COVERSTORY
Der Weg aus dem gedanklichen Gefängnis Didi Schmidle lebt und praktiziert als Arzt in Luzern. Der Schulmediziner mit Affinität zu alternativen Methoden und zur buddhistischen Lehre zeigt uns mögliche Wege zur Überwindung des mentalen Lockdowns. INTERVIEW ANGEL GONZALO
Herr Schmidle, haben Sie Angst vor Corona? Didi Schmidle: Der Begriff Angst ist viel schichtig. Als Kinder haben wir Angst davor, ein Spielzeug zu verlieren. Als Ju gendlicher macht uns der Verlust einer Beziehung Angst. Wir haben Angst vor dem Leben und vor dem Tod. Aber vor allem beeinflusst uns das Ungewisse in dieser – zugegeben – schwierigen Situation in be sonderem Mass. Jetzt passiert etwas mit uns aufgrund der Corona-Pandemie. Die Angst wird auch medial geschürt. Politi sche Kräfte präsentieren uns Massnah menrechtfertigungen. Sind diese Massnahmen für uns Menschen beunruhigend? Wir werden durch die Massnahmen in eine Struktur gezwungen, die Fragen über unsere Grundrechte aufwirft. Die Frage muss erlaubt sein: Darf der Staat so ein greifen, dass er Zwänge oder Massnahmen erlässt, die derart stark auf unser Empfin den einwirken? Die politisch Verantwort lichen müssen sich überlegen, welche Massnahmen Sinn machen. Wir erfahren fast stündlich die neuesten Zahlen. Verschlimmert diese mediale Bearbeitung des Themas die Lage? Es ist wenig erbaulich, dass wir medial mit Bildern und Informationen bedient wur den und werden, die Angst machen: etwa übervolle Notfall- und Intensivstationen oder Leichen, die vom Militär in den Fried hof transportiert werden, wie in Italien im letzten April. Der Fokus sollte auf einer besseren Aufklärung der medizinischen Sachverhalte liegen. Inzwischen werden
wir auch mit Infektionsraten, Todesfällen und anderem bedient, die einerseits ab stumpfen, anderseits alarmieren. Der Nor malsterbliche kann diese Informationen nicht mehr interpretieren oder einordnen. Vergiften Corona-Verweigerer und -verschwörer die Stimmung zusätzlich? Es ist wichtig, die Massnahmen zu respek tieren, bis man mehr weiss. Wir müssen die Verschwörer so ernst nehmen wie die
Eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten Didi Schmidle (69) ist ein weitgereister Arzt mit vorarlbergischen Wurzeln. Er studierte ein Jahr Theologie in Innsbruck, entschied sich dann aber für ein Medizinstudium in Wien. Danach spezialisierte er sich im Bereich Sportmedizin. Didi Schmidle war mehr als zwei Jahrzehnte lang Gefängnisarzt in Luzern. Seit über 25 Jahren ist er Vertrauensarzt im Zirkus Knie. 1979 traf er den Dalai Lama in der Schweiz. Seither ist er mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter freundschaftlich verbunden und beschäftigt sich intensiv mit der buddhistischen Lehre.
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Ignoranten. Das erreichen wir aber nur, wenn wir sachlich fundierte Informatio nen über das Virus und die Krankheit er halten. Wir müssten hier transparenter in formieren und deeskalieren. Das ist wich tig. Bislang standen nur die Massnahmen im Vordergrund. Die Menschen sollten aber auch erfahren, dass Infektionskrank heiten zu unserem Leben gehören. Es ist hoch spannend, wie sich der Einzelne ver ändert und sich nicht darauf besinnt, dass wir eine begrenzte Lebenszeit haben. Als Arzt ist es für mich jetzt wichtig und zen tral über die Ursachen der Pandemie nach zudenken. So stosse ich auf Unwissen und Ungewissheit. Die Coronaviren sind ja seit Jahren bekannt. Was jetzt folgt, ist die me diale Begleitung für den epidemiologi schen und virologischen Benefit. Das ist neu. Es gibt im Moment keine Antworten darauf, ob wir resistent sind. Wir sind alle geprägt von politischen Massnahmen, die uns in eine Zwangsjacke zwingen. Only bad news are good news? No news are good news, wäre in dieser Situation wohl besser. Etwas provokativ ge dacht: Vielleicht würde ein medialer Lock down während ein paar Tagen helfen, an ders über die jetzige Situation zu denken. Was raten Sie einem Menschen, der sich bedroht fühlt und dadurch gelähmt ist in dieser Situation? In einem Notzustand gibt es zwei Strategi en. Die eine nenne ich die Starrheit. Ich be wege mich nicht und hole mir die Informa tionen nur über eine bestimmte Informati onsquelle. Die zweite ist: Ich besinne mich