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Vorbemerkung
BURGHARD CIESLA
Ursprünglich war vorgesehen, dass zu der im Sommer 2013 entstandenen Filmdokumentation »Protokoll einer Schließung« – die dieser Veröffentlichung beiliegt – ein Begleitbuch entstehen sollte, das verschiedene Aspekte und Themen, die im Film nur gestreift oder gar nicht erzählt wurden, vertiefen sollte. Schon während der Dreharbeiten im Sommer 2013 und dann beim Schnitt des Films hatten sich Fragen ergeben, die von den Zeitzeugen nicht oder nur noch vage oder ungenau beantwortet werden konnten und die sich als »weiße Flecken« der bislang erforschten Geschichte zu diesem Thema erwiesen. Nach der Uraufführung der Dokumentation am 22. Oktober 2013 in der HNEE im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung mit Vorträgen und einer Podiumsdiskussion – siehe Anhang – sollte spätestens zum Frühjahr 2014 der Film mit Begleitbuch in den Buchhandlungen vorliegen. Doch nach der Veranstaltung gab es zahlreiche Hinweise auf Spuren, denen es zu folgen galt, und das war nicht Teil des »ursprünglichen Plans« gewesen. Vor allem waren es die Lebensgeschichten der Akteure von damals und ihr Einfluss bzw. Nicht-Einfluss auf die Ereignisse, die zum Teil heute nicht mehr, nur unscharf oder nicht mehr umfassend aufklärbar sind.
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Zudem hatte sich Anfang der 1990er Jahre der Mitautor Hans-Friedrich Joachim schon einmal auf Spurensuche begeben. Drei Jahrzehnte nach der Schließung von 1963 konnte er hierzu eine umfangreiche Studie vorlegen und brachte damit erstmals Licht ins Dunkel. Er hatte in bis dahin nicht zugänglichen Archivbeständen recherchiert, aber wichtige Archivmaterialien wie die des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR oder die vollständigen Akten der verschiedenen Gerichtsprozesse von 1962 standen ihm damals nicht zur Verfügung.1 Zwei Jahrzehnte später bot sich in dieser Hinsicht eine deutlich bessere Materiallage, die es erlaubte, auf der Grundlage der Forschungsergebnisse von 1993 die Geschichte der Fakultätsschließung differenzierter und auch in neuen Zusammenhängen zu erzählen. Hauptprobleme der Arbeit waren hierbei, wie schon deutlich gemacht, immer wieder die ambivalenten menschlichen Erinnerungen. Die Akteure von
damals hatten die Entwicklungen jeweils anders erlebt. Dieses unterschiedliche Erleben des vergangenen Geschehens musste verstanden, in Verbindung gebracht und dargestellt werden, was dann immer wieder auch zu einer Art »kriminalistischer Ermittlungsarbeit« ausuferte.
Zwangsläufig war es erforderlich, das nun vorliegende umfangreiche Material immer wieder neu kritisch auszuwerten, einzuordnen, zu interpretieren und zu verknüpfen. Der Termin im Frühjahr 2014 erwies sich deshalb schnell als unrealistisch. Es ging bald nicht mehr um ein Buch zum Film, da immer offensichtlicher wurde, dass die Geschichte der Schließung der Eberswalder Forstfakultät im Kleinen und im Großen erzählt werden musste. So entstand eine Mikro-, Meso- und Makrogeschichte, bei der »unterwegs« oft nur klar war, wohin die vielen Erzählstränge führen würden – zur Auflösung der Forstwirtschaftlichen Fakultät im Jahre 1963.
Die Autoren entschlossen sich deshalb, einem bewährten Prinzip zu folgen. Wir erzählten die Geschichte der Schließung chronologisch und hatten damit aber wiederum das Problem, dass wir uns detailliert Jahr für Jahr (1945–1963) mit der Geschichte der Eberswalder Forstfakultät und damit auch der Stadt, Region und der »großen Politik« auseinandersetzen mussten, was bislang so noch nicht geleistet wurde. Das war 2013, wie schon angedeutet, nicht vorgesehen und erforderte eine andere Herangehensweise, die einerseits mehr Zeit und andererseits neue Recherchen nach sich zog. Dazwischen gab es für die Autoren die nicht vorhersehbaren Unwägbarkeiten des Lebens, die mehrfach zu Unterbrechungen an der Arbeit am Buch führten. »Trotz alledem« – es liegt nun eine geschlossene Geschichte der Eberswalder Forstwirtschaftlichen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin von 1946 bis 1963 vor.2 Die beiliegende Filmdokumentation zeigt wiederum, wie die politischen Gründe zum tragenden Element der Schließung der Eberswalder Forstfakultät wurden. Diese Gründe sind der zentrale Aspekt für die Auflösung der Fakultät, aber längst nicht die ganze Geschichte für das Verständnis des jahrzehntelangen Verschwindens der forstlichen Lehre in der »grünen Hochschulstadt der Mark«.3