STADTSICHT 1/2020

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WAS DAS URBANE ZENTRUM DER ZENTRALSCHWEIZ BEWEGT WAS DIE REGION LUZERN UND FÜNF KANTONE BEWEGT

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Den

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AIRBNB & CO.

WENN DER ERFOLG WOHNRAUM FRISST

22 AN DIE URNEN!

ES GIBT AUCH NOCH ANDERE WICHTIGE WAHLEN – WAS UNS DER US-PRÄSIDENT GEBEN UND NEHMEN WIRD

34 WAS SMART CITY-

KONZEPTE TAUGEN –

UND WARUM LUZERN ZU KLEIN DAFÜR IST

DURCHBLICK in schwierigen Zeiten behalten SEITE 49


«EIN BMW. DAS WÄR’S.»

DIESEN WUNSCH ERFÜLLT IHNEN DIE STEINER GROUP AG IN LUZERN, KRIENS ODER BUOCHS.


ZAHLENSPIEL Am Wochenende vom 29. März sind in vielen Gemeinden Wahlen. So auch in der Stadt Luzern. Doch wer wählt hier eigentlich?

84 733

Das ist die Einwohnerzahl, die die Stadt Luzern in ihrer letzten aktuellen Statistik ausgewiesen hat (31.12.2018).

64 000 75%

Davon sind Schweizer Staatsbürgerinnen oder -bürger. Das entspricht einem Anteil von rund

20 700

Einwohnerinnen und

Einwohner haben einen ausländischen Pass, sie machen

25 %

aus

Wie viele dürfen eigentlich an der Urne abstimmen oder wählen?

53 262 Personen hätten am letzten Abstimmungsgang vom 9. Februar 2020 ihre Stimme abgeben dürfen. Das entspricht einem Anteil von knapp 63 % an der Gesamtbevölkerung.

Abgestimmt haben aber weit weniger: Nur 24 403 Personen.

45,82%

der Stimmberechtigten. Oder nur gerade 29 % der Stadtluzerner Bevölkerung.

Doch das sind die Zahlen der Abstimmung. Wie sieht es bei Wahlen aus? Am 1. Mai 2016, als der Grosse Stadtrat von Luzern gewählt wurde, zählte man 53 415 Stimmberechtigte. 37,53 % davon wählten. Das heisst:

Nur 23 % der gesamten Stadtluzerner Bevölkerung bestimmte damals, wer für vier Jahre im Grossen Stadtrat sitzen und politisieren würde.

Bei den letzten Wahlen dominierten die älteren Semester: 61,53 % aller Wählenden waren über 50 Jahre alt. Besonders die 30- bis 39-Jährigen blieben den Urnen fern. Nur gerade 29,74 % der Stimmberechtigten nahmen teil. Noch schlimmer bei den 20- bis 29-Jährigen: nur 23,95 % der Stimmberechtigten waren aktiv. 70- bis 79-Jährige mit 53,87 % Anteil an Stimmenden und 60- bis 69-Jährige mit 47,48 % Anteil an Stimmenden schlugen alle Altersklassen um Längen.

Wird smal s n? Eh n . jüng Ab mm gsv ha z g ile V­ lza . Mit Wor : Jug d dem tri­ m r, mmt o t g mit, nn Sa o P n g t.


Isabelle Faust Tripelkonzert Sol Gabetta 5. Symphonie Kristian Bezuidenhout 4. Klavierkonzert Alexander Melnikov Pastorale Beethoven Fazil Say Fest 2020 3. Klavierkonzert Giovanni Antonini 24. Mai- 12. Juni 2020 7. Symphonie Kammerorchester Basel KKL LUZERN . Konzertsaal

In Zusammenarbeit mit

Infos & Kartenverkauf: www.citylightconcerts.ch


EDITORIAL

LIEBE LESERINNEN UND LESER

Bruno Affentranger Chefredaktor STADTSICHT, BA Media Luzern

Willkommen zum Mitdenken, Diskutieren und

Fachsimpeln. Die neue Ausgabe von STADTSICHT ist da, das unabhängige, politisch neutrale und von keiner Partei oder ­Organisation finanzierte Magazin, das sich ganz den Bewegungen und Phänomenen im urbanen Raum widmet. Wir werden oft gefragt, woher das Geld stammt, das uns ein viermaliges Erscheinen pro Jahr ermöglicht und Ihnen kostenlos hoffentlich Denkstoffe ins Haus liefert: Wir publizieren auf eigenes Risiko. Wir – damit ist die BA Media gemeint, ein Luzerner Medienunternehmen, das sich auf dem Gebiet von Corporate Publishing ­spezialisiert hat und damit Medieninhalte und Produkte für andere fertigt. Wa­ rum sollten wir das Wissen über das Wie nicht für ein eigenes Magazin dort anwenden, wo wir selber zu Hause sind? Mit dieser einfachen Frage hat vor bald vier Jahren alles begonnen. Das Geld für die Publikation übrigens stammt ausschliesslich aus Inserate-Einnahmen. Die Auftraggeber der Anzeigen, die Sie in diesem Magazin sehen, ermöglichen direkt das Erscheinen der STADTSICHT. Dafür bedanken wir uns bei unseren Inserenten. In dieser STADTSICHT wollen wir dagegenhalten: gegen die alles dominierende Diskussion um das Coronavirus und jene aufkommende um eine mögliche Weltwirtschaftskrise. Wir schauen bewusst über eine dereinst ab­ geschlossene Periode hinaus, in der diese ­Themen allgegenwärtig sind. Respekt vor der aktuellen Angst und den Befürchtungen haben auch wir – aber wir möchten in unserem Magazin weiterhin und wie seit Anbeginn ­A nleitungen geben, wie Sie den Durchblick behalten können. Man sollte sich durch die allgegenwärtige Furcht nicht lähmen lassen. Behalten wir kühlen Kopf und heisse Gedan-

ken. So wie es der Junge auf unserem Titelblatt tut. Es zeigt eine Szene in der Luzerner Sehschule der Augenklinik des Kantonsspitals ­Luzern. Die Fotografin Lisa Meyerlist hatte das Bild 1961 geschossen. Normalerweise wird es im Staatsarchiv Luzern aufbewahrt. Doch die spektakuläre Sonderausstellung des Historischen Museums «Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975» zeigt es vom 27. März bis 30. August 2020 zusammen mit vielen weiteren Preziosen. In unserem Magazin blicken wir auf Dinge, von denen wir überzeugt sind, dass sie uns ­längerfristig beschäftigen werden, die aber derzeit vielleicht zu wenig Platz im öffentlichen Diskurs einnehmen. Airbnb und Co. sind ein derartiger Stoff. Die digitalen Plattformen, die privaten Wohnraum für Touristen anbieten, überfordern uns in unseren Städten. ­Unsere Regelwerke sind nicht für sie gemacht. Sie sind darin ganz einfach nicht vorgesehen. So können romantische, gut gemeinte VerteilungsIdeen schnell zu kommerziellen Maschinen verkommen, die den Zentren Wohnraum entziehen und diesen knapp werden lassen. Wie soll man darauf ­reagieren? Wir haben ­v iele Fragen, einige ­A ntworten und noch mehr Fragen. Die USA und ihr Wahlkampf, der am 2. November entschieden wird, ist ein weiteres Grossthema: Wie wird sich China auf den (neuen) Präsidenten in den USA einstellen? Und wie werden wir das in Luzern und in der Zentral­ schweiz mit unserer starken, touristisch bedingten internationalen Anbindung zu spüren bekommen? Hierzu und über viele weitere Themen lesen Sie in dieser STADTSICHT. Lernen Sie Menschen und vor allem ihre Fragen kennen, und lassen Sie sich auf Diskussionen ein. Wir freuen uns.

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Partner der STADTSICHT

Die globale EY-Organisation ist Marktführerin in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Rechtsberatung sowie in den Advisory Services. Wir fördern mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Dienstleistungen weltweit die Zuversicht und die Vertrauensbildung in die Finanzmärkte und die Volkswirtschaften. Für diese Herausforderung sind wir dank gut ausgebildeter Mitarbeitender, starker Teams sowie ausgezeichneter Dienstleistungen und Kundenbeziehungen bestens gerüstet. Building a better working world: Unser globales Versprechen ist es, gewinnbringend den Fortschritt voranzutreiben – für unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und die Gesellschaft. Die EY-Organisation ist in der Zentralschweiz mit zwei Sitzen in Luzern und Zug vertreten. Zusammen sind 90 Mitarbeiter an den beiden Sitzen tätig und bieten vollumfänglich alle oben erwähnten Dienstleistungen an. ey.com/ch/de/home

STADTSICHT wird ausserdem unterstützt durch folgende Partner

Der Wirtschaftsverband Stadt Luzern (WVL) ist mit fast 500 Mitgliedern das Sprachrohr für das Luzerner Gewerbe. Als Wirtschaftsverband leistet er verschiedene Beiträge: – Er vertritt die Interessen des Gewerbes. – Er stärkt Luzerns Wirtschaft. – Er bezieht in wirtschaftspolitischen Fragen Stellung. – Er pflegt Kontakte mit seinen Mitgliedern. Luzern als starkes Wirtschaftszentrum der Zentralschweiz: Dafür setzt sich der Verband ein. Er fordert wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen und macht sich für einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort und damit auch für langfristig gesicherte Arbeitsplätze stark. wvl.ch

Die City Vereinigung Luzern (CVL) fördert mit ihren mehr als 240 Mitgliedern die Attraktivität von Luzern als Einkaufsstadt sowie als Handels-, Wirtschafts-, Tourismus- und Begegnungs­ zentrum der Zentralschweiz. Die CVL will mit einem ganzheitlichen Marketingmix für eine Belebung der Innenstadt sorgen. Dazu gehören Interessensvertretung, politische Arbeit, Öffentlichkeitsarbeit, klassische Werbung sowie Events oder Verkaufsförderungsaktionen. Bestseller der CVL ist die CityCard – die gemeinsame Geschenkkarte für das Shopping-Center Stadt Luzern. Einheimische und Gäste sollen Luzern freundlicher, zuvorkommender und sympathischer erleben als alle anderen Städte, die sie kennen. city-luzern.ch


No 01/2020

INHALT 03 Start in Zahlen 05 Editorial / Partner 06 Inhalt

WAS DAS URBANE ZENTRUM DER ZENTRALSCHWEIZ BEWEGT WAS DIE REGION LUZERN UND FÜNF KANTONE BEWEGT

N O 1 | 2020

STARTER

Coverbild Luzerner Sehschule der Augenklinik des Kantonsspitals, Luzern, 1961 (Lisa Meyerlist, Staatsarchiv Luzern, FDC 102/1145.3) Aus: «Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975» Eine Sonderausstellung des Historischen Museums Luzern, 27. März bis 30. August 2020

Den

07 07 07 09 09 09

Kinder bauen am liebsten selber Eine ruhige Kugel schieben Das Alpaka singt hinter der Mauer Willkommen in der Stadt der Frisuren Visitlovers sind in Luzern gestartet Der Schokohase kommt aus dem Verkehrshaus

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AIRBNB & CO.

DURCHBLICK in schwierigen Zeiten behalten SEITE 49

WENN DER ERFOLG WOHNRAUM FRISST

22 AN DIE URNEN!

ES GIBT AUCH NOCH ANDERE WICHTIGE WAHLEN – WAS UNS DER US-PRÄSIDENT GEBEN UND NEHMEN WIRD

34 WAS SMART CITY-

KONZEPTE TAUGEN –

UND WARUM LUZERN ZU KLEIN DAFÜR IST

STADTSICHT ist ein Produkt der BA Media GmbH mit Sitz in der Stadt Luzern. Das Magazin ist ein redaktionelles Erzeugnis, erscheint 2020 viermal und wird in alle Briefkästen der Stadt Luzern und den umliegenden Gemeinden sowie Städten Emmen, Ebikon, Horw, Meggen, Adligenswil und Kriens verteilt sowie an weiteren 600 Punkten in der Zentral­schweiz aufgelegt.

COVERSTORY 10 Das ist die Welt der «Sharing Economy» 12 Gäste werden Einheimische auf Zeit 14 Was passiert, wenn wieder viel mehr kommen? 16 Roland Schegg über Airbnb und Co.: Wie es wirklich ist 20 Was wir tun sollten, damit der Wohnraum nicht verdampft

STADTSICHT wird von verschiedenen Organisationen unterstützt, ist jedoch politisch unabhängig und inhaltlich keinem Verband und keiner Ideologie verpflichtet. Herausgeber und Redaktion behalten sich alle journa­ listischen Freiheiten vor.

THINK FURTHER

22 Es gibt noch andere wichtige Wahlen 24 US-Politprofi David Harden über die US-Präsidentschaftswahlen: Was kommt, was droht – und wie China agiert

Herausgeber Bruno Affentranger, Angel Gonzalo, BA Media GmbH, Luzern Chefredaktion Bruno Affentranger, BA Media GmbH

THINK TANK

29 Wenn das Poulet eher eine Erbse ist – zu Besuch bei Luzerner Erfindern

FUTURE TALK

34 Die Stadt Luzern ist zu klein, eine Smart City zu sein

PORTRÄT

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39 Wie man mit dem Gesellschaftsproblem Demenz umgehen sollte

47 Vorfasnacht ist heute Nachglühen: Die Bilder von Longines

ESSEN IN UND UM LUZERN

48 Wir haben für Sie getestet und empfehlen

Fotografie Angel Gonzalo Lisa Meyerlist Luzern Tourismus Bildbearbeitung bw-kraftwerk AG, Luzern bw-kraftwerk.ch

Layout/Produktion aformat Luzern, aformat.ch

42 Die Kunst tritt an: Das 200-Jahr-Jubiläum des Löwendenkmals rückt näher

TOP EVENT

Redaktion Peter Bucher Angel Gonzalo Kaisa Ruoranen

Korrektorat No limits Schmid

KREATIV

IMPRESSUM

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Verlag BA Media GmbH Obergrundstrasse 26, 6003 Luzern affentranger@bamedia.ch gonzalo@bamedia.ch Inserateverkauf BA Media GmbH Manuela Willimann willimann@bamedia.ch 079 455 89 11 Druck Swissprinters AG Brühlstrasse 5, 4800 Zofingen Anschrift STADTSICHT, BA Media GmbH, Obergrundstrasse 26, 6003 Luzern stadtsicht@bamedia.ch bamedia.ch Facebook: stadtsicht.ch

DURCHBLICK 49 Ein paar Tipps gegen die Angst vor allem

Unterstützungspartner EY (Ernst & Young AG) Wirtschaftsverband der Stadt Luzern City Vereinigung Luzern weitere

AUSSICHTEN 50 Harte Fragen für unsere Zukunft – Krienser Baum-Patronate, VBL-Nutzniesser, Technologiewut

Auflage 55 000 Exemplare

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Erscheinungsdaten 2020 15.06. (Redaktionsschluss: 01.06.) / 21.09. / 30.11.2020

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STARTER

GEHEIMTIPPS

INDUSTRIESTR ASSE

Kinder am Bauen

Mehr unter: kinderbaustelleluzern.ch

LÖW ENGR A BEN

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EINE RUHIGE KUGEL SCHIEBEN Boule? Bowle? Nicht dasselbe. Wir reden hier vom berühmten Spiel mit den Kugeln. Mit einer BouleBahn und dänischen Leckereien locken Marlen Amberg und Joël van Eck ihr Publikum in die neue Bar am Löwengraben 16 in Luzern. Montags und sonntags ist das Lokal geschlossen, alle anderen Tage ab 11 Uhr und abends ab 17 Uhr geöffnet. Samstags gehts um 13 Uhr los. Wer mal eine ruhige Kugel schieben will – hier liegt man richtig.

HINTER MUSEGG

Das muss man sich als Eltern in Erinnerung behalten. Ausschneiden und auf den Kühlschrank kleben also: Am 4. Mai startet die Kinder­baustelle in Luzern in ihre zweite Saison. Das Stück Brachland an der Industriestrasse 13 wird so ideal und sinnvoll zwischengenutzt. Hier können Kinder frei nach ihren Vorstellungen und Wünschen spielen, bauen und wirken. Was sich nach einem Traumland der eigenen K ­ inderzeit anhört, ist es auch. Die Kinder-Baustelle ist jeweils am Mittwoch und Samstag von 14 bis 18 Uhr betreut und in den Sommerund Herbstferien wochenweise täglich von 14 bis 18 Uhr.

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RENT A SPACE

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SECOND HAND AUF ZEIT An der Bundesstrasse 18 in Luzern ist Martas ­b esonderer Secondhandshop zu Hause. Hier können alle, die wollen, für ein paar Tage ein Gestell mieten und es selber mit ihren Sachen füllen, die sie verkaufen wollen. «Rent space, sell, come over, buy» heisst der Claim des aussergewöhnlichen Shopkonzepts. Zwischen 9 und 18 CHF pro Tag Regalmiete plus 15 Prozent Kommission der Verkäufe kostet der Deal. Mitmachen können alle. Grösse, Lage und Preis der Regale sind online im Reservationssystem abrufbar, bezahlt wird beim Check-in. Wer Erfolg haben will, sollte mindestens 8 bis 12 Tage anmieten, sagt Marta. Aber finden Sie es doch selber raus. Mehr unter: marta-flohmarkt.ch

ALPAKAS HINTER DER MAUER Schon mal vom Kulturhof Hinter Musegg gehört? Dort lässt es sich mitten in der Stadt gut mit Familie und Kindern aus­ halten. 52 Hochstammbäume (Kirsche, Apfel, Birne, Mispel, Nuss, Kastanie), 4 Hochlandrinder, 2 Alpakas, 4 Zwergschweine, 4 Zwergziegen, 5 Appenzeller Spitzhauben (inklusive Gockel Hubi) und 1 Katze erwarten die Besucher. Versteht sich von selbst, dass Kuchen, Kaffee oder hausgemachter Sirup ebenso gut schmecken, wie es sich hier anhört. Mehr unter: hinter-musegg.ch

Mehr unter: blokbar.ch

­B ÜRGENSTR ASSE

EINE TYPISCHE BIERIDEE

Wie geht eigentlich Bierbrauen? Kann man es auch selber machen? Und was passt kulinarisch am besten? Eine kleine Besichtigungstour in der Braustätte des Luzerner Biers an der ­Bürgenstrasse 16 hilft bei der Suche nach den letzten Bierantworten. Zum Schluss der Runde gibt es einen kleinen brauereitypischen Imbiss mit Weisswurst, Brezen und natürlich Luzerner Bier. Prost. Mehr unter: brauerei.lu

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Warum heissen wir Sinnvoll ? Wir Gästen ein rundum tolles tolles Wirmöchten möchtenunseren unseren Gästen ein rundum Erlebnis und seine Erlebnis bei beiuns unsbieten, bieten,der derMensch Mensch

und seine stehen Bedürfnisse stehen dabei klar Bedürfnisse dabei klar im Mittelpunkt –

im Mittelpunkt – sinnvolle Gastronomie eben. Wir sinnvolle Gastronomie eben. sindsind diedie mitmitden Ideen,den den lässigen Wir denverrückten verrückten Ideen, Betrieben mit gutem Essen,Essen, und wir die mit lässigen Betrieben mit gutem undsind wir sind Feuer Herzen und Pfeffer im Hintern. die mitim Feuer im Herzen und Pfeffer im Hintern.

Darum.


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DIE STADT DER FRISUREN

GEHEIMTIPPS

3 % NACHGERECHNET

54,7

Wer in Telefonverzeichnissen stöbert, trifft manchmal auf eigenartige Zahlen und Fakten. Zum Beispiel darf man getrost annehmen, dass Luzern wahrscheinlich die höchste Dichte an Friseuren, Coiffeuren oder Barbieren aufweist. In der Schweiz hat nur gerade Bern annähernd so viele Etablissements zu bieten. Über 210 Unternehmen sind alleine auf Stadtboden hauptsächlich mit dem Entfernen oder Verlängern von Haupthaar und entsprechenden Verschönerungen beschäftigt. Damit ist die Schwelle, welche der Branchenverband hin zur kritischen Masse definiert hat, schon längst überschritten. Keine Haarspalterei.

ZÜNDSTOFF

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WENN DIE BRÜCKE BRENNT

So gross ist der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche im ganzen Kanton Luzern. Dieser umfasst 1493,5 Quadratkilometer. Wer meint, die urbanen Räume würden einen grossen Anteil ausmachen, der irrt: Nur gerade 8,4 Prozent werden als Siedlungsfläche gebraucht, davon ist nur ein Teil verstädtert. Aber er wächst.

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A M AT EU R E L A DEN EIN

GOOD H AIR DAY

STARTER

VISITLOVERS – MITMACHEN IST ALLES Mitten in die Diskussionen um Overtourism sticht ein Luzerner Start-up der besonderen Art. VisitLovers.ch ist eine Plattform, die mit einfachen Kurzvideos zu komplett persönlich gefärbten Alltagserlebnissen verhilft. Einmal Sauerteigbrot backen mit einem Profi? Oder mit der Pferdekutsche der IG Arbeit und dem Team unterwegs auf Grünabfuhr-Tour durch die Stadt sein? Nichts leichter als das! Amateure laden ein. Schon sind fast sechzig Touren oder Workshops im Angebot zu finden – weitere in der Pipeline. So wird Tourismus nahbar und sogar plötzlich auch für Einheimische zu Hause möglich. Für 10 Franken pro Tour und Person. Mehr unter: visitlovers.ch

V ERKEHRSH AUS

1993 zerstörte ein Brand grosse Teile der Kapell­brücke. Der Grund war eine achtlos weggeworfene Zigarette. So die offizielle Ursache, worüber die M ­ edien berichteten. War es wirklich so? Ein Kriminalroman entfacht die ­Spekulationen rund um die Brandursache neu. Der Historiker Ueli Habegger, ehemaliger Denkmalpfleger der Stadt Luzern und Augenzeuge des Brands, legt in ­seinem flott und spannend geschriebenen Werk eine ganz andere Version des Geschehens vor. Und zeigt unmiss­ verständliche Parallelen zu real existierenden Personen auf, die für Zündstoff sorgen werden. Alles sei Fiktion, das sei das Privileg eines Krimis, betont der Autor.

Alles hängt am Seil im Verkehrshaus Das Verkehrhaus der Schweiz, das grösste Museum hierzulande, stärkt seine Thementage und wird immer mehr zu einem attraktiven Eventspot. Nichts da mit musealer Verstaubtheit. Vom 15. bis 17. Mai sind die «Tourism- and Ropeway Days» an der Reihe. Das Verkehrshaus der Schweiz zeigt nicht nur die Geschichte der ­Mobilität, sondern erklärt im Swiss Chocolate Adventure auch auf ­eindrückliche Weise, wie die berühmte Schweizer Schokolade ­hergestellt wird. In der Osterzeit hat Klein und Gross nachmittags die Möglichkeit, vor oder nach dem Besuch in der Schokoladenwelt den eigenen Schokohasen unter der fachkundigen Anleitung eines Lindt Maître Chocolatiers zu kreieren.

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Weitere Thementage übers ganze Jahr unter: verkehrshaus.ch Der Krimi mit Illustrationen von Jörg Stalder ist im AURA Verlag erschienen. 136 Seiten ISBN: 978-3-906105-20-8 Preis: 24 Franken

aurabooks.ch

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COVERSTORY

WILLKOMMEN IN DER NEUEN WELT DER «SHARING ECONOMY» Airbnb und Co. brechen gewohnte Hotelstrukturen auf. Freuen wir uns.

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COVERSTORY

FRÜHER GÄSTE. HEUTE EINHEIMISCHE AUF ZEIT. Und was wir alle nicht bedacht hatten: Der Wohnraum in unseren Zentren wird knapp.

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COVERSTORY

WAS, WENN MEHR KOMMEN? VON BRUNO AFFENTRANGER

B

esitzen Sie einen Kärcher? Oder eine Bohrmaschine? Einen Grill? Leihen Sie diese Werkzeuge manchmal den Nachbarn aus? Sie könnten weitergehen. Viel weiter. In der Schweiz sind Haushalte überdurchschnittlich gut mit technischen Werkzeugen und Maschinen aller Art ausgerüstet. Einmal pro Sommer, vielleicht einmal pro Monat kommen sie zum Einsatz. Den Rest der Zeit schlummern sie nutzlos in einer Abstellkammer oder im Keller. Fast vergisst man, dass man sie besitzt. Diese Werkzeuge stellen totes Kapital dar. Werte, für die Sie einst Geld ausgegeben haben, in manchen Fällen gar nicht mal wenig. Wie wäre es nun, wenn Sie diese Werkzeuge in der toten Zeit, in den temporären Zwischenräumen also, in denen Sie sie nicht nutzen, anderen für Geld zur Verfügung stellen würden? Sie könnten etwas Geld verdienen und würden wahrscheinlich dadurch sogar den Konsum etwas drosseln und zur ökologischen Besinnung in der Gesellschaft beitragen. Dieses beschriebene Phänomen – das Teilen auf Zeit – ist nichts anderes als die Kernidee der vielzitierten «Sharing Economy». Diese Ökonomie des Teilens erfährt dank dem Internet einen gewaltigen Schub und lässt sich erstmals über weite Distanzen hinweg praktizieren. Autos werden geteilt. Arbeitskräfte sowieso. Zimmer auch. Ganze Wohnungen. On­­line-Anbieter wie das kalifornische Airbnb treten als Börse für die Wohnungsangebote auf und nehmen zwischen 10 bis 20 Prozent Provision

CHF 111 pro Nacht Eine 2-Zimmerwohnung kann in Zürich im Jahresmittel für netto CHF 111 pro Nacht via Airbnb vermietet werden. Dabei darf ein Anbieter mit einer Auslastung der Wohnung von 73 Prozent rechnen.

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von den Mietbeträgen. Bereits sind in der Schweiz alleine auf Airbnb mehr als 60 000 Angebote aufgeschaltet. Das kommt einer Verdreifachung innerhalb von knapp dreieinhalb Jahren gleich. Weltweit buchen mehr als zwei Millionen Menschen pro Tag eine Wohnung beziehungsweise entrichten ihre Mietgebühr an Vermittler wie Airbnb. Das Gute daran: Die unbenutzten Wohnungen werden belebt, vor allem in den Alpenorten, wo noch immer Zweitwohnungen die meiste Zeit während des Jahres unbewohnt vor sich hinserbeln. Und als Nebeneffekt hält mit den Besucherinnen und Besuchern auf Zeit die Welt Einzug, und mit ihnen andere Meinungen, neue Sichtweisen, kulturelle Eigenarten, die eventuell befruchtend und unterhaltend wirken. Willkommen in der schönen Welt des Miteinander

Leider gibt es da ein kleines Problem: Business. Geschäft. Geld scheffeln. Kürzlich hat ein Luzerner davon erzählt, wie er mit seinem Innenausstattungs-Unternehmen soeben einen neuen Auftrag erhalten habe. Er solle ein halbes Dutzend Wohnungen neu einrichten und für die Ausmietung bereitmachen. Nicht an irgendwen, sondern an die Kunden, die über Airbnb oder ähnliche Plattformen Betten mieten würden, genauso wie sie bisher Hotelzimmer reserviert hätten Nachdenklich stimme ihn, so der Unternehmer, dass in diesen Stadtwohnungen bisher normale Langzeitmieter gehaust hätten. Sie haben schlicht gewohnt. Diese Appartements wurden dem Wohnungsmarkt entzogen.


Die aktuellen Schweizer Topdestinationen bei Airbnb Anzahl der Logiernächte in Airbnb-Unterkünften pro Gemeinde* 323 300

Zürich

258 780

Genf

126 780

Nendaz VS

124 500

Basel

103 140

Lausanne

82 910

Luzern

82 440

Zermatt

74 930

Bagnes VS

69 480

Bern

66 250

Anniviers VS

Ob kurzzeitig zur Zwischennutzung oder auf Zusehen hin, liess sich nicht ausmachen. Einem Wohnungsmarkt entzogen, der gerade bei den Mieten in zentraler Lage nicht gerade mit ausserordentlich vielen Angeboten aufwartet. Zwar wächst der Leerwohnungsbestand in den Agglomera­ tionsgebieten der Innerschweiz gemäss allen verfügbaren Statistiken stetig und langsam. Doch im Zentrum ist seltener etwas zu haben. Die Erklärung für den Trend weg von der Langzeitmietwohnung im Zentrum hin zur Airbnb-Wohnung ist einfach mit einer Renditerechnung zu demonstrieren. Es lohnt sich. Die Research-Abteilung der Raiffeisen hat unlängst interessante Kalkulationen angestellt und nachgewiesen, dass Anbieter in Innenstädten wie zum Beispiel Luzern ohne Probleme pro Airbnb-Schlafplatz Jahresumsätze von um die 20 000 Franken oder sogar darüber erzielen können. «Der mittels Airbnb erzielbare Umsatz ist massgeblich von der touristischen Attraktivität einer Region und der Grösse des Angebots an Wohnungen abhängig. Bezüglich Attraktivität schwingen erwartungsgemäss die Innerschweiz, das Berner Oberland und die Zentren Zürich, Genf und Bern oben aus», heisst es in der Studie. Oder anders gesagt: Wenn in Luzern bei Langzeitmieten Eigenkapitalrenditen von vielleicht zwei bis maximal fünf Prozent möglich sind, bieten AirbnbLösungen bis zu zwölf Prozent Eigenkapitalrendite! Damit ist gemeint, dass die Wohnungseigentümer pro damals beim Kauf eingesetztem Franken rund 12 Rappen pro Jahr herausziehen. Das Kapital ar-

1. September 2018 bis 31. August 2019 Quellen: AirDNA, Raiffeisen Economic Research

600 Plus In der Stadt Luzern werden derzeit weit über 600 Angebote auf Airbnb offeriert. Sie reichen vom schönen, kleinen «Heimetli» am Rande des Gütschwaldes für zwei Personen bis zum B & B in herrschaftlicher Lage.

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beitet, wie es so schön heisst. Und das nicht zu knapp. Besonders attraktiv ist diese Zahl in einer Zeit, in der die Anlagemöglichkeiten vernichtend klein sind. Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft Staatsanleihen. Zehn Jahre laufende Schweizer Staatspapiere – eine Bank und sicher wie nichts anderes – notieren klar im Minusbereich. Man muss also bezahlen, dass man das Kapital geben darf. Der sinkende Euro im Verhältnis zum Schweizer Franken sowie die einbrechenden Aktienmärkte wegen der Corona-Krise und den einhergehenden Unsicherheiten diskreditieren weitere Anlagealternativen. Was also tun mit dem Geld? In Immobilien stecken und aus den Wohnungen Airbnb-Angebote machen. Ganz einfach. Diese Entwicklung versetzt der schönen «Sharing-Economy»-Idee einen wüsten Schlag. Sie verkommt zur romantischen Ahnung von etwas, das gut gemeint und sogar einmal eine Weile gut war. In der Innenstadt von Florenz sind bereits zwanzig Prozent der Mietwohnungen dem Markt entzogen und auf Airbnb oder ähnlichen Plattformen im Angebot. Im zentralen Quartier von Lissabon, im Stadtteil Alfama, sind es gemäss Studien schon 55 Prozent. Dort sind die Renditenunterschiede noch viel höher als in der Schweiz und bei uns in Luzern. Die Richtung, welche die Entwicklung eingeschlagen hat, ist eindeutig. Unser Ruf und unser Wunsch nach «Einheimischen auf Zeit» hat Auswirkungen, mit denen wir nicht gerechnet haben und die sich nicht mehr ohne Eingriffe kontrollieren lassen.


COVERSTORY

Airbnb, HomeAway und andere machen Touristen zu Einheimischen auf Zeit. Wie verbreitet ist das Phänomen wirklich? Und was ist von der Grundidee des Teilens geblieben? Der Walliser Tourismus- und IT-Spezialist Roland Schegg weiss es.

DER BEOBACHTER Dr. Roland Schegg ist Dozent an der Hochschule für Wirtschaft in Siders und Forscher am Institut für Tourismus der HES-SO ValaisWallis. Zwischen 2000 und 2004 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Dozent an der Ecole Hôtelière de Lausanne tätig. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann er mit einem Studium der Naturwissenschaften an der ETH Zürich in den Achtzigerjahren. 1993 folgte die Promotion an der Universität Genf. Aktuell beschäftigt er sich im Rahmen seiner Forschungstätigkeit vor allem mit dem Einfluss neuer Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Tourismusindustrie. Themen seiner Arbeiten sind unter anderen das Monitoring von Akteuren wie Airbnb und booking.com im Schweizer Tourismus.

HOME SHARING? DAS WAR MAL. INTERVIEW ANGEL GONZALO

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STADTSICHT: Laut einer Wirtschaftsstudie der Raiffeisenbank treten im Bereich Airbnb vermehrt professionelle Investoren auf den Plan. Was hat das noch mit Sharing Economy zu tun? Roland Schnegg: Plattformen wie Airbnb und HomeAway hatten vor zehn Jahren ­eine Philosophie, die auf dem Teilen («Sharing») basierte. Die typische Unterkunft, die zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stand, war ein Zimmer oder eine Wohngemeinschaft mit dem Gastgeber. Heute können noch etwas mehr als ein Drittel des Airbnb-Angebots in der Schweiz als Privatzu-Privat-Vermietung betrachtet werden. Bei 42 Prozent der Angebote liegen unbestreitbar auch wirtschaftliche Gründe für die Vermietung vor, da die Privatpersonen die Unterkunft für mehr als 120 Nächte zur Verfügung stellen. Semiprofessionelle und professionelle Angebote, das heisst Hosts, welche mehrere Objekte auf Airbnb verwalten, machen bereits zwanzig Prozent der Angebote aus. Es wird deutlich, dass die von Airbnb kommunizierte Idee des geteilten Wohnraums im Sinne eines Home­sharing immer mehr eine untergeordnete Rolle spielt. Pro Monat verzeichnet die Schweiz nahezu 500 000 Logiernächte, die durch Airbnb vermittelt werden. Tendenz stark steigend. Wird dieser Trend Ihrer Meinung nach anhalten? Das Walliser Tourismus Observatorium schätzte in seiner letzten Studie, dass Airbnb 2018 in der Schweiz rund 3 Millionen Übernachtungen generiert hat. Dies entspräche rund acht Prozent der 38,8 Millionen Übernachtungen in der Schweizer Hotellerie im Jahr 2018. Schaut man sich das globale Wachstum der Angebote auf Plattformen wie Airbnb, HomeAway (auch Expedia) und booking.com an, ist kein Rückgang in Sicht. Airbnb wird auch in der Schweiz weiterhin wachsen; nur regulatorische Massnahmen oder die Krise um das Coronavirus könnten diesen Trend brechen.

Mit der Kurzzeitvermietung von Wohnungen, wie dies etwa von Airbnb praktiziert wird, kann man viel Geld verdienen. Kann das zu Wohnungsnot führen? Auf der Basis von Daten von AirDNA schätzten wir im letzten Jahr den Beherbergungsumsatz von Airbnb-Objekten in der Schweiz auf rund 496 Millionen Franken. Diese Zahlen sind jedoch mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren. Airbnb hat kürzlich bekannt gegeben, dass Reisende, die 2018 auf ihrer Plattform gebucht hatten, direkte Ausgaben für die Schweizer Wirtschaft von 642 Millionen Franken ausgelöst haben. Basierend auf dieser Stu-

«Das Phänomen Airbnb geht ja oft einher mit der Problematik des Massentourismus.» die von Airbnb schätzen wir das Beherbergungseinkommen auf rund 256 Millionen Franken. Trotz dieser Divergenzen bei den Schätzungen des Umsatzes kann man dennoch sagen, dass im Jahr 2018 die touristische Kurzzeitvermietung von Wohnungen über Airbnb ein signifikantes Volumen ausmacht, welches vergleichsweise sechs bis zwölf Prozent des Beherbergungsumsatzes der Schweizer Hotellerie erreicht. Wie sieht die durchschnittliche Nutzung einer Airbnb-Wohnung aus? Im Durchschnitt wird ein Objekt auf natio­ naler Ebene der Airbnb-Plattform für 177

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Tage zur Verfügung gestellt und wurde 2018 von Gästen im Schnitt an siebzig Tagen genutzt. Für die Schweiz insgesamt beträgt der durchschnittliche Jahresumsatz pro Objekt knapp 12 000 Franken, kann aber in Gebieten mit hoher Nachfrage (Städte oder bekannte Tourismusdestinationen) deutlich höher sein. Zudem sind diese Profitsteigerungen ohne grosse Investitionen möglich, was die Wohnungsmärkte in den Städten unter Druck setzt. Verschiedene Studien kritisieren, dass Kurzzeitvermietungen diese Objekte den Wohnungsmärkten dauerhaft entziehen, da die Einnahmen mittels Airbnb die regulären Mieteinnahmen deutlich übersteigen können und für Besitzer lukrativer sind. Eine aktuelle Studie für die Stadt Salzburg zeigt, dass mehr als fünfzig Prozent der auf Airbnb inserierten Wohnungen und Häuser dem Wohnungsmarkt dauerhaft entzogen werden! «Kinderwagen statt Rollkoffer – stopp Airbnb» – solche Statements zeugen von Unmut in der Bevölkerung. Wird sich die Lage in Zukunft zuspitzen? Das Phänomen Airbnb geht ja oft einher mit der Problematik des Massentourismus. Man spricht in vielen Städten, auch in Luzern, vom Phänomen des Overtourism, wobei viele Experten der Meinung sind, dass es mehr mit «Under-Management» zu tun hat. Wenn also Tourismusströme auch zukünftig sogenannt unkontrolliert wachsen, – was für 2020 in der aktuellen Situation eher unwahrscheinlich zu sein scheint – und die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen in den Zielgebieten nicht adäquat berücksichtigt werden, ist die Gefahr einer Zuspitzung in den touristischen Hotspots nicht von der Hand zu weisen. Befürworter von Airbnb behaupten, das Onlineportal wirke dem Leerstand von Zweitwohnungen entgegen und ziehe Touristen an, die sich die hohen Hotelkosten in der Schweiz nicht leisten können. Teilen Sie diese Meinung?


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COVERSTORY

Dass Airbnb in den klassischen Tourismusregionen auch positive volkswirtschaftliche Effekte hat, ist unstrittig. Viele Vermieter, private und professionelle, nutzen Airbnb und auch andere Plattformen heute als Vertriebskanäle, um eine internationale Kundschaft online anzusprechen. Ist Airbnb ein Segen für alpine Tourismus­regionen, aber ein Fluch für von Wohnungsnot geplagte Städte? In den alpinen Regionen waren die kalten Betten in der Parahotellerie seit Jahrzehnten ein Diskussionsthema. In dieser Hinsicht sind Kurzzeitvermietungen über Plattformen wie Airbnb sicherlich ein adäquates Mittel, um dieser Problematik zu begegnen. Die Tatsache, dass die professionellen Immobilienagenturen Airbnb und Co. als neuen Vertriebskanal für Ferienwohnungen nutzen, unterstreicht dies klar. Interhome verwaltet beispielsweise fast 2000 Objekte auf Airbnb. Und wie sieht es in den Städten aus? In den Städten stellt Airbnb neben einem aus Sicht der Hoteliers unlauteren Wettbewerb auch eine Konkurrenz für die Wohnbevölkerung im Mietwohnungsbereich dar. Wir haben in der Schweiz noch nicht Verhältnisse wie in Barcelona, aber die Situation kann sich verschärfen. Zwischen Hotelgewerbe und Wohnungsvermietung hat sich ein neuer Markt entwickelt, den vor allem kommerzielle Anbieter bedienen. Wenn wir lebendige Städte erhalten wollen, muss das Phänomen der Kurzzeitvermietung in Städten adäquat gemanagt und reguliert werden. Die kommerzielle und gewinnorientierte Weitervermietung einer gemieteten Wohnung oder eines Zimmers ist in der Schweiz nicht legal. Wie kann dies regulatorisch gelöst werden? Ich bin kein Spezialist bei regulatorischen Fragen. Es handelt sich um ein komplexes Thema im Bereich des Obligationenrechts. Das Thema wurde aber in einem Bericht des Bundesrates 2017 detailliert analysiert («Die Regulierung in der Beherbergungswirtschaft»). Der Bericht kam zu folgendem Schluss: «Die neuen Erscheinungsformen der privaten Raumvermietung stellen

die mietrechtliche Praxis vor neue Herausforderungen. Dabei können aber die meisten Fragestellungen auf dem Wege der Auslegung des geltenden Rechts geklärt werden. Ein Revisionsbedarf besteht lediglich im Zusammenhang mit der Präzisierung, was als Ferienwohnung gilt, und bei den Modalitäten zur Einholung der Zustimmung der Vermieterschaft sowie bei den Verweigerungsgründen.»

«Dass Airbnb in den klassischen Tourismusregionen auch positive volkswirtschaftliche Effekte hat, ist unbestritten.» Macht es sich Airbnb zu einfach, wenn das Unternehmen die Verantwortung bezüglich Anmeldung und Steuern an die Vermieter delegiert? Ich denke ja. Bei Airbnb und Co. handelt es sich um globale Online-Marktplätze, die Anbieter von Beherbergungsobjekten mit Nachfragern zusammenbringen und alle finanziellen Transaktionen abwickeln. Die Plattformen besitzen also sämtliche Angaben für die korrekte Abrechnung von Tourismustaxen und auch für die Kommunikation steuerrelevanter Informationen, geben diese Fakten jedoch nicht an die Behörden weiter. Momentan handelt es sich in vielen Fällen um graue Märkte, wo die Anbieter von Objekten mehr oder weniger anonym ihrem Geschäft nachgehen können, da die Regionen und Städte nicht die Mittel haben, an die Informationen zu kommen. An einigen Destinationen gibt es zwar eine Registrierungspflicht für Wohnungen, die über solche Online-Plattformen vermietet werden. Wie Erfahrungen

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aus diversen Städten und Regionen zeigen, wird die Registrierungspflicht trotz Androhung von hohen Strafen aber kaum beachtet. In Berlin müssen Hosts sich beispielsweise eine Registrierungsnummer beim jeweiligen Bezirk besorgen. Das wurde aber von weniger als zwanzig Prozent der Anbieter tatsächlich gemacht. Was halten Sie von einer Limitierung der Tage, an denen eine Wohnung professionell auf Airbnb vermietet werden kann, wie dies etwa in Genf der Fall ist? Dies ist ein Ansatz, der von vielen Städten weltweit probiert wird, um der Problematik des Entzugs von Wohnraum durch eine professionelle Vermietung zu begegnen. Wie bei der Registrierungspflicht steht und fällt das Ganze aber mit einer effizienten Kontrolle. Airbnb hätte zwar die Möglichkeit, solche Prozesse zu automatisieren, zeigt sich aber wenig interessiert an Einzellösungen mit kleinen Destinationen. Wie stehen Sie zu Verboten von professionell betriebenen AirbnbWohnungen, wie diese in Städten wie Bern oder Barcelona erwogen werden? Es ist immer eine Abwägung von Interessen zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen einer Stadt. Zahlreiche Beispiele haben gezeigt, dass grosse Tourismusströme und der damit einhergehende Boom von Kurzzeitvermietung den Lebensraum der einheimischen Bevölkerung negativ beeinflussen können. Es ist deshalb verständlich, dass solche Städte trotz signifikanter wirtschaftlicher Wertschöpfung des Tourismus auch an drastische Regulierungsmassnahmen denken. Ist die Stadt Luzern mit ihrer Zentrums­ funktion und als internationaler Tourismus-Hotspot besonders gefordert? Ich kenne die spezifische Situation von Luzern nicht im Detail. In Bezug auf Airbnb scheint mir die Stadt aber nicht unbedingt unter einem Boom zu leiden – das Angebot an Airbnb-Betten im Vergleich zu Hotelbetten ist tiefer als in anderen Schweizer Städten. Problematischer fürs Leben in der Stadt sind wahrscheinlich eher die zeitlichen und räumlichen Konzentrationen der Tagestouristen.


COVERSTORY

WIE ES IN LUZERN WIRKLICH IST «Sharing Economy», teilen, weitergeben, tote Räume nutzen – dass ist alles gut und recht: Was aber soll man tun, damit Wohnraum nicht einfach im grauen, ungeregelten Bereich verschwindet? Was tun andere? VON BRUNO AFFENTRANGER

Z

unächst hat der Luzerner Stadtrat gezögert. Sollte er angesichts eines florierenden, technologisch getriebenen Vermietungsmodells einen ultraliberalen Weg gehen und alles weiterhin dem freien Markt überlassen? Oder sollte er eingreifen, lenken, Abgaben verlangen, verbieten, androhen und bestrafen? Er hat sich im August letzten Jahres entschieden, etwas zu tun. Er hat das verlauten lassen. Seither wird im Stadthaus analysiert und gewertet. Die einen Eingriffsvorschläge werden gegen die anderen abgewogen und es zeigt sich vor allem eines: Einfach ist es nicht. Airbnb, HomeAway, booking. com und wie sie alle heissen fordern intellektuell und rechtlich heraus. Sie sind als Vertreter der «Sharing Economy» schlicht eine neue Spezies in einem Habitat, das nicht auf sie vorbereitet ist. Doch das war schon zur Zeit der Erfindung der Eisenbahn oder zum Start des Siegeszugs des Internethandels der Fall. Echte Neuerungen begeistern und überfordern zugleich. Im Moment sind rechtliche Abklärungen im Stadthaus im Gange, und das macht durchaus Sinn. Denn man kann vor allem auch viel Falsches tun und vielleicht unwissentlich negative Folgen auslösen. Doch der Reihe nach.

Airbnb gibt Kurtaxen weiter

Einen ersten Eingriff hat der Kanton Luzern vor Kurzem vollzogen. Er hat mit dem klaren Branchenprimus, mit Airbnb, eine

Einigung über die Kurtaxenabgaben erzielt. Die Ausgangslage war: Die Hotels und Herbergen müssen pro übernachtendem Gast Taxen abgeben – warum sollte dies eine private, aber immerhin genau in diesem Segment tätige Online-Plattform nicht auch tun müssen? Luzern hat heute nach Freiburg, Zug, Basel-Land, Basel-Stadt, Zürich und Schaff­ hausen als siebter Kanton einen Modus Vivendi mit Airbnb gefunden. Das ist mehrfach erstaunlich: Die Höhe und vor allem die Berechnungsart der Kurtaxen variieren von Gemeinde zu Gemeinde stark. Eine Einigung ist nur nach komplizierten Absprachen möglich. Ausserdem ist es nicht üblich, dass ein Unternehmen, das 2008 im Dunstkreis des Silicon Valley seine Welteroberung gestartet hat, Rücksichten auf klein-föderale Unterschiede und Befindlichkeiten nach Schweizer Tradition nimmt. Es ist sogar eine Ausnahme. Doch Airbnb hat genau dies getan und sagt auf Anfrage nicht, weshalb dem so ist. Das Unternehmen mit Hauptsitz in San Francisco geht anderswo denselben Weg. Weltweit hat es mit über 400 Städten und Regionen sowie über eine nationale Kooperation mit 2000 französischen Gemeinden Vereinbarungen zum automatischen Einziehen der Tourismusabgaben geschlossen. Die Summe der globalen Tourismusabgaben ist ein Fingerzeig, weshalb sich

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Airbnb so ins Zeug legt. Es geht um sehr viel Geld. Nach eigenen Angaben hätten die Amerikaner bisher über zwei Milliarden US-Dollar an Tourismusabgaben über Vereinbarungen erhoben. Für 2018 weise die Firma allein in der Schweiz mehr als 640 000 Franken an Tourismusabgaben aus, die sie automatisiert bei der Buchung von den Gästen eingezogen und an die Kantone oder Tourismusorganisationen weitergereicht habe. Airbnb-Sprecherin Kirstin MacLeod moniert an diesem Punkt, dass ihr Unternehmen die bislang einzige digitale Plattform sei, welche die Zusammenarbeit mit den Behörden bei den Kurtaxen gesucht habe. Zu einem fairen Wettbewerb zwischen den digitalen Reiseplattformen würde sicherlich beitragen, wenn andere Plattformen dem Beispiel der Kalifornier folgen und ebenfalls die Tourismusabgaben automatisiert einziehen und ausschütten würden. Wer weiss, dass das Airbnb-Business ein Volumengeschäft ist, in dem es um Anteile in der Höhe von Prozentpunkten oder noch weniger geht und in dem ausserdem die Kundenloyalität überaus stark am Preis hängt, erkennt auch, dass hier die öffentliche Hand nochmals gefordert ist – in einer Stossrichtung, die man zu Beginn der Diskussion eigentlich nicht erwartet hätte. Es kann vor dem Hintergrund einer Rechtsgleichheit nicht sein, dass Airbnb zwar zahlt, alle anderen digitalen Anbieter dies


aber nicht tun und im Endeffekt billigere Preise für Vermietwillige anbieten können. Wie es in Luzern wirklich steht

Und nun also wartet die nächste Aufgabe: Wie bringt man es fertig, die rein kommerziellen Langzeitanbieter aus dem Vertriebskanal Airbnb zu verbannen, damit sie dem Wohnungsmarkt in Zentren nicht ständigen Wohnraum entziehen? Bevor diese Frage angegangen werden kann, muss die Analyse über den Zustand gemacht sein. Hier herrschen diametral auseinandergehende Sichtweisen. Airbnb lässt über Sprecherin Kirstin MacLeod ausrichten, dass die «Mehrheit der Gastgeber auf Airbnb sogenannte Homesharer» seien, «also Privatpersonen, die einzelne Zimmer in ihrem Zuhause oder gelegentlich die ganze Wohnung an Reisende aus aller Welt vermieten, wenn die Gastgeber beispielsweise auf Dienstreise oder im Urlaub sind». Kirstin MacLeod sagt weiter: «Darüber hinaus nutzen auch immer mehr traditionelle Übernachtungsbetriebe, wie zum Beispiel Boutiquehotels, klassische Ferienhäuser und Chalets sowie Bed & Breakfasts die Airbnb-Plattform, um weitere Zielgruppen zu erreichen.» Damit liegt sie richtig. Ein kurzer Buchungsausflug auf die Plattform bestätigt dies. Der Distributionskanal ist attraktiv – auch für traditionelle Anbieter. Die Aussage über die mehrheitlich als «Home-sharer» aktiven Wohnungsmieter oder -besitzer lässt sich hingegen nicht stützen. Im Stadthaus hat sich die Stadtplanung selber der Sache angenommen und eigene Statistiken ausgewertet. Steueramt, Einwohnerdienste und andere haben ihre Daten abgeliefert. Die Analyse zeigt, dass rund achtzig Prozent der in Luzern über Airbnb angebotenen Betten im Jahr 2018 professioneller und temporärer Natur sind (siehe unsere Grafik auf dieser Seite). Dieser Trend ist über die Jahre stark ansteigend. Deshalb darf man heute davon ausgehen, dass aktuell ein höherer Anteil von Angeboten wenig bis nichts mit der einstigen Vorstellung von «Sharing Economy» zu tun hat. Was die anderen tun

Airbnb und Co. sind weltweite Phänomene. Die Kalifornier sind inzwischen der global grösste Marktplatz, auf dem Reisen-

de über sieben Millionen Unterkünfte buchen können. Nach Angaben der Firma haben bis heute weltweit mehr als eine halbe Milliarde Gästeankünfte stattgefunden, die direkt durch Airbnb vermittelt worden sind. Die Plattform ist in über 191 Ländern und Regionen sowie in 62 Sprachen verfügbar.

fremdung von Wohnraum. In New York gibt es ebenfalls eine zeitliche Limite, sie beträgt maximal dreissig Tage pro Jahr. Grosszügiger zeigt sich Paris. Vier Monate jährlich darf eine Wohnung an Reisende vermietet sein. Wer darüber hinausgeht und sich zudem nicht registriert hat, riskiert eine Strafe von aktuell 12 500 Euro. Das Problem bei alledem ist in Berlin zu besichtigen. In der deutschen Kapitale sind ebenso harte Grenzen gezogen, doch es gibt kaum jemanden, der sie beachtet Weil die Grenzüberschreitungen nicht verfolgt und schon gar nicht geahndet werden. Die Dunkelziffer nicht erkannter Verstösse liegt derzeit bei rund achtzig Prozent. Es fehlt schlicht und einfach an Personal und Polizei dafür.

Warum das von Wichtigkeit für Luzern ist?

Weil daraus gefolgert werden kann, dass auch noch ein paar andere Landstriche in der Welt mit denselben Heraus- und Überforderungen zu ringen haben. Wie machen sie es? San Francisco zum Beispiel, die Stadt, die Airbnb als sein Zuhause bezeichnet, ist rigoros. Wer nicht pro Tag und pro Ange-

LOGIERNÄCHTE STADT LUZERN

2015 2016 2017 2018

Total Logiernächte

1 279 825 1 269 774 1 343 229 1 399 288

davon via Airbnb u. ä.

12 100

16 700

29 000

78 900

davon Kleinanbieter

3 200

5 500

9 300

17 000

davon professionelle Anbieter

8 900

11 200

19 700

61 000

Quelle: Stadt Luzern

bot eine gültige Registration in den Listen der Stadt vorweisen kann, wandert ins Gefängnis. Bis zu sechs Monate Freiheitsentzug drohen. In Barcelona wird eine Busse von 30 000 Euro fällig, wenn man keine Registrierung als Wohnungsanbieter für touristische Zwecke nachweisen kann. Dumm nur, dass es seit bald vier Jahren praktisch unmöglich ist, sich neu registrieren zu lassen. Es gibt aber auch andere Modelle, die nicht weniger drakonische Strafen vorsehen, sollte man nicht gehorchen: In München darf jeder seine Wohnung während maximal acht Wochen pro Jahr an Touristen untervermieten und auf Airbnb anbieten. Wer darüber hinausgeht, zahlt bis zu 500 000 Euro Busse wegen Zweckent-

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Berlin ist nicht alleine. Das Problem ist bekannt. Womit man bei der klassischen Frage des Staates angelangt ist, ob sich ein Verbot beziehungsweise seine Durchsetzung lohnt, wenn man den Aufwand dafür in Abzug bringt. Könnte es sein, dass der Aufbau einer Airbnb-Polizei mehr kostet als der Verlust von Steuersubstrat wegen weg- oder gar nie zuziehender Mieter? Und auf welcher rechtlichen Basis will man eine Regelung bauen: auf dem Bau- und Zonenreglement, das damit erneut eine Abänderung brauchen würde? Man beginnt zu verstehen, dass die Stadt Luzern und alle anderen Städte dieser Welt noch eine Weile brauchen werden, bis sie die Antworten finden, welche am wenigsten Schaden anrichten. Die gute Nachricht ist: Man ist am Werk.


THINK FURTHER

ES GIBT NOCH ANDERE WICHTIGE WAHLEN

Die USA wählen Anfang November ihren Präsidenten, und die Welt wird darauf reagieren. Vor allem der neue, aufstrebende Wider­sacher im neuen ­bipolaren, globalen System:

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CHINA


Das alles geht uns sehr viel mehr an, als wir im ersten Moment denken. Immerhin stammt jeder fünfte Gast, der in Luzern übernachtet, aus den USA. Jeder zehnte kommt aus China.

Fast ein Drittel aller übernachtenden Touristen in der Stadt sind in einem der beiden Ländergiganten zu Hause. Ihre Ausgabefreudigkeit ist wichtig und schenkt der hiesigen Wirtschaft gehörig Sauerstoff. Wir sollten die USA genau beobachten. Und China ebenso.

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THINK FURTHER

Deshalb wollen wir wissen:

WER GEWINNT DIE US-WAHLEN? Was geschieht danach mit den beiden Giganten USA und China?

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David Harden ist einer der US-Amerikaner, der sich neutral zwischen Demokraten und Republikanern bewegt. Der ehemalige Chef des US-Pendants zum Schweizer DEZA erklärt uns, welche Rolle die USA für sich reklamieren – und was die Aufgabe der Schweiz sein könnte.

INTERVIEW PETER BUCHER

S

TADTSICHT: Warum ist es für die Welt wichtig, wer im Weissen Haus wohnt? David Harden: Diese Wahl ist sehr wichtig, nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch für die ganze Welt. Wir erleben derzeit mit der Ausbreitung des Coronavirus eine globale Pandemie, die nicht nur die öffentliche Gesundheit, sondern auch Handel, Gewerbe und Sicherheit betreffen wird. Globale Leadership ist beziehungsweise wäre essenziell Aus europäischer Sicht bleibt die amerikanische Führung auch in Bezug auf die NATO, die Krisen im Nahen Osten und die sich verändernden Energiemärkte kritisch. Auch wenn sich die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg verändert hat, bleibt die US-Führung ein wichtiger Bestandteil des gegenwärtigen und zukünftigen globalen Standes der Dinge. Glauben Sie, dass der Einfluss der US-Präsidentschaft, der US-Regierung und der USA als Markt unterschätzt oder überschätzt wird? Das ist eine interessante Frage. Ich denke, es hängt davon ab, wo man sitzt. ... Wir sitzen in der Schweiz ... Die Welt ist heute anders, als sie 1945 war, und sie wird auch in der nächsten Generation anders sein. So gesehen ist der amerikanische Präsident heute vielleicht weniger wichtig als zu Zeiten des Kalten Krieges. Wir befinden uns in einer Zeit der

grossen Machtkonkurrenz, in der aufstrebende Mächte wie China und natürlich Russland weiterhin mit den Vereinigten Staaten um Einfluss wetteifern. China ist heute eine viel dominantere Macht als in den letzten 75 Jahren. Zudem sehen wir viele aufstrebende Mächte, die versuchen, regionalen Einfluss zu gewinnen. Die Türkei ist so ein Beispiel direkt in Ihrem Hinterhof. Der Aufstieg der nationalen Bestre-

«Deshalb hoffe ich, dass in einer neuen Regierung oder in den nächsten 10 bis 20 Jahren das Licht wieder auf die Vision von Amerika scheinen wird. Im Moment macht es das nicht.»

bungen im Nahen Osten mit den Vereinigten Arabischen Emiraten oder mit Saudi-Arabien ist ein anderes Zeichen. Natürlich streben auch Indien, Brasilien, Südafrika und Nigeria alle nach einer grösseren Rolle und nach mehr Einfluss. So verändert sich die Welt ziemlich schnell. Trotzdem ruht die Macht der Vereinigten

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Staaten in erster Linie auf ihren Werten und auf ihrer Vision einer optimistischen, hoffnungsvollen Zukunft, die den Menschen in den USA und im Ausland Chancen gibt, etwas aufzubauen und am Aufgebauten teilzuhaben. Diese Bestrebungen sind im Moment in den USA nicht ganz einfach abzulesen. Deshalb hoffe ich, dass in einer neuen Regierung oder in den nächsten 10 bis 20 Jahren das Licht wieder auf die Vision von Amerika scheinen wird. Im Moment macht es das nicht. Kürzlich hat Präsident Trump Indien besucht: Ist Indien ein Partner der USA in dieser Art von werteorientierter Führungsrolle? Lehnen wir uns doch kurz zurück und versuchen wir das ohne Rücksicht auf die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten zu beurteilen. Wir müssen wissen, dass Indien nach dem Zweiten Weltkrieg eine arme, chaotische Nation war. Bis heute hat sich das deutlich gewandelt. Indien strebt zum Beispiel nach der Raumfahrt oder nach globaler Präsenz auf den Weltmeeren. Indien möchte mehr zu einer wirtschaftlichen Macht zu werden. Die USA haben viele gemeinsame Interessen mit Indien. Wir sehen eine Art Gleichgewicht zwischen den beiden. Es existieren viele Gründe, warum die Vereinigten Staaten eine starke und enge Verbindung mit Indien haben wollen und haben. Erwarten Sie, dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten weiter vertieft wird und


dass die Interessenübereinstimmung auch in Zukunft bestehen bleibt. Aber ich möchte auch nicht überbewerten, wo Indien heute steht. Ich meine, Indien hat einige enorme Herausforderungen. Die Bevölkerung ist sehr vielfältig, und Indien wird seine Wirtschaft, seine Gesellschaft und seine politischen Strukturen so vorantreiben müssen, dass die muslimische Minderheit und die Vielfalt der Bevölkerung einbezogen werden. Das ist nicht einfach. Wie sollten die Beziehungen der USA zu China in der Zukunft aussehen? Der geopolitische Einfluss Chinas, zumindest in Asien, wächst rasant. Die Vereinigten Staaten und China stehen in einer komplexen Beziehung, die zwischen Kooperation und Wettbewerb hin und her schwankt. Auch deshalb suchen wir nach einem realistischen Weg. In einigen Bereichen werden wir zusammenarbeiten. Vielleicht sehen wir das gerade jetzt ein wenig beim Coronavirus oder in der Notwendigkeit, Ruhe auf den Energiemärkten zu schaffen. Wir brauchen globale, vorhersehbare und sicherheitsbasierte Strukturen. Aber natürlich werden wir mit China konkurrieren, zweifellos werden wir immer Handel zusammen betreiben. Die USA werden wirtschaftlichen Einfluss und die Technologie besitzen wollen. Wir werden im nächsten Jahrzehnt sowohl Kooperation als auch Wettbewerb erleben. Sie selbst haben wahrscheinlich mehr Jahre Ihres Erwachsenenlebens ausserhalb als innerhalb der USA verbracht. Sie haben löschen grosse Erfahrung damit, wie die USA in der Welt gesehen werden. Wie hat sich das in den letzten zwanzig Jahren gegenüber dem, was Sie erlebt haben, geändert? Das Bild der Vereinigten Staaten unterliegt im Ausland einer Dynamik. Und je nachdem, wo Sie sitzen, kann das Bild der Vereinigten Staaten im Moment sehr positiv sein. Wenn Sie zum Beispiel in Riad oder Tel Aviv oder Abu Dhabi sind, werden Sie sehr glücklich sein und zuversichtlich über die Trump-Administration und die Führung der Vereinigten Staaten und der Welt denken. Auf der anderen Seite gab und gibt

«Vielleicht sehen wir das gerade jetzt ein wenig beim Coronavirus oder in der Notwendigkeit, Ruhe auf den Energiemärkten zu schaffen.»

es in Bern, in Berlin und Paris wohl eine viel tiefere Skepsis gegenüber dem Weg der Vereinigten Staaten. Ein Teil davon bezieht sich auf die Interessen und die Vision für die Zukunft. Sie erwähnen zum zweiten Mal bereits die Vision der USA für die Zukunft. Wie soll diese aussehen? Meine persönliche Hoffnung ist, dass die Vereinigten Staaten eine optimistische, mutige Nation sein können, die versucht, etwas zu den kompliziertesten Herausforderungen, wie zum Beispiel dem Kampf gegen den Klimawandel, der Friedenssicherung und Sicherheit beizutragen. Wir sind längst jenseits des Zustands, in dem die Vereinigten Staaten die Polizisten der Welt verkörperten. Das war einmal. In den Vereinigten Staaten existiert eine gewisse Erschöpfung. Dieses Thema ist erledigt. Aber ich hoffe, dass wir in den USA immer noch eine im grossen Massstab denkende, global visionäre Führung anstreben. Die aktuelle Coronakrise, die ökologischen und weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Herausforderungen der globalen Erwärmung. Welche Rolle spielen die Vereinigten Staaten in der Beantwortung dieser Fragen? Eine Sache, die ich über die Wahl 2016 und den Aufstieg von Präsident Trump gelernt habe, ist, dass innenpolitische Erwägungen und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern wirklich eine Rolle spielen. Es ist entscheidend, wenn, so wie wir es jetzt erleben, grobe Ungleichheit in den Vereinigten Staaten herrscht. Wir erkennen in den USA Menschen, die zurückgelassen wurden. Wir sind mit Menschen konfrontiert, die sich vom politischen Prozess ausgeschlossen fühlen und die wieder herangeholt werden müssen. Deshalb wird es zur Bewältigung der grossen globalen Herausforderungen der Zukunft zunächst

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notwendig sein, die innenpolitischen Überlegungen richtig anzustellen. Wie würden diese richtig aussehen? Nehmen wir zum Beispiel den Klimawandel. Wir können ihn als ein Nullsummenspiel ansehen, bei dem eine Art von marginaler oder geschädigter Bevölkerung alle Kosten eines grünen New Deals und einer Art von Umstrukturierung tragen muss, in

USSPEZIALIST FÜR DIE WELT David Harden ist Geschäftsführer der Georgetown Strategy Group, einer Firma der nächsten Generation in Washington, D.C., die Talent, Technologie und Kapital einsetzt, um einige der komplexesten Probleme der Welt zu lösen. Dave war mehrere Jahrzehnte im Foreign Service für die USA tätig, vor allem in Afrika sowie im Mittleren und Nahen Osten. Zuletzt leitete er für die Obama-Administration das Büro für Demokratie, Konflikt und humanitäre Hilfe von USAid, der Agentur für internationale Entwicklung. Ausgestattet mit einem jährlichen Budget von 4,8 Milliarden US-Dollar und fast 1200 Mitarbeitenden, koordinierte er die USAid-Massnahmen zur Stabilisierung und globalen Krisenbewältigung. Der verheiratete Vater dreier erwachsener Kinder war persönlich beteiligt an Einsätzen in Haiti, Libyen, Somalia, Syrien, im Irak, Südsudan, Westjordanland, Gazastreifen und Jemen.


THINK FURTHER

der sie die Verliererin ist. Das wäre nicht die richtige Art und Weise, den Klimawandel zu bekämpfen. Der Weg, den Klimawandel aus unserer Sicht richtig zu bekämpfen, besteht darin, grosse Führungspersönlichkeiten zu sein, die mit ihrer Technologie, ihrer Finanzkraft, ihrer Innovation oder ihrem Einfallsreichtum die Richtung der Zukunft mitgestalten können. Was genau ist zu tun? Wir müssen Arbeitsplätze und wirtschaftliche Chancen für Amerika insgesamt schaffen. Es ist durchaus möglich, sich eine andere technologische Welt vorzustellen, in der die Solartechnik, die erneuerbaren Energien eine dominierende Kraft sind, in der sich die verschiedenen landwirtschaftlichen Praktiken und die unterschiedlichen Energieverbrauchskonzepte dramatisch entwickeln. Ein grosser Teil der Innovationstechnologie wird aus den Vereinigten Staaten stammen. Aber wir kommen nicht im Ansatz dorthin, wenn wir diese Vision nicht wirklich verfolgen. Sie engagieren sich persönlich als Unterstützer von Joe Biden bei der USWahl. Warum tun Sie das? Aus meiner persönlichen Perspektive ist es das Wichtigste, dass wir gegen Donald Trump kämpfen. Ich bin unabhängig. Ich bin kein Republikaner und kein Demokrat. Ich war 22 Jahre lang im Aussendienst tätig. Ich habe überall auf der Welt auf unparteiischer Basis gearbeitet, habe geholfen, Amerika zu vertreten und einige der kompliziertesten Probleme zu lösen, ob es nun Israel, Palästina oder Irak, im Südsudan, in Syrien oder im Jemen war. Ich habe oft selbstständig aber immer als US-Amerikaner gearbeitet. Als solcher habe ich heute das Gefühl, dass Donald Trump die amerikanische Vision und die amerikanischen Grundwerte herabgesetzt hat. Donald Trump hat die Nation befleckt? Er hat die amerikanischen Institutionen in einer Weise degradiert, die höchst gefährlich ist, nicht nur für die Vereinigten Staaten. Deshalb bin ich vor etwa zwei Jahren aus der Regierung ausgeschieden und habe mich verpflichtet, alles zu tun, um im Jahr

2020 einen neuen Präsidenten zu ermöglichen. Joe Biden ist derjenige, der meiner Meinung nach am ehesten die Vorwahlen gewinnen wird. Er kann Donald Trump effektiv herausfordern, eine Kampagne in fünfzig Bundesstaaten führen und das Interesse einer Vielzahl von Wählern wecken. Ob weisse Arbeiterklasse oder Afroamerikaner im Süden oder jüngere oder ältere Menschen, ob Elite, städtische oder ländliche Gebiete. Ich denke, er kann effektiv in der ganzen Nation flächendeckend Unterstützung gewinnen. Wer wird gewinnen? Es wird eng werden. Und ich glaube, das Einzige, was ich aus dem Jahr 2016 gelernt habe, ist, dass man den Ausgang von Wahlen nicht vorhersagen sollte. Bis vor Kurzem war die US-Wirtschaft sehr stark. Die Arbeitslosenquote war sehr niedrig. Donald Trump hat eine sehr, sehr starke Basis an Unterstützung, sicherlich im Bereich von 40 bis 45 Prozent. Es gibt viele Bundesstaaten die ihn und unser Wahlkollegiensystem stark unterstützen. Er muss als der leichte Favorit angesehen werden. Aber das Coronavirus und die daraus resultierenden wirtschaftlichen He-rausforderungen untergraben die Wahrnehmung seiner Führung. Wir haben nicht viel über Europa oder die Schweiz gesprochen. Sehen Sie in diesem Bereich der Welt etwas, das für die Diskussionen, die wir gerade geführt haben, von Bedeutung ist? Was ist unsere Rolle? Donald Trump hat unsere engsten Verbündeten wirklich missachtet. Er hegt Verachtung und zeigt Respektlosigkeit gegenüber den Menschen, die uns am nächsten stehen, und die Werte in der Zivilgesell-

«Es wird eng werden. Und ich glaube, das Einzige, was ich aus dem Jahr 2016 gelernt habe, ist, dass man den Ausgang von Wahlen nicht vorhersagen sollte.»

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schaft vertreten. Die eine Vision für die Zukunft haben. Ich rede natürlich von ­Europa. Wir müssen mit Europa wieder Seite an Seite engagiert sein. Ich sehe keinen Grund, es nicht zu tun. Unsere Werte und unsere Interessen sind so aufeinander abgestimmt, dass wir in bester Beziehung sein sollten. Die USA sollten eine Beziehung zu Europa pflegen, anstatt sich unter der Trump-Administration von Europa zu distanzieren. Er geht genau in die falsche Richtung. Warum das? Europa war jahrzehntelang unser Partner und wird auch unser Partner für weitere Jahrzehnte sein. Es ist notwendig, Freunde und Verbündete mit einem Mass an Respekt zu behandeln, das im Moment überall fehlt. Das ist für mich entscheidend. Und die Schweiz? Die Schweiz hat immer eine einzigartige Rolle innerhalb Europas gespielt. Offensichtlich neutral und nicht Mitglied der EU. Die Schweiz ist eines der kleineren Länder, aber gleichzeitig war und ist die Schweiz auch eine Art intellektueller Führer. Ein Land, das ein viel grösseres Gewicht hat, als ihm seine Grösse zugestehen würde. Die Schweiz kann mit intellektueller Führung und Einigem an kritischem Denken, mit Investitionen und Innovationen, die für die Welt sowohl in Bezug auf den Klimawandel als auch auf die Klimapraktiken wichtig sind, einen Beitrag leisten. Schätzen Sie die Schweiz nicht ein wenig zu hoch ein? Nein. Die guten Dienste der Schweiz oder Genf als einer der wichtigsten UNO-Sitze gelten als bemerkenswert. Auch in meinem eigenen Erfahrungsgebiet der Krisenintervention traten die Schweizer Regierungsagenturen und Hilfsorganisationen oft viel präsenter, mächtiger und dominierender auf als viele andere der weltweit mehr als 190 aktiven Länder. Sie leisten innovative und unternehmerische Vermittlung. In den Krisengebieten sieht man typischerweise nur eine Handvoll Nationen vor Ort. Die Schweizer gehören dazu.


KULTURTIPPS

MACHEN WIR DOCH MAL THEATER Das Luzerner Theater trotzt dem Winterschlaf.

TIPP 1

TIPP 2

TIPP 3

THEATERKRIMI TATORT FRANKENSTEIN

TANZ ICH BIN WAS ICH BIN WAS ICH BIN

TANGO-OPER BIENVENIDO, MARÍA DE BUENOS AIRES

Der argentinische Film- und Theaterregisseur Gerardo Naumann lässt uns einen Fall lösen. Einen Krimi. In der Viscosistadt geht es zum dritten Mal für das Luzerner Theater zu Werke – diesmal mit ­einem Theaterparcours, der alle einbezieht. In einer Emmenbrücker Kochschule wurde eine junge Frau ermordet. Stammt die Täterschaft aus dem ­lokalen Drogenmilieu? Oder aus dem Theaterensemble selber? Der Roman «Frankenstein» von ­Mary Shelley hilft dem Kommissar auf die Sprünge. Hier, in der Viscosistadt, verschmelzen «Tatort»-Krimi und erfundene, lokale Geschichten, Schauspiel und Filmset zu einem einzigen Suspence-­Thriller mit ­einem ungewissen, aber wahrlich verblüffenden Ausgang. Doch es sei nichts und niemand verraten.

Ach, Buenos Aires! Wie lange ist es her, als ich dich tanzen sah auf dem kleinen Platz, mitten in diesem abgelegenen Quartier. Rotes Kleid, ein getanzter, offener Kampf, in dem der Mann nur scheinbar der Führende war, und du doch wie immer alles in ­Händen und unter Kontrolle hattest. María ist wieder da. Diesmal in Luzern, auf der Theaterbühne. Zur Musik des unvergessenen Tango-Erneuerers Astor Piazzolla fegt sie durch das Leben, gezeugt an einem Tag, an dem Gott betrunken war, und schliesslich verbannt in die Unterwelt, nur um wiederzukommen. Die im Tessin lebende Argentinierin Cristina Castrillo bringt das Strassentheater ihrer Heimat direkt zu uns – und landet damit mitten im

Man sollte Krimis nie von hinten her lesen.

Willkommen zum grossen Tanz der Identitäten. Wer bin ich, wenn ich bin? Und falls ja, wie viele genau? Bin ich wirklich, wer ich bin? Schwierige Fragen. Drei Choreografinnen versuchen mit drei unterschiedlichen Uraufführungen Antworten zu liefern. Die Britin Caroline Finn zum Beispiel stellt die Identität einer Person in Bezug zu gesellschaftlichen Rahmen. Sie zeigt, wie sich die Identität verändert, wenn sich das Darumherum verschiebt. Ella Rothschild aus Israel spielt mit absurden Situationen um eine gedeckte Tafel. Jasmine Morand aus der Schweiz schliesslich deutet Identität als die Hülle zwischen dem Innen und den Aussen. Der Abend ist einer, der den weiblichen Blick erschliesst, und sich selber ins Grübeln bringt: Bin ich so, oder doch ganz anders?

Spieldaten: 26.03. (Premiere)

Spieldaten: 25.03. (Premiere)

22., 23., 26., 28., 29. 30., 31. Mai / 4., 5., 6., 10., 11., 12., 13., 17., 18.,

2., 4., 6., 7., 8., 18., 26. Apr. / 2., 6., 8., 17., 24. Mai / 7., 16., 17. Jun.

30. Apr. / 2., 3., 5., 8., 10. 15., 16., 17. Mai

19., 20. Jun.

Herzen. Spieldaten: 20.05. (Premiere)

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Eugen Onegin

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Lyrische Szenen in drei Aufzügen von Pjotr I. Tschaikowsky Musikalische Leitung: Alexander Sinan Binder Inszenierung: Bettina Oberli 21 Mär – 03 Jun Bühne ←

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THINK TANK

DA TANZEN DIE GÜGGEL TEXT ANGEL GONZALO

Wenn das kein Grund zur Start-up-Euphorie ist? Das Unternehmen Planted Foods AG der Luzerner Co-Gründer Christoph Jenny und Pascal Bieri fliegt voll im Jetstream der Zeit. Es bietet ein Poulet-Imitat aus Erbsenprotein, das erstaunlich nahe ans tierische Produkt kommt.

Die Gründer des veganen «Poulets» (von links): Pascal Bieri (34), Eric Stirnemann (30), Christoph Jenny (34) und Lukas Böni (30).

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THINK TANK

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rat ich heute vor die Türe, sapperlot, was sah ich da. Tanzte doch die Gans Agathe mit dem Truthahn Cha-Cha-Cha.» Das flotte Kinderlied romantisiert das Geschehen auf dem Bauernhof, wenn auch – und das wussten wir Kinder, als wir dieses Lied aus voller Kehle sangen – besungenes Geflügel nicht weniger oft auf dem Teller landet. Das Unternehmen Planted Foods schenkt diesen gefiederten Wesen mehr Grund zu ausgelassener Freude – weil es ihnen nicht an den Kragen geht. Oder, wie die Firma auf ihrer Homepage frisch und fröhlich ankündigt: «Poulet aus Pflanzen, die Güggel tanzen». Überzeugte Investoren

Pascal Bieri ist in Sursee aufgewachsen. In diesem schmucken Städtchen wird zwar jedes Jahr im November am Martinstag traditionellerweise einer Gans der Kopf abgehauen, doch dies steht nicht in direktem Zusammenhang mit der jetzigen Beschäftigung des 34-jährigen HSG-Absolventen. Indirekt möglicherweise schon, zumal Pascal Bieri und sein Luzerner Mitstreiter Christoph Jenny zusammen mit Lukas Böni und Eric Stirnemann mit ihrem Unternehmen Planted Foods, einem ETHSpin-off, die Konsumenten zum Denken anregen wollen: «Pflanzliche Proteine können wir Menschen selber essen, wir brauchen den Umweg über das Tier nicht.» Das sei nicht nur ökologisch durchaus sinnvoll, weil effizienter und mit einer bei Weitem besseren CO2-Bilanz, sondern auch gesünder, weil ohne Antibiotika. Ist die direkte Proteinzufuhr aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht angezeigt? So scheints allerdings, zumindest aus Sicht derart namhafter Investoren der ersten Stunde wie beispielsweise Stephan Schmidheinys, der Liechtensteiner Familie Zeller, des Vegi-Papstes Rolf Hiltl oder des Ex-Denner-Besitzers Philippe Gaydoul. Auf diese Weise sind in wenigen Monaten seit der Gründung im Juni 2019 für Schweizer Verhältnisse respektable sieben Millionen Franken zusammengekommen.

Der Markt ist vielversprechend

Vegetarier und Veganerinnen, Gegner der industriellen Massentierhaltung und Klimaschützerinnen haben es offenbar geschafft, dass findige Köpfe pflanzenbasierte Produkte als valablen Fleischersatz entwickeln. Für Pascal Bieri ist die oft gehörte Bezeichnung «Fleischersatz» nicht stimmig. «Was ist Fleisch?», fragt er rhetorisch. Im Grunde seien es Fasern mit Geschmack, die Proteine liefern. Diese müssten nicht zwingend vom Tier kommen. Auf die Frage, wieso Planted Foods sein Produkt herkömmlichem Pouletfleisch täuschend echt nachahme, hält er dagegen: «Fleisch ist in unserer Kultur fest verankert. Unser Produkt lehnt sich daran an.» Wenn es nach den Gründern des Unternehmens ginge, würde es dereinst in den

«Eine Prognose im neuesten Industry Report der britischen Grossbank Barclays beziffert das Geschäft mit Pflanzenfleisch in zehn Jahren auf 140 Milliarden Dollar.»

Läden keine Fleischtresen mehr geben, sondern «Proteintheken». «Zukunftsfleisch» nistet sich zunehmend als fester Begriff in unseren Essgewohnheiten ein. Einmal mehr hat das Silicon Valley mit dem Unternehmen Impossible Foods an vorderster Front gewirkt. Die kalifornische Firma hat mittels Gentechnik ein künstliches Hämoglobin erfunden, das seine «impossible Burgers» zum Bluten bringt. Andere verwenden zu diesem Zweck etwa Randensaftextrakt. Das Unternehmen «Beyond Meat», ebenfalls aus Kalifornien, ahmt das Fett im Bur-

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ger mit Kakaobutter, Kokosnuss-, Rapsund Sonnenblumenöl nach. Es geht um Optik, das Auge isst bekanntlich mit, aber auch um Haptik, also um die Konsistenz beim herzhaften Reinbeissen. Und sicher auch um den Geschmack. Proteine sind aber die wichtigste Zutat, wenn es darum geht, Fleisch ernährungsphysiologisch zu imitieren. Diese stammen aus pflanzlichen Quellen wie etwa Fava- und Mungobohnen, Getreide, Reis und Erbsen. Schliesslich müssen solche Nahrungsmittel nicht nur schmecken und das geplagte Gewissen beruhigen, sondern auch gesund satt machen. Tüfteln und forschen

Pascal Bieri hat mit seinem alten Freund aus Surseer Kantizeiten, Christoph Jenny, und den beiden ETH-Lebensmittelingenieure Lukas Böni und Eric Stirnemann das Unternehmen gegründet. Zuvor hat er für die Migros in der Lebensmittelproduktion in Estavayer-le-Lac und in Bischofszell gearbeitet, ehe er für drei Jahre in die USA ging und dort ebenfalls für die Migros in der Schokoladenproduktion tätig war. Die Inspiration hat sich der Surseer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten geholt, nicht zuletzt aufgrund der dortigen Entwicklung auf dem Vegan-Fleischmarkt mit den innovativen Unternehmen Beyond Meat und Impossible Foods. Eine Prognose im neuesten Industry Report der britischen Grossbank Barclays beziffert das Geschäft mit Pflanzenfleisch in zehn Jahren auf 140 Milliarden Dollar. Das wären zehn Prozent des globalen tierischen Fleischmarkts. Kaum zurück in der Schweiz, fertigt Bieri mit seinem Cousin Lukas Böni einen rudimentären Businessplan auf zwei Seiten an. Der deutsche Lebensmittelingenieur und ETH-Professor Erich Windhab, der bereits in den Neunzigerjahren mit Extrusionstechnologie experimentiert hatte, findet auf Anhieb Interesse. Danach geht es schnell. Die ETH unterstützt das Spin-off mit einem Startkapital von 150 000 Franken aus dem ETH Pioneer Fellowship und stellt ihr Lebensmittellabor und ihre Geräte am Institut für


Der Surseer Pascal Bieri hat sich die Inspiration im Land der unbegrenzten Mรถglichkeiten geholt. Die Entwicklung auf dem US-amerikanischen Vegan-Fleischmarkt spornt ihn an.

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THINK TANK

Nahrungsmittel, Ernährung und Gesundheit zur Verfügung. Dort steht schon ein Extruder bereit. Mit dieser Maschine produziert das Unternehmen mit den vier Zutaten Gelberbsenprotein, Erbsenfasern, Rapsöl und Wasser eine Masse, aus der «Pouletstücke» gewonnen werden. Für Christoph Jenny ist schnell klar, dass sie ein Poulet-Imitat herstellen wollen: «Bei uns gilt weisses Fleisch als gesund. Der Schweizer Markt verlangt nach Poulet.» Wie bei der Herstellung eines guten Espressos ist es das gekonnte Zusammenspiel von Druck und Temperatur, das zum gewünschten Resultat führt. Das Team von Planted Foods tüftelt lange daran, bis die für das Pouletfleisch typische Faserung und Konsistenz erreicht werden. Dabei verzichten die Gründer bewusst auf die üblichen Konservierungsmittel und Zusatzstoffe die in der Lebensmittelindustrie oft eingesetzt werden. Das Resultat ist verblüffend, die Konsistenz überzeugend. Der Geschmack erinnert zwar leicht an Erbsen, doch dieser kann mit einer Marinade überdeckt werden. Die Feedbacks der ersten Gastrokunden haben die Entwicklung entscheidend mitgeprägt. So war beispielsweise die Kombination des Pouletimitats mit Tomatensauce nicht optimal. Dadurch wurde der Geschmack nach Erbsen über Gebühr intensiviert, so der Mitgründer Lukas Böni. Keine Erbsenzähler

Ende 2019 erreicht das junge Unternehmen eine Tagesproduktion von 200 Kilogramm. Heute sind es an guten Tagen, wenn die Produktion auf vollen Touren läuft, bis zu 600 Kilogramm. Damit werden bereits über 100 Restaurantbetriebe und 200 Coop-Filialen beliefert. Auch der Gastro-Grossverteiler Pistor ist als Distributionspartner eingestiegen, ebenso der Kantinenbetreiber SV-Group. Bereits hat das Unternehmen seine Fühler ins nahe Ausland ausgestreckt. Etwa an an der Messe Intergastra in Stuttgart, wo sehr gute Kontakte zu deutschen Gastronomen ge-

knüpft worden sind. Auch ein Pop-up in Berlin ist ein Thema, um direkte Erfahrungen an der Gastrofront zu sammeln. Dazu wird eine GmbH in unserem nördlichen Nachbarland gegründet. Auch wenn das Unternehmen an der Schmelzbergstrasse in Zürich derzeit ausschliesslich Schweizer Kunden beliefert: Es platzt aus allen Nähten. Aber nicht mehr lange. Bis Ende Mai wird in Kemptthal, dort, wo einst Nestlé für seine Kultmarke «Maggi» Bouillons und Fertigsuppen produzierte, eine eigene Fabrik mit einem Investitionsvolumen von rund vier Millionen Franken eingerichtet. Das legendäre Maggi-Areal wird seit 2018 von einer Schweizer Entwicklungsfirma auf Vordermann gebracht und unter dem Label «The

«Wie bei der Herstellung eines guten Espressos ist es das gekonnte Zusammenspiel von Druck und Temperatur, das zum gewünschten Resultat führt. »

Valley» vermarktet. Ein grosser Teil der Produktions- und Lagergebäude des Maggi-Areals ist Kulturgut von nationaler Bedeutung. Hier wird Planted Foods als Ankermieter auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern die Produktion aufnehmen und eine Kapazität von drei bis vier Tonnen pro Tag erreichen. Ein möglicher Ausbau ist bereits eingeplant. Schon bald werden dreissig Personen in der Produktion und weitere zwanzig in Administration, Marketing und Forschung beschäftigt. Die vier Unternehmer wollen das Gelände öffentlich zugänglich machen. Die Fabrik als spannender Begeg-

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nungsort sozusagen. Ein Teil der Forschung wird auch aus praktischen Gründen sicherlich an der ETH beibehalten. In der Pipeline stehen Entwicklungen an wie Pulled Pork aus pflanzlichen Proteinen. Auch hier gilt es, den richtigen Druck, die richtige Temperatur und das richtige Produktionsverfahren bis zur Marktreife auszutüfteln. Christoph Jenny ist aufgrund der bislang gemachten Erfahrungen davon überzeugt, dass die Rechnung aufgehen wird: «Die traditionelle Lebensmittelindustrie ist im Grunde träge, auch bezüglich der Preisbildung. Wir stossen in der Lebensmittelforschung aber in neue, spannende Felder vor.» Planted Foods denkt aber noch weiter. Als Industriepartner des Bundesamts für Landwirtschaft möchte das Unternehmen bei der Promotion von Primärprotein in der Schweiz an vorderster Front mitwirken. Gelbe Erbsen, das Hauptmaterial für das Poulet-Imitat, werden in der Schweiz momentan nicht in genügenden Mengen angebaut. In Deutschland aber schon. Für die Gründer von Planted Foods gibt es keinen triftigen Grund, wieso dieser wertvolle Proteinlieferant nicht auch in unseren Breitengraden gedeihen sollte. Noch importiert man das Erbsenprotein aus Europa. Vermutlich nicht mehr lange.


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FUTURE TALK

SMART CITY? LUZERN IST DEFINITIV ZU KLEIN INTERVIEW BRUNO AFFENTRANGER

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TADTSICHT: Smart City als Ausdruck scheint ein Heilsversprechen zu sein. Er klingt modern, er klingt gut. Was ist wirklich damit gemeint? Peter Delfosse: Der Begriff ist vor allem sehr schwer einzuordnen. Damit ist eigentlich eine datengesteuerte Stadt gemeint. Was bedeutet das? In einer datengesteuerten Stadt kann man die Ressourcen effizienter nutzen und Innovationen fördern. Öffentliche Dienstleistungen werden dank den Daten einfacher zugänglich gemacht. So weit die Theorie. In der Praxis wollen die Städte durch den Einsatz neuer Technologien sich selber attraktiver machen. Ist man digitalisiert, wenn man bisherige Dienstleitungen nun nicht mehr auf Papier, sondern als PDF anbietet? Ist das bereits smart, um beim Begriff zu bleiben? Sie spotten, aber Sie haben recht. In der Rea­­lität haben Städte und damit Verwaltungen allgemein ihre liebe Mühe mit der Digitalisierung. Verwaltungen hinken rund 15 bis 20 Jahre der Dienstleistungsbranche hinterher, wenn man sie am Stand der Digitalisierung misst. Übertreiben Sie jetzt? Nein. Der Zustand der Verwaltung ist so, wie wenn Sie heute bei der Kontoeröffnung in der Bank erfahren würden, dass ein E-Banking noch nicht angeboten wird. Zusätzlich können Sie die Einzahlungen nur an einem anderen Schalter in Auftrag geben, übrigens in einer anderen Filiale.

Und wenn ich einen Kontoauszug möchte? Den würde diese imaginäre Vergleichsbank gerne für Sie ausdrucken, und Sie könnten den Ausdruck danach in einer Filiale abholen kommen. In diesem Zustand ist die Verwaltung. Warum hat die Verwaltung einen derartigen Modernisierungsrückstand? Der Grund ist einfach: Unser Staat ist immer noch so organisiert, wie er es bereits im 19. Jahrhundert war. Die Digitalisierung ermöglicht und setzt sogar voraus dass ein Kulturwandel in der Organisation stattfindet. Die Fragen in den Digitalisierungsprozessen sind diese: Haben wir die richtige Grösse? Verfügen wir über die richtigen Kooperationen? Sind wir in der Lage, die notwendigen, manchmal schmerzhaften strukturellen Veränderungen vorzunehmen? Smart City kommt erst danach in einem zweiten Schritt. Daran denken kann man erst, wenn man digitalisiert ist, Zugang zu den richtigen Daten hat und die Automatismen und die Organisation vorbereitet hat, die Smart City erst ermöglichen. Staat, Kantone und Gemeinden sind weit davon entfernt. Luzern ist weit davon entfernt. Was verstehen Sie unter Digitalisierung? Man hat sämtliche Daten, Informationen und Prozesse digital abgebildet. Man kann auf ihnen aufbauen. Dies innerhalb eines Perimeters, der sinnvoll gross ist. Ein Beispiel? Man muss eine gewisse geografische Grösse haben, damit es Sinn macht, die Mobilität

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smart zu organisieren. Es muss eine Einheit bestimmt sein, die in ihrem Ausmass Sinn ergibt, damit das Gesundheitswesen oder die Bildung neu organisiert werden können. Die Stadt Luzern hat ihre Vorstellungen einer Smart City dargelegt. Ist die Stadt für sich genug gross? Wo liegt die sinnvolle Mindestgrösse? Man muss den Lebensraum der Menschen definieren. Bevor man auf Ihre Frage antworten kann, muss man das natürliche Habitat einer bestimmten Menschengruppe kennen, von einer Community also. Nehmen Sie das Beispiel der Stadt Wien, die eine Smart City sein will: Sie hat 2,3 Millionen Einwohner und zählt 23 Bezirke. Die Stadt Luzern würde ungefähr einem Bezirk Wiens entsprechen. Luzern entspricht ungefähr dem kleinsten Stadtteil Barcelonas, der zehn Stadtteile zählt. In Wien oder in Barcelona käme kein Mensch auf die Idee, für diesen einen, kleinen Stadtteil ein Smart-City-Konzept realisieren zu wollen. Wie sähe die Adaption für die Schweiz aus? Man müsste Lebensräume im Mittelland zusammenlegen. Zwei oder drei Smart Citys hätten hier Platz. Über die ganze ­ Schweiz wären es am Ende vier oder fünf Smart Citys. Man muss extrem gross und weit denken, weil die Mobilität einer der wichtigsten Faktoren ist. Luzern ohne Zürich als Smart City ist ein Unsinn? Wahrscheinlich ist das so. Man müsste zumindest prüfen, was eine sinnvolle Zu-


sammensetzung wäre. Es geht ja vor allem darum, mit erfolgreichen Kooperationen auch relevante Budgets zusammenzubringen. Am Ende müssen den Bürgerinnen und Bürgern Angebote offeriert werden, die Sinn machen. Der Perimeter Luzern alleine ist definitiv zu klein. Sie finden das mit einer einfachen Testfrage raus. Machen wir den Test, fragen Sie! Wo liegen Lösungen für Mobilitätsfragen? Nur innerhalb Luzerns oder auch ausserhalb? Auch ausserhalb. Damit ist Ihre Frage nach der Grösse Luzerns beantwortet. Wie viel kostet eine Smart City? Ich nehme den Umweg über die Digitalisierung von Government, das Regieren also. Hier versucht man seit einiger Zeit verschiedenes unter dem Oberthema EGovernment. Seit zwanzig Jahren wird geplant. Hunderte von Millionen Franken sind verbaut. Der Effekt besteht darin, dass praktisch kein Bürgernutzen entstanden ist. Hauptfaktor für das Scheitern ist die Kleinteiligkeit der gewählten Gebiete. Das Geld hat weniger eine Rolle gespielt. Deshalb ist die wichtigere Frage: Wie organisieren wir uns in diesen Themen? Wer macht mit? Wie müsste man sich organisieren? Im E-Government kommt der Bund mit sehr viel Mitteleinsatz derzeit gut voran. Die Kantone und die Gemeinden für sich alleine aber sind völlig überfordert. Das ist ein Fingerzeig. Zurück zur Smart City: Es dient nicht, dass Städte oder Gemeinden für eine halbe, eine ganze Million oder fünf Millionen Budgets freigeben. Sie müssen sich zusammentun und einen grossen Topf schaffen. Einmal statt zwanzig Mal das ­eine, wichtige Projekt finanzieren, dafür richtig. Jede Stadt hat andere Prioritäten. Aber die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger differieren nicht gross von Stadt zu

kein Geld ausgeben, wenn man die wichtigen Themen zum Beispiel nicht in einem grösseren Einzugsgebiet behandeln kann. Wenn dieses Gebiet den politischen Grenzen gehorchen muss, macht Aktivismus keinen Sinn. Man kann auch warten und schauen, was geschieht.

DER SCHNELLDENKER Peter Delfosse (1966) ist seit 2008 CEO der Axon Active Gruppe mit weltweit über 850 Mitarbeitern in sieben Unternehmen. Die Axon hat ihren Sitz in Luzern. Peter Delfosse ist spezialisiert auf strategische und operative Führung von Unternehmen mit Fokus in der digitalen Transformation. Big Data, digitale Ökosysteme und Prozessmanagement sind seine Kerngebiete. Mehr unter: axonactive.ch

Stadt. Stadtverwaltungen neigen – genauso übrigens wie Firmen – nun mal dazu, sich als einzigartig zu sehen und treiben deshalb oft genug unkritische Projekte voran. Damit kehrt man alle Tendenzen der letzten Jahrzehnte um: Es wäre ein Abschied vom Subsidiaritätsprinzip, das die Aufgabendelegierung an und die Wahrnehmung durch die passende Führungsebene vorsieht. Hier ist der Kanton zuständig, dort die Gemeinde. In dieser Frage wäre es der Bund, ein zentrales Steuerungsgremium, was dem Schweizer Föderalismus extrem widerspricht. Man muss es nicht tun. Aber auch Subsidiarität und Föderalismus entwickeln sich parallel zu den Erwartungshaltungen der Bevölkerung weiter. Man sollte einfach

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Was geschieht? Mit höchster Wahrscheinlichkeit übernehmen irgendwann Private die Organisation einer Stadt. Das findet teilweise bereits statt. Wo ist das der Fall? Die besten Staumeldungen in der Schweiz kommen heute schon von Google. Und in Toronto hat ein Tochterunternehmen von Google den Zuschlag erhalten, die Stadt zu organisieren. Man stellt nun mit Schrecken fest, dass der private Anbieter als erstes die Daten der Bürger haben will. Man braucht diese Daten, um smart zu werden. Den politischen Verantwortlichen dämmert nun, dass es vielleicht keine gute Idee ist, die privaten Daten von Bürgern einer GoogleTochter zu überantworten. In der Schweiz wären die Mittel und die Fähigkeiten vorhanden, selber Herr der Daten zu bleiben. Es braucht dazu aber den Willen der Politik, dies auch zu organisieren. Wien ist eines der Vorzeigeobjekte für eine Smart City in Europa. Auch in Wien sind nicht alle einer Meinung. Auch dort wird politisch gerungen. Dennoch ist ein durch EU-Gelder alimentiertes, umfassendes Projekt entstanden. Wie hat Wien das geschafft? Die Smart City Wien verstehe ich heute noch als ein Konzept, in dem beschrieben ist, wie man was in Zukunft machen könnte. Es ist noch sehr wenig oder praktisch nichts umgesetzt. Aus meiner Warte gesehen, handelt es sich hier um ein klassisches Stadtentwicklungsmarketing. Blendet Kopenhagen ebenfalls? Dänemark ist in der Digitalisierung viel weiter vorangeschritten. Hier existiert ein Fundament, das das zentrale Angebot von


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LOGISTIK ERLEBEN! im Verkehrshaus der Schweiz


Diensten übers ganze Land ermöglicht. Der Staat hat Daten zur Verfügung und kann seine Bürger in Smart-City-Konzepte einbinden, unabhängig von privaten Anbietern. Diese Vorstellung ist für die Schweiz Science-Fiction. In der Schweiz wird es diese Entwicklung vielleicht nie geben, aber in anderen Ländern schon. Ein Effekt wäre dann: In der Schweiz existieren keine Smart Citys Wir geben uns mit Plakatsäulen im öffentlichen Raum zufrieden, die digital ihre Plakate wechseln können. Macht das den Reiz des chinesischen Systems für kleinräumige Demokratien aus: Durchgriffsrechte auf alle Bürger. Alle Daten dem Staat. Das Private ist öffentlich, übrigens und ironischerweise ein ­Slogan der 68er-Revolte? Die Datenkontrolle und das Datenmanagement der Bürger sind demokratisch durchaus zu legitimieren. Es muss nicht immer von einem despotischen Staat die Rede sein. Auf anderen Feldern sind solche Entscheide auch in der Schweiz bereits schon gefallen. Was sprechen Sie an? Die CO2-Reduktion um 43 Prozent bis 2030 ist nicht in Luzern, sondern vom Bund beschlossen worden. Sie ist vorgegeben. Auch Luzern muss eine Idee haben, wie man die Menschen dazu bringt, ihren CO2-Ausstoss zu verringern. Man müsste einen Plan haben. In solchen Plänen könnte die Smart ­City eine wichtige Rolle spielen. Und der CO2-Fall zeigt, dass es bei derartigen Eingriffen am politischen Willen liegt. Sind das mögliche Einfallstore zu einer Smart City, die Science-Fiction doch noch real werden lassen: Ökologie, CO2, Energiewende? Die Frage der Mobilität, die wir uns vor dem Hintergrund von Städtebau und Lebensqualität künftig leisten wollen, ist in einer Smart City wahrscheinlich besser zu beantworten als in einer analogen Stadt.

Was ist der Nutzen, den ich als einfacher Bürger in einer Smart City habe, gewissermassen als Gegenwert dafür, dass ich meine Daten einer staatlichen Institution übergebe? Man kann heute nirgendwo live eine Langfristbetrachtung machen. Es gibt schlicht noch zu wenig lange gute Fälle. Als Bürger weiss ich, wie ich mich in einer Stadt effizient bewege. Ich kenne die Verkehrsmittel und weiss, wann sie fahren, wie, wohin, und wann nicht. Ich erkenne weit voraus Staus, ohne gefragt zu haben. Administrative Prozesse werden für mich einfacher, vor allem im Bereich Road Pricing, über das diskutiert werden muss, sollten wir die CO2-Vorgaben ernsthaft einhalten wollen. Vielfach kommt es anders, als man denkt. Visionäre liegen oft falsch. Könnte es für eine Stadt ein Wettbewerbsvorteil sein, analog zu bleiben und erst spät digital aufzubauen? Sie sprechen von einer Ballenberg-Strategie, so nenne ich das. Man kann die analogen Systeme in Entwicklungsländern oder in ärmsten Ländern begutachten. Dort finden sie unfreiwillig statt. Vielleicht ist es auch dereinst reizvoll für Touristen in Luzern, die besichtigten können, wie früher eine Stadt ausgesehen und funktioniert hat. Jetzt spotten Sie. Gar nicht. Ich meine das ernst. Mit Smart City will Manchester den Verkehr bis 2030 um 20 Prozent vermindern. In Luzern wäre dies analog nicht möglich. Wenn der Verkehr in Luzern aber ebenfalls um 20 Prozent abnehmen würde, hätten wir einen Zustand wie heute während den Sommerferien. Dieser Effekt ist attraktiv und könnte die Stadt gegenüber einer anderen lebenswerter machen. Wir sprechen von Standortvorteilen. Man muss sich einfach überlegen, welche man haben will. Überzeugt. Wo muss angefangen werden, wenn man eine Smart City werden möchte? Zuerst müssen wir definieren, über welche Themen wir sprechen im Zusammenhang mit Smart City. Was wollen wir anpacken?

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Smartmeter, 5G, Glasfasern, Mobilität, Energie. Danach müssen wir herausfinden, ob wir die richtige Grösse und die richtigen Partner haben. Können wir alles finanzieren? Schaffen wir es über die kritische Grösse hinaus? So gehen wir Schritt für Schritt – von Thema zu Thema. Überdies, wir haben diese Themen bereits auf dem Tisch und sind zum Teil gesetzlich verpflichtet, aktiv zu werden und Verbesserungen zu realisieren. Warum geschieht das heute nicht? Wir haben heute in den entscheidenden Gremien nicht den Druck von Mitbewerbern wie in der Privatwirtschaft. Hier sind nicht globale Unternehmen in Sicht, die plötzlich in diesen Markt drängen. Stimmt nicht. Anbieter von mietbaren Elektrovelos, Uber oder Airbnb sind doch genau solche Bringer von unangenehmen Neuerungen, die den politischen Entscheidern Beine machen. Da haben Sie recht. Aber das sind Nadelstiche, die unangenehm sind, jedoch unsere Entscheider nicht aus der Komfortzone drängen. Unsere kleine Welt funktioniert raffiniert. Wir sind reich in verschiedenster Hinsicht. Es ist schwierig, hier einen Aufbruch herbeizuführen. Zur Eingangsfrage: Ist es Zufall, dass wir von Smart Citys sprechen, oder sind ländliche Gebiete hier wirklich ausgenommen? Ich habe bis hierhin noch kein Konzept gesehen, das in ruralen Gebieten funktioniert. Wir sprechen ausschliesslich von urbanen Räumen. Aber davon sind wahrscheinlich siebzig Prozent der Schweizer Bevölkerung betroffen. Bin ich zum Beispiel in der Gemeinde Pfaffnau am Rande des Kantons Luzern von Smart-City-Konzepten ausgeschlossen? Keineswegs. Pfaffnau ist so gut erschlossen, dass wir es mit einem Aussengebiet im Grossraum New York vergleichen sollten. Wir müssen in weltweiten Massstäben denken.


ÂŤNicht das Alter ist das Problem, sondern unsere Einstellung dazu.Âť

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PORTRÄT

Demenz ist eines der grossen Themen unserer Zeit. Die dramatische Zunahme der Anzahl Menschen, die unter der Krankheit leiden, fordert uns alle heraus. Welche Modelle und Wohnformen in der Alterspflege eignen sich, welche sind gesellschaftlich und finanziell tragbar? Bart Staring weiss es. Der Leiter Pflegedienst der Heime Kriens AG schöpft aus seiner langen Erfahrung als Pflegefachmann.

VON ANGEL GONZALO

A

lbertus Hendrikus Theodorus Maria Staring – der opulente Name passt zur kräftigen Statur dieses freundlichen, 54-jährigen Niederländers und Wahlschweizers. Bart, so sein Rufname, gehört zu jenen Menschen, die eine widerstandsfähige Schale und ein grosses, weiches Herz haben. Bereits im Alter von 15 Jahren begann er eine Ausbildung als Krankenpfleger Geriatrie im niederländischen Dorf Lichtenvoorde bei Arnhem, n ahe der deutschen Grenze. Eigentlich ­ wollte er Fotografie und Journalismus studieren, doch erhielt er zu der Zeit kein Stipendium. Krankenpfleger stand nie auf seiner Wunschliste, doch seiner Mutter sollte es recht sein. Die Sozialarbeiterin und langjährige Leiterin der örtlichen «Spitex» prägte in entscheidendem Masse die berufliche Ausrichtung des Sohnes. Zuvor hatte Bart Staring eine vom niederländischen Staat getragene Grundschule der «liberalen» Art besucht, in der der Dialog, das Spielerische und das selbstständige Lernen mit Jahresplan gefördert wurden. Schon früh unternahm er ausgedehnte Reisen durch Europa und Afrika mit einem Rucksack voller Neugier. Er sei «ein Schaf mit fünf Füssen» gewesen, eine holländische Redewendung, frei übersetzt, die eine Person mit zahlreichen Interessen beschreibt.

Was ist schon normal?

Als er zum ersten Mal in der Schweiz in einem Altersheim gearbeitet habe, sei er sich

«irgendwie zwanzig Jahre zurückkatapultiert» vorgekommen, erinnert sich Bart Staring. In Holland sei der Zugang zu den Menschen in der Alterspflege unkomplizierter, irgendwie näher am Menschen. In der Schweiz hingegen, so kam es ihm vor, werde die Pflege zu stark pathologisiert: «Die Schweiz ist normativ, strukturiert, es soll ja kein Risiko eingegangen werden, die Altersheimbewohner sollen schön angepasst bleiben.» Schon immer habe er darüber reflektiert, wie sich die Lebensqualität von älteren Menschen durch die Normalisierung des Alltags verbessern lässt. Was aber normal ist oder nicht, das ist oft individuell und subjektiv. Jeder Mensch ist geprägt von seiner Sozialisation, von seiner Kultur und den eigenen Erfahrungen. Wir entwickeln eine persönliche Lebensform, die für jeden einzelnen von uns die «Normalität» darstellt. Bart Staring erklärt es an einem Beispiel: «Eine leicht verwirrte Heimbewohnerin beklagte sich darüber, sie stehe unter Strom, könne nicht schlafen. Alles gute Zureden nütze nichts bis auf die erhellende Idee, sie solle mit Gummistiefeln schlafen, um Stromstösse zu vermeiden.» Das habe gewirkt, die Assoziation von Gummistiefeln mit Stromschlägen sei in dieser Generation plausibel. Das Problem wurde auf simple Weise gelöst. Derart pragmatische Ansätze liegen Bart Staring, der sich lange und intensiv mit dem psychobiografischen Pflegemodell des österreichischen Professors Erwin

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Böhm auseinandergesetzt hat. Das Modell dahinter: Die Verhaltensweisen von verwirrten und desorientierten Menschen zu erklären, zu verstehen und dadurch eine individuelle, reaktivierende und bewohnerbezogene Pflege zu ermöglichen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit gewinnt mit zunehmendem Alter an Bedeutung. Die Geschehnisse und Erfahrungen bilden die

«Die Schweiz ist normativ, strukturiert, es soll ja kein Risiko eingegangen werden, die Altersheimbewohner sollen schön angepasst bleiben.»

Basis des eigenen Ichs. Es geht weniger um das objektiv Erlebte, sondern um den subjektiven Sinn, der plausibel erscheint und sich als tragfähig für das Leben angesichts des nahenden Lebensendes erweist. Diese autobiografischen Lebenserinnerungen können wertvoll sein. In der Praxis legt diese «Biografie-Arbeit» an Bedeutung zu.


PORTRÄT

Eine Ausbildung zum Psychiatriepfleger

Bart Staring musste mit 18 in die niederländische Aushebung, verweigerte aber aus Gewissensgründen den Militärdienst. Er trabte als Jugendlicher vor ein Militärgericht und setzte seinen Kopf durch, handelte für sich beim Verteidigungsministerium eine verkürzte Ausbildung als Psychiatriepfleger in seinem Zivildienst aus. Diese Erfahrung festigte seinen beruflichen Werdegang in der Pflege und ebnete den Weg für den Sprung ins Ausland. Aufgrund seines, wie er meint, «chronifizierten Fernwehs, seiner Abenteuerlust und Neugier nach anderen Kulturen» landete Bart Staring 1989 als 24-Jähriger in der sanktgallischen Höhenklinik Walenstadtberg, ehe er zwei Jahre später im Altersund Pflegeheim Ilanz eine neue Stelle antrat. Neben seinen Aufgaben als Stationsleiter war er oft unterwegs auf den Höfen dieser ländlichen Gegend. Er kümmerte sich in psychosozialen Notfall-Situationen um die ländliche, regionale Bevölkerung. Seine unkonventionelle, unkomplizierte Art, mit desorientierten Menschen umzugehen, kam ihm dabei zugute. Der Weg in die Zentralschweiz

Sein Netzwerk öffnete ihm die Türen zum Schweizer Paraplegikerzentrum in Nottwil, doch als Pflegefachmann wurde Bart Staring am Sempachersee nicht wirklich glücklich. Das Glück lächelte ihm anderweitig zu: Kaum eine Woche nach seinem Stellenantritt verliebte er sich in die Physiotherapeutin Cornelia. Der «fliegende Holländer» landete definitiv in der Zen­ tralschweiz. Der Nomade wurde sesshaft. Bald folgte die Heirat, drei Mädchen kamen binnen Kurzem zur Welt. Seine berufliche Laufbahn führte ihn weiter in Altersheime der Region Luzern, wo er nach und nach grössere Verantwortung in leitenden Funktionen übernahm. Weil die in Holland erlangten Diplome in der Schweiz nicht anerkannt wurden, holte er die entsprechenden Ausbildungsmodule hier nach, bis zum MAS Gerontologie an der Fachhochschule Bern. Seit

2005 wirkt er in der Heime Kriens AG, die letzten zehn Jahre als Leiter Pflegedienst und Mitglied des Führungsteams. Für ein lebenswertes Alter

Bart Staring hat sich während seiner Laufbahn stets mit neuen Konzepten und mit dem Böhm-Modell befasst und diese in die bestehenden Heimstrukturen eingebracht. Es ginge im Wesentlichen darum, eine sinnvolle Alltagsgestaltung oder eben einen normalen Alltag zu ermöglichen. Oder auch, wie anschauliche Beispiele aus seinem Heimatland zeigen, anregende Aktivitäten zu initiieren. In Holland öffnen ehemalige Landwirte ihre Höfe für ältere Menschen mit psychischen Auffälligkeiten als temporären Lebens- und Arbeitsraum. Solche Angebote seien beliebt und landesweit sehr gut vernetzt. «In Holland gibt es eine lange Kultur des Zusammenlebens, vielleicht auch aufgrund der Geschichte als ehemalige Kolonialmacht und dem Kontakt mit anderen Kulturen und Mentalitäten», sagt Staring. Möglicherweise sei dies ein Grund für die Aufgeschlossenheit der niederländischen Gesellschaft gegenüber neuen Formen des Zusammenlebens. Moderne Volkswirtschaften hätten den direkten Bezug zur älteren Generation verloren, gibt er zu bedenken und wirkt dabei aber keineswegs moralisierend. Die Alterspflege sei – vorab in der Schweiz – hervorragend aufgestellt bezüglich Pflege, Organisation und Einsatz der Mittel. Der Fokus liege aber oft nur auf dem Pathologischen und dem Gebrechlichen und weniger auf den Möglichkeiten, die ein lebenswertes Alter durchaus zu bieten hat. Anstatt nur immer neue «Alters-Silos» aufzustellen, müssten wir darüber nachdenken, wie wir neue Wohnkonstellationen bilden, in welchen die soziale Beziehung im Vordergrund steht: «Nicht das Alter ist das Problem, sondern unsere Einstellung dazu.» Demenz als Herausforderung

Beim Thema Demenz wird Bart Staring nachdenklich. Schon der Begriff, streng für

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sich genommen, regt ihn auf: «Weg vom Geist, das heisst im Grunde Demenz, geistlos also. Für mich eine respektlose Begrifflichkeit!» Auch stehe hier immer die Krankheit im Vordergrund: «Wir richten geradezu alles danach.» So spreche man beispielsweise von Alzheimer-Nachmittagen oder AlzheimerTanzkaffees. Staring stört sich auch am Begriff «Demenz-Strategie», als ob es sich dabei um einen Krieg handelte: «Lass uns der Demenz den Kampf ansagen», lästert er etwas spöttisch. Und weiter: «Als ob wir überhaupt eine Chance hätten. Diesen imaginären Krieg haben wir bereits im Voraus verloren.» In der Tat: Derzeit sind in der Schweiz über 150 000 Menschen an Demenz erkrankt. Davon betroffen sind auch gegen eine halbe Million Angehörige. Allein in der Zentralschweiz leben rund 11 000 demente Menschen, Tendenz steigend. Die Zahl an Demenz erkrankter Menschen wird sich in der Schweiz allein schon durch den demografischen Wandel bis ins Jahr 2060 auf über 300 000 verdoppeln. Gegen diese Entwicklung könne man nicht kämpfen. Man müsse lernen, so Staring, damit umzugehen. Niederschwellige Angebote in Quartieren, wie sie heute schon existierten, seien ein guter Weg dazu, von Demenz betroffene Menschen nicht sozial zu isolieren beziehungsweise «bis zum Tod zu pflegen». Die Heime in Kriens liegen beispielsweise mitten im Zentrum der Stadt, mitten im Leben. Die Heimbewohnerinnen und -bewohner kommen in direkten Kontakt mit der Bevölkerung, nicht nur mit den zu Besuch anreisenden Verwandten. Die Heime erweitern ihr Wohnangebot im Frühling und Herbst dieses Jahres mit dem Aufbau von zwei zusätzlichen dezentralen Wohnformen für jeweils 21 Menschen. Für Bart Staring ist dies der richtige Weg: «Die neuen Lebensräume bieten die Möglichkeit für vielfältige Begegnungen, auch im engen Kontakt mit der Krienser Bevölkerung.» Ältere Menschen mitten unter uns als Teil unserer Gesellschaft – das ist richtig so.


Zwei, die sich verstehen: Mit seinem Hund Boreas unternimmt Bart Staring ausgedehnte Wanderungen.

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KREATIV

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Illustration Löwendenkmal: lequipe-visuelle.ch

GEBRÜLLT GUT

LUZERNER LÖWE!

Das 200-Jahr-Jubiläum des Luzerner Löwendenkmals ist ein Mehrjahresprojekt. Bereits seit 2017 und bis zum Jubiläum am 10. August 2021 thematisieren Ausstellungen, Performances, Veranstaltungen und Publikationen das weltweit bekannte Denkmal aus verschiedensten, denkwürdigen Blickwinkeln. TEXT ANGEL GONZALO FOTO KIM MEIER

D

er «König der Tiere» ist bedroht. Noch vor 200 Jahren lebten eine Million Exemplare auf dem afrikanischen Kontinent. Heute sind es lediglich gegen 23 000 in isolierten Gebieten. Das Denkmal in Luzern zeigt einen sterbenden Löwen, dies in Erinnerung an die beim Tuileriensturm in Paris 1792 gefallenen Schweizer Söldner. Durch die Klanginstallation «Löwendenkmal 2.0 – Chor der ausgestorbenen Tiere» des Küssnachter Künstlers Andreas Weber vom August 2019 erhielt die männliche Grosskatze eine aktuelle und ebenso traurige Bedeutung. Es gebe viele Indizien dafür, so verkündete der WWF anlässlich dieses Kunstevents, dass die Welt von einem Massensterben von Pflanzen und Tieren heimgesucht werde. Zwar sei es nicht das erste grosse Artensterben, aber das erste, das vom Menschen beeinflusst werde. Unser Löwe ist in Sandstein gehauen, daher zum Glück unsterblich. Gerade darum steht unser Löwendenkmal durchaus auch im Sinne von: Mensch, denk mal nach!

Gesellschaftsreflektierender Gegenwartsbezug

Seit gut zwei Jahren ergründet und bespielt der Verein Löwendenkmal 21 der Kunsthalle Luzern (L21) das Luzerner Löwendenkmal mit künstlerischen Mitteln. Dieses Jahr dreht sich alles um das Thema «Das Vermächtnis des Löwen – The Lion’s Legacy». Die Leiterin und Kuratorin des Projektjahres, Dr. Karin Mairitsch, freut sich auf ein spannendes Jahresthema: «Wir haben uns vorgenommen, das Vergessene, Unsichtbare und Weggeschobene unseres weltberühmten Löwen ans Licht zu bringen.» Im Zentrum stehe ein nachdenklicher und gesellschaftsreflektierender Gegenwartsbezug, der uns vom damaligen Söldnertum zum heutigen Waffen- und Tourismusgeschäft bis hin zu Street Art und weiter in die Zukunft führt. Künstlerische Interventionen und Ausstellungen mit dem Schwerpunkt auf Kunst und Literatur werden bis zum Jahresende das brisante Erbe des Löwen ins Gedächtnis rufen. Für Karin Mairitsch ist die im Herbst

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geplante Ausstellung «Die dunkle Seite des Löwen – The Dark Side of the Lion» in der Kunsthalle Luzern wegweisend. Junge Künstlerinnen und Künstler nationaler wie internationaler Herkunft sind aufgerufen, ihre Sicht auf das Denkmal darzulegen. Eine durchaus kritische, zum Denken anregende Sicht, wie die Projektleiterin erläutert: «Sie werden uns unseren Umgang mit Erinnerungskultur in Bezug auf Machtstrukturen, Privilegien und Diskriminierungen deutlich vor Augen führen. Querdenkend werden die Kunstschaffenden gegenwärtige Herausforderungen thematisieren und aufzeigen, wohin uns dies führen könnte.» Die Kunsthalle Luzern, so viel sei hier verraten, wird in eine «Schutthalde denkwürdiger Momentaufnahmen» verwandelt. Wir dürfen gespannt sein. Auch eine Konsequenz des menschengemachten Klimawandels steht dieses Jahr im künstlerischen Fokus: Das junge Bildungs- und Künstlerinnen- und KünstlerKollektiv «Biotop der Relevanz» inszeniert vom 18. April bis 10. Mai 2020 mit seiner


KREATIV

KARIN MAIRITSCH ist bildende Künstlerin, Autorin, Dozentin, Kuratorin und Herausgeberin einiger Fachbücher im Bereich Medien, Gesellschaft und Kunst. Sie hat Ausstellungen und Performances im In- und Ausland gemacht und war Mitglied vieler Fachjurys. Im Frühjahr 2020 wird ihr Roman-Manuskript «Schweizweh» mit dem Werkbeitrag der Zentralschweizer Literaturförderung ausgezeichnet. Karin Mairitsch, 1968 in Klagenfurt/Österreich geboren, studierte Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien und promovierte an der Kunstuniversität Linz. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit war sie von 2011 bis 2015 Vizedirektorin für den Bereich Bachelor & Vorkurs an der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Vizerektorin der Fachhochschule Salzburg zwischen 2008 und 2011 sowie Studiengangsleiterin am Studiengang MultiMediaArt der Fachhochschule Salzburg 2003 bis 2008. Sie lehrte an verschiedenen Hochschulen und war Leiterin medienspezifischer Lehrgänge und Kurse sowie Artdirektorin und Geschäftsführerin bei bekannten Mediaagenturen. Als Aktivmitglied – von 2017 bis 2019 Co-Präsidentin bzw. von 2013 bis 2019 Vorstandsmitglied der Visarte Zentralschweiz und bis 2016 auch der Kunsthalle Luzern – engagiert sie sich für die Anliegen bildender Künstlerinnen und Künstler.

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Kunstinstallation «Whitening Out» das Korallensterben vor dem sterbenden Löwen auf anschauliche, haptische Weise. Der Verein L21 unterstützt dieses Projekt ideell und nimmt das Thema im Herbst in einer Ausstellung in der Kunsthalle Luzern auf. Das Jahr fruchtbarer Kooperationen

Ein weiterer wichtiger Eckpfeiler des Mehrjahresprojekts um das Jubiläum ist der partizipative Charakter. In diesem Jahr wird sich dieser unter anderem in der Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnerschaften aus Bildung und Wirtschaft äussern. Karin Mairitsch freut sich auf die Schaffung von einigen «Erinnerungsstücken», das sind kleine «Take Memories Home»-Artefakte mit Bezug zum Luzerner Löwen. Die Eichhof-Brauerei tüftelt in Kooperation mit L21 an einem künstlerisch gestalteten Jubiläumsbier in limitierter Auflage. In einer öffentlichen Ausschreibung werden schweizweit Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die Etikette in ein «denkmalwürdiges Kunstwerk» zu verwandeln. Die Hochschule Luzern Design & Kunst, konkret die Summerschool mit chi-

nesischen Gästen sowie die Studienrichtungen Objekt- und Textildesign mit Unterstützung von Casagrande Souvenirs, gehen dem Geheimnis interkultureller Verständigung nach und werden daraus einzigartige Souvenirs gestalten. Voraussichtlich im Herbst ist die Bevölkerung, in Kooperation mit dem Lichtspiel Kinemathek Bern, zur aktiven Teilhabe aufgerufen: Die Veranstaltung «Amateurfilm unterwegs» gibt Gelegenheit, privates Filmmaterial, das im Kontext des Denkmals entstanden ist, gemeinsam anzuschauen und zu besprechen. Diverse Performances und Veranstaltungen vor dem Denkmal und in der Kunsthalle Luzern runden das reich befrachtete Jahresprogramm ab. Den Auftakt macht im Sommer die bulgarische Künstlerin Olga Georgieva mit der Livepainting-Perfomance «Lost in a Conversation» vor dem Denkmal. Geplant sind aus­ serdem Spoken Word Performances, Künstler ­i nnen- und Künstler­gespräche und diverse Kunstaktionen. Unser Stadtmagazin wird das spannende Jahresprogramm weiter begleiten.

DERZEIT TEILNEHMENDE AUSSTELLUNG KUNSTHALLE LUZERN

Olga Georgieva olgageorgieva.com

Jeanne Jacob

jeannejacob.com

Mirjam Ayla Zürcher mirjamaylazuercher.ch

Künstlerkollektiv Grey-Time Jeremias Altmann & Andreas Tanzer greytime.net

Paul Busk cmod.at

Claudia Schildknecht claudiaschildknecht.com

Biotop der Relevanz biotopderrelevanz.com

Anouk Koch Christian Löffel NOMINIERTE PERFORMANCEKÜNSTLERINNEN:

Nina Langensand luzernertheater.ch/ninalangensand

Riccarda Naef riccardanaef.ch

Manuel Kühne manuelkuehne.ch/ Weitere Informationen zu den laufenden und vergangenen Teilprojekten finden Sie unter loewendenkmal21.ch

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SA 24 OKT

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LEBENSLUST

TOP EVENT

Keine zu klein, ein Fasnachtsfan zu sein.

LONGINES GOES FASNACHT

Die Monster-Guugger Bueri freuten sich über die zahlreichen Fans.

Auch in diesem Jahr liess es sich der Direktor der Longines-Boutique Luzern, Istvan Szemerits, nicht nehmen und lud zur Vorfasnachtsfreude. Am Samstag vor dem Fasnachtsstart machten die Monster-Guugger Bueri an der Grendelstrasse ihre Aufwartung. Das Longines-Team schenkte kosten­­los Getränke für alle aus, und die Monster-Gugger sorgten für fas­­nächt­liche Stimmung. Was will man mehr? Eine tolle Uhr von Longines! Monster-Guugger Bueri Tambi Jörg Amstad mit seinem Zwillingsbruder Mirco.

Hatten Spass: Dario Egger, Daniela Hänsli, ehemaliger Boutique-Manager Daniele Cederna und Marco Keiser.

Genossen die Vorfasnacht: Daniel Jüni (Mister Cool AG), Ursula Nichele (Zaunkönig Luzern) und Malou Regazzoni.

Longines-Team: Boutique-Manager Istvan Szemerits, Sally Sun, Nikko Luo und Arturo Riobo.

Einzug der Monster-Guugger Bueri in der Grendelstrasse.

Die Monster-Guugger Bueri sind Garant für gute Stimmung und Unterhaltung.

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Longines-Boutique-Manager Istvan Szemerits mit seinem Vorgänger und Initianten des Anlasses Daniele Cederna.

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DURCHBLICK Voll dagegenhalten – gegen die Namen der Angst

VERSUCHEN WIR DEN DURCHBLICK ZU BEWAHREN Das gab es schon lange nicht mehr: echten Notstand. Ein Virus hat ihn uns aufgebürdet. Die Folgen werden immens sein. Vor allem in unseren Köpfen. Zeit, Gegensteuer zu geben. VON BRUNO AFFENTRANGER

W

ir wollten eigentlich in diesem Magazin nichts über Corona-Virus schreiben, nichts von ­« Body­counting», vom Wegbrechen von Gewohntem, von wirtschaftlichen Einbrüchen. Wir wollten all das Genannte nicht ansprechen, weil dies zwar alles wichtige Themen sind, sie aber eher als Platzhalter für eine Angst fungieren. Sie sind die Namen der Angst. Die Namen der Angst verschleiern den Durchblick. Was also könnten wir tun?

Wir halten uns an den antiken, griechischen Philosophen Epiktet. Dieser lehrte seinen Schülern: «Wir können die Dinge nicht immer ändern, aber wir können unsere Haltung gegenüber den Dingen ändern.» Ein realistisches Anerkennen der aktuellen Zustände hilft und ist die gute Ausgangslage für weitere Überlegungen. Wenn historische Einschnitte eine Gemeinsamkeit aufweisen, dann ist es diese: Sie sind «Points of no return». Wer sie durchschritten hat, wird nie mehr zurückkönnen. Die Spielregeln werden sich danach geändert haben. Wer darüber bereits jetzt nachdenkt, wird möglicherweise noch mehr als nur Zeit gewinnen. Ein paar Gedankenanstösse dazu:

Wir leben in einer globalisierten Welt, die vor allem eine Welt der radikal globalisierten Lieferketten ist. Diese werden derzeit unterbrochen. Eine Angebotsdelle droht, weil die Teile aus aller Welt derzeit nicht mehr locker mit dem Flugzeug oder auf dem Schiff zu uns herangeführt werden. Die Lehre für alle daraus: Vielleicht macht es Sinn, wieder vermehrt in der Nähe zu produzieren, auch wenn derzeit die Kosten

noch höher sind, als sie beispielsweise in Asien wären? Die Vollkosten und Risiken sind noch grösser, wie wir gerade lernen. Das soziale Distanzschaffen («social distancing»), das alle Gesundheitsspezialisten propagieren, treibt uns stärker in die Digitalisierung. Wer kann, ersetzt physische Begegnungen, Meetings, Lektionen und anderes durch Webinars, Chatrooms, Telefonkonferenzen. Die Durchdringung des Lebens durch Online-Technologien wird einen gewaltigen Schub erfahren. Viele reale Handlungen kehren nicht mehr zu-

rück, wenn nichts mehr als das Gut selber angeboten wird. Das sollte insbesondere den Betreibern von Luxusgütergeschäften zu denken geben. Ihre Standort- und Immobilienpolitik wird sich ändern. Welche Zusatzangebote sollten sie erfinden? Diese Frage gilt wiederum für fast jedes Business. Die klassischen, schaustellerisch genutzten Ladenflächen in Erdgeschossen haben ausgedient. In der Stadt Luzern erinnert der Einbruch der Wirtschaft an den Konjunkturabbruch im Juli 1914. In den Wochen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam das boomende Business mit den Reisenden vollständig zum Erliegen. Von einem Wochenende aufs andere wechselte eine schon länger spekulativ überhitzte Regionalwirtschaft in den Leermodus. Dieser

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hielt an. 1913 war das Hotel Anker als letztes grosses Haus gebaut worden. Erst 1956 kam mit dem «Astoria» das nächste dazu. Das muss diesmal nicht so bleiben. Muss man vor diesem Hintergrund eine kürzlich im Grossen Stadtrat diskutierte Eindämmung von Luzerner Marketinganstrengungen in Übersee (Amerikas, Asien) als suizidal bezeichnen? Wären nicht vielmehr wagemutige Neukonzepte zur Verkaufsstärkung gefragt? Das gilt für das grosse Ganze genauso wie für einzelne Betriebe wie Hotels, Restaurants, Bahnen oder Boutiquen. Weil vielen – privaten Haushalten wie auch den Unternehmen – schnell das flüssige Geld auszugehen droht, sind Hilfen dringend notwendig. Gerade staatsnahe Finanzinstitute müssen entgegenkommen. Es braucht (Mehrwert-)Steuererleichterungen, Fristenerstreckung, unkomplizierten Support. Der politisch geführte Kampf um die richtige Verteilung ist bereits eröffnet. Er wird letztlich auf dem Terrain des Kapitalismus gefochten. Dieser steht in der fundamentalen Kritik, denn er hat seine Anfälligkeit ja erneut bewiesen, seine Flexibilität und Robustheit wird er erst noch zeigen können. Warnende und Bewirtschaftende des klimatischen Untergangs stehen Seite an Seite, ihnen gegenüber altbacken wirkende Politiker und Betriebswirte mit Managementhandbüchern, die mit zu simplen Modellen hantieren. Noch lähmt und eint die Angst sie alle gleichermassen. Doch ist der Kampf um höhere Robustheit oder nachhaltigere Gestaltung unter Einbezug der Ökologie nicht einfach vertagt? Werden Brückenbauende in Zukunft noch mehr gefragt sein? Denken Sie weiter mit uns nach! Mail an: info@stadtsicht.ch


AUSSICHTEN

NASTY QUESTIONS Wer sich auf die Zukunft vorbereiten will, stellt sich jenen heiklen Fragen, denen man in der Regel lieber ausweichen möchte, als sie zu beantworten. Unsere nicht abgeschlossene Liste der Nasty Questions:

Wie kann man heute, im Jahr 2020, Grossüberbauungen mit rund 600 Wohnungen planen und ein ganzes Quartier bauen, und trotzdem vergessen, den öffentlichen Raum mitzudenken?

Wer hatte eigentlich den grössten Nutzen aus dem Leaken eines vertraulichen Protokolls zwischen zwei Verkehrs-­ Organisationen (VVL und VBL), welches den Subventionsfall in einem von Zürich aus gesteuerten Medium erst publik werden liess?

Wie konnte das in Kriens geschehen? Kann es sein, dass die anstehenden Wahlen dafür einen guten Anlass geliefert haben?

Wie kann es sein, dass eine Gemeinde für ein solch unvollständiges Projekt grünes Licht erteilt und später eingesteht, die Gestaltung des Lebensraums vergessen zu haben?

Über welche weiteren, leider unveröffentlichten Themen hätte man vor den Wahlen liebend gerne auch gelesen?

Wie ist es möglich, dass ein derartiges Planen und Regieren, das aus dem tiefen 20. Jahrhundert zu stammen scheint, keinerlei Konsequenzen hat? Zeugt es von einem sonderbaren Verständnis der Aufgaben der öffentlichen Hand, wenn sie zur Wiedergutmachung der Unterlassungssünde nun Patronate für Bäume sucht – damit sich der öffentliche Raum beim Mattenhof wenigstens dank privatem Zutun etwas verschönere? Kann es sein, dass es alle wissen, aber niemand zu sagen wagt? Ist die Stadt Kriens möglicherweise pleite?

Mit welchen konkreten Massnahmen will die Stadt Luzern die gesetzlichen CO2-Vorgaben bis 2030 erfüllen? Weshalb stufen junge Politiker mit hoher Technologie­affinität trotzdem internetgestützte, neue Geschäftsmodelle und ihre Herausforderungen weniger wichtig ein als althergebrachte Arbeitszeit- und Lohnmodelle? Wie kann man auf die Idee kommen, ein Unternehmen Uber, das selbstständigen Fahrerinnen und Fahrern eine digitale Plattform bietet und neu auch in Luzern nutzbar ist, in dieser Stadt verbieten zu wollen? Wie kann man gleichzeitig auf Airbnb seine Ferien buchen?

Ist es möglich, dass man sich in der Stadt Luzern im spät aufgeflogenen Subventionsfall VBL etwas gar gegenseitig schützt und schont? Wo sind in diesem Fall eigentlich die lokalen Medien, welche den wichtigen Auftrag hätten, Regierende zu kritisieren, und so eine Kontrollfunktion wahrnehmen müssten? Braucht es die unverbandelte Aufklärerin von aussen?

Lassen Sie uns über die Sätze streiten! STADTSICHT geht den Fragen nach und sucht nach Antworten. In den kommenden Ausgaben beleuchten wir unter anderem die angesprochenen Themen. Diskutieren können Sie ab sofort mit uns. Auf Facebook (stadtsicht.ch) oder per E-Mail direkt an uns: affentranger@bamedia.ch Sie finden das ganze Magazin und einzelne Texte auch online, ideal für den mobilen Konsum zubereitet: auf stadtsicht.ch

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