Als die Presse wieder das Laufen lernte - 60 Jahre BDZV

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Als die Presse wieder das Laufen lernte – 60 Jahre BDZV 65 Jahre Grundgesetz, Gründung der Bundesrepublik und Aufhebung des Lizenzzwangs für die Presse. 60 Jahre BDZV. Der Kalender des Jahres 2014 ist gefüllt mit bedeutsamen Daten für die deutsche Presse.


Als die Presse wieder das Laufen lernte – 60 Jahre BDZV

Als die Presse wieder das Laufen lernte – 60 Jahre BDZV

Von Gernot Facius

Ein Mittwoch im Frühherbst vor 65 Jahren – ein Datum von historischer, revolutionärer Bedeutung für die noch junge freie Nachkriegspresse: Erst vor zwei Wochen hat sich in Bonn, der provisorischen Bundeshauptstadt, der erste Deutsche Bundestag konstituiert, und nun, am 21. September 1949, kommt vom Petersberg, dem Sitz der Alliierten Hohen Kommission, ein Signal, das eine enorme Dynamik in die sich entwickelnde Medienlandschaft bringt. Mit ihrem Gesetz Nr. 5 unter der prosaischschlichten Überschrift „Über die Presse, den Rundfunk, die Berichterstattung und die Unterhaltungsstätten“ gestatten die Hochkommissare der drei westlichen Besatzungsmächte jedem in der Bundesrepublik lebenden Deutschen (mit Ausnahme ehemaliger Nationalsozialisten, die von den Spruchkammern als „Hauptschuldige“ oder „belastet“ eingestuft worden waren), ohne vorherige Genehmigung Periodika oder Einzelschriften zu veröffentlichen. Der „Lizenzzwang“, in mehreren der Bundesländer schon Monate zuvor gelockert, nachdem das am 23. Mai verkündete Bonner Grundgesetz ausdrücklich die Presseund Informationsfreiheit garantiert hatte (Artikel 5), ist nun endgültig gefallen. Die Zeitungen in Deutschland-West können die Zügel der

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Sieger des Zweiten Weltkrieges abstreifen. Dank der „Generallizenz“ steht dem freien Spiel der (Markt-)Kräfte nichts mehr im Wege. Die weitere Konsequenz: Durch die neue Freiheit werden die Verleger unterschiedlicher Herkunft und Richtung zum Nachdenken über eine optimale Vertretung ihrer berufsständischen Interessen gegenüber Staat und Gesellschaft gezwungen. Es gehen allerdings noch mehr als vier Jahre ins Land, bis es, nach zähen Verhandlungen, zur Gründung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) kommt: als alleinige Interessenvertretung. Medien-Neuordnung in Deutschland Ein Blick zurück: 1945, in der legendären „Stunde Null“ hatten die Sieger des Zweiten Weltkriegs die Medien-Neuordnung in Deutschland zur Chefsache gemacht. Genau genommen gab es diese Stunde nicht, denn schon am 24. Januar 1945 , als an einigen Fronten noch gekämpft wurde, erschien in Aachen die erste neue Zeitung; andere Nachrichtenblätter entstanden mit dem Vorrücken der alliierten Truppen in rascher Folge. Das „Stunde Null“Schlagwort erfüllte eher das Bedürfnis von

Chronisten nach plakativen, griffigen Formulierungen für ein aufregendes Kapitel der Zeitgeschichte. Alle Besatzungsmächte waren darauf aus, so der Dortmunder Presseforscher Kurt Koszyk, „so etwas wie eine Kopie der eigenen Verhältnisse zu reproduzieren“. Bis Ende 1949 erschienen in den westlichen Besatzungszonen 149 von der jeweiligen Militärregierung lizenzierte Zeitungen, in den Westsektoren Berlins 20. Ihr Auftrag: „Umerziehung“ des deutschen Volkes zur Demokratie. Eine Rückkehr zu dem „einst dominierenden Zeitungstyp der standpunktlosen Mischpresse“ sollte ausgeschlossen bleiben. Die Amerikaner erstrebten eine „überparteiliche, unabhängige“ Presse mit Herausgebern unterschiedlicher politischer Couleur; die Briten genehmigten meist „Parteirichtungszeitungen“; die Franzosen orientierten sich an einer Mischung aus beidem; die Sowjets beauftragten ausschließlich Parteien und Massenorganisationen mit der Herausgabe. Das war also die Situation, als die neue deutsche Presse das Laufen lernte – an der lenkenden Hand und unter den wachsamen Augen der Alliierten. Theodor Heuss über die „Deutsche Presse“ Der große Liberale Theodor Heuss, einer der Lizenzträger und Mitherausgeber der „RheinNeckar-Zeitung“ in Heidelberg, später der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, schrieb am 5. September 1945 in einem Leitartikel, dem er den Titel „Deutsche Presse“ gab: „Wie mag es gelingen, der deutschen Presse ein Stück ihrer freien Würde zurückzugewinnen? Wir sind keineswegs des Glau-

bens, dass auf diesem Gebiet vor 1933 alles in Ordnung gewesen sei und dass es sich bloß darum handle, an das Damalige anzuknüpfen. Wir müssen uns zunächst völlig nüchtern Rechenschaft geben, auch vor den Lesern, dass das nicht möglich ist. Denn wir wollen nicht mit Illusionen und Selbstbetrug beginnen. Deutschlands staatlich-politische Souveränität ist durch Hitler verspielt und vernichtet worden […]. Jetzt herrschen die Anderen, die Sieger. Das ist nun ganz unsentimental der einfache Tatbestand. Wir können ihn keinen Augenblick vergessen, und wenn es auch unser Ziel sein muss, die Würde der Presse zurückzugewinnen, so sind wir nicht töricht genug, von einer wiedergeschenkten Freiheit der Presse zu reden. Aber es ist eine Chance gegeben, dass deutsche Männer unter freier Verantwortung gegenüber der Militärregierung wie gegenüber dem deutschen Volke versuchen könnten, selber die Sinndeutung des deutschen Schicksals aufzunehmen.“ Der Alltag der Lizenzzeitungen war von vielen Behinderungen bestimmt, die Blätter unterlagen zunächst der Vorzensur, später einer Nachzensur. Als zum Beispiel die „Neue Ruhr Zeitung“ (Essen) im August 1946 über den Beginn der Waffenproduktion in der sowjetisch besetzten Zone berichtete, seien die „Herren von der Pressezensur recht ungemütlich geworden“, erzählte „NRZ“-Herausgeber Dietrich Oppenberg 1985 in einem Vortrag an der Universität Bochum. Kritik an Verbündeten der Besatzungsmacht war tabu. Der Schriftsteller Heinrich Böll verglich die Politik der Lizenzerteilung durch die Alliierten mit der Verleihung von Herzogs- oder Fürstentiteln im Mittelalter.

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Andere sprachen polemisch von einer „Lizenz zum Gelddrucken“, die den neuen Verlegern gewährt worden sei. In der Tat, die Situation war alles andere als ideal. Das erkannten auch Mitglieder des Parlamentarischen Rats, die 1948 in Bonn über ein Grundgesetz berieten. Ein von „Altverlegern“ präsentiertes Manifest mit der Forderung nach Wiederherstellung der vollen Pressefreiheit wurde von führenden Politikern, darunter Konrad Adenauer (CDU) und Carlo Schmid (SPD), unterschrieben. Selbst Lizenzträger unterstützten diese Initiative. Das Memorandum wurde allen Abgeordneten des britischen Unterhauses zugestellt. Die Besatzungsmächte wurden zu einer Entscheidung, die den Interessen der sich diskriminiert fühlenden „Altverleger“ entgegenkam, herausgefordert. „Hierzu wäre freilich anzumerken“, schrieb der Schriftsteller Peter de Mendelssohn (19081982) in seinem berühmten Buch „Zeitungsstadt Berlin“, „dass die alten Zeitungstitel Eigentum ihrer vormaligen Verleger waren und blieben und nicht einmal eine Militärregierung sie ohne Weiteres verschenken konnte. Und zur Ehre der neuen ,Lizenzträger‘ muss gesagt werden, dass sie gar nicht auf den Gedanken kamen, mit fremden Federn geschmückt unter falscher Flagge zu segeln. Sie wollten ehrlich aus eigenen Kräften etwas Neues aufbauen, auch wenn es ihnen den Vorwurf des ,völligen Bruchs mit der deutschen Vergangenheit‘ eintrug.“ Aufblühende Presselandschaft Das Gesetz Nr. 5 der Westalliierten vom 21. September 1949, die „Generallizenz“, sorgte

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für die Wende. Innerhalb eines halben Jahres stieg die Zahl der Zeitungen um etwa 400 auf 568. Der Herbstanfang vor 65 Jahren bescherte der jungen Bundesrepublik einen Pressefrühling – eine aufblühende Presselandschaft. Soviel Aufbruch war selten. Es waren überwiegend die von den Besatzungsmächten geschmähten „Altverleger“, für die jetzt kein Berufsverbot mehr galt, die nun auf den Markt der Nachrichten und Meinungen zurückkehrten. Und es begann allmählich auch die Phase der verbandspolitischen Orientierung. In Etappen, in zähen Verhandlungen, bevor dann der große Durchbruch gelang.

Robert Faber. Der Magdeburger Verleger, Druckereibesitzer und Redakteur hatte schon Anfang des 20. Jahrhunderts dafür gekämpft, die Stellung der Zeitung als Kulturfaktor, unabhängig von wirtschaftlichem und politischem Einfluss, zu sichern. Der promovierte Jurist Faber war es auch, der noch im Kaiserreich die Schaffung eines objektiven Nachrichten- und Informationsdienstes über auswärtige Angelegenheiten für die deutsche Presse anregte, eine Idee, die jedoch erst mit der Gründung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am 18. August 1949 verwirklicht wurde.

Die von den Alliierten mit einer Lizenz versehenen „Neuverleger“ beziehungsweise ihre auf Länderebene etablierten Vereine hatten sich am 1. September 1949 zum Gesamtverband der Deutschen Zeitungsverleger zusammengeschlossen. Am selben Tag reaktivierten „Altverleger“, die sich 1948 in der Arbeitsgemeinschaft für Pressefragen mit Sitz in Bergisch Gladbach zusammengetan hatten, ebenfalls in Erwartung des offiziellen Endes des Lizenzzwangs, den Verein Deutscher Zeitungsverleger (VDZV), einen traditionsreichen, 1894 gegründeten Verband. 1934 war er aufgelöst worden, weil man sich den nationalsozialistischen Machthabern nicht beugen wollte. In diesem Jahr könnte er, wäre die deutsche Geschichte nicht anders verlaufen, seinen 120. Geburtstag feiern. Ein weiteres medienhistorisch bedeutsames Datum im Jahr 2014.

Nur langsam bewegten sich die beiden Lager, Alt- und Neuverleger, seit Herbst 1949 aufeinander zu. In Arbeitsgemeinschaften bahnten sich erste Kontakte an. Vielen in der Branche war recht früh klar geworden: Der Dualismus in der Verbandspolitik schadet dem gemeinsamen Ziel, eine „wahre demokratische Pressefreiheit“ in der erst wenige Monate alten Bundesrepublik zu festigen. Die neue Freiheit verlangte geradezu nach einer Konzentration der Kräfte. „Der VDZV verkennt nicht, dass die Weiterentwicklung der deutschen Presse ein gemeinsames Anliegen der Organisationen der Verleger ist. Ein auf die Spitze getriebener Konkurrenzkampf würde der deutschen Presse Wunden schlagen, die ihre Leistung herabdrücken müssten und letzten Endes zulasten des deutschen Volkes gehen würden“, formulierte, etwas gespreizt, der VDZV in seinen Richtlinien.

Energische Persönlichkeiten mit politischem Weitblick standen für den alten VDZV, der seit 1900 das Verbandsorgan „Der Zeitungs-Verlag“ herausgab. Zum Beispiel Friedrich Gustav

Beim Gesamtverband dachte man ähnlich. Das brachte, wie sich der Verleger des „Darmstädter Echo“ Hans J. Reinowski erinnerte, „die verantwortlich im Verbandswesen der

Tagespresse tätigen Männer sehr bald zu der Einsicht, dass es auf Dauer kein Gegeneinander zwischen den beiden Verlegergruppen, sondern nur ein Miteinander, ein gemeinsames Wirken zum Wohle der neuen freiheitlichen Ordnung in Staat und Gesellschaft, aber auch zum Wohle aller demokratischen Zeitungsverleger, unbeschadet ihrer politischen Einstellung, geben dürfe“.

Vom Verbands-„Dualismus“ zum Bundesverband Repräsentanten beider Spitzenorganisationen nahmen Anfang 1951 Fusionsgespräche auf, ein Jahr später kam es zur Einigung auf ein Organisationsstatut für einen Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, und im Januar 1953 wurde in Baden-Baden der erste Zusammenschluss auf Länderebene formell vollzogen: zum Verein Südwestdeutscher Zeitungsverleger. Es folgten bald Fusionen in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Auf Bundesebene ließ der Schlussstrich unter den Verbands„Dualismus“ noch länger als ein Jahr auf sich warten – bis dann von den Beauftragten beider Lager, die am 14. Juli 1954 in Bad Godesberg zusammenkamen, ein markantes Stück deutscher (Nachkriegs-)Verbandsgeschichte geschrieben wurde. Das Protokoll ihrer Aussprache vermerkte trocken: „Übereinstimmung in den beiderseitigen Auffassungen“. Nach vierjährigen Verhandlungen war der Weg frei für die Gründung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), föderalistisch gegliedert, als alleinige Spitzenorganisation. Eine Delegiertenversammlung nahm am nächsten Tag einstimmig die ausgehandelte

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Satzung an. Die paritätische Präsenz der beiden nebeneinander existierenden Verlegerorganisationen wurde durch einen Kompromiss gewährleistet. Danach sollte sich die Zahl der von den Mitgliedsverbänden für die Delegiertenversammlung zu bestellenden Vertreter nach der Höhe der Auflage und der Zahl der Mitgliedsverlage des jeweiligen Landesvereins richten. Auf je 500.000 Auflage sollte ein Delegierter, auf je 30 Mitgliedsverlage ein weiterer Vertreter entfallen. Der 15. Juli 1954 gilt nach der Einigung von Bad Godesberg somit als Gründungsdatum des BDZV. „Es war eine gänzlich andere Republik“, kommentierte 60 Jahre später der Westdeutsche Rundfunk (WDR) das Ereignis. Die deutschen Fußballer waren gerade als Weltmeister aus Bern zurückgekehrt, die Chronik vermeldete den Flug der Dash 80, der späteren Boeing 707, von New York nach Hamburg, das Fernsehen steckte noch in den Kinderschuhen, Papier und Druckfarbe waren noch immer knappe Güter, doch die Zeitung gehörte wie selbstverständlich auf den Frühstückstisch. Ein „strukturelles Erdbeben“, ausgelöst durch die digitale Revolution, hat inzwischen die gesamte Medienlandschaft verändert, trotzdem bleiben die 1954 niedergeschriebenen BDZVGrundsätze aktuell: Sicherung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit, Wahrung der gesellschaftlichen Funktion, Förderung des Ansehens der Presse in der Öffentlichkeit, Vertretung gegenüber Bundesregierung, Parlamenten und Behörden, Stärkung der Meinungsvielfalt, fairer Wettbewerb innerhalb der Branche, Wahrnehmung der Tarifautonomie, unter anderem

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durch Abschluss von Tarifverträgen und Pflege internationaler Beziehungen. Andere Wirtschaftsverbände, deren Mitglieder nicht solchen Restriktionen von alliierter Seite unterlagen wie die Verleger und Herausgeber der Tagespresse, konnten sich früher konstituieren. Der BDZV: ein verspäteter Verband. Zum Zeitpunkt seiner Gründung repräsentierte er 508 Zeitungen mit einer Auflage von 13,7 Millionen Exemplaren. Heute vertritt der BDZV (seit dem Jahr 2000 in Berlin ansässig) mit seinen elf Landesverbänden die Interessen von 286 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 14,3 Millionen sowie von 13 Wochenzeitungen mit knapp einer Million Exemplaren.

Acht Präsidenten in 60 Jahren

Dr. Hugo Stenzel, BDZV-Präsident von 1954 bis 1963

Dr. Anton Betz, BDZ-Präsident von 1963 bis 1967

Dr. Hellmut Girardet, BDZV-Präsident von 1968 bis 1970

Professor Dr. Johannes Binkowski, BDZV-Präsident von 1970 bis 1980

Professor Alfred Neven DuMont, BDZV-Präsident von 1980 bis 1984

Rolf Terheyden, BDZV-Präsident von 1984 bis 1992

Wilhelm Sandmann, BDZV-Präsident von 1992 bis 2000

Helmut Heinen, BDZV-Präsident seit 2000

Acht Präsidenten in 60 Jahren Zurück ins Gründungsjahr 1954: Erster Präsident des BDZV wurde Dr. Hugo Stenzel, Verleger und Herausgeber der „Frankfurter Neuen Presse“ (FNP). Die Biografie des aus dem Rheinland stammenden promovierten Staatswissenschaftlers und Publizisten spiegelt ein Stück wechselvoller deutscher Geschichte wider. Stenzel musste, nachdem ihm die Nationalsozialisten Berufsverbot erteilt hatten, mit einer Leihbücherei in Kassel seinen Lebensunterhalt verdienen. Nach Kriegsende machte er vorübergehend Karriere in der hessischen Polizeiverwaltung, bevor ihm die Amerikaner eine Lizenz für die FNP erteilten. Auf Stenzel, der bis 1963 amtierte, folgte der „Rheinische Post“-Verleger Dr. Anton Betz (1963-1967). Von 1968 bis 1970 stand Dr. Hellmut Girardet („General-Anzeiger“, Wuppertal) an der Verbandsspitze. Professor Dr. Johannes Binkowski

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(„Schwäbische Post“, Aalen) führte den BDZV von 1970 bis 1980. Sein Nachfolger war bis 1984 Professor Alfred Neven DuMont („Kölner Stadt-Anzeiger“, „Express“). Auf ihn folgte Rolf Terheyden („Bocholter-Borkener Volksblatt“), an seine Stelle trat 1992 Wilhelm Sandmann (Mediengruppe Madsack, Hannover), und seit 2000 ist Helmut Heinen (Herausgeber der „Kölnischen Rundschau“, Mitgesellschafter des Berliner Verlags) BDZV-Präsident.

Rahmenbedingungen ein pressefreundliches Klima schaffen.“ Dem liefen aber manche „wohlgemeinten“ politischen Initiativen wie Werbebeschränkungen für bestimmte Produkte zuwider. Immer wieder, nicht nur in der Konzentrationsdebatte, musste der BDZV gegen fragwürdige Versuche ankämpfen, in das Innenleben der Zeitungen einzugreifen, ob von staatlicher Seite her oder durch Ansprüche gesellschaftlicher Gruppen.

In 60 Jahren nur acht Präsidenten: ein Zeichen von Kontinuität. Ein Merkmal, das auch auf das von dem Verband vertretene Produkt zutrifft. Die Zeitung in all ihren Spielarten und in einem hoch diversifizierten Informationsund Serviceangebot sei das „Leitmedium Deutschlands“ geblieben, konnte der BDZV auf seiner jüngsten Jahrespressekonferenz befriedigt feststellen. In einer zunehmend fragmentierten Medienwelt sei die Zeitung der „Kommunikationsriese“. Die Zeitungsmarken erreichten über alle Kanäle hinweg mehr als 57 Millionen Menschen in Deutschland.

Leseförderung und Qualitätssicherung

Alle BDZV-Führungen stimmten darin überein: Die wichtigste Aufgabe der Verbandsarbeit ist die Wahrung der Unabhängigkeit der Presse. Und fundamentale Voraussetzung für ein unabhängiges Pressewesen ist die wirtschaftliche Stabilität der Verlage. Anders als andere wirtschaftliche Interessenvertretungen hat die Gemeinschaft der Zeitungsverleger nie nach Staatszuschüssen oder Subventionen gerufen. „Solche Vorstellungen“, sagt Präsident Helmut Heinen, „sind mit dem Selbstverständnis unabhängiger Arbeit unvereinbar. Der Staat kann nur über gute wirtschaftliche und politische

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Als eine der ersten Organisationen hat der Verband Anfang 1980 auf eine gesellschaftspolitisch problematische Entwicklung hingewiesen: das rückläufige Leseinteresse großer Teile der Bevölkerung. Leseförderung wurde eine der neuen Aufgaben. Sie drückte sich unter anderem in der Gründung der „Aktion Lesen“ aus, zusammen mit den Verbänden der Buchund Zeitschriftenverleger, und in konkreten Leseförderungsprojekten wie „Zeitung in der Schule“. Um zentrale Werte der Medienkultur wie Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Verantwortung zu erhalten, müsse „die Qualität gesichert und der Zugang zu Qualitätsmedien für alle garantiert werden“ (Helmut Heinen). Auch die Initiative zur Gründung der Stiftervereinigung für die Presse, die Forschung für die Presse betreibt, ging vom BDZV aus. Die Qualitätssicherung steht im Zentrum der Arbeit der ZV-Akademie, einer 1991 als ZV ZeitungsVerlag Service gegründeten Einrichtung des BDZV, die ein umfangreiches Fortbildungsprogramm und Fachpublikationen anbietet, und der Akademie Berufliche Bildung der deutschen Zeitungsverlage (ABZV), dem 1989 als

Arbeitsgemeinschaft der deutschen Zeitungsverlage gegründeten journalistischen Bildungswerk der Zeitungen. In seinen kommunikationspolitischen Einlassungen hat der BDZV stets die besondere Funktion der Presse für die Gesellschaft hervorgehoben. Er präzisierte allerdings im Lauf der Jahre, wie die „öffentliche Aufgabe“ der Zeitungen, ein leicht missverständlicher Begriff, zu deuten ist: ausschließlich im Sinn einer soziologischen Funktionsbeschreibung. Auf keinen Fall handele es sich um einen vom Staat an die Presse herangetragenen Auftrag. Also lieber „öffentliche Funktion“ statt „öffentliche Aufgabe“. In seiner unter dem Titel „Im Interesse der Zeitung“ publizierten Dortmunder Dissertation aus dem Jahr 1994 geht Volker Schulze, ehemaliger Hauptgeschäftsführer des BDZV, auf das berufliche Selbstverständnis der Verleger ein. Wenn auch die Satzung die Vertretung der ideellen und materiellen Interessen der Zeitungsverlage als primären Verbandszweck bezeichne, habe sich der BDZV seit jeher vorrangig oder doch zumindest gleichgewichtig als berufsständische Interessenvertretung der Zeitungsunternehmer verstanden: als Repräsentanz der Zeitungsverleger, der Inhaber und verantwortlichen Leiter der Zeitungsunternehmen. Vor allem ihre „publizistische Aufgabe“ zu wahren, sei, so Schulze, das ausdrückliche Ziel des Verbandes. In den Fokus rückt hier der Anspruch auf die geistige Führung der Zeitung. Ein Thema, das bereits in der Programmatik des alten Vereins Deutscher Zeitungsverleger eine Rolle spielte und bei den Journalisten heftigen Wider-

spruch auslöste. Es genüge nicht, hatte der VDZV-Vorsitzende Faber ausgeführt, dass der Verleger von den technischen und geschäftlichen Problemen etwas Außerordentliches verstehe, aber den „eigentlichen Geist seines Unternehmens, den redaktionellen Teil, ausschließlich seiner Redaktion“ überlasse. Seine Aufgaben lägen vielmehr in der „richtigen allgemeinen Orientierung des redaktionellen Teils“. Verleger-Persönlichkeit Diesen publizistischen Anspruch erneuerte der vor 65 Jahren wiederbegründete VDZV. „Händler mit bedrucktem Papier sind keine Verleger“, hielt er in seinen etwas spröde formulierten Richtlinien fest. Der Verband trete für die Pressefreiheit „im Sinne der die Zeitung in ihrer Grundhaltung bestimmenden und daher der Öffentlichkeit und dem Gesetz verantwortlichen Verleger-Persönlichkeit“ ein. Knapper, aber mit gleichem Tenor, fassten ehemalige Lizenzträger ihre Auffassung von der Rolle des Verlegers zusammen: „Der Repräsentant der Zeitung ist der Verleger.“ Er „trägt als Herausgeber die Verantwortung für die grundsätzliche Haltung und Zielsetzung der Zeitung.“ An diesem verlegerischen Selbstverständnis hat sich auch 60 Jahre nach der Gründung des BDZV nichts geändert, auch wenn sich der Trend vom Verleger als Alleininhaber über den geschäftsführenden Gesellschafter von Personengesellschaften im Familienbesitz bis hin zu angestellten Verlegern in Kapitalgesellschaften beschleunigte. Der BDZV hat sich bei

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der Verteidigung seiner Position nicht zuletzt auf das Karlsruher „Spiegel“-Urteil vom 5. August 1966 berufen. Danach haben Verleger das Recht, die Binnenstruktur ihres Unternehmens selbst zu organisieren. In der medienpolitischen Debatte, ausgelöst durch den Konzentrationsprozess und die Tendenz zur „Demokratisierung“ aller gesellschaftlichen Bereiche, haben die BDZV-Delegierten am 2. Juli 1968 beschlossen, den Auftrag an den Verband, die publizistische Aufgabe der deutschen Zeitungsverleger zu wahren, in der Satzung zu verankern. Beide Facetten des Verlegerberufs – Verlagseigentümer oder Manager – werden in der Verbandspolitik gleichgewichtig vertreten. Professor Binkowski nannte in einem Vortrag während der Jahrestagung 1976 den Verleger einen „Unternehmer besonderer Art“. Und der BDZV-Zeitungskongress 1987 in Köln postulierte: „Die Verknüpfung der publizistischen und der wirtschaftlichen Verantwortung, die er [der Verleger] wahrnimmt, darf nicht aufgelöst werden.“ Dieser Appell hat auch 2014, sechs Jahrzehnte nach der Gründung des Verbands, seine Berechtigung.

Der Autor Gernot Facius, freier Journalist, Bonn

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