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Literatur trifft Kunst – Kunst trifft Literatur

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Literatur trifft Kunst –

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Kunst trifft Literatur

»Schrift und Bild, d. h. schreiben und bilden sind wurzelhaft eins«,1 schrieb Paul Klee in seinen Unterrichtsnotizen, die während seiner Lehrtätigkeit am Bauhaus entstanden. Was er damit auszudrücken sucht, ist die Vorstellung, dass Literatur und Kunst dem gleichen Impuls entspringen – sie folgen dem Wunsch, einer Idee Gestalt zu geben.

Beispiele für eine gegenseitige Anziehung zwischen den beiden Künsten findet man zahlreich. Viele bedeutende Künstlerinnen und Künstler schufen bereits Arbeiten inspiriert von Werken der Weltliteratur. Exemplarisch dafür steht die kongeniale Zusammenarbeit von Henrik Ibsen und Edvard Munch. Munch schuf nicht nur Skizzen und Zeichnungen zu dem Stück Gespenster (1881) und Arbeiten zu Peer Gynt (1867), er erfand in diesem literarischen Zusammenhang auch einen seiner Archetypen, die weiß gekleidete Frau, die bei Ibsen als Solveig in Erscheinung tritt. Auch bei der Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz hinterließ ein dramatisches Werk künstlerische Spuren. Geprägt von den tiefen Eindrücken der Uraufführung von Gerhart Hauptmanns Drama Die Weber, entstand zwischen 1893–1897 der Radier-Zyklus Ein Weberaufstand. Der Surrealist Salvador Dalí erschuf umfangreiche druckgrafische Serien mit bis zu 100 Blättern, in denen er sich mit literarischen Texten auseinandersetzte. Unter den teilweise als Illustrationen zu Buchausgaben entstandenen Arbeiten befinden sich Holzstiche zu Dante Alighieris Göttlicher Komödie (1960), fantasievolle Heliogravüren zum Roman Alice im Wunderland (1969) und Lithografien zu Don Quichotte (1956/57) sowie Kaltnadelradierungen zu J. W. Goethes Faust I (1968/69). Auch Gedichte regen zu künstlerischen Schöpfungen an, wie die großformatige Werkreihe Untitled (Roses) des amerikanischen Künstlers Cy Twombly aus dem Jahr 2008 zeigt, die assoziativ Bezug nimmt auf Verse von Ingeborg Bachmann und Emily Dickinson.

Literatur trifft Kunst – Kunst trifft Literatur

Andersherum lassen sich auch Literaten und Dichter von Kunstwerken zu ausführlichen Gedankenspielen inspirieren. Häufig sind es persönlich-subjektive Kunstbeschreibungen wie die poetischen Ausführungen des Dichters Rainer Maria Rilke in seinen Briefen über Cézanne (1907), in denen er sein persönliches Erlebnis der Bildbetrachtung und seine Wahrnehmung von Farben und Formen zum Ausdruck bringt.

Ein gutes Kunstwerk regt zum Erzählen an, es fördert den Dialog und den Austausch von Gedanken. Es scheint also naheliegend, auch Geschichten zu Kunstwerken zu schreiben. In diesem Band sind literarische Texte von bekannten Schriftstellerinnen und Schriftstellern versammelt, die inspiriert von ausgewählten Kunstwerken der Graphothek Berlin, zu ganz unterschiedlichen Textformen finden. In einigen werden anhand von Assoziationen Geschichten erdacht oder die Bildhandlung wird weitererzählt. Manche Texte basieren auf biografischen Daten, in anderen wecken die Bildinhalte Erinnerungen an eigene Erlebnisse der Autorinnen und Autoren. Humorvoll, nachdenklich oder in Erinnerungen schwelgend, eröffnen die Texte einen neuen, frischen Blick auf künstlerische Inhalte. Dabei werden gesellschaftlich oder persönlich relevante Themen in den Blick genommen, in denen sich die Leserinnen und Leser wiederfinden können.

Die Publikation begleitet eine Ausstellung in der Graphothek Berlin sowie in der Galerie im Fontane-Haus, in der die Kunstwerke im Original zu betrachten sind. Die Auswahl setzt sich aus Werken berühmter Künstlerinnen und Künstler, aber auch weniger bekannter lokaler Kunstschaffender zusammen. Dabei wird die künstlerische Vielfalt der Sammlung durch die verschiedenen künstlerischen Stile und Techniken wie Malerei, Druckgrafik und Fotografie abgebildet.

Cornelia Gerner und Ricarda Vinzing

1 Paul Klee: Bildnerische Gestaltungslehre, I. 1. Gestaltungslehre als Begriff.

Zentrum Paul Klee, Bern. In: www.kleegestaltungslehre.zpk.org. 9

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