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Schwerpunkt
Fragen: Flurina Schenk Foto: zvg
Lebensqualität und Arbeit Die Arbeitswelt hat sich radikal verändert. Dieser Wandel hat Auswirkungen auf unsere Lebensqualität. Und er fordert die Kader auf der Baustelle in ihrer Funktion als Führungspersonen. Im Gespräch mit Dr. med. Daniel Bielinski, Chefarzt Psychiatrie am Regionalspital Emmental in Burgdorf. Daniel Bielinski, Sie sind Facharzt FMH Psychiatrie und Psychotherapie FMH und seit dem 1.2.2015 Chefarzt Psychiatrie am Regionalspital Emmental in Burgdorf. Beschreiben Sie uns einen typischen Arbeitstag.
Den typischen Arbeitstag gibt es nur in zeitlicher Hinsicht. Er beginnt meist um 09.00 Uhr und endet meist um 19.00Uhr, sechs Tage die Woche. Inhaltlich ist jeder Tag anders, das ist spannend und schützt vor dem ausgebrannt werden. Arbeit heisst für mich Teamführung, Organisation des Betriebes, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit, aber eben auch ganz konkret Behandlung und Betreuung von Patienten.
Und was heisst für Sie persönlich denn Lebensqualität?
Ich habe es angetönt, jeden Tag mit Freude am Beruf zur Arbeit gehen zu können, das Gefühl etwas bewirken zu können, das ist schon ein grosses Privileg. Familie und Freunde, Hundespaziergänge und Nordic Walking sind ganz wichtig für den Ausgleich. Das Alles bei noch guter Gesundheit tun zu können, das ist Lebensqualität!
Einen Psychiater und Psychotherapeuten zum Thema Lebensqualität zu befragen, führt einem ziemlich rasch zum Thema «Burnout». Was ist ein Burnout denn eigentlich genau?
Burnout bezeichnet chronischen, arbeitsbedingten Stress der zur Überlastung führt. Der Mensch reagiert mit Erschöpfung, mit einer Distanzierung zur Arbeit und Ineffizienz. Am Ende dieser Entwicklung kommt es zu einer tiefen Depression. Dieser Prozess wird begleitet von diversen psychosomatischen Beschwerden wie Muskelverspannungen, Herzrhythmusstörungen usw. Burnout steht also im Zusammenhang mit der Arbeit und ist keine Diagnose. Wegen
Burnout wird niemand krankgeschrieben, wegen einer Depression hingegen schon. Die Symptome sind aber häufig ähnlich.
Wen trifft es denn am häufigsten?
Menschen mit einem hohem Grad an Pflichtbewusstsein, hoher Leistungsbereitschaft und starker Identifikation mit der eigenen Arbeit. Ein Beispiel: Ein Drittel der Schweizer Hausärzte zeigen ein leichtes bis hochgradiges Burn-out-Syndrom. 28% hatten im Laufe Ihrer Berufskarriere schon Suizidgedanken.
Unsere Leser sind Kader auf der Baustelle. Sind diese durch den hohen Zeit- und Kostendruck, unter dem sie arbeiten Ihrer Meinung nach besonders gefährdet? Oder ist es gerade anders herum: Weil Menschen auf dem Bau es gewohnt sind, eine direkte Sprache zu sprechen und am Abend sehen, was sie getan haben, neigen sie nicht gleich rasch zu Burnouts, wie andere Berufsgruppen? Die Arbeitswelt hat sich radikal gewandelt! In der Schweiz hat die Arbeitsproduktivität seit den 1960er-Jahren pro Stunde um 225% zugenommen. Das Arbeitsleben hat sich verdichtet und es ist zudem «entgrenzt», weil wir ständig erreichbar und verfügbar sind. Zudem ist das Klima auch wegen dem ökonomischen Druck rauer geworden. Unsichere Arbeitsverhältnisse und Angst vor Arbeitslosigkeit, Mobbing am Arbeitsplatz sind zusätzliche Stressoren, die ja auch auf der Baustelle vorkommen. In meiner Praxis sind übrigens Kaderleute der Baubranche keine Seltenheit.
Woran erkennt man eine Burnout-Gefährdung rechtzeitig und gibt es «Sofortmassnahmen»?
Mit der Zeit können wir den Stress nicht
Daniel Bielinski.
mehr bewältigen, es besteht ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen und den persönlichen Handlungsmöglichkeiten. Frühwarnsymptome werden erkennbar und führen zu emotionaler und körperlicher Erschöpfung bis zur Entkräftung. Frühwarnsymptome sind erkennbar und damit Aufgabe einer guten Mitarbeiterführung! ! Hirnleistung: Vergesslichkeit, Unzuver-
lässigkeit, Konzentrationsstörungen, Beeinträchtigung des Urteilsvermögens, Nervosität. Baukader 7/8 2016