt sie.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / August 2022

E

s gibt zwei Sorten von Drogenvortests: eine basiert auf Urin-, die andere auf Speichelproben. Die meisten Landespolizeien verwenden beide Sorten. In Berlin gebrauchte die Polizei bisher ausschließlich Urintests, aber das ändert sich jetzt. Noch im Juli hat die Polizei Berlin Speicheltests zur Beschaffung ausgeschrieben. Vermutlich könnten sie noch in diesem Jahr zusätzlich zu den Urintests zum Einsatz kommen. Drogenkontrolltests nimmt die Polizei nur vor, wenn sie einen Anfangsverdacht hat. Wenn die Pupillen zum Beispiel unnatürlich verengt sind, fordern die Polizisten den Verdächtigen auf, einen Test zu machen. Ist der positiv, geht es zum Blutabnehmen, denn nur mit einer Blutanalyse kann der Konsum gerichtsverwertbar nachgewiesen werden. Da die Entnahme von Blut ein recht schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kontrollierten ist, machen die Beamten in der Regel zunächst den Vortest. Alle Länder außer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland setzen Urintests ein, um den ersten Verdacht zu bestätigen. In den vier genannten Ländern sind Speicheltests schon Standard. Beispielsweise verwendet die Polizei in Sachsen einen Test, der Cannabis, Amphetamine, Methamphetamine, Kokain und Opiate erkennt. Urintests kommen dort gar nicht mehr zum Einsatz. In allen anderen Ländern außer Berlin, Bremen, Hessen und Niedersachsen gibt es zumindest die Option, einen Speicheltest zu machen. Thüringen hat zwar noch Urintests im Vorrat, aber diese werden laut der Landespolizeidirektion (LPD) Thüringen nicht abgerufen. Wahrscheinlich liegt das daran, dass der Speicheltest für alle Beteiligten angenehmer ist. So kann schon nicht jeder, den die Polizei mit Ausfallerscheinungen angehalten hat, spontan eine Probe abgeben. Außerdem sind Urintests leichter zu manipulieren. Insbesondere hätten

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Speicheltests und Mitwirkungspflicht Gewerkschaften wollen Verkehrskontrollen reformieren

ßenverkehrsordnung und zum anderen für polizeiliche Maßnahmen, die zur Vorbereitung eines Bußgeldverfahrens auch zwangsweise durchgeführt werden können.

(BS/Benjamin Hilbricht/Marco Feldmann) Bislang kommen sowohl Urin- als auch Speicheltests bei Verkehrskontrollen zum Einsatz. Sie zeigen Alkohol- oder Drogenkonsum an. Doch insbesondere Urintests sind nicht wirklich manipulationssicher. Außerdem ist ihre Durchführung perso- Grundgesetzwidrig? nalintensiv und nicht gerade grundrechtsschonend. Deshalb verlangen Polizeigewerkschaften Änderungen. Doch an einer möglichen MitVerdächtige versucht, die Polizei mit “Fake-Urin”, Zusätzen im Urin oder auch Penisattrappen zu täuschen, heißt es unter anderem aus der Polizei Baden-Württemberg. Um solche Betrügereien zu verhindern, sei die Urinabgabe gleichgeschlechtlich zu beobachten, heißt es seitens der Polizei Berlin. Gleiches gilt für Polizeikräfte überall in Deutschland.

Teuer und ungenau? Manipulationsanfällig, aufwendig und ein Eingriff in die Intimsphäre. Warum werden Urintests überhaupt noch verwendet? Vielleicht liegt es am Preis der Speicheltests. Der Berliner Landesbezirk der Gewerkschaft der Polizei (GdP) rechnet mit Kosten von etwa 15 Euro pro Stück. Aber das ist ein Durchschnittswert. Die einzelnen Bundesländer bezahlen zwischen drei und 22 Euro pro Test. Doch auch bei den Urintests variieren die Preise von circa 0,30 Euro bis zu über drei Euro pro Stück. Allerdings gibt es durchaus Qualitätsunterschiede, die die unterschiedlichen Preise vielleicht erklären. Für die Beschaffung ist die Testqualität entscheidend. Das niedersächsische Innenministerium ließ Speicheltests im Labor überprüfen. Das Ergebnis: “Die Genauigkeit lag im Durchschnitt bei 67,6 Prozent (Kunst- und Echtspeichel). Gefordert ist eine Sensitivität von mindestens 80 Prozent.” Besonders schlecht habe der Test den Cannabis-Wirkstoff THC angezeigt. Deshalb habe sich Niedersachsen bewusst gegen Speicheltests entschieden und setze weiterhin nur Urintests ein. Und vielleicht auch deswegen gibt das Innenministerium in Sachsen-

Schlangenlinien gefahren? Die Polizei muss den Fahrer anhalten und auf Drogenkonsum kontrollieren. Aber was, wenn er den Test verweigert? Foto: BS/Bayerische Polizei

Anhalt an, dass gerade eine Polizeibehörde die Verwendung von Urintests erprobe. Zudem zeigen Speicheltests Drogenkonsum nur drei Tage rückwirkend an. Hier sind die Urintests deutlich besser. Außerdem sind sie deutlich preiswerter. Die durchschnittlichen Beschaffungskosten liegen bei etwas über einem Euro pro Stück.

Mitwirkungspflicht einführen Eine weitere gewerkschaftliche Forderung (hier seitens der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)) ist die nach einer Mitwirkungspflicht bei Verkehrskontrollen. Eine solche existiert in der Bundesrepublik bislang nicht. In Österreich hingegen gibt es sie bereits. Wer sich dort erkennbar alkoholisiert weigert, einen Atemalkoholtest oder eine Blutentnahme durchzuführen,

wird strafrechtlich behandelt, wie Fahrzeugführende, denen ein Wert von 1,6 Promille Alkoholgehalt im Blut nachgewiesen wird. Gleiches gilt analog auch für Drogenkontrollen. Verweigert der Verdächtige den Speicheltest, muss er sich einem Bluttest unterziehen und eine Strafe von 1.600 bis 5.900 Euro zahlen. Die Frage, ob sie eine Mitwirkungspflicht befürworten, wollen die meisten Innenministerien nicht beantworten. Die Polizei Berlin stellt sich gegen die Gewerkschaftsforderung. “Eine gesetzlich normierte Mitwirkungspflicht zur Durchführung eines nicht beweiskräftigen Vortests erscheint aus Sicht der Polizei Berlin entbehr-

lich”, heißt es dort. Schließlich sei der Vortest nur ein Hilfsmittel, aber kein Entscheidungskriterium bei der Beweisführung. Dagegen heißt es aus Thüringen: “Eine Mitwirkungspflicht wäre zu begrüßen, da die Eingriffe geringfügig sind und eine Schlechterstellung der Betroffenen nicht erkennbar ist.” Hierfür müsste der Bund wohl das Straßenverkehrsgesetz reformieren. Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) erklärt sich jedoch für nicht zuständig und verweist an das Bundesjustizministerium (BMJ). Aber dort verweist man zurück ans BMDV. Dies ist für die Verkehrssicherheitsarbeit nicht gerade förderlich. Zudem überrascht es, da die Hausleitungen beider Ministerien von der FDP besetzt werden. Auch das nordrhein-westfälische Innenministerium spricht sich aus “polizeifachlicher Sicht” für eine Mitwirkungspflicht aus. Es existierten bereits bereichsspezifische Rechtsgrundlagen. Und zwar zum einen für allgemeine Verkehrskontrollen in der Stra-

wirkungspflicht und deren möglichen Konsequenzen gibt es auch Kritik. So heißt es aus dem Innenministerium Sachsen-Anhalt, die Mitwirkungspflicht an sich sei weniger problematisch als ihre Durchsetzung. Wenn die Beamten erst Gewalt anwenden müssten, um eine Mitwirkung zu erlangen, sei die Gesundheit der Kontrollierten in Gefahr. Aus Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz kommt noch schärferer Widerspruch. So gibt das Mainzer Innenministerium an, dass sich aus den ersten beiden Artikeln des Grundgesetzes der Nemo-tenetur-Grundsatz ableiten lasse. Demnach sei niemand verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu erbringen. Deshalb müsse die Mitwirkung bei einem Drogentest unter allen Umständen freiwillig sein. Eine Mitwirkungspflicht würde gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit verstoßen. Auch unabhängige Juristen sehen das teilweise so. Deshalb ist äußerst fraglich, ob sich solch eine Mitwirkungspflicht in Deutschland tatsächlich einführen ließe.

FEHLERTEUFEL

Falsches Gericht (BS/mfe/bhi) Der Redaktion ist in der vergangenen Ausgabe beim Interview mit Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) (Juli-Ausgabe 2022, Seite 38) leider ein kleiner inhaltlicher Fehler unterlaufen. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat zwar tatsächlich das Bundes-

verfassungsgericht angerufen. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht (und nicht wie von der Redaktion geschrieben das Bundesverfassungsgericht) “die verfassungsrechtlichen Fragen bereits rauf und runter geprüft”. Wir bitten um Entschuldigung.

Transformationsprozess unterstützen Achtsamkeit als Teil der Wertekultur des Polizeipräsidiums Offenburg (BS/Reinhard Renter) Der Polizeiberuf ist sehr vielfältig und fordert von jedem Einzelnen innere Stabilität, mentale Stärke, Resilienz sowie Willens- und Widerstandskraft. Denn nur so kann den beruflich bedingt oftmals enormen Stressbelastungen konstruktiv begegnet werden. Gleiches gilt für die ganz alltäglichen Stressbelastungen. Hier sind auch die Dienstherren und Führungskräfte gefordert. Emotionale Intelligenz: Die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle (objektiv) wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse: Wie wir unser Gehirn benutzen, also wie wir Aufmerksamkeit steuern, bestimmt, welche Denkgewohnheiten, emotionalen Muster und Handlungsweisen wir ausbilden und wie wir, auch am Arbeitsplatz, kommunizieren. Reinhard Renter war bis zum 31. Mai 2022 Polizeipräsident Zu den großen des Polizeipräsidiums OffenHerausforderunburg. Foto: BS/Koppelstätter Media gen zählte es für die Umsetzung des Achtsamkeitsprogramms, ein eigenes Team zusammenzustelund wird in den Klöstern in Bühl len. Denn das richtige Team ist und Gengenbach durchgeführt. einer der Erfolgsfaktoren. Die Ziel ist es, effektiver bei der Arbeit Ausbildung erfolgte nach dem zu sein, im Umgang miteinander “Train the Trainer”-Prinzip. präsenter zu sein, persönliche Widerstandskraft zu stärken so- Achtsamkeit als Schlüsselkompetenz wie mehr Zufriedenheit in der Arbeit zu finden. Achtsamkeit wird immer mehr Das interaktive und erlebnis- als Schlüsselkompetenz in der orientierte Programm wurde in vielzitierten “VUCA-Welt” erAnlehnung an das “Search In- kannt. Denn wenn die äußeren side Yourself Certified Program” Bedingungen immer weniger Sivon Connected Business erstellt cherheit und Klarheit bieten, gilt und beinhaltet folgende Kompo- es, diese Qualitäten in uns selbst nenten: zu kultivieren. AchtsamkeitsbaAchtsamkeit: Damit werden geis- sierte Verfahren können dabei tige Qualitäten für das Wachstum helfen, die Kreativität und Innovationskraft der Mitarbeitenden des Inneren gestärkt. Das Polizeipräsidium Offenburg vermittelt seit März 2022 im Rahmen von zweitägigen Achtsamkeitstrainings neben Gesundheitswissen auch Techniken zur Entspannung und Stressbewältigung. Das Grundseminar Achtsamkeit richtet sich an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

zu fördern, deren Wohlbefinden zu steigern und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Gleichzeitig können verbesserte Arbeitsbeziehungen geschaffen und eine Reduktion der Fehlzeiten und der Krankheitsquote erzielt werden. Jedoch: Allein mit Achtsamkeit sind die Herausforderungen der Zukunft und die professionelle Begleitung der Organisation im laufenden Transformationsprozess nicht zu meistern. Es bedarf auch einer klaren und von den Mitarbeitenden getragenen Führungs- und Wertekultur. Meine persönliche Überzeugung ist es, dass Achtsamkeit in den kommenden Jahrzehnten eine ständige Begleiterin auf unserem Weg sein wird und wir sie als Teil unserer Wertekultur leben müssen.

Mehr zum Thema Reinhard Renter spricht auch auf der Behörden SpiegelVeranstaltung “Zukunft Personalentwicklung 2022”. Diese findet am 13. und 14. September in Bonn statt. Weitere Informationen unter www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchbegriff: Zukunft Führung

POLIZEITAGE2022 POLIZEITAGE GEWALT GEGEN POLIZEIBESCHÄFTIGTE 24. August 2022 | Radisson Blu Conference Hotel, Düsseldorf

www.polizeitage.de Eine Veranstaltung des

und der


Innere Sicherheit / Cyber Crime

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Auf Polizeiservern?

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wei Erwägungen stehen im Vordergrund. Einerseits soll das Campus-Management-System (CMS) den Studentinnen und Studenten ebenso wie den Lehrkräften das Leben einfacher machen. Andererseits gilt es, die Daten sicher zu verwahren. Diese Überlegungen drängen die Hochschule in einen Abwägungsprozess. Wo sollen die Daten gespeichert werden und wie kann ein niedrigschwelliger Zugriff für alle Hochschulangehörigen ermöglicht werden?

Zwei Möglichkeiten Die Hochschule könnte ihre Applikationen von der Polizei hosten lassen. Aber dann würde sie sich ein Problem schaffen. Für den Zugang ins Polizeinetz oder auf polizeiliche Server gelten strenge Sicherheitsanforderungen. Unter normalen Umständen kann man sich nur über Kopfstellen und durch den Dienstherrn bereitgestellte Geräte einloggen. Doch für Studierende und Auszubildende

Behörden Spiegel / August 2022

Deutschland, deine Polizeihochschulen – und ihre Online-Services (BS/bhi) Die Hochschule der Sächsischen Polizei will ein umfassendes Campus-Management-System aufbauen. Bücher ausleihen, Kurse anmelden und Lehrmaterial einsehen – all das sollen die Anwärterinnen und Anwärter künftig in einem einzigen System machen. Doch damit steht die Hochschule vor einer Richtungsentscheidung: Soll ein externer Dienstleister das System hosten oder die Landespolizei selbst? der Hochschule stehen im Moment keine dienstlichen Rechner oder Mobilgeräte als Mannausstattung zur Verfügung. Dafür müsste die Landespolizei rund 1.500 Endgeräte für die Anwärterinnen und Anwärter bereitstellen. Bei der Anschaffung von Dienstlaptops bedürfe es einer eingehenden Prüfung, um das Polizeinetz vor Missbrauch zu schützen, heißt es seitens der Hochschule. Alternativ müsste ein eigenes Hochschulnetz mit speziell abgesicherten Cloud-Diensten für ein Campusmanagementsystem aufgebaut werden. Betreiber wäre ein externer Dienstleister. Auf

dieses Hochschulnetz könnten die Studierenden mit ihren privaten Endgeräten zugreifen. Beide Varianten sind laut der Hochschule eine finanzielle und personelle Herausforderung. Derzeit würden die Optionen durch den IT-Dienstleister der Sächsischen Polizei und das Sächsische Staatsministerium des Innern (SMI) geprüft, bestätigte das SMI.

Rein in die Polizeiwelt Die meisten Polizeihochschulen handhaben es nicht so kompliziert. Einige betreiben eigene Hochschulserver. Zum Beispiel die Fachhochschule für öffent-

liche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes Mecklenburg-Vorpommern (FHÖVP), die Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen, die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin und die Akademie der Polizei Hamburg. Aus Letzterer heißt es sogar: “Um die Freiheit von Forschung und Lehre zu gewährleisten, wird auf eine eigene IT-Infrastruktur gesetzt.” Eigene Server sind für die meisten Polizeihochschulen jedoch weniger eine Frage der Freiheit als des Geldes. Viele hosten ihre Services bei den IT-Dienstleistern des jeweiligen Landes. In Nord-

rhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz läuft es so. Thüringen geht einen Sonderweg. Die Thüringer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung nutzt eine Lernplattform der Bundesarbeitsgemeinschaft digitale Lehre an den Hochschulen. Tatsächlich müssen alle Polizeianwärterinnen und -anwärter im Laufe des Studiums ins Polizeinetz. Zum Beispiel sehen die Studenten an der Hochschule der Polizei in Rheinland-Pfalz auch ihre Noten im Polizeinetz ein und beantragen dort Urlaubstage. Aber vor allem müssen die Studenten an allen Polizeihochschulen

den Umgang mit dem Polizeinetz lernen. Wie rufe ich Informationen in den polizeilichen Registern ab oder kommuniziere mit anderen Dienststellen etc.? Dafür stehen an den meisten Hochschulen eigene PCs zur Verfügung. In der Regel in speziellen Räumen, zu denen die Studierenden nur Zutritt erhalten, wenn sie sich per Dienstausweis identifizieren. Außerdem müssen sie sich mit ihrem dienstlichen Account einloggen.

Niedersachsen schon weiter Die Polizeiakademie Niedersachsen ist schon einen Schritt weiter. Mit der nächsten Generation des niedersächsischen PolizeiClients (Rollout 2023–2024) sei geplant, den Studierenden schon während des Studiums ein persönlich zugewiesenes Endgerät mit Zugang zum Polizeinetz zur Verfügung zu stellen, heißt es von dort. Dann würde der Austausch im Studium ausschließlich im Netz der Polizei stattfinden.

BMI-Bemühungen im Kampf gegen Cyber Crime

Die leidige örtliche Zuständigkeit

Cyber-Sicherheitsagenda gibt Richtung vor

Wir müssen die Polizei täterorientiert organisieren

(BS/Andreas Könen) Cyber Crime weist seit Jahren kontinuierlich wachsende Fall- und Schadenszahlen auf und nimmt einen immer größeren Anteil an der Gesamtzahl der Straftaten ein. Während bei der Gesamtzahl der in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Straftaten im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr ein einstelliger Rückgang verzeichnet wurde, ist bei den Cyber-Straftaten mit einem Anstieg von gut zwölf Prozent ein stark gegenläufiger Trend auszumachen. Die Kriminalität verlagert sich zunehmend in den digitalen Raum. Das Dunkelfeld des Cyber Crime ist groß, viele Straftaten gelangen nicht zur Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden. Gleichzeitig können viele Straftaten nicht aufgeklärt werden. Diese Entwicklung hat vielfältige Ursachen: die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft, die verstärkte Anonymisierung im Netz und die komplexe Ermittlung und Attribuierung von vielfach im Ausland befindlichen Tätern. Sie stellen eine besondere Herausforderung für alle mit Cyber Crime befassten Dienststellen dar. 2021 war geprägt von Angriffen auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS), die öffentliche Verwaltung oder internationale Lieferketten. Neben monetären Schäden beeinträchtigen derartige Angriffe auch die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens. Bei einem Cyber Crime-Vorfall ist darum ein entschlossenes und schnelles Handeln erforderlich. Die Zentralen Ansprechstellen Cybercrime (ZAC) der Polizeien der Länder und des Bundes stehen für die Wirtschaft dabei als kompetenter und vertrauensvoller Partner zur Verfügung. Das gilt sowohl für Informationen zur Prävention von Cyber Crime-Angriffen als auch im Falle von Cyber Crime-Straftaten gegen Unternehmen. Die Bekämpfung von Cyber Crime ist eine wesentliche Aufgabe im Bundeskriminalamt (BKA). Dazu hat das BKA im April 2020 eine neue Abteilung eingerichtet. Die Abteilung “Cybercrime” gestaltet im Verbund mit den Polizeien des Bundes und der Länder sowie den weiteren nationalen und internationalen Partnern die Bekämpfung von Cyber Crime und ist wesentlicher Bestandteil der Cyber-Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Die Quick Reaction Force kann als 24/7-Einheit erste unaufschiebbare strafprozessuale Maßnahmen bei Cyber-Angriffen auf KRITIS oder Bundeseinrichtungen einleiten. Im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum tauschen sich Bundes- und seit April 2021 auch Landesbehörden aus, um eine gemeinsame und umfassende Bewertung aller Bedrohungen und Vorfälle zu gewährleisten. Die Koordination von Maßnahmen im Zusammenhang mit konkreten Vorfällen erfolgt ebenfalls über das Cyber-Abwehrzentrum. Von allen aktuellen Modi Operandi im Phänomenbereich Cyber Crime besitzt Ransomware das höchste Schadenspotenzial. Das spürte auch die Bevölkerung in den

(BS/ Henrik Hohenlohe) Die sächsische Polizei hat – wie andere Länder auch – einen strategischen Schwerpunkt in die Bekämpfung von Cyber Crime gesetzt. Organisatorisch offenkundig wurde das im Jahr 2014, als das "Cybercrime Competence Center Sachsen" (SN4C) im Landeskriminalamt gebildet wurde, in dem Cyber Crime-Ermittlungen, IT-Forensik, IT-Auswerteunterstützung und Telekommunikationsüberwachung unter eine gemeinsame Führung gestellt wurden. Zusätzlich wurden die Ermittlungsbereiche Cyber Crime und die IT-Forensik-Bereiche in den fünf sächsischen Kriminalpolizeiinspektionen neu ausgerichtet. Diese EntscheiMit geeigneten rechtlichen In- dung war damals folgerichtig und sie trägt bis heute.

Andreas Könen ist Abteilungsleiter CI “Cyber- und IT-Sicherheit” im Bundesministerium des Innern und für Heimat. Foto: BS/BMI

USA durch die Einschränkung der Versorgung mit Fleischwaren und Benzin. In der Folge haben die USA auf Initiative von Präsident Joe Biden die sogenannte “Counter-Ransomware Initiative” eingerichtet. Neben weiteren rund 30 Staaten engagiert sich auch Deutschland aktiv an der Initiative. Das Ziel ist eine bessere und koordinierte internationale Zusammenarbeit in diesem Phänomenbereich.

strumenten, technischer Expertise und enger Kooperation mit Dienststellen im In- und Ausland gelingen immer wieder auch große Erfolge im Kampf gegen Cyber Crime. Es gilt, an diesen Grundlagen stets weiterzuarbeiten, die Täterstrukturen und Modi Operandi aufzuklären und die Täter der Strafbarkeit zuzuführen. Der Kampf gegen Cyber Crime ist dem BMI sehr wichtig. Die Mitte Juli durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgestellte Cyber-Sicherheitsagenda des BMI umfasst alle Maßnahmen aus dem Zuständigkeitsbereich des BMI, die jetzt erforderlich sind, um die Cyber-Sicherheit zu verstärken. Die Bekämpfung von Cyber Crime ist auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Jede Bürgerin, jeder Bürger, jede Organisation kann mit einfachen Abwehr- und Vorsorgemaßnahmen dazu beitragen, den Tätern weniger Angriffsfläche zu bieten und den digitalen Raum sicherer zu gestalten. Informieren Sie auch die Behörden über Cyber-Vorfälle, das verkleinert das Dunkelfeld und hilft, neue Bekämpfungsstrategien zu entwickeln.

Gesetzeslücke geschlossen In Deutschland wurde zudem in der vergangenen Legislaturperiode durch die Einführung des neuen Straftatbestands "Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet" (Paragraf 127 Strafgesetzbuch) eine relevante Gesetzeslücke insbesondere im Bereich der Darknet-Kriminalität geschlossen. Strafbar mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe ist nunmehr der Betrieb von Plattformen, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung bestimmter Straftaten zu ermöglichen oder zu fördern. Der Betrieb von kriminellen Handelsplattformen im Internet, der die Begehung zahlreicher, auch schwerer Straftaten überhaupt erst ermöglicht, war nach alter Rechtslage allenfalls als Beihilfe strafbar. Dies wurde dem tatsächlich verwirklichten Unrecht nicht gerecht. Auf Grundlage der neuen Strafnorm können Ermittler nun gezielt gegen die Betreiber der Plattformen selbst vorgehen. Im April dieses Jahres hat das BKA dazu ein Ermittlungsverfahren gegen einen der weltweit größten und umsatzstärksten illegalen Darknet-Marktplätze “Hydra Market” erfolgreich abgeschlossen und die Plattform vom Netz genommen.

Mehr zum Thema Was ist Cyber Crime eigentlich? Welche Trends zeichnen sich ab? Das BKA erteilt Auskunft:

Welchen Systemen kann ich eigentlich vertrauen? Als hersteller­unabhängige und kompetente technische Stelle unterstützt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Risikobewertung von Technologien, Produkten, Dienstleistungen und Medienangeboten. Weitere Informationen:

Trotz dieser logischen Entwicklung bleibt eine Landespolizei aufgrund ihrer örtlichen Zuständigkeitsregelungen “organisatorisch zerklüftet”. Man stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die klassische Polizeiorganisation dem Phänomenbereich Cyber Crime, bei dem es regelmäßig zur Begehung von Straftaten mit inländischem Erfolgsort und mutmaßlicher Täterschaft im Ausland kommt, gerecht wird. Ermittlungsverfahren von Geschädigten gleicher Täter befinden sich regelmäßig gleichzeitig in der Bearbeitung mehrerer Polizeidienststellen.

Wer ist zuständig? Bei Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ist grundsätzlich zunächst die Dienststelle örtlich und sachlich zuständig, in deren Dienstbezirk der tatbestandliche Erfolg eingetreten ist. Bei Straftaten einer unbekannten Tätergruppierung, deren Taten sich gegen eine Vielzahl von Geschädigten an unterschiedlichen Orten richten, werden somit in aller Regel Ermittlungsverfahren in mehreren – oftmals allen – Polizeidirektionen eingeleitet. Diese tradierten Regelungen treffen dann auf Phänomene wie beispielsweise Callcenter-Betrug mit seinen unterschiedlichen Modi Operandi, Cyber Trading, Betrug mittels Fakeshops, Ransomware, DDoS-Angriffe oder Phishing. Es gibt dabei nicht das “Görlitzer”, “Dresdner” oder “sächsische” Cyber Crime. Bereits bei den ersten polizeilichen Maßnahmen und insbesondere bei den folgenden Ermittlungen muss auf mögliche gleichgelagerte Fälle auch in anderen Zuständigkeitsbereichen geachtet werden. Sich überschneidende Erkenntnisse müssen Zuordnung zu einem Täter bzw. einer Tätergruppierung finden. Innerhalb einer Landespolizei ist ein Erkenntnisaustausch prinzipiell möglich, aber nicht immer leicht. Bundesweit ist durch den Polizeilichen Informations- und Analyseverbund (PIAV) ebenfalls ein Instrument gegeben, das den dienststellenübergreifenden Austausch von Informationen ermöglicht. Doch selbst bei erfolgtem Erkenntnisaustausch entsteht ein hoher Koordinations- und damit Zeitaufwand

bei den beteiligten Dienststellen, um zum einen Spuren vergleichen zu können und zum anderen Ermittlungsschritte abzustimmen. Mit steigender Anzahl involvierter, dezentral ermittelnder Dienststellen wird diese Koordination zunehmend komplexer. Erkenntnisdefizite und Informationsverluste sind die Folge.

Offenkundige Nachteile Die Nachteile liegen auf der Hand: häufige Mehrfachermittlungen, erhöhter Verbrauch von Personal-/Zeit-/Finanzressourcen, ungenügende Berücksichtigung von Spuren und Ermittlungsergebnissen aus gleichgelagerten Verfahren, mangelnder Nachweis von Banden-, ggf. auch OK-Strukturen, dadurch Einschränkung strafprozessualer Möglichkeiten, keine Verfolgung oberer Täterhierarchien, niedrige Aufklärungsquote, keine abschreckende Wirkung gegenüber Tätern und Demotivation der Mitarbeiter.

Aber wie geht eine polizeiliche Organisation damit um? Ein Antwortversuch auf diese Frage geht in der Regel mit einem “Zentralisierungsreflex” einher, der zunächst nachvollziehbar ist. Zentrale Einheiten scheinen die Lösung zu sein. Doch wird das wohl bei der ständig steigenden Zahl der zu führenden Ermittlungsverfahren auf Dauer nicht durchzuhalten sein.

Täterorientierter Ansatz Grundsätzlich ist ein täter­ orientierter Verfolgungsansatz erforderlich, um eine Bündelung und Vertiefung der Ermittlungen effizient zu gestalten. Selbstverständlich ist diese Problematik seit Längerem Gegenstand landesinterner sowie bundesweiter Betrachtungen. Zu den bereits bekannten bzw. erprobten Lösungsansätzen gehören justizielle Sammelverfahren, zentrale Ermittlungen, gemeinsame Ermittlungsgruppen, Steuerung und Koordination durch einen Single Point of Contact und die Festlegung der Zuständigkeit für ein Sammelverfahren durch das Prinzip “erste Anzeige”. All diese Lösungsansätze haben ihre Vor- und Nachteile und sind oft vom Engagement

einzelner Dienststellen, dem Willen der Staatsanwaltschaften oder dem Vorhandensein entsprechender Ressourcen abhängig. Dennoch gibt es neben dem Aufbau von zentralen Einheiten vielfältige Möglichkeiten und Potenzial mit bereits vorhandenen Ressourcen die Strafverfolgung von Cyber Crime deutlich zu effektivieren. Neben dem Lösen des förmlichen Zuständigkeitsproblems

Kriminaldirektor Henrik Hohenlohe leitet das Cybercrime Competence Center Sachsen (SN4C) beim sächsischen Landeskriminalamt. Foto: BS/LKA Sachsen

stehen dabei Themen wie eine einheitliche IT-Infrastruktur für den Umgang mit digitalen Spuren oder eine qualitativ hochwertige Auswertung durch den Einsatz effizienter Tools auf dem Programm. Zumindest einiges davon wird nicht nur landesintern, sondern auch bundesweit zu lösen sein. Mein Fazit ist: der Megatrend Cyber Crime in all seinen unterschiedlichen Facetten verändert die kriminalpolizeiliche Arbeit nachhaltig. Für die Weiterentwicklung einer Landespolizei werden zur Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen täterorientierte Organisationsformen der polizeilichen Ermittlung weiterzuentwickeln sein. Zwangsläufig sind tradierte, auf Dienstbezirke bezogene Zuständigkeitsregelungen infrage zu stellen. Festzustellen ist aber auch, dass die Bedeutung gut ausgeprägter zentraler Organisationseinheiten, die auf dezentrale Ermittlungskomponenten "in der Fläche" und damit auf ein Gesamtsystem zurückgreifen können, zukünftig weiter zunehmen wird.


Behörden Spiegel / August 2022

Probleme mit alten Mobiltelefonen Das Problem liege aber weniger auf der Seite der Sender, sondern auf der Seite der Empfänger. Die Autoren des Beitrages, Yves Ferrand und Johannes Rundfeldt, schreiben von einem “gravierenden Problem in der Umsetzung”. Die Richtlinie definiere verschiedene vierstellige Message Iden-

(BS/bk) Das Thema Warnung der Bevölkerung ist seit dem ersten Warntag 2020 und dann noch mal nach der Flutkatastrophe 2021 ein stetes Sorgenkind. Zuerst funktionierte das Auslösen der Warninfrastruktur 2020 nicht flächendeckend, da die Server überlastet waren. Dann wurde 2021 Wirkbetrieb ab Februar 2023 überhaupt nicht gewarnt. Jetzt sucht man sein Heil im Aufbau der Sireneninfrastruktur und in Cell Broadcast. Doch es könnte sein, dass gerade der Der Warnkanal Cell Broadcast neue Warnkanal nicht die erhoffte Wirkung zeigt. werde nach dem Ende der Testtifier (ID) bzw. Kanalnummern, die für öffentliche Warnungen vorgesehen sind. Damit würden 16 Nachrichten-Typen festgelegt, die sich je nach Alarmart, -reichweite und -sprache unterscheiden würden. Diese vierstelligen IDs seien jedoch in den allermeisten älteren Mobiltelefonen gar nicht

vorgesehen, schreiben die AG KRITIS-Experten. Sie gehen davon aus, dass DE-Alert, so der Name des Cell Broadcast-Warnkanals, nur zuverlässig bei Smartphones mit Google-Android ab Version 11 und mit Apple-Endgeräten ab iOS 16 funktioniere. Bei älteren Android-Geräten könne man zwar die DE-Alert manuell einstellen, dafür müsse man aber ein erfahrener Nutzer sein. “DEAlert funktioniert definitiv nicht bei älteren Mobiltelefonen, die

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risen sind allgegenwärtig – dies ist keine neue Entwicklung. Mit der Corona-Pandemie und der Rückkehr des bewaffneten Konflikts auf den europäischen Kontinent wurden die Gesellschaft und auch das DRK vor Herausforderungen von beispiellosem Ausmaß gestellt. Zu den ersten Erkenntnissen gehörte, dass für die Bewältigung dieser neuen Herausforderungen ein 360°-Grad-Blick erforderlich ist, um tatsächlich ein vollständiges Lagebild zu erhalten und umfassend handeln zu können. In der Sicherheitsarchitektur der Welt führen Verunsicherung und Spannungen im Welthandel, Verschiebungen im politischen Gefüge und die Entwicklung von neuen politischen Playern auf der Weltbühne zu Strukturveränderungen. Als Drehscheibe Europas wird sich Deutschland diesen Herausforderungen stellen müssen. Demografische Veränderungen, Pandemien, Massenanfälle von Verletzten und Erkrankten (MANV) und großflächige Betreuungslagen fordern das Hilfeleistungssystem in Deutschland von der Ortsebene bis hin zur Bundesebene. Überall gilt es Hindernisse, zur Realisierung einer (sektoren-) übergreifenden Versorgung zu überwinden. Arbeitsteilige Prozesse gilt es aus der Perspektive der Menschen neu auszurichten. Leistungsstrukturen müssen für das DRK immer gleichzeitig an den Determinanten “medizinische Leistung”, “Wirtschaftlichkeit” und “Idealauftrag” ausgerichtet sein.

Bevölkerungsschutz für zukünftige Krisen stärken Der Bevölkerungsschutz steht – auch das ist inzwischen in den Köpfen angekommen – vor gewaltigen Herausforderungen,

desministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), der BNetzA und mit den in Deutschland tätigen Mobilfunkanbietern sowie den Software- und Endgeräteherstellern eng zusammen.

Cell Broadcast als Lösung?

Sprecher der AG KRITIS befürchten, dass Cell Broadcast bei Android-Geräten u. a. erst ab Version 11 zuverlässig funktioniert. Ältere Geräte könnten das Nachsehen haben. Foto: BS/iXimus, pixabay.com

braucht es, damit die Mobilfunknetzanbieter den Warnkanal auch einführen können.

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Sorgenkind Warnung

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n einem Blogbeitrag der AG KRITIS, einer unabhängigen Arbeitsgruppe, die sich der ITSicherheit und dem Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) verschrieben hat, weisen zwei Sprecher der Gruppe auf ein mögliches Problem hin. Es könnte sein, dass nicht alle Mobiltelefone technisch in der Lage seien, eine Warnmeldung zu erhalten. Hintergrund ist folgender: Im Februar dieses Jahres hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) die “Technische Richtlinie DE-Alert (TR DE-Alert)” veröffentlicht. Diese regelt die technischen Einzelheiten, damit zukünftig die Mobilfunknetze zur Warnung der Bevölkerung eingesetzt werden können. Diese Maßnahmen

Katastrophenschutz

nur dreistellige Message Identifier unterstützen, wie ältere Nokia oder Ericsson”, so die Autoren. Stand heute seien nur weniger als die Hälfte aller Smartphones und Mobiltelefone in Deutschland technisch in der Lage, Warnungen des DE-Alert-Systems zu empfangen. Die BNetzA teilt mit, dass man mit bei der Richtlinie dem internationalen Standard gefolgt sei. Eine dreistellige ID sei zwar diskutiert, aber von Seiten des Bedarfsträgers insbesondere mit Blick auf die damit verbundenen systemischen und funkzellenindividuellen Kapazitätsreduktionen als zu unvorteilhaft eingeschätzt worden. Diese Entscheidung werde jetzt überprüft. Als Folge fordern die AG KRITISSprecher, die Richtlinie auch auf dreistellige Message Identifier zu erweitern, die Möglichkeit einer Testumgebung, in der zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt werden, und Anleitungen zur Einstellung von DE-Alert bei älteren Endgeräten.

Zweite Auflage des Warntages Auf Anfrage des Behörden Spiegel antwortete das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK): “Die Rolle des BBK ist es, Warnmeldungen aus dem Modularen Warnsystem über die in seinem Verantwortungsbereich liegende Schnittstelle (CBE) an die zentralen Sendesysteme (CBC) der Netzbetreiber zu übergeben. Alle weiteren technischen Aspekte des Warnkanals Cell Broadcast lie-

gen nicht im Einflussbereich des BBK.” Verantwortlich sei hierbei die BNetzA. Vonseiten der BNetzA heißt es auf Anfrage: "Die Bundesnetzagentur verfügt über keine eigenen Informationen zum Anteil der Endgeräte, die technisch in der Lage sein werden Cell-BroadcastWarnmeldungen zu empfangen." Die Agentur teile jedoch die Einschätzung, dass ein großer Teil älterer Endgeräte nicht in der Lage sein werde, diese Warnmeldungen zu empfangen. Deshalb

prüfe die BNetzA eine ergänzende geringfügige Anpassung der technischen Vorgabe. Ggf. werde die TR DE-Alert überarbeitet. Weiter heißt es vom BBK, dass die Implementierung des neuen Warnkanals in vollem Gange sei. Mit dem bundesweiten Warntag am 8. Dezember 2022 solle in Deutschland eine intensive operative Testphase des neuen Kanals beginnen. Das Bundesamt arbeite hierzu mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), dem Bun-

phase Ende Februar 2023 für die warnenden Stellen im Modularen Warnsystem des Bundes (MoWaS) freigeschaltet, heißt es vonseiten des . Damit der Wirkbetrieb rechtzeitig aufgenommen werden könne, würden die beteiligten Akteure die notwendigen Anwendungen sowie technischen Einrichtungen für den Einsatz von Cell Broadcast als Warnmittel sukzessive ausbauen. Gleichzeitig würden für den Empfang der Nachrichten ggfs. erforderliche Updates der Smartphone-Betriebssysteme vorgenommen.

Digitaler Katastrophenschutzkongress ATE THE D E V A S 2022 Der Weg zur resilienten Gesellschaft

14. und 15. November 2022 www.katastrophenschutzkongress.de

Bevölkerungsschutz 360° Das DRK im Einsatz (BS/Björn Stahlhut*) Unter dem Motto “Bevölkerungsschutz 360° – Hilfe, Hoffnung, Handeln. Das DRK im Einsatz” stand der diesjährige Messeauftritt des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Rahmen der Interschutz in Hannover.

reichen, wie der Ersten Hilfe und der Pflege von Hilfebedürftigen, gestärkt werden. Ziel muss es sein, mindestens zwei Prozent der Bevölkerung im Laufe der Legislaturperiode für solche Krisenlagen auszubilden und zu qualifizieren.

Aufwachsende Betreuungslagen

DRK-Generalsekretär Christian Reuter informierte sich auf der Interschutz in Hannover. Foto: BS/Christian Wyrwa, DRK

Auf seinem Messestand präsentierte das DRK technische Lösungen wie Drohnen.

beispielsweise durch Extremwettereignisse, neue pandemische Szenarien, asymmetrische Bedrohungslagen oder CyberGefahren. Die derzeit im Haushalt des Bundesinnenministeriums vorgesehenen 700 Millionen Euro im Jahr reichen da nicht aus, um auf nationaler Ebene einen nachhaltigen und umfassenden Bevölkerungsschutz sicherzustellen. Für eine zukunftsgerechte Vorsorge, Vorhaltung, Infrastruktur und Ehrenamtsunterstützung ist eine dauerhafte Verstetigung der jährlichen Bundesmittel auf mindestens zwei Milliarden Euro jährlich (0,5 Prozent des Bundeshaushaltes – derzeit: 0,14 Prozent) notwendig.

Personaleinsatz, besonders in gefährlichen Situationen, so gering wie möglich zu halten. Moderne Drohnentechnik unterstützt bei der Lageerkundung, bei Personensuchen und beim Ausleuchten von Einsatzorten. Die moderne Technik hilft den Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen dabei, Einsätze effektiv zu leiten, Kräfte zielgerichtet zu koordinieren und, wo immer erforderlich, die notwendigen Dokumentationspflichten zu erledigen. Das alles ist erforderlich, aber eben nicht zum Nulltarif zu bekommen.

Der Rettungsdienst und der erweiterte Rettungsdienst Auch in der operativen Leistungserbringung sind die Mit-

arbeitenden und Ehrenamtlichen des DRK und der anderen Hilfsorganisationen zunehmend mit komplexen Einsatzlagen konfrontiert. Da gibt es keinen Unterschied zu den Kräften und Helfenden der Feuerwehren oder des Technischen Hilfswerks (THW). Auch sie müssen trainiert sein für Schadensereignisse, die nicht alltäglich sind, wie etwa eine Explosion in einem U-Bahn-Schacht. Damit dennoch jeder Handgriff sitzt und jeder Versorgungsschritt geübt ist, wird das Praxistraining mit Virtual Reality so ergänzt, dass sogenannte MANV-Notfälle ohne großen Aufwand, unbegrenzt oft und identisch geübt werden können. Der Rettungsdienst und der erweiterte Rettungsdienst nutzen also modernste Technik, um schnell, flexibel und autark zu sein und den erforderlichen

Foto: BS/Isabell Massel, DRK

Das Ehrenamt Die Systeme Rettungsdienst und Zivil- und Katastrophenschutz bilden – im Sinne eines sozialraumnahen Bevölkerungsschutzes – Bestandteile eines integrierten Notfallvorsorge- und Hilfeleistungssystems, das ins-

gesamt auf die Beteiligung Ehrenamtlicher angewiesen bzw. ausgelegt ist. Die Schaffung von ehrenamtsfreundlichen Rahmenbedingungen, u. a. durch die Erreichung einer Helfergleichstellung, ist dabei die erste Maxime.

Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung Unerwartete Ereignisse, Störungen des Alltages bis hin zu Krisen und Katastrophen stellen heutige Gesellschaften schnell vor große Herausforderungen. In akuten Krisensituationen muss die Zivilbevölkerung deshalb handlungsfähig sein, um sich auch selbst zu schützen. Außerdem besteht die Notwendigkeit einer Reserve an einsatzfähigen, geschulten Unterstützungskräften aus der Bevölkerung. Die Selbstschutzfähigkeit der Bevölkerung in Krisenlagen muss vor diesem Hintergrund in besonderen Be-

Die Implementierung der Betreuungsreserve des Bundes für den Zivilschutz leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes in Deutschland. Das Hochwasser im Sommer 2021, die Bewältigung der Corona-Pandemie sowie die Flüchtlingsbewegungen im Zuge des Ukraine-Krieges zeigen, dass wir dringend solche Reserven benötigen. Im Rahmen potenzieller Einsätze des “Labor Betreuung 5.000” kann die breite Handlungsfähigkeit des Mobilen Betreuungsmoduls über die Kernfähigkeiten der Betreuung, nämlich Unterkunft, Schlafmöglichkeiten und Erstversorgung mit Betreuungsmaterial, Gesundheit, WASH (Water, Sanitation and Hygiene), Stromerzeugung und Verpflegung sichergestellt werden. Das Material ist so ausgelegt und zusammengestellt, dass es flexibel eingesetzt werden kann. Diese Flexibilität macht es zudem möglich, zeitnah Lücken in einzelnen Teilbereichen zu schließen. Die Botschaft aus Hannover lautet: Alle Akteure im Bevölkerungsschutz sind nun gemeinsam gefordert, Ideen in Maßnahmen umzusetzen, um die Gesellschaft resilienter gegenüber Katastrophen und lang anhaltenden Krisen werden zu lassen. *Björn Stahlhut ist Teamleiter im Bereich Nationale Hilfsgesellschaft des DRK-Generalsekretariats.


Verteidigung

Behörden Spiegel / August 2022

Probleme bei der Waffenlieferung

PR Army der Ukraine

Seite 40

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eutschland liefert schweres Kriegsgerät an die Ukraine, unter anderem nach aktuellem Stand fünf Flakpanzer Gepard. Mit dabei Kryptografie zur sogenannten Freund-Feind-Kennung, die in den Geparden integriert ist, um beispielsweise Flugzeuge sicher zuordnen zu können.

Identifizierung in der Luftverteidigung Das anfliegende System wird dabei vom Gepard per Radarstrahl “angefragt”, ob es sich um ein eigenes bzw. befreundetes Flugzeug (oder Hubschrauber) handelt. Die automatisch zurückgesendete Antwort erfasst das System dann als Freund, das Flugzeug wird entsprechend gekennzeichnet. Modernere Zielsysteme in Luftverteidigungsanlagen verhindern bei einer Freund-Kennung sogar einen Angriff. Die Kryptografie mit dem Schlüsselaustausch zwischen den Systemen ist die Grundlage der Freund-Feind-Kennung – und für den Gegner von höchstem Interesse. Schließlich könnte auch Russland diese Schlüssel gut

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ehörden Spiegel: Sie waren eine der Analystinnen des “OSCE Moscow Mechanism Report”. Wie war die Expertenmission aufgebaut?

Sancin: Die Delegationen von 45 OSZE-Teilnehmerstaaten riefen nach Konsultationen mit der Ukraine am 2. Juni 2022 den Moskauer Mechanismus der OSZE gemäß Absatz 8 des Moskauer Dokuments auf, um “die Ergebnisse des Berichts über den Moskauer Mechanismus, den die OSZE-Teilnehmerstaaten am 12. April 2022 erhalten haben, zu prüfen, weiterzuverfolgen und darauf aufzubauen”. Im Einklang mit dem Dokument wählte die Ukraine daraufhin drei Personen – Veronika Bílková (Tschechische Republik), Laura Guercio (Italien) und mich (Slowenien) aus der Liste von Sachverständigen aus, um an einer Expertenmission teilzunehmen, die am 7. Juni 2022 offiziell eingerichtet wurde. Dies war die zweite Mission, die im Rahmen des Moskauer Mechanismus zur Untersuchung mutmaßlicher Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht – International Humanitarian Law (IHL) – und das internationale Menschenrecht – International Human Rights Law (IHRL) – im Hoheitsgebiet der Ukraine eingesetzt wurde. Das erste Gremium wurde am 15. März 2022 eingerichtet und legte seinen Bericht am 5. April 2022 vor, dieser deckte den Zeitraum vom 24. Februar bis zum 1. April 2022 ab. Der zweite Bericht bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. April bis zum 25. Juni 2022, wobei gelegentlich auch Verstöße berücksichtigt werden, die vor dem 1. April 2022 stattfanden, aber nicht in den ersten Bericht eingingen, weil die Informationen darüber erst nach diesem Datum verfügbar waren. Die Expertenmission hatte drei Wochen Zeit, um eine Bestandsaufnahme durchzuführen, den Bericht zu verfassen und ihn vorzulegen. In dieser Zeit haben wir Dokumente analysiert, Recherchen, Interviews und Feldbeobachtungen durchgeführt und somit mehrere Untersuchungsmethoden zur Tatsachenfeststellung angewandt, die sich auf verschiedene Informations- und Beweisquellen stützten. Behörden Spiegel: Waren Sie schon einmal an ähnlichen Missionen beteiligt? Sancin: Dies war meine erste Mission im Rahmen des Moskauer Mechanismus der OSZE, aber ich arbeite schon seit zwei

Deutsche Kryptografie erfordert deutsche Schlüssel (BS/df, rup) Die Kryptografie sowie entsprechende Systeme gehören zum Geheimsten, was eine Nation im militärischen Bereich besitzt. Der Schutz der Verfahren, Methoden und Schlüssel liegt demnach im ureigensten Interesse jeder Streitkraft und jedes militärischen Bündnisses. Und genau dies wird bei den aktuellen Lieferungen an die Ukraine zum Problem. gebrauchen, damit die Verteidigungssysteme des Gegners keine Bedrohung mehr darstellen. Um zu verhindern, dass ein Gegner mittels Spionage die authentifizierende Formel dekodiert, werden die Schlüssel – als einfache Steckelemente – regelmäßig ausgewechselt. Die Bundeswehr bzw. NATO wechselt sie im Einsatz jeden Tag.

Deutsches Sicherheitsinteresse Nun sind allerdings die Geparden in die Ukraine gegangen. Die Freund-Feind-Kennung ließ sich in der Kürze der Zeit nicht – wie sonst üblich – gegen eine nationale Lösung des Empfängerstaates austauschen. Die Systeme gingen also mit deutscher Kryptografie in die Ukraine. Daraus ergeben

Die im Gepard mitgelieferte Kryptografie stellt die deutschen Sicherheitsbehörden vor Probleme. Foto: BS/Bundeswehr, Michael Mandt

sich mehrere Probleme, da diese Schlüssel zum Geheim-Komplex gehören und dementsprechend

schützenswert sind – schließlich verschafft diese Technologie, sollte der Gegner in der Lage sein,

sie sich anzueignen, deutliche Vorteile. Die Schlüssel werden deshalb normalerweise nur mit entsprechenden Sicherheitskräften transportiert. Für diesen Spagat zwischen deutschem Geheim und ukrainischem Krieg, bei dem sich unter den schnell ausgebildeten ukrainischen Soldaten sicherlich auch der eine oder andere Kollaborateur befindet, gibt es im Grunde nur drei Lösungen: 1. Deutschland liefert sehr viele Kryptostecker, damit die Ukra­ ine diese in angemessenen Zeitabständen austauschen kann. 2. Die Schlüssel werden regelmäßig geliefert, hierfür müssten allerdings bewaffnete deutsche Soldaten oder Spezialeinheiten mit bis zur Übergabe.

(BS) Wenn ein Land von einer überwältigenden Militärmacht wie Russland angegriffen wird, hat es nur eine Chance, zu überleben: Es muss die Unterstützung anderer Nationen gewinnen. Um dies zu erreichen, ist die Information über die Verbrechen und das Leid, das die Angreifer über das eigene Land bringen, von essenzieller Bedeutung. Der Behörden Spiegel sprach in seinem Podcast Voices in Defence mit Valentina Sarzhevska, PR Communications Manager bei Favbet und Teil der PR Army der Ukraine.

3. Von der NATO-zertifizierte Sicherheitsunternehmen werden mit der wiederholten Lieferung der Schlüssel beauftragt. Nach Informationen des Behörden Spiegel wurde eine Lösung für dieses Problem bisher noch nicht gefunden, die Lieferungen gehen aber weiter.

Verbrechen gegen das Menschenrecht

erfüllen und dass jede einzelne Gewalttat dieser Art, die im Rahmen eines solchen Angriffs OSZE-Expertinnen ermitteln zum Ukraine-Krieg und in Kenntnis dieses Angriffs begangen wird, ein Verbrechen (BS) Im Juli veröffentlichte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den zweiten “OSCE Moscow Mechanism Report”, gegen die Menschlichkeit darfür den unabhängige Beobachterinnen Augenzeugenberichte auswerteten, Beweise analysierten und sich direkt vor Ort ein Bild der Situation in­ stellt. Wir haben auch festgeder Ukraine machten. Die Zahl der ermittelten Verstöße gegen das Menschenrecht füllt fast hundert Seiten, darunter die organisierten Tötungen stellt, dass solche Muster mit von Zivilisten in Butscha, wo die Bevölkerung nach dem Abzug der russischen Streitkräfte die Leichen von 900 Zivilisten fand. Der Behörden dem Fortschreiten des Konflikts Spiegel sprach mit einer der Beobachterinnen der OSZE-Mission: Prof. Dr. Vasilka Sancin, Direktorin des Instituts für internationales Recht und immer offenkundiger werden.

internationale Beziehungen an der Universität von Ljubljana. Die Fragen stellte Dorothee Frank. Jahrzehnten in den Bereichen Völkerrecht, humanitäres Völkerrecht und internationales Strafrecht, sowohl theoretisch als Professorin für Völkerrecht als auch praktisch in Zusammenarbeit mit vielen internationalen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen und anderen Akteuren. Zu meinen Aufgaben bei vergangenen Analysen gehörte auch das Durchführen von Ermittlungstätigkeiten. Behörden Spiegel: Woher stammen die Aussagen, die Sie im Rahmen des Reports für die OSZE untersuchten? Wie haben Sie den Wahrheitsgehalt der Aussagen überprüft? Sancin: Wir haben mehrere Methoden der Tatsachenfeststellung angewandt und uns dabei auf verschiedene Informationsquellen gestützt. Erstens haben wir die Daten im ersten Bericht über die Ukraine, der im Rahmen des Moskauer Mechanismus der OSZE im April 2022 erstellt wurde, sowie andere Berichte, Kommentare und Erklärungen internationaler Organisationen – z. B. UNO, OSZE, Europarat, EU – von Staaten, Nichtregierungsorganisationen und Medien gebührend berücksichtigt. Zweitens führte die Mission verschiedene Interviews durch, sowohl online als auch persönlich. Drittens reisten Frau Bílková und Frau Guercio vom 20. bis zum 23. Juni in die Ukraine, wo sie mit Vertretern verschiedener ukrainischer Behörden zusammentrafen und Kiew, Irpin, Butscha und Hostomel besuchten. Der Besuch in der Ukraine ermöglichte es der Mission, wichtige Informationen zu erhalten, die für das Verfassen dieses Berichts unerlässlich waren, sowie Aussagen aus anderen Quellen zu bestätigen. Durch die verschiedenen Methoden der Tatsachenermittlung konnte sich die Mission Zugang zu einer großen Menge und Vielfalt von Informationen und Beweisen verschaffen und sich einen guten Überblick über die Situation im Allgemeinen sowie über die zu untersuchenden Einzelfragen im Besonderen verschaffen.

Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Expertenmission keine Ermittlungsbefugnisse hatte, die notwendig gewesen wären, um auch Personen und Einrichtungen festzustellen, die für ermittelte Missbräuche und Verstöße verantwortlich sind. Es lag also nicht in unserem Aufgabenrahmen, Empfehlungen – insbesondere Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht, einschließlich Fragen der individuellen strafrechtlichen Verantwortung und des Zugangs der Opfer zur Justiz – vorzutragen. Dies wird allerdings ein Mandat der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zur Ukraine sein, die dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen voraussichtlich Anfang nächsten Jahres einen umfassenden Bericht vorlegen wird. Behörden Spiegel: Welche internationalen Gesetze wurden Ihren Erkenntnissen nach in der Ukraine gebrochen? Und von wem? Sancin: Die zweite Mission der OSZE hat die Schlussfolgerungen der ersten Mission weitgehend bestätigt und eindeutige Muster schwerer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen festgestellt, die in vielen Gebieten, die unter das Mandat der Mission fallen, hauptsächlich den russischen Streitkräften zuzuschreiben sind. Eine beträchtliche Anzahl von Zivilisten wurde getötet oder verletzt und in zahlreichen Städten und Dörfern wurden zivile Objekte wie

die Verhängung der Todesstrafe. Die meisten, wenn auch nicht “Aggression löst alle Verstöße wurden in niemals Probleme.” den Gebieten begangen, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Prof. Dr. Vasilka Sancin, Direktorin des Instituts für internationales Recht und Russischen Föderation internationale Beziehungen an der Unibefinden, einschließversität von Ljubljana, ist eine der Experlich der Gebiete der tinnen, die für die OSZE zu möglichen sogenannten VolksreVerstößen gegen das Menschenrecht im publiken Donezk und Russland-Ukraine-Krieg ermittelten. Luhansk. Die Mission hat zwei Foto: BS/privat neue besorgniserregende Phänomene festgezivile Häuser, Krankenhäuser, stellt, die im ersten Bericht nicht Kulturgüter, Schulen, Verwal- enthalten waren oder nicht austungsgebäude, Strafvollzugsan- reichend beachtet wurden, nämstalten, Wasser- und Stromver- lich die Einrichtung und Nutzung sorgungsanlagen beschädigt oder sogenannter Filterzentren und zerstört. die Praxis der Russischen FödeDas Ausmaß und die Häufig- ration, inhaftierte Personen an keit der wahllosen Angriffe auf die beiden sogenannten VolksZivilisten und zivile Objekte, republiken auszuliefern, wo sie auch an Orten, an denen kei- Praktiken ausgesetzt waren, die ne militärischen Einrichtungen aus Sicht des Menschenrechts identifiziert werden konnten, sind problematisch sind, einschließein glaubwürdiger Beweis dafür, lich der Verhängung der Todesdass die russischen Streitkräf- strafe. Die Mission zeigte zudem te bei den Feindseligkeiten ihre auf, dass Personen, die zu geVerpflichtung zur Einhaltung fährdeten Gruppen gehören – wie der grundlegenden Prinzipien Frauen, Kinder, ältere Menschen der Unterscheidung, der Verhält- oder Menschen mit Behinderunnismäßigkeit und der Sorgfalt gen – besondere Aufmerksamkeit missachtet haben, welche die verdienen. wesentlichen Grundlagen des huWährend alle Verstöße gegen manitären Völkerrechts bilden. das humanitäre Völkerrecht und Die Folter- und Misshandlungs- die internationalen Menschenspuren an den Leichen getöteter rechtsnormen die RechenschaftsZivilisten zeigen zudem, dass der pflicht des betreffenden Staates Grundsatz der Menschlichkeit, nach sich ziehen, können die der die Anwendung des huma- schwerwiegendsten unter ihnen nitären Völkerrechts bei militäri- zu einer individuellen strafrechtschen Operationen leiten sollte, lichen Verantwortung für Kriegsmissachtet wurde. verbrechen und Verbrechen geZu den schwerwiegendsten Ver- gen die Menschlichkeit führen. stößen gegen das humanitäre Völkerrecht, die während der Behörden Spiegel: Waren diese Mission festgestellt wurden, ge- Handlungen Ihrer Ansicht nach hören die gezielte Tötung von Einzelfälle oder schienen sie Teil Zivilisten, darunter Journalisten, einer Kriegsstrategie zu sein? Menschenrechtsaktivisten und Sancin: Die Mission konnte Ortsvorstehern, die rechtswidrige Festnahme, Entführung und das nicht feststellen, dass der rusVerschwindenlassen solcher Per- sische Angriff auf die Ukraine sonen, die massenhafte Deporta- per se als “weitverbreiteter oder tion ukrainischer Zivilisten nach systematischer Angriff gegen die Russland, verschiedene Formen Zivilbevölkerung” einzustufen ist, der Misshandlung – einschließ- der den Rahmen für Verbrechen lich Folter – von inhaftierten Zi- gegen die Menschlichkeit bildet. vilisten und Kriegsgefangenen, Sie kam jedoch zu dem Schluss, die Missachtung von Garantien dass bestimmte Muster von Gefür faire Gerichtsverfahren und walttaten diese Voraussetzung

Behörden Spiegel: Wird es eine Strafverfolgung der Täter geben? Sancin: Verschiedene Mechanismen zur Tatsachenfeststellung einerseits und zur Verantwortungsfeststellung andererseits wurden bereits ergriffen oder könnten in Zukunft ergriffen oder eingerichtet werden, um Gerechtigkeit zu gewährleisten und Straflosigkeit zu verhindern. Es gibt bereits nationale und internationale Ermittlungen zu den mutmaßlichen Verstößen, einschließlich der am 2. März 2022 eingeleiteten Ermittlungen der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs – und weitere sind auf dem Weg. Der Großteil der Strafverfolgung von Einzelpersonen wird vor nationalen Gerichten stattfinden müssen, auch unter Anwendung des Grundsatzes der universellen Gerichtsbarkeit, was bedeutet, dass jeder Staat Gräueltaten verfolgen kann, unabhängig von der Nationalität eines Täters oder eines Opfers oder dem Ort des Verbrechens. In jedem Fall sind die Staaten verpflichtet, alle Täter zu ermitteln, zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen und sie, falls sie für schuldig befunden werden, mit angemessenen Strafen zu belegen und, was besonders wichtig ist, den Opfern volle Wiedergutmachung zu leisten. Behörden Spiegel: Welche Schlussfolgerungen würden Sie ziehen? Sancin: Die Ergebnisse des Berichts bestätigen erneut, dass Aggression niemals Probleme löst, sondern unnötige Zerstörung, Tod, Leid und Verwüstung für heutige und zukünftige Generationen mit sich bringt. Es gibt keine Rechtfertigung für Aggression oder für eklatante Verstöße gegen das Völkerrecht, einschließlich des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen. Es dürfen keine Mühen gescheut werden, um sie zu verhindern, ihnen Einhalt zu gebieten und den betroffenen Gemeinschaften zu helfen. Jeder Staat hat die Pflicht, die leidende Bevölkerung zu schützen.


Verteidigung

Behörden Spiegel / August 2022

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Maßnahmen für die Bundeswehr

Der European Defence Fund

Zusammenarbeit in der Rüstung

Der erste Sachstandsbericht zur Bestandsaufnahme

Unterstützung der Industriebasis Europas

20 Jahre OCCAR

(BS/df) Anfang Juli veröffentlichte das BMVg seinen “Sachstandsbericht zur Bestandsaufnahme”, womit das Verteidigungsministerium der Forderung des Koalitionsvertrags nach einer kritischen Bestandsaufnahme inklusive Verbesserungsvorschlägen nachkam.

(BS/df) Ende Juli legte die Europäische Kommission ihren ersten Finanzierungsbericht zum European Defence Fund (EDF) vor. Demnach stehen insgesamt fast 1,2 Milliarden Euro für 61 Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Verteidigungsbereich bereit. Die Programme waren aus insgesamt 142 für den EDF eingereichten Vorschlägen ausgewählt worden.

(BS/df) Die europäische Rüstungsagentur OCCAR feierte ihr 20-jähriges Bestehen. Eigentlich ist es bereits der 21. Geburtstag, aber im vergangenen Jahr konnte wegen Corona-Beschränkungen keine Feierlichkeit stattfinden. Zu den Vorzeigeprojekten der OCCAR zählen der modulare Radpanzer Boxer, das Transportflugzeug A400M oder auch die Transportflugzeugflotte (MRTT) der NATO.

”Der Bericht bildet die als dringliche Handlungsbedarfe identifizierten Maßnahmen ab, welche kurzfristig Einsatzbereitschaft und Funktionalität der Bundeswehr verbessern. Die Umsetzung der Maßnahmen ist angelaufen”, beschreibt das BMVg. Über 100 Vorschläge wurden im Ministerium und der Truppe erarbeitet und eingereicht, einige finden bereits im Sondervermögen ihre Umsetzung, 31 weitere Maßnahmen wurden im BMVg zur Entscheidungsreife weiterentwickelt. Das BMVg berichtet: “Der Schwerpunkt des dringlichen Handlungsbedarfs lag damit auf rasch wirksamen Veränderungen in den Planungskategorien Organisation, Betrieb und Personal, ergänzt um die Einrichtung einer Task Force Optimierung Beschaffungswesen.”

Maßnahmen zur Verbesserung Bei den Maßnahmen handelt es sich um folgende (Reihenfolge gemäß Sachstandsbericht): • Aufstellung Territoriales Führungskommando der Bundeswehr, • Stärkung Landeskommandos und Heimatschutz, • S tärkung von “EnablementFähigkeiten”, • Binnengliederung Heer, • K ohäsion (Couleur-Verhältnisse), • Anpassung Dimension CIR, • Aufstellung eines Weltraumkommandos der Bundeswehr, • streitkräftegemeinsames Doktrinzentrum der Bundeswehr, • KI-basierte Übersetzung, • Weiterentwicklung des Arbeitszeitrechts, • weltweites Impfschema,

•E rhöhung der Verfügbarkeit von Verpflegung, • Chancengleichheit und Verfügbarkeit von Soldatinnen und Soldaten im Zusammenhang mit familiären und pflegerischen Pflichten, • Verbesserung Führungsfähigkeit zivile Brandschutzorganisation, • Vorhaltevertrag Schiene, • hochmobile, geschützte Infrastrukturmodule, • S tärkung “Enabler” SKB, SanDstBw und CIR, • kontinuierliche Erhöhung der Umfänge der Reservestellen, • Erhöhung der Grundausbildungskapazität, • Heimatschutz, • Flexibilisierung Vergaberecht, • Einrichtung der Task Force “Optimierung Beschaffungswesen”, • Aufbau einer “Continuing Airworthiness Management Organisation der Bundeswehr” (CAMOBw), • Ausweitung Kapazitäten Marinearsenal. “Erste Zwischenergebnisse werden im September 2022 in Berlin auf einer Bundeswehrtagung erörtert, die unter dem Motto “Die Bundeswehr in der Zeitenwende – eine kritische Bestandsaufnahme in Zeiten des Krieges in Europa” steht”, berichtet das BMVg. “Um den gesamten Prozess so transparent wie möglich zu gestalten, wird sich eine breite Partizipationsphase mit Regionaltagungen anschließen, um das Wissen und die Expertise des gesamten Geschäftsbereichs zu bündeln. Die abschließenden Ergebnisse der Bestandsaufnahme sollen bis Ende dieses Jahres vorliegen.”

Tschechische Rüstung Tschechien kauft CV90 und F-35 Lightning II (BS/df) Tschechien kauft schwedische Schützenpanzer CV90 und amerikanische Kampfflugzeuge F-35 Lightning II. Diese Entscheidung verkündete die tschechische Verteidigungsministerin Jana Černochová. Die Ausschreibung für tschechische Schützenpanzer wird somit zugunsten einer Vergabe an BAE Systems Hägglunds nicht weitergeführt. Zuletzt waren noch der schwedische CV90, der amerikanische Ascod und der deutsche Lynx im Rennen, bevor Tschechien bereits im November vergangenen Jahres die Ausschreibung stoppte, da die von den Unternehmen abgegebenen Angebote nicht dem erwarteten Preis entsprachen. Angesichts der dringenden Lage, die durch das aggressive und imperialistische Gebaren Russlands entstand, blieb allerdings keine Zeit, um in ein neues umfangreiches Vergabeverfahren einzusteigen. BAE Systems Hägglunds bzw. die schwedische Regierung hatten ihr Angebot zudem in der Zwischenzeit wohl so weit nachgebessert, dass der CV90 als neuer Schützenpanzer der tschechischen Armee wieder attraktiv wurde. “Heute ist ein entscheidender Tag für die Zukunft der militärischen Beschaffung. Die Regierung hat beschlossen, die Ausschreibung für die Schützenpanzer zu annullieren und mich ermächtigt, mit der Regierung des Königreichs Schweden über den Erwerb von

schwedischen CV90 zu verhandeln”, sagte Černochová nach der entscheidenden Sitzung des Parlaments. “Der nächste Punkt auf der Tagesordnung war die Zukunft der Überschallfähigkeit der tschechischen Luftstreitkräfte. Ich bin beauftragt worden, ein interministerielles Verhandlungsteam zu bilden und Verhandlungen mit der US-Regierung über den Kauf von zwei Staffeln, d.h. 24 Einheiten, des Mehrzweckkampfflugzeugs F-35 Lightning II aufzunehmen.” Auch Deutschland hatte sich im März dieses Jahres zum Kauf von F-35 Lightning II entschieden (wir berichteten). Bis zu 35 dieser Flugzeuge sollen bei der deutschen Luftwaffe die Rolle der Nuklearen Teilhabe als TornadoNachfolger übernehmen, wodurch Deutschland bei dem Zwei-FlottenKonzept bleibt, in welcher die F-35 gemeinsam mit dem Eurofighter in der nahen Zukunft die deutsche Luftmacht stellt. Insgesamt hat die F-35 nun zehn Nutzerstaaten, vier Länder sind in der Beschaffung und vier weitere planen den Kauf. Tschechien hat sich für die Beschaffung von 24 F-35 Lightning II entschieden. Foto: BS/ U.S. Air Force, ­Madelyn Brown

“Die fast 700 Unternehmen, die mithilfe von EU-Mitteln die nächste Generation innovativer Verteidigungstechnologien erforschen und entwickeln werden, schaffen eine resiliente und wettbewerbsfähige industrielle Basis”, sagte die Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager. Dafür, dass es den EDF jetzt erst im zweiten Jahr gibt, ist dieses Ergebnis ein großer Erfolg. Schließlich startete die Europäische Kommission erst im Juni 2021 das erste Jahresarbeitsprogramm des European Defence Fund.

Mit den in diesem Jahr zur Finanzierung ausgewählten Vorschlägen wird der EDF Projekte wie die nächste Generation von Kampfflugzeugen, Panzern und Schiffen sowie kritische Verteidigungstechnologien wie militärische Clouds, Künstliche Intelligenz, Halbleiter, Raumfahrt, Cyber Space oder medizinische Gegenmaßnahmen unterstützen. Es sollen auch disruptive Technologien, insbesondere in den Bereichen Quantentechnologien und neue Werkstoffe, vorangetrieben und vielversprechende KMU und Start Ups unterstützt werden.

Erste Kursbestimmung Bilanz nach hundert Tagen als Marine-Inspekteur (BS/df) Vizeadmiral Jan Christian Kaack ist seit über hundert Tagen als Inspekteur der Marine im Amt. Er legte nun in einer Rede den neuen Kurs der Marine dar. Dabei richtet sich auch die Deutsche Marine an dem Angriff auf die Ukraine aus. “Die Russische Schwarzmeerflotte wurde aus der Baltischen Flotte, der Nord- und der Pazifikflotte verstärkt und ist in diesem Landkrieg primär in einer Unterstützungsrolle. Dabei unterstützt sie mit Artillerie- und Flugkörperangriffen die Operationen an Land und stellt mit Landungsschiffen ein ständiges amphibisches Bedrohungspotenzial dar”, beschrieb der Inspekteur Marine. “Sie alle haben darüber hinaus die Versenkung des russischen Kreuzers Moskwa sowie einiger anderer russischer Einheiten durch ukrainische Flugkörper verfolgen können. Wir alle sollten uns jedoch von diesen Bildern nicht täuschen lassen: Die russische Marine wird aus diesem Krieg im Wesentlichen unbeschadet hervorgehen. Darauf müssen wir – gemeinsam mit unseren Verbündeten – vorbereitet sein.”

Beeindruckend schnelle Reaktion Bei diesen Planungen komme der NATO die größte Rolle zu. Und diese habe sich vorbereitet. “Als Reaktion auf den 24. Februar hat sich die NATO beeindruckend schnell neu sortiert und erstmals ihre Verteidigungspläne aktiviert. Der NATO-Befehlshaber in Europa bekommt damit weitreichende Befugnisse, um zum Beispiel Truppen anzufordern und zu verlegen. Er kann die bis zu 40.000 Soldaten der NATO Response Force aktivieren. Auch die schnelle Eingreiftruppe, die Very High Readiness Joint Task Force, hat ein neues Gesicht bekommen. Die NATO-Speerspitze mit einer “Notice to Move”-Zeit von maximal drei Tagen wird künftig nicht mehr nach einer festgelegten Rotation aufgestellt, sondern flexibel, das heißt, an die Bedrohungslage angepasst.” In den ersten Tagen nach dem Angriff auf die Ukraine habe auch die Deutsche Marine ihre Flexibilität und Einsatzbereitschaft unter Beweis gestellt. Als er am 24. Februar der Marine “Alles, was schwimmt, geht raus” befohlen habe, seien bis zu 28 Einheiten in kürzester Zeit in See gegangen. Die Deutsche Marine habe direkt die ständigen NATO-Einsatzverbände verstärkt sowie Schiffe, Boote und Flugzeuge in die östliche Ostsee entsandt. “Für unsere kleine Marine ist das schon eine irre Zahl. Und das trotz der Personal- und Materialmisere, die uns alle quält”, beschrieb Vizeadmiral Kaack. “Sie sehen, meine Kameradinnen und Kameraden, wir sind wach und aktiv. Seien wir aber auch ehrlich, diese Zahl an Ein-

heiten, diesen Kraftakt können wir nicht unbegrenzt durchhalten.”

Problem Ausrichtung auf den Einsatz Die heutigen Probleme ergeben sich vor allem durch die frühere Ausrichtung auf den Einsatz sowie die durchgehende Reduzierung von Personal und Material in den vergangenen Jahren. Hierdurch kennen “manche jungen Offiziere das Seegebiet vor Beirut wie ihre Westentasche, wissen aber nicht, wo der Svendborgsund liegt oder die gefährlichen Untiefen im Kattegat sind. Ganz zu schweigen von den mangelnden Übungsmöglichkeiten während dieser Einsätze, um diese hochkomplexen Systeme der Korvette sicher beherrschen zu können. Es ist nicht schwer nachzuvollziehen, dass dies zu einem schleichenden Fähigkeitsverlust führt”, sagte der Inspekteur Marine. “Dabei macht mich die Ankündigung einer umfassenden Reform von Strukturen, Prozessen und Verfahren sowie die zu erwartende nachhaltige finanzielle Unterfütterung der Bundeswehr vorsichtig optimistisch, dass wir substanzielle Verbesserungen für die Marine erreichen können. Sehen Sie mir bitte meine norddeutsche Zurückhaltung nach, die Wahrheit ist: Wir freuen uns riesig!”

Munition, Ersatzteile und Führungsfähigkeit Viele Aktionsfelder müssten nun mit diesen neuen Mitteln ausgebaut werden, um wieder eine schlagkräftige, durchhaltefähige Marine zu erhalten. Als ein wichtiges Element nannte Vizeadmiral Kaack das Marinearsenal. “Der kurzfristige Aufbau einer leistungsfähigen Erweiterung des Marinearsenals im Ostseebereich ist daher aus meiner Sicht der entscheidende und notwendige Schritt, um die Einsatzbereitschaft der Flotte nachhaltig und perspektivisch zu verbessern”, betonte Vizeadmiral Kaack. Das Beispiel Marinearsenal zeige, dass das Sondervermögen zwar die dringend notwendigen Beschaffungen forcieren könne, aber kein Allheilmittel sei. “Deshalb gilt es, konsequent zwei Schritte zu gehen. Zu allererst müssen wir unsere Bestandsflotte stärken. Wir haben dazu in kurzer Frist auch ein Paket an vielen kleinen Projekten und Bedarfen zusammengetragen und gemeldet. Hier liegt die Chance auf kurzfristige Effekte. Sehr einfach formuliert habe ich das so auf den Punkt gebracht: Meine sieben Prioritäten sind: Munition, Munition, Munition, Ersatzteile, Ersatzteile, Ersatzteile – und Führungsfähigkeit.”

Der Direktor der OCCAR, Vizeadmiral a.D. Matteo Bisceglia, stellte bei der Jubiläumsveranstaltung “20 Jahre OCCAR” die Frage in den Raum, ob man in Europa wirklich mehr als eine Agentur brauche, um die Kooperationen im Verteidigungsbereich zu realisieren. Foto: BS/D. Frank

Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien sind Mitgliedstaaten der OCCAR, weitere europäische Nationen haben sich an Einzelprojekten beteiligt. Insgesamt ist die OCCAR verantwortlich für Programme mit einem Gesamtwert von über hundert Milliarden Euro und einem Volumen von rund 4,5 Milliarden Euro pro Jahr. Damit dieser Erfolg fortgeführt werden kann, muss aber auch in die OCCAR investiert werden, betonte Vizeadmiral a.D. Matteo Bisceglia, Direktor der OCCAR, bei seiner Festansprache. Dies bedeute nicht unbedingt ein größeres Budget – auch wenn das ebenfalls sehr willkommen sei – sondern die Beauftragung bei internationalen Vorhaben. “Die OCCAR muss für die Nationen die erste Wahl zur Durchführung von internationalen Programmen werden”, sagte Vizeadmiral a.D. Bisceglia. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht lobte bei ihrer Rede zum Jubiläum besonders die Rolle der OCCAR als Brücke zwischen der NATO und der EU. “Durch die OCCAR werden nationale Interessen ausgeglichen”, so die Ministerin, “zu fairen Bedingungen.”

Für ein Leben in Freiheit “Wer in Freiheit und Demokratie leben will, der muss militärische Stärke haben”, sagte Lambrecht. Dafür müsse Europa zusammenhalten. Deutschland habe mit der Aufstockung des Wehretats sowie der Schaffung des Sondervermögens zwar ei-

nen gewaltigen Schritt in Richtung Verteidigungsfähigkeit gemacht, aber “mehr Geld führt nicht zwangsläufig zu einem wehrfähigen Europa”, so Lambrecht. “Wir müssen Doppelungen verringern, damit die finanziellen Mittel nicht vergeudet werden.” “100 Milliarden sind sehr viel Geld. Aber wenn wir dieses nicht sinnvoll einsetzen”, betonte die Ministerin, “dann wird es nicht zu einer fähigen Bundeswehr führen.” Europa müsse gemeinsam handeln und auch gemeinsam entwickeln und beschaffen, damit durch die Bündelung der Finanzen und Kompetenzen das optimale Ergebnis in die Truppe ginge. “Zusammen sind wir stärker als jede Nation für sich alleine.”

Nationaler Protektionismus Der Direktor der OCCAR merkte allerdings an, dass zu oft nationale Interessen und nationaler Protektionismus herrschten, was zu einem fragmentierten, für die Streitkräfte und Industrie ungenügenden Markt führe. Als Beispiel nannte er die beiden Kampfflugzeugprogramme FCAS (Deutschland, Frankreich und Spanien) sowie Tempest (Großbritannien, Italien und Schweden). “Dabei wäre es für Europa wichtig, nur ein Kampfflugzeug zu haben.” Der nächste Direktor der OCCAR kommt aus Deutschland. Ministerialdirigent Joachim Sucker aus der Abteilung Ausrüstung im BMVg soll im kommenden Jahr die Leitung der OCCAR übernehmen.

Übergabe von SHAPE General Christopher Cavoli neuer SACEUR (BS/df) In einer der schwierigsten Zeiten der NATO wechselt der Supreme Allied Commander Europe (SACEUR). General Christopher Cavoli von der U.S. Army übernahm am 4. Juli 2022 im Rahmen einer Zeremonie in SHAPE (Mons, Belgien) das Kommando über die alliierten Kräfte in Europa von General Tod Wolters von der U.S. Air Force. General Wolters war seit 2019 SACEUR. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg lobte General Wolters für seinen “selbstlosen Einsatz für unser Bündnis”, darunter seine Arbeit bei der Bekämpfung der COVID-Pandemie, beim Ende der Resolute Support Mission in Afghanistan und bei der “schnellen und starken Reaktion auf Russlands brutalen Einmarsch in der Ukraine”. Darüber hinaus dankte er General Wolters für die Leitung der Entwicklung und Umsetzung “einer völlig neuen Gruppe von NATO-Verteidigungsplänen”, die den Weg für Entscheidungen auf dem Madrider Gipfel geebnet habe. In Anerkennung der herausragenden Verdienste wurde General Wolters mit der NATO-Verdienstmedaille ausgezeichnet. Der neue SACEUR, General Cavoli, war in seiner letzten Ver-

wendung Commander der United States Army Europe and Africa. Dieses Kommando übergab General Cavoli am 28. Juni an General Darryl Williams. In seiner 35-jährigen Dienstzeit war General Cavoli unter anderem auch in Bosnien, dem Irak und Afghanistan eingesetzt. “Sie kommen an einem Wendepunkt für die transatlantische Sicherheit zu uns, der durch zunehmenden strategischen Wettbewerb und die Rückkehr brutaler Konflikte nach Europa gekennzeichnet ist”, sagte Stoltenberg bei der Übergabezeremonie in SHAPE. “Ich weiß, dass Sie der NATO weiterhin mit der gleichen Führungsstärke und dem gleichen Engagement dienen werden, wie Sie es immer getan haben.”


Wehrtechnik

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Weiterentwicklung der KI für Einsatz und Gefecht Erprobung und Nutzung disruptiver Technologien

Behörden Spiegel / August 2022

MELDUNGEN

Mehr Leoparden für die Bundeswehr

(BS/Tobias Treml*) Künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen, selbstlernende Algorithmen: Die wegweisende Technologie, die dahinter- (BS/df) Wie das Bundesamt für Obwohl die Einsatzbereitschaft steckt, durchdringt mittlerweile nahezu alle Bereiche der Gegenwart und wird ein integraler Teil der Zukunft sein. Das Morgen wird dann durch Ausrüstung, Informationstech- aller Altsysteme deutlich höher jene gestaltet, die diese Technologie beherrschen können. nik und Nutzung der Bundes- war als die des neu eingeführten Dies hat die Bundeswehr erkannt. Gemeinsam mit ihrem Digitalisierungs- und Innovationspartner BWI GmbH erprobt sie Potenziale und Anwendungsfelder Künstlicher Intelligenz für die täglichen Herausforderungen der Soldat/-innen. Die Expert/innen der BWI sowie bundeswehreigene Kräfte wie das zentrale Unterstützungselement KI im Zentrum für Digitalisierung oder das Cluster “Analytics und Simulation” loten in einer Vielzahl von Projekten und Experimenten Einsatzmöglichkeiten von KI aus, erproben gemeinsam konkrete KI-Lösungen und haben diese in ersten Projekten umgesetzt. Der Ausbau von KI-Kompetenzen für die Bundeswehr ist seit KI-Technologie könnte künftig unter anderem bei der Aufklärung im Orts- und Häuserkampf unterstützen. dem Krieg in der Ukraine umso Foto: BS/Bundeswehr, Andrea Bienert wichtiger, da sich militärische Konflikte gegenwärtig erheblich direkt auf einer Plattform wie Social Media und Messenger- recht präzise. Es erkennt nicht wandeln und dadurch noch wei- einem Panzer oder einer Drohne, Dienste in Quasi-Echtzeit präzise nur gehende Menschen, sontere Einsatzmöglichkeiten für ist der Schlüssel zur Digitalisie- Information von hoher Relevanz dern identifiziert selbst Puls und KI entstehen. So hat sich auch rung des Gefechtsfeldes. Dabei für die militärische Operations- Atmung als Bewegungen und der Fokus der aktuellen Anwen- kommt es insbesondere darauf führung bereitstellen können. entscheidet, ob eine Person in dungsuntersuchungen für KI auf an, die Datenelemente Objekttyp, Um dieses Potenzial für die Bun- einem uneinsehbaren Gebäude die Unterstützung auf dem Ge- Koordinate, Zeit der Aufklärung deswehr in der erforderlichen sitzt, steht oder geht. fechtsfeld verlagert. Das Verfahren birgt großen und ggf. Verhalten des Objektes Qualität erschließen zu können, zu extrahieren. Aus diesen vier bedarf es möglichst automati- operativen Mehrwert im miliKriegsführung im Wandel Datenelementen lassen sich so- sierter Fähigkeiten zu deren Er- tärischen Kontext und könnte Eine dauerhafte Überwachung wohl ein digitales Lagebild der fassung, Fusion, Analyse und künftig zum Beispiel bei der Aufklärung im Häuserkampf einvon Räumen ist material- und vor Gefechtssituation erzeugen als Darstellung. Darüber hinaus kann davon gesetzt werden. Es ist denkbar, allem sehr personalintensiv. Mit auch ein entsprechender Eindem derzeitigen Personalansatz satz von Sensorik und Effek- ausgegangen werden, dass in dass die Anwendung in Folgeexverfügt die Bundeswehr nicht toren steuern. Zudem wird die Krisen und Kriegen die eigene perimenten waffentragende von über ausreichend Kräfte, um gro- notwendige, zu übertragende Bevölkerung wertvolle Informati- unbewaffneten Personen unterße Raumabschnitte überwachen Datenmenge um einen Faktor onen liefern kann und auch will. scheidet. Konkret könnte das und ggf. verteidigen zu können. von ca. 1.000 reduziert. Derzeit verfügt die Bundeswehr System bei einer Geiselbefreiung Ziel ist es, durch den innovativen In einer laufenden Untersu- noch nicht über Möglichkeiten, im Ausland unterstützen, da sich Einsatz von KI in Verbindung mit chung soll derzeit eine entspre- dieses “Sensornetz” mit seinen die Einsatzkräfte besser auf eibereits vorhandenen Systemen chende KI auf vorhandene Sen- militärisch relevanten Daten ein- nen Zugriff vorbereiten könnten. den notwendigen Kräfteansatz sorik aufgebracht werden und zubinden und mit hinreichenden Im nichtmilitärischen Kontext zu reduzieren und die Effektivität damit folgender Effizienzgewinn Analysefähigkeiten und -kapazi- könnte die Technologie bei der der Überwachung und Sicherung erzielt werden: täten nutzbar zu machen. Dazu Katastrophenhilfe über Leben zu erhöhen. Zudem ergeben sich a) automatisierte Überwachung wird derzeit eine Untersuchung und Tod entscheiden, wenn Retdurch den Einsatz von Big Data und Meldung von Objekten, zu einer bundeswehreigenen tungskräfte in schwer zugängliAnalytics neue Fähigkeiten bzw. b) Steuerung und Überwachung “Crowd Intelligence Plattform” chen oder durch Rauchentwickes können bestehende Fähigkeivon mehreren Effektoren (CIP) vorbereitet. Diese CIP soll lung nicht einsehbaren Bereichen durch eine Person, sowohl aktiv Daten und Daten- schnell erfahren könnten, wo sich ten erheblich aufgewertet werden (z. B. automatische Objekterken- c) Ausgleich von Ausbildungsde- sammlungen einbinden als auch verschüttete, eingeschlossene fiziten durch automatisierte eine Meldeplattform für entspre- Menschen befinden. nung und -klassifikation). Zielauffassung, chende Informationsanfragen der Die unschlagbare Leistungsstärke von KI gegenüber dem Men- d) Reduzierung der Gefahr für Bundeswehr an die Bevölkerung Schnelle Entwicklung schen liegt vor allem im Bereich eigene Kräfte durch Dislozie- bieten, um das eigene Lagebild Insgesamt entwickeln sich die der Datenanalyse. Selbstlernende rung von Effektoren-Sensoren qualitativ anzureichern, aber Einsatzmöglichkeiten Künstauch um den Aufwuchs an In- licher Intelligenz in schnellen Algorithmen sind in der Lage, ground Bedienern. ße und unstrukturierte DatenAls besondere Herausforderung formationen zu beschleunigen. Zyklen weiter und erweitern sich mengen schnell zu durchforsten, muss hierbei gelten, dass anders stetig. Es gilt insbesondere für die darin Muster zu erkennen und als im zivilen Umfeld, wie z.B. Radarblick schafft Bundeswehr, eigene Verfahren, Überblick aus den selbst interpretierten beim autonomen Fahren, die ZielKompetenzen und Prozesse anDatensätzen Rückschlüsse zu objekte nicht erkannt werden In militärischen und zivilen zupassen sowie die notwendigen ziehen. Schon heute unterstützen wollen. Eine entsprechende KI- Einsätzen kann eine weitere KI- Datengrundlagen zu schaffen, KI-basierte Systeme Analysten Anwendung muss also sowohl be- Lösung die Handlungsfähigkeit um diese Möglichkeiten für das der Bundeswehr im Gemeinsa- sonders robust sein (z. B. geringe der Truppe steigern. Im Rahmen Gefechtsfeld nutzbar zu machen. men Lagezentrum Cyber- und Störanfälligkeit bei Regen, Nebel des BWI-Experiments “Mit KI Für unsere militärischen und Informationsraum (GLZ CIR) oder Schnee) als auch adaptiv durch Wände sehen” wird gerade nichtmilitärischen Einsätze birgt dabei, Lagebilder zu erstellen. auf neue Objektklassen reagieren eine Anwendung erprobt, welche die KI-Technologie großes opeIm militärischen Umfeld sind können (z. B. neue Waffensys- das für das menschliche Auge ratives Potenzial. Der Mehrwert darüber hinaus mit KI-bestückte teme bzw. Änderungen durch Verborgene sichtbar machen liegt einerseits in der Vermeidung kann. Die KI wird mit Radar- und von Kollateralschäden, andererDrohnen im Einsatz, die unter Tarnmaßnahmen). 3D-Lokalisationsdaten “gefüttert” seits in der Verringerung der Geanderem klassische Waffensysund trainiert und kann danach fährdung eigener Kräfte. teme wie Panzer bei der Zielaus- Erschließung offener Datenquellen Personen und ihre Bewegungen wahl unterstützen. Die automatische Erkennung *Oberstleutnant i.G. Tobias Treml Im Zuge des Ukraine-Kriegs hat hinter Hindernissen wie Wänvon militärisch relevanten Ob- sich erwiesen, dass eine Vielzahl den erkennen. Schon jetzt, im ist in der Abteilung CIT II 8 im jekten möglichst sensornah, also von offenen Datenquellen über Probestadium, ist das System BMVg tätig.

Fake-App von kremltreuen Hackern Geplante Ausspähung potentieller Ukraine-Unterstützer (BS/sp) Die kremlnahe Hackergruppierung Turla hat eine App entwickelt, die angebliche Cyber-Attacken auf russische Webseiten durchführen soll. Unter dem Namen “Cyber Azov” haben die russischen Hacker, die dem russischen Geheimdienst FSB nahestehen, ein Programm entwickelt, das den Nutzenden selbst schädigt und einen Trojaner – also eine Überwachungssoftware – auf das Endgerät lädt. Mit dem Namen wollten die russischen Cyber-Krieger/-innen die Nutzenden täuschen, handelt es sich bei Asov um das ukrainische Regiment, welches besonders bei der Schlacht in Mariupol in der Ostukraine für Aufmerksamkeit sorgte. Die Täuschung durch die App wurde von Mitarbeitenden von Google aufgedeckt, der sogenannten “Threat Analysis Group” (TAG), die vor allem darauf spezialisiert ist, staatlich unterstütztes Hacking aufzuspüren und

offenzulegen. Nach Informationen der IT-Experten lädt man sich mit dem Download der App einen Trojaner auf das Handy. Ursprünglich gaben die Macher des Programms an, dass mit dem Download und Ausführen der App Distributed-Denial-of-Service (DDoS)-Attacken auf russische Webseiten durchgeführt würden. Mit DDoS-Angriffen werden Server gezielt mit vielen Anfragen bombardiert, sodass diese nicht mehr verarbeitet werden können.

Im besten Fall – zumindest aus der Sicht der Angreifenden – brechen die angegriffenen Webserver dann zusammen. Die Macher haben sich womöglich von der App “stopwar.apk” inspirieren lassen, die tatsächlich das Ziel hat, russische Webseiten durch DDoS-Angriffe lahmzulegen. Sie ist aber nicht über den normalen App Store verfügbar, sondern muss eigens über die Website heruntergeladen werden. Hier ist davon auszugehen, dass

die App von pro-ukrainischen Entwickler/-innen erstellt wurde. Auch das Programm Cyber Azov war nicht im Google Play Store zu finden. Das ist wohl auch der Grund, warum die Anzahl der Downloads des Programms “verschwindend gering” sei, wie TAG berichtete. Auch eine “Spenden”-Option enthielt das Malware-Programm. Nach TAG-Informationen wurde diese Option bisher von keinem Nutzenden wahrgenommen.

wehr (BAAINBw) berichtet, beabsichtigt die Bundeswehr, die Anzahl der Kampfpanzer Leopard 2 und weiterer Fahrzeuge aus der Leopard 2-Familie zu erhöhen. “Um vor dem Hintergrund dieser Planung bei kurzfristigen und geplanten Instandsetzungsarbeiten über eine ausreichende Ersatzteil-Bevorratung zu verfügen, hat das BAAINBw kürzlich einen Vertrag mit der Firma Rolls-Royce über die Beschaffung von zusätzlichen Motoren für eine sogenannte Umlaufreserve geschlossen”, so das Beschaffungsamt. “Als Folge der eingeleiteten Stückzahlerhöhung der Kampfpanzer Leopard 2 um weitere 84 Fahrzeuge sowie der 31 weiteren Brückenlegepanzer Leguan und mindestens 41 zusätzlichen gepanzerten Pioniermaschinen wurde diese Beschaffung frühzeitig durch das BAAINBw eingeleitet. Der zuvor europaweit ausgeschriebene Vertrag hat ein Volumen von rund 18 Millionen Euro. Er umfasst die Lieferung von 20 neuen Motoren und einer umfangreichen Ersatzteilausstattung. Die Auslieferung der ersten Motoren ist für August 2023 vorgesehen.”

Materials – was zu einem guten Teil auch an den vorhandenen bzw. gerne eingesparten Ersatzteilen lag – erfordert eine geplante Erhöhung des Bestandes natürlich auch eine Erhöhung der eingelagerten Teile. “Diese Stückzahlerhöhung für eine Umlaufreserve an neuen Motoren steigert die Einsatzbereitschaft der Kampfpanzer Leopard 2 und der weiteren Fahrzeuge aus der Leopard 2-Familie,” erklärt Oberstleutnant Jörg Schmerer als zuständiger Projektleiter im BAAINBw. Anstatt die Motoren im Rahmen der Werksinstandsetzung zunächst auszubauen und anschließend zu warten, werde die Bundeswehr nunmehr über ausreichend Austauschmotoren verfügen, um diese kurzfristig auswechseln zu können. Damit lässt sich die Einsatzbereitschaft der Fahrzeuge für die Ausbildung, Übungen und einsatzgleichen Verpflichtungen deutlich erhöhen. Die neuen Motoren sollen zudem die teilweise in die Jahre gekommenen Maschinen in den Panzern aus dem aktuellen Bestand ersetzen.

Abrams-Kampfpanzer erhalten Trophy (BS/df) Die USA statten ihre Abrams-Kampfpanzer mit dem israelischen aktiven Schutzsystem Trophy aus, für das auch die Bundeswehr sich bereits für ihre Leoparden entschieden hat. Der amerikanische Hauptauftragnehmer der Abrams – General Dynamics (GD) – erhielt einen entsprechenden Auftrag für die Beschaffung von “Trophy Ready Kits” im Wert von bis zu 280 Millionen Dollar. Trophy erkennt, klassifiziert und bekämpft Bedrohungen wie rückstoßfreie Geschütze, Panzerabwehrraketen, Lenkflugkörper, Geschosse und Panzerfäuste schnell. Trophy ist ein so ge-

nanntes Hardkill-Schutzsystem. Dies bedeutet, dass die anfliegende Bedrohung aktiv zerstört wird, statt beispielsweise nur die Sensoren des Angreifers zu stören. Es bietet einen Rundumschutz gegen Panzerfäuste und Lenkflugkörper. Die Erkennung von Bedrohungen, einschließlich ihres Abschussortes, ermöglicht es dabei den Besatzungen der Panzer, diese Ziele schnell zu bekämpfen. Die Kits sollen je nach Bedarf in die Abrams-Panzer M1A2 SEPv2 und M1A2 SEPv3 eingebaut und in der gesamten Armee eingesetzt werden. Mitte 2027 soll der Auftrag abgeschlossen sein.

Lenkflugkörper vom Roboter (BS/df) Bei Tests der U.S. Army feuerte der Robotic Technology Demonstrator (RTD) von BAE Systems erfolgreich lasergesteuerte Raketen auf mehrere Bodenziele ab. Es war der erste Schuss eines lasergelenkten APKWS-Flugkörpers von einem robotischen Kampffahrzeug. Der RTD besitzt einen HybridElektroantrieb und kann mit verschiedenen Nutzlasten wie Sensoren für die elektronische Kriegsführung, Waffensystemen, Panzerabwehrlenkraketen oder auch den nun erprobten 2,75-Zoll-Lenkflugkörpern mit dem APKWS-Laserlenkungssatz ausgestattet werden. Eine weitere Option wäre Loitering-Munition, um gepanzerte

und unbemannte Bedrohungen abzuwehren. “Im vergangenen Jahr haben wir mit führenden Technologieunternehmen zusammengearbeitet, um ein autonomes Fahrzeug zu bauen, das die Anforderungen der Armee an Roboterkampffahrzeuge übertrifft”, sagte Helen Park, Future Tech Works Director bei BAE Systems. “Diese erfolgreiche Demonstration beweist, dass unser unbemanntes Fahrzeug mit modernster Technologie, Nutzlasten und Waffensystemen integriert und modernisiert werden kann, um mehrere Missionssätze zu unterstützen und fortschrittliche Fähigkeiten in einem operativen Umfeld mit mehreren Domänen zu liefern.”

Erste Korvette des zweiten Loses (BS/df) Die erste von fünf neuen Korvetten für die Deutsche Marine startete mittlerweile planmäßig zu ihrer ersten Werftprobefahrt. Auf ihrer rund dreiwöchigen Seefahrt läuft die Korvette dabei zunächst in die Nordsee zu ersten Erprobungen rund um Helgoland aus. Ziel der Nordsee-Fahrten ist der sogenannte “Funktionsnachweis Plattform”. Dabei überprüfen die Mitarbeiter/-innen der beteiligten Werften die gesamte Schiffstechnik. Die neuen Korvetten (Boote sechs bis zehn) werden unter Federführung der NVL Group (NVL = Naval Vessels Lürssen) an mehreren norddeutschen Werften gefertigt. Die Boote sechs, sieben und acht befinden sich derzeit in

unterschiedlichen Stadien der Endausrüstung. Boot neun ist in der Fertigungsphase. Boot zehn wurde im März dieses Jahres planmäßig auf Kiel gelegt. Der am 12. September 2017 durch das BAAINBw erteilte Auftrag beinhaltete fünf zusätzliche Korvetten der Klasse 130. In Hamburg werden die rund 89 Meter langen Korvetten schließlich in Betrieb genommen und durchlaufen von dort aus ihre Funktionsüberprüfungen und Abnahmen in Abstimmung mit den Fachabteilungen des BAAINBw und der Deutschen Marine. 2023 soll dann die erste Korvette dieses zweiten Loses, die Köln, an die Bundeswehr übergeben werden. Die Auslieferung des letzten Schiffes soll bis 2025 erfolgen.


Behörden Spiegel / August 2022

Wehrtechnik

Entwicklungen der Hubschrauber

MELDUNGEN

Nächster Schritt bei den Luftlandeplattformen (BS/df) Deutschland und die Niederlande planen die Beschaffung einer gemeinsamen Luftlandeplattform (LuLa), welche die vorhandenen Fahrzeuge ersetzen soll. In Deutschland ist LuLa im 100-Milliarden-Sondervermögen vorgesehen. LuLa ist nun einen weiteren Schritt vorangekommen. Das niederländische Unternehmen Defenture und die deutsche Firma Krauss-Maffei Wegmann (KMW) unterzeichneten ein Memorandum of Understanding (MoU) zur Vertiefung der weiteren Zusammenarbeit im deutsch-niederländischen Beschaffungsprojekt. Groundforce (GRF) von Defenture wurde bereits in der niederländischen Armee eingeführt und ist von dieser vollständig

verifiziert worden. Es soll dementsprechend die Grundlage für die geplante LuLa-Fahrzeugfamilie sein. GRF hat ein Gewicht von fünf Tonnen und eine Nutzlast von zwei Tonnen, wodurch es für den Lufttransport etwa in einer CH-47F Chinook zugelassen ist. Die Plattform bietet volle Konfigurationsfreiheit und bietet integrierten und modularen ballistischen Schutz. Ihre Agilität wird unter anderem durch einen Wenderadius von nur neun Metern mit einem kampferprobten Vier-Rad-Lenksystem gezeigt. In dem Verbund soll KMW für die verschiedenen Ausrüstungssätze verantwortlich sein, die ohne den Einsatz von Spezialwerkzeugen gewechselt werden können.

Bund kauft MV Werft (BS/df) Der Bund kaufte jüngst das Gelände und die Liegenschaften der MV Werft. Mit dieser Werft sollen einerseits Arbeitsplätze am Standort Rostock erhalten sowie andererseits die materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr verbessert werden. Die MV Werft war auf Kreuzfahrtschiffe spezialisiert, ging aber unter einem chinesischen Mutterkonzern in die Insolvenz. Der Kaufpreis liegt bei rund 87 Millionen Euro. “Heute ist ein historischer Tag.

Mit dem Kauf der Werft betritt der Bund Neuland”, sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht anlässlich der Vertragszeichnung. “Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit gesagt, es gibt dicke Bretter zu bohren. Eines davon ist die schlechte materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Insbesondere bei der Marine. Mangelnde Kapazitäten und lange Liegezeiten sollen nun der Vergangenheit angehören.”

20.000 Nachtsichtbrillen aus Sondervermögen (BS/df) Wie das BAAINBw berichtet, erhält die Bundeswehr 20.000 zusätzliche binokulare Nachtsichtbrillen des Typs MIKRON, finanziert aus dem Sondervermögen der Bundeswehr. “Der Vertrag verbessert die Nachtsichtfähigkeit und gleichzeitig die materielle Einsatzbereitschaft in der Truppe”, sagte der zuständige Projektleiter im BAAINBw, Dimitri Pfening. “Durch die reibungslose Zusammenarbeit aller zuständigen Referate des BAAINBw mit dem Bundesministerium der Verteidigung, den Vertretern der Teilstreitkräfte und Organisationsbereichen haben wir hier in Koblenz gemeinsam eine verzugslose und

zeitgerechte Zuarbeit bei der Erstellung der Vertragsunterlagen gewährleisten können.” Vertreten durch die OCCAR hatte das BAAINBw gemeinsam mit dem belgischen Partner sowie den Firmen kürzlich einen entsprechenden Änderungsvertrag geschlossen. Bereits im vergangenen Jahr wurde der zugrundeliegende Vertrag zwischen OCCAR und dem Konsortium geschlossen. Durch das Sondervermögen konnte jetzt eine Option über 20.000 zusätzliche Nachsichtbrillen ausgelöst werden. Die insgesamt 25.000 Nachtsichtbrillen werden von Mitte 2022 bis Ende 2024 an die Bundeswehr ausgeliefert.

Erster MLRS an die U.S. Army übergeben (BS/df) Im Juli wurden im Rahmen einer Zeremonie die erste M270A2-Einheit des “Multiple Launch Rocket System” (MLRS) an die U.S. Army übergeben. Der M270A2 ist ein für Joint All Domain Operations (JADO) geeigneter, mobiler Launcher auf schwerem Kettenfahrzeug, der mit C-17- und C-5-Flugzeugen transportiert werden kann. Der Launcher und seine Munition sollen es den Soldaten ermöglichen, Artillerie, Flugabwehreinheiten, leichte Panzer und leichte Fahrzeuge über größere Entfernungen als bisher möglich bekämpfen. “Diese Auslieferung stellt einen bedeutenden Meilenstein für Lockheed Martin dar, da das modernisierte System die Armee und verbündete Partner über Jahrzehnte hinweg unterstützen wird”, sagte Jay Price, Vizepräsident von Precision Fi-

res bei Lockheed Martin Missiles and Fire Control. “Unser preisgekröntes Werk in Camden produziert weiterhin Fahrzeuge von Weltklasse und diese neueste M270A2-Werfereinheit wird unser Erbe der kampferprobten Zuverlässigkeit fortsetzen.” Lockheed Martin modernisiert in Zusammenarbeit mit dem Red River Army Depot den M270 mit einem brandneuen 600-PS-Motor, einer verbesserten Panzerkabine und einem gemeinsamen Feuerleitsystem (CFCS). Durch diese Aufrüstung wird die Kompatibilität mit künftigen Munitionsarten wie dem Extended Range GMLRS und dem Precision Strike Missile (PrSM) gewährleistet. Die vollständige Instandsetzung soll die M270 bis zum Jahr 2050 für die U.S. Army und andere Nationen effektiv und zuverlässig in Betrieb halten.

Militärischer Video- und Streamingdienst (BS/df) Das Fernsehen mit seinem festen Programm und Zeitabläufen geht seinem natürlichen Ende entgegen. Da die meisten Streitkräfte zum großen Teil aus jüngeren Menschen bestehen, merken diese die neuen Informationsmethoden deutlich schneller als staatlich subventionierte Öffentlich-rechtliche. Die US-Streitkräfte, genauer deren weltweites Netz von Hörfunkund Fernsehsendern “American Forces Network” (AFN), arbeiten deshalb an einer App, die Videoon-Demand- und LivestreamingDienste anbietet. Die neue App “AFN Now” soll im Herbst dieses Jahres auf den Markt kommen. “Wenn wir unseren Befehlsha-

bern den entsprechenden Raum bieten wollen, in dem sich das Publikum aufhält, müssen wir dort sein, wo das Publikum ist”, sagte der Direktor des AFN Broadcast Center, Michael Drumheller. Die Akzeptanz der App steht und fällt allerdings mit deren Nutzung – und dafür ist der Sport ein entscheidendes Kriterium. Offizielle Vertreter des Verteidigungsministeriums sagten, die Unterhaltungsindustrie habe AFN seit dem Zweiten Weltkrieg sehr großzügig unterstützt, aber das Verteidigungsministerium müsse seinen Teil dazu beitragen, um sicherzustellen, dass nur berechtigte Personen Zugang zu den Inhalten hätten.

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Erkenntnisse vom “32nd International Helicopter Forum” in Bückeburg (BS/Dorothee Frank) Im Juli fand auf dem Achum Airfield in Bückeburg das “32nd International Helicopter Forum” statt. Dieses konnte wieder ein breites – auch internationales – Fachpublikum zusammenführen, um in den Vorträgen und anschließenden Diskussionen unter der Moderation von Generalmajor a.D. Reinhard Wolski, Senior Expert des Behörden Spiegel, die aktuellen Vorhaben und Probleme im Bereich der Hubschrauber und besonders der Heeresflieger zu erörtern. So beschrieb etwa der französische Brigadegeneral David Cruzille, Deputy COM ALAT, die Überlegungen Frankreichs in Bezug auf die Zukunft der Hubschrauber. Auch hier finden die anhaltenden Entwicklungen bei der Künstlichen Intelligenz und somit zunehmenden Automatisierung vermehrt Eingang. “Je gefährlicher, desto mehr unbemannt, je komplexer, desto mehr bemannt”, fasste Général Cruzille seine Einschätzung der Zukunft zusammen. Insgesamt ist er für etwa 300 Hubschrauber der französischen Streitkräfte zuständig. Das Gepard-Programm, im Rahmen dessen knapp 170 mehrrollenfähige Hubschrauber mit Airbus Helicopters entstehen sollen, die ab 2027 mehrere alternde Hubschraubertypen ablösen, sei auf einem sehr guten Weg. Mit Gepard soll erstmals die tatsächliche Integration von Drohnen in einem Verband realisiert werden. Frankreich priorisiert seine Vorhaben, um in anderen Bereichen durchhaltefähige Ressourcen aufzubauen. Also kein “Breite vor Tiefe”, wie in Deutschland üblich. So verzichtet Frankreich etwa ganz bewusst auf schwere Transporthubschrauber. “Aktuell verfügen wir über mittlere Transporthubschrauber und sehen keinen Bedarf für schwere”, sagte Général Cruzille, “da viele unserer Verbündeten schwere Transporthubschrauber fliegen.”

Der neue schwere ­Transporthubschrauber Welche Überlegungen in Deutschland zur Entscheidung für die CH-47F Chinook als zukünftigen Schweren Transporthubschrauber (STH) führten, legte Ministerialrat Harald Sucher aus der Abteilung A IV 5 im BMVg dar. “Es handelt sich um ein etabliertes, einsatzerprobtes Basisprodukt, das mit dem Block II zudem ein großes Zukunftspotenzial besitzt”, sagte Sucher. Das gewählte Modell ist die CH-47F SR Block II mit Luftbetankungsfähigkeit. Das Kooperationspotenzial mit anderen Streitkräften sei bei dem Hubschrauber von Boeing als deutlich größer bewertet worden, beschrieb Sucher. Schließlich befänden sich aktuell über 950

Ein CH-47F Chinook der U.S. Army landet in den deutschen Alpen. Foto: BS/U.S. Department of Defense

Chinook in ca. 20 Nationen in der Nutzung, davon mehr als 500 in der Version CH-47F. Dadurch böten sich Kooperationsmodelle unter anderem bei der Pilotenund Technikerausbildung, bei technisch-logistischen Leistungen sowie in der Nutzung durch standardisierte Ladungen, Verfahren und Abläufe. Ein weiterer wichtiger Punkt sei gewesen, dass man für den vergleichbaren Preis mehr Chinook erhalten werde und diese 60 Hubschrauber eine größere operationelle Flexibilität erlaubten. Eines machte Sucher allerdings deutlich: “Der Spielraum für Germanisierungen besteht nicht mehr.” Der Einstieg in konkrete Verhandlungen mit der US-Seite habe bereits begonnen, nun sei man in der Phase der Festlegung der Detailkonfiguration sowie der konkreten Vertragsinhalte als Basis für den Letter of Offer and Acceptance (LOA). Hierfür gilt es, in Arbeitsgruppen die genauen Parameter der künftigen deutschen Chinook festzulegen. Mit der parlamentarischen Behandlung in Deutschland rechnet Sucher Ende 2022/Anfang 2023. Das Ziel sei die Auslieferung erster Hubschrauber in der finalen Konfiguration möglichst noch im Jahr 2025. Da das Unternehmen Boeing allerdings seit Beginn des Programms STH immer wieder sagte, dass sie etwa drei Jahre brauchen, um nach Beauftragung den ersten fertigen Chinook in Deutschland auf den Hof zu stellen – der Konkurrent wäre auch

nicht schneller gewesen – müssten die Verträge für eine Lieferung in 2025 doch noch in diesem Jahr unterzeichnet werden.

Zukunft der ­Kampfhubschrauber Ein besonderes Sorgenkind der Bundeswehr thematisierten weniger die Vorträge, als vielmehr die Gespräche während des Events: Der Mangel an einsatzfähigen Kampfhubschraubern. Während Frankreich mit seinen Tigres sehr zufrieden ist und diese auch in Einsätzen fliegt, entspricht der deutsche Tiger weder in der Effektivität noch in der Verfügbarkeit den Notwendigkeiten der Streitkräfte. Dass sich diese Lage ändert, daran glaubte zumindest in Bückeburg fast niemand. Ganz auf Kampfhubschrauber verzichten kann die Bundeswehr nicht, im Einsatz sind sie unverzichtbar. Ursprünglich war eine umfassende Modernisierung unter dem Programmnamen “Tiger Mk III” geplant, angesichts der bisherigen schlechten Erfahrungen fehlt allerdings sowohl in Bundeswehr als auch Parlament die Bereitschaft, erneut Milliarden in den Tiger zu stecken. So ist Mk III weder im Haushalt 2023 noch im 100-Milliarden-Sondervermögen abgebildet. Der Titel Tiger ist im Haushalt 2022 zwar noch mit 80 Millionen Euro und 2023 mit 74 Millionen Euro hinterlegt, dies deckt allerdings nur die bereits unter Vertrag stehende Modernisierung auf den Stand “Afghanistan Stabilisation German Army

Rapid Deployment” (ASGARD). Die für die darauffolgenden Haushaltsjahre vorgesehenen 12 Millionen pro Jahr decken gerade einmal die laufenden Wartungskosten. Sollte Deutschland das Experiment Tiger abbrechen und eine fertige Lösung beschaffen wollen, wären nur drei Hubschrauber ein tatsächlicher Ersatz: Boeing AH-64 Apache, Bell AH-1Z Viper und Leonardo AW249. Von diesen ist allerdings im Grunde nur der Apache wirklich zur Erfüllung der Bedürfnisse der Bundeswehr geeignet, weil verfügbar, etabliert, aufwuchsfähig sowie flächendeckend in anderen NATO-Staaten in der Nutzung. Interessant in diesem Zusammenhang ist zudem das “Future Vertical Lift”-Programm der USA. Im Rahmen dieses Programms planen die Vereinigten Staaten ihre fliegenden Heeressysteme vollständig neu, damit diese den Anforderungen des Krieges der Zukunft genügen. Mit dabei selbstverständlich auch Kampfhubschrauber. Statt eines europäischen ließe sich schließlich auch ein transatlantisches Projekt beginnen, um deutsches Know-how, Industriekapazitäten und Thesenpapiere gemeinsam mit dem starken Partner USA umzusetzen. Partnerschaften haben die Vereinigten Staaten schließlich in Bezug auf Deutschland nur sehr selten abgelehnt.

Deutsche Chinook Über die Fähigkeiten des Transporthubschraubers CH47 Chinook sprachen wir in unserer Podcastreihe “Voices in Defence” mit Michael Hostetter, Vice President Boeing Defense Germany, und Dr. Michael Haidiger, Präsident Boeing Germany. Sie können den Podcast hier anhören:


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Behörden Spiegel / August 2022

“Immer noch ein vollwertiger Schutzmann” Die nicht vorausgeplante Karriere eines Polizisten (BS/Barbara Held) Seit 2004 widmet Oskar Neda seine Arbeitszeit dem Aufbau polizeilicher IT für Niedersachsen. Heute leitet der 48-Jährige das Dezernat des Produktbereichs NIVADIS-VBS in der Zentralen Polizeidirektion in Hannover und verantwortet das Projekt Mobilität im Programm P20. Dabei hat Oskar Neda Polizeiarbeit von der Pike auf gelernt.

D

ie impertinente Frage nach seinen Schießkünsten lächelt Oskar Neda beim Interview freundlich weg. Die Dienstwaffe liege zwei Zimmer weiter, erklärt er. Schießen habe er aber nicht nur bei der Polizei gelernt, sondern in einem ganz anderen Lebensabschnitt als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr. Den Dienst leistete er als MG-Schütze in einer Krisenreaktionseinheit ab, die dafür trainiert wurde, gegebenenfalls im Kosovo eingesetzt zu werden. “Also, ich habe schon ziemlich viel geschossen”, erzählt Neda. “Das war aber nicht das, was mich an der Polizei gereizt hat.” Nach 18 Jahren in der IT ist sein Selbstverständnis geblieben: “Ich bin immer noch ein vollwertiger Schutzmann.” Voraussehbar war diese deutsche Polizistenkarriere nicht. Neda wurde 1974 im rumänischen Temeschwar als Sohn einer deutschstämmigen Mutter und eines rumänischen Vaters geboren. Nach Deutschland kam er erst 1990 mit knapp 16 Jahren, das heißt in der 10. Klasse. Seine Eltern waren und sind beide engagierte Physiker und Chemiker. Die Mutter arbeitete als Lehrerin, der Vater war schon in Rumänien ein renommierter Professor und Forscher und damit Geheimnisträger, was einer offiziellen Ausreise massiv entgegenstand.

Flucht aus Rumänien Die Gründe für die Auswanderung sind einleuchtend. Ende der 80-er Jahre formierte sich im rumänischen Temeschwar die revolutionäre Bewegung, die schließlich das CeausescuRegime hinwegfegte. “Und zwar ausgerechnet in unserer Straße”, berichtet Neda. Die rumänische Armee fuhr mit Panzern durch die Stadt und schoss wahllos in die Wohngebäude. “Ein Mädchen aus der Nachbarschaft, mit der ich als Kind gespielt hatte, wurde durchs Fenster im Bett erschossen.” Es herrschte Angst, Zukunftsperspektiven in Rumänien fehlten. Die deutsche Verwandtschaft der Mutter versprach zumindest eine Anlaufstelle in Niedersachsen. Eines nachts sei die Familie dann Hals über Kopf, “mit den Sachen, die man so greifen konnte”, im Auto Richtung Deutsch-

Entscheidung für die Polizei Nach der Ableistung der Wehrpflicht in Höxter nahm Neda sozusagen in der Familientradition ein Chemiestudium an der TUBraunschweig auf. 1997 folgte die Kehrwende: Der junge Mann wechselt für ein Studium zum Diplom-Verwaltungswirt (FH) mit der Fachrichtung Polizei an die Fachhochschule Hildesheim. Die Erklärung: “Bisher war ich rein auf Naturwissenschaften konzentriert. Nun wollte ich sehen, ob es auch etwas anderes gibt, was ich kann.” Offensichtlich mit Erfolg. Die polizeiliche Praxis im Streifendienst – parallel zum Studium – erwies sich für den jungen Mann anfangs als Herausforderung: “Man spricht da einen wildfremden Menschen an und sagt, Du musst jetzt dies und jenes tun.” Da lerne man auch, “welche Autorität eine Uniform ausstrahlt, obwohl der der darin steckt, eigentlich ein Dreikäsehoch frisch von der Uni ist”. Überhaupt sei man sich als junger Polizist manchmal der hohen Verantwortung gar nicht so bewusst. Nach dem Diplom-Abschluss im Jahr 2000 ging es als Polizeikommissar zur Bereitschaftspolizei nach Hannover. Was man nicht vergesse, seien die Toten, mit denen man im Streifendienst zu tun habe, erzählt Neda: “Ausgerechnet bei dem ersten Toten, dessen Wohnung ich betreten musste, hing eine Polizeiuniform über dem Stuhl. Das macht einen schon nachdenklich.” Auf der anderen Seite freue man sich aber auch über manche Sachen: “So lief eines Tages eine “wildfremde” Frau über die Straße, um mich zu umarmen und mir einen Schmatzer auf die Backe zu drücken.” Erst im Nachhinein stellte sie klar, dass Oskar Neda zwei Monate zuvor die verloren geglaubte Tochter bei der Familie wohlbehalten zuhause abgeliefert hatte.

“So lief eines Tages eine “wildfremde” Frau über die Straße, um mich zu umarmen und mir einen Schmatzer auf die Backe zu drücken.” land weggefahren. Zunächst ging es nach Helmstedt, wo sich die mütterlichen Großeltern und andere Verwandte niedergelassen hatten. Von dort zog die Familie wegen der besseren Arbeitsmöglichkeiten in die nächste größere Stadt: Braunschweig.

Immigrationserfahrungen Da Oskar Neda schon in Temesch­ war eine teilweise deutschsprachige Schule besucht hatte, war die Sprache für den damals 16-Jährigen kein Problem: “Ich sprach nur einen etwas anderen Akzent.” Diesen hat er längst zugunsten eines gepflegten niedersächsischen Hochdeutschs abgelegt. Die Eltern dagegen standen mit Mitte Vierzig vor einem kompletten Neustart. Der Vater musste Deutsch lernen. “Es hat eine Weile gedauert,” aber schließlich fanden die hochqualifizierten Eltern wieder angemessene Wirkungsstätten und der Sohn 1994 zu einem naturwissenschaftlich orientierten Abitur. Verständlich ist Nedas

Projektleitenden auf den Projekterfolg, dargestellt am Beispiel von IT-Projekten der niedersächsischen Polizei”, lautet der Titel seiner Masterarbeit. Der erneute Kontakt mit wissenschaftlichem Arbeiten hat offensichtlich Spaß gemacht. Und so betreut Neda heute seinerseits gelegentlich Studenten bei einschlägigen Abschlussarbeiten.

Stolz auf diese Lebensleistung: “Mein Vater hat sein Leben und so auch die Karriere an der TU Braunschweig der Erforschung von Krebsmedikamenten gewidmet, von denen etliche heute auch im Einsatz sind.”

Begeistert ist Neda immer noch von der “unheimlichen Breite” dessen, was man in den ersten Jahren im Streifendienst erlebt: “Man wird ja mit intimsten menschlichen Abgründen konfrontiert und mit den größten Lebensfreuden.” Um das zu bewältigen, brauche man ein breites Wissen, vor allem aber eine umfassende Rechtskenntnis und auch Reflexionsfähigkeit gegenüber eigenen Vorurteilen: Als Polizist habe man es häufig mit Straftätern zu tun, die auf den ersten Blick immer wieder bestimmten Gruppen zuzuordnen seien: “In den 90er-Jahren waren es zum Beispiel immer die Polen, die Autos klauen oder die Georgier, die einbrechen.” Da dürfe man nicht generalisieren, sondern man müsse den konkreten Menschen in Blick behalten. Nach eineinhalb Jahren erfolgte die Versetzung nach Hannover in die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen, wo man wegen der Castor-Transporte und der anstehenden Weltausstellung

Jenseits des Arbeitsplatzes

“Mein Vater hat sein Leben und so auch die Karriere an der TU Braunschweig der Erforschung von Krebsmedikamenten gewidmet, von denen etliche heute auch im Einsatz sind”, berichtet der frühere Chemiestudent und spätere Polizist Oskar Neda über seine Familie. Foto: BS/private

Leute brauchte. Aus Braunschweiger Perspektive war das eine heimatferne Verwendung: “In Krefeld war ich da meist.”

Das Hobby zum Beruf gemacht Eigentlich kam 2004 das Angebot aus dem Polizeiamt für Technik und Beschaffung Niedersachsen gefühlt zu früh. Andererseits war sich Neda schon lange sicher, dass er irgendwann mal in die Technik überwechseln wollte: “Ich habe schon immer Spaß an IT gehabt.” Unter anderem hatte er seine Braunschweiger Studienzeit teilweise damit finanziert, für kleinere Unternehmen die IT aufzubauen. Damals wurde in Niedersachsen mit NIVADIS ein neues Vorgangsbearbeitungssystem eingeführt. Nach der anfangs temporär gedachten Mitarbeit als Tester stellte sich schnell die Frage nach der Übernahme. Der heute 48-Jährige war bereit für den Wechsel, aber “dann als Entwickler und nicht für die polizeilich fachliche Seite. Ich wollte programmieren und nicht Pflichtenhefte schreiben.” Noch heute ist er den damaligen hannoveraner Vorgesetzten dankbar, dass sie ihn als “Hobby-ITler” eingestellt haben. Es folgte ein Stück weit Learning by Doing, aber die Polizei in Niedersachsen hat ihren Vollzugsbeamten damals alle Möglichkeiten zur Fortbildung gegeben. Man war da sehr großzügig und hat hochwertige, teure IT-Seminare bezahlt: “Da habe ich nix zu meckern.”

Macht Führung Spaß? Bei der IT in der niedersächsischen Polizei habe ihm schon immer die gelebt flache Hierarchie gefallen, erzählt Neda. Die Übernahme der Entwicklungsleitung und der Verantwortung für das Release-Management war fachlich-koordinativ: “Es gab rund 40 Entwickler, deren Aufgaben ich steuern musste, aber die Personalverantwortung lag beim Dezernenten.” Die erste echte Führungsaufgabe kam 2008 als Teamleiter

im Produktbereichs Landesweite Fachanwendungen. 2013 avancierte er zum Dezernenten des Produktbereichs NIVADISAuswertung, ein “Posten, den ich erst gar nicht haben wollte”. Das Polizeiamt für Technik und Beschaffung Niedersachsen war damals schon in die Abteilung IV der Zentralen Polizeidirektion übergegangen. Die Erfahrung mit einem “super-diversen Team” von 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde prägend. Dazu zählten Mathematiker, eine Physikerin, Informatiker, Wirtschaftsinformatiker, Vollzugsbeamte. Neben Oskar Neda gab es einen Rumänen, zwei Ukrainer, eine Russin, eine Russland-Deutsche, eine Polin, einen Polen etc., also alles Mögliche an Berufsgruppen und Nationalitäten. “Da hat Führung echt Bock gemacht! Ich habe angefangen, die Diversität der Organisationseinheit leben zu lassen. Das kostet Zeit und Mühe und gelegentlich auch Nerven. Aber die unterschiedlichen Stimmen und Perspektiven hochkommen zu lassen, hat am Ende stets zu besseren Ergebnissen geführt.”

Aufstieg – Studium in Hildesheim Seit 2019 ist Oskar Neda im höheren Polizeivollzugsdienst und Dezernent des Produktbereichs NIVADIS-VBS/POLAS/ ELKA/TBS/SAFIR und vertritt das Land Niedersachsen in verschiedenen Bereichen und Gremien des Programms P20. Zwischen dieser und der letzten Position liegen jedoch zwei Jahre M.A.-Studium “Öffentliche Verwaltung – Polizeimanagement” an der Deutschen Hochschule der Polizei in Hildesheim. Seine Arbeit habe ihm Freude gemacht, sagt Neda, aber er habe nicht weitere zwanzig Jahre dasselbe machen wollen. Das Studium mit dem anschließenden Aufstieg in den höheren Dienst habe da neue Entwicklungsperspektiven eröffnet. Inhaltlich konnte er als später Student sein Interesse an Personalführung und Organisation ausleben. “Zum Einfluss der

Angesprochen auf sein Privatleben, reagiert Neda zurückhaltend. Ja, da war eine kurze kinderlose Ehe, als er Anfang zwanzig war, aber: “Das liegt alles doch schon lange zurück!” Inzwischen ist er längst wieder glücklich liiert. Bei den Hobbys wird der 48-Jährige gesprächiger. Da ist vor allem das große Haus in Peine aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts, dessen Jugendstilarchitektur er seit 15 Jahren liebevoll renoviert. Peine liege quasi auf halber Strecke zwischen Braunschweig, wo seine Eltern und andere Familienangehörige wohnen, und seinem Arbeitsplatz in Hannover, erklärt er die Ortswahl. Nicht nur die Original-Türen und -Fenster wurden mithilfe von Fachfirmen nachgebaut. Auch bei der Wiederherstellung von Stuck hat der Polizist Hand angelegt. “Ich habe dabei viel gelernt”, erklärt er, aber jetzt sei die Zeit gekommen, wo er über kleine Unvollkommenheiten hinwegsehen könne, denn da warteten noch andere Freizeitbeschäftigungen. Seit mehr als zehn Jahren spielt Neda im Verein auf professionellem Niveau Kicker. Das sei sozial ungeheuer verbindend erzählt er: in der Mannschaft versammelten sich die unterschiedlichsten Menschen: vom Universitätsprofessor bis zur Servicekraft in der Gastronomie und zum Harz-IV-Empfänger. Und mittendrin ein Polizist: “Ich bin spät dazugekommen. Die

“Ich habe schon immer Spaß an IT gehabt.” jungen Wilden sind natürlich besser als ich.” Im Winter zieht es ihn regelmäßig zum Ski-Fahren in die Berge: “Ich bin ein Wintersportler”. Kochen und essen tut Oskar Neda nach eigenen Aussagen auch gern: gutbürgerliche deutsche Küche kann er gut. Daneben serviert er Gästen gern mediterrane Kost und zur Abwechslung asiatische Gerichte. Gelegentlich zieht es ihn in der Freizeit auf Rock-Konzerte oder auch mal zu Punkrock und Ska.

Das Programm P20: ehrgeizige Ziele Bei aller Freude an der Arbeit bleibt der Beruf fordernd. Neben der Dezernentenrolle nimmt Neda noch tragende Funktionen beim Programm P20 wahr. Das Programm hat den langfristigen Aufbau eines einheitlichen Informationsmanagements für alle deutschen Polizeien zum Ziel, das allen Polizistinnen und Polizisten optimale Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten bieten soll. Für das Land Niedersachsen sitzt er da in verschiedenen Gremien. Darüber hinaus ist er Themenführer und Teilprojektleiter für den Bereich “Mobilität” und technischer Themenführer beim Projekt WIPRAS (Wiederholungsprognose Assistent). Während das thematisch eng fokussierte WIPRAS “prima” läuft, kämpft

“Ich war bereit für den Wechsel, aber dann als Entwickler und nicht für die polizeilich fachliche Seite. Ich wollte programmieren und nicht Pflichtenhefte schreiben.”

das Teilprojekt Mobilität mit den komplexen Entscheidungsprozessen des Föderalismus. Die Saarbrücker Agenda von 2017 weise absolut in die richtige Richtung, so der Teilprojektleiter Mobilität: “Ich bin davon überzeugt, dass wir als Polizeien diese Ziele anstreben müssen, fraglich ist nur, ob wir mit der Art und Weise, wie wir die Umsetzung anpacken, erfolgreich sein werden. Wir Polizeien sollten mehr darauf vertrauen, dass wir alle in die gleiche Richtung streben.” Als erstes Produkt hat sich das niedersächsische Teilprojekt den “Messenger” – eine Art Whats­ Up für den Dienstgebrauch – als zentrale Komponente der polizeilichen Kommunikation vorgenommen. Entstanden ist ein Konzept auf Basis der OpenSource-Software (OSS) Matrix. Deren Vorteile liegen laut Oskar Neda auf der Hand: Zum einen ist Matrix OSS lizenzkostenfrei, sodass Weiterentwicklung und Weitergabe an Behörden völlig unproblematisch ist. Zum anderen erlaubt die Matrix-Architektur eine nahtlose Interoperabilität mit bereits eingeführten polizeilichen Messengern anderer Hersteller: “Wir benutzen im Alltag ja auch unterschiedliche Mailprogramme und können uns gegenseitig adressieren. So funktioniert das bei Matrix auch.” Dem Argument, Matrix sei proprietären Messengern in Sachen Funktionalität unterlegen, widerspricht Neda. Matrix sei eine Kommunikationsplattform, die nicht nur Menschen miteinander verbinden könne, sondern Menschen mit Systemen und Systemen untereinander. Das Ganze sei auf dem Weg, eine Internet-of Things(IoT)-Plattform zu werden.

Auf dem Weg in die polizeiliche Praxis Und wann bekommen die Polizistinnen und Polizisten Matrix in die Hand? Der Probebetrieb laufe bereits in Niedersachsen, im BKA und in Hessen, teilt Oskar Neda mit: “Und das funktioniert auch.” Als nächstes soll der Messenger in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in den Einsatz gehen. Seine Unzufriedenheit mit den verschlungenen Entscheidungsprozessen der P20Gremien will der Teilprojektleiter gar nicht verbergen: “Wir ringen seit einem Jahr um einstimmige Entscheidungen.“ Erst Anfang Juli beschlossen die Teilnehmer schließlich, der Projektgruppe den entsprechenden Auftrag zu erteilen. Es geht also weiter. In Hannover steht man zudem in den Startlöchern, um mit der Entwicklung des nächsten Produkts anzufangen: “Wir haben eine Abfrage gemacht und anhand eines Modells festgehalten, in welchen Bereichen mobile IT bereits heute eine große Rolle spielt.“ Was noch fehlt, ist die notwendige Priorisierung aus Bund und Ländern: “Diese soll zeitnah in den P20-Gremien durchgeführt werden, zumindest der Zeitplan dafür steht schon.” Die Arbeit an weiteren Produkten steht. Leider, so Oskar Neda, sei die Forderung des früheren P20-Programmleiters Andreas Lezgus “Föderalismus neu denken!“ noch lange nicht vollständig umgesetzt.


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