Verpflichtendes Erbe Musik von Bach, Hindemith, Haddad und Strawinsky
Ker stin Schüssler-Bach
Lineare Polyphonie J. S. Bach: Brandenburgisches Konzert Nr. 1 „Ein Symbol für alles Edle, das wir mit dem besseren Teil nseres Wissens anstreben“ – das war Johann Sebastian Bach für u Paul Hindemith. Ein „verpflichtendes Erbe“ also, wie Hindemith 1950 in seiner Hamburger Rede bekannte. Nicht nur als Interpret auf der Geige und Bratsche, sondern auch als Dirigent hat sich Hindemith mit diesem Erbe musizierend aus einandergesetzt. Und als Komponist führten ihn viele Spuren zum Thomaskantor, vor allem in jenen Werken, die im Zuge der neoklassizistischen Bach-Rezeption entstanden. Hier knüpfte auch Igor Strawinsky an. Bachs lineare Polyphonie, motorischer Gestus und rhythmische Energie galten in der künstlerischen Neuorientierung der 20er Jahre als wahrer Jungbrunnen. Hier fand man den kristallinen Gegen entwurf zum Dauer-Espressivo der Wagnerianer und Spätromantiker, ihrem überzüchteten Chromatismus, ihrem Leidenspathos in riesigen Besetzungen. Schlank, transparent, elastisch wollte man nun den Bachschen Pfaden folgen. Bachs konzertante Musik spielte dabei naturgemäß eine größere Rolle als seine geistlichen Werke. Die Brandenburgischen Konzerte galten als Muster eines luziden, instrumental gedachten Musizierens und regten etliche „Spielmusiken“ der Zwischenkriegszeit an. Auch wenn die sechs Konzerte wohl nicht als zusammengehöriger Zyklus komponiert wurden – schon die höchst unterschiedlichen
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