Bezirk Affoltern
Freitag, 29. April 2011
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Annina Hess-Cabalzar: Erfülltes Leben
Annina Hess-Cabalzar hört aufmerksam zu, stellt Fragen und wartet geduldig auf Antworten. Sie hakt nach, folgt den Ausschweifungen ihres Gesprächspartners, führt ihn zurück aufs Thema, gibt Erfahrungen preis und hilft einen Weg zur passenden Lösung zu finden. Annina Hess-Cabalzar erzählt, erklärt und argumentiert – und sie kann herzhaft lachen. Der Journalist trifft eine sympathische, selbstbewusste Frau. Eine Frau, bei der man(n) spürt «die weiss, was sie will». Annina Hess-Cabalzar verfügt über viel Lebenserfahrung, hatte Einblick in die verschiedensten Berufe, in die politische Arbeit. Sie studierte in Zürich und Boston (USA). Darf sich Master of Arts M.A. nennen sowie Psychotherapeutin SPV/ASP. Sie war als Lehrerin und im Flüchtlingswesen tätig. Im Spital Affoltern leitet sie die Psychotherapie PsyA®T sowie die Mutter-Kind-Abteilung. Zudem hat sie einen Sitz in der elfköpfigen Spitalleitung. Seit 20 Jahren arbeitet Annina Hess-Cabalzar im Spital Affoltern. Da brauchts wenig Kombinationsgabe, um herauszufinden, dass Dr. med. Christian Hess, der dort beschäftigte Chefarzt Medizin, ihr Mann ist. Doch davon später.
Seit 33 Jahren verheiratet Die Eheleute Hess sind ein Drittel Jahrhundert verheiratet. In der heutigen Zeit kein Normalfall. Darum drängt sich die Frage auf: «Frau Hess, was machen Sie und Ihr Mann anders?» Da kann sie lachen und dann ernsthaft antworten: «Wir nehmen das Zusammensein nie als selbstverständlich an und wir beziehen die Möglichkeit des Scheiterns unsere Beziehung mit ein. Und die kann innerlich wie äusserlich
Leistungsangebot Psychotherapie PsyA®T Geisteswissenschaftlich orientierte Psychotherapie in Ergänzung zur naturwissenschaftlich orientierten Schulmedizin. Auf der Basis der Kunstorientierung bietet die Psychotherapie PsyA®T ein breites Spektrum psychotherapeutischer Methoden. Für Patientinnen, Patienten aller Abteilungen des Spitals sowie deren Angehörigen besteht folgendes Angebot: – Einzel-, Paar-, Familien und Gruppentherapie – Abklärung und Beratung – Coaching – Debriefing – Intervision – Supervision Mehr Informationen: www.spitalaffoltern.ch
scheitern», sagt sie und doppelt nach. «Beziehungsarbeit ist Auseinandersetzung mit dem Leben in all seinen Aspekten.» Annina Hess-Cabalzar zog gemeinsam mit ihrem Mann drei Kinder gross und arbeitete immer auch ausserhalb des «trauten Heims». «Als unser ältester Sohn sechs Monate alt war, zügelten wir nach Tansania. Mein Mann arbeitete als Arzt, ich als Lehrerin und in health-care-Projekten für Mütter. Zuhause passte eine Angestellte auf den Kleinen auf. So läuft das in Afrika. Von dieser Betreuungsarbeit lebten mehrere afrikanische Familien. Es wäre also regelrecht unfair gewesen, wenn ich die treuliebende Frau und Mutter am Herd gespielt hätte.» Zwei Jahre später und sechs Wochen vor der Abreise zurück in die Schweiz, kam das zweite Kind zur Welt. Daheim in Zug wollte Annina Hess-Cabalzar eigentlich dem traditionellen Mutterbild entsprechen und zu Hause bleiben. «Diese Rolle entsprach vermeintlich meinem eigenen Mutterbild. Ich wollte für die Kinder da sein, für meinen Mann. Ich wollte viel meditieren, wollte auf jeden Tisch einen Wiesenblumenstrauss stellen, ich stellte mir viel vor und wurde krank. So musste ich meinen wirklich zu mir passenden Weg finden. Ich nahm ein Teilzeit-Angebot im Flüchtlingswesen beim Bund an und organisierte die Betreuung unserer zwei Kinder.»
Sowohl Studium als auch Familie Auch nach dem dritten Kind schaffte es die Psychotherapeutin nicht, dem traditionellen Mutterbild zu entsprechen. Wieder musste die Auseinandersetzung – hin zum eigenen Weg – stattfinden. Und mitten in dieses Nicht-wissen-wie-es-weiter-gehen-soll schlug das Schicksal zu. Peider Mohr, damals Chefarzt im Spital Affoltern starb 1988 beim Joggen. Mein Mann war Stellvertreter und übernahm seine Aufgaben. Er war also über Nacht fast nur noch im Spital beschäftigt.» Und auch in dieser Situation konnte Annina Hess-Cabalzar trotz bestem Willen nicht ausschliesslich Familienfrau sein ohne krank zu werden. «Wir holten externe Hilfe, meine Eltern unterstützten uns bei der Kinderbetreuung und ich liess mich weiter zur Psychotherapeutin ausbilden. Es war uns allen klar, ich brauchte meine eigene Arbeit ausserhalb des Hauses. Den Kindern hat es nicht geschadet. Alle entwickelten sich prächtig. Der Älteste studierte Jus und Wirtschaft, die Mittlere Theologie und die Jüngste ist an der Fachhochschule für Tourismus.» Jungen Müttern, die sich ebenfalls die Frage stellen «Familie oder Beruf? Oder sowohl Familie als auch Beruf?», rät die Psychotherapeutin: «Finden Sie Ihr Lebensthema heraus. Stellen Sie fest, was zu Ihnen, zu Ihrem innersten Wesen passt. Machen Sie
Gewusst wie! Annina Hess-Cabalzar findet überall und jederzeit einen Platz, an dem sie arbeiten kann, und sie kennt ihre Orte zum Entspannen und Auftanken. (Bild zvg.) Generationenarbeit. Fragen Sie sich, ‹wie lebten die Mütter in unserer Familie und was wäre ein nächster, ein neuer Schritt›.» Annina Hess-Cabalzar findet: «Eine Frau sollte wahrnehmen können, was zu tun ist. Bleibt sie bei den Kindern hat das einerseits Vorteile. Andererseits muss sie wissen, dass sie später beim Wiedereinstieg ins Berufsleben eventuell ganz unten zu beginnen hat. Das muss keineswegs ein Problem sein. Das ist eine Frage des Selbstbewusstseins.»
Kurzfristiges Coaching für Mütter Annina Hess-Cabalzar erklärt dies alles mit viel Gespür und grossem Engagement. «Von diesem Wissen, dieser Erfahrung können auch Nichtpatientinnen und -patienten profitieren. Wir sind unter anderem spezialisiert auf Standortbestimmung und kurzfristiges Coaching von Müttern und auch von Vätern.» Womit wir wieder im Spital Affoltern wären. Eigentlich wollte Annina Hess-Cabalzar nie zu nahe bei ihrem Mann arbeiten. Aber das Schicksal hatte andere Vorstellungen. «1990 fragte mich Martina Keiser, die erste Psychotherapeutin am Spital an, ob ich nicht die zweite Stelle annehmen wolle. Ich überlegte hin und her,
arbeitete zur grundsätzlichen Probe der Arbeit drei Monate im Spital als Pflegeassistentin in der Chirurgie. Dann sagte ich zu.»
«Menschenmedizin II» in Arbeit Für Annina Hess-Cabalzar und ihren Mann Christian Hess hatte die Arbeit beim gleichen Arbeitgeber viele Vorteile. «Wir konnten zusammen etwas entwickeln. Zum Beispiel das Buch Menschenmedizin.» Wir machten zuerst das Inhaltsverzeichnis, sagt Annina Hess-Cabalzar. «Dann legten wir fest, wer für welches Kapitel Haupt-, wer Co-Autor ist. Dabei hatte natürlich jeder von uns ein heftiges Stimmrecht.» Im vielbeachteten Werk zeigen die Autoren auf, dass die eigentliche Krise moderner Gesundheitssysteme nicht finanzieller Art ist, sondern geistigen Ursprungs. Anhand ausgewählter Einzelsituationen legen sie dar, dass individuelle Schicksale auch eigene, ganzheitliche medizinische Betreuungs- und Behandlungsprozesse bedingen – eben eine «Menschenmedizin». Bereits in innerer Arbeit ist das zweite Menschenmedizin-Buch. Menschenmedizin in einem öffentlichen Akutspital zu praktizieren braucht immer mehr politische An-
strengung. «Der Zeitgeist wird immer ökonomistischer, enger, unmenschlicher. Und dieser eingeschränkte Finanzblick, erzeugt bei uns ein Leiden. Darum bekämpfen wir, die akademie affoltern, die Fallpauschale mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Wir haben zusätzlich zur interdisziplinären Unterschriftensammlung für ein DRG-Moratorium, eine Petition lanciert, die von möglichst vielen Ärztinnen uns Ärzten unterschrieben werden soll. Der Kampf ist keineswegs verloren», sagt Annina Hess-Cabalzar und in ihren Augen blitzt Kampfgeist.
Rätoromanische Kämpfernatur Dieser Kampfgeist hat vielleicht mit den rätoromanischen Wurzeln zu tun. «Sie bedeuten mir sehr viel. Bei meinen Vorfahren gings ums Überleben, da war nichts Verwöhntes. Die Devise hiess: dranbleiben, durchhalten. Rätoromanisch ist für mich existenziell und wichtig. Es bedeutet Einfachheit. «Und ... setzt der Chronist zur letzten Frage an. Annina Hess-Cabalzar kennt die Antwort: «Selbstverständlich rede ich noch rätoromanisch – hauptsächlich mit meiner Mutter.» Martin Schuppli
Arbeitsplatz Spital Affoltern – Abschluss der Serie Nicht alle wissen, dass die Notfallabteilung rund um die Uhr offen ist, in der Chirurgie auch Schilddrüsen operiert werden und Krisenintervention auf allen Abteilungen praktiziert wird. Unbekannt ist sicher auch, dass grosse und kleine Patienten beim Psychotherapeuten kräftig auf die Pauke hauen dürfen und der Di-
rektor auf dem Fussballplatz die Nummer 10 trägt. In einer ausführlichen Serie porträtiert der «Anzeiger» Menschen, die im Spital arbeiten, und stellt seiner Leserschaft das breite Angebot unserer kleinen, aber feinen Klinik Affoltern vor. Der «Anzeiger» schliesst nun die Serie mit dem Porträt von Annina Hess-Cabalzar ab.
Bisher erschienen: Spitaldirektor Stephan Bachmann
med. Alice Asam, Kinderärztin (1. Oktober). Andreas
beraterin, und Nicole Müller-Leuenberger, Ernäh-
(«Anzeiger» vom 13. August). Lis Bürgi, Pflege-
Grieshaber, Pflegedienstleiter (8. Oktober). Vreni
rungsberaterin (26. November). Mario Krieger, Kü-
dienstleiterin (20. August). Dr. Matthias Wiens, Chef-
Naef, Leiterin der Spitalapotheke (15. Oktober). Mar-
chenchef (17. Dezember). Martin Koller, Projekte
arzt Chirurgie (24. August). Stefan Uhlig, stv. Leiter
kus Minder, Oberarzt Geriatrie/Palliative Care (29.
und Sicherheit (8. Februar 2011). Beatrice von Re-
Psychotherapie (27. August). Barbara Maag, Leiterin
Oktober). Karin Huber-Bollier, Leiterin Hauswirt-
chenberg, Leiterin Labor (18. Februar). Brigitta
Radiologie (31. August). Dr. med. Nadja Linden-
schaft (5. November). Rudolf Wegmann, Leiter Bau-
Hängärtner, Leiterin Gastronomie (4. März). Ner-
mann, Co-Chefärztin Medizin (3. September). Dr. Tim
projekte und Investitionen (12. November). Dr. Da-
min Yüksel, Hausdienst, und Dora Di Lascio, Wä-
Klose, Chefarzt Psychiatrie (17. September). Edwin
nielle Schreiber, Chefärztin Frauenklinik (19. No-
scherei (15. April). Liliane Bürge, Personalleiterin
Meier, Leiter Rettungsdienst (24. September). Dr.
vember). Marian Füegi Sonderegger, Diabetesfach-
(19. April).