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Der 21-jährige Skiakrobat Andrin Schädler erzählte in Ottenbach aus seinem Sportleralltag. > Seite

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Oliver Bär sprach von seiner Zeit als Schulleiter der Schweizerschule in Santiago de Chile. (Bild Luc Müller)

Keine Extrawurst für den Botschafter

Mettmenstettens Geschäftsführer Oliver Bär hielt Rede

Am 1. August stimmten die Festbesucher während der Festrede gleich mehrmals ab.

Von Luc MüLLer

Vom Dorf hoch ins Paradies: Dort, beim Festplatz neben dem Wohnheim Paradies, feierte die Gemeinde Mettmenstetten unter dem Blätterdach der mächtigen Bäume den 1. August. Bratwurstduft und heimatliche Klänge der Hopfemändli Örgeler aus Baar lagen in der Luft, als Oliver Bär ans Rednerpult trat. Der Geschäftsführer der Gemeinde Mettmenstetten arbeitete zuvor als Schulleiter der Schweizerschule in Santiago de Chile, in der rund 700 Schülerinnen und Schüler vom Kindergarten bis zum Schweizerischen Maturaabschluss den Unterricht besuchen. «Die Schule lebt viele Schweizer Werte wie Toleranz und Offenheit und lehrt auch Kompromiss und Konsens, wie er in der Schweiz oft zum Tragen kommt», erklärte Bär. Den Zuhörern auf den gut besuchten Festbänken erzählte er drei Situationen, in denen er als Schulleiter entscheiden musste. «Stimmen wir jeweils darüber ab, wie Sie entschieden hätten.» In der Schweizerschule in Chile mussten die Schülerinnen und Schüler ab der 6. Klasse eine Schuluniform tragen – zudem war es verboten, die Haare zu färben. «In der Schweiz herrscht in diesem Bereich eine andere Tradition. Was sollte ich tun, die Uniform abschaffen?» Bär liess die Eltern in Chile abstimmen. Ihr klares Votum: keine Schuluniformen mehr.

Gesunde Bescheidenheit

Der zweite Fall: Als Schulleiter wurde Oliver Bär von einem Elternpaar aufgesucht, das erzählte, dass ihre Tochter nach eigenem Willen von der Schule nun als Junge anerkannt werden soll. Und zwar noch bevor ein Gericht darüber entschieden hat. «Diese Transgenderfrage war nicht einfach zu beantworten», so Bär im Rückblick. Was sollte er tun, fragte er die Mettmenstetter in seiner Rede. Die Mehrheit der

1. -August-Feier-Gäste entschied per Handzeichen: Das Mädchen sollte als Junge akzeptiert werden. Bär: «Es war ein Entscheid der Familie, ihre Tochter neu als Jungen zu akzeptieren. Wir als Schule haben den Entscheid gestützt.»

Und die dritte Episode: Der Schweizer Botschafter musste an der 1.-August-Feier in Santiago de Chile für seine Bratwurst anstehen, was ihm missfiel. Sollte man nun dem neuen Botschafter die Wurst direkt servieren? Nein, so das Verdikt der Mettmenstetter. Auch für den neuen Botschafter war damals klar: «Ich stelle mich für die Wurst an.» Das Fazit von Bärs Rede: «Wir leben in einer Schweiz, in der wir debattieren können und auch eine gesunde Bescheidenheit haben.» Und so merke man auch, dass man vielleicht nicht immer recht habe und die andere Meinung leben lässt.

Mit den Gedanken in der Ukraine

Der 21-jährige Skiakrobat erzählte aus seinem Sportleralltag

In Ottenbach stand am 1. August Andrin Schädler am Rednerpult –noch nie hielt hier ein Jüngerer die Rede zum Nationalfeiertag.

Von Luc MüLLer

An der 1. -August-Feier in Ottenbach gab es einige Premieren: Erstens wurde die Rede erstmals auf Instagram live gestreamt, zweitens trat am Rednerpult der jüngste 1.-August-Redner aller Zeiten auf. Der Ottenbacher Andrin Schädler (21) ist als Skiakrobat Profisportler. Er ist Teammitglied im Team Aerials von Swiss-Ski.

In seiner Rede ging er auf seinen Sport ein. «Ich hatte letztes Jahr den Traum, an den Olympischen Spielen 2022 in Peking zu starten. Doch daraus wurde leider nichts.» Warum, erklärte er mit eindrücklichen Worten. «Ich legte 2021 den ganzen Fokus auf die Olympischen Winterspiele in Peking. Diesem Ziel ordnete ich alles unter.» Im Trainingslager in Finnland kam dann aber alles anders. «Schon meine Vorspringer waren nicht in Form. Die Salti waren nicht gut, die Drehungen zu kurz», erinnerte sich Andrin Schädler. «Auch ich wollte alles geben, doch in der Luft verlor ich die Orientierung – und wartete nur noch auf den Aufprall am Boden. Ein schlimmes Gefühl.»

Mit einer Prellung im Brustbereich kam er noch glimpflich davon. «Körperlich ging es mir eigentlich gut, doch mental ging mir der Sturz noch lange durch den Kopf.» Die Resultate stimmten nicht mehr. Das harte Verdikt für den jungen Sportler, der nach seiner Lehre alles auf die Karte Profisport gesetzt hatte: Es fehlte ihm ein Rang, um an die Olympischen Spiele zu fahren. Das war hart. Ich dachte in diesem Augenblick, ich sei der Ärmste auf der Welt, keinem ginge es schlechter. Doch schnell merkte er, wie privilegiert wir hier in der Schweiz sind.

«Danke für dieses Privileg»

«Bei unseren Wettkämpfen treffen wir immer auch auf Kollegen aus der Ukraine», so Schädler. Sie machten derzeit Schlimmes durch – teilweise schliefen sie nur noch in der Tiefgarage, um den Flugangriffen ausweichen zu können. «Sirenenalarm und Raketen. So beschrieb ein ukrainischer Kollege den Alltag», berichtete Andrin Schädler, der seine Rede wegen eines «Frosches» im Hals für fünf Minuten unterbrechen musste.

«Freuen wir uns also, dass wir in Frieden in unserem Land leben können. Danke für dieses Privileg», erklärte der Ottenbacher Ski-Sportler zum Schluss seiner sehr persönlichen Rede, die mit viel Applaus quittiert wurde.

«Nichts ist gottgege nichts ist selbstverst

Ignazio Cassis sprach in Knonau von kultureller Vielfalt

Auf dem Hof Stöckweid in Knonau genoss Bundespräsident Ignazio Cassis die Kontakte zur Bevölkerung und hielt eine kurze, launige, aber auch tiefsinnige Rede.

Von Marianne Voss

Wenn der Bundespräsident nach Knonau zum Brunch kommt, ist es naheliegend, dass auch Politprominenz anwesend ist. Die Knonauer Gemeindepräsidentin, Esther Breitenmoser, war unter den Gästen, ebenso Nationalrat Martin Haab aus Mettmenstetten und einige aktive wie auch ehemalige Lokalpolitikerinnen und -politiker.

Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands, war nicht nur Gast, denn der Bauernverband hatte den Brunchbesuch des Bundespräsidenten initiiert. Er war es, der Ignazio Cassis offiziell am Mikrofon begrüsste und ihm das Wort für seine Ansprache übergab. Die vier Seiten lange Rede des Bundespräsidenten war im Voraus fein säuberlich vorbereitet und den Medien bereits zugestellt worden. Doch diese Rede hielt er nicht. Zuerst plauderte er fröhlich über Champagner und Grappa, und er schwärmte von der schönen Reise hierher. Dann wurde er ernster und ging auf unsere Weltlage ein – auf den Krisenmodus, in dem wir seit mehr als zwei Jahren leben. «Nichts ist gottgegeben, nichts ist selbstverständlich. Das ist meine Botschaft für heute», betonte er.

Cassis sprach von unserer kulturellen Vielfalt, die uns zwinge, uns in die Augen zu schauen. «Warum sind wir diplomatisch so gut? Weil wir uns zuhören und verschiedene Meinungen vertreten müssen.» Zum Thema Krieg und Streit sagte er: «Wir dürfen uns streiten, aber wir müssen uns am Ende versöhnen. Ohne Versöhnung können wir nicht zusammenleben.» Humorvoll ergänzte er: «Nach einem Streit dürfen wir einen Schnaps zusammen trinken.» Die Tradition der Versöhnung habe uns dahin gebracht, wo wir sind. «Also weiter so, mit Lust auf Zusammengehörigkeit!», forderte er auf. Abschliessend fügt er an: «Jetzt habe ich nichts gesagt von dem, was ich hätte sagen sollen.» Als Geschenk erhielt er vom Direktor des Bauernverbandes eine EdelweissKrawatte, eine Kochschürze und ein Set Jasskarten.

Ein Name für das jüngste Kalb

Bundespräsident Ignazio Cassis unterhielt sich auch kurz mit dem «Anzeiger» und berichtete, dass er das Säuliamt gut kenne, da er als Student in Urdorf gewohnt habe. «Im Türlersee war ich nie baden, aber öfter auf Wanderungen hier unterwegs.» Dass Kappel historisch eine grosse Bedeutung habe, sei ihm bewusst gewesen. «Erst jetzt Bad in der Menge: Bundespräsident Ignazio Cassis

Erinnerungsfoto mit jungen Brunch-Helferinnen

vor diesem Besuch wurde mir aber bewusst, welch wichtige Stellung Knonau hatte.» Der Besuch in der Stöckweid habe ihm sehr gefallen, besonders diese unbeschwerte Art des Treffens mit der Bevölkerung.

Schliesslich ging er wieder, so, wie er gekommen war, ohne grosses Aufsehen. Er

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