Investitionen in der Warteschleife

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WACHSTUMSAUSBLICK EUROPA

Investitionen in der Warteschleife

Europas Wachstum 2025/26 bleibt moderat

▪ Der Euroraum dürfte moderat wachsen, trotz verschärftem weltweitem Wettbewerb: Trotz Zollkompromiss mit den USA bleibt die Belastung für den Außenhandel hoch. Die Euro-Aufwertung und Umlenkungseffekte im Welthandel erhöhen den Druck auf europäische Unternehmen. Wir erwarten für den Euroraum ein Wachstum von rund 1,2Prozent im Jahr 2025 und 1,1 Prozent für 2026 – getragen vor allem vom Binnenkonsum.

▪ Fiskalische Impulse konzentriert, Gesamtwirkung begrenzt: Deutschland setzt mit umfangreichen Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben den stärksten Impuls im Euroraum. In vielen anderen Mitgliedstaaten hemmt der Konsolidierungsdruck die Ausgabenpolitik, sodass die fiskalische Ausrichtung insgesamt weitestgehend neutral bleibt.

▪ Investitionsagenda bleibt zentrale Bewährungsprobe: Die Verteidigungsausgaben steigen deutlich, und es gab zuletzt einige positive Investitionsankündigungen im Bereich Digitales. Jedoch ist die Gesamtinvestitionsquote in der EU leicht rückläufig. Ob die von Mario Draghi vorgeschlagene Investitionsagenda umgesetzt wird, ist mehr als zweifelhaft – erste Indikatoren sprechen gegen eine ausreichende Ausweitung privater und öffentlicher Investitionen.

▪ Wachstumskräfte stärken: Die Erholung im Euroraum bleibt verhalten und das Wachstumspotenzial zu niedrig, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Europa muss die Investitionsbedingungen verbessern, den EUHaushalt strategisch auf Zukunftsprojekte ausrichten, den Binnenmarkt vertiefen und Strukturreformen konsequent umsetzen. Entscheidend sind Fortschritte bei Innovation, Digitalisierung und industrieller Resilienz im Sinne des Draghi-Berichts und des EU-Kompasses. Absichtserklärungen reichen nicht mehr – konkrete Maßnahmen sind überfällig.

Einleitung

Die europäische Wirtschaft sieht sich nach wie vor mit erheblichen Herausforderungen in einem zunehmend fragmentierten globalen Umfeld konfrontiert. Zwar wurde im Sommer ein Zollkompromiss mit den USA erzielt, doch die Belastungen für den Außenhandel bleiben hoch: Die effektiven Zölle liegen weiterhin bei rund 13 Prozent und die Unsicherheit über die künftige Ausgestaltung handelspolitischer Maßnahmen ist nicht vollständig ausgeräumt. Hinzu kommt die kräftige Aufwertung des Euro seit Jahresbeginn, welche die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zusätzlich mindert. Zudem verschärfen Umlenkungseffekte im Welthandel den Wettbewerbsdruck, insbesondere durch Anbieter aus Asien.

Gleichzeitig zeigen sich erste Entlastungsfaktoren: Die geldpolitische Lockerung der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Finanzierungsbedingungen etwas verbessert und die Arbeitsmärkte bleiben robust. Dennoch bleibt die Investitionsdynamik insgesamt noch verhalten. Fiskalische Impulse konzentrieren sich vor allem auf Deutschland und greifen nur langsam, während einige andere Mitgliedstaaten unter Konsolidierungsdruck stehen. Für die kommenden Jahre stellt sich daher die zentrale Frage, ob die Investitionstätigkeit im Euroraum – über den Verteidigungsbereich hinaus – spürbar zunehmen wird und ob die von Mario Draghi vorgeschlagene Investitionsagenda tatsächlich umgesetzt wird. Erste Indikationen deuten jedoch darauf hin, dass die Investitionen außerhalb des Verteidigungsbereichs bislang nicht ausreichend steigen. Spürbare Effekte auf das Wachstumspotenzial sind daher erst mittelfristig zu erwarten – unter der Voraussetzung, dass Investitionen deutlich ausgeweitet und Strukturreformen konsequent umgesetzt werden. Stand heute gilt: Die EU liefert in Summe nicht.

Vor diesem Hintergrund bleibt die Erholung im Euroraum insgesamt verhalten und ist stark von der Widerstandsfähigkeit der Binnenwirtschaft abhängig. Der private Konsum profitiert von steigenden Reallöhnen, während die Staatsausgaben das Wachstum in einigen Ländern stützen. Demgegenüber belasten die Nettoexporte und strukturelle Standortschwächen das Wachstum. Das Wachstum bewegt sich damit in etwa am über die Jahre gesunkenen moderaten Potenzial. Dieses ist selbst zu niedrig, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand langfristig zu sichern. Die Risiken für unsere Prognose sind überwiegend abwärtsgerichtet – insbesondere durch mögliche Eskalationen im Handelskonflikt, geopolitische Spannungen, eine schwächere globale Nachfrage sowie erhöhte Finanzmarktrisiken. Zudem dürfte der China-Schock – verstärkt durch den US-Zollschock – weiterhin weitgehend ungebremst auf die Produktion und Beschäftigung in der europäischen Industrie durchschlagen. Dies erstreckt sich nicht nur auf die Einfuhren in den europäischen Binnenmarkt, sondern auch auf die weltweiten Marktanteilsgewinne chinesischer Firmen in vielen verschiedenen Branchen. Diese profitieren von mehrjährigen Subventionsprogrammen, einer kräftigen Abwertung des Renminbi, Überkapazitäten mit Exportdruck sowie langjährig schwachen Produzentenpreisen.

Mit unserem Wachstumsausblick bieten wir einen kompakten Überblick über die wichtigsten makroökonomischen Entwicklungen im Euroraum. Wir beleuchten die maßgeblichen konjunkturellen Treiber und Risiken, ordnen die Rolle fiskal- und handelspolitischer Impulse in den europäischen Kontext ein und untersuchen, ob die Investitionsagenda tatsächlich umgesetzt wird. Unser Ziel ist es, Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine fundierte Grundlage für strategische Einschätzungen und wirtschaftspolitische Weichenstellungen zu bieten.

Wachstum im Euroraum

Wachstum im Euroraum verlangsamt sich – Impulse aus dem ersten Quartal lassen nach

Die Wirtschaft des Euroraums ist im dritten Quartal 2025 im Jahresvergleich um 1,4 Prozent gewachsen, nach 1,5 Prozent im zweiten und 1,6 Prozent im ersten Quartal. Insbesondere im ersten Quartal erhielt die europäische Wirtschaft einen temporären Schub durch Vorzieheffekte im Zusammenhang mit dem Zollkonflikt mit den USA. Dieser Impuls ebbte jedoch rasch ab. Zugleich dürften die eingeführten Zölle ihre volle wirtschaftliche Wirkung erst in den kommenden Quartalen entfalten. Dies zeigt sich insbesondere im Quartalsvergleich: Während das BIP im Euroraum im ersten Quartal noch robust um 0,6 Prozent zulegte, fiel das Wachstum im zweiten und dritten Quartal mit jeweils 0,1 bzw. 0,2 Prozent deutlich verhaltener aus.

Wie die folgende Grafik verdeutlicht, wurde das Wachstum im ersten Halbjahr 2025 vor allem vom privaten Konsum und den Staatsausgaben getragen. Auch die Bruttoanlageinvestitionen leisteten einen positiven Beitrag. Demgegenüber bremsten die Nettoexporte das Wachstum, insbesondere im zweiten Quartal, als sie das BIP um nahezu einen Prozentpunkt verringerten.

BIP-Wachstumsbeiträge* im Euroraum, in Prozent

Private Konsumausgaben Vorratsveränderungen

Konsumausgaben des Staates Bruttoanlageinvestitionen

*Veränderung ggü. Vorjahr, kalender- und saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Eurostat

Handelsbilanz

Total

Nachdem die Industrieproduktion im weniger volatilen Zwei-Monats-Durchschnitt zwischen Mai 2023 und Januar 2025 rückläufig war – unter anderem belastet durch die im internationalen Vergleich weiterhin hohen Energiepreise – zeichnet sich seit Februar 2025 eine Trendwende ab. Insbesondere im Frühjahr lagen die Zuwachsraten zeitweise bei über zwei Prozent, was unter anderem auf

Vorzieheffekte im US-Handel zurückzuführen sein könnte. Anschließend schwächte sich das Wachstum wieder leicht ab und belief sich im September zuletzt auf rund ein Prozent.

Industrieproduktion* im Euroraum, in Prozent

*Volumenindex, 2-Monats-Durchschnitt, saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Eurostat

Vor diesem Hintergrund stieg die Kapazitätsauslastung zuletzt wieder leicht an und erreichte im vierten Quartal 2025 78,2 Prozent. Damit liegt sie jedoch weiterhin unter dem langfristigen Durchschnitt seit 1985 von 80,7 Prozent, was auf eine insgesamt gedämpfte Industriekonjunktur hinweist.

Kapazitätsauslastung* im Euroraum, in Prozent

*saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, DG ECFIN, Europäische Kommission

Nach der Industrieproduktion lohnt sich ein Blick auf den Einzelhandel, da dieser als wichtiger Indikator für die Konsumnachfrage und damit für die Stärke der Binnenkonjunktur gilt. Gerade in einer Phase, in der die Industrie nur verhalten wächst, kann der private Konsum entscheidend für die gesamtwirtschaftliche Dynamik sein.

Wie im nachfolgenden Schaubild zu sehen, verzeichnet der Einzelhandel im Euroraum bereits seit März 2024, also seit knapp eineinhalb Jahren, wieder Aufwärtsbewegungen und damit deutlich früher als die Industrie. Diese nahm, wie eingangs erwähnt, erst ab Februar 2025 leicht zu und blieb insgesamt moderat. Besonders dynamisch zeigte sich der Einzelhandel zwischen August 2024 und Juli 2025 mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 2,5 Prozent. Seit August 2025 hat das Wachstum etwas nachgegeben: Es lag bei 1,5 Prozent und sank im September 2025 auf 0,9 Prozent.

Einzelhandel* im Euroraum (ohne Kraftfahrzeuge)

*Veränderung ggü. Vorjahr, kalender- und saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Eurostat

Wachstumsausblick geprägt vom US-Handelsstreit und Neuausrichtung der Finanzpolitik

Der europäische Wachstumsausblick für das Jahr 2025 wird von zwei zentralen Faktoren beeinflusst: Einerseits wirken sich die jüngsten Entwicklungen im Handelsstreit mit den USA spürbar auf die Exportperspektiven der europäischen Unternehmen aus, andererseits prägt die Neuausrichtung der Finanzpolitik innerhalb des Euroraums die Binnenwirtschaft in unterschiedlichem Maße.

Die im Juli 2025 erzielte Einigung zwischen der EU und den USA hat die Belastung durch die zuvor eingeführten US-Zölle nur geringfügig reduziert. Der durchschnittliche Effektivzollsatz liegt seit August bei rund 12,9 Prozent (Sachverständigenrat 2025) und damit etwas niedriger als in unserer Frühjahrsprognose, in der wir von einem No-Deal-Szenario ausgegangen sind. Der Sachverständigenrat weist zudem darauf hin, dass, falls bisher ausgenommene Produkte wie Halbleiter, pharmazeutische Wirkstoffe oder kritische Mineralien künftig ebenfalls dem Zollsatz von 15 Prozent unterliegen sollten, der durchschnittliche Effektivzollsatz um weitere 4,6 Prozentpunkte ansteigen würde. Damit läge die Belastung wieder nahezu auf dem Niveau unserer Frühjahrsannahmen. Die Unsicherheit hat ebenfalls nur geringfügig abgenommen. So ist die endgültige Ausgestaltung in Bereichen, die aktuell

Untersuchungen unterliegen (Section 232), weiterhin offen und sektorale Zölle – insbesondere bei Metallen und verarbeiteten Produkten – bleiben mit bis zu 50 Prozent deutlich erhöht. Zudem dürfte ein Großteil des wirtschaftlichen Schadens bereits im laufenden Jahr durch die Zollmaßnahmen und Unsicherheitseffekte entstanden sein. Ausführliche Details hierzu finden sich im Kapitel „Makroökonomische Rahmenbedingungen”.

Demgegenüber wird die Finanzpolitik in einigen Mitgliedstaaten expansiver ausgerichtet. Deutschland setzt dabei mit umfangreichen Investitionen in die Infrastruktur und den Klimaschutz sowie mit höheren Verteidigungsausgaben den stärksten Impuls. In den meisten anderen Mitgliedstaaten steigen die Verteidigungsausgaben ebenfalls deutlich, während in einigen Ländern – etwa Italien und Frankreich –Konsolidierungsdruck besteht, wodurch sich die Gesamtwirkung im Euroraum abschwächt. Weitere Details zur Finanzpolitik und zur Ausweitung der Investitionen in Europa im Rahmen der von Mario Draghi vorgeschlagenen Investitionsagenda sind im Kapitel „Makroökonomische Rahmenbedingungen” zu finden.

PMIs zeigen ein gemischtes Bild, politische Unsicherheiten sind nach wie vor hoch

Die aktuellen Frühindikatoren für die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum zeichnen ein gemischtes Bild. So erreichte der von S&P Global erhobene vorläufige HCOB-Einkaufsmanagerindex (PMI) im November 2025 52,4 Punkte. Damit lag er nur marginal unter dem Wert des Vormonats, als der Composite PMI ein 29-Monats-Hoch erreicht hatte. Die allgemeine Verbesserung konzentriert sich weiterhin auf den Dienstleistungssektor, wo der PMI ein 18-Monats-Hoch erreichte. Der PMI für die Industrie fiel mit 49,7 Punkten jedoch erneut unter die Expansionsschwelle von 50 Punkten. Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, zufolge sehen sich die Unternehmen nach wie vor mit einer schwachen Nachfrage konfrontiert, was sich in einem leichten Rückgang der Auftragseingänge widerspiegelt

Im Vergleich zu den PMI-Signalen blieben die von der Europäischen Kommission erhobenen Stimmungsindikatoren für den Unternehmenssektor zuletzt weitgehend unverändert beziehungsweise zogen, abgesehen von der Industrie, leicht an Das Vertrauen in der Industrie ist seit August 2025 erneut leicht rückläufig, wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.

Indikatoren des Unternehmervertrauens* im Euroraum

*Salden, saisonbereinigt

Bauwesen Einzelhandel Dienstleistungen

Quellen: Macrobond, DG ECFIN, Europäische Kommission

Die wirtschaftspolitische Unsicherheit in Europa – insbesondere in Deutschland – hat sich seit dem Frühjahr 2025 von den zuvor extrem hohen Niveaus nur leicht zurückgebildet und verbleibt deutlich über dem langjährigen Mittel. Der zugrunde liegende Economic-Policy-Uncertainty-Indikator (siehe nachfolgendes Schaubild) zeigt weiterhin ausgeprägte Ausschläge, was auf ein anhaltend volatiles wirtschaftspolitisches Umfeld hinweist. Dies dürfte kurzfristige Investitionsentscheidungen und Planungen von Unternehmen erschweren. Die hohe Volatilität könnte zugleich sowohl geopolitische Unsicherheiten als auch laufende Debatten über fiskal- und strukturpolitische Maßnahmen widerspiegeln. Dies unterstreicht, dass Frühindikatoren derzeit nur schwer zu interpretieren sind.

Index* der wirtschaftspolitischen Unsicherheiten

Europa Italien Deutschland Frankreich Spanien

*nachrichtenbasierte Indizies

Quellen: Macrobond, Economic Policy Uncertainty

Angesichts eines weiterhin anspruchsvollen Umfelds, das durch anhaltende Belastungen im Außenhandel, der Aufwertung des Euros sowie strukturellen Herausforderungen am Standort Europa geprägt ist, aber auch durch robuste Arbeitsmärkte, eine geldpolitische Lockerung durch die EZB und langsam einsetzende fiskalische Impulse in einigen europäischen Mitgliedstaaten gestützt wird, prognostizieren wir für den Euroraum ein Wachstum von rund 1,2 Prozent im Jahr 2025. Damit liegt die Prognose über unserer Frühjahrsannahme von 0,8 Prozent, jedoch unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre von 1,5 Prozent (Eurostat 2025).

Zu beachten ist, dass die Wachstumserwartung für Irland mit 10,7 Prozent ungewöhnlich hoch ausfällt. Grund hierfür sind die sehr hohen Exporte von Pharmazeutika in die USA im ersten Halbjahr 2025. Ohne Irland würde das Wachstum im Euroraum im Jahr 2025 lediglich 0,9 Prozent betragen.

Die Konjunktur im Euroraum wird vor allem von der Binnenwirtschaft getragen: Der private Verbrauch profitiert von steigenden Reallöhnen, während die öffentlichen Ausgaben leicht stützend wirken. Demgegenüber belasten die Nettoexporte das Wachstum, da hohe US-Zölle und die durch die Euro-Aufwertung verschlechterte preisliche Wettbewerbsposition wirken. Auch die Unternehmensinvestitionen bleiben verhalten.

Für das Jahr 2026 rechnen wir mit einem Wachstum von 1,1 Prozent. Dieses wird durch den Binnenkonsum, eine allmähliche Investitionsbelebung und fortgesetzte fiskalische Impulse unterstützt, während die außenwirtschaftlichen Belastungen voraussichtlich bestehen bleiben werden.

Deutschland

Nachdem das reale BIP im Jahr 2024 lediglich das Niveau von 2019 vor Ausbruch der Corona-Pandemie erreichte und sich somit kaum erholte, gewinnt die deutsche Wirtschaft auch 2025 kaum an Dynamik. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis 2025a) stagnierte das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal im Vergleich zum Vorquartal, nachdem es im zweiten Quartal um 0,2 Prozent zurückgegangen war und im ersten Quartal lediglich um 0,3 Prozent gestiegen war. Auch im Jahresvergleich zeigt sich nur wenig Dynamik: Nachdem es im ersten Quartal zu einer Stagnation und im zweiten Quartal zu einer leichten Schrumpfung gekommen war, stieg das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal leicht um 0,3 Prozent.

Die Wachstumsschwäche spiegelt sich in mehreren Bereichen wider: Der private Konsum bleibt trotz einer leichten Verbesserung seit Ende 2024 insgesamt verhalten, obwohl die Reallöhne spürbar gestiegen sind. Auch der deutsche Außenhandel konnte sich bislang nicht von den schwachen Ergebnissen der beiden Vorjahre erholen, in denen die preisbereinigten Exporte um 1,4 beziehungsweise 2,1 Prozent zurückgingen (Europäische Kommission 2025). Die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe zeigen weiterhin nur eine geringe Dynamik und die seit Ende 2022 bestehende Investitionsschwäche hält unverändert an.

Angesichts dieser Entwicklung erwarten die maßgeblichen Prognoseeinrichtungen für das Jahr 2025 ein insgesamt sehr geringes Wachstum. Der Sachverständigenrat (2025), die Herbstprojektion der Bundesregierung (BMWE 2025a), die Gemeinschaftsdiagnose (2025), die Europäische Kommission (2025) sowie der IWF (2025a) gehen übereinstimmend von einem realen BIP-Zuwachs von lediglich 0,2 Prozent aus. Aufgrund der jüngsten Frühindikatoren, die einen leichten Rückgang des BIP im vierten Quartal 2025 erwarten lassen, rechnen wir für dieses Jahr mit einem Mini-Wachstum von lediglich 0,1 Prozent. Dabei dürften die Nettoexporte und die Investitionen im Gesamtjahr weiter zurückgehen, während der Binnenkonsum dies nur annähernd ausgleicht.

Das Wirtschaftswachstum in Deutschland dürfte im Jahr 2026 infolge der jüngsten finanzpolitischen Weichenstellungen deutlich an Dynamik gewinnen. Die Koalition hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur konjunkturellen Stabilisierung verabschiedet, dessen Wirkung ab der zweiten Jahreshälfte dieses Jahres sukzessive einsetzen sollte. Nach vorläufigen Schätzungen beläuft sich der fiskalische Impuls auf knapp ein Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2026. Zusammen mit der hohen Zahl an Arbeitstagen, die rund 0,3 Prozentpunkte beitragen könnten (vgl. Sachverständigenrat 2025), rechnen wir auch mit einem Gesamtwachstum von einem Prozent. Dieses wird von einer anziehenden Investitionsdynamik sowie moderaten Impulsen aus dem öffentlichen und privaten Konsum getragen. Demgegenüber dürfte der Außenbeitrag nach wie vor stark negativ ausfallen. Damit liegen wir innerhalb der Bandbreite der Projektionen der maßgeblichen Prognoseinrichtungen. Diese reichen von 0,9

Prozent (IWF und Sachverständigenrat) bis 1,3 Prozent (Bundesregierung und Gemeinschaftsdiagnose), wobei die Europäische Kommission bei 1,2 Prozent liegt 1

Frankreich

Nach einem Wachstum von 1,2 Prozent im Jahr 2024 entwickelte sich die französische Wirtschaft zu Jahresbeginn zunächst verhalten, gewann dann jedoch an Dynamik. Im ersten Quartal 2025 stieg das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent, was vor allem auf Veränderungen der Lagerbestände zurückzuführen ist. Diese wurden vermutlich durch die Zurückhaltung der inländischen Produktion für den Export verursacht. Der private Konsum ging hingegen um 0,3 Prozent zurück. Im zweiten Quartal beschleunigte sich das Wachstum leicht auf 0,3 Prozent, bevor es im dritten Quartal mit 0,5 Prozent deutlich anzog. Während sich der Haushaltskonsum nur langsam erholte, zogen die Investitionen an (insbesondere in Investitionsgüter und Transportausrüstung). Der Außenhandel leistete im dritten Quartal einen bedeutenden Beitrag (0,6 Prozentpunkte), da die Importe leicht rückläufig waren und die Exporte nach einem schwachen ersten Halbjahr spürbar anzogen. Dies betraf insbesondere die Bereiche Transportausrüstung (insbesondere in der Luftfahrt), die zuvor eingelagert worden waren sowie Chemikalien und Pharma (Insee 2025, Europäische Kommission 2025).

Die Banque de France (2025) rechnet für das Gesamtjahr 2025 mit einem Wachstum von 0,7 Prozent. Dies stellt eine leichte Aufwärtskorrektur gegenüber der Projektion vom Juni dar. Grundlage dieser Revision sind der stärkere statistische Überhang aus dem ersten Halbjahr und die schon zur Zeit der Prognose erwarteten positiven Impulse im dritten Quartal. Für das Jahr 2026 wird eine moderate Erholung auf 0,9 Prozent prognostiziert. Dabei werden allerdings weniger günstige internationale Annahmen zugrunde gelegt (höherer Euro-Wechselkurs, höhere Ölpreise, schwächere externe Nachfrage) sowie anhaltende fiskalische Unsicherheit. Die Projektionen für 2026 wurden gegenüber Juni leicht nach unten korrigiert. Die Risiken für das Wachstum sind nach 2025 eher abwärtsgerichtet, vor allem aufgrund politischer Unsicherheit in Frankreich hinsichtlich der künftigen Fiskalpolitik. Diese könnte die abwartende Haltung von Unternehmen und Haushalten noch verstärken. Die Projektionen beruhen auf der Annahme einer gegenüber Juni unveränderten Fiskalpolitik, was für 2025 ein Defizit von rund 5,4 Prozent des BIP impliziert. Ab 2026 wird ein struktureller Anpassungsschritt von 0,6 Prozent des BIP unterstellt.

Der IWF (2025a) erwartet für Frankreich ein Wachstum von 0,7 Prozent im Jahr 2025 und 0,9 Prozent im Jahr 2026. Die Prognose wurde gegenüber dem Update vom Juli leicht angepasst (2025 um plus 0,1 Prozentpunkte, 2026 um minus 0,1 Prozentpunkte). Die Prognose der Europäischen Kommission (2025) liegt im Einklang mit der des IWF. Für 2026 rechnet die Kommission damit, dass die Nettoexporte 0,4 Prozentpunkte zum Wachstum beitragen werden, während das Wachstum des privaten Konsums voraussichtlich auf 0,6 Prozent anziehen wird und damit 0,3 Prozentpunkte zum Wachstum beiträgt. Nach zwei Jahren Rückgang dürften die privaten Investitionen wieder zulegen. Niedrige Zinssätze dürften diesen Prozess unterstützen, wenngleich die inländische Unsicherheit grundsätzlich dämpfend wirkt. Eine schrittweise Haushaltskonsolidierung ist in den Prognosen bereits berücksichtigt. So prognostiziert die Europäische Kommission (2025) auf Basis der Informationen aus dem Anfang Oktober dem Nationalparlament vorgelegten Haushaltsentwurf, dass sich das Defizit des

1 In ihrer letzten Prognose geht die Deutsche Bundesbank von einem Wirtschaftswachstum von null Prozent für 2025 und 0,7 Prozent für 2026 aus. Allerdings stammt die Prognose vom Juni und ist angesichts der sich schnell ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bereits teilweise veraltet.

Gesamthaushalts im Jahr 2026 auf 4,9 Prozent des BIP verringern wird, nach 5,5 Prozent im Jahr 2025 und 5,8 Prozent im Jahr 2024. Die Schuldenquote wird in diesem Zeitraum den Schätzungen zufolge von 113,2 Prozent auf 118,1 Prozent steigen.

Laut Banque de France (2025) wird die Inflation in Frankreich im Jahr 2025 deutlich zurückgehen und mit durchschnittlich ein Prozent einen der niedrigsten Werte im Euroraum erreichen. Hauptursachen hierfür sind niedrigere Energiepreise und eine Abschwächung der Inflation bei Dienstleistungen. Auch die Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) wird sinken und zwar von 2,3 Prozent im Jahr 2024 auf 1,7 Prozent im Jahr 2025. Für das Jahr 2026 wird ein leichter Anstieg der Gesamtinflation auf 1,3 Prozent erwartet, während die Kerninflation bei rund 1,6 Prozent stabil bleibt. Der IWF (2025a) prognostiziert mit 1,1 Prozent für 2025 und 1,5 Prozent für 2026 leicht höhere Werte, was die Einschätzung einer insgesamt sehr moderaten Preisentwicklung untermauert.

Wir erwarten für 2025 ebenfalls ein Wachstum von 0,7 Prozent, das auf das starke dritte Quartal zurückzuführen ist Für 2026 rechnen wir, wie in den oben angerissenen Prognosen, ebenfalls nur mit einem leichten Anziehen des Wachstums auf 0,9 Prozent. Dieses dürfte insgesamt durch externe Belastungen wie die jüngsten US-Zölle auf französische Exporte sowie durch die anhaltende fiskalische Unsicherheit und den Konsolidierungsbedarf im Inland gebremst werden.

Italien

Die italienische Wirtschaft zeigte zu Jahresbeginn eine leichte Erholung, verlor dann jedoch im weiteren Jahresverlauf an Dynamik. So stieg das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2025 gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent, um dann im zweiten Quartal leicht um 0,1 Prozent zurückzugehen. Das BIP betrug im dritten Quartal 0,1 Prozent im Quartalsvergleich und 0,6 Prozent im Jahresvergleich. Im dritten Quartal trug die Binnennachfrage 0,2 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum bei: jeweils 0,1 Punkte aus Konsum und Investitionen. Öffentliche Ausgaben hatten keinen Einfluss. Der Außenbeitrag war positiv (+0,5 Punkte), während Lagerveränderungen und Wertsachen das Wachstum um 0,6 Punkte minderten. Auf der Produktionsseite nahm die Wertschöpfung in der Landwirtschaft und im Dienstleistungssektor zu, während die Industrie leicht rückläufig war. Der statistische Überhang für das Gesamtjahr beträgt laut Istat (2025) 0,5 Prozent.

Die italienische Wirtschaft kämpft weiterhin mit strukturellen Herausforderungen, die in Teilen denen Deutschlands ähneln – insbesondere im Bereich der im internationalen Vergleich hohen Energiekosten. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die Industrieproduktion in Italien seit zweieinhalb Jahren rückläufig ist. Seit 2021 beläuft sich der Rückgang auf mehr als acht Prozent. Francesco Giavazzi, ehemaliger Wirtschaftsberater der früheren Ministerpräsidenten Mario Monti und Mario Draghi, schätzt sogar, dass die italienische Wirtschaft ohne die umfangreiche Unterstützung durch das europäische Wiederaufbauprogramm NextGenerationEU – dessen größter Empfänger Italien mit insgesamt knapp 200 Milliarden Euro ist – bereits spürbar schrumpfen würde (Börsen-Zeitung, 2025). So ist das Bruttoinlandsprodukt Italiens zwischen dem dritten Quartal 2022 und dem dritten Quartal 2025 lediglich um 1,5 Prozent gewachsen.

Die Banca d’Italia (2025) prognostiziert für die Jahre 2025 und 2026 jeweils ein Wachstum von 0,6 Prozent und für 2027 ein Wachstum von 0,7 Prozent. Das Wirtschaftswachstum dürfte dabei vor allem durch den privaten Konsum getragen werden, der von der Erholung der real verfügbaren Einkommen profitiert. Zudem werden Investitionen durch die Maßnahmen im Rahmen des Nationalen Aufbau- und Resilienzplans (NRRP) sowie durch niedrigere Finanzierungskosten begünstigt. Die

Auslandsnachfrage dürfte hingegen spürbar unter einer restriktiveren Handelspolitik leiden. Im Vergleich zu Juni wurde die Prognose für 2026 um 0,2 Prozentpunkte nach unten korrigiert – hauptsächlich aufgrund einer stärkeren Belastung der Exportseite durch die Aufwertung des Euros und höhere US-Zölle (Banca d’Italia 2025).

Der IWF (2025a) prognostiziert für Italien ein Wachstum von 0,5 Prozent im Jahr 2025 und 0,8 Prozent im Jahr 2026 und liegt somit zunächst leicht unter und dann leicht über den Prognosen der italienischen Zentralbank. Die Europäische Kommission (2025) geht für das Jahr 2025 sogar nur von einem Wachstum von 0,4 Prozent aus. Nettoexporte ziehen den Berechnungen zufolge 0,7 Prozentpunkte vom Wachstum ab, während der inländische Konsum einen Prozentpunkt und der Vorratsaufbau 0,1 Prozentpunkte beisteuert. Für das Jahr 2026 rechnet die Europäische Kommission wie der IWF mit einem Wachstum von 0,8 Prozent. Dieses wird vom inländischen Konsum und einer geringeren Belastung durch den Außenhandel im Vergleich zum Vorjahr getragen.

Unsere Einschätzung: Für 2025 erwarten wir ein schwaches Wachstum von rund 0,5 Prozent, getragen von moderatem Konsum und einer wachsenden Investitionstätigkeit. Letztere nahm insbesondere im zweiten Quartal kräftig zu, ist insgesamt jedoch weiterhin von Unsicherheiten belastet. Für 2026 rechnen wir mit einer leichten Beschleunigung auf etwa 0,8 Prozent, gestützt durch die Nutzung verbleibender NRRP-Mittel und eine moderate Investitionsbelebung. Die Risiken bleiben jedoch hoch: Eine Euro-Aufwertung und US-Zölle belasten die Exporte, während eine weiterhin hohe Sparquote den Konsum dämpfen könnte.

Spanien

Die spanische Wirtschaft erweist sich im aktuellen internationalen Umfeld weiterhin als bemerkenswert widerstandsfähig. Das Wirtschaftswachstum Spaniens liegt deutlich über dem Durchschnitt der Eurozone. So betrug das Wachstum 3,1 Prozent im ersten Quartal und drei Prozent im zweiten Quartal. Laut der Banco de España (2025) wurde das Wirtschaftswachstum vor allem durch die starke Dynamik der Inlandsnachfrage gestützt, insbesondere durch den privaten Konsum und die Bruttoanlageinvestitionen. Diese trugen im zweiten Quartal zusammen 0,9 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum bei. Demgegenüber reduzierten die Nettoexporte das BIP-Wachstum um etwas mehr als 0,1 Prozentpunkte. Dies ist auf ein geringeres Exportwachstum – insbesondere im Bereich der nicht-touristischen Dienstleistungen – sowie einen leichten Anstieg der Importe zurückzuführen. Vorläufigen Daten von Eurostat zufolge wuchs die spanische Wirtschaft im dritten Quartal 2025 um 2,8 Prozent. Im Vergleich zum Vorquartal lagen die Wachstumsraten bei 0,6 Prozent, 0,8 Prozent und 0,6 Prozent in den ersten drei Quartalen.

Die Banco de España (2025) erwartet für das Jahr 2025 ein Wirtschaftswachstum in Spanien von 2,6 Prozent und damit 0,2 Prozentpunkte mehr als in der Prognose vom Juni. Diese Anpassung ist das Ergebnis zweier gegenläufiger Faktoren. Einerseits führen die robuste Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivität in den letzten Monaten und die Stärke der jüngsten Wirtschaftsindikatoren zu einer Aufwärtsrevision von 0,3 Prozentpunkten für das BIP-Wachstum im Jahr 2025. Andererseits haben die neuen Annahmen, insbesondere zu Energiepreisen und Wechselkursen, zu einem leicht ungünstigeren Szenario als im Juni geführt, wodurch 0,1 Prozentpunkte vom Wachstum im Jahr 2025 abgezogen werden. Die Wachstumserwartung für 2026 liegt weiterhin bei 1,8 Prozent. Damit bleibt die Wirtschaftserwartung robust, jedoch zeigt sich ein spürbarer Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Die Banco de España weist zudem darauf hin, dass die unveränderte Prognose für 2026 einen kleinen Aufwärtseffekt des sogenannten Carry-over-Effekts des für 2025 erwarteten höheren Wachstums verschleiert.

Dieser wird jedoch durch eine Abwärtsanpassung aufgrund einer Verschlechterung des globalen Wirtschaftsumfelds – insbesondere in Bezug auf Energiepreise, Wechselkurse und globale Märkte – ausgeglichen.

In seinem World Economic Outlook vom Oktober 2025 zeigt sich der IWF (2025a) noch etwas optimistischer als die spanische Notenbank und prognostiziert für Spanien ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent im Jahr 2025 sowie zwei Prozent im Jahr 2026. Dies stellt eine Aufwärtsrevision von 0,2 beziehungsweise 0,4 Prozentpunkten gegenüber den Prognosen des IWF aus Juli und April dar. Die Europäische Kommission (2025) rechnet für das Jahr 2025 ebenfalls mit einem Wachstum von 2,9 Prozent; für 2026 erwartet sie 2,3 Prozent.

Unser Fazit: Für das Jahr 2025 erwarten wir ein Wachstum von rund 2,8 Prozent. Dies spiegelt die robuste Inlandsnachfrage und die Investitionen wider, berücksichtigt aber auch die leicht negativen Nettoexporte. Für 2026 rechnen wir mit einer Abschwächung auf etwa 2,1 Prozent, da die positiven Effekte aus Tourismus und Dienstleistungen nachlassen und die Außenwirtschaft voraussichtlich negativ beitragen wird, während Konsum und Investitionen den Wirtschaftsraum stützen werden, jedoch nicht mehr die außergewöhnliche Dynamik der Vorjahre erreichen dürften.

Wachstumsprognose 2026 für den Euroraum

Quelle: Eurostat

Unsere Prognose für den Euroraum und die vier größten EU-Länder wird in der folgenden Übersicht zusammengefasst

Land / Region

Quellen: Eurostat. Prognosen: BDI und Europäische Kommission (*).

Makroökonomische Rahmenbedingungen

In diesem Kapitel folgt eine Übersicht der makroökonomischen Rahmenbedingungen für unsere Prognose. Die Analyse berücksichtigt sowohl aktuelle Trends als auch zukünftige Entwicklungen, die die wirtschaftliche Lage im Euroraum beeinflussen könnten.

Globale Wirtschaft – temporäre Stützen überdecken Handelsbelastungen

Die Weltwirtschaft hat sich im Jahr 2025 etwas besser entwickelt als erwartet. Laut IWF (2025a) waren mehrere Faktoren für die gestiegene Aktivität verantwortlich: Vorzieheffekte im Handel nach der Einführung höherer US-Zölle, eine Abschwächung des US-Dollars und damit verbundene günstigere Finanzierungsbedingungen sowie eine weiterhin hohe Risikobereitschaft an den Märkten. Hinzu kamen eine teilweise expansivere Fiskalpolitik in einigen großen Volkswirtschaften – insbesondere in den USA – sowie ein kräftiger Investitionsschub im Bereich der Künstlichen Intelligenz, der vor allem in den USA und China konzentriert war. Diese Faktoren überdeckten die negativen Auswirkungen der höheren Zölle und der anhaltenden globalen Unsicherheit vorübergehend, sodass die Weltwirtschaft 2025 etwas besser abschnitt als erwartet. Ohne diesen Impuls wäre die globale Wachstumsdynamik noch schwächer ausgefallen.

Trotz dieser temporären Stützen bleibt der Ausblick verhalten. Der IWF (2025a) prognostiziert für 2025 ein globales Wachstum von 3,2 Prozent nach 3,3 Prozent im Vorjahr. Für 2026 erwartet er eine weitere Abschwächung auf 3,1 Prozent – deutlich unter dem Vorkrisendurchschnitt von 3,7 Prozent. Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften wachsen mit etwa 1,6 Prozent nur verhalten, während die Schwellenund Entwicklungsländer mit über vier Prozent etwas kräftiger wachsen, getragen vor allem von Asien.

Der Welthandel entwickelt sich dabei zunehmend zu einem Bremsfaktor. Nach einem temporären Schub durch Vorzieheffekte im ersten Halbjahr 2025 erwartet der IWF (2025a) für das Handelsvolumen ein Wachstum von 3,6 Prozent in diesem Jahr. Dieses dürfte 2026 jedoch deutlich auf 2,3 Prozent zurückfallen. Persistente Fragmentierung, hohe Unsicherheit und neue handelspolitische Barrieren belasten die Dynamik und dürften die Effizienz globaler Wertschöpfungsketten weiter einschränken. Laut IWF bleiben die Risiken überwiegend abwärtsgerichtet, auch wenn die Inflation in den meisten Ländern langsam auf dem Weg zu den Zielwerten ist.

Trotz Handels-Deals mit den USA bleibt die Wachstumsbelastung im Euroraum hoch

Trotz der Einigung zwischen EU und USA im Juli 2025 bleibt die Belastung für europäische Unternehmen durch die US-Zölle hoch. In der Regel gilt für EU-Exporte in die USA auf Basis des Handels-Deals seit dem 7. August 2025 ein Zollsatz von 15 Prozent („Ceiling“). Bei Produkten mit höherem MFNZollsatz, beispielsweise bestimmten Textilien, wird jedoch dieser höhere Zoll angewandt. Stahl, Aluminium und Kupfer sowie deren verarbeitete Produkte unterliegen allerdings deutlich höheren Zöllen von 50 Prozent, derzeit ohne Quotenregelung – über deren Einführung wird jedoch verhandelt. Für zahlreiche Waren, die diese Metalle nur teilweise enthalten (Derivate), fällt der Zoll auf den jeweiligen Materialanteil an

Zölle auf Halbleiter, Pharmazeutika und Holz – dies sind einige der Produkte, die in den USA Untersuchungen nach Section 232 des Trade Expansion Act of 1962 unterliegen, wodurch zusätzliche Zölle anfallen können – bleiben bei 15 Prozent gedeckelt. Die Zölle auf Autos und Autoteile aus der EU wurden rückwirkend zum 1. August von zuvor 27,5 Prozent (dieser Satz ergab sich durch den 232-Zoll

von 25 % und den MFN-Zoll von 2,5 %) auf 15 Prozent reduziert. Eine 232-Untersuchung zu Lkw und Lkw-Teilen ergab Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Lkw und -teile sowie von zehn Prozent auf Busse, die seit dem 1. November gelten – auch für Importe aus der EU. Derzeit laufen in den USA noch einige Untersuchungen nach Section 232, die zusätzliche Zölle aus Gründen der nationalen Sicherheit prüfen, beispielsweise für kritische Mineralien, Drohnen, Solarinputs, Windturbinen, Robotik und Industriemaschinen oder auch persönlicher Schutzausrüstung, medizinischen Verbrauchsmaterialien und Geräten. Die endgültige Zollbelastung in diesen Bereichen bleibt daher mit hoher Unsicherheit behaftet.

Für einige „strategische Produkte“, wie nicht in den USA verfügbare natürliche Ressourcen (z. B. Kork), Flugzeuge und Flugzeugteile, chemische Grundstoffe sowie Generika und deren Inhaltstoffe erheben die USA rückwirkend zum 1. September 2025 wieder den MFN-Zoll, der in diesen Kategorien bei null oder nahe null liegt.

Im Zuge des Zoll-Deals hat die Europäische Kommission Investitionspläne in den USA im Gesamtwert von rund 600 Milliarden US-Dollar bis 2028 sowie den Import von US-Energieträgern im Volumen von etwa 750 Milliarden US-Dollar angekündigt. Diese Ankündigungen dürften als strategische Absichtserklärungen zu betrachten sein und bedürfen weiterer Konkretisierung, Ausgestaltung und gegebenenfalls Prüfung, insbesondere im Hinblick auf infrastrukturelle und kapazitätsbezogene Voraussetzungen im Energiebereich. Die Europäische Kommission führt aus, dass es sich hierbei um bereits von EU-Unternehmen geplante Investitionen handle. Darüber hinaus soll die EU mindestens 40 Milliarden US-Dollar in US-KI-Chips investieren. Zudem hebt die EU ihre Einfuhrzölle auf US-Industrieprodukte auf und bereitet den Abbau weiterer Handelshemmnisse vor.

Der durchschnittliche Effektivzollsatz für EU-Exporte in die USA stieg nach Inkrafttreten des HandelsDeals am 7. August 2025 auf etwa 12,9 Prozent (Sachverständigenrat 2025). Im internationalen Vergleich liegen die US-Zölle für andere Handelspartner teils niedriger (z. B. Kanada, Großbritannien), teils deutlich höher (z. B. China). Dies bedeutet, dass sich die relative Wettbewerbsposition europäischer Exporteure am US Markt je nach Vergleichsgruppe unterschiedlich darstellt und die Wachstumswirkung der Zölle weiter moduliert. Insgesamt verteuern die Zölle europäische Exporte deutlich und dämpfen die US Nachfrage – volkswirtschaftlich wirkt dies wachstumshemmend für den Euroraum. Die weiterhin bestehenden Unsicherheiten belasten zudem private Investitionen. Gleichzeitig können die Zölle zu Unterbrechungen und Verzögerungen in globalen Lieferketten führen, was die Produktions- und Absatzplanung europäischer Unternehmen weiter erschwert.

Auch das internationale Wettbewerbsumfeld verschärft sich, nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Konkurrenz aus der Volksrepublik China China ist nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner der EU (Destatis, 2025b), doch die wirtschaftliche Verflechtung entwickelt sich zunehmend asymmetrisch. Die Warenexporte der EU nach China beliefen sich im Jahr 2024 auf rund 214 Milliarden Euro. Ihr Anteil an den gesamten Extra-EU-Exporten ist von etwa zehn Prozent in den Jahren 2020 und 2021 auf rund acht Prozent im Jahr 2024 zurückgegangen – ein Hinweis auf die abnehmende relative Bedeutung des chinesischen Marktes für europäische Ausfuhren Zwar stiegen die Exporte nach China zwischen 2020 und 2024 um elf Milliarden Euro leicht an, jedoch deutlich weniger als die gesamten

Extra-EU-Exporte, wodurch der relative Anteil sank.2 Im Gegensatz dazu standen Importe aus China in Höhe von 523 Milliarden Euro im Jahr 2024 mehr als doppelt so hoch wie die Ausfuhren. Zudem sind die Importe seit 2020 um 138 Milliarden Euro gestiegen (Eurostat, 2025).

Dieses Ungleichgewicht wird durch die strukturellen Probleme der chinesischen Wirtschaft verschärft: Schwache Binnenkonjunktur, staatlich gestützte Produktion und massive industrielle Überkapazitäten in Schlüsselbranchen wie Stahl, Chemie, Solar und Elektromobilität. Diese Überkapazitäten führen nicht nur zu verzerrten Wettbewerbsbedingungen im chinesischen Markt, sondern auch zu einem aggressiven Preisdruck auf Drittstaatenmärkte, wo chinesische Anbieter zunehmend europäische Unternehmen verdrängen. Damit wird China für die europäische Konjunktur zu einer zunehmenden Herausforderung – sowohl durch den Rückgang der Nachfrage als auch durch die globale Ausweitung seiner Überkapazitäten.

Darüber hinaus führen die US-Zölle zu Umlenkungseffekten, insbesondere bei chinesischen Exporten, die zunehmend in asiatische Märkte, aber auch teilweise nach Europa abwandern. So sanken beispielsweise die US-Importe aus China im ersten Halbjahr 2025 laut einer IW-Studie (2025) im Vergleich zum Vorjahr um fast 16 Prozent, während die deutschen Importe von dort um rund elf Prozent stiegen. Gleichzeitig fielen die Preise dieser Waren um nahezu vier Prozent. Besonders stark nahm der Import aus China bei Plug-in-Hybrid-Pkw, Autoteilen und chemischen Erzeugnissen zu. Das legt laut dem IW den Schluss nahe, dass chinesische Anbieter mit Niedrigpreisen auf den deutschen Markt drängen. In der Folge steigt der globale Wettbewerbsdruck für deutsche und europäische Unternehmen und im Euroraum entsteht insbesondere in preissensiblen Industrien zusätzlicher Preisdruck.

Zudem wirken sich die Wechselkursentwicklungen in die gleiche Richtung aus: Ein schwächerer US-Dollar und ein abgewerteter Renminbi mindern die preisliche Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter zusätzlich. So hat sich der Euro zwischen Januar und Anfang Dezember 2025 gegenüber dem US-Dollar um fast 13 Prozent und gegenüber dem Renminbi um neun Prozent aufgewertet. Gleichzeitig stieg der nominale effektive Wechselkurs des Euro gegenüber einem Korb von 41 Handelspartnern um mehr als sechs Prozent.

Trotz des erzielten Zollkompromisses halten wir unsere Einschätzung zu den negativen Wachstumswirkungen der US-Zölle auf den Euroraum aufrecht. Bereits in unserem Frühjahrsausblick, damals noch unter der Annahme eines „No-Deal“-Szenarios, hatten wir einen klar negativen Impuls erwartet. Auch unter den nun vereinbarten Bedingungen rechnen wir für das Jahr 2025 unverändert mit einer Belastung von rund 0,3 Prozent des BIP. Im Jahr 2026 dürfte sich der dämpfende Effekt kumulativ auf etwas über ein Prozent verstärken, im Vergleich zum Basisszenario

Fiskalpolitische Maßnahmen dürften das Wachstum insgesamt nur wenig stützen

Für den Euroraum wird erwartet, dass das allgemeine staatliche Haushaltsdefizit in den kommenden beiden Jahren leicht ansteigt. Für das Jahr 2025 wird ein Anstieg auf 3,2 Prozent des BIP prognostiziert, was einem Zuwachs von 0,1 Prozentpunkten entspricht (Europäische Kommission, 2025). Die

2 Im Detail sanken die deutschen Exporte nach China von 96 Milliarden Euro im Jahr 2020 und 105 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 90 Milliarden Euro im Jahr 2024. Dieser Rückgang wurde jedoch durch steigende Ausfuhren anderer EU-Länder teilweise ausgeglichen: In Frankreich erhöhten sich die Exporte von 18 Milliarden Euro auf 24 Milliarden Euro, in Italien von 12 Milliarden Euro auf 15 Milliarden Euro (mit Schwankungen im Jahr 2021) und in den Niederlanden von 16 Milliarden Euro auf 24 Milliarden Euro.

Europäische Kommission weist darauf hin, dass die Zunahme in der EU insgesamt sogar etwas stärker ausfällt. Hauptursachen sind demnach Einnahmeausfälle, steigende Zinsaufwendungen und höhere Verteidigungsausgaben, die teilweise die laufenden fiskalischen Anpassungen ausgleichen. Für das Jahr 2026 wird ein weiterer leichter Anstieg des Defizits auf 3,3 Prozent des BIP erwartet.

Die Europäische Kommission (2025) stuft die fiskalische Ausrichtung im Euroraum für die Jahre 2025 und 2026 insgesamt als neutral ein. Nach einem restriktiven Effekt von 0,4 Prozent des BIP im Jahr 2024 fällt sie im Jahr 2025 voraussichtlich auf 0,1 Prozent des BIP und erreicht im Jahr 2026 nahezu null. Die nationalen Nettoausgaben treiben die fiskalische Ausrichtung in beiden Jahren leicht an (0,2 Prozentpunkte des BIP im Jahr 2025 bzw. 0,1 Prozentpunkte im Jahr 2026), während der Beitrag der EU mit minus 0,1 Prozentpunkten des BIP jeweils leicht dämpfend wirkt. In zehn EU-Ländern bremsen national finanzierte laufende Ausgaben die fiskalische Ausrichtung, besonders stark in Frankreich, Malta, Österreich, Finnland, Polen sowie in der Slowakei und Rumänien, wo die Einschränkungen jeweils 0,5 Prozent des BIP oder mehr ausmachen. Die national finanzierten Investitionen halten die meisten Länder stabil oder weiten sie aus, besonders ausgeprägt in Estland und Litauen, was auch durch Verteidigungsausgaben bedingt ist. Gleichzeitig verstärken Ausgaben aus RRF-Zuschüssen und anderen EU-Mitteln die fiskalische Ausrichtung in Bulgarien, Portugal, Polen und Griechenland deutlich.

In Deutschland wurden im März 2025 fiskalpolitische Reformen verabschiedet, die alle Verteidigungsausgaben über einem Prozent des BIP von den nationalen Fiskalregeln ausnehmen. Zudem wurde die Schaffung eines Sonderfonds für Infrastruktur- und Klimainvestitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zwölf Jahren ermöglicht und die Ausgabenregeln der Bundesländer gelockert. Vor diesem Hintergrund werden die öffentlichen Ausgaben in den Jahren 2025 und 2026 deutlich ansteigen. Die Europäische Kommission (2025) erwartet, dass die fiskalische Ausrichtung im Jahr 2026 stark expansiv ausfällt (0,9 % des BIP). Das allgemeine Haushaltsdefizit dürfte von 2,7 Prozent des BIP im Jahr 2024 auf 3,1 Prozent im Jahr 2025 und auf vier Prozent im Jahr 2026 steigen. Dies wird durch beschleunigte Investitionen und verteidigungsorientierte Ausgaben angetrieben und auch durch neue Steuerentlastungen für Unternehmen sowie diverse Entlastungen für Haushalte und Unternehmen, unter anderem in der Energiepolitik, unterstützt (Europäische Kommission 2025).

Die Schuldenquote im Euroraum wird voraussichtlich über den Prognosezeitraum weiter steigen – von rund 88 Prozent des BIP im Jahr 2024 auf 89,8 Prozent im Jahr 2026 (Europäische Kommission 2025). Dies ist vor allem auf anhaltende Primärdefizite zurückzuführen. Elf EU-Mitgliedstaaten werden voraussichtlich im Jahr 2025 ein Defizit von mehr als drei Prozent des BIP aufweisen. Aktuell befinden sich neun Länder in einem Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits.

Die aggregierte öffentliche Investitionsquote der gesamten EU wird voraussichtlich im Jahr 2026 bei vier Prozent des BIP liegen, nachdem sie im Jahr 2019 bei 3,2 Prozent lag (Europäische Kommission, 2025). Trotz geringerer Unterstützung durch den RRF dürfte sie 2027 stabil bleiben, da die national finanzierten Investitionen – unter anderem im Verteidigungsbereich – steigen werden. In unserer Box zur Investitionstätigkeit untersuchen wir, ob diese in der EU – über den Verteidigungsbereich hinaus –spürbar zunimmt und ob die von Mario Draghi vorgeschlagene Investitionsagenda tatsächlich umgesetzt wird.

EU-Investition im Aufwind? Perspektiven im Licht des Draghi-Kurses

Investitionsbedarfsschätzungen

Trotz hoher privater Ersparnisse bleibt das Niveau produktiver Investitionen in der EU deutlich hinter den Erfordernissen zurück. Mario Draghi hat in seinem Bericht vom September 2024 hervorgehoben, dass zur Erreichung der strategischen Ziele der EU – insbesondere in den Bereichen Klimaschutz und Dekarbonisierung, Digitalisierung sowie Verteidigung und Sicherheit – jährliche zusätzliche Investitionen von mindestens 750 bis 800 Milliarden Euro notwendig sind. Dies entspricht rund 4,4 bis 4,7 Prozent des EUBIP im Jahr 2023. Um diese Lücke zu schließen, müsste die Investitionsquote laut Draghi von derzeit etwa 22 Prozent des BIP auf rund 27 Prozent steigen und damit einen über Jahrzehnte anhaltenden Rückgang in den großen Volkswirtschaften der EU umkehren. Zum Vergleich: Die Investitionen im Rahmen des Marshallplans zwischen 1948 und 1951 lagen lediglich bei ein bis zwei Prozent des damaligen EU-BIP. Diese Größenordnung verdeutlicht, wie tiefgreifend die Investitionsanstrengungen ausfallen müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit und strategische Handlungsfähigkeit Europas zu sichern.

Noch gravierender ist dabei allerdings die jüngste Einschätzung von Mario Draghi: Auf einer hochrangigen Konferenz im September 2025, die den Fortschritt bei der Umsetzung seiner Empfehlungen bewertete, bezifferte er den jährlichen Investitionsbedarf für den Zeitraum 2025 – 2031 auf mittlerweile nahezu 1,2 Billionen Euro. Das bedeutet einen Anstieg um rund 50 Prozent gegenüber den etwa 800 Milliarden Euro, die ein Jahr zuvor veranschlagt wurden. Laut einer Analyse der EZB (2025e), auf die sich Draghi stützt, ist dieser Sprung vor allem auf die deutlich gestiegenen Anforderungen im Bereich Verteidigung und Sicherheit nach dem NATO-Gipfel im Juni zurückzuführen.

Die folgende Grafik der EZB zeigt, wie sich der zusätzliche jährliche Ausgabenbedarf nach Anwendungsbereichen aufteilt: rund 4,2 Prozent des BIP für den grünen Bereich, 2,1 Prozent für Verteidigung und 1,4 Prozent für den digitalen Bereich (indikative Schätzung). Bezogen auf ein Gesamtvolumen von 1,2 Billionen Euro entspricht dies etwa 650 Milliarden Euro pro Jahr für grüne Investitionen, 330 Milliarden Euro für Verteidigung und 220 Milliarden Euro für digitale Investitionen.

Die EZB weist darauf hin, dass in der Vergangenheit rund 24 Prozent der Investitionen in den grünen Wandel, etwa 15 Prozent der digitalen Investitionen und nahezu alle Verteidigungsausgaben durch öffentliche Mittel finanziert wurden. Überträgt man diese historischen Finanzierungsanteile auf den heutigen jährlichen Gesamtmittelbedarf von rund 1,2 Billionen Euro, liegt der staatliche Finanzierungsanteil (gelbe und rote Balken im nachfolgenden Schaubild) bei etwa 43 Prozent. Er hat sich damit gegenüber der Vorjahresschätzung aus dem Draghi-Bericht nahezu verdoppelt – vor allem deshalb, weil Verteidigungsausgaben überwiegend aus öffentlichen Haushalten getragen werden.

Hieraus ergibt sich eine zusätzliche jährliche Belastung für die nationalen Haushalte und den EU-Haushalt von rund 510 Milliarden Euro. Ein Unsicherheitskorridor von plus/minus 20 Prozent führt laut EZB zu einem zusätzlichen öffentlichen Finanzierungsbedarf für die drei Transformationsbereiche von etwa 2,7 bis 4,0 Prozent des EU-BIP pro Jahr.

Die verbleibenden rund 690 Milliarden Euro müssten durch private Mittel gedeckt werden. Unter Anwendung desselben Unsicherheitskorridors ergibt sich laut unseren Berechnungen dafür ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf von etwa 3,7 bis 5,4 Prozent des EU-BIP. Für den gesamten jährlichen Mittelbedarf von 1,2 Billionen Euro entspricht dies einem Unsicherheitskorridor von rund 6,4 bis 9,4 Prozent des EUBIP.

Geschätzter jährlicher strategischer Ausgabenbedarf* in der EU für 2025-31

*in Prozent des EU-BIP 2024

Quelle: Europäische Zentralbank

Privat EU Öffentlich

Dabei ist zu beachten, dass Verteidigungsausgaben zwar umgangssprachlich oft als „Investitionen“ bezeichnet werden, ihr tatsächlicher Investitionsanteil im volkswirtschaftlichen Sinn jedoch traditionell gering ist. Nur Ausgaben, die zur Erweiterung oder qualitativen Verbesserung des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks beitragen – zum Beispiel für langlebige militärische Ausrüstung oder Infrastruktur – werden als Bruttoanlageinvestitionen erfasst. Ein großer Teil der Verteidigungsausgaben entfällt hingegen auf laufende Kosten wie Personal, Betrieb und Instandhaltung. Berechnungen der Europäischen Verteidigungsagentur (2024) zeigen, dass zwischen 2005 und 2023 nur rund 17 bis 26 Prozent der Verteidigungsausgaben tatsächlich in verteidigungsbezogene Investitionen flossen. Für 2024 wird auf Basis vorläufiger Daten ein neuer Höchstwert von etwa 31 Prozent erwartet.

Auch wenn der investive Anteil der Verteidigungsausgaben aufgrund des jüngsten NATO-Beschlusses künftig tendenziell weiter steigen dürfte, gehen wir in unseren Berechnungen konservativ von einer Quote von rund 30 Prozent aus. Bezogen auf die von Draghi vorgeschlagenen jährlichen Verteidigungsausgaben von 330 Milliarden Euro entspräche dies einem investiven Volumen von knapp 100 Milliarden Euro pro Jahr. Von den zusätzlich geforderten 1,2 Billionen Euro an Mehrausgaben ergäben sich damit rund 970 Milliarden Euro an Investitionen im engeren, kapitalstockbildenden Sinne. Übertragen auf den zuvor skizzierten Unsicherheitskorridor entspricht dies einem Anteil von etwa 5,2 bis 7,6 Prozent des BIP; der entsprechende Korridor für die öffentlichen Investitionen läge bei rund 1,5 bis 2,2 Prozent des BIP.

Die Analyse der EZB kommt insgesamt zu ähnlichen Größenordnungen wie entsprechende Schätzungen auf Länderebene, auch wenn sich je nach Studie unterschiedliche Schwerpunktsetzungen ergeben. So beziffert eine gemeinsame Studie von BCG, IW und BDI („Transformationspfade für das Industrieland Deutschland“, 2024) den zusätzlichen Investitionsbedarf für Klimaschutz, digitale Transformation und geopolitische Herausforderungen in Deutschland bis 2030 auf rund 1,4 Billionen Euro. Unter Berücksichtigung des deutschen Anteils an der EU-Wertschöpfung von etwa 24 Prozent ergibt sich damit eine

vergleichbare Größenordnung wie in der Draghi-Investitionsagenda. Zu beachten ist hierbei, dass die genannte länderspezifische Studie Verteidigungsausgaben nicht explizit einbezieht.

Die wesentlichen Kennzahlen für die im klassischen Sinne investiven Bedarfe sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Geschätzter zusätzlicher Investitionsbedarf in der EU (jährlich, ± 20 %)

Quellen: Eigene Berechnungen, EZB

Entwicklung zentraler Investitionsindikatoren zur Umsetzung der Draghi-Agenda

Ein Abgleich des ermittelten zusätzlichen Investitionsbedarfs mit den jüngsten quartalsweisen Änderungen der Bruttoanlageinvestitionen zeigt, dass die EU insgesamt überhaupt keine Fortschritte im Sinne der Draghi-Investitionsagenda erzielt. Im Gegenteil ist der Anteil der Bruttoanlageinvestitionen am BIP von Q1 2024 bis Q2 2025 um 0,5 Prozentpunkte auf 21,1 Prozent gesunken.

Im Vergleich ausgewählter EU-Länder ist zuletzt nur in Spanien ein leichter Anstieg der Investitionen zu beobachten. Deutschland, Italien und Frankreich verzeichnen weiterhin stagnierende Investitionen, ebenso Schweden – obwohl der Investitionsanteil dort historisch hoch ist (knapp 25 %) und seit etwa 2013 deutlich gestiegen ist. Griechenland hat sich von der Eurokrise hingegen noch nicht erholt. Derzeit liegt der Investitionsanteil bei rund 15 Prozent, zeigt aber seit der Corona-Pandemie einen Aufwärtstrend, der zuletzt etwas abebbte.

Quartalweise Veränderung* der Bruttoanlageinvestitionen in ausgewählten EU-Ländern

*in Prozent des BIP, kalender- und saisonbereinigt Quelle: Macrobond

Ein Blick auf die Investitionen nach institutionellem Sektor zeigt, dass lediglich die staatlichen Investitionen in den vergangenen Jahren leicht zugenommen haben. Sie stiegen von knapp drei Prozent des BIP im Jahr 2017 auf nahezu 3,7 Prozent im Jahr 2024. Der Löwenanteil der Investitionen entfällt jedoch auf den Privatsektor, der in den vergangenen Jahren leicht rückläufig war. Im Jahr 2024 betrugen die Unternehmensinvestitionen 12,5 Prozent des BIP, die Investitionen der Haushalte 5,5 Prozent, sodass der Gesamtanteil der privaten Investitionen bei rund 18 Prozent liegt.

Investitionsanteil* nach institutionellen Sektoren in der EU

Unternehmensinvestitionen Staatliche Investitionen Haushaltsinvestitionen

*in Prozent des BIP

Quelle: Macrobond

Abschließend zeigt ein Blick auf die Bruttoanlageinvestitionen nach Vermögenswerten, dass diese zuletzt in fast allen Bereichen stagnierten, beziehungsweise rückläufig waren Die Ausrüstungsinvestitionen entwickelten sich zuletzt leicht rückläufig bis weitgehend flach – trotz gestiegener Verteidigungsausgaben, was zum einen auf verzögerte Wirkungen und Erfassungen dieser Investitionen hindeuten könnte und zum anderen zeigt, dass Rückgänge im Industriesektor nur schwer kompensiert werden können. Investitionen in Gewerbeimmobilien und Infrastruktur blieben ebenfalls auf einem flachen Niveau, während Wohnimmobilien weiterhin rückläufig sind, wenn auch etwas weniger stark als Ende 2024. Einzig die Investitionen in geistiges Eigentum verzeichneten in diesem Jahr starke Zuwächse, mit 9,9 Prozent Wachstum im ersten Quartal 2025 und 13,3 Prozent im zweiten Quartal – offenbar zurückzuführen auf den Boom im Bereich Künstlicher Intelligenz.

Quartalsweise Veränderung* der Bruttoanloageinvestitionen nach Vermögensart in der EU im Jahresvergleich

Wohnimmobilien

Maschinen, Ausrüstung, Waffensysteme

Geistiges Eigentum

Gewerbeimmobilien und Infrastruktur Gesamtanlagenvermögen

*kalender- und saisonbereinigt, in Prozent

Quelle: Macrobond

Ausblick auf die künftige Entwicklung

In absehbarer Zeit ist in zwei Bereichen jedoch mit deutlichen Investitionsanstiegen zu rechnen.

Erstens haben die NATO-Mitgliedstaaten beschlossen, ihre Verteidigungsausgaben – einschließlich Rüstungsgütern und Personalkosten – auf 3,5 Prozent des BIP zu erhöhen. Zusätzlich sollen 1,5 Prozent des BIP in verteidigungs- und sicherheitsrelevante Bereiche wie Infrastruktur, industrielle Kapazitäten und Resilienz fließen.

Hierbei gilt zu beachten, dass die Nato-Ziele bis 2035 erreicht werden sollen. Sie sind somit nicht vollständig deckungsgleich mit den EZB-Projektionen bis 2031. Zudem dürften, wie oben erwähnt, nur etwas weniger als ein Drittel der Verteidigungsausgaben investiven Charakter haben. Für die zusätzlichen sicherheitsrelevanten Ausgaben ist unklar, welcher Anteil echte Zusatzinvestitionen darstellt und welcher primär der Erneuerung bestehender Infrastruktur dient, die nach VGR in der Regel nicht den Bruttoanlageinvestitionen zugerechnet wird. Ferner ist zu berücksichtigen, dass einige EU-Mitgliedstaaten – darunter Österreich, Irland, Zypern und Malta – keine NATO-Mitglieder sind; ihr Anteil an der EU-Wirtschaftsleistung ist jedoch gering (knapp 6 % des BIP).3

Laut Berechnungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments (2025) lagen die Verteidigungsausgaben der 23 EU-Mitgliedstaaten, die auch NATO-Mitglieder sind, 2024 bei 1,9 Prozent des BIP und sollen 2025 auf 2,04 Prozent steigen, während die vier nicht-NATO-Mitglieder teils deutlich darunter liegen. Ein schrittweiser Anstieg der Verteidigungsausgaben dieser 23 Staaten von aktuell knapp zwei Prozent auf 3,5 Prozent über zehn Jahre würde nach vereinfachter Schätzung zusätzliche Ausgaben von etwa 0,15 Prozent des BIP pro Jahr erfordern, wobei der investive Anteil unter 0,05 Prozent läge. Selbst unter Einbezug aller sicherheitsrelevanten Ausgaben blieben die zusätzlichen Aufwendungen bei rund 0,3 Prozent des BIP pro Jahr, sodass bis 2031 etwa 1,8 Prozent des BIP an

3 Die EZB hat in ihrer Analyse für diese vier Länder angenommen, dass sie ihre Verteidigungsausgaben bis 2035 auf den aktuellen NATO-Durchschnitt von zwei Prozent des BIP erhöhen werden.

zusätzlichen Ausgaben im Vergleich zu heute erreicht würden. Dies liegt nahe an der von der EZB geschätzten Zielgröße von 2,1 Prozent, beziehungsweise stimmt grob überein, wenn man bereits für 2025 einen leicht höheren Wert annimmt. Gleichzeitig verdeutlicht es, dass diese Marke erst gegen Ende des Betrachtungszeitraums erreicht würde und der Hochlauf der Verteidigungsausgaben deutlich schneller erfolgen müsste. In einigen Mitgliedstaaten wie Deutschland ist ein solcher schnellerer Hochlauf tatsächlich geplant: Hier soll die 3,5-Prozent-Quote nach aktuellen Haushaltsplanungen bereits 2029 erreicht werden.

Zweitens kann von einem Anstieg der Investitionen im digitalen Bereich ausgegangen werden. Rückblickend zeigt die OECD (2025a) zunächst, dass die Gesamtinvestitionen seit der globalen Finanzkrise in den meisten OECD-Ländern schwach geblieben sind, während digitale und wissensbasierte Vermögenswerte deutlich stärker gewachsen sind. So haben sich Softwareinvestitionen in den OECD-Ländern seit 2008 verdreifacht, ICT-Hardware verdoppelt und F&E um rund 45 Prozent zugenommen, während Maschinen nur um etwa zwölf Prozent wuchsen und Investitionen in Bauten sogar um sieben Prozent sanken. Besonders stark ausgeprägt war dieser Trend in den USA und Frankreich, während Deutschland nur moderate Zuwächse verzeichnete. Im aktuellen OECD-Dezember 2025 Economic Outlook zeigt sich zudem, dass die privaten ICT-Investitionen, etwa in Datenzentren, in der ersten Jahreshälfte 2025 besonders in den USA stark zugelegt haben, aber auch in einigen kleineren europäischen Ländern an Dynamik gewinnen, was auf eine Trendwende hin zu stärkeren digitalen Investitionen hindeutet.

In Europa gibt es jüngst weitere positive Signale: In der Berlin Declaration – Friends of Industry 2025 (BMWE 2025b), einem gemeinsamen Statement von 18 EU-Mitgliedstaaten, wird explizit die Förderung von Investitionen in KI, Quantentechnologien und Cloud-Infrastruktur gefordert. Gleichzeitig werden drei IPCEIs genannt, etwa Next Generation Cloud Infrastructure & Services (IPCEI-CIS), Artificial Intelligence (IPCEI-AI) und Edge Cloud Infrastructure (IPCEI-CIC), die diese Investitionsförderung flankieren. Die Europäische Kommission plant zudem den Bau von fünf großen Rechenzentren („Gigafabriken“). In Deutschland kündigten globale Unternehmen zuletzt bedeutende Investitionen an: Deutsche Telekom und Nvidia errichten in München ein KI-Rechenzentrum im Umfang von rund einer Milliarde Euro, das Anfang 2026 betriebsbereit sein soll. Die Schwarz-Gruppe investiert elf Milliarden Euro in ein neues Rechenzentrum im Spreewald; der erste Bauabschnitt soll bis Ende 2027 fertiggestellt werden. Auf dem deutsch-französischen Digitalgipfel im November 2025 verwies Bundeskanzler Merz zudem auf die bestehende Hightech-Agenda Deutschlands, nach der bis Ende der Legislaturperiode insgesamt 18 Milliarden Euro für technologische Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit vorgesehen sind.

Inwieweit solche Ankündigungen ausreichen werden, um den in der Draghi-Agenda skizzierten zusätzlichen Investitionsbedarf im digitalen Bereich von knapp 1,4 Prozent des EU-BIP zu erreichen, ist derzeit schwer abzuschätzen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die bislang angekündigten Vorhaben und Projekte diesen Bedarf nicht ausreichend decken. Zudem ist davon auszugehen, dass die von der EZB herangezogenen Schätzungen den künftig stark steigenden Bedarf an KI-relevanter Infrastruktur – insbesondere für Rechenzentren, Cloud-Kapazitäten sowie die dafür erforderliche Energie- und Netzinfrastruktur – nur schwer abschätzen lassen. Angesichts des raschen technologischen Fortschritts, der exponentiell wachsenden Rechenleistungsanforderungen und der damit verbundenen hohen Vorlaufinvestitionen dürfte der tatsächliche Investitionsbedarf folglich eher höher liegen als in den bisherigen Schätzungen ausgewiesen.

Fazit

Ein Jahr nach den Draghi-Empfehlungen zeigt sich: Anstatt eines deutlichen Sprungs nach oben ist die Gesamtinvestitionsquote leicht rückläufig und liegt weiterhin deutlich unter dem erforderlichen Niveau, auch wenn die öffentlichen Investitionen etwas gestiegen sind. Ohne einen drastischen Kurswechsel droht sich die Lücke in den kommenden Jahren weiter zu vergrößern. Zwar gab es Zuwächse bei Investitionen in geistiges Eigentum, doch der erwartete Impuls durch Verteidigungsausgaben bleibt bislang noch aus und kann die Rückgänge im industriellen Bereich nicht kompensieren. Die Erosion der industriellen Basis ist hingegen bereits klar erkennbar – um diesen Trend zu stoppen und die Wettbewerbs-

fähigkeit Europas insgesamt zu sichern, braucht es eine umfassende Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen, Innovation und Wachstum.

Arbeitsmarkt weiterhin robust trotz leichter Abschwächung

Trotz des insgesamt verhaltenen konjunkturellen Umfelds zeigt sich der Arbeitsmarkt im Euroraum weiterhin stabil. Im Oktober 2025 lag die saisonbereinigte Arbeitslosenquote bei 6,4 Prozent und damit nahezu unverändert gegenüber dem Vorjahr. Sie bewegt sich nahe historischer Tiefstände und die Europäische Kommission (2025) erwartet für 2026 einen weiteren leichten Rückgang auf durchschnittlich 6,2 Prozent. Auch die Beschäftigung entwickelt sich positiv, wenn auch mit nachlassender Dynamik: Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im ersten Quartal 2025 um 0,2 Prozent und in den beiden folgenden Quartalen jeweils nur noch um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Für die Jahre 2025 und 2026 rechnet die Europäische Kommission mit einem moderaten, aber positiven Beschäftigungswachstum von 0,6 beziehungsweise 0,5 Prozent.

Gleichzeitig sind Anzeichen einer leichten Abschwächung der Arbeitsmarktlage erkennbar. Die Zahl der offenen Stellen ist spürbar zurückgegangen. So sank die Job Vacancy Rate laut Eurostat von 2,6 Prozent im zweiten Quartal 2024 auf zuletzt 2,2 Prozent. Auch Unternehmensumfragen bestätigen diese Tendenz. So ist der Anteil der Firmen, die Arbeitskräftemangel als Produktionshemmnis nennen, weiter gesunken – im Dienstleistungssektor von 25 Prozent im ersten Quartal auf 23,9 Prozent im dritten Quartal und in der Industrie von 18,6 Prozent auf 16,4 Prozent. Damit hat sich der gemeldete Arbeitskräftemangel seit seinem Höhepunkt im Jahr 2022 deutlich reduziert, liegt im historischen Vergleich aber weiterhin überdurchschnittlich und nähert sich dem Niveau des Jahres 2019 an (Europäische Kommission 2025).

Arbeitslosenquote* im Euroraum, in Prozent

Arbeitslosenquote Durchschnitt 1 Standardabweichung *saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Eurostat

Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind nach wie vor groß. So reichte die Spanne der Arbeitslosenquoten im Oktober 2025 von knapp über drei Prozent in Tschechien und Malta bis zu 10,5 Prozent in Spanien. Deutschland lag bei 3,8 Prozent nach 3,4 Prozent im Vorjahresmonat, Italien bei sechs Prozent und Frankreich bei 7,7 Prozent. Neben diesen Länderunterschieden gibt es Anzeichen für eine Abschwächung im Industriesektor. So sank die Zahl der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe (Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten) in Deutschland bis August 2025 um knapp 23.000 gegenüber dem Jahresbeginn. Verglichen mit August 2019 beträgt der Rückgang rund 233.000 Stellen.

Geldpolitik der EZB weniger restriktiv, Finanzierungsbedingungen ziehen dennoch leicht an

Inflationsentwicklung

Die Gesamtinflationsrate im Euroraum verläuft seit August 2024 weitgehend seitwärts. Im November 2025 lag sie bei 2,2 Prozent und damit nur knapp über der Zwei-Prozent-Zielmarke der EZB. Die Kerninflation, die die besonders schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise ausklammert, betrug zuletzt 2,4 Prozent und blieb somit leicht erhöht

Maßgeblich dafür ist die anhaltend kräftige Preisentwicklung im Dienstleistungssektor, dessen Jahresrate im November 2025 bei 3,5 Prozent lag. Wie die nachfolgende Grafik verdeutlicht, trägt dieser Bereich weiterhin erheblich zur Gesamtinflationsrate bei. Demgegenüber wirkten die Energiepreise in den vergangenen zweieinhalb Jahren wiederholt dämpfend und leisteten zuletzt einen negativen Beitrag zur Teuerung. Preissteigerungen bei Industriegütern ohne Energie, die während der Lieferkettenprobleme und der Energiekrise von 2021 bis Anfang 2023 maßgeblich zur Inflation beigetragen hatten, spielen inzwischen kaum noch eine Rolle. Die Preisentwicklung bei Nahrungsmitteln bleibt dagegen mit 2,5 bis drei Prozent moderat erhöht.

Beiträge* zur Inflation im Euroraum

*Veränderung ggü. Vorjahr

Nicht-Energie-Industriegüter (Beiträge)

Energie (Beiträge)

Nahrungsmittel, alkoholische Getränke und Tabak (Beiträge)

Dienstleistungen (Beiträge)

Inflation

Kerninflation (ohne Lebensmittel und Energie)

Quellen: Macrobond, Europäische Zentralbank

Zinsentwicklung

Nach acht Zinssenkungen seit Juni 2024 hat die EZB im Sommer 2025 ihren Lockerungszyklus beendet. Seit Juni liegen der Einlagensatz bei 2,0 Prozent, der Hauptrefinanzierungssatz bei 2,15 Prozent und die Spitzenrefinanzierungsfazilität bei 2,40 Prozent.

Auf seiner jüngsten Sitzung am 30. Oktober 2025 signalisierte der EZB-Rat eine abwartende Geldpolitik, um die weitere wirtschaftliche und inflationäre Entwicklung sorgfältig zu beobachten. EZB-Präsidentin Christine Lagarde beschrieb die aktuelle geldpolitische Ausrichtung als „weiterhin in einem guten Gleichgewicht“ („still in a good place“) und betonte, dass die Entscheidungen des Rates ausschließlich datenabhängig und auf Sitzungsebene getroffen werden (EZB 2025a, EZB 2025b). Damit betont die EZB ihre Bereitschaft, den Kurs bei Bedarf anzupassen und zeitnah auf neue Daten sowie wirtschaftliche und inflationäre Entwicklungen zu reagieren.

Lagarde wies darauf hin, dass sich einige der Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum zuletzt verringert haben – beispielsweise durch den EU-US-Handels-Deal, die Waffenruhe im Nahen Osten und Fortschritte bei den US-China-Handelsgesprächen. Gleichzeitig bleibt das globale Handelsumfeld volatil, was weiterhin Unsicherheiten für Wachstum und Inflation mit sich bringt. Die EZB betonte, dass sowohl Abwärts- als auch Aufwärtsrisiken für Wachstum und Inflation bestehen. Beispiele für Abwärtsrisiken sind höhere US-Zölle sowie eine mögliche verstärkte Exporttätigkeit von Ländern mit Überkapazitäten in die Eurozone, wodurch die Inflation niedriger ausfallen könnte. Zudem könnte eine stärkere Aufwertung des Euros die Inflation stärker dämpfen als bislang angenommen. Auf der anderen Seite könnten Störungen der globalen Lieferketten, Engpässe bei Rohstoffen oder höhere Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur die Inflation stärker anheben als erwartet.

Marktbeobachter rechnen nun insgesamt mit einer längeren Zinspause. Laut DB Research (2025) ist an den Finanzmärkten für die kommenden zwölf Monate lediglich eine Lockerung um rund zwölf Basispunkte eingepreist. Dies entspricht einer impliziten Wahrscheinlichkeit von knapp 50 Prozent für eine weitere Zinssenkung. Hintergrund sind der nachlassende Preisdruck – unter anderem moderateres Lohnwachstum und zuletzt gebremste Energiepreisanstiege. Mittelfristig könnten jedoch fiskalpolitische Impulse sowie strukturelle Engpässe am Arbeitsmarkt erneut Aufwärtsdruck auf die Preise ausüben. Zudem weist die EZB (2025b) darauf hin, dass der Start des zweiten europäischen Emissionshandelssystems (ETS 2), der inzwischen auf Grundlage des Ratsbeschlusses vom November 2025 auf das Jahr 2028 verschoben werden soll, einen einmaligen Effekt von rund 0,3 Prozentpunkten auf die Inflationsrate haben könnte. In ihren Staff Macroeconomic Projections vom September 2025 rechnet die EZB mit Inflationsraten von 2,1 Prozent im Jahr 2025, gefolgt von 1,7 Prozent im Jahr 2026 und 1,9 Prozent im Jahr 2027. Da die Verschiebung von ETS 2 darin noch nicht berücksichtigt ist, ergibt sich für die Inflationsprognose 2027 ein leichtes Abwärtsrisiko.

Finanzierungsbedingungen

Seit unserer letzten Prognose im Mai haben sich die Finanzierungsbedingungen insgesamt weiter leicht verbessert. Wie vorab erwähnt, senkte die EZB im Juni den Einlagensatz um 0,25 Prozentpunkte auf zwei Prozent und beließ ihn seither unverändert. Trotz dieser leichten geldpolitischen Lockerung zeigt die EZB-Bank-Lending-Survey für das dritte Quartal 2025 eine moderate Verschärfung der Kreditstandards für Unternehmen (netto + 4 %), was vor allem auf eine erhöhte Risikowahrnehmung im Zusammenhang mit geopolitischen Spannungen und Handelsrisiken zurückzuführen ist. Die Nachfrage nach Unternehmenskrediten stieg lediglich geringfügig (+ 2 %) und bleibt insgesamt verhalten,

während die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten deutlich zulegte (+ 28 %). Bei Konsumentenkrediten meldeten die Banken ebenfalls eine leichte Verschärfung der Vergabestandards (netto + 5 %) bei weitgehend stabiler Nachfrage (+ 1 %; EZB 2025d).

Während die Kurse an den europäischen und globalen Aktienmärkten weiter anzogen, blieben die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen an den Kapitalmärkten seit Mai weitgehend stabil – wenn auch mit länderspezifischen Unterschieden. In Deutschland liegen sie mit rund 2,7 Prozent auf dem Niveau unserer letzten Wachstumsprognose im Mai, in Italien bei etwa 3,4 Prozent und damit leicht unter dem Wert vom Frühjahr. Frankreich bewegt sich in einer ähnlichen Größenordnung, zeitweise leicht darüber. Dort stiegen die Renditen seit Mai um zehn bis 20 Basispunkte, was vor allem auf anhaltende Unsicherheit über die Haushaltslage und mittelfristige Konsolidierungspläne zurückzuführen ist. In Spanien und Griechenland liegen die Renditen mit rund 3,2 Prozent und 3,3 Prozent weitgehend stabil.

Rendite 10-jähriger Staatsanleihen, in Prozent

Deutschland Griechenland Italien Frankreich Spanien

Quellen: Macrobond

Risikoanalyse

Trotz einzelner positiver Entwicklungen, wie erster handelspolitischer Verständigungen im globalen Zollkonflikt und der expansiven Fiskalpolitik in Deutschland, bleibt das wirtschaftliche Umfeld im Euroraum von hoher Unsicherheit geprägt. Die folgenden Risiken und Chancen können zu Abweichungen vom prognostizierten Konjunkturverlauf führen.

Abwärtsrisiken:

▪ Geopolitische Spannungen und Sicherheitslage: Der anhaltende Krieg in der Ukraine sowie die fragile Lage im Nahen Osten bergen weiterhin erhebliche Risiken. Neue Provokationen Russlands gegenüber EU- und NATO-Staaten oder eine Eskalation bestehender Konflikte

könnten das Vertrauen von Unternehmen und Haushalten belasten, die Energiepreise erhöhen und globale Handelsströme beeinträchtigen.

▪ Erneute Eskalation im Handelskonflikt: Trotz einzelner handelspolitischer Verständigungen, wie etwa zwischen der EU und den USA, bleibt die Unsicherheit hoch. Die wiederholten Richtungswechsel in den Beziehungen großer Handelsblöcke – insbesondere zwischen den USA und China – schaffen weiterhin Planungsunsicherheit und belasten das Vertrauen der Unternehmen. Für den Euroraum ergeben sich daraus Risiken durch gestörte Lieferketten, Investitionszurückhaltung und eine stärker als erwartet ausfallende Schwächung der Exportentwicklung. Ein vom IWF (2025a) skizziertes Szenario dauerhaft erhöhter US-Zölle – mit einem Anstieg um bis zu 30 Prozentpunkte gegenüber China und zehn Prozentpunkten gegenüber dem Euroraum – würde das globale BIP im Jahr 2026 ohne Hinzunahme von Vergeltungsmaßnahmen um 0,3 Prozent senken und langfristig einen BIP-Verlust von 0,5 Prozent verursachen. Für den Euroraum drohen höhere Importpreise, gestörte Lieferketten und ein Inflationsanstieg um bis zu 20 Basispunkte. Laut Chart-Analyse des IWF-Szenarios dürfte die BIP-Auswirkung im Euroraum ähnlich hoch ausfallen wie im globalen Durchschnitt, vermutlich leicht darunter, aber nicht signifikant abweichend.

▪ Finanzmarktrisiken und systemische Verwundbarkeiten: Die jüngste Preisentwicklung bei Vermögenswerten – insbesondere in den USA – hat Sorgen über mögliche Überbewertungen ausgelöst. Ein abrupter Rückgang der Assetpreise könnte sich über Vertrauens- und Vermögenseffekte sowie verschärfte Finanzierungsbedingungen auch auf den Euroraum auswirken. Besonders relevant ist dabei der Schattenbankensektor, dessen hohe Verschuldung, Liquiditätsrisiken und begrenzte Transparenz systemische Risiken bergen. Die engen Verflechtungen mit dem Bankensektor und die lückenhafte Datenlage erschweren eine fundierte Risikoeinschätzung und erhöhen die Unsicherheit über potenzielle Ansteckungseffekte. Zusätzlich bergen Stablecoins und andere kryptobasierte Zahlungssysteme neue Risiken für die Finanzstabilität. Laut IWF (2025b) könnten Runs auf Stablecoins Verkäufe ihrer Reserveanlagen –etwa Bankeinlagen oder Staatsanleihen – auslösen und dadurch den Geld- und Anleihemarkt sowie den Repo-Markt belasten.

▪ Konsum- und Investitionsrisiken: Die privaten Haushalte verfügen nach wie vor über hohe Ersparnisse, die den Konsum bereits bremsen. Ein anhaltendes oder zunehmendes Maß an Unsicherheit sowie ein schwaches Vertrauensklima könnten dieses Bremspotenzial verstärken, sodass die Prognosewerte für den privaten Verbrauch nicht erreicht werden. Auch die Investitionstätigkeit bleibt anfällig für geopolitische Spannungen, uneinheitliche Politik und begrenzte Planungssicherheit.

Wachstumschancen:

▪ Positive fiskalische Überraschungen: Öffentliche Investitionen in die Infrastruktur und in die Verteidigung sind in der Baseline bereits berücksichtigt. Sollten diese Maßnahmen jedoch stärker oder schneller wirken als erwartet, beispielsweise durch eine beschleunigte Umsetzung, könnten sie die Nachfrage kurzfristig zusätzlich stützen.

▪ Technologische Impulse: Fortschritte bei der Digitalisierung und bei KI könnten das Potenzialwachstum künftig stärken. Insbesondere wenn neue Anwendungen rasch eingeführt

werden und sich produktivitätssteigernde Effekte frühzeitig durchsetzen, könnte das Wachstum über den mittelfristigen Trend hinaus angehoben werden

▪ Strukturreformen: Eine beschleunigte Umsetzung von Strukturreformen könnte die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene deutlich stärken. Auf EU-Ebene würden eine vertiefte Kapitalmarktunion und eine engere Integration des Binnenmarkts Investitionen ankurbeln, den Zugang zu Finanzmitteln für Unternehmen und Start-ups erleichtern und Handelshemmnisse abbauen. Auf nationaler Ebene könnten gezielte Reformen in den Bereichen Verwaltung, Arbeitsmarkt und Innovationsförderung die Produktivität nachhaltig erhöhen und somit das Potenzialwachstum der Wirtschaft substanziell stärken.

▪ Internationale Kooperation: Die jüngsten Fortschritte bei den Handelsgesprächen sowie die Deeskalation einzelner Konflikte haben die unmittelbaren Risiken verringert. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, könnte dies das Vertrauen stärken und Investitionen fördern – insbesondere bei einer weiteren Stabilisierung der globalen Lieferketten.

Auch wenn sich einzelne Chancen ergeben – etwa durch stärkere fiskalische Impulse, technologische Fortschritte oder internationale Verständigungen – überwiegen aus unserer Sicht derzeit eindeutig die Abwärtsrisiken. Die anhaltend hohe geopolitische Unsicherheit, mögliche Verwerfungen an den Finanzmärkten sowie bestehende strukturelle Herausforderungen im Euroraum sprechen für ein erhöhtes Risiko negativer Abweichungen vom erwarteten Konjunkturverlauf.

Ausblick und politische Empfehlungen

Die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum wird auch im weiteren Prognosezeitraum voraussichtlich verhalten bleiben. Belastungen durch den transatlantischen Handelskonflikt, die Aufwertung des Euros und strukturelle Standortschwächen bestehen fort. Zwar stützen robuste Arbeitsmärkte und eine weniger restriktive Geldpolitik die Binnenwirtschaft, doch die Investitionsdynamik bleibt schwach. Fiskalische Impulse wirken nur begrenzt, da sie sich vor allem auf Länder wie Deutschland konzentrieren, während andere Mitgliedstaaten eher konsolidieren müssen. Das Wachstum bewegt sich damit in etwa am Potenzial. Dieses ist jedoch selbst zu niedrig, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand langfristig zu sichern. Die Risiken für die Prognose sind überwiegend abwärtsgerichtet – insbesondere durch mögliche erneute Eskalationen im Handelskonflikt, geopolitische Spannungen, eine schwächere globale Nachfrage sowie erhöhte Finanzmarktrisiken.

Um das wirtschaftliche Wachstum im Euroraum langfristig zu stärken, sind eine Reihe gezielter Maßnahmen erforderlich, die darauf abzielen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Investitionen zu fördern und die wirtschaftliche Resilienz zu stärken. Die jüngsten Entwicklungen – darunter die Neuausrichtung der transatlantischen Handelsbeziehungen, die strukturelle Schwäche einzelner Mitgliedstaaten sowie die geopolitischen Herausforderungen – unterstreichen die Notwendigkeit einer wirtschaftspolitischen Agenda, die strategisch ausgerichtet ist und konsequent umgesetzt wird. Mit den Berichten von Mario Draghi und Enrico Letta, dem neuen EU-Kompass für Wettbewerbsfähigkeit sowie dem Clean Industrial Deal liegen zentrale Analysen und zahlreiche Empfehlungen vor. Dennoch bleibt die Umsetzung bislang weit hinter den Anforderungen zurück. Europa droht im internationalen Standortwettbewerb noch stärker zurückzufallen. Es braucht jetzt konkrete Fortschritte – keine weiteren Absichtserklärungen. Die folgenden Punkte markieren aus unserer Sicht die aktuell dringendsten und wesentlichsten wirtschaftspolitischen Handlungsfelder.

▪ Investitionsbedingungen verbessern – private und öffentliche Mittel mobilisieren: Europa steht vor einer jährlichen Investitionslücke von über 1,2 Billionen Euro, insbesondere in den Bereichen Energie, Digitalisierung, industrielle Resilienz und Verteidigung. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen deshalb die Rahmenbedingungen für private Investitionen deutlich verbessern. Dazu gehören steuerliche Anreize, gezielte Zuschüsse, eine stärkere Nutzung von Risikoteilungsinstrumenten sowie eine bessere Koordination von Förderbanken. Die Programme InvestEU und Important Projects of Common European Interest (IPCEI) sind strategisch auszubauen und administrativ zu vereinfachen. Entscheidend ist, dass Investitionen europaweit und in den Mitgliedstaaten schneller, gezielter und wirkungsorientierter ausgelöst werden. Dafür braucht es verlässliche Planungssicherheit und attraktive Standortbedingungen, die Investitionen nicht behindern, sondern ermöglichen.

▪ EU-Haushalt strategisch ausrichten – Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen priorisieren: Der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2028 bis 2034 muss gezielt dazu beitragen, die Investitionslücke zu schließen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene strukturelle Umschichtung zugunsten zukunftsträchtiger Bereiche wie Forschung, Infrastruktur und Verteidigung ist grundsätzlich richtig, bleibt aber unzureichend. Die Bündelung zentraler Programme im Europäischen Wettbewerbsfähigkeitsfonds (ECF) kann die Umsetzung erleichtern, sofern die Mittel strategisch eingesetzt und die Verfahren spürbar vereinfacht werden. Insbesondere im Energie- und Infrastrukturbereich muss die Investitionssicherheit verbessert werden. Zudem ist ein gutes Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Planbarkeit erforderlich, um langfristige Investitionen zu ermöglichen.

▪ Binnenmarkt vertiefen – insbesondere bei Dienstleistungen, Energie und Digitalisierung: Ein vollständig integrierter Binnenmarkt ist entscheidend für eine höhere Produktivität und wirtschaftliche Resilienz in Europa. Vorrang haben der zügige Ausbau grenzüberschreitender Energie- und Digitalinfrastrukturen sowie der Abbau verbleibender nationaler Barrieren, insbesondere im Dienstleistungssektor. Laut einer Analyse des Internationalen Währungsfonds (2024) entsprachen die Handelskosten innerhalb Europas im Jahr 2020 einem ZollÄquivalent von 44 Prozent im verarbeitenden Gewerbe, verglichen mit 15 Prozent zwischen US-Bundesstaaten. Im Dienstleistungsbereich wurden Werte von bis zu 110 Prozent erreicht. Diese Kosten wirken sich direkt auf Unternehmen und Verbraucher aus, beispielsweise durch weniger Wettbewerb, höhere Preise und geringere Produktivität. Ihre Senkung ist eine zentrale wirtschaftspolitische Aufgabe, um Investitionen zu erleichtern, die Wertschöpfung zu steigern und die Handlungsfähigkeit Europas im globalen Wettbewerb zu stärken.

▪ Strukturreformen auf EU- und nationaler Ebene vorantreiben: Europa braucht eine neue Reformdynamik, um sein Wachstumspotenzial zu entfalten. Auf EU-Ebene sind der Abbau regulatorischer Komplexität, die Vereinfachung von Verfahren und der zügige Ausbau der Kapitalmarktunion entscheidend, um grenzüberschreitende Investitionen und Innovationen zu erleichtern. Auf nationaler Ebene müssen Reformen in den Bereichen Arbeits-, Produkt- und Kapitalmärkte entschlossen umgesetzt, Verwaltungsstrukturen modernisiert und Investitionshemmnisse abgebaut werden. Nur durch konsequente Reformen auf beiden Ebenen kann Europa wieder zu einem dynamischen Wirtschaftsraum werden.

▪ Fiskalischen Spielraum wachstumswirksam nutzen – Haushaltsdisziplin sichern: Die fiskalischen Spielräume sollten gezielt für Investitionen in die Infrastruktur, die Digitalisierung

und die industrielle Transformation genutzt werden. Die nationale Ausweichklausel für Verteidigungsausgaben wurde inzwischen von zahlreichen Ländern aktiviert und schafft temporären Spielraum im Rahmen der EU-Fiskalregeln. Umso wichtiger sind daher klare Prioritäten, eine effiziente Mittelverwendung und eine glaubwürdige Konsolidierungsperspektive. Je nach Verschuldungsgrad muss die Rückkehr auf einen tragfähigen Ausgabenpfad teils deutlich früher erfolgen. Ein stabiler finanzpolitischer Rahmen bleibt die Grundlage für nachhaltiges Wachstum und wirtschaftliche Resilienz.

▪ Offene Märkte sichern – strategische Handelsbeziehungen ausbauen: Die EU sollte weitere Handelsabkommen zügig abschließen und bestehende Abkommen konsequent umsetzen. Denn diversifizierte Lieferketten, bessere Marktzugänge und stabile Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen sind entscheidend für wirtschaftliche Resilienz. Die EU muss ihre strategischen Partnerschaften im globalen Handel stärken und eine koordinierte Antwort auf internationale Handelsumleitungseffekte gewährleisten.

Quellenverzeichnis

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Impressum

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Investitionen in der Warteschleife by Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. - Issuu