BDI-Reihe Wirtschaftsrecht Ausgabe 02/2023

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Reihe

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.

AUSGABE 2/2023

WIRTSCHAFTSRECHT „Während hier die Unternehmen mit Vorschriften zugeschüttet werden, überholen uns die Wettbewerber aus den USA oder Asien.“ Statement zur Wirtschaftspolitik – Dr. Claudia Junker

UNTERNEHMENSRECHT

GESELLSCHAFTSRECHT

COMPLIANCE

DIE REGULIERUNGSWUT MUSS AUFHÖREN – WIR RUINIEREN UNSER LAND!

AKTUELLE ÜBERLEGUNGEN ZUR REFORM DES BESCHLUSS­ MÄNGELRECHTS

EU-LIEFERKETTENRICHTLINIE IM TRILOG

Kommentar von Dr. Claudia Junker

Beitrag von Dr. Thorsten Lieb

Beitrag der BDI-Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik

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Wirtschaftsrecht

Editorial

Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte sich ambitionierte Ziele für diese Legislatur gesetzt. Doch die fundamental veränderte außen- und sicherheitspolitische Lage durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu intensivem Krisenmanagement gezwungen. Die Krise hat große Belastungen gebracht, aber auch längst vorhandene, tiefgreifende Strukturprobleme erneut verstärkt. Krisenmanagement reicht nicht mehr aus. Anfang Oktober hat sich die Lage durch den Terrorangriff auf Israel erneut verschärft. Und seit dem 15.11.2023 sind sämtliche Instrumente einer Notlagen- und Transformationsfinanzierung durch Haushaltsmittel auf den Prüfstand gestellt. Viele der Probleme sind aber „hausgemacht“. Der Industriestandort Deutschland fällt zurück. Statt der sinkenden Attraktivität des Standortes entgegenzutreten, belasten neue bürokratische Pflichten ohne erwartbaren Mehrwert (wie im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Zusätzlich sind ordnungspolitische Irrwege wie die in der jüngsten GWB-Novelle vorgesehenen staatlichen Eingriffsrechte innovationsfeindlich. Weiterer bürokratischer Ballast aus europäischer Rechtsetzung kommt hinzu. Zudem ist Deutschland ein Hochkostenstandort. Das erschwert dringend notwendige Investitionen in Zukunftstechnologien wie Batterien und Wasserstoff zusätzlich. Zudem drohen energieintensive Industrien aus dem Standort verdrängt und Investitionen ins Ausland verlagert zu werden,

nicht zuletzt durch ansiedlungsattraktive Regulierungen wie dem IRA in den USA. Zwar sind die Weichen auf einen zügigeren Ausbau der Erneuerbaren gestellt, die umfassende Energieversorgung zu langfristig wettbewerbsfähigen Konditionen ist jedoch nicht zu erkennen. Damit fehlt heute eine wesentliche Grundlage für Investitionsentscheidungen. Das BVerfG hat klar ausgesprochen, dass eine solide konzeptionelle Finanzierungsgrundlage fehlt. Mit Schattenhaushalten und Schulden sind die Herausforderungen nicht zu bewältigen. Das erinnert stark an die angemahnte Generationengerechtigkeit im Beschluss des BVerfG aus April 2021 zur Klimapolitik. Gleichzeitig offenbaren sich in der digitalen und der grünen Transformation strukturelle Defizite des Standortes Deutschland, die langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gefährden. Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern zu lange. Diese Ausgabe der Reihe zum Wirtschaftsrecht gibt erneut einen Überblick über die „Baustellen“ im Wirtschaftsprivatrecht. Die Vorsitzende des BDI-Rechtsausschusses, Claudia Junker, und der Abgeordnete Lieb melden sich mit wichtigen Standpunkten zu Wort. Trotz oder besser wegen der vielfältigen aktuellen Krisen wünschen wir Ihnen eine gute Vorweihnachtszeit, ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr ganz nach Ihrem Geschmack und natürlich Gesundheit.

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Ansprechpartner Niels Lau n.lau@bdi.eu


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Wirtschaftsrecht

Unternehmensrecht

„Die Regulierungswut muss aufhören — wir ruinieren unser Land!“

Ein Kommentar von Dr. Claudia Junker, Vorsitzende des BDI-Rechtsausschusses Dieser Beitrag basiert auf einer vorherigen, ausführlicheren Veröffentlichung in der Zeitschrift unternehmensjurist, Heft 4/2023, Seite 28.

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Wirtschaftsrecht

Das Thema „neue Gesetze, neue Verordnungen und neue sonstige Regularien“ fordert tagtäglich die größte Aufmerksamkeit von Unternehmen. Heute ist es kaum mehr möglich, einen knappen Überblick über die laufenden Gesetzesinitiativen zu erhalten – so viele sind es, und es werden ständig mehr. Nach einer Erhebung der DIHK kamen allein auf EU-Ebene im letzten Jahr für ein abgeschafftes Gesetz 3,5 neue Gesetze hinzu. Die Auseinandersetzung mit diesen Regularien bindet enorme Ressourcen. Ressourcen, die in Unternehmen operativ gewinnbringender eingesetzt werden könnten. Selbst große Konzern stoßen bei der Um-Allokation von Ressourcen zwischenzeitlich an ihre Grenzen. Und KMU stehen vor einer unlösbaren Aufgabe. Wenn Sie derzeit bei Unternehmen eine Umfrage zum Thema Überregulierung durchführen und nach Beispielen fragen, würden die aktuellen EU-Entwürfe für eine Richtlinie zu „unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette“ ganz vorne landen. Nicht genug, dass die Umsetzung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zur Jahresendrally im vergangenen Jahr in größeren Unternehmen (mit mindestens 3.000 Mitarbeitern) eines ebenfalls größeren Projekts bedurfte, um die Vorgaben quer durch alle zuständigen Bereiche (und Töchter im sog. eigenen Geschäftsbereich) hindurch zu erfüllen. Nein, nun wird die EU-Richtlinie in nicht allzu ferner Zukunft noch viele weitere Vorgaben machen: Es sollen kleinere Unternehmen einbezogen werden. Es soll nicht nur die Zulieferkette, sondern die gesamte „Wertschöpfungskette“ abgedeckt werden. Es sollen diverse Klimaziele aufgenommen werden. Dazu kommt möglicherweise noch eine eigenständige zivilrechtliche Haftung. Natürlich ist es richtig vorzusehen, dass in der Lieferkette keine Zwangsarbeit, keine Kinderarbeit und keine Umweltschutz-Verstöße stattfinden dürfen. Aber erstens würden dafür Ziele-Vorgaben ausreichen. Ein Mikromanagement der Unternehmen durch die Politik mit unzähligen vorgegebenen Schritten und Maßnahmen ist der falsche Weg. Und zweitens: Wenn es um die genannten Ziele geht, sollten wir innerhalb der EU mit Fug und Recht sagen dürfen, dass in den EU-Staaten diese selbst dafür zuständig sind, Kinderarbeit zu verhindern, Zwangsarbeit zu unterbinden und für die Einhaltung von Umweltstandards zu sorgen. Innerhalb der EU-Staaten sollten die Unternehmen nicht als Werkzeug der Durchsetzung von politischen Zielen dienen müssen!

Dazu lauten die Gegenargumente der Politik etwa „Hintern Bahnhof in Berlin gab es einen Fall von Menschenhandel bei Vietnamesen.“ Also eine anekdotische Evidenz als Grundlage für die Massen-Regulierung von Unternehmen. Das ist grundverkehrt. Nicht der anekdotische Anlass darf maßgeblich sein, sondern es muss die systemische Analyse sein. Eine Analyse, dass es innerhalb der EU systemische Schwächen bei den genannten Themen wie Kinderarbeit etc. gibt, ist der Autorin nicht bekannt. Der Ausweg in diesem Beispiel wäre sehr einfach: Es müssten aus der geplanten EURegulierung die Lieferkettenteile, die innerhalb Europas liegen, von den geplanten Vorgaben ausgenommen werden. Das würde einen Großteil der Last für den größten Teil der Unternehmen aus dem Thema Lieferketten-Regulierung rausnehmen. Die Beispiele der überbordenden Regulierung sind vielfältig und zahlreich. Meist kommen sie mit einer durchaus hehren Intention (wie z.B. die EU-Verordnung über ausländische Subventionen oder das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz). Aber ausgestaltet werden sie mit unzähligen Detailvorgaben, Pflichten, Dokumentationsanforderungen, Auflagen etc. pp. Diese Regelungskomplexität und -flut führt zu einer Überforderung der Unternehmen. Europa ist keine Insel. Während hier die Unternehmen mit Vorschriften zugeschüttet werden, überholen uns die Wettbewerber aus den USA oder Asien. Die Regulierungswut muss aufhören!

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Gesellschaftsrecht

Aktuelle Überlegungen zur Reform des Beschlussmängelrechts

„Hauptversammlungen – ob in Präsenz oder virtuell – sollten Orte des intensiven und lebendigen Dialogs zwischen Eigentümer/-innen und Gesellschaft sein. Dazu kann eine Reform des Beschlussmängelrechts einen Beitrag leisten.“ Dr. Thorsten Lieb, Mitglied des Deutschen Bundestages

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Wirtschaftsrecht

Die Beratungen um die Verstetigung der virtuellen Hauptversammlung hat einmal mehr gezeigt, dass das deutsche Beschlussmängelrecht weiterhin viele Fragen aufwirft. In den parlamentarischen Schlussberatungen zur virtuellen Hauptversammlung hat die Koalition daher angekündigt, eine Reform des Beschlussmängelrechts in den Blick zu nehmen. Im Mittelpunkt der bisherigen Überlegungen sollen dabei die Stärkung der Diskussionskultur, flexiblere Rechtsfolgen und die Klarstellung offener Fragen stehen. Die Diskussion um eine Reform des Beschlussmängelrechts steht seit vielen Jahren immer wieder im Raum. Im Rahmen der Beratungen über die Verstetigung der virtuellen Hauptversammlung 2022 hat die Diskussion über die Reform des Beschlussmängelrechts nochmal an Fahrt gewonnen. Denn für die Attraktivität zur Durchführung der virtuellen Hauptversammlung spielt das Beschlussmängelrecht eine entscheidende Rolle. Insbesondere die scharfe Rechtsfolge der sofortigen Kassation von Beschlüssen führt dazu, Abläufe, Reden und Informationsweitergabe bis ins kleinste Detail vorzubereiten und eher technisch und zurückhaltend zu agieren, um Fehler zu vermeiden. Das behindert eine offene Diskussionskultur, sowohl digital als auch analog. Die Koalition hat dies in der Schlussberatung zum Anlass genommen, eine weitere Reform des Beschlussmängelrechts in den Blick zu nehmen. Intensive Debatten, eine verbesserte Diskussionskultur und mehr Offenheit stehen ebenso bei den Reformüberlegungen im Raum wie Gedanken zu flexibleren Rechtsfolgen insgesamt, Änderungen bei der Anfechtung der Wahlen von Aufsichtsräten und beim Umgang mit mängelbehafteten Auskünften. Überlegungen zu einer Reform Für eine möglichst praxistaugliche und zwischen den unterschiedlichen Interessen ausgewogene Reform möchte ich auf folgende Überlegungen näher eingehen: Anfechtung in Folger der Auskunftserteilung Ist nach Ansicht der Aktionäre ein Beschluss trotz fehlender Informationen zustande gekommen, kann dieser angefochten werden. Bei Prüfung des Beschlusses stellt sich daher die Frage, ob man dem Beschluss auch bei Kenntnisnahme weiterer Informationen so zugestimmt hätte. Wir schlagen daher die Möglichkeit vor, eine zunächst erteilte Auskunft bis zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung im Aktionärsportal zu präzisieren und zu konkretisieren. Darüber hinaus sollte eine Anfechtung wegen Auskunftsmängel zukünftig auf Fälle einer groben Verletzung der Auskunftspflicht beschränkt sein, d.h. insbesondere auf Fälle, in denen eine Auskunft schlicht falsch oder grob unvollständig.

Anfechtung von Aufsichtsratswahlen Bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und der Bestellung von Abschlussprüfern ergeben sich derzeit aus der in Folge der aktuellen Rechtsprechung des BGH (BGH Urt. v. 19.02.2013, II ZR 56/12) ex tunc wirkenden Kassation von Beschlüssen Rechtsunsicherheiten. Die Anerkennung einer Beschlussbeseitigung mit Wirkung ex nunc entsprechend der früheren Rechtspraxis könnte die Rechtsunsicherheiten sowie komplexe Verfahren vermeiden. Flexibilisierung der Rechtsfolge Andere Rechtsordnungen haben bereits sehr gute Erfahrungen mit der Flexibilisierung der Rechtsfolge bei Anfechtungen gemacht. Die Kassation erscheint in vielen Fällen nicht sachgerecht und trägt zur geringen Diskussionsbereitschaft bei. Das Beschlussmängelrecht sollte daher so gestaltet werden, dass die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse nicht in jedem Fall zur sofortigen Kassation führt. In dem Falle ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Eine Kategorisierung von Mängeln anhand von Regelbeispielen sollte hierbei intensiv in den Blick genommen werden. Vom zweispurigen Rechtssystem zum einheitlichen Verfahren Die derzeitige Regelung sieht das Freigabeverfahren als eigenständiges Verfahren vor. Die Diskussion über eine Vereinheitlichung des Verfahrens sollte noch einmal aufgenommen werden. Dabei sollte insbesondere eine Unterscheidung zwischen strukturverändernden und nicht strukturverändernden Beschlüssen vorgenommen werden. Im Ergebnis wird hier eine flexible Handhabung im Umgang von Beschlüssen erreicht. Präzisierung und Vereinfachung des Nichtigkeitstatbestands Der eigenständige Nichtigkeitstatbestand hat sich bewährt. Dennoch sollte diskutiert werden, § 241 AktG zu präzisieren, insbesondere im Hinblick darauf, dass rein eigentümerschützende Bestimmungen über die Anfechtungsklage abgesichert sind. Daher könnten in diesem Rahmen § 241 Nr. 1 und Nr. 2 AktG (Einberufungs- und Beurkundungsmängel) entfallen.

Ausblick Die vorgenannten Überlegungen sind Gegenstand der Diskussion in der FDP-Bundestagsfraktion und sollen zeitnah innerhalb der Koalition und auch mit dem Bundesministerium der Justiz diskutiert werden. Ich bin zuversichtlich, dass sich auf dieser Grundlage eine Reform noch in dieser Legislaturperiode angehen lässt. Im Mittelpunkt steht dabei die Stärkung der Aktienkultur.

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Wirtschaftsrecht

Gesellschaftsrecht

Idee einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“

Die derzeit diskutierten Überlegungen der Stiftung Verantwortungseigentum zur Schaffung einer neuen Gesellschaftsform mit „gebundenem Vermögen“ bewertet der BDI kritisch. Sollte an der Idee der Schaffung einer Rechtsform mit gebundenem Vermögen festgehalten werden, könnten ausländische Regelungsmodelle wie die Benefit Corporation (USA) oder die Community Interest Company (England) als Vorbild dienen. Diese Rechtsformen erfordern im Unterschied zur GmgV ein Gemeinwohl- oder Nachhaltigkeitserfordernis. Die Idee einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ (GmgV) ist aus Sicht des BDI eine interessante Initiative. Aus Sicht der Industrie ist es grundsätzlich vorteilhaft, wenn verschiedene gesellschaftsrechtliche Unternehmensformen zur Verfügung stehen, die dem jeweiligen Unternehmenszweck dienen. Die derzeit diskutierten Überlegungen zur Schaffung einer neuen Gesellschaftsform mit „gebundenem Vermögen“ bewertet der BDI gleichwohl skeptisch. Vor diesem Hintergrund hat der BDI im September 2022 gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen ein Positionspapier „Verantwortungseigentum weiter denken“ veröffentlicht, in dem

die Einführung einer entsprechenden Rechtsform (damals GmbH-gebV) kritisch bewertet wird. In den letzten Monaten haben sich die kritischen Stimmen vermehrt. Zum einen hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen im November 2022 seine Stellungnahme „Zum Vorschlag für eine GmbH mit gebundenem Vermögen“ veröffentlicht, wonach verantwortungsvolles Unternehmertum unterstützt, dafür jedoch nicht die Einführung einer neuen Rechtsform empfohlen wird. Zum anderen ist das Institut für Mittelstandsforschung (IFM) in Bonn zu dem Ergebnis gelangt, dass

die Kernelemente der neuen Gesellschaftsform den Fortbestand der Unternehmen auf lange Sicht eher gefährden als fördern könnten. Seit März 2023 liegt ein neues Eckpunktepapier der Stiftung Verantwortungseigentum für eine Gesellschaftsform mit gebundenem Vermögen vor. Durch die Weiterentwicklung wurde versucht, Kritik zu berücksichtigen (z. B. Namensänderung, Schutz gegen Missbrauch etc.). Die Grundstruktur wurde aber nicht verändert .


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Wirtschaftsrecht

Die diskussionsbedürftigen Wesensmerk­male der GmgV lassen sich wie folgt zu­sammenfassen: • Keine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter („Asset Lock“). • Geschäftsanteile können nicht vererbt oder höchstbietend veräußert, sondern nur an Personen derselben „Fähigkeiten- und Wertefamilie“ zum Nennwert weitergegeben werden („Kreis der Gesellschafter“). • Die vorgenannten Merkmale sind unabdingbar und können selbst durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss nicht geändert werden („Unabdingbarkeit“). • Jeder Unternehmenszweck ist zulässig. • Im Falle einer drohenden Insolvenz kann die Auflösung der Vermögensbindung beantragt werden (nicht rückwirkend, sondern für die Zukunft). • Verpflichtende Mitgliedschaft in einem mit Einsichts- und Klagerechten ausgestatteten Unternehmensaufsichtsverband zur Absicherung der Vermögensbindung gegen Missbrauch. • Mangels Ausschüttung an die Gesellschafter kann keine Einkommensteuer für Gesellschafter anfallen. Eine Erbschaftsteuer kann nur in Bezug auf den Nennbetrag der Anteile entstehen. Angedacht ist die einmalige Fiktion einer Vollausschüttung und die Belastung mit der Kapitalertragsteuer. Die derzeit diskutierten Überlegungen für eine Gesellschaft mit gebundenem Vermögen sind aus unserer Sicht aus den nachfolgenden Gründen zurückhaltend zu bewerten, da vielfältige Friktionen zum geltenden Rechtsrahmen bestehen. Image/Wettbewerb Das Image von Unternehmen, die nicht als Gesellschaft mit gebundenem Vermögen organisiert sind, könnte durch die Schaffung einer neuen Unternehmensform, die das Verantwortungseigentum stärken soll, in der Öffentlichkeit desavouiert werden. Denn Zielsetzung der neuen Unternehmensform ist es, im Wettbewerb nicht mit Kapital, sondern durch eine höhere Vertrauenswürdigkeit Kunden zu gewinnen. Dadurch wird – fälschlicherweise – suggeriert, dass Unternehmen, organisiert in anderen Rechtsformen, nicht zwingend vertrauenswürdig sind. Steuerliche Gerechtigkeitslücken Die GmgV beinhaltet keine unmittelbare steuerliche Privilegierung, kann sich aber die niedrige steuerliche Belastung thesaurierter Gewinne

„auf ewig“ zunutze machen, ohne dass es zum Ausgleich durch die nachgelagerte Besteuerung der später ausgeschütteten Gewinne auf Gesellschafterebene kommt. Das in der GmgV entstehende Vermögen wird zudem dauerhaft der Schenkungs- und Erbschaftssteuer entzogen, weil sich diese Steuer bei einem Anteilsübergang nur an der geleisteten Einlage orientieren soll. Diese Privilegien gelten bisher nur bei der gemeinnützigen Stiftung oder gemeinnützigen GmbH (gGmbH). Wenn dieses Prinzip auf eine erwerbswirtschaftlich tätige Gesellschaft ausgedehnt wird, wirft das Fragen der steuerlichen Veranlagungsgerechtigkeit auf. Ordnungspolitische Bedenken Die GmgV führt aufgrund des Asset-Lock zu einer Anhäufung von immer mehr Gewinn und Vermögen. Die GmgV unterläuft die Zerschlagungswirkung des Erbrechts. Die Stiftung bildet eine Ausnahme und steht daher unter Aufsicht. Hohe Missbrauchsanfälligkeit Bei der GmgV soll es keine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter geben, sondern die Gewinne und das Vermögen müssen im Unternehmen verbleiben. Allerdings sind die Missbrauchs- bzw. Umgehungsmöglichkeiten, z. B. über Gesellschafterdarlehen, Mietpachtverhältnisse oder Lizenzvereinbarungen, groß. Hier müsste der Gesetzgeber ständig nachschärfen, so dass sich die gewünschte „einfache“ Rechtsform innerhalb kürzester Zeit erheblich verkomplizieren und zu noch mehr Bürokratie führen dürfte. Rechtsvergleich Vergleichbare Rechtsformen im Ausland erfordern im Unterschied zur GmgV in der Regel ein Gemeinwohl- oder Nachhaltigkeitserfordernis. So muss zum Beispiel die sog. Community Interest Company in England im Unterschied zur GmgV ein Gemeinwohl- oder Nachhaltigkeitserfordernis erfüllen. Keine Lösung für Nachfolgeprobleme Teilweise wird angeführt, dass die angedachte Rechtsform die oft problematische Nachfolgefrage vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen – insbesondere durch Arbeitnehmer – erleichtern könnte. Mit Blick auf die oben genannten Wesensmerkmale der GmgV hätte die Wahl dieser Rechtsform allerdings erhebliche Konsequenzen. Insbesondere müssten Nachfolgeinteressierte die Folgen des „Asset Locks“ akzeptieren. Der Verzicht auf die Gewinnausschüttung bedeutet nämlich den vollständigen Verzicht auf die Verzinsung des eingesetzten Kapitals während der eigenen Unternehmertätigkeit. Im Falle eines Rückzugs kommt hinzu, dass der Nachfolger

nur den Nennwert des Anteils zurückbekommt und nicht von einer möglichen Wertsteigerung des Unternehmens profitieren kann. Ob die angedachte Rechtsform in Anbetracht dieses inflationsbedingten Teilverlusts des eingesetzten Kapitals tatsächlich eine gute Lösung für die Nachfolgefrage ist, mag bezweifelt werden. Zweifel an Bedarf und Funktion Entscheidend dürfte die Frage sein, ob für eine GmgV ein nachweisbares und praktisches Bedürfnis besteht. Gibt es tatsächlich so viele Unternehmer, die unternehmerisch tätig werden wollen, aber ihr Kapital nicht gewinnbringend einsetzen wollen? Gibt es so viele Unternehmer, die nicht zu irgendeinem Zeitpunkt von einer evtl. Wertsteigerung des Unternehmens profitieren wollen? Bedeutsam ist auch die Frage, ob und die angedachte Gesellschaftsform in der Praxis tatsächlich funktioniert. Hierzu bedarf es auch unserer Sicht empirischer Erhebungen, damit kein „gesellschaftsrechtlicher Ladenhüter“ entsteht. Erfolg oder Scheitern eines Unternehmens sind nie nur die Privatsache der Gesellschafter, denn an einem Unternehmen hängen in der Regel eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, Lieferanten- sowie Kundenbeziehungen und Interessen der öffentlichen Hand. Wie geht es weiter? Das federführende Bundesjustizministerium prüft die Frage einer geeigneten Rechtsgrundlage, die zugleich Steuersparmodelle ausschließt, derzeit intensiv. Fragestellungen ergäben sich insbesondere in Bezug auf die europarechtlichen Grenzen für den geforderten Ausschluss einer grenzüberschreitenden Umwandlung (Niederlassungsfreiheit), die Vermeidung von Missbrauch und Umgehungen, den Bürokratieaufwand sowie das Steuerrecht.

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Es bleibt abzuwarten, ob es in dieser Legislaturperiode noch zu einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren kommen wird.

Ansprechpartnerin Dr. Kerstin Lappe k.lappe@bdi.eu


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Wirtschaftsrecht

Compliance

EU-Lieferkettenrichtlinie im Trilog

Der Abstimmungsprozess um eine neue EULieferkettenrichtlinie tritt in die entscheidende Phase. Für europäische Unternehmen ergeben sich aus den geplanten Vorschriften weitreichende Pflichten, die ihre globale Wettbewerbsfähigkeit deutlich gefährden.

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Wirtschaftsrecht

Die Europäische Union will nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln fördern. Grundlage ist der im Februar 2022 veröffentlichte Vorschlag der EU-Kommission (KOM) für eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit - 2019/1937“ (Proposal for a Directive on Corporate Sustainability Due Diligence - CSDDD). Mit der Richtlinie sollen die Menschenrechte und die Umwelt in allen Wertschöpfungsketten stärker Berücksichtigung finden – sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU. Verhandlungen schreiten schnell voran Alle drei EU-Institutionen haben mittlerweile ihre Positionen abgestimmt, zuletzt das Europäische Parlament am 02.06.2023. Die beiden Co-EU-Gesetzgeber, Rat der Europäischen Union (Rat) und Europäisches Parlament, beraten seitdem intensiv und unter starkem politischem Druck über ihre Position zum Kommissionsvorschlag. Seit Juli 2023 führt die spanische Ratspräsidentschaft die TrilogVerhandlungen. Erklärtes Ziel ist es, die Verhandlungen möglichst bis zum Jahresende 2023 zum Abschluss zu bringen. Vor Beginn der Europawahl 2024 soll das Dossier verabschiedet werden. BDI-Forderungen für den Trilog Für die Wirtschaft sind handhabbare Rahmenbedingungen unerlässlich. In ihrer jetzigen Form wird die Richtlinie verstärkt zu mehr Bürokratie, Rechtsunsicherheit und letztendlich zum Rückzug europäischer Unternehmen aus Wertschöpfungsketten führen. Damit droht die zur Versorgungssicherheit notwendige Diversifizierung der Lieferketten erschwert zu werden. Daher müssen aus Sicht des BDI bei den weiteren Verhandlungen vor allem die folgenden Punkte berücksichtigt werden: • Im Falle einer aus BDI-Sicht unerwünschten, Einführung einer zivilrechtlichen Haftungsregelung sollte diese im Wesentlichen auf das eigene zurechenbare Handeln beschränkt werden, wie es bereits in zahlreichen nationalen Rechtsordnungen in der EU vorgesehen ist. Gerade in diesem Bereich sind klare Definitionen für Unternehmen, auch im Hinblick auf ihr Risikomanagement, im Sinne der Rechtssicherheit unerlässlich. • Zudem sollte eine Haftungsprivilegierung für leichte Fahrlässigkeit bei der Teilnahme an Brancheninitiativen oder der Verwendung qualifizierter Zertifizierungen („Safe Harbour“) eingeführt werden, wie es in der Protokollerklärung Deutschlands zur Allgemeinen Ausrichtung im Dezember 2022 festgehalten ist. Eine Haftungsprivilegierung schafft auch Anreize für Unternehmen, maßgeschneiderte Lösungen im

Rahmen von Industrieinitiativen zu entwickeln. Darüber hinaus sollte zusätzlich eine Safe-Harbour-Klausel oder eine White List für EU-Mitgliedstaaten und andere gleichwertige Länder wie Kanada oder Japan eingeführt werden. • Des Weiteren ist die Einhaltung der Sorgfaltspflichten auf den Bereich der Lieferkette und hier auf die direkten Lieferanten zu beschränken. Eine Überprüfung der gesamten Wertschöpfungskette ist praktisch nicht umsetzbar und führt unweigerlich zu einer weiteren Überbürokratisierung, nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Auch sollte es den Unternehmen möglich sein, innerhalb der Beziehungen zu seinen direkten Lieferanten die Überwachung der Sorgfaltspflichten zu priorisieren (sog. risikobasierter Ansatz).

Gründlichkeit vor Schnelligkeit Auch wenn auf den Verhandlungspartnern der Druck einer bald endenden Legislaturperiode sowie Ratspräsidentschaft lastet, dürfen entscheidende Rechtsfragen einer komplexen Lieferkettenregulierung nicht übereilt getroffen werden. Bei den Trilog-Verhandlungen muss jetzt gelten: Gründlichkeit vor Schnelligkeit!

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• Gleichzeitig sollte die Schwelle für den Anwendungsbereich bei mindestens 1.000 Mitarbeitern liegen. Die gesonderten Vorgaben speziell für Mitglieder der Unternehmensleitung sind zu streichen. Zusätzliche Regelungen im Gesellschaftsrecht stellen eine überflüssige Verdopplung innerhalb der Richtlinie dar und verkomplizieren ihre Umsetzung für die Unternehmen unnötig. • Die Liste der internationalen Abkommen im Annex der Richtlinie muss gekürzt und konkretisiert werden. Internationale Abkommen verpflichten in erster Linie Staaten und nicht Unternehmen zur Umsetzung und Einhaltung. Einzuhaltende Sorgfaltspflichten aus internationalen Abkommen müssen für Unternehmen handhabbar und rechtssicher sein. Hier sollte eine Reduktion auf die klaren Regeln der UN Guiding Principles erfolgen.

Ansprechpartner/innen Dr. Stefanie Espitalier s.espitalier@bdi.eu

Verena Westphal v.westphal@bdi.eu


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Wirtschaftsrecht

Compliance

Gesetz grundsätzlich noch einmal in Frage stellen?

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist am 01.01.2023 in Kraft getreten. Aktuell gilt es für Unternehmen mit mehr als 3.000 im Inland Beschäftigten, ab 01.01.2024 für Unternehmen, die mindestens 1.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen.

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Wirtschaftsrecht

Laut einer DIHK-Umfrage unter rund 2.400 international aktiven Unternehmen aller Größenklassen (Juni 2023) sehen sich etwa die Hälfte der Unternehmen mit Herausforderungen bei der Umsetzung des LkSG konfrontiert. Auf Platz eins der Herausforderungen sehen 93 Prozent einen erhöhten bürokratischen Aufwand. Auch im Rahmen der vom Bundesjustizministerium durchgeführten Verbändeabfrage hat die Wirtschaft die Aufwandsreduzierung dieses Gesetzes in den Zuständigkeitsbereichen des Bundeswirtschafts- und Bundesarbeitsministeriums als jeweils wichtigsten Vorschlag mit dem größten Entlastungspotential genannt. Vor diesem Hintergrund ist es enttäuschend, dass die Bundesregierung die Lieferkettenregulierung im Rahmen von Bürokratieabbau-Maßnahmen nicht berücksichtigt – weder im August 2023 vorgelegten Eckpunktepapier für ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz, noch im neuen Sonderbericht der Bundesregierung „Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau in der 20. Legislaturperiode“. Auch kleine und mittlere Unternehmen betroffen Obwohl das deutsche Gesetz zunächst nur für größere Unternehmen gilt und mittelständische Unternehmen nicht in den Anwendungsbereich fallen sollen, sind sie in der Praxis dennoch betroffen. Seit Inkrafttreten des LkSG klagen mittelständische Unternehmen zunehmend über bürokratische Belastungen im Zusammenhang mit der Lieferkette. Diese Unternehmen verfügen nicht über ausreichende Kapazitäten und Organisationsstrukturen, um die eingehenden Anforderungen ihrer Kunden mit dem Gesetzestext abzugleichen, Datenerhebungen auf ihre Berechtigung zu prüfen und Kundenanforderungen mit der eigenen Menschenrechtsstrategie jedes Mal aufs Neue in Einklang zu bringen. Das BAFA hat verschiedene Handreichungen und Umsetzungshilfen zum LkSG veröffentlicht, u.a. eine mit 47 Seiten sehr umfangreiche Handreichung zur Zusammenarbeit in der Lieferkette. Dass das BAFA die Angemessenheit und Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Zulieferer in seinen Handreichungen betont, ist unterstützenswert, in der Praxis aber oft nicht umsetzbar. Vorgaben von Kunden ablehnen, kann nur, wer die entsprechende Marktmacht und den juristischen Durchblick hat. Viele Unternehmen sind schlicht überfordert und müssen kostenintensive externe Beratungen und Anwälte für rechtliche Prüfungen beauftragen. Schon im Entstehungsprozess zum LkSG hatte der BDI die Praxistauglichkeit des Gesetzes kritisiert, auf mögliche nicht intendierte negative Konsequenzen hingewiesen und Praxistests gefordert.

Deutlich effektiver als immer mehr Zusatzerklärungen herauszugeben, wären offizielle Anerkennungen von Brancheninitiativen oder zumindest eine Positivliste für Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen in Regionen mit funktionieren Rechts- und Schutzsystemen, wie etwa innerhalb der EU. Rechtsunsicherheit im Ausland steigt Die Einflussmöglichkeiten deutscher Unternehmen im Ausland ist begrenzt. Die Anforderungen an Sorgfaltspflichten drohen, Diversifizierungsbemühungen, etwa im Energie- und Rohstoffbereich, zu konterkarieren. Fast ein Viertel (23 Prozent) der bereits direkt vom Gesetz betroffenen Unternehmen gibt laut DIHK-Umfrage an, Handelsbeziehungen zu beenden oder dies zu planen. Auch bei den Unternehmen, die ab 2024 unter das Gesetz fallen, reagieren oder planen 15 Prozent mit einem Rückzug aus Risikoländern. Damit wird das Gegenteil dessen erreicht, was eigentliches Ziel der Vorgaben ist: zu bleiben und Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern („stay and improve“).

Gesetz grundsätzlich in Frage stellen Angesichts der Absicht von vielen Unternehmen, sich aus Risikoländern zurückzuziehen und der für viele Unternehmen nicht mehr zu bewältigenden Komplexität sollte das Gesetz und auch die europäische Variante CSDDD im Kontext eines hochgradig unter internationalem Wettbewerbsdruck stehenden Industriestandorts Deutschland und Europa grundsätzlich nochmals in Frage gestellt werden.

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Parallel steigt die Rechtsunsicherheit bei Zulieferern im Ausland immer weiter. Außerhalb der EU sind die Implikationen des Gesetzes kaum zu kommunizieren. Es wundert nicht, wenn sich Zulieferer aus Drittstaaten von deutschen Kunden abwenden, da sie mit diesen mehr bürokratischen Aufwand haben als mit Wettbewerbern. Es ist praxisfern, zu erwarten, dass ausländische Unternehmen zunächst in der BAFAHandreichung nachlesen, welchen Anforderungen sie laut deutschem Gesetz tatsächlich nachkommen müssen und welchen nicht. Zudem kommt es immer wieder zu rechtlichen Konflikten zwischen dem LkSG und Gesetzen in Beschaffungsländern (z.B. dem AntiForeign Sanctions Law in China). Unternehmen ist unklar, wie sie sich verhalten sollen.

Ansprechpartnerin Verena Westphal v.westphal@bdi.eu

Vanessa Wannicke v.wannicke@bdi.eu


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Wirtschaftsrecht

Compliance

Hinweisgeberschutzgesetz – Schonfrist vorbei

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz wird in Deutschland die EU-Richtlinie 2019/1937 „zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ umgesetzt. Das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen und Behörden interne Meldestellen einzurichten haben, bei denen Hinweisgeber vertraulich Verstöße melden können. Zudem sollen hinweisgebende Personen gegen Repressalien aufgrund der Meldung geschützt werden.

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Wirtschaftsrecht

Nach langem Ringen zwischen Bundestag und Bundesrat ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) am 2.7.2023 in Kraft getreten. In Umsetzung der Europäischen Richtlinie sieht das HinSchG unter anderem vor, dass Beschäftigungsgeber interne Meldekanäle vorhalten müssen. Für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern ist die Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle mit Inkrafttreten des Gesetzes erforderlich geworden. Sollte gegen diese Pflicht verstoßen werden, kann dies nun ab dem 1.12.2023 als Ordnungswidrigkeit geahndet und ein Bußgeld verhangen werden. Die Schonfrist ist damit abgelaufen. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle (und damit auch die Ahndung als Ordnungswidrigkeit) erst ab dem 17.12.2023. Der BDI unterstützt die Zielsetzung des Gesetzes, einen wirksamen Hinweisgeberschutz zu gewährleisten. Denn Unternehmen sind daran interessiert, sichere und effiziente Meldewege und damit einhergehend, einen möglichst lückenlosen Schutz für Hinweisgeber sicher zu stellen. Häufig existieren bereits heute Meldesysteme in Unternehmen. Der BDI hat sich insbesondere dafür eingesetzt, die Konzernlösung bei der Einrichtung von Meldestellen im Gesetz beizubehalten. Denn die Einrichtung zentraler Meldewege stellt sicher, dass in Konzernen einheitliche Lösungen gefunden werden und dass eine Stelle mit ausreichend Fachpersonal für komplexe Probleme zur Verfügung steht. Umsetzung innerhalb der EU noch nicht abgeschlossen Im Europäischen Vergleich hat Deutschland die Richtlinie zwar spät umgesetzt - nämlich 1,5 Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist im Dezember 2021. Polen und Estland haben die Richtlinie weiterhin noch nicht umgesetzt. Auch inhaltlich unterscheidet sich die Umsetzung in den Mitgliedstaaten, z. B. im Hinblick auf die Möglichkeit zur Einrichtung einer Konzernmeldestelle.

Überprüfung der Richtlinie beginnt Als nächstes stellen die Mitgliedstaaten der Kommission gemäß Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie alle relevanten Informationen über die Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie zur Verfügung. Auf der Grundlage der übermittelten Informationen legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 17. Dezember 2023 einen Bericht über die Umsetzung und Anwendung der Richtlinie vor. Im Anschluss legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 17. Dezember 2025 einen Bericht vor, in dem sie gemäß Art. 27 Abs. 3 der Richtlinie die Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften bewertet. Ziel ist es, zu evaluieren, ob die Richtlinie funktioniert, und wo gegebenenfalls weiterhin Lücken bestehen, die auf Europäischer Ebene geschlossen werden müssen. Das ist dann eine Aufgabe für die neue Kommission nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024.

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Ansprechpartnerin Verena Westphal v.westphal@bdi.eu


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Wirtschaftsrecht

Compliance

Compliance Lunch Break

Neue Veranstaltungsreihe erfolgreich gestartet

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Wirtschaftsrecht

Vor dem Hintergrund neuer gesetzlicher Verpflichtungen, Berichtspflichten und auch darüber hinausgehender Herausforderungen im Bereich Compliance ist im September 2023 der Startschuss für eine neue virtuelle Veranstaltungsreihe gefallen, bei der die Mittagspause mit Inhalten verbunden werden soll. Beim Compliance Lunch Break beleuchtet der BDI zusammen mit seinem Kooperationspartner, der Kanzlei ADVANT Beiten kurz und knapp neue und bestehende Regelungen. Bei drei Terminen im 2. Halbjahr 2023 haben die Expertinnen und Experten der Kanzlei den ca. 70 bis 90 Teilnehmern bereits einen inhaltlichen und komprimierten „deep dive“ in aktuelle Compliance-Themen gegeben. Aktuelle Themen auf der Tagesordnung Auf der Tagesordnung standen bislang sowohl das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes als auch das Hinweisgeberschutzgesetz. Bei den Compliance Lunch Breaks im September und November lag der Fokus auf dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Das Gesetz, das grundsätzlich auf Unternehmen anzuwenden ist, die im Inland ansässig sind und dort in der Regel mehr als 3.000 Arbeitnehmer (ab 01.01.2023) bzw. mehr als 1.000 Arbeitnehmer (ab 01.01.2024) beschäftigen, stellt Unternehmen bereits im Hinblick auf den Anwendungsbereich vor zahlreiche Fragen, die durch die Experten Depping und Walden umfassend erklärt wurden. Neben den aktuellen Brennpunkten aus dem Anwendungsbereich und wurden auch Praxisfragen der Risikoanalyse und die Umsetzung in der Lieferkette erörtert.

Beim Compliance Lunch Break im Oktober wurde das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz, das am 02.07.2023 in Kraft getreten ist und die EU-Richtlinie 2019/1937 umsetzt, im Hinblick auf die Umsetzung des Meldeverfahrens erörtert. Das Gesetz beinhaltet die Pflicht zur Bereitstellung von Meldekanälen, die Pflicht zur Bearbeitung und Dokumentation der Meldungen und zur Information der Hinweisgeber, die Pflicht zum Schutz der Identität von Hinweisgebern und von der Meldung betroffenen Personen sowie ein Benachteiligungsverbot. Die Experten Loof und Pörtge habendie Anforderungen an die Meldestelle, die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen und schließlich die Komplexität der möglichen Folgemaßnahmen, gegebenenfalls auch Sofortmaßnahmen, anschaulich und ausführlich dargestellt. Compliance-Verpflichtungen mehren sich Die Compliance-Landschaft verändert sich schnell, Compliance-Anforderungen wachsen ebenso rasant wie die Konsequenzen bei Pflichtverletzungen. Nicht zuletzt durch die aktuell diskutierte EU-Lieferkettenrichtlinie werden auch im kommenden Jahr Compliance-Themen weiter im Fokus stehen.

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Ansprechpartnerin Verena Westphal v.westphal@bdi.eu


Seite 18

Wirtschaftsrecht

Zivilrecht

EU-Verordnungsvorschlag zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr

Am 12. September 2023 hat die EU-Kommission ein Entlastungspaket vorgelegt, dessen Ziel die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit von KMU ist. Das Paket besteht aus einem Verordnungsvorschlag zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, einem Richtlinienvorschlag einem Richtlinienvorschlag zur Einführung eines hauptsitzbasierten Steuersystems für Kleinstunternehmen und KMU sowie einer Mitteilung mit verschiedenen nicht-legislativen Maßnahmen zur Unterstützung von KMU.

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Wirtschaftsrecht

Kernstück des KMU-Entlastungspakets ist der genannte Verordnungsvorschlag zur Bekämpfung von Zahlungsverzug. Mit dem Verordnungsvorschlag sollen die bisherigen Vorschriften vereinheitlicht, insgesamt verschärft sowie relevante Begrifflichkeiten präzisiert werden. Ähnlich wie bereits die geltende Zahlungsverzugsrichtlinie betrifft der Verordnungsvorschlag sowohl Zahlungen zwischen Unternehmen als auch Zahlungen seitens öffentlicher Auftraggeber. Wesentliche Eckpunkte des Verordnungsvorschlags Im Wesentlichen beinhaltet der Vorschlag folgende Änderungen gegenüber der Zahlungsverzugsrichtlinie: • Regelungsform: zur Vereinheitlichung der Vorschriften im EU-Binnenmarkt soll die bisherige Richtlinie durch eine Verordnung geregelt werden. • Zahlungsfristen: Art. 3 des Verordnungsvorschlags sieht eine Obergrenze von 30 Tagen für vertraglich vereinbarte Zahlungsfristen sowie Abnahme- und Überprüfungsverfahren vor (bisher lag die Obergrenze bei 60 Tagen). Hiervon sollen künftig keine Ausnahmen mehr möglich sein. • Verzugszinsen werden automatisch fällig ohne Erfordernis einer Mahnung, Art. 5. • Vereinheitlichung der Höhe der Verzugszinsen (8 Prozentpunkte über Basiszinssatz), Art. 6. • Automatische Pauschalentschädigung iHv 50 € als Beitreibungskosten für jeden einzelnen Geschäftsvorgang, Art. 8. • Im öffentlichen Bauwesen Nachweispflicht der fristgemäßen Zahlung an beteiligte Unterauftragnehmer durch den Bauauftragnehmer, Art. 4. • Auflistung von Vertragsklauseln und -praktiken, die nichtig sind, Art. 9 Abs. 1, unter Streichung des bisherigen Begriffs "grob missbräuchlich" des Art. 7 geltende Zahlungsverzugsrichtlinie. • Klageberechtigung von Organisationen, Art. 9 Abs. 3. • Einführung von neuen behördlichen Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen, Art. 13, 14.

BDI-Position • Grundsätzlich unterstützt der BDI das Ziel der Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und begrüßt die Sicherstellung von EUeinheitlichen Regelungen durch eine Verordnung. Allerdings beschränken viele Vorschriften des Verordnungsentwurfs die Vertragsfreiheit von Unternehmen im Binnenmarkt spürbar. • Einzelfallgerechte Zahlungsfristen über 30 Tage hinaus müssen weiterhin möglich bleiben. • Der Anwendungsbereich muss auf Geschäftsbeziehungen mit KMU beschränkt werden. • Die bestehende zivilrechtliche Systematik zu Verzugszinsen und das Konzept der Mahnung und der Geltendmachung eines Verzuges sind beizubehalten. Die automatische Fälligkeit von Verzugszinsen berücksichtigt die synallagmatische Leistungsbeziehung und das Äquivalenzinteresse nicht ausreichend.

Nächste Verfahrensschritte Voraussichtlich Ende November 2023 soll der Berichtsentwurf des im EU-Parlament federführenden Ausschusses für Binnenmarkt- und Verbraucherschutz (IMCO) veröffentlicht werden. Zuständige Berichterstatterin im IMCO ist die EU-Parlamentarierin Roza Thun und Hohenstein (Renew Europe, Polen). Voraussichtlich am 4. Dezember 2023 wird es eine Aussprache im IMCO zu dem Berichtentwurf gegeben. Deadline zur Einreichung von Änderungsanträgen zum Berichtsentwurf ist der 12. Dezember 2023. Für den 24./25. Januar 2024 ist eine Aussprache zu den Änderungsanträgen und Kompromissänderungsanträgen im IMCO geplant. Die finale IMCO-Abstimmung über den Berichtentwurf soll am 22. Februar 2024 stattfinden. Im März 2024 soll das EPPlenum abstimmen.

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• Sonderregelung für das öffentliche Bauwesen sind zu beseitigen. • Das Konzept "grob missbräuchlich" des Art. 7 der geltenden Zahlungsverzugsrichtlinie muss beibehalten und konkretisiert werden. Ein näher konkretisiertes Beurteilungskriterium „grob missbräuchlich“ erlaubt einen besseren Umgang mit besonderen Konstellationen und Einzelfällen, die in einer Verbotsliste nicht adäquat erfasst werden können. • Ein Bedürfnis für neue behördliche Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen gibt es nicht. Eine solche Praxis würde auf Unternehmensseite unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen und erscheint für den angestrebten Zweck weder erforderlich noch angemessen. Die bestehenden privatrechtlichen Rechtsschutz- und Durchsetzungsmöglichkeiten haben sich als ausreichend erwiesen. • Ebenso verhält sich bei einer Verbandsklagebefugnis. Es bestehen bereits hinreichende rechtsstaatliche Möglichkeiten in Form von Mahnverfahren und zivilrechtlichen Klagen, welche aus unserer Sicht angemessen und ausreichend sind

Ansprechpartnerin Dr. Stefanie Espitalier s.espitalier@bdi.eu


Seite 20

Wirtschaftsrecht

Zivilrecht

Reform des Lobbyregisters beschlossen

Das Gesetz führt zu Mehraufwand und Bürokratieaufbau, ohne das richtige und vereinbarte Transparenzziel zu erreichen.

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Seite 21

Wirtschaftsrecht

Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 19. Oktober 2023 erhebliche Änderungen zum seit Anfang 2022 geltenden Gesetz zum Lobbyregister beschlossen. Mit den Stimmen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wurde die Reform auf Basis der Beschlussempfehlung (BT-Drs. Drucksache 20/8828) des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung verabschiedet. Die Änderungen treten zum 1. März 2024 mit einer Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2024 in Kraft. Sie gehen insgesamt deutlich über das hinaus, was im Koalitionsvertrag vorgesehen war, und werden in der Praxis für die Interessenvertreter und Interessenvertreterinnen zu erheblichem Mehraufwand und Bürokratieaufbau führen, ohne das richtige und vereinbarte Transparenzziel zu erreichen. Verpflichtend ist in Zukunft u. a. die Angabe konkreter Gesetzes- und Verordnungsvorhaben sowie das Hochladen von „grundsätzlichen“ Stellungnahmen und Gutachten, also eine Dokumentationspflicht aufseiten der Interessenvertreter. Hier wurde eine Begrenzung auf die Verpflichtung zur Bereitstellung von Stellungnahmen und Gutachten, soweit sie innerhalb formalisierter Beteiligungsverfahren (nach § 47 GGO oder auch im Rahmen von Anhörungen der Bundestagsausschüsse) nicht veröffentlicht wurden, aufgenommen. Die bessere Lösung wäre es gewesen, das im Koalitionsvertrag angekündigte Online-Konsultationsverfahren über eine Schnittstelle mit dem Lobbyregister verzahnen. Dies würde bei gleichem Inhalt weniger Bürokratie und mehr Transparenz gewährleisten.

Nach wie vor ist es kritisch, dass es weiter zu viele Ausnahmen von der Registrierungspflicht geben wird. Vor allem die generelle Ausnahme für Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, kommunale Spitzenverbände und Religionsgemeinschaften führt zu einer ungerechtfertigten Ungleich-Behandlung. Das Grundgesetz schützt Koalitionsfreiheit von Tarifparteien und Religionsfreiheit. Es gibt jedoch Aktivitäten dieser Organisationen, die ganz klar Interessenvertretung im eigenen Sinne sind – und auch von ihnen selbst als solche verstanden werden – und solche, die Grundrechtsausübung sind. Eine Differenzierung wäre hier möglich gewesen. Die Bundestagsverwaltung hat noch für dieses Jahr einen ausführlichen Leitfaden (To-Do-Liste) angekündigt. Der BDI wird voraussichtlich im Januar kommenden Jahres für seine Mitglieder ein Webinar zu den Details der Änderungen und deren Umsetzung durchzuführen.

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An einer Stelle wurden die von der Wirtschaft vorgetragenen Bedenken aufgegriffen: Ursprünglich war eine Pflicht zur Veröffentlichung der Höhe der Mitgliedsbeiträge in Stufen von 10.000 Euro ab 10 Prozent der Gesamtsumme der Mitgliedsbeiträge geplant. Hieraus hätten sich insbesondere für zahlreiche kleinere Verbände kartellrechtliche Probleme ergeben. Eine Veröffentlichungspflicht hätte außerdem einen unverhältnismäßigen Eingriff in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bedeutet. Nun wurde die Angabepflicht „grundrechtsschonend“ dahingehend geändert, dass auf die Angabe der Höhe der jeweiligen einzelnen Mitgliedsbeiträge verzichtet wird und die Namensangabe ausreicht, wenn der jeweilige Mitgliedsbeitrag den Gesamtwert von 10 000 Euro bezogen auf eine Beitragszahlerin oder einen Beitragszahler im jeweiligen Geschäftsjahr und zugleich 10 Prozent bezogen auf die jährliche Gesamtsumme der Mitgliedsbeiträge übersteigt.

Ansprechpartnerin Claudia Voss c.voss@bdi.eu


Seite 22

Wirtschaftsrecht

Wettbewerbsrecht

GWB-Novellen: 11. Novelle bald in Kraft – 12. Novelle ante portas

Der Bundestag hat die 11. GWB-Novelle (Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und anderer Gesetze) am 6. Juli 2023 in 2. und 3. Lesung verabschiedet. Am 29. September 2023 hat der Bundesrat der Novelle zugestimmt. Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Die Novelle enthält im Vergleich zum Referentenentwurf einige marginale Änderungen. Es bleibt bei den weitreichenden Befugnissen des Bundeskartellamts, im Anschluss an eine Sektoruntersuchung künftig Märkte in vielen Wirtschaftsbereichen regulieren und strukturell neu ordnen zu können. Ein Rechtsverstoß durch die Unternehmen ist dafür nicht erforderlich. Das stellt einen erheblichen Eingriff in unternehmerische Rechtspositionen dar und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland.

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Wirtschaftsrecht

Schon in seinem Beschluss vom 12. Mai 2023 kam zum Ausdruck, dass der Bundesrat gegen den ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur 11. GWB-Novelle keine Einwendungen erheben würde. Dies war angesichts der vielfältigen Kontroversen um den ursprünglichen Gesetzentwurf überraschend. Auch jetzt ist der Bundesrat der Empfehlung seines federführenden Wirtschaftsausschusses gefolgt, nicht den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das muss angesichts des Paradigmenwechsels in der Wettbewerbsordnung und der zu befürchtenden weitreichenden Folgen für den Wirtschaftsstandort verwundern. Kernstück des Entwurfs ist der neue § 32f GWB, der dem Bundeskartellamt die Anordnung von Maßnahmen nach einer Sektoruntersuchung ermöglicht – von Eingriffen in die Vertragsgestaltung über Datenzugangsverpflichtungen bis hin zur Entflechtung von Unternehmen, sofern das Kartellamt eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs auf zumindest einem mindestens bundesweiten Markt, mehreren einzelnen Märkten oder marktübergreifend festgestellt hat. Neu und beispiellos: Ein illegales Verhalten der Unternehmen wird nicht mehr vorausgesetzt. Die drastischen Maßnahmen erfolgen auch und gerade bei völlig rechtstreuem Handeln. Das Gesetz erhöht auf diese Weise die Rechtsunsicherheit für die Unternehmen. Darüber hinaus ist im Fall von Kartellrechtsverstößen die Abschöpfung der daraus entstandenen Vorteile für das Kartellamt durch Einfügung einer Vermutungsregelung deutlich erleichtert worden. Daneben hat das Gesetz die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass das Bundeskartellamt die Europäische Kommission bei der Durchsetzung des Digital Markets Act unterstützen kann. Zudem wurde die private Durchsetzung des Digital Markets Acts erleichtert. Auch wenn das neue Instrument der Eingriffsbefugnisse nach einer Sektoruntersuchung (§ 32f GWB) als solches nicht verhindert werden konnte, so wurden insbesondere im Vergleich zum Referentenentwurf, aber auch im Vergleich zum Regierungsentwurf doch noch sehr wichtige Verbesserungen erreicht, die der BDI gefordert hatte. Diese Änderungen sind angesichts der politischen Ausgangslage als großer Erfolg seitens der gemeinsamen Anstrengungen der Wirtschaft anzusehen, die sich geschlossen von Anfang an gegen die Entwürfe ausgesprochen hatte. Zwar sind die wesentlichen Elemente des Referentenentwurfs erhalten geblieben, insbesondere die erheblichen Kompetenzerweiterungen für das Bundeskartellamt. Allerdings wurden die verfahrens- und rechtsstaatlichen Sicherungsmechanismen erhöht.

Der BDI wird die Umsetzung durch das Bundeskartellamt genau beobachten. Es ist auch wahrscheinlich, dass von Abhilfemaßnahmen nach § 32f GWB betroffene Unternehmen rechtliche Schritte dagegen erwägen werden, da das Gesetz aus Sich des BDI und namhafter Wissenschaftlicher an vielen Stellen rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entspricht. Abgesehen davon kollidiert das Gesetz in mehrfacher Hinsicht mit EU-Recht. In Kartellrechtsfragen liegt die Gesetzgebungskompetenz allein bei der EU. Entflechtungen nach Fusionsfreigabeentscheidungen der EU-Kommission unterliegen ebenfalls geltendem EU-Recht. Die verabschiedeten Maßnahmen greifen in die grundgesetzlich garantierte unternehmerische Gestaltungsfreiheit, in das Eigentumsrecht und in die Berufsfreiheit ein. Rechtsstaatlichen Vorgaben wird das Vorhaben daher nicht gerecht. Allen positiven Elementen zum Trotz setzt das Gesetz ein negatives Signal für Investitionen und Innovation zum Schaden für den Wirtschaftsstandort. Ohne Anlass zweifelhafte und gravierende Eingriffsbefugnisse und Kompetenzen für das Bundeskartellamt als künftige Superregulierungsbehörde zu schaffen, ist zumindest fahrlässig: für die Unternehmen, Investoren und die Beschäftigten. Das Gesetz führt zu einer nationalen „Insellösung“ und damit zu einer Diskriminierung deutscher Unternehmen im europäischen und internationalen Wettbewerb. Letztlich wird das Gesetz nur auf Deutschland beschränkte Marktsituationen erfassen – eine weltfremde Vorstellung in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung. Die EU-Kommission hatte aus gutem Grund und erheblichen rechtlichen Bedenken von einem solchen Instrument auf EU-Ebene (New Competition Tool) Abstand genommen. Angesichts ihrer starken Außenhandelsverflechtung hängt der Erfolg der deutschen Wirtschaft auch ganz erheblich davon ab, dass die Unternehmen im internationalen Wettbewerb mit häufig weltweit operierenden Konzernen konkurrenzfähig bleiben. Die geplanten Eingriffsbefugnisse, die internes Unternehmenswachstum bremsen

oder sogar umkehren können, könnten deutsche Unternehmen in der internationalen Rangfolge weiter zurückwerfen und verstärken den Trend der Investitionszurückhaltung. Letztlich führt die 11. GWB-Novelle zu einem Paradigmenwechsel und bedeutet eine erhebliche Verschärfung des Wettbewerbsrechts. Misslich ist auch, dass die 11. GWB-Novelle nun losgelöst von der bevorstehenden 12. Novelle verhandelt und verabschiedet worden ist. Dies gilt umso mehr, als mit der 12. GWB-Novelle weitere neue Ziele in das Wettbewerbsrecht eingeführt werden sollen, die – rückwirkend – ebenfalls zur Bemessungsgrundlage der aktuell vorgeschlagenen Eingriffsbefugnisse werden. Es ist zu bedauern, dass die Diskussion um das richtige Maß der einschneidenden Maßnahmen und deren Verhältnismäßigkeit in Anbetracht neuer Zielsetzungen nicht mehr zusammengeführt werden wird. Die noch für diese Legislaturperiode angekündigte 12. GWB-Novelle, die zeitnah kommen soll, wird man in jedem Fall zusammen mit der 11. GWB-Novelle lesen müssen. Mit der 12. GWB-Novelle sollen weitere Punkte der im Februar 2022 vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten wettbewerbspolitischen 10 Punkte-Agenda umgesetzt werden. Angekündigt sind mehr Rechtssicherheit für Kooperationen von Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit sowie ein stärkerer Verbraucherschutz.

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Ansprechpartner/innen Dr. Ulrike Suchsland u.suchsland@bdi.eu

Nadine Rossmann n.rossmann@bdi.eu


Seite 24

Wirtschaftsrecht

Wettbewerbsrecht

Die neue Foreign Subsidies Verordnung – Licht und Schatten

Seit dem 12. Oktober 2023 gelten die neuen Meldepflichten der Foreign Subsidies Verordnung. Sofern bestimmte Schwellenwerte überschritten sind, müssen Unternehmen im Rahmen von Fusionsvorhaben oder großen öffentlichen Auftragsvergaben in der EU ihre von einem Drittstaat erhaltenen finanziellen Zuwendungen melden. Durch die neue Verordnung soll ein Level Playing Field im Binnenmarkt geschaffen werden, das insbesondere der europäischen Wirtschaft zugutekommt. Gleichzeitig fürchten aber auch europäische Unternehmen den mit den Meldepflichten verbundenen hohen Bürokratieaufwand.

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Seite 25

Wirtschaftsrecht

Worum geht es? Durch die im Juli 2023 in Kraft getretene Foreign Subsidies Verordnung wird die Europäische Kommission befugt, finanzielle Zuwendungen zu prüfen, die in der EU tätige Unternehmen von einem Drittstaat erhalten haben, und gegebenenfalls die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen solcher Zuwendungen abzuwenden. Hierzu stehen ihr ein allgemeines Marktuntersuchungsinstrument sowie zwei anmeldebasierte Verfahren im Zusammenhang mit Zusammenschlüssen und Angeboten im Rahmen von großen öffentlichen Vergabeverfahren in der EU zur Verfügung. Mitte Oktober 2023 sind die anmeldebasierten Verfahren in Kraft getreten. Demnach müssen Unternehmen im Rahmen von Zusammenschlussvorhaben der Kommission ihre von einem Drittstaat erhaltenen finanziellen Zuwendungen melden, sofern bestimmte Schwellenwerte in Bezug auf den EU-Umsatz und die erhaltenen Zuwendungen überschritten werden. Bei öffentlichen Auftragsvergaben kommt es auf die Höhe des geschätzten Auftragswerts und der erhaltenen Zuwendungen an – sofern die diesbezüglichen Schwellenwerte erreicht oder überschritten werden, geht die Meldung an die zuständige Vergabestelle, die dann die Kommission informiert. Sofern die Kommission aufgrund der Meldungen zu der Erkenntnis kommt, dass eine erhaltene Zuwendung eine wettbewerbsverzerrende Subvention darstellt, die auch nicht durch anderweitige Vorteile für die Gesellschaft und die Entwicklung des betroffenen Wirtschaftszweiges aufgehoben wird, hat sie weitreichende Eingriffsbefugnisse und kann den Unternehmen strukturelle oder verhaltensbezogene Auflagen machen. Was kommt auf die Unternehmen zu? Selbst wenn vor allem drittstaatliche Unternehmen, die im Binnenmarkt tätig sind, im Fokus der neuen Verordnung stehen, kommen auch auf europäische Unternehmen weitreichende Meldepflichten zu. Hier steht die Frage im Fokus, welche „finanziellen Zuwendungen“ eines Drittstaates erfasst werden und in welcher Form die Unternehmen diese melden müssen. Dies wird durch die am 10. Juli 2023 verabschiedete Durchführungsverordnung und die zugehörigen Meldeformulare näher konkretisiert. Ein erster Entwurf der Durchführungsverordnung vom Februar 2023 war aufgrund des dort vorgesehenen unverhältnismäßig hohen Bürokratieaufwandes auf große Kritik der Wirtschaft gestoßen. Auch die deutsche Bundesregierung hatte sich deutlich gegen die Erstentwürfe der Durchführungsverordnung und der Formulare ausgesprochen. Erfreulicherweise hat die Europäische Kommission die Kritik angenommen und die Entwürfe deutlich überarbeitet. Im

Vergleich zu der Fassung vom Februar wird die Meldung von drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen damit handhabbarer, auch wenn weiterhin umfangreiche Meldepflichten bestehen bleiben. Zu den wesentlichen Einschränkungen zählen die Festlegung einer De-Minimis-Schwelle von 1 Mio. EUR pro Einzelzuwendung. Geringere Einzelzuwendungen eines Drittstaates müssen nicht gemeldet werden. Es wird zudem ein deutlicher Fokus auf finanzielle Zuwendungen gelegt, die unter eine der Kategorien von Art. 5 Abs. 1 der Foreign Subsidies Verordnung gefasst werden können. Dies sind Subventionen, bei denen mit größter Wahrscheinlichkeit eine Verzerrung des Binnenmarkts stattfindet. Zu diesen Zuwendungen müssen ausführliche Meldungen gemacht werden. Für alle anderen Zuwendungen muss dagegen nur eine Tabelle im Anhang der Meldeformulare ausgefüllt werden. Anders als noch in den Erstentwürfen vorgesehen, müssen die Unternehmen hierfür keinen „Line-to-line-approach“ wählen, sondern können Zuwendungen nach Kategorien und pro Drittstaat gebündelt erfassen. Außerdem müssen in der Tabelle keine Zuwendungen erfasst werden, die sich auf den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen beziehen, die das Unternehmen zu üblichen Marktbedingungen im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit, etwa im Rahmen eines transparenten Ausschreibungsverfahrens, erhalten hat. Andere Ausnahmen beziehen sich auf den Aufschub der Zahlung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen. Schließlich werden die in der Tabelle einzutragenden Informationen auf Zuwendungen aus denjenigen Drittstaaten beschränkt, von denen das Unternehmen in den vergangenen drei Geschäftsjahren insgesamt finanzielle Zuwendungen von mindestens 4 Mio. EUR (im Falle der Meldung im Zusammenhang mit öffentlichen Auftragsvergaben), bzw. mindestens 45 Mio. EUR (im Falle der Meldung im Zusammenhang mit Zusammenschlussvorhaben) erhalten hat. Wo bestehen noch Unklarheiten? Selbst wenn der Umfang der Meldepflichten im Vergleich zur Vorversion deutlich reduziert wurde,

kommen durch die Verordnung neue Belastungen auf die Unternehmen zu. Diese sind nur akzeptabel, wenn durch die neuen Durchsetzungsbefugnisse der Kommission auch tatsächliche Verbesserungen des Level Playing Fields im Binnenmarkt zu erwarten sind und das Ganze nicht zum zahnlosen Papiertiger wird. Dies wird durch jüngere Berichte über mangelnde Ressourcen innerhalb der Kommission in Frage gestellt. So sind nach Angaben der Kommission gerade einmal sieben EU-Beamte im entsprechenden Team zur Durchsetzung der Verordnung tätig. Auch wenn je nach Fall weitere Beamte aus anderen Referaten hinzugezogen werden könnten, entspricht diese Zahl bei weitem nicht den ursprünglich durch die Kommission angefragten 145 Personen. Hier muss sich zeigen, ob die Verordnung in der Praxis tatsächlich die erwünschte Durchschlagskraft entfalten kann. Auch inhaltlich bleiben noch viele Fragen offen. Unklar ist beispielsweise weiterhin, wie sich die Foreign Subsidies Verordnung von geltenden WTO-Regeln abgrenzt. So findet die Verordnung aufgrund des Vorrangs des WTO- Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen grundsätzlich keine Anwendung auf die Einfuhr subventionierter Waren. Hier sollte die Kommission klarstellen, inwieweit durch diesen Vorrang die Anwendung des Instruments auf Warenlieferungen in Erfüllung öffentlicher Aufträge ausgeschlossen wird und wie es sich im Falle von Auftragsvergaben verhält, die sowohl Dienstleistungen als auch Wareneinfuhren umfassen. Viele Unternehmen stellen sich auch die Frage, wie sie rechtssicher erkennen können, ob eine Zuwendung einem Drittstaat zugerechnet werden kann oder nicht. Wichtig ist nun, dass die Kommission den Verordnungstext mit gezielten Leitlinien, Klarstellungen und ersten Beispielen aus der Fallpraxis sowie einem jährlichen Bericht ergänzt, um den Unternehmen mehr Rechtssicherheit bei der Anwendung zu geben. Hilfreich sind bereits die auf der Website der Kommission erscheinenden Q&As, die regelmäßig aktualisiert werden.

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Ansprechpartner/innen Dr. Ulrike Suchsland u.suchsland@bdi.eu

Dr. Peter Schäfer p.schaefer@bdi.eu

Nadine Rossmann n.rossmann@bdi.eu


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Wirtschaftsrecht

Wettbewerbsrecht

Buchrezension

Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht: Band 1/1 und 1/2: Europäisches Wettbewerbsrecht / Band 2: Deutsches Wettbewerbsrecht. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) §§ 1-96, 185, 186

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Wirtschaftsrecht

Die vierte Auflage des insgesamt fünfteiligen Münchener Kommentars zum Wettbewerbsrecht bietet in seinen beiden Teilbänden 1/1 und 1/2 sowie in Band 2 eine hochaktuelle und praxisnahe Darstellung der gesamten Bandbreite des deutschen und europäischen Kartellrechts. Die beiden Teilbände (Bd. 1/1 und 1/2) kommentieren in umfassender Weise die zentralen Bestimmungen des europäischen Wettbewerbsrechts und enthalten die erste Großkommentierung des Gesetzes über Digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) auf knapp 500 Seiten, eine Kommentierung der neuen Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO) sowie der am 1. Juli 2023 in Kraft getretenen neuen Horizontal-Gruppenfreistellungsverordnung für die Bereiche Forschung und Entwicklung und Spezialisierung. Neben den materiellen Vorschriften des Primärrechts stellen die Bände auch das Verfahrensrecht, insbesondere die Kartellverfahrensverordnung, aber auch die Gruppenfreistellungsverordnungen über Technologietransfervereinbarungen und den KfZ-Sektor sowie die Fusionskontrollverordnung ausführlich dar. Die Teilbände zum europäischen Wettbewerbsrecht verfolgen auf 4152 Seiten den Ansatz und den Anspruch, das gesamte Europäische Wettbewerbsrecht auf aktuellem Stand unter Einbeziehung sämtlicher Entwicklungen der Gesetzgebung (Stand: 1.07.2023), der Entscheidungen der Gerichte und Wettbewerbsbehörden (hauptsächlicher Stand: 31.12.2022) abzubilden. Dieses Vorhaben setzen die Herausgeber mit ihrem Autorenteam aus der Wissenschaft, der Justiz und der kartellrechtlichen Praxis in beachtlicher Bandbreite und Tiefe um. Der bereits früher erschienene Band 2, der das deutsche Wettbewerbsrecht (§§ 1-96, 185, 186 GWB) bereits zwei Jahre nach der Vorauflage erneut kommentiert, unternimmt dort eine eigenständige Auslegung des deutschen Kartellrechts, wo angesichts der fortgeschrittenen Harmonisierung des GWB mit dem EU-Kartellrecht noch Raum für nationale Abweichungen bestehen. Im harmonisierten Bereich (§§1, 2 GWB) beschränkt sich die Kommentierung vor allem auf die Deutschland betreffenden Spezifika und Fallgruppen. Für die Fallgruppen mit Schwerpunkt im EURecht wurde zu einem Großteil auf die Ausführungen in den zum Erscheinungszeitpunkt avisierten Teilbänden 1/1 und 1/2 zu den horizontalen und vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen des Art. 101 AEUV verwiesen. Ausführlich werden die Neuerungen behandelt, die infolge der 10. GWB-Novelle Eingang in das nationale Kartellrecht gefunden haben. Zu nennen ist hier insbesondere die Modernisierung

der Missbrauchskontrolle und insbesondere die Bestimmung des § 19a GWB vis-à-vis Unternehmen mit erheblicher marktübergreifender Bedeutung, der dem Bundeskartellamt eine effektivere Kontrolle großer Digitalkonzerne ermöglichen soll. Die neuen Bände des Großkommentars stellen zentrale Bereiche des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts systematisch und gut verständlich dar. Die fundierte Bearbeitung ganz unterschiedlicher Bereiche zeigt, dass der Kommentar sowohl an den Bedürfnissen der Rechtspraxis ausgerichtet ist, als auch als wissenschaftliches Nachschlagewerk geeignet ist. Dem Ziel des mehrbändigen Werks, dem Nutzer klare Antworten in dessen Interessensgebieten zu geben, wird der Münchener Kommentar in bewährter Weise gerecht und enttäuscht nicht. Fast kann man sich schon auf die 5. Auflage – jedenfalls für das deutsche Wettbewerbsrecht – freuen, stehen in der aktuellen Legislaturperiode doch allein zwei GWB-Novellen an (die umstrittene 11. Novelle und die bevorstehende 12.Novelle). Bis dahin ist diese 4. Auflage schon angesichts ihres Umfangs und mehrdimensionalen Anspruchs ein unverzichtbares Standardwerk im Wettbewerbsrecht, an dem die Leserschaft nicht vorbeikommt.

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Ansprechpartner/innen Dr. Ulrike Suchsland u.suchsland@bdi.eu


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BDI REIHE

Wirtschaftsrecht

IMPRESSUM Herausgeber

Konzeption

Bildnachweis

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) Breite Straße 29 10178 Berlin T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu

Sarah Schwake, Referentin Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen

Redaktion

Verlag

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Dr. Kerstin Lappe, Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) Niels Lau (V.i.S.d.P.), Abteilungsleiter Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik

Industrie-Förderung GmbH, Berlin

Layout & Design Lana Grochowina, Interface Designerin

Stand Dezember 2023




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