AWO Ansicht Heft 4-2023

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Reichtum umverteilen. Vermögen, Einkommen oder Erbschaften sind in Deutschland immer ungleicher verteilt. Es ist an der Zeit, dass starke Schultern mehr Lasten tragen als schwache.



AWO A N SI C H T

Liebe Leserin, lieber Leser, »Es geht nicht darum, die Steuern für die Mitte der Gesellschaft zu erhöhen; es sind die Reichen und Reichsten dieser Gesellschaft, die einen größeren Beitrag zu unserem Gemeinwohl leisten müssen«, lautet es im aktuellen WSI-Verteilungsbericht (Auszüge davon im Heft). Zu Beginn des Jahres testierte Oxfam in ihrem Ungleichheits-Bericht die zunehmenden globalen Verwerfungen und ungerechten Entwicklungen zwischen Arm und Reich. Reichtum und Einkommen sind in Deutschland und weltweit immer ungleicher verteilt. Angesichts dieser anhaltenden Entwicklungen in unserer Gesellschaft braucht es dringend rasche und effiziente Gesetze für eine gerechte Umverteilung, um dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerecht zu werden; es muss endlich eine gesellschaftliche Debatte über die Weitergabe von Privilegien geführt werden, bei der auch die Themen Vermögenssteuer und Erbschaften keine Tabus mehr sein dürfen. Denn nur wenn wir endlich die Ausnahmen vom Leistungsprinzip in unserer Gesellschaft erkennen und systematisch abbauen, können wir das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft vom Wohlstand für alle einlösen. Letztlich erhöhen solche Maßnahmen »die Legitimitätsbasis unserer Demokratie, indem sie die Lasten der Krisen gerechter verteilen – ein entscheidender Baustein dafür, das Vertrauen in unsere freiheitlich demokratische Grundordnung wieder zu stärken«, so der WSI-Verteilungsbericht. Die AWO Ansicht erscheint in dieser Form das letzte Mal. Wie und in welchen Formaten sie ab 2024 publiziert wird, erfahren Sie auf der letzten Seite des Heftes. Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit und wünschen einen geruhsamen Jahresausklang.

Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin

Michael Groß, Präsident

I M P R E SS U M Herausgeber AWO Bundesverband e. V. Blücherstraße 62 / 63 • 10961 Berlin Tel 030 / 26309-0 • Fax 030 / 26309-32599 info@awo.org • www.awo.org Redaktion AWO Ansicht Tel 030 / 26309 -253 Fax 030 / 26309 -32253 awo-ansicht@awo.org Redaktion Berit Gründler Peter Kuleßa v.i.s.d.P.

Konzept und Gestaltung Stephanie Roderer, www.stephanie-roderer.de Fotografie/Illustration S. Titel, S. 9, S.10-13 Claudia Lieb S. 3 AWO Bundesverband S. 4-7 Marlene Limburg für den AWO Bundesverband S. 4 privat S. 7 AWO International S. 18 FU-Berlin

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AWO A K T U E L L

KAM PAG N E G E G E N SPARH AU SH ALT

Mobilisieren gegen Sparvorhaben Rund 3.000 Menschen versammelten sich am 8. November vor dem Deutschen Bundestag, um gemeinsam gegen den Sparhaushalt der Bundesregierung zu protestieren. Die Arbeiterwohlfahrt, das Bundesjugendwerk der AWO und das Zukunftsforum Familie (ZFF) hatten gemeinsam zur Kundgebung aufgerufen. Der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland drohten Kürzungen und Streichungen in Höhe von insgesamt 25 Prozent, mit fatalen Folgen für den Sozialstaat und die Gesellschaft, so die Organisator*innen. Im Rahmen der Kampagne »Die Letzte macht das #LichtAus« forderte das Bündnis den Bundestag auf, die von der Bundesregierung geplanten Sozialkürzungen zurückzunehmen, den Koalitionsvertrag einzuhalten und die Finanzierung essenzieller Einrichtungen und Dienste sicherzustellen. Vertreter*innen aller anderen Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege sowie die Gewerkschaft ver.di schlossen sich der Kundgebung an.

Tausende Menschen aus dem Bundesgebiet demonstrierten gegen Sozialabbau und für ein solidarisches Miteinander – auch vor allem in ungewissen Zeiten.

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Rund 3.000 Menschen demonstrierten gegen die Sparpläne der Bundesregierung

Einig zeigten sich die Spitzen der sechs Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in der Ablehnung von Sozial­ kürzungen und forderten den Ausbau sozialstaatlicher Leistungen für den Erhalt des sozialen Friedens in Deutschland.

Eindringlich warnten der amtierende BAGFW-Vorsitzende Michael Groß (Bild oben), die stv. Vorsitzende des ZFF Meike Schuster (Mitte, links), der Bundesjugendwerk-Vorsitzende Senihad Sator (Mitte, rechts) sowie ver.di-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler (Bild unten) vor den sozial- und demokratie­ politischen Folgen von finanziellen Kürzungen.


Z U D E N E RG EBN ISSEN DER H AU SH ALTSBER ATUNG EN

Ein »großer Sprung nach vorne«, aber keine Entwarnung für soziale Infrastruktur

Das Schlimmste verhindert In der »Bereinigungssitzung« hat sich der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am 17. November 2023 politisch auf den Bundeshaushalt 2024 verständigt. Die Arbeiterwohlfahrt zieht eine gemischte Bilanz: Die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen im sozialen Bereich wurden vom Haushaltsausschuss so glücklicherweise nicht bestätigt. »Was der Haushaltsausschuss nun vorgelegt hat, ist ein großer Sprung nach vorne im Vergleich zum Regierungsentwurf«, so Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt. »Seit Monaten kämpfen wir dafür, dass die soziale Infrastruktur nicht weggekürzt wird. Wir sind froh darüber, dass wir damit offenbar bei vielen Abgeordneten gehört wurden.« Die Abgeordneten im Haushaltsausschuss hatten offenbar erkannt, was für die Gesellschaft auf dem Spiel steht. Durch die aktuelle Planung kann davon ausgegangen werden, dass nicht, wie befürchtet, 2024 großflächig Angebote insbesondere aus den Bereichen Migration und Freiwilligendienste

Inhalt der Texte: Stand 18.11.2023

geschlossen werden müssen. Auch Projekte der Spitzenverbände und zur Arbeitsmarkteingliederung werden nun doch ermöglicht. »Der von der Regierung vorgelegte Entwurf hätte in Zeiten schwerer Krisen das soziale Fundament zu massiv geschwächt«, so Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt. »Der nun vorliegende Haushalt ist vor dem Hintergrund steigender Kosten noch immer eine enorme Herausforderung für unsere Dienste und Einrichtungen – die ganz düsteren Szenarien müssen wir nun aber nicht mehr erwarten.« Die Haushaltslage hatte sich kurz vor der Sitzung des Haushaltsausschusses nochmal dramatisch verschärft: Aufgrund der strengen Auflagen der Schuldenbremse urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass der Bund Restmittel aus der CoronaPandemie nicht für die Bekämpfung der Klimakrise umwidmen dürfe. »Hier zeigt sich vor allem eins: Die Schuldenbremse ist eine Gefahr für die Handlungsfähigkeit unserer Demokratie und gehört endlich abgeschafft!«, so Groß und Sonnenholzner.

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RESO LUT I O N D E S AWO BU N DESVERBAN DES

Runter von der Schuldenbremse Zum Ergebnis der »Bereinigungssitzung« des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages erklärt der AWO Bundesverband in der Sitzung des Bundesausschusses der Arbeiterwohlfahrt am 18.11.2023:

Die Debatte um den Bundeshaushalt 2024 war eine Zäsur für das soziale Fundament in Deutschland. In Zeiten schwerer Krisen, die den Zusammenhalt der Gesellschaft auf eine harte Probe stellen, sollte nach dem Willen von Finanzminister Lindner und Familienministerin Paus dort gespart werden, wo für viele Menschen eine bessere Zukunft gewonnen wird: bei den sozialen Diensten und Einrichtungen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages sich dieser Strategie verwehrt und umfangreiche Teile der Kürzungen im sozialen Bereich rückgängig gemacht hat. Die Richtung, in die sich der Diskurs bewegt, ist dennoch alarmierend. Um eine Sparpolitik durchzusetzen, die jeder rationalen Grundlage entbehrt, bedient sich der Finanzminister ausgerechnet bei den gemeinnützigen Trägern der Freien Wohlfahrtspflege. Wurden Pflegekräfte und Sozialarbeiter*innen in der Corona-Krise noch als »systemrelevant« gefeiert, sollte ihnen nun in zahlreichen Tätigkeitsfeldern die Perspektive auf eine gute Finanzierung ihrer Arbeit genommen werden. Als Arbeiterwohlfahrt haben wir uns in den letzten Monaten gemeinsam mit dem Bundesjugendwerk der AWO und dem Zukunftsforum Familie geschlossen und mutig dafür eingesetzt, diese Sozialkürzungen zu stoppen, und wir hatten in einigen Bereichen wie der Migrationsberatung, den Freiwilligendiensten und der Arbeitsmarkteingliederung Erfolg. Wir stehen auch in Zukunft mit aller Kraft dafür ein, dass in den sozialen Einrichtungen und Diensten nicht das Licht ausgeht! Die Trendumkehr der neoliberalen Haushaltspolitik der Bundesregierung muss mit mehr Gerechtigkeit auf der Einnahmenseite des Staates beginnen. Wir brauchen endlich eine sozial gerechte Steuerpolitik – mit einer Vermögenssteuer, einer dauerhaften und wirksamen Übergewinnsteuer, der fairen

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Die Trendumkehr der neoliberalen Haushaltspolitik der Bundesregierung muss mit mehr Gerechtigkeit auf der Einnahmenseite des Staates beginnen. Wir brauchen endlich eine sozial gerechte Steuerpolitik.

Besteuerung hoher Einkommen und Erbschaften, höheren Grundfreibeträgen für Personen mit niedrigem Einkommen, einem Ende der Finanzkriminalität und Steuervermeidung sowie der klimaschädlichen Subventionen. Auch eine einmalige Vermögens­ abgabe – als solidarischer Beitrag in Zeiten großer Krisen – muss Gegenstand der Diskussionen sein. Die Einführung einer Bürger*innenversicherung muss diesem Paradigmenwechsel auch im Bereich der Sozialversicherung Rechnung tragen und hohe Einkommen stärker an der Finanzierung der öffent­lichen Daseinsvorsorge beteiligen. Außerdem ist spätestens heute klar: Die Schuldenbremse war ein historischer Webfehler in der Finanzarchitektur unseres Staates, der endlich korrigiert werden muss. Was uns der Bundeshaushalt 2024 eindrucksvoll vor Augen führt, ist nicht nur eine falsche politische Prioritätensetzung. Vielmehr wird nun deutlich, dass die Finanzierung zentraler sozialer Aufgaben in der Logik der »Projektförderung« nicht zukunftsfest ist. Migrationsberatung, Freiwilligendienste und andere soziale Strukturen können durch gemeinnützige Träger nicht nachhaltig angeboten werden, wenn diese Jahr für Jahr um ihre Finanzierung bangen müssen. Auch mit Blick auf den Fachkräftemangel ist diese Finanzierungslogik eine große Gefahr: Wenn Mitarbeitende jedes Jahr bis Mitte Dezember bangen müssen, ob sie ab dem 01.01. weiterbeschäftigt werden können, wird die Soziale Arbeit zu einer unattraktiven Arbeitgeberin, die Fachkräfte weder halten noch gewinnen kann. Es ist außerdem nicht vermit-


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25 Jahre AWO International

telbar, dass inflations­bedingte Preissteigerungen und höhere Tarifabschlüsse bei Förderprogrammen des Bundes nicht ausgeglichen werden. Wenn der Bund für seine Verwaltung Tarifsteigerungen zustimmt, muss er diese auch den aus Bundesmitteln geförderten gemeinnützigen Trägern zugestehen. An die Stelle von einjährigen Förderzeiträumen müssen langfristige, regelhafte Finanzierungsmodelle treten. Es muss heute Klarheit darüber geben, mit wie vielen Ressourcen ein gemeinnütziger Träger in fünf Jahren rechnen kann – anderenfalls werden Investitionen gebremst, Fachkräfte vergrault und Klient*innen dem Risiko eines Strukturverlusts ausgesetzt. Als Arbeiterwohlfahrt werden wir diese Botschaft mit viel Nachdruck kommunizieren und uns für sie einsetzen. Um den bereits entstandenen Schaden im nächsten Jahr zu begrenzen, appellieren wir an Verantwortliche auf allen Verwaltungsebenen, einen gemeinsamen Kraftakt zu wagen. Bund, Länder und Kommunen müssen sich schnell an einen Tisch setzen und gemeinsam prüfen, wie sie den Verlust oder die Einschränkung von sozialen Angeboten noch abwenden können. Als Arbeiterwohlfahrt stehen wir bereit, eine solche konzertierte Aktion kritisch und konstruktiv zu begleiten und unsere Expertise aus mehr als 100 Jahren Sozialer Arbeit im Sinne unserer Klient*innen und der gesamten Gesellschaft einzubringen. Für die Zeit danach muss klar sein: Von der Schuldenbremse profitieren Finanzmärkte, nicht Menschen. Es wird mit der Schuldenbremse und ohne mehr Verteilungsgerechtigkeit keinen zukunftsfähigen Sozialstaat geben!

Solidarität kennt keine Grenzen. Seit ihrer Gründung vor über 100 Jahren gehört die internationale Solidarität zum Selbstverständnis der Arbeiterwohlfahrt. Um dieses Engagement zu professionalisieren und zu bündeln, schlossen sich 1998 Haupt- und Ehrenamtliche aus verschiedenen AWO-Verbänden zusammen und gründeten AWO International als gemein­ samen Fachverband für humanitäre Hilfe. Auf rein ehrenamtlicher Basis koordinierte AWO International in den ersten Jahren Hilfstransporte nach Naturkatastrophen, verteilte Lebensmittelpakete und unterstützte lokale Organisationen beim Wiederaufbau. 25 Jahre später hat sich viel getan: Mit über 50 hauptamtlichen Mitarbeitenden in 6 Ländern und aktuell über 300.000 Menschen, die von der Projektarbeit direkt erreicht werden, ist AWO International heute kaum wiederzuerkennen. Doch eines bestimmt damals wie heute das Handeln: die AWO-Werte Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. AWO International engagiert sich jährlich weltweit in rund 50 Projekten, immer in enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, wie zuletzt nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien. Gleichzeitig liegt ein Schwerpunkt auf der Anpassung an den Klimawandel und der Katastrophenvorsorge. »Wir freuen uns sehr über 25 erfolgreiche Jahre, und wir danken unseren 340 Mitgliedern und allen unseren Spender*innen für ihre Unterstützung auf diesem Weg«, sagt Rudi Frick, Vorstandsvorsitzender von AWO International: »Gerade in diesen herausfordernden Zeiten mit zunehmenden Klimakatastrophen, einem Krieg in Europa und einem Erstarken der extremen Rechten in Deutschland sind internationale Solidarität und der Kampf für eine gerechtere Welt wichtiger denn je.« www.awointernational.de Spendenkonto: AWO International IBAN: DE87 3702 0500 0003 2211 00 Stichwort: Vergessene Krisen

Berlin, am 18.11.2023

Inhalt der Texte: Stand 18.11.2023

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Reichtum in Deutschland 27.400 Einkommensmillionär*innen gab es laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2019 in Deutschland. Millionär*innen sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs unter den Hochverdienenden. Eine gängige Definition für Einkommensreichtum orientiert sich an den finanziellen Verhältnissen der Mitte der Gesellschaft. Danach gilt als reich, wer über 200 Prozent des mittleren NettoEinkommens verfügt. Die Reichtumsschwelle lag für Alleinlebende 2022 bei rund 3965 Euro. Seit 2005 sind das in Deutschland konstant über 7,5 Prozent der gesamten Bevölkerung. Hohe Einkommen sind die eine Seite der Medaille. Wer sich mit Reichtum beschäftigt, muss aber auch einen Blick auf die Vermögen der Menschen werfen. Zwar gibt es einen starken statistischen Zusammenhang zwischen hohen Einkommen und Vermögen, doch ist die ungleiche Verteilung beim Vermögen noch einmal viel stärker ausgeprägt als bei den Einkommen. Das liegt vor allem daran, dass Vermögen über Generationen hinweg vererbt wird. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzt weniger als 1 Prozent des gesamten Nettovermögens, die reichsten 10 Prozent hingegen fast 60 Prozent. Das individuelle Nettovermögen setzt sich hier zusammen aus dem Bruttovermögen (Sachvermögen, Geldvermögen und Betriebsvermögen) abzüglich aller Verbindlichkeiten. Deutschland ist ein wohlhabendes Land, doch der Kuchen ist sehr ungleich verteilt. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass es viele starke Schultern gibt, die einen noch größeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten können, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Einkommensarmut und Einkommensreichtum in Deutschland, 2010–2022 (Angaben in Prozent)

Armut Strenge Armut Reichtum

18,0 16,0

16,2 14,5

16,9

16,7

14,5

14,0 12,0 10,0 8,0 6,0

9,7 8,1

10,3

10,1

8,1 7,7

7,7

7,7

4,0 2,0 0,0 2010

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2019

2020*

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Anteile der Perzentile am jeweiligen Nettovermögen

Anmerkungen: Anteil der Personen, die in Haushalten mit einem verfügbaren Einkommen von weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens (Gesamtgruppe der Armen) bzw. weniger als 50 Prozent (Teilgruppe der streng Armen) leben; Einkommensreichtum beginnt ab einem verfügbaren Einkommen von mehr als 200 Prozent. Zeitreihenbruch zwischen 2019 und 2020. Die Daten für 2022 sind Erst- und nicht Endergebnisse. *eingeschränkte Vergleichbarkeit des Jahres 2020 mit den darauffolgenden Jahren Quelle: Mikrozensus 2023, eigene Darstellung

Reichere Hälfte:

> 99

Ärmere Hälfte:

%

0,5

%

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Lebenslagen in Deutschland. Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung. Begleitforschung zum Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Kleimann et al. (2019): Analyse der Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland, S.103ff. https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/SharedDocs/Downloads/Service/Studien/ 1-studie-iaw-ifo-tuebingen.pdf?__blob=publicationFile&v=2

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AWO T H E MA Armutsgefahr Migration 27,8 % war der Anteil der armutsgefähr­deten Personen mit Migrations­hintergrund im Jahr 2019 in Deutschland, mehr als doppelt so hoch wie bei den Personen ohne Migrationshintergrund (11,7 Prozent). Quelle: Statistisches Bundesamt 2021

Wenige haben viel In Deutschland besaßen im Jahr 2021 zwei Familien mehr Vermögen als die unteren 50 Prozent der Deutschen – das sind 41 Millionen Menschen. Quelle: Jacobin Magazin (online vom 22.1.2022)

Reiche verschmutzen die Umwelt Die Emissionen der reichsten 0,001 Prozent in Deutschland, etwa 800 Menschen, werden auf 11.700 Tonnen im Jahr geschätzt. Das ist das Tausendfache des deutschen Durchschnitts. Quelle: World Inequality Database 2022, in: taz, online, 25.3.2023


Reiche leben länger Die reichsten Männer im Alter von 50 Jahren können noch mit etwa 31 »gesunden« Jahren rechnen. Bei armen Männern sind es nur etwa 22 Jahre, was einem Alter von 72 ent­ spricht. Bei den Frauen findet sich das gleiche Muster, nur dass ihre »Gesundheitserwar­ tung« für beide Gruppen etwas länger als die der Männer ist. Sie beträgt 83 und 74 Jahre. Quelle: Journal of Gerontology 2021

Bildungsfalle Armut Armutsbetroffene Kinder und Jugendliche haben tendenziell ge­ringere Bildungsab­ schlüsse oder größere Schwierigkeiten beim Übergang in die Grundschule und von der Grundschule in die weiterführende Schule. Nicht selten finden diese jungen Menschen später dann keine Ausbildungsstelle und tauchen in der Statistik unter den unver­ sorgten Bewerber*innen auf. Quelle: ISS-Langzeitstudie 2022

Reichtum als Problem Es muss endlich eine gesellschaftliche Debatte über die Weitergabe von Privile­ gien geführt werden. Themen wie die Einführung einer Vermögenssteuer und eine angemessene Besteuerung von Erbschaften dürfen keine Tabus mehr sein. Neben der Einnahmenseite müssen auch auf der Ausgabenseite die Hindernisse beseitigt werden. Eine Abschaffung der Schuldenbremse wäre hier ein bedeutsamer Schritt in die richtige Richtung.


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Reichtum umverteilen Vermögen und Einkommen sind in Deutschland extrem ungleich verteilt. Angesichts knapper öffentlicher Kassen gilt jetzt mehr denn je: Wir müssen über die Verteilung der Ressourcen in unserer Gesellschaft sprechen. AUTOR LUKAS WERNER

Vielen Menschen in Deutschland geht es trotz der Krisen der vergangenen Jahre gut. Auf der Sonnenseite unserer Gesellschaft stehen Menschen, die ein sicheres Einkommen haben und in ihren Eigenheimen leben. Viele können mehrfach im Jahr in den Urlaub fahren und ihren Kindern die beste Ausbildung ermöglichen. Die Sparquote privater Haushalte ist im Vergleich zu anderen Industriestaaten hoch. Unter den Menschen auf der Sonnenseite gibt es auch einige sehr vermögende Menschen. Eine Studie von Oxfam legt nahe, dass durch die Pandemie vor allem die Reichsten ihr Vermögen steigern konnten. Demgegenüber stehen nach Angaben des Statis­ tischen Bundesamts 17,3 Millionen Menschen, die 2022 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht waren. Ungleiche Lebensverhältnisse können Gesellschaften vor Zerreißproben stellen. Sie gefährden den sozialen Zusammenhalt, da sie nur bis zu einem gewissen Grad zu rechtfertigen sind. Leistet die Vorständin eines börsennotierten Unternehmens wirklich so viel mehr als der Paketbote, wie es durch ihre Gehälter zum Ausdruck kommt? Sind die hohen

» Denn die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen ist kein Phänomen der letzten Jahre, sondern das Ergebnis jahrzehntelangen poli­tischen Unwillens, Verteilungskonflikte wirklich auszufechten.«

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Freibeträge bei Erbschaften wirklich mit dem Leistungsprinzip unserer Gesellschaft vereinbar? Sollte Vermögen besteuert werden oder nicht, und wenn ja: wie stark?

Politischer Unwille Vor der Frage der gerechten Verteilung von Reichtum und Privilegien steht die Gesellschaft nicht erst seit Kurzem. Denn die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen ist kein Phänomen der letzten Jahre, sondern das Ergebnis jahrzehntelangen politischen Unwillens, Verteilungskonflikte wirklich auszufechten. So ist zum Beispiel der Steuersatz für die höchsten Einkommen heute niedriger als Mitte der 1990er-Jahre. Im gleichen Zeitraum hat die Einkommensungleichheit jedoch deutlich zugenommen. Lange Zeit ging es Deutschland wirtschaftlich sehr gut, und die Politik konnte mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Verteilungskonflikte größtenteils umschiffen. Die simple Lösung: (fast) alle haben mehr bekommen. Neben der Bewältigung der Krisenfolgen der vergangenen Jahre kommen durch Entwicklungen wie den demografischen Wandel oder die Klimakrise weitere Herausforderungen auf die Gesellschaft zu, die langfristig mit enormen Kosten verbunden sein werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich zum einen die Frage, inwiefern dringend


ermöglichen können. Das Inflationsausgleichsgesetz ist nur eines der Beispiele, bei denen die Politik aus verteilungspolitischen Gesichtspunkten die falschen Prioritäten gesetzt hat. Andere Maßnahmen, wie der Tankrabatt, wurden berechtigterweise mit dem Etikett Gießkanne versehen.

» Zum anderen stellt sich immer stärker die Frage, ob der Staat den ihm zur Verfügung stehenden Spielraum auf der Einnahmen­seite ausreichend nutzt, um seine Ausgaben zu decken.« notwendige Investitionen mit selbst auferlegten Regeln wie der Schuldenbremse möglich sind. Zum anderen stellt sich immer stärker die Frage, ob der Staat den ihm zur Verfügung stehenden Spielraum auf der Einnahmenseite ausreichend nutzt, um seine Ausgaben zu decken. Das ist bisher leider nicht der Fall. Schon länger beobachten wir eine Politik, die, obwohl scheinbar eine Krise die nächste ablöst, keine mutigen verteilungspolitischen Entscheidungen trifft, um dadurch alle in unserer Gesellschaft mitnehmen zu können. Die Entlastungspakete infolge des russischen Angriffskriegs waren in Teilen Ausdruck dieser Politik, die nicht ausreichend auf den sozialen Ausgleich bedacht ist. Mit teuren Maßnahmen wie dem Inflationsausgleichsgesetz wurden Anpassungen in der Einkommensteuer vorgenommen, mit denen Gutverdienende stärker entlastet wurden als Geringverdienende. Von der doppelten Erhöhung der Kinderfreibeträge profitieren vor allem Familien, die sich schon jetzt wenig Sorgen um ihren Kontostand machen müssen und ihren Kindern auch ohne höhere Freibeträge ein Aufwachsen in Wohlergehen

Kurz nach dem Beschluss dieser kostenintensiven Maßnahmen – und damit schon lange vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaund Transformationsfonds und seinen noch nicht abzusehenden langfristigen Folgen – wurde verlautbart, dass der Staat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem habe. Das Sozialstaatsbudget sei insgesamt zu hoch, und so würde zum Beispiel das Geld für eine armutsvermeidende Kindergrundsicherung fehlen. Darüber hinaus wurde dem Sozialen in vielen Bereichen mit dem Rotstift gedroht, wie der Entwurf zum Bundeshaushalt 2024 aus dem Sommer gezeigt hat. Doch Sozialpolitik kostet Geld, wenn sie eine nachhaltige Wirkung entfalten soll, sei es für eine echte Kindergrundsicherung, die wirklich vor Armut schützt; sei es für die Weiterentwicklung von Maßnahmen zur nachhaltigen Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt, für den sozialen Wohnungsbau oder für die verlässliche und auskömmliche Finanzierung von Schulsozialarbeit, Migrationsberatung und Freiwilligendiensten; oder sei es für langfristig und auskömmlich finanzierte Projekte zur Förderung des Demokratieverständnisses – die Liste ließe sich weiterführen.

Breite Schultern müssen mehr tragen Angesichts der drohenden Spaltung in der Gesellschaft und der vor uns liegenden Herausforderungen grenzt es daher an Realitätsverweigerung, die Einnahmenseite des Staates mit den ihm zur Verfügung stehenden Instrumenten nicht zu stärken, um den Bürger*innen einen starken und verlässlichen Sozialstaat zur Seite zu stellen. Seine auskömmliche Finanzierung darf nicht jedes Jahr aufs Neue in Haushaltsverhandlungen zur Disposition stehen. Denn das untergräbt bei vielen Menschen das Vertrauen darin, dass unsere Demokratie resilient und handlungsfähig ist, dass grundsätzliche Versprechen Bestand haben und man sich auf die soziale Sicherheit verlassen kann. Angesichts der angespannten finanziellen Lage müssen breite Schultern für einen gut ausgebauten Sozialstaat, der allen Teilhabe gewährleistet, schlichtweg mehr tragen. Dafür setzt die AWO sich auf Basis ihrer Grundwerte seit Langem ein und fordert unter anderem eine gerechte Besteuerung von Einkommen und Vermögen sowie die stärkere Heranziehung von großen Erbschaften.

lukas.werner@awo.org

Inhalt des Textes: Stand 18.11.2023

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Soziale Ungleichheit: ein Überblick

REICH

Die Autorin und der Autor zeigen im WSI-Verteilungs­ bericht, wie sich anhaltend hohe Einkommensungleichheiten auf die Lebensrealitäten von Menschen auswirken und welche Herausforderungen und Gefahren dies für das demokratische Miteinander mit sich bringt. AUTOR*INNEN JAN BRÜLLE, DOROTHEE SPANNAGEL

Die ungleiche Verteilung des Zugangs zu Ressourcen und Positionen zwischen Personen und Personengruppen wird allgemein als soziale Ungleichheit bezeichnet (Böhnke et al. 2023). Der Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln, einem schönen Wohnumfeld, einem sicheren Job oder einer guten Ausbildung ist für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit, für andere erscheinen diese Dinge unerreichbar. Finanzielle Ressourcen sind dabei Dreh- und Angelpunkt der Verteilung von Lebenschancen. Geld ist das zentrale Mittel für den Erwerb von Gütern und Dienstleistungen und damit ausschlaggebend für den Lebensstandard und die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen. In diesem Bericht betrachten wir sowohl die Entwicklung der Einkommensungleichheit insgesamt als auch die Situation von Personen in verschiedenen Einkommenspositionen. Wie haben sich hohe, niedrige und mittlere Einkommen entwickelt? Öffnet oder schließt sich die sprichwörtliche Schere zwischen den obersten und untersten Einkommen? Als einkommensarm oder einkommensreich gelten Menschen, wenn sie im Verhältnis zum gesellschaftlichen Standard besonders viel oder besonders wenig Einkommen haben. Die Betrachtung dieser Extrempositionen ist wichtig, weil Menschen gerade in den unteren Bereichen der Einkommensverteilung deutlich hinter dem Lebensstandard der Mitte der Gesellschaft zurückbleiben (Becker et al. 2022). Dagegen geht ein sehr hohes Einkommen nicht nur mit zahlreichen Möglichkeiten des Konsums und des Vermögensaufbaus einher, die anderen Gruppen verschlossen bleiben – er beschert den Reichen auch großen politischen Einfluss (Elsässer et al. 2016).

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Eine zentrale Rolle für die Verteilung von finanziellen Mitteln in unserer Gesellschaft spielen dabei Märkte: Die meisten Menschen finanzieren ihren Lebensunterhalt durch ihre eigene Arbeit und sind deshalb auf den Zugang zu sicherer und angemessen entlohnter Erwerbstätigkeit angewiesen. Aber auch der Kapitalmarkt hat gerade für die Einkommen sehr reicher Menschen eine zentrale Bedeutung. Die Regeln, nach denen diese Märkte funktionieren, werden von der Politik gesetzt, aber gerade auf dem Arbeitsmarkt spielt neben individuellen Qualifikationen und Eigenschaften auch eine große Rolle, inwiefern Arbeitnehmer*innen in der Lage sind, sich gewerkschaftlich zu organisieren und gemeinsam für ihre Interessen zu kämpfen. Die Ungleichheiten in den Markteinkommen werden zudem durch den Wohlfahrtsstaat abgemildert, indem reichere Menschen höhere Abgaben zahlen und Menschen mit niedrigen Einkommen oder Personen außerhalb des Arbeitsmarktes durch Transferleistungen wie etwa das Bürgergeld unterstützt werden. In vielerlei Hinsicht ist Deutschland heute im Vergleich zu den 1990er-Jahren ein sehr ungleiches Land. Die Ungleichheit der Einkommen hat vor allem zwischen Ende der 1990er- und Mitte der 2000er-Jahre stark zugenommen (Spannagel/Molitor 2019). Nach 2005 hat sich die Ungleichheit der Einkommen trotz eines stetigen Rückgangs der Arbeitslosigkeit weiter vergrößert, auch wenn sich der Anstieg der Ungleichheit in dieser Phase verlangsamt hat; sie befand sich auch am Ende dieser Dekade noch auf einem deutlich höheren Niveau als 1999. Während die untersten Einkommen in den letzten Jahrzehnten teilweise real gesunken sind, haben höhere Ein-


Beschäftigten, geringere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, und erleichterten zudem erheblich die Nutzung atypischer Beschäftigung für Arbeitgeber (Möller 2015).

ARM » In vielerlei Hinsicht ist Deutschland heute im Vergleich zu den 1990er-Jahren ein sehr ungleiches Land. Die Ungleichheit der Einkommen hat vor allem zwischen Ende der 1990er- und Mitte der 2000er-Jahre stark zugenommen.«

kommen deutlich zugenommen (Grabka 2021). Diese Entwicklung lässt sich insbesondere auf wachsende Ungleichheiten in den Erwerbseinkommen zurückführen, unter anderem auf einen starken Anstieg der Niedriglohnbeschäftigung zwischen Ende der 1990er- und Ende der 2000er-Jahre (vergleiche für die strukturellen Ursachen gestiegener Arbeitsmarkt­ungleichheiten Fitzenberger/ Seidlitz 2020). Angetrieben wurden diese Veränderungen zum einen durch langfristige strukturelle Entwicklungen wie die zunehmenden Möglichkeiten für deutsche Firmen, Arbeitsplätze in Niedriglohnländer zu verlagern, wie auch durch den technologischen Wandel, der veränderte Qualifikationsanforderungen im Arbeitsmarkt nach sich zog. Zum anderen sinkt seit Jahrzehnten der Anteil von Arbeitnehmer*innen, die durch Flächentarifverträge abgedeckt werden, sodass vor allem bis zur Einführung des Mindestlohns der Lohnsetzung nach unten kaum Grenzen gesetzt waren und es zu Reallohnverlusten für weite Teile der Beschäftigten kam. Zu Beginn der 2000er-Jahre wurden diese Entwicklungen insbesondere im Rahmen der sogenannten »Hartz-Reformen« durch politische Veränderungen flankiert. Diese führten zu einer Zunah­me der Bereitschaft von Arbeitssuchenden und

Gleichzeitig wurde auch die Besteuerung für hohe Einkommen und Vermögen in den vergangenen Jahrzehnten stark reduziert; etwa durch die deutliche Absenkung des Spitzensteuersatzes von 56 Prozent Mitte der 1980er-Jahre auf heute nur mehr 42 Prozent oder durch die Aussetzung der Vermögenssteuer seit dem Jahr 1997. All diese Veränderungen stehen hinter dem starken Anstieg der Einkommensungleichheit Anfang der 2000er-Jahre (Biewen/Juhasz 2012). Die zunehmende Ungleichheit ging mit wachsender Einkommensarmut einher, und dies vor allem in Form einer wachsenden Verfestigung prekärer Lebenssituationen: Für viele arme Haushalte wurde es schwieriger, aus Armut und niedrigen Einkommenspositionen aufzusteigen (Groh-Samberg 2014; Brülle/ Gangl 2023). Transferleistungen wie die Arbeitslosenversicherung oder das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) reichten zudem für immer weniger Haushalte aus, um bei niedrigen Erwerbseinkommen Armut zu vermeiden. Dabei spielt die wachsende Heterogenität von Erwerbsbiografien eine zentrale Rolle: Wiederkehrende Episoden von Arbeitslosigkeit gehen für die Betroffenen auch längerfristig mit geringeren Einkommen einher und haben so zu steigenden Ungleichheiten im Allgemeinen und der Verfestigung von Armut in individuellen Biografien im Speziellen entscheidend beigetragen. Gerade unregelmäßige Erwerbsbiografien mit häufigen Erfahrungen von Arbeitslosigkeit und/oder atypischen Beschäftigungsverhältnissen wie geringfügige Beschäftigung oder Leiharbeit sind dabei im deutschen Wohlfahrtsstaat besonders schlecht abgesichert: Arbeitslosen- und Rentenversicherung setzen für ein angemessenes Niveau sozialer Absicherung eine kontinuierliche Beschäftigung und ein stabiles Erwerbseinkommen voraus. Insgesamt sind vor dem Hintergrund der hier skizzierten langfristigen Entwicklung zwei Aspekte hervorzuheben, die auch für die Einordnung von Ungleichheiten in jüngeren Jahren besonders relevant sind: • Der Anstieg der Ungleichheit seit den 1990er-Jahren

ist zu großen Teilen auf längerfristige strukturelle Veränderungen zurückzuführen. Er ist nicht nur ein vorübergehender Effekt von Krisen oder einzelnen politischen Maßnahmen. • Es lassen sich systematisch Bevölkerungsgruppen

unterscheiden, die eher zu den Verlierern dieser strukturellen Veränderungen gehören – insbesondere Personen in Arbeiterberufen, mit niedrigeren Qualifikationen, Migrationserfahrungen und/oder

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Geringes Institutionsvertrauen nach Einkommensgruppen, 2021 Angaben in Prozent

Dauerhaft arm Temporär arm Mittlere Einkommen Reich

47,4 40,5

29,5 18,7

Bundestag Quelle: SOEP v38, eigene Berechnungen

» Insbesondere Selbstständige und Personen in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen, wie etwa geringfügig Beschäftigte, waren zudem hohen Risiken ausgesetzt, ihr Erwerbseinkommen ganz zu verlieren.«

Jahr der Pandemie die Ungleichheit der Markteinkommen verstärkt hat, dies jedoch nicht zu einer Zunahme der Ungleichheit der Einkommen nach Steuern und Transfers führte (Beznoska et al. 2020). Die strukturell hohen Einkommensungleichheiten rücken die Untersuchung der Folgen sozialer Ungleichheiten in den Fokus: Die internationale Forschung zu diesem Thema zeigt eindrücklich, dass sich Einkommensungleichheiten negativ auf viele Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens auswirken (Wilkinson/Pickett 2009). Für den Zusammenhang zwischen Ungleichheiten und dem Vertrauen in die Demokratie zeigt sich: Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto weniger vertrauen die Menschen generell den politischen Institutionen eines Landes (Bienstman 2023; Bienstman et al. 2023). Gleichzeitig besteht innerhalb von Gesellschaften ein Zusammenhang zwischen der ökonomischen Position und dem Politikvertrauen. Da wir uns hier nur auf Deutschland konzentrieren, nehmen wir die zweite Perspektive ein und untersuchen, wie sich Menschen mit unterschiedlichen Einkommen in ihrer Wahrnehmung des politischen Systems unterscheiden. Ein solcher Zusammenhang auf der individuellen Ebene lässt sich mit den weitreichenden Folgen erklären, die Einkommensungleichheiten haben (Polavieja 2013): Einkommenspositionen beeinflussen dabei nicht nur direkt den materiellen Lebensstandard, sondern auch viele andere Lebensbereiche wie die Gesundheit oder die Wohnsituation. Sie schlagen

prekären Erwerbsbiografien –, und diejenigen, die hiervon eher profitiert haben – insbesondere Hochqualifizierte oder Personen in leitenden Positionen (Hertel 2020; Giesecke et al. 2015). Was wissen wir nun bezüglich der jüngeren Entwicklung der Ungleichheit und der Auswirkungen der aktuellen Krisen? Es gibt zahlreiche Hinweise, dass die Pandemie insbesondere Arbeitsmarktungleichheiten noch weiter verstärkt hat. Haushalte mit niedrigem Einkommen waren überdurchschnittlich häufig von Kurzarbeit betroffen, und das Kurzarbeitergeld wurde für sie auch seltener durch den Arbeitgeber aufgestockt (Braband et al. 2022).

sich eben nicht nur auf dem Bankkonto, sondern auch im täglichen Leben und nicht zuletzt auch in der Interaktion mit anderen Menschen nieder (Böhnke et al. 2023). Eingeschränkte gesellschaftliche Teilhabe, große persönliche Sorgen und Unzufriedenheiten können zu Frustration und einem Vertrauensverlust in politische Institutionen führen, was die Basis unserer Demokratie gefährdet. Eine besondere Bedeutung für Entfremdungsprozesse vom politischen System wird dabei der Erfahrung fehlender sozialer Anerkennung zugeschrieben (Schneickert et al. 2019). Das politische System und konkrete politische Maßnahmen sind in einer Demokratie auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen.

Insbesondere Selbstständige und Personen in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen, wie etwa geringfügig Beschäftigte, waren zudem hohen Risiken ausgesetzt, ihr Erwerbseinkommen ganz zu verlieren (Kohlrausch et al. 2020; Braband et al. 2022). Hinzu kommt: Mit nur 60 Prozent eines schon geringen Erwerbseinkommens über die Runden zu kommen, kann zu einer großen Herausforderung werden. In welchem Maße solche Ungleichheiten durch staatliche Entlastungsmaßnahmen ausgeglichen wurden, ist jedoch unklar: Simulationen schätzen etwa, dass sich im ersten

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Dazu zeichnen wir in Abschnitt 7 des Berichts auch nach, inwiefern Menschen mit unterschiedlichen Einkommenspositionen soziale Wert- oder Geringschätzung erleben und wie stark sie den Akteuren und Institutionen unseres demokratischen Systems vertrauen.

Der Text ist ein Ausschnitt aus dem WSI-Verteilungs­ bericht 2023 »Einkommensungleichheit als Gefahr für die Demokratie«. Mehr dazu unter www.wsi.de. Die Redaktion der AWO Ansicht dankt dem WSI der Hans-BöcklerStiftung für die Erlaubnis, die Textpassage abzudrucken.


Literatur

Hertel, F. R. 2020: Sozialstrukturelle Veränderungen und Ungleichheit in der deutschen Klassengesellschaft, in: WSIMitteilungen 73 (3), S. 155– 64, https://www.boeckler.de/

Becker, I./Schmidt, T./Tobsch, V. 2022: Wohlstand, Armut und

data/ wsimit_2020_03_hertel.pdf.

Reichtum neu ermittelt. Materielle Teilhabe aus mehrdimensionaler Perspektive – Bericht zum ersten Modul des Projekts

Kohlrausch, B./Zucco, A./Hövermann, A. 2020: Verteilungs­

»Materielle Teilhabe im Lebensverlauf«. Hans-Böckler-Stif-

bericht 2020. Die Einkommensungleichheit wird durch die

tung: Study 472, Juli 2022, Düsseldorf.

Corona-Krise noch weiter verstärkt. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung:

Bienstman, S. 2023: Does Inequality Erode Political Trust?,

WSI Report Nr. 62, November 2020, Düsseldorf.

in: Frontiers in Political Science 5. Polavieja, J. 2013: Economic Crisis, Political Legitimacy, and Bienstman, S./Hense, S./Gangl, M. 2023: Explaining the

Social Cohesion, in: Gallie D. (Hrsg.): Economic Crisis, Quality

›Democratic. Malaise‹ in Unequal Societies: Inequality,

of Work and Social Integration: The European Experience,

External Efficacy and Political Trust, in: European Journal

Oxford, S. 256–278.

of Political Research, Early View. Schneickert, C./Delhey, J./Streckermeier, L. C. 2019: Eine Krise Biewen, M./Juhasz, A. 2012: Understanding Rising Income

der sozialen Anerkennung? Ergebnisse einer Bevölkerungs­

Inequality in Germany, 1999/2000–2005/2006, in: Review

befragung zu Alltagserfahrungen der Wert- und Geringschät-

on Income and Wealth 58 (4), S. 622–647.

zung in Deutschland, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 71 (4), S. 593–622.

Blank, F./Schäfer, C./Spannagel, D. 2023: Signal-Störung der Ampel bei der Grundsicherung? Wirtschafts- und Sozial-

Spannagel, D./Molitor, K. 2019: Einkommen immer ungleicher

wissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung:

verteilt. WSI-Verteilungsbericht 2019. Wirtschafts- und Sozial-

WSI Report, Düsseldorf (im Erscheinen).

wissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung: WSI Report Nr. 53, Oktober 2019, Düsseldorf.

Böhnke, P./Groh-Samberg, O./Giesecke, J./Kleinert, C./Konietzka, D./Leuze, K./Pollack, R. 2023: Soziale Ungleichheit, Informationen

Wilkinson, R./Pickett, K. 2009: The Spirit Level: Why Equality

zur politischen Bildung Nr. 354, 1/2023, Bonn.

Is Better for Everyone, London.

Braband, C./Consiglio, V. S./Grabka, M. M./Hainbach, N./ Königs, S. 2022: Disparities in Labour Market and Income

GLOSSAR

Trends during the First Year of the Covid-19 Crisis. Evidence from Germany, hrsg. von OECD, Bertelsmann Stiftung,

Einkommensarmut: Personen, die in Haushalten leben,

DIW ECON, Gütersloh.

die über weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens verfügen; sind es weniger als 50 Prozent, spricht man von

Brülle, J./Gangl, M. 2023: Verfestigung von Armut und die

strenger Armut.

zunehmende Bedeutung von Pfadabhängigkeiten im Lebenslauf, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsycho­

Einkommensreichtum: Personen, die in Haushalten leben,

logie 75 (1), S. 1–35.

die über mehr als 200 Prozent des Medianeinkommens verfügen; sind es mehr als 300 Prozent, spricht man von

Elsässer, L./Hense, S./Schäfer, A. 2016: Systematisch verzerrte

großem Reichtum.

Entscheidungen? Die Responsivität der deutschen Politik von 1998 bis 2015: Endbericht, Lebenslagen in Deutschland,

Erwerbseinkommen: Löhne und Gehälter, die auf dem

Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung,

Arbeitsmarkt erzielt werden.

hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Markteinkommen: Haushaltseinkommen, welches auf Fitzenberger, B./Seidlitz, A. 2020: Die Lohnungleichheit von

dem Arbeitsmarkt oder anderen Märkten erzielt wird.

Vollzeitbeschäftigten in Deutschland: Rückblick und Überblick,

Steuern, Abgaben und Transferleistungen werden hier

in: AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv 14 (2),

nicht berücksichtigt.

S. 125–143. Giesecke, J./Heisig, J.P./Solga, H. 2015: Getting more Unequal: Rising Labor Market Inequalities Among Low-skilled Men in West Germany, in: Research in Social Stratification and Mobility 39, S. 1–17. Grabka, M. M. 2021: Einkommensungleichheit stagniert langfristig, sinkt aber während der Corona-Pandemie leicht, in: DIW Wochenbericht 18/2021, S. 307–316. Groh-Samberg, O. 2014: No Way Out. Dimensionen und Trends der Verfestigung der Armut in Deutschland, in: Sozialer Fortschritt 63 (12), S. 307–315.

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R E I CH T U M U MV E R T E IL E N

I NT ERVI E W MI T D E M PH ILOSOP H EN STEFAN GOSEPATH

Schlecht begründeter Reichtum ist ein Problem Soziale Ungleichheit ist nicht gut für eine Demokratie. Wie in diesem Zusammenhang vor allem einkommens- und vermögensreiche Menschen Sorge tragen könnten, dass es gerechter zugeht, und wie dabei der Staat entsprechend agieren muss, darüber spricht der Philosoph Stefan Gosepath mit der AWO Ansicht. INTERVIEW PETER KULESSA

Herr Professor Gosepath, was ist überhaupt Reichtum? GOSEPATH Es gibt Standarddefinitionen, denen ich mich anschließe. Man kann Reichtum einerseits relativ definieren, das heißt, man bemisst ihn daran, wie stark man über dem durchschnittlichen Niveau des mittleren Einkommens liegt, andererseits kann man ihn absolut mit einem zu begründenden Grenzwert (z.B. in Euro) bestimmen. Man muss sofort hinzufügen: Es liegt in heutigen Tagen gar nicht so sehr am Einkommen, sondern eher am Vermögen, ob man reich ist. Spätestens Thomas Piketty hat uns mit seinen Untersuchungen deutlich gemacht, dass Vermögen nicht einfach nur erspartes Einkommen meint, sondern, dass das Vermögen ein Eigenleben besitzt. Und dieses Vermögen kann sich, im Finanzkapitalismus, in dem wir leben, viel stärker vervielfältigen, als normale Gehälter das könnten. Dadurch sind die Vermögen jetzt so stark angestiegen.

Das Gleiche gilt auch für Einkommen und Vermögen. Im Kapitalismus ist es so, dass die eigentliche Begründung, die man dafür angeben kann, Ungleichheit zuzulassen, die ist: Liegt ein besonderer Bedarf oder eine besondere Leistung vor? Bedarf meint dabei, dass man aufgrund von bestimmten Benachteiligungen – etwa körperliche Benachteiligungen – einfach mehr braucht als andere, damit man am Leben teilnehmen kann. Der andere Punkt betrifft die Leistung. Das ist inzwischen der Mythos des gegenwärtigen Kapitalismus. Bis in die vielleicht 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts schien es vielen noch einigermaßen plausibel zu denken, dass der Chef einer Firma tatsächlich mehr verdient, weil er eben mehr leistet. Die Relation zwischen dem, was ein Chef und was ein*e Arbeiter*in verdient hat, lag bei ungefähr dem Zwanzigfachen. Durch den Turbokapitalismus, den wir in der Jahrtausendwende erlebt haben, sind diese Verhältnisse völlig ausgeartet. Es steht in gar keinem Verhältnis mehr und kann mit Leistung nicht mehr gerechtfertigt werden, wenn ein Manager das Hundertfache und mehr verdient als eine Angestellte oder ein Arbeiter. Das bringt mich zu einer grundsätzlichen Kritik an einem solchen Leistungsgedanken. Denn: Ganz vieles von dem, was wir leisten, hängt damit zusammen, mit welchen bestimmten Talenten wir geboren worden sind: schön auszusehen, gut Fußball zu spielen, besonders ruhig ein Gehirn operieren zu

DR . S TEPHAN G OS EPATH

Ist Reichtum per se mit Ungleichheit verbunden? GOSEPATH Ja, natürlich. Als Gleichheitsforscher vertrete ich in diesem Zusammenhang die sehr starke These, dass jede Form von Ungleichheit gerechtfertigt werden muss. Der Grund, dass eine Ungleichbehandlung vorliegen darf, muss allgemein überzeugen.

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ist Philosoph und Professor an der Freien Universität Berlin. Seine Schwerpunkte sind Gerechtigkeit, Gleichheit, Demokratie, Moral und Ethik. Er war Kodirektor der aus­ gelaufenen Kolleg-Forschungsgruppe Justitia Amplificate (»Erweiterte Gerechtigkeit – konkret und global«).


AWO I NT E RV I E W

Warum werden zu große soziale Ungleichheiten gefährlich für ein demokratisches Gemeinwesen? GOSEPATH Weil man sich mit zu großer Ungleichheit

» Macht man sich also klar, dass Leistung zum größten Teil etwas mit angeborenen Talenten und mit sozialen Bedingungen zu tun hat, dann können diejenigen, die die gesesellschaftlich gewünschte Leistung zeigen, eigentlich nicht mehr zu Recht beanspruchen, dass ihnen der finanzielle Gewinn aus der Leistung auch tatsächlich zusteht.«

von Einkommen und Vermögen politischen Einfluss erkaufen kann. Zwar haben wir in Deutschland mit dem Parteienfinanzierungsgesetz einigermaßen vernünftige Regelungen, die verhindern, dass mit Geld unmittelbar Einfluss auf die Politik genommen wird. Aber wir wissen natürlich, dass Unternehmen extrem starken Einfluss haben, wenn sie etwa sagen: Ich wandere mit meinem Unternehmen aus, wenn ich nicht bestimmte vergünstigte Bedingungen in diesem Land finde. Oder denken Sie an die sogenannten Familienunternehmen, die das Rückgrat der Wirtschaft bilden. Oft sind sie in den kleinen Orten angesiedelt, und dann ist der Firmeninhaber häufig selber irgendwie die politisch dominante Figur. Wie soll es auch anders sein? Der ganze Ort ist von diesem Unternehmen abhängig, und kein Politiker, keine Politikerin wird um dieses Unternehmen herumkommen. Damit haben diese Personen mit Kapital einen sehr großen Einfluss auf die Politik.

Im Grunde genommen müssten doch Umverteilungsfragen gestellt werden, die sich aber kaum jemand zu stellen wagt, oder? GOSEPATH Ja. Die Gegenmaßnahme, sofern wir uns

können, herausragende geistige Fähigkeiten zu haben, um Schachweltmeister zu werden, usw. Diese Beispiele zeigen, dass nicht jede*r diese Leistung ausführen können wird. Hinzu kommt aber noch ein anderer Aspekt: meine Erziehung; in welchem Elternhaus und in welcher Gesellschaft ich groß geworden bin, dass ich den Vorteil hatte und ggf. noch habe, meine Talente ausbilden zu können oder nicht. Macht man sich also klar, dass Leistung zum größten Teil etwas mit angeborenen Talenten und mit sozialen Bedingungen zu tun hat, dann können diejenigen, die die gesesellschaftlich gewünschte Leistung zeigen, eigentlich nicht mehr zu Recht beanspruchen, dass ihnen der finanzielle Gewinn aus der Leistung auch tatsächlich zusteht.

auf Einkommen und Vermögen beziehen, ist tatsächlich Umverteilung. Der Kerngedanke dabei: Wenn jede Ungleichheit gerechtfertigt werden muss und wenn sie nicht allgemein überzeugend gerechtfertigt werden kann, dann muss der Staat in die freie Marktwirtschaft und die Ergebnisse der freien Marktwirtschaft eingreifen und umverteilen. Anders gesagt: Eigentlich sind die Mittel des Marktes, nämlich Angebot und Nachfrage, ökonomisch sinnvoll. Dies bedeutet allerdings nicht, dass mit dem Einsatz eines solchen sinnvollen ökonomischen Mittels die Ergebnisse moralisch gerechtfertigt sind – denn sie sind es nicht! Von daher ist der Staat aus moralisch-politischen Gründen verpflichtet umzuverteilen. Die Teilnehmer*innen an der freien Marktwirtschaft sollten sich das von vornherein klar­ machen; sie sollten nicht behaupten, nur weil sie

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R E I CH T U M U MV E R T E IL E N

» Wir brauchen uns nur umzuschauen im Alltag, um zu sehen, dass es ganz vielen Leuten nicht hinreichend gut geht, es gibt viele Menschen, die in Armut leben und in sozialen Verhältnissen, die keine Chancengleichheit und vor allem auch keine gleichen Lebenschancen ermöglichen.«

am Markt einen bestimmten Gewinn erzielt haben, stünde ihnen dieser Gewinn – moralisch gesehen – auch zu. Umverteilung bedeutet nicht, dass der Staat den Leuten nachträglich etwas wegnimmt, was ihnen eigentlich schon gehört hat. Ein Eindruck, den Menschen oft haben, wenn sie an Steuern denken. Umgekehrt soll es sein: Der Staat erlaubt ein bestimmtes Spiel – die freie Marktwirtschaft –, weil dieses Spiel ökonomisch sinnvoll ist, aber gleichzeitig unter der Bedingung, dass die Gewinne nachträglich auf eine bestimmte Art und Weise umverteilt werden, um nicht zu große Ungleichheit entstehen zu lassen. Diesem Anspruch wird der deutsche Staat im Moment nicht mehr gerecht. Das liegt unter anderem auch daran, dass wir im Neoliberalismus immer stärker in einen globalen Wettbewerb, einen Unterbietungswettlauf um niedrige Steuern gekommen sind und dementsprechend der deutsche Staat nicht mehr genügend Steuern erhebt.

Sie haben in diesem Zusammenhang Vorschläge zur Umverteilung von Erbschaften vorgelegt. Was ist der Kern dieser Ideen? GOSEPATH Bei Erbschaft liegt klarerweise eine Verletzung des Leistungskriteriums vor, denn Erbschaften sind unverdientes Vermögen; zum Beispiel, wenn ich etwas von meinen Eltern erbe, was in Deutschland ja der Standardfall ist. Die Frage, ob ich von meinen Eltern ein Vermögen erbe oder nicht, hat einfach mit dem Glück zu tun, ob meine Eltern reich sind oder eben nicht. In dem Sinne verletzt das Erbe das Leistungskriterium. Es verletzt aber auch das Kriterium der Chancengleichheit.

Inwiefern? GOSEPATH In der Regel verlangen wir in unserer Gesellschaft für unsere Kinder und Jugendlichen Chancengleichheit. Sprich: Ihr Fortkommen, das, was sie aus ihrem Leben machen können, soll nicht davon abhängen, ob ihre Eltern reich oder arm sind. Deshalb haben wir freie Schulbildung, unterstützen die Kinder mit Bafög usw. Das Erbe wiederum ist eine klare Verletzung dieser Chancengleichheit, denn diejenigen, die erben beziehungsweise

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erben werden, wissen häufig schon, bevor sie erben, dass sie erben werden. Das verändert die Lebenschancen. In dem Sinne liegt eine gravierende Verletzung der Chancengleichheit vor. Das Erbe sollte daher massiv besteuert werden, wenn nicht sogar bis zu 100 Prozent. Ein konkreter Vorschlag wäre es, wenigstens eine progressive Erbschaftsteuer in Deutschland einzuführen. Die deutsche Erbschaftsteuer ist bisher nicht progressiv und daher so nicht gerecht und nicht gerechtfertigt.

Potenzielle Erben wissen ja, dass sie irgendwann erben werden. Ist dieser Umstand nicht bereits der Beginn von Chancenungleichheit? GOSEPATH Ja, auf jeden Fall. Die Leute wissen darum, dass sie dieses Erbe antreten werden. Und im Vorgriff auf dieses Erbe können sie ganz andere Chancen nutzen, weil sie von Sicherheiten ausgehen können, wenn sie ein bestimmtes ökonomisches Risiko eingehen und das schiefgehen sollte. Ebenso häufig ist es auch so, dass reiche Eltern, ohne schon vererbt zu haben, ihre Kinder in deren Berufslaufbahn stärker unterstützen werden. Die Startchancen sind also ungleich verteilt. Für die einen gibt es ein Sicherheitsnetz, für andere nicht.

Wann ist Reichtum kein moralisches Problem mehr? GOSEPATH Für einen Egalitaristen ist das immer ein Problem. Wenn Reichtum nicht gut begründet ist, dann ist er ein Problem. Über die Schwierigkeiten, Reichtum zu begründen, haben wir schon geredet. Um aber nicht immer extrem zu klingen: Ob jemand mit einer millionenschweren Jacht im Mittelmeer kreuzt oder nicht, ist eigentlich egal. Wichtig ist, dass es zumindest allen anderen hinreichend gut gehen kann. Nur: Wir brauchen uns nur umzuschauen im Alltag, um zu sehen, dass es ganz vielen Leuten nicht hinreichend gut geht, es gibt viele Menschen, die in Armut leben und in sozialen Verhältnissen, die keine Chancengleichheit und vor allem auch keine gleichen Lebenschancen ermöglichen.


Weiterführende Literatur zu Reichtum, Ungleichheit und Demokratie

Michael Hartmann. Soziale Ungleichheit – Kein Thema für die Eliten?

Joseph Vogl. Kapital und Ressentiment – Eine kurze Theorie der Gegenwart.

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird in Deutschland immer größer. Die Agenda 2010 und die Steuerpolitik der Bundesregierungen von Schröder bis Merkel haben die hohen Einkommen begünstigt. Der Eliteforscher Michael Hartmann stellt in diesem Buch dar, aus welchen Elternhäusern die tausend mächtigsten Deutschen kommen und wie sie über die soziale Ungleichheit im Land und die Ursachen der Finanzkrise denken. Dabei zeigt sich unter anderem, dass viele der Befragten im Unterschied zur Bevölkerung die herrschenden Verhältnisse als gerecht empfinden – und zwar besonders dann, wenn sie selbst in großbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen sind. Das Buch präsentiert die Ergebnisse einer Erhebung aus dem Jahr 2012, die die Spitzenpositionen aus den wichtigsten Sektoren (Wirtschaft, Politik, Medien, Justiz, Verwaltung, Militär, Wissenschaft, Kirchen, Gewerkschaften und Verbände) umfasst. Die immer stärkere Orientierung der Politik an den Interessen der Wirtschaft und der reichen Deutschen – so das alarmierende Fazit – droht, unsere Demokratie auszuhöhlen.

Es zieht sich eine Spur der Zerstörung von der Herrschaft der Finanzmärkte über die neuen Netzgiganten bis hin zur dynamisierten Meinungsindustrie. Auf der Strecke bleiben dabei Demokratie, Freiheit und soziale Verantwortung. Drei Thesen zum gegenwärtigen Zeitalter enthält das neue Buch von Joseph Vogl. Erstens: Der Internet- und Plattformkapitalismus der Gegenwart (von Amazon bis Google) ist die jüngste Metamorphose eines Finanzregimes, das sich in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts entwickelt und die Bewirtschaftung von Informationen als attraktive Quelle der Wertschöpfung erkannt hat. Zweitens: Diese Fusion von Finanz­ ökonomie und Kommunikationstechnologien etabliert neue Paradigmen der Macht, deren Resultat fragmentierte Öffentlichkeiten, gesellschaftliche Schismen und Demokratieverlust sind. Drittens: Affektökonomien mit dem Treibstoff des Ressentiments stabilisieren die Dominanz dieses neuen Plattformkapitalismus auf Kosten des Gemeinwohls.

250 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 9783593399485, Verlag Campus

Marc Buggeln. Das Versprechen der Gleichheit – Steuern und soziale Ungleichheit in Deutschland von 1871 bis heute. Das Elend der Industriearbeiter im 19. Jahrhundert verstärkte den Ruf nach sozialer Gerechtigkeit und schürte die Angst vor einer Revolution. Preußen führte daraufhin als erste europäische Großmacht eine progressive Einkommensteuer ein. Mit ihr begann die Revolution der Gleichheit und der Übergang zur sozialliberalen Gouvernementalität, die auch Erfolge zeitigte. So nahm die seit Jahrhunderten wachsende Ungleichheit nach dem Ersten Weltkrieg erstmals ab. In seiner großen Studie zeichnet Marc Buggeln die spannende Geschichte der Steuerpolitik nach und zeigt, dass die progressiven Steuern stets umstritten geblieben sind. Mit dem Siegeszug des Neoliberalismus stehen sie erneut im Zentrum gesellschaftlicher Verteilungskämpfe.

1039 Seiten, 38,00 Euro, ISBN 978-3-518-29938-8, Verlag Suhrkamp

3. Auflage, 2021, 224 Seiten, 18,00 Euro, ISBN 978-3-406-76953-5, Verlag C.H Beck

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R E I CH T U M U MV E R T E IL E N

Liebe Leser*innen, so Sie mit Ihrer Lektüre bis hierhin gekommen sind, lesen Sie die letzte Seite der AWO Ansicht in ihrer bisherigen Form. In der Redaktion haben wir seit geraumer Zeit überlegt, wie wir zeitgemäßer und gezielter über unsere sozial- und gesellschaftspolitischen Analysen, Positionen und Stellungnahmen informieren können. Ab 2024 wird es daher jeweils zu Beginn eines Jahres eine Printausgabe der Ansicht geben. Entsprechend der bisherigen Erscheinungsform werden Sie die von uns relevanten Inhalte quartalsweise in einem Newsletter aufbereitet bekommen. Herzlich bedanken möchten wir uns bei allen Autor*innen, Fotograf*innen und der Grafik für die bisherigen 12 Jahre. Ihnen geruhsame Tage 2023 und alles Gute für das neue Jahr! Ihre Redaktion

Das erste Cover aus dem März 2011 und das letzte Cover der AWO Ansicht aus dem Dezember 2023. Unter awo.org/awo-ansicht können Sie alle Hefte seit Beginn noch einmal einsehen.

Z UKUNF T ANS I CHT

Zum 18.1.2024 finden Sie unter awo.org/awo-ansicht aktuelle Informationen zu unserem Vorhaben. Wir freuen uns, wenn Sie uns als Leser*in gewogen bleiben. In jedem Falle vielen Dank für Ihr Interesse an der AWO Ansicht. 22 AWO ANSICHT 4 • 23



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Begrü ic g es n a so G ss u M n u kl en m ge ic as d h n Ta Und da die letzte müssen d e lieben Fr ders d tische Entw den Gedanken an gen Mensc den letzte achsen ist. mandes r Zeit. Sie wesende und mein Ich habe mir zuerst mir so ganz beson z u chmal jun ir es ganz ruhig, hekStaat ht, Kommunen Diese und 5 gewGrundwerte dern ihretragen terste e es er . in in An H s rt rd K e u ah as w s as ah rt d ren seit 4 d w u d n lf h a t, s h ie es ge re t o d er as ; h ve , beste Arbeiterw n muss, d e etwas, sa e ungeheure Kraft, tzen ekommen en. 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Ich hab ht aus te u dem Sch hier vor uns sitzen g, es geht nicht an ich zu Ihnen sage in diesen Jahren se n erinnert, dass es eine etwas, sagen ngeheure Kraft, die es b , en h ie te un AW dara Es ist eine u s sitzen se z 1955 in Münc en, möch rtretern, d mit der Gesetzgeb gsam die ich wurde ist durch Verzug ist. ier vor un n dienen hab er wie lan ren; und n onferen Gefahr im des Wachstum, das dige Träger sie h sk h s ic as d Re chritt halte che selber noch zu len, wie schnell od t in so kurzen Jah d ren und in er n el ha Sa p wird, u ein gesun isation, deren leben gsansprache auf d ig geblättert in älte Ihnen nun gleich der m an ihnen festzust hstum hinter sich ass der Atem knap twicklung, das ist n h u ne Organ ac d u a muss ic so ein wen En z. Begrüss t halten. Ei nommen, ein ganz rapides W ckgeblieben sind, : Eine erfreuliche ten Tagen wachsen ist. Und d al jungen Mensche rie Juchac inenpredig Aus einer Ent Ma h habe in den letz rü W m en ge A rd zu m ch a 5 ie G m 4 as an d e w it ko s m in ir es ga et se e das luss , ke sagen. Ic in diesen Jahren ht anders. , sagen w ert, dass es nere Organ te man zu dem Sch hier vor uns sitzen ran erinn t. Es ist eine etwas h eine ungeheu es geht nic öchte ich zu Ihnen W a A d andere in g, n e n ie ie n u d d rd , kö u eb n g w am htun en, m langs rzug is Gesetzg ertreter nd ich ist durc rv her Beobac en Organisationsv ritt halten mit der Jahren; u dienen hab ie schnell oder wie efahr im Ve es Wachstum, das dige Träger sie hie d so kurzen h d nd dass G w e er noch zu h will auch lgen, sie müssen Sc ch der Sache selb nen festzustellen, m hinter sich hat in em knapp wird, u g, das ist ein gesun isation, deren leben gsansprache auf d fo ih un an glei w un stu er At ss rg h n kl d zu an O rü ic s ei ac e m ch eg as W tw n u u so B d a , Ei En es n twicklung . z. d, en ten Tage t halten e Juchac freuliche ganz rapid rückgeblieben sin e, die aber cher vorgenomm inenpredig Aus einer Ent Mari Ich habe in den letz it 45 gewachsen en: Eine er ine Gard paar Wort zu die AW ein rbü komm sind unabhängiger und lussein n. ers. n se , ke n vier Jah ders deutlich, dass nere Organe etwas Wir h d re ge te en Sc h an tz sa tz t Ja le si h em n en s ert, das d ic ie n n d n in zu hier vor u zgebung, es geht n , möchte ich zu Ih am die AW in diese wurde daran erinn t. Es ganz beso nnte man eigenständiger nd andere is h etern, die gs en g n ic esetMitglieu ab la d urde mir so ss, dass das Herz u er Beobachtung kö isationsvertr G rz h n ie u er Ve ; w d en n n it re ie r im der u ch an tt halten m e selber noch zu d len, wie schnell o at in so kurzen Jah d, und dass Gefah Wachst ri h es ststellen m und bei oberflächli will auch den Org d Sc n en su derverband. Auf Grundlage müss h , er Sach t ein ge r sich h stzustel ,d app wir gegangen e schalte ich aus. Ic icklung folgen, sie zugleich d , um an ihnen fe es Wachstum hinte dass der Atem kn Entwicklung, das is Eine Organisation a Fall aber auch rgunserer n. Entw e nd, men Wertegastreiten pid ch te ie ch si m ra en al Ju d li o z h al e en wir n eu e, t zi ri en fr rt a ig eb so o n diesem d li er M n W vo er Ein paar zurückgeb ss kommen: Eine keine Gardinenpre ers. Aus einer Ent die AW ei etzen ein hrbücher s e! as es ab Ja as d h G w d n er , h et vi eu en h Ic e d ic Fr d . lu n , tl n an Mitgliedern, te dem Sch ns sitzen t nicht an nere Orgmit nen sagen diesen eine lieben st die letz onders deu gemeinsam hier vor u te man zu andere in ng, es geh , möchte ich zu Ih nde und m . Ich habe mir zuer rde mir so ganz bes die AW in und Herz und Beobachtung könn onsvertretern, die it der Gesetzgebu en am as rt u ab d gs h w n s ah la lf as es en h d ti ; n ie m o a Mitarbei, Engagierten und ie w er n en is ss d hren; erw u te ch m er an li d al m zu m h o rg h o n l O ch äc tt ek le el o rz fl n hri hn den ku en Ja gst b ober ststel will auch lgen, sie müssen Sc ch der Sache selber stzustellen, wie sc ter sich hat in so ird, und w n wenig An ass dann der Arzt fe gegangen, und bei ich aus. Ich tenden p ap solidarische und d Atem kn ihnen fe stum hin klung fofür eine ch zuglei halte er r sich h u ic d an sc a vo ac s ung, da e tw m W n kl ll er as u ssen und En ic d re , Fa es ab h tw d, en n pid e, die sozialen diesem tzten Ja rgenomm n ganz ra zurückgeblieben si : Eine erfreuliche En predigt hal vo ei paar Wort Gesellschaft. er W A ch g in den le an das Materielle in den Gesetzen einer eunde! Eingerechte ü ie mmen Fr Gardinen anders. vier Jahrb n h, dass d ere Organe etwas en Schluss ko en, keine t n n Gedanke ihrer Zeit. Sie müss e und meine lieben ir zuerst die letzten z besonders deutlic geht nich andere in könnte man zu dem die hier vor uns sitz d n n m es d en e er n ga g, d u es n ab z so in w u h K er ir h An s eb H , möchte g , m Ic e zg n n au . e as rt en et er d tu rt h rd h ab s et es u re ah h G tr ac as w lf ve b d h er r er en , o . Seh ommen; es zt feststellen muss oberflächlicher Beo den Organisationsv hritt halten mit d lber noch zu dien Arbeiterw ell oder n ek er h b d München sc t en gs ie ft w Sc An Ar Schri er Sache se nen festzustellen, n, und bei aus. Ich will auch e müssen sich ha d ein wenig nd dass dann der si ge r , e n ch te n neueren en ab ei ga in h lg gl h ge h h fo r sich en: Ic alte ic klung ssen u er auch zu ommen, um an ih rapides Wachstum sind, dass d ab ie d fen gesteh dass sie hoch schie en letzten Jahren vo in diesem Falle sch er sozialen Entwic e, z rt en d le ein paar Wo geblieben ht, cher vorg W ein gan mmen: Ei hen so ge sche Entwicklung in ken an das Materiel ssen den Gesetzen eben Freunde! Ein letzten vier Jahrbü eutlich, dass die A rgane etwas zurück Schluss ko uns sitz ü li ti d O e em er d n zu in e r ruhig, hek tersteht, den Gedan ern ihrer Zeit. Sie m esende und meine habe mir zuerst die so ganz besonders an und ander die hier vo in könnte m w ind rehrte An eiterwohlfahrt. Ich men; es wurde mir uss, dass das Herz cher Beobachtung isationsvertretern, n mit der Gesetzg aft, die dah en, besteht aus K ve r h Se . b Ar hli nm om rgan chen en seh hritt halte er noch ns sitzWir hriften der n wenig Angst bek n der Arzt feststelle n, und bei oberfläc h will auch den O unterstützen 55 in Mün Menschen, müssen Sc Sache selb Ic ei ferenz 19 ge an neueren Sc folgen, sie auch zugleich der en fest n g Reichskon in älteren und in gestehen: Ich habe iessen und dass d ren vor sich gegan lle schalte ich aus. n ih u kl an ic t Entw aber en, um einerselbstbestimmtes Leben sch Jah en e m Fa nig geblätt ich Ihnen nun off geht, dass sie hoch ung in den letzten Materielle in diese etzen einer sozialen Ein paar Worte, die ücher vorgenomm AW ein ganz rapid r so Ges die de! ickl das Jahrb füriceine zu n muss s en en tw as er eu an as h d d vi En Fr w n sc , n e en h et ke en h en Und dazu te ss führen, und fördern ein Wir streiten e jungen M ig, hektisc st die letz it. Sie mü ere Organ ders deutl den Gedan meine lieb manchmal n wir es ganz ruh die dahintersteht, us Kindern ihrer Ze e Anwesende und . Ich habe mir zuer mir so ganz beson erz und andere inn könnte man zu dem e demokratisches Gesellschaft aft, as H , sage besteht a hr verehrt bachtung rwohlfahrt ommen; es wurd n mudemokratische nsvertret heure KrZusammene etwas ss, dass d licher Beo en sehen, 55 in München. Se hriften der Arbeite ek le rganisatio eine unge b tz el t si h st s gs rc st n u u An fe d r oberflächund t 9 ig zt Sc 1 uch den O , sie müssen Sch vo ei Ar a z en r b as is leben l n en w ie er in Solidarität und in Vielfalt begegnen d il h re er d n n w u e fe n ei eu h , n si n e n Ic an hab äger d in ichsko nd dass d n vor sich gegange lle schalte ich aus. Entwicklung folgen er auch zugleic älteren un offen gestehen: Ich bendige Tr sprache auf der Re hiessen u re blättert in vor der Menschen mit Respekt. sozialen m e, die ab gsan ig geNatur. sie hoch sc in den letzten Jah terielle in diesem Fa etallen en nun s en n as w Ih rüssunAchtung d n h t, zen einer nde! Ein paar Wort rbücher vorgenom ei ic h das Ma Tagen so den Ges s hen so ge eu twicklung d da muss Jah an as sc Fr n en En d n er U ss , en e vi en ü ke h t. h M n is ic m eb sc n an n letzten tl te li e n ti mal junge gewachse ruhig, hek intersteht, den Ged indern ihrer Zeit. Si esende und meine e mir zuerst die letz onders deu andere i es b z n ga d en seit 45 nert, dass es manch sagen wir es ganz K w dah hrte An . Ich hab e mir so teht aus , as Herz un eobacht in Kraft, die ; es wurd . Sehr vere rwohlfahrt B ss, dass d sehen, bes e daran er ist. Es ist eine etwas h eine ungeheure ns sitzen nz 1955 in München hriften der Arbeite ig Angst bekommen Arzt feststellen mu ei oberflächlicher uch de u rc g r u u d vo rz t r Ve is ie Sc h b a re e das r im en e ein wen nd dass dann der gen, unduns icals s. Ich will ab n achstum, lebendige Träger si auf der Reichskonfe ren und in neuer u h a ga W h h ge Ic es : d klun Wir verpflichten u ch n te gesu ert in älte nun offen gestehen sie hoch schiessen tzten Jahren vor si diesem Falle schal ner sozialen Entwic r W sprache n, deren tt o an ti lä a b gs is n ge u an ss ig le s aa ei in en rü en p as n en n d w le eg n d Ih ze B el t, n Ei ine Org in h h ri et ei z. e! ic g te es ge d ac n a alsensozialFreun arie Juch n Tagen so ist. Und da muss gen Menschen so en den G le Entwicklu edanken an das M Mitgliederverband, ner Ent M habe in den letzte . Sie müss de und meine lieb hektische zuerst die sen jun h nz ruhig, ahintersteht, den G s Kindern ihrer Zeitwirtschaftliches en habe mir 5 gewach ass es manchmal Ic ir 4 . es h ga m n Ic w Unternehmen it e es . ge se An rt rd ir sa n e u w ah n d re n hrt au t, d es w ohlf Kraft, die Sehr vere was, sage diesen Jah , besteht n erinner Arbeiterw Angst bekommen; stellen m die AW in nd ich wurde dara ug ist. Es ist eine et rch eine ungeheure r uns sitzen sehen 1955 in München. en Schriund ften der als Interessenverband, wenig er Arzt fest ngen, n d u z u rz er ei vo ; n d n n Ve r eu t e re n an is ie re fe ab d im h h n h in s as r e o d ga h d as si ah n Ja , sk n d Ic ge h u ef m : er d ic G u n n ch en äg s st u Re re si h Tr as eh r te ssen Wac dige nd d uf der entsprechend Jahren vo offen gest s siunseren ttert in äl m Fall ch schieWerten pp wird, u as ist ein gesundes ation, deren leben ssungsansprache a enig geblä uss ich Ihnen nun as e ho ung in den letzten Materielle in diese d w t, d n is h rü ei g, an ge n eg so u rg B so m en Ge O kl n as z. d ic a e d ge en d n ac h tw twickl en Ta Ei d ch an sc ss n . En n Ju ü n U n e en handeln. wir Sie m t halte t Marie en letzte sen ist. GedankeIndem jungen M nz ruhig, hektisch zu Zeit. unsere en r al nd m d u re m t, e ih h ch d inenpredig ders. Aus einer En gen. Ich habe in d ren seit 45 gewach n te an en er rs ind wir es ga dahinte h sa dass es m rte Anwes t an h ht aus Ktransparent re lfah te h ve es o r b h , rw geht nich öchte ich zu Ihnen die AW in diesen Ja e daran erinnert, t eine etwas, sagen ngeheure Kraft, die en sehGrundsätze te en . Se is urd München Schriften der Arbei enig Angs eu sitz ,m z 1955 in r vor uns en haben ell oder wie langsam Jahren; und ich w r im Verzug ist. Es , das ist durch ein w n en ie n re h er ei e fe darstellen, machen wir sie zum eu e n si n o hn um efah äger d in h hab rzen a der Reichsk en, wie sc r sich hat in so ku p wird, und dass G n gesundes Wachst deren lebendige Tr älteren un offen gestehen: Ic ch schiessen und d rache auf ig geblättert in Maßstab te ei sie ho ation, Arbeit. en nun unserer letzten ungsansp s is n en ss as Ih en an hstum hin dass der Atem knap twicklung, das ist w d d rü h rg n t, ic O eg in h ei B e g ss so ge n so acz. a mu n. Ein icklun En d, an digt halte einer Ent Marie Juch in den letzten Tage wachsen ist. Und d al jungen Menschen ig, hektische Entw freuliche lieben sin Gedanken s en: Eine er m ardinenpre ge abe ruh rsteht, den Kindern ih te in ah luss komm uns sitzen, keine G ht nicht anders. Au Ihnen sagen. Ich h sen Jahren seit 45 ert, dass es manch sagen wir es ganz d s ie u r inn die zu as, es ge r besteht a re Kraft, d die hier vo zgebung, haben, möchte ich langsam die AW in ich wurde daran er ist. Es ist eine etw rch eine ungeheu uns sitzen sehen, 5 in München. Seh der Geset u d g r ie 5 d n u it 9 en w u t vo rz 1 m n ; r is z er n ie Ve n ie d n d as re h te o re d eren Sch im h l al e zu , r fe el h Ja si eu n m n n ah ch o u h er en o ef st sk in sc n rz äg G h h d Tr s ie ic er ku n ac selb dige d das in so len, w des W der Re älteren u offen gestehen der Sache festzustel r sich hat p wird, un das ist ein gesun isation, deren leben ngsansprache auf blättert in n an ihnen es Wachstum hinte ass der Atem knap twWir g, rüssu klunarbeiten Organ n wenig ge muss ich Ihnen nu ic ht, dass eg e ei professionell, B n men, um d Ei so z. id En . p n d, ac n e n ra ge te ch si ch a z hen so ge , hek al li Ta d Ju n h sc en n d e eu t ga n ri fr te en eb ig n a U li tz M d er M ei b t. le e re n t is p n ge ge ig En n en Ei ck n h en d : se er rü ju in ru die AWWir finden h n in en z zu rd al ei ac e m n a s w m m uns mit Ungleichinklusiv, interkulturell, e etwas luss ko , keine G ders. Au n. Ich hab ie es manch seit 45 ge n wir es ga nere Organ man zu dem Sch r uns sitzen ng, es geht nicht an ich zu Ihnen sage in diesen Jahren ran erinnert, dass t eine etwas, sage ungeheure Kraft, d vo r ie h te n ie te kön underUngerechtigkeit die AW , möch und wurde da uns sitzen amnachhaltig. tretern, d mit der Gesetzgebu nen habeninnovativ g ist. Es is das ist durch eine htung heit r u h gs ic rz n vo sv r d la n Ve n o ie ie u ti h im ; a w e , ie r n is n noch zu d n, wie schnell oder in so kurzen Jahre d, und dass Gefah Wachstum lebendige Träger si auf der Reichskonf den Organ üssen Schritt halte gesundes nicht Das sichern wir durch che selber le at m ab. Der demokratische wir lätter as ist ein Organisation, deren rüssungsansprache d olgen, sie uch zugleich der Sa an ihnen festzustel stum hinter sich h s der Atem knapp g, n u wenig geb kl das , um aber a e Entwic gen so ein n ist. Und da ten. Eine Marie Juchacz. Beg ch sind,Fachlichkeit men ides Wach bliebendie li al Ta p m h ist verpflichtet, unserer n eu e, dieSozialstaat o ra t fr te z ig en n er d tz rg e le se re ga ein : Ein den wach inenp er Ent rückge cher vo er Jahrbü eutlich, dass die AW e Organe etwas zu em Schluss kommen sitzen, keine Gard ht anders. Aus ein sagen. Ich habe in n Jahren seit 45 ge t, dass es manchm Ausgleich zwischen Mitglieder, Engagierten und ner Arm und sd r uns ht nic diese etw Ihnen erinner vo ge an zu d n in zu r m ra es W ie h a A h te ic d besonder erz und andere in g, n e n ie ie te n u d d rd Es ist eine Gesetzgeb ienen haben, möch oder wie langsam nd ich wu ahr im Verzug ist. um, das ist achtung kö isationsvertretern, das H herzustellen. u b er ; d eo n B it re Mitarbeitenden. , dassReich h m er Ja n ch st noch zu d ellen, wie schnell d dass Gef d so kurzen berflächli will auch den Organ üssen Schritt halte des Wach st ch hat in che selber und bei o p wird, un das ist ein gesun ation, deren leben aus. Ich lgen, sie m ch zugleich der Sa m an ihnen festzu Wachstum hinter si ass der Atem knap h is g, ic fo n un an u g te rg n kl al O u ic h e kl e sc Entw twic n, u r au . Ein z. Begrüss d, d des

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