Zu Konzeption, praktischen Ansätzen und neuen Herausforderungen demokratiegeschichtlicher Erinnerungsarbeit Bernd Faulenbach
»Demokratiegeschichte« wird in der Geschichtswissenschaft seit dem Zweiten Weltkrieg – allerdings meist nicht unter diesem Label – erforscht. Und auch Politikwissenschaft und politische Bildung haben sich mit unserer Demokratie und ihrer Vorgeschichte durchaus seit der Nachkriegszeit beschäftigt.1 »Erinnerungsarbeit« und »Erinnerungskultur« spielen in der deutschen Diskussion jedoch erst seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eine größere Rolle. Sie kreisten und kreisen um die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus und den in dieser verübten Massenverbrechen und ihren Opfern. Ihre Formen sind vielfältig; bedeutsam für sie sind zahlreiche Gedenkstätten und Orte, die zum Teil erst seit den 80er Jahren entstanden sind oder ältere Bemühungen um sichtbare Erinnerung aufgegriffen haben. Der Begriff »demokratiegeschichtliche Erinnerungsarbeit«, ein zusammengesetzter Begriff, ist sehr jungen Datums und versucht, die verstärkte Hinwendung zur Demokratiegeschichte in Erinnerung, Erinnerungsarbeit und Erinnerungskultur begrifflich zu fassen. Im Hinblick auf das Arbeitsfeld »demokratiegeschichtliche Erinnerungsarbeit« möchte dieser Beitrag (erstens) die Konzeption, die hinter den demokratiegeschichtlichen Bemühungen erkennbar wird, umreißen. Zu fragen ist: Was macht die Erinnerungsarbeit aus? Dabei geht es um das Verhältnis von Geschichte und Gegenwart, von Wissenschaft und Erinnerungsarbeit, um die Wertbezüge demokratischer Erinnerungsarbeit, das heißt um die normative Dimension und die Zielsetzungen. Zweitens ist die Praxis der demokratiegeschichtlichen Erinnerungsarbeit, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat, zu charakteri15
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