Reformvorschläge zur deutschen Quellenbesteuerung

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POSITION | STEUERPOLITIK | INTERNATIONALES STEUERRECHT

Reformvorschläge zum

Quellensteuerabzugsverfahren

§§ 50a, 50c EStG

Vorschläge zum Abbau unverhältnismäßiger Bürokratie

Oktober 2025

Hintergrund und Zielsetzung (§§ 50a, 50c EStG)

Das Steuerabzugsverfahren gemäß § 50a EStG hat für die deutsche Wirtschaft eine hohe Bedeutung, insbesondere bei Lizenzvereinbarungen mit ausländischen Tochtergesellschaften Dieses Verfahren verursacht jedoch unverhältnismäßigen Aufwand in der Unternehmenspraxis, der in keinem Verhältnis zu dem hiermit verbundenen Steueraufkommen steht. Trotz einzelner Verbesserungen bestehen die strukturellen Probleme weiterhin fort Der BDI legt grundlegende Vorschläge zu einer Reform des Erstattungs- und Freistellungsverfahrens beim Quellensteuerabzug vor, um dieses aufwendige Verfahren für die Unternehmen und für die Finanzverwaltung zu vereinfachen

Digitalisierung für Bürokratieabbau nutzen

Neben einer grundlegenden Reform muss die Digitalisierung des Verfahrens dringend vorangetrieben werden, um Effizienzgewinne für alle Beteiligten zu erzielen Grundsätzlich ist bei § 50a-Lizenzfällen ein BZSt-Entlastungsverfahren erforderlich. Bei Vergütungen für Rechteüberlassungen bis 10.000 € je Kalenderjahr und Vergütungsgläubiger greift jedoch die Freistellungsoption nach § 50c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG ohne BZSt-Antrag.

Zur Vereinfachung und zum Bürokratieabbau wären ein Identifikationsverfahren und eine digitale Plattform wünschenswert, auf welche sowohl der ausländische und inländische Vertragspartner sowie die deutsche Finanzverwaltung Zugriff haben, um bei der Erteilung und Prüfung der Freistellungsbescheinigungen zusammenzuwirken.

Antragsflut für deutsche Unternehmen reduzieren

Für die deutsche Industrie, die tausende Patente jährlich in Deutschland neu registriert, stellt dieser Prozess eine enorme administrative Herausforderung dar. Insgesamt sind in Deutschland fast 900.000 Patente registriert, neben einer Vielzahl an Marken, Mustern und anderen geschützten Werken Daneben gewinnt die Lizenzierung von Software zur wirtschaftlichen Verwertung aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung zunehmend an Bedeutung.

1. Status Quo: Praxisschwierigkeiten beim Steuerabzugsverfahren

Das Steuerabzugsverfahren gemäß § 50a EStG ist unnötig komplex und verursacht in der Unternehmenspraxis unverhältnismäßigen Aufwand. Selbst bei Bestehen eines Doppelbesteuerungsabkommens müssen Unternehmen ein Freistellungsverfahren beim BZSt beantragen. Der Antrag erfordert zahlreiche Nachweise, darunter umfangreiche Vertragsübersetzungen und zusätzliche Unterlagen für die Missbrauchsprüfung. Die Bearbeitungszeiten sind lang und jeder Lizenzpartner muss einen separaten Antrag stellen. Zudem sind die Nachweisanforderungen uneinheitlich, was den Prozess zusätzlich erschwert. Eine schnelle und reibungslose Abwicklung ist entscheidend, da die Freistellungsbescheinigung erst ab Antragstellung gilt. Diese Umstände führen zu erheblichen Verzögerungen und Unsicherheiten für Unternehmen und belasten deren Geschäftsabläufe.

Kritisch ist auch, dass Freistellungsbescheinigungen (§ 50c EStG) seit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) im Jahr 2021 mit Nebenbedingungen versehen sind. So muss der Inländer beispielsweise auch bei Vorliegen einer amtlichen Freistellungsbescheinigung fortlaufend und eigenständig prüfen, ob der Vertragspartner weiterhin alle Voraussetzungen erfüllt. Im Zweifel haftet der Inländer für den Steuerabzug – ein untragbarer Zustand.

Auch die Steueranmeldungen verursachen administrativen Aufwand. Sie sind zehn Tage nach Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres fällig. Gerade im Zusammenhang mit den bestehenden Monatsbzw. Quartalsabschlussprozessen in den Unternehmen führt diese Frist zu Problemen bzw. Engpässen bei der Informationsbeschaffung und Durchführung. Eine Dauerfristverlängerung, wie sie bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung gewährt wird, wäre eine deutliche Entlastung für die Unternehmen

2. BDI-Vorschläge für ein unbürokratisches Quellensteuerabzugsverfahren

Die Freistellungsbescheinigung muss wieder ihren Wert als rechtssicheres Instrument für deutsche Unternehmen erlangen. Wie vor der Novelle durch das AbzStEntModG sollte es ausreichen, dass das BZSt den Antrag prüft und die Freistellungsbescheinigung ausstellt, damit auf den Quellensteuereinbehalt verzichtet werden kann. Die den Unternehmen vorgelegte Freistellungsbescheinigung muss für die Frage, ob ein rechtssicherer Verzicht auf den Steuereinbehalt vorgenommen werden kann, ausreichend sein.

Durch kürzere Bearbeitungszeiten und ein vereinfachtes Verfahren können Ressourcen eingespart werden, wodurch sowohl Unternehmen als auch die Finanzverwaltung administrativ entlastet werden. Eine Begrenzung der Meldung auf tatsächliche Korrekturen bei zu berichtigenden Steueranmeldungen würde zu einer erheblichen Entlastung führen. Bislang ist selbst bei der Korrektur einer einzigen Position eine erneute vollständige Abgabe der ursprünglichen Anmeldung nebst Korrekturen erforderlich.

Das Erstattungs- und Freistellungsverfahren (§§ 50a, 50c EStG) ist nicht praktikabel und zu komplex. Es sollte daher umfassend reformiert werden und die nachfolgenden Vorschläge wurden gemeinsam mit der betrieblichen Praxis erarbeitet, um eine Vereinfachung und einen Bürokratieabbau bei diesem Verfahren zu erreichen.

• Umfassenden Haftungsschutz der Freistellungsbescheinigung schaffen

Eine vorgelegte Freistellungsbescheinigung muss einen umfassenden Haftungsschutz bieten und grundsätzlich als wirksam angesehen werden, es sei denn, es liegt eine offensichtliche Unrichtigkeit vor.

• Nachweispflichten reduzieren

Die Nachweispflichten sollten reduziert werden. Zudem sollte eine einmal ausgestellte Freistellungsbescheinigung für alle Verträge mit dem Unternehmen gelten, sodass Nachweise, die in früheren Prozessen vorgelegt wurden, nicht erneut eingereicht werden müssen.

• Identifikationsverfahren einführen

Der BDI schlägt ein Identifikationsverfahren vor, das der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ähnelt. Demnach sollte jeder ausländische Lizenzgeber eine eindeutige Identifikationsnummer erhalten, die belegt, dass das Unternehmen die Voraussetzungen für eine Freistellung der Lizenzzahlungen erfüllt und von der Finanzverwaltung geprüft wurde. Dadurch würden erneute und übermäßige Prüfungen reduziert und eine generelle Freistellung des gleichen Lizenzgebers ermöglicht. Die Identifikationsnummer würde die Verfahren beschleunigen und sowohl die Finanzverwaltung als auch die Unternehmen erheblich entlasten. Zudem würde sie die regelmäßige Überprüfung der Freistellungsvoraussetzungen, beispielsweise auf der Internetseite des BZSt, ermöglichen und das Haftungsrisiko des inländischen Lizenznehmers reduzieren.

Eine Positivliste von geprüften Unternehmen erleichtert der Finanzverwaltung übergangsweise die erneute Prüfung gleicher Sachverhalte, z. B. gemäß § 50d Abs. 3 EStG. Ein detaillierter Substanztest mit umfangreichen Dokumentationsanforderungen sollte nur in begründeten Ausnahmefällen oder bei Verdacht auf Missbrauch durchgeführt werden. Zudem sollte der ausländische Lizenzgeber eine Musterfreistellungsbescheinigung beantragen können, die für alle inländischen Lizenznehmer gilt. Dies reduziert die Anzahl der Anträge und beschleunigt den Prozess für Unternehmen sowie für das BZSt

• Dauerfristverlängerung ermöglichen

Die vierteljährlichen Steueranmeldungen verursachen einen hohen administrativen Aufwand. Eine Dauerfristverlängerung, wie sie bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung gewährt wird, wäre eine deutliche Entlastung für die Unternehmen.

• Prozesse durch Digitalisierung verbessern

Um Prozesse zu verbessern und effizienter zu gestalten, sollte das Freistellungsverfahren digitalisiert werden. Die Einführung einfacher digitaler Schnittstellen oder cloudbasierter Datenaustauschmöglichkeiten würde Prozesse erleichtern und beschleunigen. Schnittstellen sollten nicht nur zwischen Unternehmen und dem BZSt, sondern auch zwischen Betriebsstättenfinanzämtern und dem BZSt vorhanden sein. Dadurch wird ein schneller und automatischer Datenaustausch ermöglicht und langwierige Rückfragen zu bereits vorliegenden Daten werden vermieden. Wünschenswert wäre eine digitale Plattform, auf die alle Vertragspartner und die Finanzverwaltung zugreifen können, um bei der Erstellung und Prüfung von Freistellungsbescheinigungen zusammenzuarbeiten.

• Reform zur Vermeidung von Doppelbesteuerung nutzen

Neben dem notwendigen Bürokratieabbau sollten auch Maßnahmen zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern ergriffen werden. Nach geltendem Recht können ausländische Steuern grundsätzlich

nur auf die Körperschaftsteuer angerechnet werden, jedoch nicht auf die Gewerbesteuer. Eine Möglichkeit, Anrechnungsüberhänge vorzutragen, besteht ebenfalls nicht, sodass die Unternehmen einer Doppelbesteuerung unterliegen und im internationalen Wettbewerb benachteiligt sind. Es sollte daher die Möglichkeit eingeführt werden, Quellensteuer-Überhänge anzurechnen, ähnlich wie es im USSteuerrecht der Fall ist. Alternativ könnte eine gesetzliche Regelung zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer geschaffen werden.

Zusammenfassung

▪ Quellensteuerabzugsverfahren reformieren: Das Erstattungs- und Freistellungsverfahren muss vereinfacht und der Prüfungs- sowie Bürokratieaufwand reduziert werden

▪ Nachweispflichten reduzieren: Ausgestellte Freistellungsbescheinigung sollten ohne erneute Nachweispflichten für alle Verträge mit dem Unternehmen gelten

▪ Mehrfachprüfungen durch Einführung von Identifikationsnummern vermeiden: Eine mehrfache Prüfung derselben Vertragspartner und gleicher Sachverhalte sollte durch die Vergabe von Identifikationsnummern, wie bei der Umsatzsteuer, verhindert werden

▪ Dauerfristverlängerung ermöglichen: Zur Entlastung bei den vierteljährlichen Steueranmeldungen sollte eine Dauerfristverlängerung wie bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung ermöglicht werden.

▪ Digitale Schnittstellen beim BZSt: Das Freistellungsverfahren sollte durch die Einführung einfacher digitaler Schnittstellen digitalisiert und Prozesse hiermit beschleunigt werden.

Impressum

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)

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T: +49 30 2028-0

Lobbyregisternummer: R000534

Redaktion

Dr. Monika Wünnemann

Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik

T: +49 30 2028 1507 m.wuennemann@bdi.eu

Tobias Kohlstruck

Referent Internationales Steuerrecht

T: +49 170 7961071 t.kohlstruck@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 1699

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