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Wie Mobilfunk in der Automatisierung punktet

Drahtlostechnologien sind für eine effiziente Datenkommunikation unverzichtbar

Ohne schnelle und effiziente Datenkommunikation läuft in der Automatisierung nicht viel. Das erklärt, warum so viele Lösungen heute in Gebrauch sind, viele davon parallel mit ihren jeweils eigenen Vorteilen. Gleichwohl ist ein klarer Trend erkennbar, ist sich Christoph Spiegel von der Krohne Messtechnik und einer der Referenten des Automatisierungskongresses 2024 am 2. und 3. Juli 2024, sicher: „Für die allermeisten Anforderungen sind heute Mobilfunksysteme die empfehlenswerte Lösung.“ Er weiß aber auch, dass das nicht immer so war.

In der Prozessautomatisierung werden hohe Ansprüche an die Verfügbarkeit der Anlagen und Systeme gestellt. Ungeplante Stillstände sind kostspielig und können im Bereich der kritischen Infrastruktur zudem zu handfesten Versorgungsproblemen führen. Christoph Spiegel verweist in diesem Zusammenhang auf einen besonderen Vorteil: „Mobilfunk wird seit jeher mit hohen Anforderungen an Verfügbarkeit und Cyber Security entwickelt. Dies ist ein wichtiges Argument für seine zunehmende Verwendung in der Prozessautomatisierung.“

Gleichwohl ist die Technologielandschaft für drahtlose Datenkommunikation unübersichtlich. Sie umfasst breitbandige Mobilfunktechnologien wie 5G, 4G (LTE), 3G (UMTS) und 2G (GSM) sowie die schmalbandigen Varianten NB-IoT und LTE-M, die alle in lizenzierten Funkbändern arbeiten.

„Für die allermeisten Anforderungen sind heute Mobilfunksysteme die empfehlenswerte Lösung – aber das war nicht immer so“, weiß Christoph Spiegel, von der Krohne Messtechnik.
Bild: Krohne Messtechnik

Auch Funksysteme, die in lizenzfreien Funkbändern arbeiten, spielen in der Praxis eine Rolle. Hier sind insbesondere LoRaWAN und proprietare Verfahren zu nennen. Eine detaillierte Analyse der technischen Vor- und Nachteile und der Vergleich der Anschaffungs- und Betriebskosten sind wichtige Faktoren bei der Auswahl der geeigneten Technologie.

Ein weiteres entscheidendes Thema ist die Verfügbarkeit im Sinne der Netzabdeckung außerhalb der Ballungszentren. „Diese Anforderung hat die Mobilfunkbranche erst in den vergangenen Jahren verstanden und bestehende Versorgungslücken zunehmend geschlossen – nachdem in der Vergangenheit eher das Endverbrauchergeschäft mit immer höheren Bandbreiten im Fokus stand“, führt Spiegel weiter aus. Dieses fehlende Angebot im Mobilfunk habe seiner Meinung nach teils dazu geführt, dass andere Technologien sich verstärkt auf dem Markt durchsetzten.

Auch seien Mobilfunkbetreiber lange sehr zurückhaltend damit gewesen, sinnvolle Tarife für Anwender anzubieten, die eine Vielzahl von Geräten haben, die aber jeweils nur ein geringes Datenvolumen verursachen.

Bild: Gerd Altmann auf Pixabay

Ein Euro pro Jahr und Messstelle

Auch dies habe sich geändert, so Spiegel und weiter: „Seit einiger Zeit erleben wir einen deutlichen Preisverfall für Schmalbandsysteme mit niedrigen Datenmengen. Aktuell bewegen wir uns in Richtung von 1 Euro pro Messstelle und Jahr, das macht die Mobilfunksysteme zusätzlich zu den Sicherheitsaspekten auch finanziell attraktiv.“ Schließlich verursachen einzelne Datenpunkte oft nicht mehr als 100 MB Datenvolumen jährlich – davon aber sind Hunderte oder Tausende Punkte in ein Monitoringsystem einzubinden. Die Skalierbarkeit für Anwendungen der industriellen Automation ist nun gegeben. Allerdings habe das Geduld erfordert, räumt Christoph Spiegel ein: „Der Rollout für NB-IoT hat in Europa viel länger gedauert, als zunächst von den Mobilfunkanbietern angekündigt war.“

Anlagenbetreiber, die beispielsweise Bestandteile der kritischen Infrastruktur wie Regenüberlaufbecken, Brunnen, Wasser-, Gas-, Wärme - und Elektrizitätsnetze laufend im Blick haben wollen, profitieren unmittelbar von den eigenen Anstrengungen der Mobilfunkbetreiber bezüglich der Cyber Security.

„Dabei spielen nicht zuletzt gesetzliche Verordnungen zur Härtung, also zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der kritischen Infrastruktur, eine wesentliche Rolle“, bestätigt Co-Referent Matthias Kacar, ebenfalls von der Krohne Messtechnik: „Die Cyber Security automatisierter Systeme gewinnt zudem stetig an Bedeutung, wobei Defense-in-Depth-Strategien auf Basis privater APNs, VPNs und echter Ende -zu-Ende-Verschlüsselung speziell in der kritischen Infrastruktur zwingend erforderlich sind.“

Eine wichtige Bedeutung kommt ebenso dem Erreichen von Nachhaltigkeitszielen zu. Der Zugang zu umfassenden Daten ermöglicht effektivere Handlungsweisen. So liegt ein naheliegender Anreiz in der Kostenersparnis durch die Automatisierung von Zählerablesungen, deren Häufigkeit aufgrund der zuvor genannten gesetzlichen Vorgaben zunehmen wird. Der Effizienzgewinn und die damit verbundenen Potenziale, den CO2-Footprint zu optimieren, seien laut Kacar offenkundig und er verdeutlicht dies: „Teils fährt heutzutage noch jemand mit dem Auto raus, um Messwerte abzulesen. Wenn man hier umstellt auf eine automatische Datenkommunikation, liegen die Vorteile auf der Hand.“ Eher skeptisch beurteilen die Experten die Nutzung von cloudbasierten Lösungen: Der Cloud-Hype ebbt eher ab, nicht zuletzt aufgrund von Security-Themen. „Einige Unternehmen, insbesondere im Bereich der kritischen Infrastruktur, sind bereits wieder auf dem Rückzug“, so Spiegel. Die Nutzung von Clouddiensten als Datendrehscheibe eröffnet Chancen, wirft jedoch auch viele Fragen zu Cyber Security und der Verfügbarkeit auf.

Anwendungsbeispiel für die Datenübertragung per Mobilfunk in der Wasserversorgung: Die Messwerte werden auf einem sogenannten Datenlogger bzw. Edge-Gateway gespeichert und in einem definierten Zeitintervall an den Kundenserver mittels Mobilfunk versendet. Durch den Optibridge 3880 Connector werden die Daten aus dem Internet entgegengenommen und mittels OPC UA oder CSV in weitere Kundensysteme integriert. Die beiden Geräte haben die IP68 Schutzklasse. Diese ist notwendig, da im Falle eines Starkregenereignisses die Schächte überflutet werden und die Geräte somit komplett im Wasser stehen können.
Bilder: Krohne Messtechnik

Eines ist festzuhalten: Die eine Lösung für die drahtlose Kommunikation in der Automatisierung gibt es nicht – auch wenn vieles für Mobilfunk-basierte Lösungen spricht.

Am Ende geht es nach Spiegels Worten immer auch darum, mit hoher Flexibilität und bedarfsgerecht die richtige Balance zu finden zwischen der Sicherheit, welche die Systeme insbesondere in der kritischen Infrastruktur benötigen, und der Usability für den Anwender.

Autoren: Christoph Spiegel und Matthias Kacar, beide Krohne Messtechnik

https://de.krohne.com/de

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