Behörden Spiegel August 2022

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Behörden Spiegel / August 2022

Probleme mit alten Mobiltelefonen Das Problem liege aber weniger auf der Seite der Sender, sondern auf der Seite der Empfänger. Die Autoren des Beitrages, Yves Ferrand und Johannes Rundfeldt, schreiben von einem “gravierenden Problem in der Umsetzung”. Die Richtlinie definiere verschiedene vierstellige Message Iden-

(BS/bk) Das Thema Warnung der Bevölkerung ist seit dem ersten Warntag 2020 und dann noch mal nach der Flutkatastrophe 2021 ein stetes Sorgenkind. Zuerst funktionierte das Auslösen der Warninfrastruktur 2020 nicht flächendeckend, da die Server überlastet waren. Dann wurde 2021 Wirkbetrieb ab Februar 2023 überhaupt nicht gewarnt. Jetzt sucht man sein Heil im Aufbau der Sireneninfrastruktur und in Cell Broadcast. Doch es könnte sein, dass gerade der Der Warnkanal Cell Broadcast neue Warnkanal nicht die erhoffte Wirkung zeigt. werde nach dem Ende der Testtifier (ID) bzw. Kanalnummern, die für öffentliche Warnungen vorgesehen sind. Damit würden 16 Nachrichten-Typen festgelegt, die sich je nach Alarmart, -reichweite und -sprache unterscheiden würden. Diese vierstelligen IDs seien jedoch in den allermeisten älteren Mobiltelefonen gar nicht

vorgesehen, schreiben die AG KRITIS-Experten. Sie gehen davon aus, dass DE-Alert, so der Name des Cell Broadcast-Warnkanals, nur zuverlässig bei Smartphones mit Google-Android ab Version 11 und mit Apple-Endgeräten ab iOS 16 funktioniere. Bei älteren Android-Geräten könne man zwar die DE-Alert manuell einstellen, dafür müsse man aber ein erfahrener Nutzer sein. “DEAlert funktioniert definitiv nicht bei älteren Mobiltelefonen, die

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risen sind allgegenwärtig – dies ist keine neue Entwicklung. Mit der Corona-Pandemie und der Rückkehr des bewaffneten Konflikts auf den europäischen Kontinent wurden die Gesellschaft und auch das DRK vor Herausforderungen von beispiellosem Ausmaß gestellt. Zu den ersten Erkenntnissen gehörte, dass für die Bewältigung dieser neuen Herausforderungen ein 360°-Grad-Blick erforderlich ist, um tatsächlich ein vollständiges Lagebild zu erhalten und umfassend handeln zu können. In der Sicherheitsarchitektur der Welt führen Verunsicherung und Spannungen im Welthandel, Verschiebungen im politischen Gefüge und die Entwicklung von neuen politischen Playern auf der Weltbühne zu Strukturveränderungen. Als Drehscheibe Europas wird sich Deutschland diesen Herausforderungen stellen müssen. Demografische Veränderungen, Pandemien, Massenanfälle von Verletzten und Erkrankten (MANV) und großflächige Betreuungslagen fordern das Hilfeleistungssystem in Deutschland von der Ortsebene bis hin zur Bundesebene. Überall gilt es Hindernisse, zur Realisierung einer (sektoren-) übergreifenden Versorgung zu überwinden. Arbeitsteilige Prozesse gilt es aus der Perspektive der Menschen neu auszurichten. Leistungsstrukturen müssen für das DRK immer gleichzeitig an den Determinanten “medizinische Leistung”, “Wirtschaftlichkeit” und “Idealauftrag” ausgerichtet sein.

Bevölkerungsschutz für zukünftige Krisen stärken Der Bevölkerungsschutz steht – auch das ist inzwischen in den Köpfen angekommen – vor gewaltigen Herausforderungen,

desministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), der BNetzA und mit den in Deutschland tätigen Mobilfunkanbietern sowie den Software- und Endgeräteherstellern eng zusammen.

Cell Broadcast als Lösung?

Sprecher der AG KRITIS befürchten, dass Cell Broadcast bei Android-Geräten u. a. erst ab Version 11 zuverlässig funktioniert. Ältere Geräte könnten das Nachsehen haben. Foto: BS/iXimus, pixabay.com

braucht es, damit die Mobilfunknetzanbieter den Warnkanal auch einführen können.

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Sorgenkind Warnung

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n einem Blogbeitrag der AG KRITIS, einer unabhängigen Arbeitsgruppe, die sich der ITSicherheit und dem Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) verschrieben hat, weisen zwei Sprecher der Gruppe auf ein mögliches Problem hin. Es könnte sein, dass nicht alle Mobiltelefone technisch in der Lage seien, eine Warnmeldung zu erhalten. Hintergrund ist folgender: Im Februar dieses Jahres hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) die “Technische Richtlinie DE-Alert (TR DE-Alert)” veröffentlicht. Diese regelt die technischen Einzelheiten, damit zukünftig die Mobilfunknetze zur Warnung der Bevölkerung eingesetzt werden können. Diese Maßnahmen

Katastrophenschutz

nur dreistellige Message Identifier unterstützen, wie ältere Nokia oder Ericsson”, so die Autoren. Stand heute seien nur weniger als die Hälfte aller Smartphones und Mobiltelefone in Deutschland technisch in der Lage, Warnungen des DE-Alert-Systems zu empfangen. Die BNetzA teilt mit, dass man mit bei der Richtlinie dem internationalen Standard gefolgt sei. Eine dreistellige ID sei zwar diskutiert, aber von Seiten des Bedarfsträgers insbesondere mit Blick auf die damit verbundenen systemischen und funkzellenindividuellen Kapazitätsreduktionen als zu unvorteilhaft eingeschätzt worden. Diese Entscheidung werde jetzt überprüft. Als Folge fordern die AG KRITISSprecher, die Richtlinie auch auf dreistellige Message Identifier zu erweitern, die Möglichkeit einer Testumgebung, in der zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt werden, und Anleitungen zur Einstellung von DE-Alert bei älteren Endgeräten.

Zweite Auflage des Warntages Auf Anfrage des Behörden Spiegel antwortete das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK): “Die Rolle des BBK ist es, Warnmeldungen aus dem Modularen Warnsystem über die in seinem Verantwortungsbereich liegende Schnittstelle (CBE) an die zentralen Sendesysteme (CBC) der Netzbetreiber zu übergeben. Alle weiteren technischen Aspekte des Warnkanals Cell Broadcast lie-

gen nicht im Einflussbereich des BBK.” Verantwortlich sei hierbei die BNetzA. Vonseiten der BNetzA heißt es auf Anfrage: "Die Bundesnetzagentur verfügt über keine eigenen Informationen zum Anteil der Endgeräte, die technisch in der Lage sein werden Cell-BroadcastWarnmeldungen zu empfangen." Die Agentur teile jedoch die Einschätzung, dass ein großer Teil älterer Endgeräte nicht in der Lage sein werde, diese Warnmeldungen zu empfangen. Deshalb

prüfe die BNetzA eine ergänzende geringfügige Anpassung der technischen Vorgabe. Ggf. werde die TR DE-Alert überarbeitet. Weiter heißt es vom BBK, dass die Implementierung des neuen Warnkanals in vollem Gange sei. Mit dem bundesweiten Warntag am 8. Dezember 2022 solle in Deutschland eine intensive operative Testphase des neuen Kanals beginnen. Das Bundesamt arbeite hierzu mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), dem Bun-

phase Ende Februar 2023 für die warnenden Stellen im Modularen Warnsystem des Bundes (MoWaS) freigeschaltet, heißt es vonseiten des . Damit der Wirkbetrieb rechtzeitig aufgenommen werden könne, würden die beteiligten Akteure die notwendigen Anwendungen sowie technischen Einrichtungen für den Einsatz von Cell Broadcast als Warnmittel sukzessive ausbauen. Gleichzeitig würden für den Empfang der Nachrichten ggfs. erforderliche Updates der Smartphone-Betriebssysteme vorgenommen.

Digitaler Katastrophenschutzkongress ATE THE D E V A S 2022 Der Weg zur resilienten Gesellschaft

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Bevölkerungsschutz 360° Das DRK im Einsatz (BS/Björn Stahlhut*) Unter dem Motto “Bevölkerungsschutz 360° – Hilfe, Hoffnung, Handeln. Das DRK im Einsatz” stand der diesjährige Messeauftritt des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Rahmen der Interschutz in Hannover.

reichen, wie der Ersten Hilfe und der Pflege von Hilfebedürftigen, gestärkt werden. Ziel muss es sein, mindestens zwei Prozent der Bevölkerung im Laufe der Legislaturperiode für solche Krisenlagen auszubilden und zu qualifizieren.

Aufwachsende Betreuungslagen

DRK-Generalsekretär Christian Reuter informierte sich auf der Interschutz in Hannover. Foto: BS/Christian Wyrwa, DRK

Auf seinem Messestand präsentierte das DRK technische Lösungen wie Drohnen.

beispielsweise durch Extremwettereignisse, neue pandemische Szenarien, asymmetrische Bedrohungslagen oder CyberGefahren. Die derzeit im Haushalt des Bundesinnenministeriums vorgesehenen 700 Millionen Euro im Jahr reichen da nicht aus, um auf nationaler Ebene einen nachhaltigen und umfassenden Bevölkerungsschutz sicherzustellen. Für eine zukunftsgerechte Vorsorge, Vorhaltung, Infrastruktur und Ehrenamtsunterstützung ist eine dauerhafte Verstetigung der jährlichen Bundesmittel auf mindestens zwei Milliarden Euro jährlich (0,5 Prozent des Bundeshaushaltes – derzeit: 0,14 Prozent) notwendig.

Personaleinsatz, besonders in gefährlichen Situationen, so gering wie möglich zu halten. Moderne Drohnentechnik unterstützt bei der Lageerkundung, bei Personensuchen und beim Ausleuchten von Einsatzorten. Die moderne Technik hilft den Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen dabei, Einsätze effektiv zu leiten, Kräfte zielgerichtet zu koordinieren und, wo immer erforderlich, die notwendigen Dokumentationspflichten zu erledigen. Das alles ist erforderlich, aber eben nicht zum Nulltarif zu bekommen.

Der Rettungsdienst und der erweiterte Rettungsdienst Auch in der operativen Leistungserbringung sind die Mit-

arbeitenden und Ehrenamtlichen des DRK und der anderen Hilfsorganisationen zunehmend mit komplexen Einsatzlagen konfrontiert. Da gibt es keinen Unterschied zu den Kräften und Helfenden der Feuerwehren oder des Technischen Hilfswerks (THW). Auch sie müssen trainiert sein für Schadensereignisse, die nicht alltäglich sind, wie etwa eine Explosion in einem U-Bahn-Schacht. Damit dennoch jeder Handgriff sitzt und jeder Versorgungsschritt geübt ist, wird das Praxistraining mit Virtual Reality so ergänzt, dass sogenannte MANV-Notfälle ohne großen Aufwand, unbegrenzt oft und identisch geübt werden können. Der Rettungsdienst und der erweiterte Rettungsdienst nutzen also modernste Technik, um schnell, flexibel und autark zu sein und den erforderlichen

Foto: BS/Isabell Massel, DRK

Das Ehrenamt Die Systeme Rettungsdienst und Zivil- und Katastrophenschutz bilden – im Sinne eines sozialraumnahen Bevölkerungsschutzes – Bestandteile eines integrierten Notfallvorsorge- und Hilfeleistungssystems, das ins-

gesamt auf die Beteiligung Ehrenamtlicher angewiesen bzw. ausgelegt ist. Die Schaffung von ehrenamtsfreundlichen Rahmenbedingungen, u. a. durch die Erreichung einer Helfergleichstellung, ist dabei die erste Maxime.

Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung Unerwartete Ereignisse, Störungen des Alltages bis hin zu Krisen und Katastrophen stellen heutige Gesellschaften schnell vor große Herausforderungen. In akuten Krisensituationen muss die Zivilbevölkerung deshalb handlungsfähig sein, um sich auch selbst zu schützen. Außerdem besteht die Notwendigkeit einer Reserve an einsatzfähigen, geschulten Unterstützungskräften aus der Bevölkerung. Die Selbstschutzfähigkeit der Bevölkerung in Krisenlagen muss vor diesem Hintergrund in besonderen Be-

Die Implementierung der Betreuungsreserve des Bundes für den Zivilschutz leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes in Deutschland. Das Hochwasser im Sommer 2021, die Bewältigung der Corona-Pandemie sowie die Flüchtlingsbewegungen im Zuge des Ukraine-Krieges zeigen, dass wir dringend solche Reserven benötigen. Im Rahmen potenzieller Einsätze des “Labor Betreuung 5.000” kann die breite Handlungsfähigkeit des Mobilen Betreuungsmoduls über die Kernfähigkeiten der Betreuung, nämlich Unterkunft, Schlafmöglichkeiten und Erstversorgung mit Betreuungsmaterial, Gesundheit, WASH (Water, Sanitation and Hygiene), Stromerzeugung und Verpflegung sichergestellt werden. Das Material ist so ausgelegt und zusammengestellt, dass es flexibel eingesetzt werden kann. Diese Flexibilität macht es zudem möglich, zeitnah Lücken in einzelnen Teilbereichen zu schließen. Die Botschaft aus Hannover lautet: Alle Akteure im Bevölkerungsschutz sind nun gemeinsam gefordert, Ideen in Maßnahmen umzusetzen, um die Gesellschaft resilienter gegenüber Katastrophen und lang anhaltenden Krisen werden zu lassen. *Björn Stahlhut ist Teamleiter im Bereich Nationale Hilfsgesellschaft des DRK-Generalsekretariats.


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