AWO Ansicht 2-2022

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Der Staat muss handeln können. Ein Staat sollte sich nie seiner eigentlichen Aufgabe berauben: soziale Politik selbst gestalten zu können. Angesichts ungewisser Zeiten ist diese Einsicht wichtiger denn je.

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AUSBAU STATT ABBAU

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r d e a n n h ht, icklung in das Materi üssen den Gesetze en Freunde! Ein p n vier Jahrbücher vo ich, dass die AW ei e etwas da muss ic hen so ge sche Entw den Gedanken an n ist. Und mal jungen Mensc e Organ Zeit. Sie m de und meine lieb ir zuerst die letzte z besonders deutl er r hig, hekti n t, re ru h in ch z ih e te n an n rs er d ga m an zu ir es ss es ie dahinte z und an aus Kinder r verehrte Anwesen lfahrt. Ich habe m wurde mir so gan könnte m ert , sagen w re Kraft, d en sehen, besteht chen h hDienst- men; es ass das Her er Beobachtung etwastreten o eu Se d sv h . , n rw o ss ge te für Freiheit, Wir bieten soziale ti u n a t eine Wir ei u m b is m n e ch len hli eko ein rgan der Ar r uns sitz 55 in Mü ist durch ig Angst b ann der Arzt feststel n, und bei oberfläc h will auch den O Schriften sie hier vo ichskonferenz 19 sie müssen eren n wen m, das Gleichheit, , er ei eu Ic en äg n e d ge Tr lg s s. in ab n e u fo h as d a Re Gerechtigkeit, leistungen mit hoher Qualität ga ig d g n h d u er ge Ic ich nd er auch twicklun eren leben gsansprache auf d blättert in älteren n offen gestehen: hiessen u ten Jahren vor sich sem Falle schalte sozialen En orte, die ab u e hoch sc für ge ssun letz an. terielle in die dass si zen einer eunde! Ein paar W n vier Jahrbüche n wenig Solidarität und Toleranz ein. Wirkung in denalle h Ihnen n en so geht,und et ei z. Begrü ic g es n a so G ss u M n u kl en m ge ic as d h n Ta Und da die letzte müssen d e lieben Fr ders d tische Entw den Gedanken an gen Mensc den letzte achsen ist. mandes r Zeit. Sie wesende und mein Ich habe mir zuerst mir so ganz beson z u chmal jun ir es ganz ruhig, hekStaat ht, Kommunen Diese und 5 gewGrundwerte dern ihretragen terste e es er . in in An H s rt rd K e u ah as w s as ah rt d ren seit 4 d w u d n lf h a t, s h ie es ge re t o d er as ; h ve , beste Arbeiterw n muss, d e etwas, sa e ungeheure Kraft, tzen ekommen en. Sehrdie aran erinn Es ist ein hlic sehen demokratischen Verantwortung urde dfreiheitlichen in Münch für si die n hriften der ein wenig Angst b n der Arzt feststelle , und bei oberfläc h 5 s ei Sc ist. 5 n h 9 u g 1 en u rc r z u rz er vo n d Ve r n eu t e re Ic n an is ie ge fe ab d h s. n n h in s as u e o a d ga h d as si , sk n d Ic h ge h u efahr im m : ic er d teren Wachstu gestehen Sozialismus bestimmen Daseinsvorsorge. dige Träg iessen un ten Jahren vor sich sem Falle schalte uf der Reic soziale in äl er soziale ie nun offen t, dass sie hoch sch n gesundes ation, deren leben ssungsansprache a n wenig geblättert tz n d le ei en in n n en le Ih d ze el h et ri in geh egrü uss ic so ei ung Mate rganis Handeln. den Ges Freunde Eine Ounser Juchacz. B den letzten Tagen Und da m ngen Menschen so hektische Entwickl Gedanken an das Sie müssen und meine lieben hsen ist. Ent Marie ju ir zuer ruhig, e ihrer Zeit. ht, den d m z n te n e en Aus einer sagen. Ich habe in hren seit 45 gewac dass es manchmal er rs ga d ab es te h in w es in K h An ir s Ic Ja , sagen w heure Kraft, die dah sehen, besteht au es wu ohlfahrt. r verehrte innert, ; h as er rw w en Se h zu Ihnen die AW in diesen n te . et m ra ei e a m b en n d o Ar am h wurde t. Es ist ei ist durch eine unge ier vor uns sitzen Angst bek der Arzt fest 5 in Münch eren Schriften der ic is 5 ig d 9 g n 1 u en u z rz wie langs ; w n n n Ve re h um, das efahr im äger sie d in neu h habe ei rzen Jahre g ichskonfe dass dann stehen: Ic älteren un at in so ku p wird, und dass G n gesundes Wachst deren lebendige Tr sprache auf der Re vor sich ge ssen und ei blättert in Ihnen nun offen ge dass sie hoch schie en letzten Jahren ap n, an t d o ge is kn gs ti in n a ig as u is le d em en ss el an At g, w d ri rü r h t, te un Org icklung in gen so ein chacz. Beg da muss ic en so geh ten. Eine an das Ma müssen e Entwickl erfreulich ardinenpredigt hal s einer Ent Marie Ju e in den letzten Ta gewachsen ist. Und mal jungen Mensch hig, hektische Entw ht, den Gedanken r Zeit. Sie ab re ru G Au te 5 h ch z e ih e 4 rs s. n h an n in it te Ic er ga m er d . se in ke d s es ren dah en, ht an sagen Anwesend wir es s Kin Kraft, die innert, das diesen Jah zu Ihnen esteht au as, sagen es geht nic o r verehrte zgebung, haben, möchte ich langsam die AW in ich wurde daran er ist. Es ist eine etw rch eine ungeheure uns sitzen sehen, b in München. Seh ften der Arbeiterw du nd ug en wie Schri z 1955 enig ier vor n en w h re er n e fe ei si eu n h zu dien , wie schnell oder so kurzen Jahren; u dass Gefahr im Verz Wachstum, das ist n e o er Ich hab n dige Träg d ren und in des der Reichsk hiessen gestehen: estzustelle m hinter sich hat in p wird, un ein gesun isation, deren leben ngsansprache auf ig geblättert in älte nun offen ht, dass sie hoch sc klung i u u Atem knap twicklung, das ist st en an en h ss n er w rg ac Ih rü d O n W s h eg e ei ic B n as ic es ge d d Ei so ss z. tw En . so u d, n ac n e En n m ge te en ch si e ch a h al li h Ta d Ju h sc en sc n d e eu t fr eb ig ari ekti G tzte Men t. Un urückgebli ss kommen: Eine er ine Gardinenpred s. Aus einer Ent M z ruhig, h ahintersteht, den e in den le it 45 gewachsen is manchmal jungen d lu , ke der wir es gan n. Ich hab ht aus te u dem Sch hier vor uns sitzen g, es geht nicht an ich zu Ihnen sage in diesen Jahren se n erinnert, dass es eine etwas, sagen ngeheure Kraft, die es b , en h ie te un AW dara Es ist eine u s sitzen se z 1955 in Münc en, möch rtretern, d mit der Gesetzgeb gsam die ich wurde ist durch Verzug ist. ier vor un n dienen hab er wie lan ren; und n onferen Gefahr im des Wachstum, das dige Träger sie h sk h s ic as d Re chritt halte che selber noch zu len, wie schnell od t in so kurzen Jah d ren und in er n el ha Sa p wird, u ein gesun isation, deren leben gsansprache auf d ig geblättert in älte Ihnen nun gleich der m an ihnen festzust hstum hinter sich ass der Atem knap twicklung, das ist n h u ne Organ ac d u a muss ic so ein wen En z. Begrüss t halten. Ei nommen, ein ganz rapides W ckgeblieben sind, : Eine erfreuliche ten Tagen wachsen ist. Und d al jungen Mensche rie Juchac inenpredig Aus einer Ent Ma h habe in den letz rü W m en ge A rd zu m ch a 5 ie G m 4 as an d e w it ko s m in ir es ga et se e das luss , ke sagen. Ic in diesen Jahren ht anders. , sagen w ert, dass es nere Organ te man zu dem Sch hier vor uns sitzen ran erinn t. Es ist eine etwas h eine ungeheu es geht nic öchte ich zu Ihnen W a A d andere in g, n e n ie ie n u d d rd , kö u eb n g w am htun en, m langs rzug is Gesetzg ertreter nd ich ist durc rv her Beobac en Organisationsv ritt halten mit der Jahren; u dienen hab ie schnell oder wie efahr im Ve es Wachstum, das dige Träger sie hie d so kurzen h d nd dass G w e er noch zu h will auch lgen, sie müssen Sc ch der Sache selb nen festzustellen, m hinter sich hat in em knapp wird, u g, das ist ein gesun isation, deren leben gsansprache auf d fo ih un an glei w un stu er At ss rg h n kl d zu an O rü ic s ei ac e m ch eg as W tw n u u so B d a , Ei En es n twicklung . z. d, en ten Tage t halten e Juchac freuliche ganz rapid rückgeblieben sin e, die aber cher vorgenomm inenpredig Aus einer Ent Mari Ich habe in den letz it 45 gewachsen en: Eine er ine Gard paar Wort zu die AW ein rbü komm sind unabhängiger und lussein n. ers. n se , ke n vier Jah ders deutlich, dass nere Organe etwas Wir h d re ge te en Sc h an tz sa tz t Ja le si h em n en s ert, das d ic ie n n d n in zu hier vor u zgebung, es geht n , möchte ich zu Ih am die AW in diese wurde daran erinn t. Es ganz beso nnte man eigenständiger nd andere is h etern, die gs en g n ic esetMitglieu ab la d urde mir so ss, dass das Herz u er Beobachtung kö isationsvertr G rz h n ie u er Ve ; w d en n n it re ie r im der u ch an tt halten m e selber noch zu d len, wie schnell o at in so kurzen Jah d, und dass Gefah Wachst ri h es ststellen m und bei oberflächli will auch den Org d Sc n en su derverband. Auf Grundlage müss h , er Sach t ein ge r sich h stzustel ,d app wir gegangen e schalte ich aus. Ic icklung folgen, sie zugleich d , um an ihnen fe es Wachstum hinte dass der Atem kn Entwicklung, das is Eine Organisation a Fall aber auch rgunserer n. Entw e nd, men Wertegastreiten pid ch te ie ch si m ra en al Ju d li o z h al e en wir n eu e, t zi ri en fr rt a ig eb so o n diesem d li er M n W vo er Ein paar zurückgeb ss kommen: Eine keine Gardinenpre ers. Aus einer Ent die AW ei etzen ein hrbücher s e! as es ab Ja as d h G w d n er , h et vi eu en h Ic e d ic Fr d . lu n , tl n an Mitgliedern, te dem Sch ns sitzen t nicht an nere Orgmit nen sagen diesen eine lieben st die letz onders deu gemeinsam hier vor u te man zu andere in ng, es geh , möchte ich zu Ih nde und m . Ich habe mir zuer rde mir so ganz bes die AW in und Herz und Beobachtung könn onsvertretern, die it der Gesetzgebu en am as rt u ab d gs h w n s ah la lf as es en h d ti ; n ie m o a Mitarbei, Engagierten und ie w er n en is ss d hren; erw u te ch m er an li d al m zu m h o rg h o n l O ch äc tt ek le el o rz fl n hri hn den ku en Ja gst b ober ststel will auch lgen, sie müssen Sc ch der Sache selber stzustellen, wie sc ter sich hat in so ird, und w n wenig An ass dann der Arzt fe gegangen, und bei ich aus. Ich tenden p ap solidarische und d Atem kn ihnen fe stum hin klung fofür eine ch zuglei halte er r sich h u ic d an sc a vo ac s ung, da e tw m W n kl ll er as u ssen und En ic d re , Fa es ab h tw d, en n pid e, die sozialen diesem tzten Ja rgenomm n ganz ra zurückgeblieben si : Eine erfreuliche En predigt hal vo ei paar Wort Gesellschaft. er W A ch g in den le an das Materielle in den Gesetzen einer eunde! Eingerechte ü ie mmen Fr Gardinen anders. vier Jahrb n h, dass d ere Organe etwas en Schluss ko en, keine t n n Gedanke ihrer Zeit. Sie müss e und meine lieben ir zuerst die letzten z besonders deutlic geht nich andere in könnte man zu dem die hier vor uns sitz d n n m es d en e er n ga g, d u es n ab z so in w u h K er ir h An s eb H , möchte g , m Ic e zg n n au . e as rt en et er d tu rt h rd h ab s et es u re ah h G tr ac as w lf ve b d h er r er en , o . Seh ommen; es zt feststellen muss oberflächlicher Beo den Organisationsv hritt halten mit d lber noch zu dien Arbeiterw ell oder n ek er h b d München sc t en gs ie ft w Sc An Ar Schri er Sache se nen festzustellen, n, und bei aus. Ich will auch e müssen sich ha d ein wenig nd dass dann der si ge r , e n ch te n neueren en ab ei ga in h lg gl h ge h h fo r sich en: Ic alte ic klung ssen u er auch zu ommen, um an ih rapides Wachstum sind, dass d ab ie d fen gesteh dass sie hoch schie en letzten Jahren vo in diesem Falle sch er sozialen Entwic e, z rt en d le ein paar Wo geblieben ht, cher vorg W ein gan mmen: Ei hen so ge sche Entwicklung in ken an das Materiel ssen den Gesetzen eben Freunde! Ein letzten vier Jahrbü eutlich, dass die A rgane etwas zurück Schluss ko uns sitz ü li ti d O e em er d n zu in e r ruhig, hek tersteht, den Gedan ern ihrer Zeit. Sie m esende und meine habe mir zuerst die so ganz besonders an und ander die hier vo in könnte m w ind rehrte An eiterwohlfahrt. Ich men; es wurde mir uss, dass das Herz cher Beobachtung isationsvertretern, n mit der Gesetzg aft, die dah en, besteht aus K ve r h Se . b Ar hli nm om rgan chen en seh hritt halte er noch ns sitzWir hriften der n wenig Angst bek n der Arzt feststelle n, und bei oberfläc h will auch den O unterstützen 55 in Mün Menschen, müssen Sc Sache selb Ic ei ferenz 19 ge an neueren Sc folgen, sie auch zugleich der en fest n g Reichskon in älteren und in gestehen: Ich habe iessen und dass d ren vor sich gegan lle schalte ich aus. n ih u kl an ic t Entw aber en, um einerselbstbestimmtes Leben sch Jah en e m Fa nig geblätt ich Ihnen nun off geht, dass sie hoch ung in den letzten Materielle in diese etzen einer sozialen Ein paar Worte, die ücher vorgenomm AW ein ganz rapid r so Ges die de! ickl das Jahrb füriceine zu n muss s en en tw as er eu an as h d d vi En Fr w n sc , n e en h et ke en h en Und dazu te ss führen, und fördern ein Wir streiten e jungen M ig, hektisc st die letz it. Sie mü ere Organ ders deutl den Gedan meine lieb manchmal n wir es ganz ruh die dahintersteht, us Kindern ihrer Ze e Anwesende und . Ich habe mir zuer mir so ganz beson erz und andere inn könnte man zu dem e demokratisches Gesellschaft aft, as H , sage besteht a hr verehrt bachtung rwohlfahrt ommen; es wurd n mudemokratische nsvertret heure KrZusammene etwas ss, dass d licher Beo en sehen, 55 in München. Se hriften der Arbeite ek le rganisatio eine unge b tz el t si h st s gs rc st n u u An fe d r oberflächund t 9 ig zt Sc 1 uch den O , sie müssen Sch vo ei Ar a z en r b as is leben l n en w ie er in Solidarität und in Vielfalt begegnen d il h re er d n n w u e fe n ei eu h , n si n e n Ic an hab äger d in ichsko nd dass d n vor sich gegange lle schalte ich aus. Entwicklung folgen er auch zugleic älteren un offen gestehen: Ich bendige Tr sprache auf der Re hiessen u re blättert in vor der Menschen mit Respekt. sozialen m e, die ab gsan ig geNatur. sie hoch sc in den letzten Jah terielle in diesem Fa etallen en nun s en n as w Ih rüssunAchtung d n h t, zen einer nde! Ein paar Wort rbücher vorgenom ei ic h das Ma Tagen so den Ges s hen so ge eu twicklung d da muss Jah an as sc Fr n en En d n er U ss , en e vi en ü ke h t. h M n is ic m eb sc n an n letzten tl te li e n ti mal junge gewachse ruhig, hek intersteht, den Ged indern ihrer Zeit. Si esende und meine e mir zuerst die letz onders deu andere i es b z n ga d en seit 45 nert, dass es manch sagen wir es ganz K w dah hrte An . Ich hab e mir so teht aus , as Herz un eobacht in Kraft, die ; es wurd . Sehr vere rwohlfahrt B ss, dass d sehen, bes e daran er ist. Es ist eine etwas h eine ungeheure ns sitzen nz 1955 in München hriften der Arbeite ig Angst bekommen Arzt feststellen mu ei oberflächlicher uch de u rc g r u u d vo rz t r Ve is ie Sc h b a re e das r im en e ein wen nd dass dann der gen, unduns icals s. Ich will ab n achstum, lebendige Träger si auf der Reichskonfe ren und in neuer u h a ga W h h ge Ic es : d klun Wir verpflichten u ch n te gesu ert in älte nun offen gestehen sie hoch schiessen tzten Jahren vor si diesem Falle schal ner sozialen Entwic r W sprache n, deren tt o an ti lä a b gs is n ge u an ss ig le s aa ei in en rü en p as n en n d w le eg n d Ih ze B el t, n Ei ine Org in h h ri et ei z. e! ic g te es ge d ac n a alsensozialFreun arie Juch n Tagen so ist. Und da muss gen Menschen so en den G le Entwicklu edanken an das M Mitgliederverband, ner Ent M habe in den letzte . Sie müss de und meine lieb hektische zuerst die sen jun h nz ruhig, ahintersteht, den G s Kindern ihrer Zeitwirtschaftliches en habe mir 5 gewach ass es manchmal Ic ir 4 . es h ga m n Ic w Unternehmen it e es . ge se An rt rd ir sa n e u w ah n d re n hrt au t, d es w ohlf Kraft, die Sehr vere was, sage diesen Jah , besteht n erinner Arbeiterw Angst bekommen; stellen m die AW in nd ich wurde dara ug ist. Es ist eine et rch eine ungeheure r uns sitzen sehen 1955 in München. en Schriund ften der als Interessenverband, wenig er Arzt fest ngen, n d u z u rz er ei vo ; n d n n Ve r eu t e re n an is ie re fe ab d im h h n h in s as r e o d ga h d as si ah n Ja , sk n d Ic ge h u ef m : er d ic G u n n ch en äg s st u Re re si h Tr as eh r te ssen Wac dige nd d uf der entsprechend Jahren vo offen gest s siunseren ttert in äl m Fall ch schieWerten pp wird, u as ist ein gesundes ation, deren leben ssungsansprache a enig geblä uss ich Ihnen nun as e ho ung in den letzten Materielle in diese d w t, d n is h rü ei g, an ge n eg so u rg B so m en Ge O kl n as z. d ic a e d ge en d n ac h tw twickl en Ta Ei d ch an sc ss n . En n Ju ü n U n e en handeln. wir Sie m t halte t Marie en letzte sen ist. GedankeIndem jungen M nz ruhig, hektisch zu Zeit. unsere en r al nd m d u re m t, e ih h ch d inenpredig ders. Aus einer En gen. Ich habe in d ren seit 45 gewach n te an en er rs ind wir es ga dahinte h sa dass es m rte Anwes t an h ht aus Ktransparent re lfah te h ve es o r b h , rw geht nich öchte ich zu Ihnen die AW in diesen Ja e daran erinnert, t eine etwas, sagen ngeheure Kraft, die en sehGrundsätze te en . Se is urd München Schriften der Arbei enig Angs eu sitz ,m z 1955 in r vor uns en haben ell oder wie langsam Jahren; und ich w r im Verzug ist. Es , das ist durch ein w n en ie n re h er ei e fe darstellen, machen wir sie zum eu e n si n o hn um efah äger d in h hab rzen a der Reichsk en, wie sc r sich hat in so ku p wird, und dass G n gesundes Wachst deren lebendige Tr älteren un offen gestehen: Ic ch schiessen und d rache auf ig geblättert in Maßstab te ei sie ho ation, Arbeit. en nun unserer letzten ungsansp s is n en ss as Ih en an hstum hin dass der Atem knap twicklung, das ist w d d rü h rg n t, ic O eg in h ei B e g ss so ge n so acz. a mu n. Ein icklun En d, an digt halte einer Ent Marie Juch in den letzten Tage wachsen ist. Und d al jungen Menschen ig, hektische Entw freuliche lieben sin Gedanken s en: Eine er m ardinenpre ge abe ruh rsteht, den Kindern ih te in ah luss komm uns sitzen, keine G ht nicht anders. Au Ihnen sagen. Ich h sen Jahren seit 45 ert, dass es manch sagen wir es ganz d s ie u r inn die zu as, es ge r besteht a re Kraft, d die hier vo zgebung, haben, möchte ich langsam die AW in ich wurde daran er ist. Es ist eine etw rch eine ungeheu uns sitzen sehen, 5 in München. Seh der Geset u d g r ie 5 d n u it 9 en w u t vo rz 1 m n ; r is z er n ie Ve n ie d n d as re h te o re d eren Sch im h l al e zu , r fe el h Ja si eu n m n n ah ch o u h er en o ef st sk in sc n rz äg G h h d Tr s ie ic er ku n ac selb dige d das in so len, w des W der Re älteren u offen gestehen der Sache festzustel r sich hat p wird, un das ist ein gesun isation, deren leben ngsansprache auf blättert in n an ihnen es Wachstum hinte ass der Atem knap twWir g, rüssu klunarbeiten Organ n wenig ge muss ich Ihnen nu ic ht, dass eg e ei professionell, B n men, um d Ei so z. id En . p n d, ac n e n ra ge te ch si ch a z hen so ge , hek al li Ta d Ju n h sc en n d e eu t ga n ri fr te en eb ig n a U li tz M d er M ei b t. le e re n t is p n ge ge ig En n en Ei ck n h en d : se er rü ju in ru die AWWir finden h n in en z zu rd al ei ac e m n a s w m m uns mit Ungleichinklusiv, interkulturell, e etwas luss ko , keine G ders. Au n. Ich hab ie es manch seit 45 ge n wir es ga nere Organ man zu dem Sch r uns sitzen ng, es geht nicht an ich zu Ihnen sage in diesen Jahren ran erinnert, dass t eine etwas, sage ungeheure Kraft, d vo r ie h te n ie te kön underUngerechtigkeit die AW , möch und wurde da uns sitzen amnachhaltig. tretern, d mit der Gesetzgebu nen habeninnovativ g ist. Es is das ist durch eine htung heit r u h gs ic rz n vo sv r d la n Ve n o ie ie u ti h im ; a w e , ie r n is n noch zu d n, wie schnell oder in so kurzen Jahre d, und dass Gefah Wachstum lebendige Träger si auf der Reichskonf den Organ üssen Schritt halte gesundes nicht Das sichern wir durch che selber le at m ab. Der demokratische wir lätter as ist ein Organisation, deren rüssungsansprache d olgen, sie uch zugleich der Sa an ihnen festzustel stum hinter sich h s der Atem knapp g, n u wenig geb kl das , um aber a e Entwic gen so ein n ist. Und da ten. Eine Marie Juchacz. Beg ch sind,Fachlichkeit men ides Wach bliebendie li al Ta p m h ist verpflichtet, unserer n eu e, dieSozialstaat o ra t fr te z ig en n er d tz rg e le se re ga ein : Ein den wach inenp er Ent rückge cher vo er Jahrbü eutlich, dass die AW e Organe etwas zu em Schluss kommen sitzen, keine Gard ht anders. Aus ein sagen. Ich habe in n Jahren seit 45 ge t, dass es manchm Ausgleich zwischen Mitglieder, Engagierten und ner Arm und sd r uns ht nic diese etw Ihnen erinner vo ge an zu d n in zu r m ra es W ie h a A h te ic d besonder erz und andere in g, n e n ie ie te n u d d rd Es ist eine Gesetzgeb ienen haben, möch oder wie langsam nd ich wu ahr im Verzug ist. um, das ist achtung kö isationsvertretern, das H herzustellen. u b er ; d eo n B it re Mitarbeitenden. , dassReich h m er Ja n ch st noch zu d ellen, wie schnell d dass Gef d so kurzen berflächli will auch den Organ üssen Schritt halte des Wach st ch hat in che selber und bei o p wird, un das ist ein gesun ation, deren leben aus. Ich lgen, sie m ch zugleich der Sa m an ihnen festzu Wachstum hinter si ass der Atem knap h is g, ic fo n un an u g te rg n kl al O u ic h e kl e sc Entw twic n, u r au . Ein z. Begrüss d, d des

UNSERE LEITSÄTZE


AWO A N SI C H T

Liebe Leserin, lieber Leser, gegenwärtig ist die ökonomische, finanzpolitische und sicherheitspolitische Lage in Deutschland und Europa ungewiss. Die politischen und sozialen Folgen der Pandemie, des Krieges in der Ukraine und des Klimawandels stellen Europa und Deutschland vor enorme Herausforderungen, verschärfen soziale Schieflagen und Ungleichheiten. Eine Bewältigung dieser Herausforderungen ist nur dann möglich, wenn wir als Staat handlungsfähig sind und bleiben. Noch kann niemand absehen, was das Auslaufen staatlicher Hilfsmaßnahmen im Zuge der Pandemie für viele Menschen bedeutet; ebenso ist unklar, wie gravierend die Folgen dieses Krieges und die ökologische Transformation zum Beispiel für die Lebenshaltungskosten und -standards der Menschen im Alltag sein werden – insbesondere in Haushalten mit niedrigen Einkommen. Glaubt man den diversen Untersuchungen, kommen auf den Staat und die Bürger*innen unterschiedlichste Belastungen zu. Das wird wohl unvermeidbar sein. Klar aber ist spätestens nach den vielfältigen Unterstützungsmaßnahmen im Zuge der Pandemie und des Krieges: Der Staat handelt und ist finanziell ausgestattet, um entsprechend zu agieren. Zugespitzt gesagt: Reformvorhaben wie die Kindergrundsicherung, die Einführung des Bürgergeldes, der qualitative Ausbau der Kinderbetreuung, die Unterstützung von Familien und die Schaffung bedarfsgerechter und bezahlbarer Wohnungen sind unverzichtbar und dürfen keinesfalls einem Spardiktat geopfert werden. Ebenso dringend notwendig sind eine angemessene Entlohnung gesellschaftlich unverzichtbarer Berufe, die sozial-ökologische Transformation, die Ermöglichung von Teilhabe, die Integration und Selbstbestimmung, aber auch die pflegerische Unterstützung für Menschen im Alter und die Stärkung einer solidarischen Zivilgesellschaft. All dies darf nicht im Reform-Klein-Klein verharren, sondern muss beherzt angegangen werden. Hierbei dürfen zudem schwache Interessen nicht gegen starke Interessen ausgespielt werden. Wir bleiben seit über 100 Jahren bei unserer Forderung: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Gerade die AWO muss in den anstehenden Debatten dazu hartnäckig und kraftvoll ihre Stimme erheben. Da kann und muss man mit uns rechnen!

Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin

Michael Groß, Präsident

I M P R E SS U M Herausgeber AWO Bundesverband e. V. Blücherstraße 62 / 63 • 10961 Berlin Tel 030 / 26309-0 • Fax 030 / 26309-32599 info@awo.org • www.awo.org Redaktion AWO Ansicht Tel 030 / 26309 -4553 • Fax 030 / 26309 -324553 awo-ansicht@awo.org Redaktion Brigitte Döcker • Berit Gründler • Peter Kuleßa v.i.s.d.P.

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AWO A K T U E L L

UKRAI N E H E L F E N

Eine humanitäre Katastrophe Der Krieg in der Ukraine ist eine humanitäre Katastrophe. Die Zivilbevölkerung leidet, und mehr als 13 Millionen Menschen wurden laut UNHCR in den letzten Wochen entweder inner­halb des Landes vertrieben oder sind in die Nachbarländer geflohen (Stand Mai 2022). Das entspricht fast einem Drittel der Bevölkerung der Ukraine. Zusammen mit Aktion Deutschland Hilft rief AWO International Ende Februar zu Spenden für die Nothilfe auf, um zusammen mit Partnern vor Ort gezielt zu helfen. AUTORIN MIRIAM DRUBA

Gemeinsam mit der Volkshilfe Österreich unterstützt AWO International die langjährige ukrainische Partnerorganisation Narodna Dopomoha, kurz NDU, in der westukrainischen Stadt Czernowitz. Dort wurde unter anderem ein »Welcome Point« eingerichtet, wo Binnenvertriebene frisches Trinkwasser und warme Mahlzeiten erhalten. Von dort aus vermittelten die Mitarbeiter*innen und Freiwilligen von NDU bereits Notunterkünfte für über 500 Binnenflüchtlinge und führten psychosoziale Beratungsgespräche mit über 100 Menschen durch. Erich Fenninger, Geschäftsführer unseres Kooperationspartners Volkshilfe Österreich, war bereits Anfang März in Czernowitz, um dringend benötigte Hilfsgüter wie Nahrungsmittel, Schlafsäcke und Medikamente an NDU zu übergeben. »Hunderte Menschen haben spontan eine Kette gebildet und beim Entladen geholfen. Dieser Zusammenhalt und Einsatz der Zivilgesellschaft ist überwältigend. Man sieht, unsere Hilfe kommt direkt bei den Menschen an«, berichtete Fenninger im Anschluss. Seitdem wurden bereits zwei weitere umfangreiche Hilfslieferungen nach Czernowitz organisiert – weitere werden in den nächsten Wochen folgen. Mehr als 5 Millionen Menschen haben die Ukraine aufgrund des Krieges bereits verlassen und suchen Schutz in den Nachbarländern wie Polen, Rumänien oder der Republik Moldau. Trotz großer Solidarität der Zivilbevölkerung vor Ort kommen viele Aufnah-

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meländer nach und nach an die Grenzen ihrer Kapazitäten – etwa bei der Unterbringung. Deshalb unterstützen wir gemeinsam mit unserem Schweizer Netzwerkpartner Solidar Suisse zwei rumänische Nichtregierungsorganisationen (NRO) bei der Versorgung von Geflüchteten. Die zwei lokalen Partnerorganisationen LOGS in Timis˛oara und Migrant Integration Center Bras˛ov arbeiten schon lange im Migrationsbereich. Neben Unterbringungen und psychosozialen Beratungsangeboten erhalten Geflüchtete aus der Ukraine in den beiden Projekten Unterstützung durch Bargeld oder Gutscheine, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. In ganz Deutschland zeigen sich AWO-Gliederungen solidarisch mit den Betroffenen und organisieren Spendenaktionen, Nothilfeprojekte oder Unterkünfte für Geflüchtete. Neben den Projekten mit Partnerorganisationen in der Ukraine und Rumänien unterstützt AWO International auch verschiedene AWO-Verbände bei Nothilfeprojekten in der Ukraine sowie bei Hilfstransporten von Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln und medizinischen Produkten nach Polen und in die Ukraine. Gemeinsam mit dem AWO Bezirksverband Oberbayern unterstützt AWO International etwa die ukrainische NRO Walnuss Haus in Lwiw, die aktuell 150 Personen in Notunterkünften sozial­ pädagogisch betreut und mit Mahlzeiten versorgt. »Als der Krieg anfing, mussten wir unsere Arbeit ein bisschen umstellen: Wir haben jetzt zum Beispiel die Unterstützung von 85 Waisenkindern aus Donezk übernommen. Diese Kinder werden mit Lebensmitteln und anderen Sachen ausgestattet, die sie im Moment dringend brauchen«, berichtet Yuriy


Erich Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe Österreich, übergibt Hilfsgüter in der Stadt Czernowitz, Ukraine.

Lopatynsky, Geschäftsführer unserer ukrainischen Partnerorganisation aus Lwiw. Walnuss Haus versorgt pro Tag circa 2500 Menschen mit einem warmen Essen: »Wir verteilen Essen am Bahnhof – sozusagen an den Toren von Lwiw. Da kommen die Geflüchteten aus dem Osten und der Zentralukraine an, also Menschen, die gerade vor Schüssen und Bomben fliehen. Ebenso unterstützen wir mit dem Essen drei Unterkünfte für Geflüchtete«, so Yuriy Lopatynsky. Neben dem Bezirksverband Oberbayern unterstützt AWO International aktuell auch den AWO Kreisverband Wunsiedel, den Bezirksverband Potsdam sowie die Landesverbände Brandenburg und Sachsen-Anhalt bei Hilfslieferungen in die Ukraine und nach Polen. Insgesamt konnten bis Anfang Mai 2022 in Kooperation mit AWO-Verbänden und der Volkshilfe Österreich bereits 18 Hilfstransporte durchgeführt werden und circa 90 Tonnen dringend benötigte Hilfsgüter wie Lebensmittel, medizinisches Material und Hygieneartikel in die Ukraine sowie in Verteilzentren und Geflüchtetenunterkünfte in Polen geliefert werden.

HELFEN S I E!

Wir sind überwältigt von der großen Solidarität und Hilfsbereitschaft für die Menschen in der Ukraine sowie die Menschen auf der Flucht. Wenn auch Sie die Ukraine-Nothilfeprojekte von AWO International unterstützen möchten, können Sie dies mit einer Spende tun. Spendenkonto: AWO International IBAN: DE83 1002 0500 0003 2211 00 Spenden-Stichwort: Nothilfe Ukraine

Beim Entladen der Hilfsgüter in Czernowitz gab es viele spontane Helfer*innen.

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AWO A K T U E L L

U KRAI N E H E L F E N

Es ist kein Krieg gegen ein Land, es ist ein Krieg gegen Menschen AUTOR ERICH FENNINGER

Am 4. März um 12.03 Uhr Ortszeit, eine Woche nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges, startet der erste Hilfskonvoi der Volkshilfe Richtung Ukraine. Ich mache mich gemeinsam mit meinem Team und 40 Tonnen an Hilfsgütern auf den Weg. Unsere Eindrücke teile ich in einem Online-Tagebuch.

Freitag, 4. März, 12.03 Uhr, Traiskirchen, Österreich Der Krieg in der Ukraine ist furchtbar. Über 1,4 Millionen Menschen mussten bereits vor den Bomben und Raketen flüchten. Wir bringen eure Spenden zu unserer Schwesterorganisation in Czernowitz. Slovan Ilic, einer unserer Lastwagenfahrer, hat gestern noch seine Familie aus der Ukraine in Sicherheit gebracht. Heute ist er schon wieder unterwegs, mit uns, Richtung Krieg.

Samstag, 5. März, 10.25 Uhr, Grenze zur Ukraine Wir queren in diesem Moment die Grenze in die Ukraine. Wir sehen vor allem Frauen, zu Fuß, manche mit Kinderwägen, viele tragen die Kinder auch einfach im Arm. Ein langer Menschenstrom in Richtung Rumänien. Empfangen von offenen Armen, mit Tee und Decken, von vielen helfenden Händen. Und schlagartig ist er da, der Krieg, direkt vor unseren Augen. Das Betroffensein trifft einen hier an der Grenze, wortwörtlich, wie ein Schlag. Noch vor wenigen Tagen konnte sich niemand von diesen Menschen vorstellen, aus ihrer Heimat vertrieben zu werden. Es ist kein Krieg gegen ein Land. Es ist ein Krieg gegen Menschen. Doch es bleibt nicht viel Zeit zum Nachdenken. Vom Jagdkommando in der Krisenunterstützung der österreichischen Botschaft in der Ukraine haben wir die Lageeinschätzung für den Raum Czernowitz bekommen: »Derzeit ist es ruhig.« Die von euch finanzierten Hilfsgüter sind sicher auf dem Weg. Nächster Stopp: Czernowitz.

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Samstag, 5. März, 17.58 Uhr, Czernowitz, Ukraine. Die Organisation der Hilfe hier in Czernowitz ist beeindruckend. Unsere Schwesterorganisation Narodna Dopomoha ist mit 18 Hauptamtlichen und doppelt so vielen Ehrenamtlichen im Einsatz. Gerade jetzt, in der Krisensituation, engagiert sich die Bevölkerung überall an Sammelaktionen, stellt Privatquartiere bereit. Schon jetzt werden hier in Czernowitz weit mehr Hilfsgüter gesammelt, als vor Ort benötigt werden. Die Helfenden organisieren die Verteilung von Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Medizinprodukten für jene Städte, die derzeit im Krieg umkämpft sind. Sie packen 15-Kilo-Säcke, die für eine Woche reichen. Damit die Menschen, die jetzt eingekesselt werden, nicht ausgehungert werden. Dieser Zusammenhalt und Einsatz der Zivilgesellschaft ist überwältigend. Bitte spendet weiterhin. Ich danke euch.

Mit Stand 3. Mai 2022 sind 35 Lkw und 510 Tonnen an Hilfsgütern in der Ukraine angekommen. Unterstützt durch direkte Spenden an die Volkshilfe sowie unsere Partner AWO und Nachbar in Not. Sahen wir zu Beginn Hunderttausende Frauen und Kinder aus der Ukraine fliehen, sehen wir mittlerweile keine mehr. Die Menschen, die innerhalb ihres eigenen Landes fliehen, sind in den Medien unsichtbar. Diese Menschen versorgen wir regelmäßig und unterstützen sie nachhaltig mit psychosozialer Betreuung und dauerhafter Unterbringung. erich.fenninger@volkshilfe.at

Erich Fenninger ist seit Juni 2003 Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich.


U KRAI N E H E L F E N

Aufnahme von HolocaustÜberlebenden AUTOR HANS KOPP

Die Jewish Claims Conference (JCC) und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) sind im März 2022 mit der Bitte an die Bundesregierung herangetreten, die geplante Evakuierung von circa 400 Personen zu unterstützen. Mehrere Ministerien, Behörden und Wohlfahrtsverbände sind seitdem an der Umsetzung dieses Vorhabens beteiligt. In einem gemeinsam gestemmten Kraftakt werden wöchentlich um die 20 Menschen in Krankenwagen aus dem Kriegsgebiet über Polen nach Deutschland gebracht. Bislang sind 78 HolocaustÜberlebende und 26 Angehörige wohlbehalten in München, Würzburg, Köln, Dortmund, Berlin, Hannover und Düsseldorf angekommen.

AWO München zur Unterstützung der Aufnahme in ihren Pflegeeinrichtungen Die Krankenwagen trafen am Sonntag, den 27. März um 20 Uhr bei uns ein. Sechs Tage vorher waren wir im allgemeinen Verteiler einer Anfrage des AWO Bundesvorstandes, ob wir ukrainische HolocaustÜberlebende aufnehmen würden. Wir antworteten, dass wir uns dies grundsätzlich vorstellen könnten. Wir sehen dies sowohl als solidarischen Beistand mit den Menschen aus der Ukraine wie auch als moralische Verpflichtung gegenüber den Verfolgten der Nazi-Diktatur. Zudem sind wir als Betriebsträger eines jüdischen Pflegeheims gut geeignet, den jüdischen Holocaust-Überlebenden eine besonders angemessene Betreuungssituation mit den entsprechenden sprachlichen und kulturellen Voraussetzungen bieten zu können. Am 25. März kam der Anruf aus der Migrationsabteilung des AWO Bundesverbandes, wonach die nun hilfebedürftigen älteren Menschen evakuiert worden seien und ob wir bereit wären, 10 bis 15 Personen aufzunehmen. Glücklicherweise konnten wir mit einer Blitzumfrage schnell klären, für wie viele Personen wir Aufnahmekapazitäten hätten. Wir entschieden uns, da wir nur wenige Pflegeplätze aktuell frei hatten, auch Ausweichzimmer miteinzubezie-

» Gerade unsere Polnisch, Ukrainisch oder Russisch sprechenden Mitarbeiter*innen, die wir bewusst einteilten, sorgten jedoch gleich für eine sehr freundliche Willkommenssituation.« hen. So konnten wir die Aufnahme von neun hilfeoder pflegebedürftigen Personen mit zwei ihrer Angehörigen, verteilt auf vier unserer Pflegeeinrichtungen, zusichern. Für diese kurzfristige Aktion mussten noch drei Pflegebetten in zwei Einrichtungen bis in den Abend verfahren werden. Die Uhrzeit der Ankunft war noch nicht klar, von daher mussten wir uns ab Sonntagvormittag auf das Eintreffen einstellen. Herr Schuster von der ZWST versorgte uns am Samstag mit den wichtigsten Personendaten und hielt uns über die Ankunftszeit auf dem Laufenden. Die Ankunft selbst war dann kurzzeitig etwas trubelig, weil im Eifer zunächst nicht ganz klar war, welche Angehörige zu welchen Personen gehörten, und es kurzfristig noch Verschiebungen gab. Die Ankömmlinge waren sehr erschöpft von der zweitägigen Fahrt. Gerade unsere Polnisch, Ukrainisch oder Russisch sprechenden Mitarbeiter*innen, die wir bewusst einteilten, sorgten jedoch gleich für eine sehr freundliche Willkommenssituation. Die ersten Tage schauten wir, wie wir jedem Ankömmling von seinem Krankheitsbild und seinen persönlichen Bedürfnissen her individuell gerecht werden können. Wir freuen uns, dass wir ein Stück AWOSolidarität zeigen durften.

Hans Kopp ist Geschäftsführer beim Kreisverband München-Stadt e.V. • hans.kopp@awo-muenchen.de 2 • 22 AWO ANSICHT 7


AWO Z A H L EN

Armutsgefährdung im Alter verhindern Die Folgen von Armut, prekärer Erwerbsarbeit oder Erwerbslosigkeit im Lebensverlauf zeigen sich nicht zuletzt im Alter. Ein würdevolles Leben im Alter ist vor allem dann möglich, wenn die Betroffenen auch finanziell abgesichert sind. Unabdingbar ist eine solidarische Alterssicherung. Klar ist: Mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze und nach einem erfüllten Arbeitsleben hat jede*r das Recht auf eine Rente, mit der sie*er ihr*sein Leben im Alter finanziell unabhängig gestalten kann. Die Versicherten müssen sich auf eine lebensstandardsichernde Rente verlassen können, die auf lohnorientierten Rentenanpassungen basiert und oberhalb der Grundsicherung liegt. Immer mehr Menschen sind im Alter aus unterschiedlichen Gründen – zumeist aufgrund von Lücken in der Erwerbsbiografie – armutsgefährdet. Viele Betroffene können diese Lücken nicht durch private oder betriebliche Altersvorsorge schließen. Um Altersarmut zu verhindern, sind auskömmliche Löhne immer noch von großer Bedeutung. Dies muss weiterhin der Maßstab sein. Es braucht ebenso eine aktive Arbeitsmarktpolitik sowie eine professionelle Begleitung von Übergängen in Ausbildung und Beruf. Ist dies nicht möglich, sind für Geringverdienende eine bessere Absicherung bei der Rente und Rentenfreibeträge in der Grundsicherung unbedingt geboten.

Die Generation 65 plus sieht sich in Deutschland zunehmend von Altersarmut bedroht.

Armutsgefährdungsquoten in Deutschland in Prozent Insgesamt 65 Jahre und älter

15,9

14,7

15,7

11

2005

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2019


Grundsicherung im Alter in Prozent Grundsicherung im Alter erhalten alle Personen, die die Regelaltersgrenze überschritten haben und deren Einkommen nicht ausreicht, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Ohne Einkommen Unter 400 Euro 400 bis 800 Euro Über 800 Euro

5 41

19

Knapp ein Fünftel verfügt über kein angerechnetes Einkommen. Weitere 35 Prozent beziehen nur ein geringes Einkommen von unter 400 Euro. Die Einkommensbezüge stammen in erster Linie aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung.

35

Bevölkerungsentwicklung 67-Jährige und Ältere in Prozent

21,4 19

Die Folgen von Armut, prekärer Erwerbsarbeit oder Erwerbslosigkeit im Lebensverlauf zeigen sich nicht zuletzt im Alter. Ein würdevolles Leben im Alter ist vor allem dann möglich, wenn die Betroffenen auch finanziell abgesichert sind.

16,2

2020

2030

2040

Quellen: BMAS, 11. April 2022 Statistisches Bundesamt, Juli 2019

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KIN DER AWO T H E MA

KI ND ER ARMU T Jedes fünfte Kind wächst in Armut auf. Dieses Problem kann mit der Einführung einer Kindergrundsicherung behoben werden. Das Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG (www.kinderarmuthat-folgen.de) hat ein entsprechendes Konzept vorgelegt. Die Bundesregierung sollte das Thema entschieden angehen, um weitere Armutskarrieren zu verhindern.


FACHKR Ä F T E MA N G E L Eine Beschäftigung im Sozialbereich ist anspruchsvolle psychische und physische Arbeit. Dies erfordert gut bezahlte und hochmotivierte Fachkräfte. Davon gibt es zu wenige. Soziale Berufe müssen aufgewertet werden. Es sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese Berufe besser bezahlt werden und bessere Arbeitsbedingungen und Aufstiegsmöglichkeiten erhalten.

Investitionen statt Sparzwang Ein handlungsfähiger Staat ist notwendiger denn je. Der Zusammenhalt in einer gerechten Gesellschaft erfordert einen gut ausgestatteten Sozialstaat und eine vitale Zivilgesellschaft. Der folgende Themenschwerpunkt zeigt exemplarisch, wie das aussehen kann und was dafür im Handeln und Denken notwendig ist.

AR BEIT


AU S BAU S TAT T A BBAU

Es braucht den Sozialstaat – mehr denn je Fragen von sozialer Ungleichheit, der wachsen­ den Kluft zwischen Arm und Reich und seit Ende Februar auch nach dem Erhalt von Frieden bestimmen gegenwärtig und künftig das Leben in Deutschland und Europa. Klar muss dabei sein: Ohne einen funktionierenden und entsprechend ausgestatteten Sozialstaat bleibt der sozialpolitische Friede vakant.

Wenn es sein muss, geht es plötzlich

AUTOR PETER KULEßA

Spätestens seit Mitte der 1980er-Jahre in Großbritannien und den USA, nach 1989 in den mittelund osteuropäischen Staaten und dann seit 2003 auch in Deutschland gab es einen Siegeszug der Privatisierung staatlicher Versorgungsangebote. Der Glaube an die Fähigkeit neoliberaler Marktregulierung wuchs stetig. Der Anspruch individueller Eigenversorgung und Eigenvorsorge von Lebens­ risiken wurde immer größer. Neoliberales Denken konsequent zu Ende gedacht, bedeutet zugleich die Verabschiedung des Staates. Nach der Devise: Staatliches Handeln ja, aber bitte nur zur Absicherung des neoliberalen Marktgeschehens. Infiziert von diesem Denken musste Ende der 1990er-Jahre und zu Beginn der Nullerjahre plötzlich alles »schlank« werden: Überall gab es zu viel institutionellen und personellen Ballast, der abgeworfen werden musste. In den vergangenen Jahrzehnten wurde aufgrund von Sparpolitiken Personal eingespart, das jetzt fehlt. Der Abbau und Abschied von staatlichen Versorgungsstrukturen etwa beim Wohnraum führt seit Jahren zu massiven Problemen für den Haus- und Wohnungsbau und auf dem Mietmarkt. Die Folge: Bezahlbaren Wohnraum in Groß- und Studentenstädten zu finden, wird für immer mehr Menschen unmöglich. Inzwischen gilt dies nicht mehr nur für diese Städte, sondern zusehends auch für erweiterte Einzugsgebiete von

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Großstädten und ländliche Regionen. Besonders prekär wird die Wohnraumfrage etwa für Geflüchtete oder Menschen mit geringem und gar keinem Einkommen oder auch chronischen Krankheiten (u.a. Sucht), die ein stabiles Leben im Alltag erschweren.

Bereits im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 wurde urplötzlich offenbar, wie wichtig ein handlungsfähiger Staat ist. Die wirtschafts- und finanzpolitische Krise der Corona-Pandemie mit entsprechenden sozialen Verwerfungen ist noch gravierender – und wieder wird nach staatlichen Hilfen gerufen. In beiden Fällen wurde rasch wirtschaftspolitischideologischer Ballast abgeworfen, um zu handeln. Im Nachgang zur Finanzkrise wurde dies rasch wieder vergessen, und alte ideologische Muster bestimmten alsbald das Denken und Handeln. Ob und wie lange dies so bleiben wird, bleibt abzuwarten. Langfristig können stabile Finanzen nur dann gesichert werden, wenn die Einnahmeseite des Staates verlässlich hoch bleibt.

Unsicherheiten und Ängste Die Gedanken sind nicht neu, aber deswegen keineswegs veraltet: Warum nicht die Spitzen-Einkommenssteuersätze anheben? Warum nicht endlich Vermögens- und Erbschaftssteuern einführen, die ihren Namen auch verdienen? Und warum sich nicht endlich vom Fetisch der »Schwarzen Null« und der Schuldenbremse verabschieden? Aus demokratischen Gründen ist eines klar: Der Zusammenhang zwischen ökonomischer und sozialer Absicherung und einem grundlegenden Interesse an Demokratie und politischer Teilhabe ist gegeben. Untersuchungen belegen, dass sich Menschen in prekären Lebenslagen oftmals aus dem repräsentativen System durch Wahlenthaltung verabschieden.


Hierzu zählen vielfach jene Männer und Frauen, die seit Beginn der Corona-Pandemie allenthalben als Held*innen gefeiert werden. Es wäre daher umso fataler – sowohl für die persönlichen Lebensalltage der Betroffenen selbst wie auch für die Glaubwürdigkeit unserer repräsentativen Demokratie insgesamt –, wenn wohlfeile Ankündigungen nur leere Worthülsen bleiben; wenn keine angemessene Bezahlung möglich sein wird; wenn es etwa im Gesundheits- und Pflegewesen nicht zu spürbaren Verbesserungen in der Bezahlung, aber auch beim Ausgaben- und Verantwortungs­ zuschnitt des Pflegepersonals kommt.

Demokratische soziale Politik Eine fortlaufende ökonomische Durchdringung des Lebensalltags vieler Menschen führt in die Irre. Es gibt Bereiche, die eben nicht den Postulaten der Privatisierung folgen und »dem Markt« überlassen werden dürfen. Seien es Fragen alltäglicher Versorgung wie Strom, Gas oder Wasser, der gesundheitlichen oder pflegerischen Vorsorge, der Erziehung oder Bildung, des Umweltschutzes oder des Klimas. In diesen Feldern werden unverzichtbare Dienstleistungen erbracht für ein funktionierendes Gemeinwesen. Der öffentliche Sektor ist vor allem im Bereich der Humandienstleistungen eine unverzichtbare soziale Größe im nachhaltigen Modernisierungsprozess. Dies gilt insbesondere in Fragen von sozialen Aufstiegsfunktionen bestimmter Gruppen. Aber auch beim Klimawandel kommt es auf eine stabile, nicht vom Markterfolg abhängige Expertengruppe im öffentlichen Sektor an, die das Thema bearbeitet. Der staatliche Bereich ist demnach maßgeblich für ein soziales und demokratisches Gemeinwesen und zugleich Stabilisator für eine nicht unerhebliche soziale Gruppe mit Blick auf deren gesellschaftlichen und beruflichen Aufstieg.

» Es gibt Bereiche, die eben nicht den Postulaten der Privatisierung folgen und ›dem Markt‹ überlassen werden dürfen. Seien es Fragen alltäglicher Versorgung wie Strom, Gas oder Wasser, der gesundheitlichen oder pflegerischen Vorsorge, der Erziehung oder Bildung, des Umweltschutzes oder des Klimas.«

Ein demokratisches Gemeinwesen ist dann robust gegen zersetzende Tendenzen, wenn engagierte Bürger*innen und ihre Interessen ernst genommen und akzeptiert werden. Die Menschen sind vor allem dann bereit, sich an Wahlen zu beteiligen oder sich freiwillig für soziale Belange der Gemeinschaft zu betätigen und Verantwortung zu übernehmen, wenn sie für sich einen Sinn erkennen können; wenn sie spüren, dass sie gebraucht und nicht ausgenutzt werden. Der soziale Frieden ist dann gesichert, wenn die Menschen – unabhängig von Herkunft, materiellen Möglichkeiten, religiösen Überzeugungen oder Geschlecht – als Freie und Gleiche selbstbestimmt leben können. Diese eigentlichen Selbstverständlichkeiten geraten nicht erst seit der Corona-Pandemie unter Druck; die Pandemie hat vielmehr strukturelle Ungleichheiten freigelegt, was zu häufig in öffentlichen Debatten kaum beachtet oder gar ignoriert wird.

awo-ansicht@awo.org

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AU S BAU S TAT T A BBAU

Alleinstehende suchen Wohnraum In den Städten Dinslaken, Voerde und der Gemeinde Hünxe unterstützt die AWO des Kreisverbandes Wesel e.V. Personen, die Hilfe zur Überwindung ihrer besonderen sozialen Schwierigkeiten, insbesondere die Suche nach Wohnraum, benötigen. AUTORIN ANJA STAHL

Die Fachberatungsstelle für alleinstehende Wohnungslose der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Wesel e.V. besteht seit dem 1. Mai 1988. Zu ihrem Einzugsgebiet zählen die Städte Dinslaken, Voerde und die Gemeinde Hünxe. Zu uns kommen Personen, die Hilfe zur Überwindung ihrer besonderen sozialen Schwierigkeiten benötigen. Hierzu zählen unter anderem eine fehlende oder nicht ausreichende Wohnung, gewaltgeprägte Lebensverhältnisse, die Entlassung aus einer Einrichtung, Suchterkrankungen, Erwerbslosigkeit und Überschuldung oder fehlende tragfähige soziale Kontakte.

Das Vorgehen Durch persönliche Betreuung und Beratung werden erforderliche Papiere beschafft und die finanziellen Verhältnisse geordnet, Hilfen bei gesundheit­ lichen Problemen geboten, tragfähige soziale Kontakte aufgebaut und Basisqualifikationen trainiert (Konfliktbewältigung, Termintreue), Hilfen beim Umgang mit Ämtern und Behörden gegeben, die Klient*innen an entsprechende Fachdienste vermittelt und Maßnahmen zur Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung getroffen. Die Beratungsstelle besteht aus zwei Büroräu­men, einer Küche und einem Aufenthaltsraum. Den Klient*innen stehen ein Telefon und ein PC mit Internetzugang zur Verfügung. Diesen können sie zur Wohnungs-und Arbeitsplatzrecherche wie auch zur Erstellung von Bewerbungen nutzen. Der Bereich für wohnungslose Frauen ist über einen eigenen Eingang erreichbar und bietet einen teilbaren Raum für Beratung und Aufenthalt.

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Zur Situation wohnungsloser Frauen Die Gründe für die Wohnungslosigkeit von Frauen sind vielfältig und unterscheiden sich von denen wohnungsloser Männer. Es sind unter anderen: ewalterfahrungen in Beziehungen oder in G der Ursprungsfamilie, sowohl physisch als auch psychisch • Entlassung aus der Jugendhilfe/Heimunter­ bringung • Verdeckte Wohnungslosigkeit, das heißt, viele gehen Zwangsbeziehungen oder -gemeinschaften ein, um die eigene Wohnungslosigkeit zu verdecken • Fehlende Unabhängigkeit durch fehlende Berufsausbildung und Übernahme des traditionellen Frauenbildes oder alleinerziehende Frauen • Fehlende Vernetzung • Distanz zu Gemeinschaftsunterkünften •

Nach aktuellen Auswertungen wurden in der Beratungsstelle für Wohnungslose in Dinslaken im Jahr 2021 20 Prozent Frauen unterstützt, die einen besonderen Hilfebedarf benötigen. Da unter den oben genannten Gründen Frauen sich oft auf widrige Wohnumstände einlassen und es in Dinslaken und der näheren Umgebung kein spezielles Wohnangebot für Frauen gibt, wird sich die Arbeiterwohlfahrt KV Wesel e.V. zeitnah mit der Einrichtung eines speziellen Wohnangebotes für Frauen beschäftigen. Ausgangspunkt für die Hilfebedarfserhebung ist eine Zustandsbeschreibung der aktuellen Lebenssituation des jeweils betroffenen Menschen und die Ermittlung beziehungsweise Erarbeitung des daraus resultierenden Hilfebedarfs für die unterschiedlichen Problembereiche. Grundsätze der methodischen Arbeit sind eine stets am Einzelfall orientierte Hilfe, motivierende und lösungsorientierte Gesprächsführung, Ressourcencheck mit Zielerarbeitung und personenzentrierte Gesprächsführung. Auffällig ist die erhöhte Zahl der Wiederaufnahmen. Daraus wird deutlich, wie schwierig es für die Klient*innen ist, ihre besonderen Lebensverhältnisse, verbunden mit den sozialen Schwierigkeiten, vollständig zu überwinden. Die multiplen Problemlagen (Erwerbslosigkeit, Verschuldung, Suchterkrankung, erneute Wohnungslosigkeit) erfordern häufig einen langen


» Die meisten Hilfesuchenden verfügen zwar über einen Schulabschluss, bleiben aber ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung. Beim Erstkontakt waren 53 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer ohne jegliche Einkünfte.«

24 Prozent der männlichen Klienten bezogen ALG II. Bei den Frauen lag dieser Anteil bei 20 Prozent. Im Jahr 2021 konnten 40 Prozent der Frauen und 23 Prozent der Männer in eigenen Wohnraum vermittelt werden. 38 Prozent der Männer und 31 Prozent der Frauen standen aktuell noch in laufender Betreuung.

Unterstützungsprozess, um die Lebenssituation zu stabilisieren. Die Altersstruktur hat sich im Laufe der letzten Jahre insofern geändert, als die Zahl der wohnungslosen jungen Erwachsenen stetig gestiegen ist. Im Jahr 2021 liegt der Prozentsatz der Klient*innen zwischen 18 und 24 Jahren bei 25 Prozent. Eskalierende Konflikte zwischen Eltern/Stiefeltern und Kind führen häufig dazu, dass das »Leben unter einem Dach« nicht mehr möglich ist und die jungen Erwachsenen quasi über Nacht wohnsitzlos werden. Der Anteil der 20 bis 39-jährigen männlichen Klienten stellt mit 67 Prozent die größte Gruppe.

Wer kommt warum? Die meisten Hilfesuchenden verfügen zwar über einen Schulabschluss, bleiben aber ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung. Beim Erstkontakt waren 53 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer ohne jegliche Einkünfte. Bei den jungen Wohnungslosen liegt dies daran, dass sie in der Regel direkt aus dem Elternhaus kommen und zuvor keinerlei staatliche Transferleistungen erhielten.

Zur Unterstützung bei der Wohnraumsuche wird eine regelmäßig aktualisierte Liste mit Wohnungsbaugesellschaften und Immobilienmakler*innen an die Klient*innen weitergegeben. Weiterhin gibt es Kontakte zu privaten Vermieter*innen, die der Beratungsstelle Wohnraum anbieten. Weitere Unterstützung erhielten die Mitarbeiter*innen von dem seit 2019 bestehenden und in der Beratungsstelle eingebundenen Projekt »Endlich ein Zuhause«. Dieses wurde vom Landesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales initiiert und zunächst bis 2023 bewilligt. Hier werden die Klient*innen motiviert und unterstützt, wieder ein eigenes Zuhause anzustreben und zu finden. Der Prozess der Wohnungsanmietung wird engmaschig begleitet, und auf Wunsch findet eine Nachbetreuung statt. Dieses Projekt stellt eine sinnvolle und gewinnbringende Ergänzung für die Arbeit der Beratungsstelle dar.

AWO Kreisverband Wesel e.V. Beratungsstelle für alleinstehende Wohnungslose gem. §§ 67 – 69 SGB XII • Schillerstraße 62 a 46535 Dinslaken • whd@awo-kv-wesel.de

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AU S BAU S TAT T A BBAU

Gegen die Missachtung von Armut – Klassismus ernst nehmen Der Soziologe Andreas Kemper plädiert dafür, dass die Fragen von sozialer Herkunft viel stärker in den Blick genommen werden müssen, um gesellschaftliche Konfliktpotenziale zu beseitigen. INTERVIEW PETER KULEßA

Inwiefern? KEMPER Wir haben etwa im Allgemeinen Gleich­ behandlungsgesetz keinen Punkt, der Klassismus anspricht. Wir haben einen Katalog von sechs verschiedenen Diskriminierungsformen. Soziale Herkunft, Armut spielen jedoch keine Rolle.

Was sind die Gründe? KEMPER Das hat zu tun mit der Frage von Interes-

Was ist Klassismus? KEMPER Klassismus ist eine Diskriminierungs-, Unterdrückungsform wie Rassismus oder Sexismus. Klassismus meint Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft oder aufgrund der sozialen Position. Menschen, die obdachlos oder arbeitslos sind oder eine sogenannte niedrige soziale Herkunft haben, die müssen damit rechnen, klassistisch benachteiligt zu werden. Wobei Obdachlosigkeit an sich schon Klassismus ist, weil niemand in einem so reichen Land wie Deutschland wohnungslos sein müsste. Klassismus ist aber nicht nur Ausbeutung, sondern auch Macht, Gewalt. Gewalt in dem Sinne, dass Menschen, die von Klassismus betroffen sind, häufiger auch Gewalt ausgesetzt sind und ihnen auch Gewalt öfter »zugeschoben« wird. Kürzlich las ich einen Kommentar zu toxischer Männlichkeit, wonach toxische Männlichkeit dem sogenannten »Proll« zugeschrieben wird; er ist der gefährliche Mann. Das ist eine klare Zuschreibung von Gewalt. Klassismus insgesamt ist jedoch unsichtbarer.

» Klassismus ist eine Diskriminierungs-, Unterdrückungsform wie Rassismus oder Sexismus. Klassismus meint Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft oder aufgrund der sozialen Position.«

16 AWO ANSICHT 2 • 22

senvertretung. Zum Zeitpunkt, als die EU in den 1990er-Jahren einen Katalog von Diskriminierungsformen diskutierte, war soziale Herkunft als Kategorie noch enthalten. Irgendwann sind die vier Kategorien Behinderung, sexuelle Orientierung, Alter und soziale Herkunft aus dem Katalog herausgefallen. Unter dem berechtigten Protest und Druck verschiedener Lobbygruppen wurde der Katalog wieder überarbeitet. Einzig: Für die Frage nach der sozialen Herkunft gab es keine Fürsprecher und entsprechend keinen Platz mehr im Katalog. Es gibt keine Selbstorganisierung von etwa Arbeiterkindern. Darum steht das nicht im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz – und zwar europaweit. An dieser Stelle zeigt sich wieder, wie Interessenvertretung und Formulierung von Klassen zusammenhängen.

Wie kann das sein? Denn eigentlich sind ja genug Untersuchungen bekannt, die das Problem benennen. KEMPER Absolut. Aber es geht ja bei politischen Parteien immer auch darum, Wählerstimmen zu gewinnen. Wir haben auf der einen Seite eine sehr gut organisierte Lobby der gut verdienenden reichen Akademiker. Die wollen, dass ihre Kinder bevorteilt werden. Sie werden mit ihren Anliegen auch gehört. Auf der anderen Seite haben wir gar nichts. Wahlen oder Volksentscheide zeigen immer wieder, dass in den Bereichen die Beteiligung gering ist, wo ärmere Menschen leben, und umgekehrt. Es gibt eine Partizipationsschere entlang der Linie zwischen Arm und Reich. In einer Untersuchung zum Wahlverhalten bei der letzten Landtagswahl in Thüringen mit Blick auf die AfD werden zwei Punkte deutlich: Die Partei war dort erfolgreich, wo früher die NPD stark war. Und, zum Zweiten, dort, wo zuvor nicht


» Die Klassenbezogenheit existierte im Denken und Handeln der alten sozialen Bewegungen, aber nicht bei den neuen sozialen Bewegungen. Dafür stand bei den neuen sozialen Bewegungen etwa die Frage von Alltagsdiskriminierung viel stärker im Mittelpunkt. «

gewählt wurde, konnte die AfD große Zugewinne machen. Die Ursache für die fehlende politische Partizipation der armen Menschen ist zugleich eine Ursache dafür, dass die AfD so stark wird.

Warum ist das Klassismuskonzept bei den gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Zuständen, mit denen wir zu tun haben, noch nicht prominenter geworden? KEMPER Das hat vor allem mit einem Wandel von den alten zu den neuen sozialen Bewegungen in den 1970er-Jahren zu tun. In den 1970er-Jahren entstanden die Frauenbewegung, die SchwulenLesben-Bewegungen, die Ökologiebewegungen, die Friedensbewegung. Das waren die neuen sozialen Bewegungen. Die alte soziale Bewegung, das war Klassenkampf; das war Gewerkschaftsbewegung oder die starke Organisierung von Arbeitern und deren Interessen in einer Partei. Es gab aber nicht nur ein neues soziales Subjekt, sondern das Eintreten für neue Politikformen weg von dem Repräsentationsmodell über Gewerkschaften oder Parteien hin zu einer Unmittelbarkeit.

AND REA S KE MP E R ist Soziologe und Publizist und forscht zu Klassismus und Bildungsbenachteiligung, Antifeminismus und Männlichkeit, AfD und Neue Rechte. andreas.erich.kemper@gmail.com

AWO I NT E RV I E W

Könnten Sie das noch ein wenig präzisieren? KEMPER Bei den alten sozialen Bewegungen dominierte das Repräsentationsmodell. Sprich: Inter­ essenvertretung über Repräsentation. Nach der Devise: »Wählt uns, und wir werden das dann für euch machen.« Wenn es dann irgendwann eine bessere Gesellschaft gibt, werden es auch Arbeiterkinder besser haben. Arbeiterkinder mussten sich gar nicht als Arbeiterkinder organisieren, sondern das ging vor allem über Parteien oder Gewerkschaften. Bei den neuen sozialen Bewegungen hätte der Alltag von Arbeiterkindern theoretisch eine Rolle gespielt, aber die hatten sich inhaltlich vom »Klassenkampf« entfernt, und die Frage von sozia­ler Herkunft ist damit unter den Tisch gefallen. Die Klassenbezogenheit existierte im Denken und Handeln der alten sozialen Bewegungen, aber nicht bei den neuen sozialen Bewegungen. Dafür stand bei den neuen sozialen Bewegungen etwa die Frage von Alltagsdiskriminierung viel stärker im Mittelpunkt. Diese war bei den alten sozialen Bewegungen und den Arbeiterkindern eher kein Thema. Idealerweise müsste man also das Beste aus beiden Bewegungen zusammenbringen. Anders gesagt: Es ist die Aufgabe des Klassismuskonzepts, die Ökonomiefrage in diese Antidiskriminierungsfragen einzubringen.

Mit Blick auf Arbeitslose, und vor allem Langzeitarbeitslose, wird in verschiedenen Untersuchungen eine wachsende Ablehnung der Betroffenen durch andere gesellschaftliche Gruppierungen festgestellt. Wer lehnt diese Gruppe ab und warum? KEMPER Eigentlich alle Gesellschaftsschichten. Es gibt auch Ablehnung von Arbeitslosen gegenüber Arbeitslosen. Das ist dann eine Art Selbst-

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AU S BAU S TAT T A BBAU

» Wir müssen das Bildungssystem ändern. Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg die Forderung der Alliierten, dass in Deutschland ein Bildungssystem eingeführt wird, wo alle Kinder gemeinsam bis zur 9. Klasse auf eine Schule gehen, weil die frühe soziale Selektion zur Untertanenmentalität bei­getragen hat. Das würde ich heute auch sagen.«

Klassismus. Die entscheidende Frage aber ist: Wer hat Interesse daran, dass es diese Vorurteile gibt? Das sind vor allem Leute mit ökonomischem und politischem Einfluss; sie verhindern, dass darüber aufgeklärt wird und dass es Gerechtigkeit gibt.

Wie eng ist eigentlich der Zusammenhang zwischen Klassismus und Rassismus? KEMPER Sehr eng. Wenn man sich heute anschaut, wer eigentlich arm ist, dann hat man hauptsächlich Menschen mit Migrationshintergrund. Ein Beispiel aus den USA, das aber auch für Deutschland gelten kann: In New Orleans habe ich seinerzeit nach dem Hurrikan Katrina mitgearbeitet und geforscht. Folgendes war deutlich zu erkennen: Wer arm war, war schwarz, und wer schwarz war, war arm. Hier waren die Überschneidungen von Rassismus und Klassismus nachweislich zu erkennen.

Was ist eigentlich Rassismus? KEMPER Rassismus ist Diskriminierung aufgrund von Zuschreibungen, die mit Ethnie, mit Hautfarbe und so weiter verknüpft sind; mit Fremdheit, lokaler Fremdheit. Beim Rassismus kann man noch Alltagsrassismus unterscheiden von einem eliminatorischen Rassismus, bei dem es in Richtung Vernichtung geht. Aber das sind quantitative Unterschiede, die ineinander übergehen. Es gab und gibt die Verknüpfung von Klassismus und Rassismus; es gibt Verteilungskämpfe. Nehmen Sie die Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008. In dem Zusammenhang sind sehr viele individuelle Ängste geweckt und Unsicherheiten geschürt worden. Viele Menschen fragten sich, ob sie etwa noch ihre Wohnung bezahlen können. Nun sind seit 2015 Migranten gekommen, die natürlich auch irgendwo wohnen möchten. Es ist im Alltag dann wiederum sehr viel einfacher, gegen Migranten anzugehen als etwa gegen ein Unternehmen wie BlackRock. BlackRock ist ein weit entfernter Konzern, der irgendwo in den Vereinigten Staaten sitzt und von dem man gar nicht mitbekommt, wie er funktioniert. Selbst wenn man sehen wür-

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de, wie er funktioniert, hätte man das Gefühl, man kann gegen diesen Giganten gar nichts machen, man blickt nicht durch. Aber bei Migranten sieht man: Die wohnen hier in der Nachbarschaft und die kriegen plötzlich Wohnraum. Es ist also ein Kampf um die wenigen Ressourcen. Da ist es sichtbar. Bei BlackRock ist es nicht sichtbar, wobei BlackRock viel gefährlicher ist und viel mehr Schaden anrichtet als Menschen, die aus Not heraus fliehen müssen.

Was ist jetzt von den demokratischen Kräften unbedingt gefordert? KEMPER Bildungspolitik und politische Partizipation sind ganz wichtig. Das heißt, wir müssen die politische Partizipation der Ärmeren stärken. Wir müssen das Bildungssystem ändern. Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg die Forderung der Alliierten, dass in Deutschland ein Bildungssystem eingeführt wird, wo alle Kinder gemeinsam bis zur 9. Klasse auf eine Schule gehen, weil die frühe soziale Selektion zur Untertanenmentalität beigetragen hat. Das würde ich heute auch sagen. Wir können den Kindern nicht beibringen, dass alle Menschen gleich sind, wenn wir sie schon nach der 4. oder 6. Klasse aufteilen in Hauptschule, Realschule, Gymnasium. Mit der frühen Aufteilung wird schon früh klargemacht, dass die Menschen doch nicht gleich sind; dass es Gewinner und Verlierer gibt. Schule ohne Klassismus ist wichtig. Aber das geht nur in einer Schule, wo tatsächlich alle gleich sind. Das Interview ist eine gekürzte und aktualisierte Version einer Interviewfassung aus Heft 1-2020 der Zeitschrift Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (TUP). Die Redaktion dankt dem Autor und der TUP für die Bereitstellung des Textes.


Familienwohnen auf Zeit Ein Angebot der Jugend- & Erziehungshilfen des AWO Bezirksverbands Braunschweig e. V. für Familien in belastenden Situationen. AUTOR NILS BORKOWSKI

mehrere Maßnahmen zur Besserung ihrer fami­ liären und sozialen Lebenslagen durchlaufen haben. Die Problemdimensionen belaufen sich auf drohende Fremdunterbringung der Kinder oder bereits häufig durchgeführte Inobhutnahmen.

Das Konzept Das Familienwohnen auf Zeit gibt es seit 2018. Es befindet sich in Remlingen, Landkreis Wolfenbüttel. Bis zu fünf Familien leben zusammen in einem Mietshaus, jeweils in eigenen Wohnungen. Vor Ort werden sie durch ein multiprofessionelles Team der AWO-Jugend- & Erziehungshilfen betreut.

Zielgruppen Ziel dieser Jugendhilfemaßnahme nach SGB VIII ist es, Familien in die Lage zu versetzen, akute Krisen gemeinsam zu überwinden, problematische fami­ liäre Interaktionsmuster abzubauen, sicherzustellen, dass Familien zusammenbleiben – also zu verhindern, dass, wie es sonst häufig der Fall ist, Kinder aus Familien herausgenommen und fremduntergebracht werden müssen. Zielgruppe sind sogenannte Multiproblemfamilien, die in der Regel bereits

» Zielgruppe sind sogenannte Multiproblemfamilien, die in der Regel bereits mehrere Maßnahmen zur Besserung ihrer familiären und sozialen Lebenslagen durchlaufen haben. Die Problemdimensionen belaufen sich unter anderem auf drohende Fremdunterbringung der Kinder.«

Das Konzept gliedert sich in 3 Phasen. Phase 1 ist die Kennenlern- und Vorbereitungsphase. Schwerpunkt dieser Phase sind zunächst Kontaktaufbau und das gegenseitige Kennenlernen. Es geht um die Erfassung der Problemlage, die Motivations- und Auftragsklärung. Phase 2, das eigentliche Familienwohnen auf Zeit vor Ort in Remlingen, ist auf circa 6 bis 12 Monate festgesetzt. Während dieser Zeit zeichnet sich der Alltag der Familien durch eine klare und individuell vereinbarte Struktur aus. Termine und Absprachen werden in einem Familienwochenplan festgeschrieben und reflektiert. Die Kinder werden während des Familienwohnens nicht aus ihrem sozialen Umfeld herausgezogen, sondern besuchen tagsüber weiterhin ihre Kita beziehungsweise Schule. Gegebenenfalls berufstätige Eltern können ihrer Arbeit nachgehen. Zusätzliche Kinderbetreuungsangebote im Familienwohnen ermöglichen zeitgleiche Gruppengespräche zu pädagogischen Fragestellungen. In Phase 3 lebt die Familie wieder zu Hause in ihrer eigenen Wohnung und wird von den Familienpädagog*innen nach­ betreut und begleitet. Erlernte Kompetenzen und erreichte Ziele sollen so gefestigt werden. Ein Schwerpunkt des Konzepts sind die sogenannten Multifamilienarbeitstreffen. Wesentlicher Bestandteil dieser Methode ist das gemeinsame, zeitgleiche Arbeiten mit mehreren Familien. Die Methode basiert auf der Erfahrung, dass Familien fähig sind, eigene Lösungen für ihre Probleme zu entwickeln und umzusetzen. Durch die Anwesenheit verschiedener Familien mit ähnlichen Auffälligkeiten wird daran gearbeitet, dass die Familien sich gegenseitig helfen und beraten, Ideen austauschen und Feedback innerhalb der Gruppe anbieten.

Nils Borkowski • Leiter Geschäftsbereich Jugend- & Erziehungshilfen • AWO Bezirksverband Braunschweig e.V. • Jugend- & Erziehungshilfen Damm 18 • 38100 Braunschweig • Tel 0531/12045711 borkowski@awo-bs.de

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AU S BAU S TAT T A BBAU

Gut leben im Alter Für Menschen im Alter muss die Möglichkeit von gesellschaftlicher Teilhabe, Integration und Selbstbestimmung verbessert werden. AUTOR SEBASTIAN GOTTSCHALL

Zufriedenheit, Wohlbefinden und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beeinflussen maßgeblich die Chancen auf ein gutes und gesundes Leben und Älterwerden. Hier setzt das Projekt »Gesund Altern und Pflegen im Quartier (GAP)« an. Das vom Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) im Namen und Auftrag der Ersatzkassen geförderte und vom AWO Bundesverband e. V. koordinierte Projekt baut auf den Ergebnissen und Erfahrungen des Projekts »Gesundheitsförderung und Prävention für ältere Menschen im Quartier« (2018 – 2020) auf. Ziel ist es, die Gesundheit von zu Hause lebenden älteren Menschen ab circa 65 Jahren sowie von pflegenden Angehörigen zu fördern, indem die Rahmenbedingungen für ein gesundes Älterwerden und Pflegen vor Ort durch den Aufbau gesundheitsfördernder Strukturen verbessert werden. An acht ländlichen Modellstandorten in Rheinland-Pfalz, SachsenAnhalt, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und dem Saarland sollen dafür mit Blick auf die Bedarfe der älteren Menschen und pflegenden Angehörigen vorhandene gesundheitsfördernde Angebote verzahnt, neue bedarfsgerechte Angebote entwickelt und relevante Akteure vernetzt werden.

Acht Standorte Hierzu wurden an allen acht Standorten über den AWO Bundesverband e. V. Projektkoordinator*innen auf Grundlage einer Anfangsqualifizierung geschult. Den Projektkoordinator*innen obliegt die Aufgabe der Koordination des Projektprozesses vor Ort. Anfangspunkte stellen eine umfassende Ist-Analyse der lokalen Gegebenheiten sowie der Aufbau eines Planungskreises dar, welcher die Zusammenarbeit vor Ort fördern und Synergieeffekte schaffen soll. Nach der umfassenden und systematischen IstAnalyse werden im Projekt insbesondere die Perspektiven der älteren Bürger*innen und pflegenden Angehörigen berücksichtigt. Zur Erhebung der Bedürfnisse der älteren Menschen wird ein Ideen-

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» Ziel ist es, die Gesundheit von zu Hause lebenden älteren Menschen ab circa 65 Jahren sowie von pflegenden Angehörigen zu fördern, indem die Rahmenbedingungen für ein gesundes Älterwerden und Pflegen vor Ort durch den Aufbau gesundheitsfördernder Strukturen verbessert werden.«

austausch im Sinne eines Bürger*innendialogs durchgeführt. Um insbesondere isoliert lebende ältere Menschen zu erreichen, sollen ergänzend niedrigschwellige Zugangsformen, wie beispielsweise Fokusgruppen, realisiert werden.

Modellhafter Charakter Die aus den partizipativen Bedürfnisanalysen entstehenden Ideen werden mit Rückblick auf die Ergebnisse der Ist-Analyse durch den Planungskreis priorisiert und fließen anschließend in zu gründende Arbeitsgruppen ein. In diesen wirken lokale Akteure, ehrenamtlich Engagierte und die Zielgruppen zusammen, um die ausgewählten Ergebnisse und Lösungsansätze umzusetzen. Grundlegend für den Erfolg des Projekts ist die möglichst starke Teilnahme und Teilhabe der Zielgruppen an Bedarfsbestimmung, Maßnahmenplanung und -umsetzung. Die älteren Menschen und pflegenden Angehörigen werden als Expert*innen ihrer Gesundheit integriert sowie als selbstbestimmte Partner*innen in einem gemeinschaftlichen Prozess betrachtet, die von Gesundheitsprofis mit fachlichem Know-how unterstützt werden.

Die über den gesamten Projektzeitraum gemachten Erfahrungen werden so aufbereitet, dass sie für weitere Kommunen nutzbar sind, und fließen in praxisnahe Instrumente sowie einen im Vorgängerprojekt entwickelten Praxisleitfaden ein: https://www.gesunde-lebenswelten. com/gesund-vor-ort/aeltere-menschen/quartiersprojektfuer-aeltere-14/


Klimaschutz und Nachhaltigkeit

DREI F R AG E N

Interview mit dem Geschäftsführer des AWO Bezirksverbandes Pfalz Markus Broeckmann, weshalb die Wohlfahrtspflege Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu ihren Themen machen muss. INTERVIEW STEFFEN LEMBKE

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Was verbindet einen Verband wie die AWO mit den Themen Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung? Als das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr 2021 in seinem historischen Urteil Nachbesserungen beim Klimaschutz forderte und die Bundesregierung so unmittelbar zum Handeln zwang, stützte es seine Begründung auf einen der fünf Grundwerte der Arbeiterwohlfahrt: die Freiheit. Das Gericht führte aus, es sei die Freiheit künftiger Generationen, welche es zu schützen gelte und welche nicht durch die Versäumnisse heutiger Generationen in Form zu schwacher Klimaziele eingeschränkt oder gefährdet werden dürfe. Diese Verbindung zwischen der Begründung des Gerichts und einem unserer Grundwerte ist kein Zufall. Sie zeigt uns vielmehr, wie eng das auf Solidarität, Toleranz, Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit aufbauende Weltbild der Arbeiterwohlfahrt mit der Vision einer klimaneutralen beziehungsweise nachhaltigen Gesellschaft und damit mit den Pariser Klimaschutzzielen sowie den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen verbunden ist.

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Was bedeutet das für die künftige Rolle und das Selbstverständnis der AWO? Angesichts der sich beschleunigenden und immer dramatischeren Folgen der Übernutzung unseres Planeten gewinnt dieses Verständnis, dass Nachhaltigkeit fester Bestandteil des AWO-Wertebildes ist, nochmals an Bedeutung. Wir sehen, wie ganze Regionen unter jahrelanger Dürre leiden und sich zunehmend destabilisieren. All diese Entwicklungen zeigen nicht nur den unmittelbaren Handlungsbedarf, sie zeigen auch, dass die Klimakrise eindeutig eine soziale und humanitäre Krise ist. Es kann daher keine Frage sein, ob wir als AWO uns mit Klimaschutz und Nachhaltigkeitszielen befassen, sondern nur, was unsere konkreten Aufgaben sind und wie wir diese anpacken.

MAR KUS BR OECKMANN ist Geschäftsführer des Bezirksverbandes der AWO Pfalz e.V. in Neustadt / Weinstr. info@awo-pfalz.de

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Wo kann oder muss die AWO konkret für Nachhaltigkeit und Klimaschutz aktiv werden? Der Wandel hin zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Gesellschaft wird nicht gelingen, wenn wir nicht auch zentrale soziale Fragen in den Mittelpunkt stellen und alle Menschen mitnehmen. Verletzliche Bevölkerungsgruppen müssen wir unterstützen, damit sie einen für sie angemessenen Beitrag leisten und an der vor uns liegenden Transformation teilhaben können. Ein weiteres Handlungsfeld sind unsere Einrichtungen und Dienste. Denn ohne Frage werden wir keines der von der Bundesrepublik ausgerufenen Klimaund Nachhaltigkeitsziele erreichen können, wenn nicht auch der gewaltige Sozial- und Gesundheitssektor seinen Beitrag dazu leistet. Das fängt bei der Auswahl von Fahrzeugen für ambulante Dienste an, geht über die Energieversorgung unserer Gebäude bis hin zur Frage, wie wir die vielen Tausenden uns anvertrauten Menschen täglich verpflegen. Bereits seit einigen Jahren entwickeln und erproben wir in Pilotprojekten wie »klimafreundlich pflegen« konkrete Klimaschutzmaßnahmen. Diese müssen nun schnellstmöglich in die Fläche gebracht werden. Dazu gehört eine entsprechende verbandliche Strategie genauso wie die klare Forderung an die Politik: Klimaschutz und nachhaltiges Handeln müssen endlich Bestandteil der Finanzierung Sozialer Arbeit werden!

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AWO AU ßE NA NS ICH T

Und täglich grüßt der Pflegebonus AUTOR STEFAN SELL

Vielleicht gut gemeint, sicher schlecht gemacht Sie haben es schon wieder gemacht bzw. sie sind noch dabei: Der Bundestag hat über den von der AmpelRegierung eingebrachten »Entwurf eines Gesetzes zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen (Pflegebonusgesetz)« debattiert. Die besonderen Belastungen des Pflegepersonals in Krankenhäusern und in der Langzeitpflege durch die Corona-Pandemie sollen »durch die kurzfristige Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Prämienzahlungen anerkannt werden«.

PR OF. DR . S TEFAN S ELL ist Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften, Fachbereich Wirtschafts- und Sozial­ wissenschaften, an der Hochschule Koblenz/Campus Remagen. sell@hs-koblenz.de

Moment, wird der eine oder die andere denken: Gab es das nicht schon mal? Und war das nicht ein ziemliches Durcheinander, bis die Prämie bei den einen, aber nicht bei den anderen angekommen ist? Doch, so war das, wir reden jetzt über den dritten Anlauf. Im ersten Corona-Jahr 2020 gab es zuerst eine Prämie für die Altenpflege, später wurde die Krankenhauspflege auch bedacht – wobei schon damals ein ernüchterndes Geschiebe zu beobachten war, wer und wer nicht was bekommen soll. Und »natürlich« das SchwarzePeter-Spiel, wer denn die Schatulle aufmachen muss. Bereits 2020 hat man die Pflegekräfte ins Nirwana sortiert und differenziert und einen wirkkräftigen Spaltpilz in den Belegschaften verbreitet. Und nun geht das wieder los.

cher gedacht haben, denn es passierte – nichts. Kein Wunder: Man hatte eine vorgegebene Geldsumme – und zu viele Pflegekräfte. Also begann man wieder mit der Kleinschredderei des (zu großen) Empfängerkreises.

Im vergangenen Jahr, noch vor der Bundestagswahl, hatten die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten eine Prämie in Aussicht gestellt – speziell für die Intensivpflege und ihre besonderen Leistungen in der vierten Corona-Welle. Der damalige Gesundheitsminister Spahn hatte sogar »5000 Euro plus x« gefordert. Die neue Bundesregierung hat das aufgegriffen und eine Prämie, nun für Kliniken und Pflegeheime, vereinbart. Aber gut Ding will Weile haben, muss sich man-

Immer die gleichen Fehler. 2020 diskutierte man in Deutschland monatelang über die Ausgestaltung der Corona-Prämie – in Frankreich hingegen wurde die bereits im Juni ausgezahlt. An alle in den Kliniken und Heimen. Und gibt es Alternativen zu den krampfhaften und lebenszeitfressenden Abgrenzungen, wer und wer nicht? Wenn man das Glück hat, im öffentlichen Dienst der Bundesländer zu arbeiten, dann hat man bereits Anfang dieses Jahres einen Corona-Bonus von 1300 Euro bekommen. Es sei ihnen natürlich gegönnt – aber man darf auch die Frage stellen, warum denn dort alle, unabhängig von der tatsächlichen Belastung, die in einigen Fällen auch ein faktischer Schonaufenthalt im Homeoffice gewesen sein mag, eine »Corona-Prämie« bekommen. Interessanterweise wird dort eben nicht spaltpilzträchtig differenziert. Das könnte mit Blick auf die Pflege zu denken geben.

I M N ÄCH S T E N H E F T

Vielfalt leben. Heft 3: Ein Heft über das zeitgemäße Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft. 22 AWO ANSICHT 2 • 22

Herausgekommen ist wieder einmal ein Regelwerk, dessen Umsetzung zahlreiche Besprechungsrunden und Wutanfälle in den Einrichtungen und ambulanten Diensten auslösen wird, denn die müssen die nunmehr eingedampfte Geldsumme unter ihren Leuten verteilen oder ihnen vorenthalten. Ich empfehle allen das Studium des neuen § 26e Krankenhausfinanzierungsgesetz und ergänzend des neuen § 150 SGB XI mit den zu erfüllenden Voraussetzungen für den Bonus – allein dafür kann man ein halbes Bachelor-Studium konzipieren.


Eine starke Marke. Wohlfahrtsmarken unterstützen soziale Projekte.

Wohlfahrtsmarken 2022

www.awo.org/wohlfahrtsmarken



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